Kunst ≠ Kunst von Fara_ThoRn (~ Kunst ist nicht gleich Kunst) ================================================================================ Kapitel 11: Kapitel 09 - Pleiten, Pech und Pannen (ohne Adult) -------------------------------------------------------------- Kapitel 09 - Pleiten, Pech und Pannen (ohne Adult) Leise Seufzer. Hin und wieder ein vergnügtes Lachen. Morgens aufzuwachen kann ja so schön sein! Aber leider "Runter von mir, Rick. Ich muss mal pinkeln." Dämliche Blase! Rick, der eben noch an meinen Hals geknabbert hat, als wäre ich heute Morgen sein Frühstück, hebt den Kopf und guckt mich belämmert an. "Das kann man auch netter ausdrücken", knurrt er. "Entschuldigung", sage ich mit nasaler Stimme. "Werter Herr Axt? Ich müsste mal schnell austreten, bevor sie mir weiter den Hals liebkosen." Ein Lächeln fliegt über seine Lippen. "Geht doch", kichert er und rutscht von mir runter, damit ich mich aus dem Bett quälen kann. "Soll ich dir helfen?" "Bei was? Beim Halten?" "Wenn du magst ..." Oh wie frech seine grünen Augen mich anfunkeln. Das wäre doch glatt ein Grund, wieder in mein Bettchen zu schlüpfen, wäre da nicht meine Blase, die mich piesackt. "Vielleicht ein anderes mal", sage ich und humple los. Inzwischen kann ich auch ganz gut ohne Krücken humpeln. Wenigstens in meiner Wohnung. Über eine Woche ist es jetzt her, unser erstes Mal. Und seitdem verbringen wir jede freie Minute miteinander. Wir verstehen uns blendend, nicht nur im Bett. Es ist fast schon beängstigend, wie sehr wir auf einer Welle liegen. Mittlerweile kann ich mir sogar ohne am Rad zu drehen eingestehen, dass ich ihn wirklich liebe. Rick hat mir mein Herz gestohlen, und ich habe vorher immer gedacht, das sei unmöglich, da ich mir sicher war, dass es immer noch an Marie hängt. Tut es auch noch, aber nicht mehr so wie damals. Jetzt gehört es diesem frechen Modefotographen, was sich immer noch leicht seltsam anfühlt, aber ich gewöhne mich immer mehr daran. Erleichtert und wieder zu allen Schandtaten bereit, laufe ich zurück in mein Schlafzimmer. Da heute Montag ist, muss ich erst um halb zehn in der Schule sein. Zeit genug also, um mich noch ein wenig um meinen Fotografen zu kümmern. Doch als ich das Schlafzimmer betrete, die unschöne Überraschung. "Wieso ziehst du dich an?" Hektik liegt in der Luft, und dies gefällt mir ganz und gar nicht. "Ich muss los! Hab nen Termin verschwitzt. ... Wo ist mein Shirt hin?!" "Drüben neben meinem Laufband", helfe ich ihm. "Oh. Danke." Er stürzt eilig zum Laufband und hebt sein Shirt auf, das er sich fix über den Kopf zieht. "Was denn für einen Termin? Davon hast du mir gestern gar nichts gesagt." Ich dachte, wir würden heute schön Frühstücken und dann gemütlich noch etwas Zeit miteinander verbringen. "Hab doch gesagt, dass ich ihn verschwitzt habe", japst Rick. "Zum Glück hat mich der Typ eben noch mal angerufen, um den Termin zu bestätigen, sonst hätte der ewig auf mich warten können." "Was für ein Kerl?", frage ich nach. Job bedingt hängt Rick ständig mit irgendwelchen ausgeflippten Homos der Modebranche herum. Ich kann nicht unbedingt sagen, dass mir das gefällt. Aber ich bin nicht eifersüchtig! "Ein Designer aus München. Wenn ich den Auftrag bekomme, wäre das phänomenal!" "Keine bepinselten Fotos mehr?" "Keine bepinselten Fotos mehr", lacht Rick, umfasst mein Gesicht und drückt mir einen fetten Schmatzer auf. "Ich hol dich nachher von der Schule ab, ja?" "Ist gut", hauche ich leicht benommen und schaue Rick hinterher. Laut knallt meine Haustür zu. "Und was mach ich jetzt?" So eine Pleite! Ich hatte mich so auf einen schönen, ruhigen Morgen mit Rick gefreut. Aus Frust rufe ich Marie an, doch sie geht nicht ran. Merkwürdig. Seit neustem gönnt sie sich Montags immer einen freien Tag. Ich schaue auf die Uhr. Erst acht! "Ich könnte mir was beim Bäcker holen", überlege ich laut. "Und danach Marie zum Frühstück einladen." Das klingt doch mal nach einem guten Plan. Eine Katzenwäsche später hocke ich im Linienbus und warte ungeduldig darauf, endlich wieder dort raus zu können. Zwei Straßen vor Maries Wohnstädte steige ich aus, suche den Bäcker dort auf und starte einen Großeinkauf. Ich habe Kohldampf. Liebe scheint Appetit zu machen. Bepackt mit drei vollen Tüten Stückchen und Brötchen zockle ich auf Maries Haus zu. Gar nicht so einfach mit einer Krücke und drei vollgepackten Brötchentüten, aber ich schaffe es bis zu ihrer Haustür und drücke auf den kleinen runden Klingelknopf. Erst jetzt kommt der leise Gedanke in mir auf, dass sie wahrscheinlich gar nicht da ist, da sie ja sonst vorhin ans Telefon gegangen wäre. Liebe scheint auch noch dumm zu machen. "Super!" Ich versuche es dennoch noch einmal, klingle oben und unten Sturm. Falls Marie doch zuhause ist, wird sie deswegen stinke sauer sein. Ich überlege grade, dass es dann doch besser wäre, wenn sie nicht zuhause ist, da höre ich die Sprechanlage brummen. /Was?!/ Himmel! Meine Schöne ist sauer! Ich schlucke und bete, dass meine Brötchengaben sie milde stimmen werden. "Marie? Geht es dir gut." Ich mache auf besorgt. Das hilft (meistens) immer. /Bis vor kurzem, ja!/ Oh je. "Du bist nicht an dein Telefon gegangen. Ich habe mir Sorgen gemacht." /Mir geht es gut. Danke der Nachfrage. Tschüss./ Was? Moment mal! Ich klingle abermals. /Was denn noch?/ "Hast du deine Tage? Soll ich dir Schmerztabletten oder deine Lieblingseissorte holen?" Innerlich verfluche ich meinen Mund. Muss der Marie noch zusätzlich reizen? Muss er anscheinend. /Mike, ich schwöre dir, wenn ich dich das nächste Mal sehe, schiebe ich dir deine Krücken in den Arsch./ Lesben und ihr schmutziges Mundwerk. "Ich habe Brötchen mitgebracht." Ich raschle mit den Tüten. Marie seufzt genervt. Ihre Stimme wird jedoch ruhiger. /Ich bin beschäftigt Mike. Fahr nach Hause./ "Mit was? Du hast doch frei." Das Summen aus der Gegensprechanlage verstummt. "Marie? Ey! Marie!" Ich widerstehe dem Drang ein drittes Mal zu klingeln. Wozu habe ich ihren Zweitschlüssel? Bevor ihr euch jetzt fragt, warum ich so wahnsinnig bin, und mich auch noch ausgerechnet in die Höhle der Löwin wagen muss, obwohl sie mir doch so blumig klar gemacht hat, dass sie mich nicht in ihrer Nähe haben will: Ich möchte ihr lediglich die Brötchen in die Küche schmuggeln, ihr einen bunten Post-It mit einem guten morgen Smilie dran pappen und wieder verschwinden. Denn was auch immer Marie zu tun hat, ich wette, die Gute hat mal wieder nichts gegessen. Und außerdem kann es nicht schaden, nach dem Spruch eben bei ihr Schönwetter zu machen. Ich schleiche mich also in ihre Wohnung und versuche so leise wie möglich durch ihren Showroom zu humpeln. Sicher hockt sie hinten in ihrem Arbeitszimmer. Da ich hoch muss, um in die Küche zu gelangen, hoffe ich einfach mal, dass sie mich weder hört noch entdeckt. Stufe für Stufe kämpfe ich mich nach oben. Die Krücke habe ich unten gegen das Geländer gelehnt. Oben angekommen verschnaufe ich erleichtert, bevor ich in die Küche gehe. Die Tüten wandern auf den schmalen Esstisch. Dann suche ich den Post-It Block, finde ihn wie üblich in einer der Schubladen, sowie einen Filzstift. Smilie drauf, einen schönen Guten Morgen gewünscht und zum krönenden Abschluss noch ein kleines Herzchen. Mit viel Gefühl drapiere ich den Klebezettel gut sichtbar auf die vorderste Tüte. "Perfekt!", lobe ich mich selbst. Jetzt muss ich nur noch ungeschoren aus der Bude kommen. Ein Klacks, ohne die ganzen Tüten, die bei jedem Schritt laut knistern. Als ich allerdings grade die Treppe wieder nach unten gehen möchte, höre ich ein Lachen. Perplex bleibe ich wie angewurzelt stehen und lausche. Das war ein Frauenlachen. Und nicht das von Marie. Vielleicht hat sie ja eine Kundin da. Eigentlich unmöglich. Ich laufe in die Mitte des Flures und lausche genauer. Hören tue ich aber nichts mehr. Ich zucke mit den Schultern. Wahrscheinlich habe ich mir das bloß eingebildet, oder draußen ist jemand vorbeigelaufen, der gelacht hat. Wieder halte ich auf die Treppe zu, doch dann: Rumms! Ein lauter Schlag. Als wäre was umgefallen. Oder jemand. Ich zucke furchtbar zusammen. Der Schlag kam von hier oben. Und zwar aus Maries Schlafzimmer. Ehe ich überhaupt nachdenken kann, stehe ich schon davor und reiße panisch die Tür auf. "Marie? Ist dir was passie..." "AHHH!" "....ierrt?" Ach du Schande! "RAUS! RAUS MIKE!" "Es tut mir leid! ... Ich ... Ich ..." "RAUS!" Ich reagiere automatisch und ziehe die Tür wieder zu. Mein Herz klopft mir bis zum Hals. Bewegen kann ich mich nicht, dazu sitzt der Schreck viel zu tief. Aber, du meine Güte. Was für ein Anblick das war! Vor meiner Nase wird die Tür wieder aufgerissen. Eine verflucht wütende Marie steht vor mir, einen seidenen Bademantel um sich gewickelt, den sie mit der Hand vor ihrer Brust zusammen hält. Ich weiche ein paar Schritte nach hinten aus. Marie schließt die Tür wieder hinter sich, stampft auf mich zu und ... scheuert mir eine! "Was sollte das?", zischt sie mich an. Das müsste eigentlich ich sie fragen. "Was tust du hier?!" Wieder soweit von dem Schock erholt, den mir Maries Ohrfeige verpasst hat, antworte ich aufgebracht. "Ich wollte dir Brötchen bringen", blaffe ich sie an. "Brötchen? Wieso bringst du mir Brötchen? Ins Schlafzimmer?" "Doch nicht ins Schlafzimmer. In die Küche." Maries Augen zucken kurz Richtung Küche, dann wieder zu mir. So wütend und aufgebracht habe ich sie selten erlebt. Ich stecke ganz schön tief in der Scheiße, denn ich kann sie unmöglich auf die Art besänftigen, mit der ich sie früher immer besänftigt habe. Und das auch noch aus zweierlei Gründen nicht. "Ich hab dir gesagt, dass ich nicht gestört werden will! Bist du etwa mit dem Zweitschlüssel rein?", schreit sie mich an. "Ja." Maries Augen sprühen Funken. Wären wir noch zusammen, würde ich sie mir jetzt schnappen, sie ins Schlafzimmer tragen, aufs Bett schmeißen und ... Aber halt! Ihr Bett ist schon besetzt. "Ich konnte doch nicht ahnen, dass du mit Silvia ..." Ich breche ab und weiche Maries Blick aus. Langsam fühle ich, wie mir die Sache peinlich wird. Ich habe die zwei beim Sex erwischt! "Ohhh Mike! Am liebsten würde ich dir noch eine knallen!" Sie dreht sich von mir weg, geht ein paar Schritte und kommt wieder auf mich zu. "Du gehst jetzt. Aber glaube bloß nicht, dass das hier schon vorbei ist. Wir unterhalten uns noch darüber." Ich nicke. "Es tut mir leid. Ich wollte euch nicht stören. Wirklich." Dass ich mir nur Sorgen um Marie gemacht habe, will sie jetzt sicher nicht hören. "Hast du aber. Und jetzt verschwinde!" Sie streckt den Arm aus. Wie ein geprügelter Hund trete ich den Rückzug an. Oh Mann! Warum habe ich auch immer so ein Pech, und trete immer wieder in solche Riesenfettnäpfchen? *** Nach der ganzen Sache habe ich Marie noch unzählige SMS geschickt, mich in ihnen bei ihr entschuldigt und geschworen, dass ich so gut wie nichts gesehen habe. Ich weiß, dass Marie es nicht viel ausgemacht hätte, hätte ich sie mit irgendeiner anderen Frau erwischt. Aber es war nicht irgendeine Frau. Es war Silvi. Unsere kleine, schüchterne Silvi, die Marie wie eine Löwin verteidigt und beschützt. Das zwischen ihr und Marie ist im Begriff zu etwas Festem zu werden. Hoffentlich hat mein Auftritt keinen Schaden angerichtet. Zu allem Überfluss steht nun auch noch eine Besprechung während der großen Pause an. Silvi wird auch erscheinen. Unruhig lungere ich vor dem Lehrerzimmer herum und warte auf sie. Drinnen ist sie noch nicht, ich habe schon nachgeschaut. Sie hat heute keinen Unterricht und kommt deshalb nur wegen der Besprechung her. Vorher muss ich allerdings unbedingt mit ihr über den Vorfall heute Morgen reden! Ich muss ihr sagen, dass ich nichts gesehen habe, was ich zwar habe, aber das spielt keine Rolle. Hauptsache Silvi verzeiht mir meinen Auftritt und es hat keine Konsequenzen für ihre noch so zarte Bindung zu Marie. Als sie endlich um die Ecke biegt, bin ich erleichtert und nervös zu gleich. Mit festen Schritten kommt sie auf mich zu. Mir stockt beinahe der Atem. Sie steckt in einem von Maries Kostümen. Zweifellos. Es ist marineblau und erinnert an die Fünfziger. Dazu Peeptoes, von denen ich mir absolut sicher bin, dass es Maries Treter sind. Selbstsicher lächelt sie mich an. Das verwirrt mich jetzt aber total. "Morgen Mike." "Morgen ..." Meine Kinnlade rasselt nach unten. "Warte mal!" Sie will schon an mir vorbei stolzieren, doch ich kann sie noch rechtzeitig aufhalten. "Wegen vorhin ..." "Schenk es dir", grinst sie. "Du solltest dir lieber Gedanken machen, wie du Marie besänftigst. Sie ist mächtig sauer auf dich." "Shit." Bedröppelt schaue ich zu Boden. "Es war wirklich nur ein Versehen. Ich habe einen Schlag gehört und dachte, ihr sei etwas passiert. Das du bei ihr warst, konnte ich doch nicht ahnen." "Die Lampe ist auf den Boden geknallt." Silvi lächelt mich frech an. Erst jetzt fällt mir auf, wie sehr sie sich doch verändert hat, seit sie Marie kennt. Sie ist keine graue Maus mehr sondern eher eine selbstbewusste junge Frau, die augenscheinlich weiß, was sie will. Und das bemerken auch die anderen männlichen Lehrkräfte. Sie bekommt immer mehr eindeutige Blicke zugeworfen. Und die Frauen beäugen sie teilweise neidisch und missgünstig. Das fällt mir auch jetzt auf, wo unsere Kollegen langsam in das Lehrerzimmer tingeln und dabei an uns vorbeilaufen. "Noch mal: Es tut mir unendlich leid", entschuldige ich mich erneut. "Geschenkt. Dafür waren die Brötchen echt lecker." Grinsend erwidere ich ihren Blick. "Wenigstens etwas." Sie nickt und stellt sich dichter an mich ran. Es scheint so, als wolle sie mir was sagen, was die anderen Lehrköppe nicht hören sollen. "Sag mal, stimmt es, dass du und Rick ...?" Sie mustert mich neugierig. "Marie hat letztens so etwas angedeutet. Und heute Morgen meinte sie, du sollst gefälligst bei deinem Fotografen bleiben, und dem den Morgen vermiesen." Ich fange an zu lachen. Typisch Marie. "Eigentlich war es heute anders herum. Mein Fotograf hat mir diesmal den Morgen vermiest." Erstaunt heben sich Silvis Augenbrauen. "Dann stimmt es? Ihr zwei ... Na du weißt schon!" "Ja, es stimmt. Rick und ich ... na du weißt schon." "Das freut mich für euch!" Und mich erst. "Und wie ist das bei dir und Marie? Seid ihr auch, na du weißt schon?" Silvis Mundwinkel ziehen sich höher. Ein wenig verlegen beißt sie sich auf die Unterlippe und nickt dann. "Ich liebe sie", flüstert Silvi leise. "Hast du es ihr schon gesagt?" Sie verneint. "Dann tu das mal." "Aber ..." "Nichts aber. Sie empfindet genauso. Das weiß ich." Hundert pro! So, wie sie heute Morgen auf meine Störung reagiert hat, gibt es da keinen Zweifel. "Meinst du?" "Klar!" Sie atmet tief ein und lächelt, wobei ihre Augen strahlen, als hätte jemand Glühbirnen in sie geschraubt. Selbst ein Blinder würde sehen, dass Silvi bis über beide Ohren verknallt ist. Dazu muss einem noch nicht mal die Veränderungen auffallen, die sie binnen kürzester Zeit durchgemacht hat. "Marie tut dir gut", stelle ich fest. "Du glaubst gar nicht wie gut." Oho! Die Rektorin stampft an uns vorbei. Ihre Blicke sind unmissverständlich. Ebenso die von Herrn Krackmann, der erst Silvi lüstern angafft, dann mich eifersüchtig und verachtend mustert. "Hach Frau Stuckebein! Was Schöneres als Liebe gibt es doch gar nicht, oder?" Ich lege meinen Arm um Silvi. "Dann gehen wir mal besser rein und stellen uns der Besprechung, bevor wir ollen Tratschweiber noch zu glucken anfangen." Sie lacht, legt mir ebenfalls einen Arm um den Rücken, und dann marschieren wir beide ins Lehrerzimmer. Sofort starren alle Augenpaare am Tisch uns an. Was die über uns denken, will ich gar nicht wissen. Obwohl ... *** Der Unterricht heute war kaum der Rede wert. Ein bisschen meine Schüler aus der 12ten für das anstehende Volleyballturnier fit machen, meine Klasse danach musste sich im Geräteturnen beweisen, und die Klasse, mit der ich mich nun herumschlage, darf draußen auf dem Sandplatz antreten. Und das bei angenehmen 25 Grad im Schatten. Heute habe ich meinem guten Ruf wieder alle Ehre gemacht. Aber glaubt mal ja nicht, ich würde nur dahocken und zusehen. Nein, nein. Auch als gehbehinderter Lehrer lehre ich meinen Schülern das Fürchten und laufe mit ihnen über den Sportplatz, damit ich auch ja sehe, was die faule Bande treibt. "Lukas! Beweg dich! Und du, Sonja? Was wird das? Hör auf mit Pauline einen Kaffeeklatsch abzuhalten! Ihr sollt laufen und nicht gackern!" Die beiden Gören werfen mir einen genervten Blick zu, laufen aber wenigstens ein bisschen schneller. Ich werfe einen Blick auf meine Armbanduhr. "Noch fünf Minuten! Gebt noch mal alles!", rufe ich meinen Schülern zu. Die protestieren atemlos, einer zeigt mir sogar den Vogel. "Das habe ich gesehen, Timo! Das gibt das nächste Mal für dich eine Extraüberraschung!" Augenverdrehen. Na warte. Das merke ich mir ebenfalls. Weil mein überbeanspruchter Fuß langsam aber sicher doch ganz schön schmerzt, suche ich mir ein Plätzchen an der Umzäunung des Platzes und lehne mich gegen das Geländer. "Du bist ja ein ober fieser Lehrer", lacht jemand hinter mir. "Rick?" Erstaunt drehe ich mich um, und da steht er, grinst mich breit an und schiebt seine Sonnenbrille nach oben, wo er sie sich auf den Kopf klemmt. "Was tust du hier?" "Dich abholen. Wie versprochen." "Ich habe aber noch ein paar Minütchen", wende ich ein. "Solange warte ich noch, und schaue dir zu, wie du die Zukunft unseres Landes diskriminierst." Ich schnaube. "Diskriminieren? Die sollen sich bewegen, damit ihre vom Internet süchtigen Hintern nicht noch mehr Fett ansetzen. Ihre Herzkranzgefäße werden es mir danken." Rick lacht und klopft mir auf die Schulter. "Was bin ich froh, dass ich dich früher nicht als Lehrer hatte." "Und ich bin froh, dass du nicht mein Schüler bist", sage ich, tippe auf seine Brille, die ihm zurück auf die Nase fällt. "Feierabend!", brülle ich in Richtung meiner Schüler. "Ab in die Kabinen mit euch!" Kopfschüttelnd schaue ich ihnen nach. "Wie die auf einmal rennen können." Schmunzelnd lehnt sich Rick gegen meinen Rücken. "Mein Wagen steht gleich vorn am Eingang. Ich warte auf dich." "Ich beeile mich." "So wie deine Schüler?", fragt er mich frech und läuft einfach davon. "Noch viel schneller!", rufe ich ihm hinterher. Sein Lachen daraufhin geht mir durch Mark und Bein. Ich sollte mich wirklich lieber beeilen, damit ich ganz schnell wieder bei ihm bin. Wir haben schließlich noch was nachzuholen. "Zu dir oder zu mir?", will Rick wissen, als ich endlich in seinem Auto sitze. "Zu mir. Ist näher." Viel näher zwar nicht, aber selbst Sekunden zählen. Unmissverständlich wandert meine linke Hand auf sein Bein. "Du hast es aber eilig." "Du ahnst gar nicht wie eilig." Tatsächlich bin ich heute schon den ganzen Tag über irgendwie kribbelig und kann nur an Rick denken. Da wir heute Morgen so rüde unterbrochen worden sind, ist das vermutlich auch kein Wunder. Papa braucht seinen Morgensex. Jedenfalls, seit Papa den Fotografen kennt. Das ist besser als jede Joggintour. "Soll ich schon mal anfangen?", fragt er mich plötzlich und verwechselt den Schaltknüppel anscheinend mit meinem Schritt. Ich stöhne und schiebe mein Becken der knetenden Hand hin. "Hier?", japse ich und verfluche den dichten Stadtverkehr. "Das sieht doch jeder." "Auf dem Rücksitz liegt eine Jacke von mir. Leg sie dir auf den Schoß." Was für eine selten dämliche Idee! Aber da ich heute gelernt habe, das liebe dumm macht, handle ich sofort, fische nach der Jacke und breite sie über mir aus. * Ich komme schnell wieder in der Realität an. Rick reibt mich noch immer und aus den Augenwinkeln erkenne ich das freche Grinsen, das seine Mundwinkel ziert. "Ich glaub's nicht", keuche ich. "Das haben wir jetzt nicht wirklich gemacht." "Und wie wir es gemacht haben", kichert Rick. "Du sahst absolut heiß dabei aus." Ich verziehe das Gesicht. Wenigstens habe ich seine Jacke eingesaut, doch ich befürchte, dass Rick das ziemlich egal sein dürfte. Wenigstens hat er bei der Aktion keine Panne gebaut. Das hätte ganz schön peinlich werden können. "Hast du Taschentücher?", frage ich ihn. "Im Handschuhfach." Fahrig öffne ich es und finde eine Packung. Zuerst wische ich Ricks Finger sauber, damit er wieder ordentlich am Straßenverkehr teilnehmen kann. Danach bin ich dran. Unauffällig versuche ich mich unter der Jacke zu säubern, schließe meine Hose und lüpfe dann die Jacke. Und wie erwartet: "Deine Jacke muss gewaschen werden." "Egal", meint Rick achselzuckend. "Das war es wert." Ich wusste es! Dieser Idiot! Ich verliebe mich immer mehr in ihn. Ob ich es ihm sagen soll? Also, dass ich ihn liebe. Ich bin mir total unsicher. Ist es dazu vielleicht noch zu früh? Soll ich lieber warten, bis er es mir zuerst sagt? Diesmal kann ich meinen Trick, was würde ich tun, wenn Rick eine Frau wäre, nicht anwenden. Diese ganze Ich-liebe-dich-Sache ist bei Frauen und Männern gleichermaßen verzwickt. Außerdem sind wir gar nicht richtig zusammen. Wir haben noch gar nicht darüber gesprochen, aber das müssten wir langsam mal, denke ich. Doch wie ein Gespräch in diese Richtung lenken? Hm. Aber vielleicht könnte man das, indem ich von einem anderen glücklichen Pärchen berichte. Das könnte klappen. "Ich war heute bei Marie", fange ich auch gleich an. "Wie geht es ihr?" "Gut. Silvi war bei ihr." Ich grinse vielsagend. "Ach? Da läuft ja ganz schön was zwischen den beiden, was?" "Ja ... Sie lieben sich." Ich halte die Luft an. "Das ist schön. Die zwei passen auch gut zusammen." "Hmhm." Vorsichtig schiele ich zu Rick rüber, doch er konzentriert sich auf den Verkehr. Ich bin ja auch selbst schuld, dass ich ihm das auch im Auto erzählen muss. Und jetzt? Ich schwanke zwischen den Gedanken es vorerst zu vergessen und meine Hand auf seine Legen. Vielleicht würde das bei ihm den Groschen zum Fallen bringen. Doch ich entscheide mich für ersteres. Meine Hand auf seine legen! Kitschiger geht es nicht mehr! Was ist bloß in mich gefahren, dass ich mir über so etwas Gedanken mache? Und überhaupt: Liebe. Tzäh! Es ist doch genau richtig so, wie es jetzt läuft. Warum was dran ändern? Ich kaue auf meiner Unterlippe herum. Wieso nervt es mich dann aber so, dass ich es ihm nicht sagen kann? Warum will ich unbedingt, dass er weiß, was ich für ihn fühle? Und wieso habe ich Angst davor, dass er es nicht erwidern könnte, wenn ich es ihm sage? Verdammt! Warum muss dieses dämliche Gefühl auch immer so kompliziert sein? *** Endlich in meiner Wohnung, falle ich auch gleich über Rick her. "Immer noch nicht genug?", gluckst er. "Nein", hasple ich und drängle ihn gegen die Wand. "Und du? Was ist mit dir?" "Was soll mit mir sein?", fragt er im Gegenzug. "Soweit ich mich erinnere, hattest du heute auch noch kein Happyend." "Wer sagt das?" Ich halte inne und schaue Rick ungläubig an. Umgehend fängt er laut an zu lachen. "Du glaubst doch nicht wirklich, dass ich mir meine Happyends wo anders hole?" "Wer weiß", knurre ich und lasse ihn los. "Schließlich haben wir keine Verpflichtungen miteinander eingegangen." Ricks Lächeln verschwindet. Verlegen senke ich den Blick. Da haben wir den Salat. Jetzt ist es raus. Scheint so, als hätten wir nun die Gelegenheit uns darüber zu unterhalten. Wenn es mir nur nicht so eine scheiß Angst machen würde! "Aber Mike, ich dachte ..." DING DONG! Meine Türklingel. "Sorry." Ich wende mich von Rick ab und bin beinahe froh darüber, dass jemand vor meiner Tür steht. "Ja?" /Ich bin es./ Marie! Die hat mir jetzt noch gefehlt. Entweder mich Maries Zorn stellen, oder einem klärenden Gespräch mit Rick, das wohl oder übel längst überfällig ist. Ich drücke auf den Summer. Zuerst ist Marie dran, und wer weiß? Vielleicht vergisst Rick ja unser kurzes Gespräch von eben. Und Weihnachten fällt dieses Jahr auf einen Sommertag. Ich öffne meine Wohnungstür und höre schon Maries schnelle Schritte, die immer näher kommen. "Hallo Marie. Wie schön dich zu sehen." Ich lächle sie an, doch sie straft mich mit düsteren Blicken. "Hör auf mit dem Süßholzgeraspel! Wir müssen reden." Wütend stürmt sie an mir vorbei. Warum wollen plötzlich alle mit mir reden? Ich schließe die Tür wieder und trotte ihr nach. Von Rick ist nichts mehr zu sehen, doch dann höre ich Maries überraschten Aufschrei. "Was machst du denn hier?", lacht sie. "Was wohl?", sagt Rick. Ich betrete das Wohnzimmer. Rick, der mit dem Gesicht zu mir steht, sieht mich komisch an, dann wendet er sich wieder Marie zu. "Mich mit Mike zum Vögeln treffen." Mir wird schwindelig. Der Unterton bei dem Satz gefällt mir ganz und gar nicht. "Oh." Marie dreht sich zu mir und sieht mich schadenfroh an. "Wie passend." Ja, lach du nur. Ich hab größere Probleme als schnöden Sex. "Marie? Du gehst besser. Lass uns ein anderes Mal darüber reden, ja?" "Das hättest du wohl gern, was?" Demonstrativ setzt sie sich auf meine Couch und schlägt die Beine übereinander. Rick tut es ihr gleich und setzt sich neben sie. Mir bleibt nur der Sessel über, der gegenüber der Couch steht. "Bevor ich gehe, will ich, dass du mir versprichst, nie wieder einfach so in meine Wohnung zu spazieren, wenn ich dich ausdrücklich weggeschickt habe." "Ich verspreche es", murmle ich. "Du hättest mir aber auch sagen können, dass Silvi bei dir ist." "Darum geht es nicht!", wettert sie und redet weiter. Was genau, höre ich nicht mehr. Ich starre Rick an, der mich enttäuscht ansieht. Mein Herz zieht sich zusammen. Ich hätte das vorhin nicht sagen dürfen, obwohl es doch der Wahrheit entspricht. Wir haben keine Verpflichtungen miteinander eingegangen. Eigentlich könnte Rick sich irgendeinen Typen schnappen und ins Bett zerren ... "Hey! Mike!" "Was?" Marie schenkt mir wütende Blicke. Sie hat bemerkt, dass ich sie ignoriere. "Du hörst mir gar nicht zu!" Und du merkst nicht, dass du störst. Damit sind wir quitt. "Herrgott noch mal! Ich gehe ja gleich, dann könnt ihr da weiter machen, wo ihr unterbrochen worden seit." Wenn sie wüsste, bei was sie uns unterbrochen hat. Wieder zucken meine Augen zu Rick. Ich höre, wie Marie seufzt, irgendwas murmelt, von wegen, ich höre ja doch nicht zu, und dann mit den Fingern schnippst, damit ich sie wieder anschaue. Sie schüttelt den Kopf. "Ihr könnt es ja kaum noch abwarten", mein sie genervt. Ich zucke nur mit den Schultern und starre wieder zu Rick. "Sagt mal, was ist das eigentlich zwischen euch? Seit ihr jetzt ein Paar, oder trefft ihr euch nur zum Vögeln?" Oh oh. Falsche Frage Marie. Ricks rechte Augenbraue rutscht nach oben. Er wartet wohl darauf, dass ich ihr antworte. "Das wollten wir grade klären", sage ich deshalb. Marie macht große Augen und starrt erst mich, dann Rick an. Dieser sieht mich enttäuscht an, was mir beinahe das Herz bricht. "Ich dachte, das wäre nicht mehr nötig", meint er leise. "Für mich steht es schon seit der Party fest, dass wir mehr sind, als Bekannte, die sich bloß zum Vögeln treffen." Abermals tut mein Herz Dinge, die es eigentlich nicht tun sollte. Es setzt für ein paar Schläge aus, rast dann aber umso schneller weiter. "Ich ... Ähm ... ich gehe doch besser mal", stottert Marie, rafft ihre Handtasche und steht auf. "Ihr habt Wichtigeres zu klären, denke ich." Als sie an mir vorbeiläuft, tätschelt sie meine Schulter und lächelt mich vergebungsvoll an. Das ging ja einfach. Was allerdings nicht einfach werden wird, ist das, was gleich kommen wird. Meine Aussprache mit Rick. Als die Haustür ins Schloss fällt, atme ich tief ein. "Das wusste ich nicht", gestehe ich. "Ich war mir nicht sicher, was das genau zwischen uns ist." Rick sieht leicht verletzt aus. "Weißt du nicht mehr, was ich auf der Party zu dir gesagt habe? Kurz, bevor wir zu mir gefahren sind?" Ich schüttle den Kopf. "Nicht mehr genau." In meinem Kopf herrscht ein heilloses Durcheinander. Ich kann mich wirklich nicht mehr daran erinnern, was er damals zu mir gesagt hat. Rick steht auf, läuft um den Tisch herum und setzt sich auf die Armlehne des Sessels. Ich muss zu ihm aufschauen, um ihn ansehen zu können. Seine Hand legt sich in meinen Nacken. Ich bekomme eine Gänsehaut. "Ich habe gesagt, dass ich dich mag, und dass ich mit dir nicht bloß meine Zeit vertreiben möchte, sondern etwas Langfristiges im Sinn habe." Jetzt fällt es mir wieder ein! "Das bedeutet, wir sind von Anfang an ein Paar?", frage ich atemlos nach. "Von meiner Seite aus, ja. Ja das sind wir." In meiner Brust wird es eng. "Und das wusstest du nach so kurzer Zeit?" Rick lächelt mich an. Endlich! "Ich war mir von Anfang an sicher", sagt er leise. Und wieder hat mein Herz kleine Aussetzer. Aber das ist mir egal. Ich hebe meine Hand, lege sie ihm ebenfalls in den Nacken und ziehe ihn daran ein Stück nach unten, während ich mich ihm entgegenstrecke. Ein zärtlicher Kuss folgt. Einer, der so viel mehr sagt, als es Worte können. "Es tut mir leid", wispere ich gegen seine Lippen. "Ich war schon immer schwer von Begriff." "Ich habs gemerkt", schmunzelt Rick. "Aber dafür hast du ja jetzt mich", grinst er und steht auf. Einladend hält er mir seine Hand hin. "Und damit du es nie wieder vergisst, zeige dir jetzt mal, was Paare alles miteinander machen, wenn sie zusammen sind." Ich lasse mich in seine Arme ziehen. "Zeig es mir aber ganz genau, damit ich es wirklich nie wieder vergesse", schnurre ich und schmiege mich an ihn. Er lacht und zieht mich Richtung Schlafzimmer. Erleichtert folge ich ihm. Dann sind wir hiermit wohl ganz offiziell ein Paar. So schnell kann es gehen. Wer hätte das gedacht? ****** Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)