Amnesia von dani (Wenn die Erinnerung streikt) ================================================================================ Kapitel 25: Kapitel 25 ---------------------- ~Aoi POV~ Das Klingeln der Türglocke war bis in den Hausflur zu hören, in dem Uruha und ich darauf warteten, dass unser Leader endlich die Tür aufmachte. „Wenn er nicht gleich diese Tür öffnet, kann er Weihnachten mit den anderen beiden alleine feiern und wir beide suchen uns was anderes!“, murrte Uruha ungehalten. Weihnachten. Das Fest der Liebe. In Amerika besaß dieses Fest einen ganz anderen Stellenwert. Es war ein religiöses Fest und für die Leute dort wichtiger als der Beginn des neuen Jahres. Dort beschenkte der Weihnachtsmann die braven Kinder und hinterließ den Bösen ein Stück Kohle. Man besuchte die Familie, aß zusammen und war glücklich, dass man einander hatte. Auch wenn hierzulande das Fest nicht einem dicken Kerl in roten Klamotten und weißem Bart gewidmet ist, wird es doch gefeiert, vor allem von der jüngeren Generation. Weihnachten ist dazu da um denjenigen, den man liebt näher zu kommen oder auch jemanden kennen zu lernen. Bittet jemand über die Weihnachtstage um ein Date, hat er oder sie feste Absichten, weshalb ich total aus dem Häuschen war, als Uruha mich gestern in ein Restaurant eingeladen hatte. Ich wollte gar nicht wissen, wie er es geschafft hatte dort einen Platz zu bekommen. Immerhin waren die Plätze meistens schon lange im Vorhinein vollkommen ausgebucht, wie ich von Ruki erfahren habe. Zuerst war ich recht nervös gewesen, was sich im Laufe des Abends aber recht schnell gelegt hatte. Uruha war vor allem in den letzten Tagen sehr offensiv gewesen, hatte sich immer wieder Küsse geholt oder mit mir gekuschelt. Was mich daran noch mehr erschreckte, waren meine eigenen Reaktionen darauf. Meine Wangen färbten sich rot, als ich an den hitzigen Kuss dachte, in den wir verfielen bevor wir heute von zu Hause aufgebrochen waren! Es hatte mir gefallen! Ich wollte seine Küsse, sehnte sie herbei. Seitdem wir uns das erste Mal geküsst hatten, wollte ich seine Lippen immer wieder auf meinen spüren, nur um sicher zu gehen, dass ich dieses Kribbeln fühlte. Und ich hatte es gespürt, sogar bis in meinen Bauch. Endlich öffnete Kai die Tür und begrüßte uns. „Kommt rein! Bitte die Schuhe ausziehen und lauft durch bis ins Wohnzimmer! Reita müsste da irgendwo herumgeistern!“ Uruha nickte und hielt ihm ein Päckchen entgegen. „Hier. Wir dachten das würde dir Freude machen!“ Kai nahm das Päckchen neugierig entgegen und schloss hinter uns die Haustür. „Was ist es denn?“ Ich zog meine Stiefel aus und stellte sie zum Abtropfen auf die dafür vorgesehene Matte. „Mach es doch einfach auf, Kai!“ Uruha nahm meinen Mantel entgegen und hängte ihn zu seinen an die Garderobe. „Kai wo sind denn die…“ Reita, der gerade um die Ecke kam stockte und begann zu grinsen. „Hallo ihr zwei!“ Wir begrüßten ihn, während ich zusah, wie Reita Uruha kurz umarmte. Ein seltsames Gefühl ließ meine Brust enger werden. Es gefiel mir gar nicht, dass er seine Griffel um ihn legte. Allerdings wunderte ich mich gleich darauf über mich selbst. Warum denn nicht? Die beiden waren seit der Mittelschule befreundet! Was führte ich mich denn so auf? Ich schüttelte den Kopf um diese idiotischen Gedanken zu verdrängen und folgte Kai in die Küche, wo er das Päckchen auf die Theke stellte. „Du wirst es schon aufmachen müssen um zu sehen, was drin ist!“ Er sah zu mir auf und seufzte. „Aber es ist so schön eingepackt!“ Uruha lugte in die Küche und grinste. „Keine Eigenproduktion, Kai! Das hat der nette Verkäufer im Laden für uns gemacht! Also keine Scheu … zerfetz das Papier endlich!“ „Oh wow! Die sind unglaublich!“ Die Freude war ihm deutlich anzuhören. Wir hatten ihm spezielle Drumsticks designt. Da gab es so eine Firma im Internet, die sich darauf spezialisiert hatte recht spezielle Wünsche zu erfüllen. Sie waren daher auch nicht gerade billig gewesen. Aber Uruha wollte sich auch dafür bedanken, dass Kai ihn bei sich hatte wohnen lassen, während ich im Krankenhaus war (was alles in der netten, kleinen Karte stand, die wir beigelegt hatten). Kai nahm die Sticks aus der Schachtel und sah sie genauer an. „Da stehen sogar eure Namen drauf!“ Uruha nickte. „Und auf dem anderen die von Ruki und Reita. Aber tu mir einen Gefallen und nimm die Sticks nur zur Deko. Ich glaub nicht, dass sie ein Konzert überstehen!“ Das taten die Sticks selten bei ihm. Immerhin hatten sie anschließend überall Kerben von dem Eisen der Becken. Ich zog die Ärmel meines Pullis etwas hoch. Da das Essen bereits auf dem Herd vor sich hin kochte war es in der Küche relativ warm. Allerdings führte diese Reaktion wieder zu ungewünschten Aufmerksamkeitsbekundungen. „Aoi! Wo hast du das Armband her!? Das ist doch neu!“ Reita, der sich an den Türstock gelehnt hatte stieß sich davon ab und kam auf mich zu. Etwas verlegen glitt mein Blick über das Armband, das ich gestern von Uruha geschenkt bekommen hatte. Es war recht schlicht, aus Leder geknüpft aber mit einem silbernen Ring in der Mitte, an dem man den Verschluss festmachen konnte, nachdem man sich den Lederriemen ein paar Mal ums Handgelenk geschlungen hatte. Darauf standen unsere Namen und ein Datum. Reita griff nach meinem Handgelenk und drehte es so, dass er sich das Armband ansehen konnte. „Hmm sieht toll aus!“, sagte er dann und sah zu Uruha. Dessen stolzes Grinsen zeigte mir nur zu deutlich wie sehr es ihm gefiel, dass ich das Armband auch tatsächlich angenommen hatte und es trug. Er hatte gestern so glücklich gewirkt, dass ich es nicht über mich gebracht hätte es ihm wieder zurück zu geben. Diese Geste hätte den ganzen Abend kippen lassen und ich wollte das weder ihm noch mir antun. Ein paar schöne Erinnerungen konnte ich im Moment durchaus gebrauchen und mit Uruha zusammen etwas zu unternehmen war etwas, das mir auch wirklich gefiel, obwohl ich am Anfang ziemlich überfordert mit der dauerhaften Nähe war. Mittlerweile störte es mich absolut nicht mehr, im Gegenteil. Es war schön jemanden um sich zu haben, der einen gern hatte. Außerdem hätte ich das Armband sehr ungern wieder abgenommen, nachdem er es mir umgelegt hatte, wie ich mir im Nachhinein eingestehen musste. Dazu war ich viel zu erfreut gewesen etwas von ihm geschenkt zu bekommen. Als ich meine Hand in die Hosentasche steckte, berührten meine Finger das warme Metall der Kette, die ich für Uruha designt hatte (bei der gleichen Firma wie Kais Sticks). Ich hatte sie ihm eigentlich schon gestern geben wollen, war aber doch zu unsicher gewesen, was es bedeutete, wenn er von mir so ein Geschenk bekam. Als er mir schließlich das Armband umgelegt hatte, war ich in einer solchen Hochstimmung gewesen, dass ich sie komplett vergessen hatte. Aber das hier war nicht der richtige Zeitpunkt, um sie ihm zu geben. „Das Essen ist gleich fertig. Wollt ihr nicht ein bisschen ins Wohnzimmer gehen? Hier rumzustehen macht euch auch nicht jünger, glaubt mir!“, sagte Kai, als auch er das Armband begutachtet und es für schön befunden hatte. „Reita hat zuvor eine DVD eingelegt. Die könnt ihr ja weitergucken.“ Der Bassist begann zu grinsen, während er sich umdrehte und ins Wohnzimmer ging. „Eine verdammt langweilige. Ich frage mich woher er immer diese schrecklichen Filme bekommt. Ich hätte ihm einen vernünftigen Streifen schenken sollen, statt der Zippos!“ Ungläubig sah Uruha ihn an. „Du hast ihm im Ernst ein Zippo geschenkt?“ Reita zuckte mit den Schultern. „Es waren drei! Ich hab sie zufällig gesehen, als ich letztens Einkaufen war. Ich hab sofort an Kai gedacht und sie mitgenommen. Er sammelt die Teile doch!“ Uruha schüttelte den Kopf und murmelte etwas, das nach ‚Das ist doch kein Weihnachtsgeschenk.’ klang. Seine Stimme war allerdings so leise, dass ich mir nicht sicher war ihn richtig verstanden zu haben. Vermutlich weil er sich mit Reita nicht in die Haare kriegen wollte. Immerhin schien unser Bassist recht zufrieden mit der Wahl gewesen zu sein. „Kai hat sich gefreut! Also wars wohl nicht verkehrt!“ Ja … sehr zufrieden. Ich war zwar vorher schon einmal in der Wohnung des Drummers gewesen. Dennoch wanderte mein Blick über die Einrichtung als sähe ich sie zum ersten Mal. Sie war recht schlicht (was allerdings auch sehr gut zu ihm passte). Es gab nichts Ausgefallenes, so wie bei Ruki. (Der hatte eine Kommode im Zimmer stehen, die aussah wie ein Stapel Holzbretter, den man vergessen hatte raus zu räumen. Stieß man allerdings an fuhren die Schubladen nach draußen.) Kais Wohnung war kleiner als unsere, aber wenn man alleine lebte wäre alles andere wohl auch zu groß. Reita ließ sich auf dem grauen Sofa nieder und hielt uns eine Schüssel mit Salzstangen und Chips entgegen. „Nein, danke!“, murmelte ich, während ich mich auf die andere Längsseite setzte. Uruha grinste nur. „Wenn du das Zeug Kais Essen vorziehst, dann ist er mit Sicherheit sauer, vor allem, weil er sich solche Mühe gibt!“ Allerdings nahm er sich doch eine der Salzstangen und begann darauf herumzuknabbern. „Wo ist eigentlich unser Sänger?“, fragte er und setzte sich neben mich. Auch mein Blick ging fragend zu Reita. Dieser zuckte nur mit den Schultern. „Er meinte, er hätte noch etwas Wichtiges zu erledigen und er wäre zum Abendessen sicher hier!“ „Vermutlich muss er noch seine Nengajô schreiben. Ruki ist da immer etwas nachlässig“, grinste Uruha dann. Wir beide hatten unsere Neujahrskarten bereits geschrieben und auch schon bei der Post abgegeben. Es war ein typisch japanischer Brauch, dass am ersten Jänner die Karten mit den Glückwünschen fürs neue Jahr ausgetragen werden. Allerdings war er auch sehr anstrengend und aufwändig, da die Karten per Hand geschrieben werden, damit sie individuell blieben. Das Klingeln an der Tür unterbrach unser Gespräch. Wenn man vom Teufel spricht … „Kann jemand von euch die Tür aufmachen? Ich kann gerade nicht weg!“, kam es von Kai aus der Küche. Da weder Reita noch Uruha aussahen, als ob sie vorhatten aufzustehen, seufzte ich nur leise und erhob mich. „Hallo Ruki!“ Er schob sich mit einem Nicken an mir vorbei, drückte mir eine Weinflasche in die Hand und trat in den Flur. Leise grummelnd stützte er sich an der Wand ab und begann die Schuhe auszuziehen. Entweder es war das Licht, oder Ruki war tatsächlich extrem blass. „Ist mit dir alles in Ordnung?“ Er hob den Blick, wandte sich dann aber ab um leise zu husten. „Nicht ganz.“ „Was ist mit deiner Stimme los?“ Kai, der gerade zu uns auf den Flur trat um ihn mit einem strahlenden Lächeln in Empfang zu nehmen, sah ihn besorgt an. Der Sänger wank nur ab und schüttelte den Kopf. „Hab mich verkühlt und bin heißer. Ist aber nichts, was eine starke Suppe, Tee und ein bisschen Ruhe nicht kurieren könnte!“ Vor allem Ruhe würde er definitiv gebrauchen können. Seine Stimme klang nett gesagt ziemlich scheiße! Nicht, dass er sie verlor. Das hätte uns gerade noch gefehlt. Ein Gitarrist, der nicht Gitarre spielen konnte, reichte doch fürs Erste, oder? Kai schien einen ähnlichen Gedankengang zu haben, denn er schob Ruki ins Wohnzimmer und brachte ihm gleich darauf eine Decke und einen Tee, den der Vocal gerne annahm. Er hielt auch fürs Erste die Klappe um seine Stimme zu schonen, was Reita gnadenlos auszunutzen wusste und gegen ihn verwendete, bis Kai die Platten mit dem Essen auf dem Tisch anrichtete und wir uns an den Tisch setzten um zu essen und den Wein zu probieren, den Ruki mitgebracht hatte. Mit einem zufriedenen Seufzer lehnte ich mich zurück und sah auf die leere Platte vor mir. Ich hätte gerne noch etwas von Kais köstlichem Essen genommen, aber ich schaffte nichts mehr. Auch Uruha stöhnte und rieb sich über den Bauch. „Kai, du hast dich heute wirklich übertroffen!“, lobte er und unterbrach somit abrupt das Gespräch über die letzte Tour. Die drei hatten so lebhaft erzählt, dass ich das Gefühl hatte mich wieder an etwas erinnern zu können, was natürlich Blödsinn war. Es herrschte immer noch dieselbe Dunkelheit in meinem Kopf, die nichts freizugeben schien, so sehr ich auch versuchte ein kleines Licht zu entfachen. Aber zumindest war es bis jetzt ein wirklich lustiger Abend gewesen. Es war mir definitiv lieber mit den vieren etwas zu unternehmen, als mir Gedanken über unbekannte Gesichter zu machen, die alle etwas von mir wollten. In dieser gemütlichen Runde beieinander zu sitzen reichte definitiv aus um Weihnachten zu feiern. Es musste keine rauschende Party sein, keine laute Musik und kein Getanze. Ich genoss das hier viel mehr. Reita legte seine Stäbchen zur Seite und nickte. „Ja war ganz annehmbar, aber du hättest mehr Salz reintun können.“ Ungläubig starrte ich ihn an! Das Essen war perfekt gewesen! Und selbst wenn nicht, dann war dieser Spruch einfach nur verdammt unhöflich Kai gegenüber, der sich wirklich Mühe gegeben und den ganzen Tag in der Küche verbracht hatte um uns heute Abend bewirten zu können. Dieser undankbare Idiot! Kai jedoch, sah ihn nur ungerührt an und zuckte mit den Schultern. „Der Salzstreuer stand die ganze Zeit vor dir auf dem Tisch! Du hättest auch selbst nachsalzen können!“, sagte er seelenruhig. Es schien fast so, als hätte er mit so einem Kommentar gerechnet. Der Bassist warf ihm nur einen kurzen Blick zu, hielt aber die Klappe. Punkt für Kai, so wie es aussah. „Ist die selbst gemacht?“ Ruki hatte anscheinend vergessen, dass er nicht sprechen wollte und starrte auf die Weihnachtstorte, die Kai vor uns auf dem Tisch abstellte. Er nickte stolz und verschwand noch einmal um die Teller zu holen. Unser Leader hatte wirklich seine Qualitäten. „Darf ich ein Stück mit Erdbeere haben?“, fragte Uruha sofort und leckte sich über die Lippen. Es sah so verboten heiß aus, wenn er das machte! Erst recht, als er die Erdbeere von der Sahne pflückte und sie sauber leckte. Kirschrote, weiche Lippen schlossen sich um die süße Frucht. Ein genüsslicher Seufzer kam über seine Lippen, als er zufrieden lächelnd abbiss und sich anschließend den Saft von der Unterlippe leckte. Ich schluckte trocken, verstand nicht, warum mir plötzlich so heiß wurde. Diese Lippen. Ich … wollte ihn küssen. Schon wieder. Mein Blick blieb weiterhin auf seinen sinnlichen Mund gerichtet. Ich konnte mich nicht von ihm abwenden. Er stutzte, sah mich überrascht an und sofort bildete sich ein keckes Lächeln auf seinem Gesicht. „Willst du die Hälfte haben?“ Warum klang seine Stimme so verrucht? So als würde er mir mehr als diese Erdbeere anbieten. „Ich teile gerne mit dir.“ Mein Körper spannte sich an, als Uruha sich weiter zu mir lehnte und mir die Erdbeere hinhielt, als erwartete er, dass ich sie mit meinen Zähnen aus seinen Fingern pflückte. Mein Atem stockte. Wieder schluckte ich trocken und schüttelte den Kopf. „N … nein vielen Dank … die gehört dir“, stotterte ich und sah verlegen zur Seite. Warum schaffte er es immer mich so aus der Fassung zu bringen? „Nein?“, fragte er nach, zuckte mit den Schultern, während er sich zurücklehnte und die Erdbeere genüsslich selbst aufaß. „Aoi?“ Ich sah auf und erkannte verspätet, dass Kai mir bereits einen Teller mit Kuchen hinhielt. „Danke!“ Damit nahm ich ihn, wartete bis auch Kai sich ein Stück abgeschnitten und sich wieder hingesetzt hatte. Genüsslich ließ ich die Sahne auf meiner Zunge zergehen und zerkaute anschließend die Erdbeeren. „Hier … zum Anstoßen!“ Reita stellte ein Sektglas hin, das bis an den Rand mit der perlenden Flüssigkeit gefüllt war. Uruha räusperte sich leicht und hob sein Sektglas kurz an. „Ich möchte noch etwas sagen ….“ Unsere Aufmerksamkeit lag sofort bei ihm. Er atmete kurz durch und sah mich fest an. „Nach dem Unfall war alles … ziemlich schwer für mich, für uns. Ich möchte mich bei euch für eure bedingungslose Freundschaft bedanken. Ihr ward da, als wir euch am dringendsten gebraucht haben. Ihr habt uns bei allem unterstützt, damit wir wieder schnell auf die Beine kommen konnten. Kai, nochmals danke dafür, dass du dich um mich gekümmert hast, dass ich bei dir wohnen durfte. Auch das war nicht selbstverständlich ….“ Es sah so aus, als wollte er noch weitersprechen, doch Reita schüttelte den Kopf und unterbrach ihn bestimmt. „Wir sind Freunde Uruha! Das wofür du dich bedankst war für uns selbstverständlich. Ihr hättet dasselbe für uns getan!“ Er klopfte ihm auf den Rücken, während Ruki und Kai zustimmend nickten. „Gut bevor nun noch mehr Dankbarkeitsbekundungen kommen, stoßen wir besser an.“ Damit hob Reita das Glas in die Mitte und leerte den Sekt nach dem Anstoßen in einem Zug. „Ihr Schluckspechte!“, moserte Kai lachend, als Reita und Uruha ihre Gläser auf den Tisch stellten und nach mehr verlangten. Schmunzelnd widmete ich mich wieder meinem Kuchen und dem Sekt. Als wir fertig waren halfen wir unserem Leader dabei den Tisch abzuräumen und das Geschirr zu spülen. Anschließend machten wir es uns auf der Couch bequem und beschlossen eines der Spiele hervorzukramen, das wir anscheinend früher öfter miteinander gespielt hatten. Blöderweise war die Anzahl der Spieler auf vier beschränkt, sodass einer immer aussetzen musste. Wir einigten uns darauf dass der Verlierer den Controller weitergab, weshalb Ruki und ich uns mit dem Spielen abwechselten. Die anderen drei waren so gut, dass sie uns immer vernichtend schlugen. Im Moment war Ruki wieder dran, weshalb ich mich zurücklehnte und den vieren zusah. Reita stieß Uruha in die Seite um ihn abzulenken und rammte im Spiel sein Auto. „Hey! Das war unfair!“, motzte der Gitarrist und schob Reita wieder auf seinen Platz zurück. Während die beiden miteinander herumblödelten schafften es sowohl Kai als auch Ruki über die Ziellinie zu fahren und sahen grinsend zu, wie Uruha und Reita immer noch miteinander rangelten. Uruha feixte. Reita fluchte. „Das war nur Glück!“, motzte er, warf den Controller auf die Couch und lehnte sich zurück. „Quatsch! Das war Können! Außerdem solltest du auch mal aussetzen. Das tut dir gut, damit du nicht übermütig wirst!“, stichelte Uruha und hielt mir dann den Controller hin. „Siehst du? Ich hab dir einen Kontroller erkämpft!“ Ich begann leise zu lachen. „Den hätte ich so und so bekommen!“, schmunzelte ich und rutschte weiter vor um bei der nächsten Runde startbereit zu sein. Eine Ampel tauchte auf dem Bildschirm auf und wechselte von Rot auf Grün. Uruha und ich preschten Seite an Seite los, während Kai und Ruki langsamer starteten. Doch Kai holte recht schnell auf, weil ich mit dem Controller immer noch nicht klar kam. Allerdings schien es Uruha Spaß zu machen nicht am wirklichen Spiel teil zu nehmen, woraufhin die beiden bald nicht mehr auf der eigentlichen Rennstrecke, sondern irgendwo nebenher fuhren und sich lachend abwechselnd in die Seiten chrashten, während Ruki und ich unsere Autos in Sicherheit brachten. „Uruha du spielst wirklich unfair!“ Der schüttelte nur den Kopf. „Ach was! Tu ich nicht! Nur, weil ihr so langsam seid und nicht wieder zurück auf die Rennstrecke kommt ist das nicht mein Problem!“ „Ich will eine Revanche!!“ Reita hielt Kai auffordernd seine Hand hin. „Die bekommst du, wenn du das nächste Mal deinen Controller wieder kriegst! Jetzt bin ich dran!“ „Aber…“ Reita zog eine Augenbraue hoch. „Hey wir haben das so ausgemacht!“ Kai seufzte abgrundtief. „Hier, nimm meinen.“ Ich hielt Reita meinen Controller hin. Vier Augenpaare richteten sich ungläubig auf mich. „Willst du nicht mehr?“ Ich schüttelte den Kopf. „Mir ist gerade ziemlich warm, ich geh kurz auf den Balkon frische Luft schnappen!“ Außerdem war mir von dem Wein, den zwei Gläsern Sekt und dem Bier, das nun auf dem Sofatisch stand irgendwie schwummrig, weshalb ich hoffte, dass ein bisschen frische Luft helfen konnte. „Zieh eine Jacke an, nicht dass du krank wirst!“ Uruha. Natürlich war er es wieder, der sich um mich sorgte. Natürlich war er es wieder, der mir zu verstehen gab, dass ich ihm wichtig war. Mit einem leisen Klicken schloss ich die Glastür hinter mir und stellte mich auf den Balkon. Die kalte Luft hieß mich willkommen und legte sich wie ein Mantel um mich. Sie ließ mich ruhiger werden, klarer denken. Der Schnee rieselte schon wieder vom dunklen, wolkenbedeckten Himmel. Ich streckte eine Hand aus um eine Schneeflocke aufzufangen und sah zu, wie sie in meiner Hand schmolz. Alles war vergänglich. Das war nun mal so. Das ganze Leben war ein Kreislauf, endete aber immer mit dem Tod. Egal ob Mensch, Tier oder Pflanze. Ich hatte mir noch nie wirklich ernsthaft die Frage gestellt, wie es dann weiterging. Darüber wusste man nichts, konnte nur spekulieren. Ich war nicht der Mensch, der sich in Hoffnungen flüchtete. Seit dem Unfall war ich mehr denn je der festen Überzeugung, dass man das Leben leben musste. Man durfte nicht stehen bleiben und auf eine bessere Zukunft hoffen, sonst würde man sein ganzes Leben lang nur warten. Meine Vergangenheit hatte ich verloren, meine Zukunft war ungewiss aber die Gegenwart konnte einem niemand wegnehmen. Man entschied immer selbst, wie es weitergehen würde. Ich atmete tief durch und lehnte mich an das Geländer des Balkons. Das schwummrige Gefühl war immer noch da, aber es war besser geworden. Die Hitze allerdings blieb. Meine Finger stießen auf das Metall der Kette in meiner Hosentasche. Ich zog sie heraus, hielt sie in meiner Faust fest, während ich gedankenverloren auf den Anhänger starrte. Wieder tauchte Uruha vor meinem inneren Auge auf. Seine Lippen, wie sie sich um die Erdbeere schlossen. Wie konnte ein Mann nur so unglaublich schön sein? Er brachte mich durcheinander, machte mich nervös. Ich wusste nicht so recht, wie ich damit umgehen sollte. Ich mochte es, wenn er mich küsste, mochte es, wenn ich mich beim Fernsehen an ihn lehnen konnte oder wenn er unbewusst begann meinen Oberarm oder mein Bein zu streicheln. Ich fühlte mich wohl wenn er in meiner Nähe war. Konnte man das alles schon als Liebe bezeichnen? Und wenn ja, hieß das, dass wir uns schon wieder im Stadium einer Beziehung befanden? Starke Arme schlangen sich um meine Mitte und zogen mich an eine warme Brust. Der Duft seines Parfums umfing mich. Ich hatte gar nicht gehört, dass er zu mir auf den Balkon gekommen war. „Worüber denkst du seit 30 Minuten so angestrengt nach, Schatz?“ Seine Stimme war sanft, aber ich glaubte einen leichten Tadel herauszuhören. Schatz? Er hatte mich bisher noch nie bewusst so genannt. Aber ich kam nicht umhin diesen Kosenamen irgendwie zu mögen. Meine Augen schlossen sich, während ich mich mit einem leisen Seufzer an ihn lehnte. Mein Kopf kam an seiner Schulter zum Liegen, während er mir einen Kuss auf den Hals drückte, der zur Folge hatte, dass sich mein Herzschlag wieder beschleunigte. „Nichts Wichtiges, Kou. Ich genieße nur die Ruhe hier draußen“, murmelte ich träge und sah weiter in die Dunkelheit hinaus, wo das Schneetreiben heftiger wurde. Mir war nicht kalt in seinen Armen. Kein bisschen. „Mach dir nicht zu viele Gedanken. Lass alles auf dich zukommen, du wirst immer den richtigen Weg finden!“ Es klang beinahe, als hätte er meine Gedanken gelesen. Dabei wusste ich sicher, dass er dazu nicht im Stande war, auch wenn er sonst sehr viele Talente besaß. Meine Hand legte sich sanft auf seinen Arm, woraufhin er mich fester an sich zog. Eine Weile blieben wir so auf dem Balkon stehen. Ich verspürte nicht das Bedürfnis mich aus seiner Umarmung zu lösen, dazu war es viel zu schön. Er drückte mir nocheinmal einen Kuss auf den Hals und knabberte an meinem Ohrläppchen, was mich erbeben ließ. Ich drehte mich in seinen Armen und legte meine um seinen Nacken. Die Kette, die ich ihm schenken wollte hielt ich immer noch fest, wobei ich die Kettenglieder nun langsam aus meinen Fingern gleiten ließ, damit ich sie ihm umhängen konnte. Schon den ganzen Abend kämpfte ich mit dem Verlangen meine Lippen auf seine zu pressen. Ich überbrückte die paar Zentimeter, die sich zwischen uns befanden und küsste ihn. Ich wollte dieses Kribbeln spüren, das sich nun wieder in meinem ganzen Körper ausbreitete und mich dazu trieb mich fester an ihn zu pressen, während seine Arme sich stärker um meine Taille legten. Er hielt mich fest, zog mich enger an sich und erwiderte den Kuss mit einem zufriedenen Seufzen. Ich leckte über seine Unterlippe, verlangte fordernd nach Einlass, welchen er mir auch überrascht über meine Eigeninitiative gewährte, während er mich an die Wand drückte und eine Hand in meine Haare krallte, um meinen Kopf etwas mehr in den Nacken zu ziehen. Er genoss den Kuss, drängte meine Zunge wieder zurück, knabberte an meiner Unterlippe und stupste meine Zunge wieder an, um sie zum Tanzen aufzufordern. Hitze stieg in mir hoch, während der Kuss noch feuriger wurde. Sein warmer, stahlharter Körper schmiegte sich an meinen. Seine Hitze verschlang mich, ließ mich alles vergessen außer diese sündigen Lippen, die sich noch ein Mal mit Nachdruck auf meine drückten. Heftig atmend löste er sich schließlich von mir und sah auf den Anhänger hinunter, der nun an seiner Brust baumelte. „Frohe Weihnachten, Uruha“, hauchte ich. Mir fehlte nach diesem leidenschaftlichen Kuss der Atem um lauter zu sprechen. Ein glückliches Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus, während er mir immer näher kam. „Frohe Weihnachten, Aoi“, murmelte er an meinen Lippen, sodass seine hauchzart über meine strichen. Dann küsste er mich erneut. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)