Amnesia von dani (Wenn die Erinnerung streikt) ================================================================================ Kapitel 22: Kapitel 22 ---------------------- ~Uruha POV~ „… Nach dem schrecklichen Verkehrsunfall ihrer beiden Gitarristen melden sie sich nun wieder zurück! Die Pressekonferenz findet morgen um 14 Uhr statt! Wir werden für euch mit einem Team live vor Ort sein und davon berichten! Die Livemitschnitte könnt ihr natürlich wie immer online auf unserer Homepage ansehen! Vergesst also nicht einzuschalten! …“ Ich seufzte leise und stellte das Radio aus. Den ganzen Tag ging das schon so! Seit man verkündet hatte, dass wir eine Pressekonferenz bezüglich Aois Gesundheitszustand geben würden, liefen die Medien heiß. Heute, einen Tag vor dem anscheinend sehnlich erwarteten Pressetermin, schienen sie Amok zu laufen. Beinahe jeder Musiksender behauptete alle fünf Minuten nur für seine Zuhörer live teilzunehmen. Selbst vor dem Hotel, in dem der Saal für die Pressekonferenz gebucht war, standen bereits Schaulustige und Fans, die sich einen Blick auf die Band und vor allem auf Aoi erhofften. Ich hatte normalerweise kein Problem damit, wenn um uns herum Trubel entstand. Das war normal. So ging es uns auch bei Lives, Fernsehauftritten oder wenn wir Interviews gaben. Allerdings war ich dieses Mal besorgt, dass es Aoi nicht gut tun würde, wenn er dadurch noch mehr unter Druck gesetzt wurde. Er war sowieso schon nervös genug, weil er sich keinen Fehler erlauben durfte. „Niizaki-san! Das kommt bitte direkt auf die Bühne!“, rief unser Manager seiner Assistentin hinterher, die gerade mit einigen Stoffballen auf den Armen durch den Raum getrippelt kam. „Kaneko-san! Wo wollen Sie mit dem Mikrophon hin?“ Kai, der neben mir am Tisch saß, stützte seinen Kopf auf den Händen ab und sah nachdenklich zu ihm hinüber. „Er macht ja einen wirklich guten Job, aber ich frage mich, ob das gesund ist?“ Ich folgte seinem Blick und zuckte nur mit den Schultern. „Naja … wenn er weiterhin wie ein Verkehrspolizist herumfuchtelt, nimmt er wohlmöglich ein paar Kilos ab. Das würde seiner Frau sicher gefallen!“ „Pff … Uruha! Schlimm ist das mit dir!“ Kai stieß ein leises, kehliges Lachen aus und versuchte ernst zu gucken, als ihn der Blick des Managers traf. Dieser kam nicht dazu nachzufragen, warum wir ihn so angrinsten, da sein Handy gerade in diesem Moment zu klingeln begann. Er sah kurz aufs Display, entschied dann doch, dass der Anruf wichtig war und nahm ihn entgegen. „Seit wann hat er Leech als Klingelton!?“, entkam es mir. Den ungläubigen Unterton konnte ich mir nicht verkneifen. Unser Manager sah uns strafend an, drehte uns dann den Rücken zu, während er telefonierte. Ich hob meine Tasse wieder an die Lippen und nippte an meinem Kaffee. Kai hatte seine zweite Tasse bereits fertig und schenkte sich aus der Thermoskanne eine weitere nach. Sein Blick blieb aber weiterhin auf unseren Manager gerichtet. „Vor wem er wohl jetzt wieder katzbuckelt?“ Ich hob die Augenbrauen. „Und du bezeichnest mich als schlimm? Die ganzen Kommentare kommen ja ausschließlich von dir!“, erwiderte ich, doch unser Drummer zwinkerte mir nur gut gelaunt zu. Von dem Stress, der rund um uns herrschte, schien er sich absolut nicht anstecken zu lassen. Sonst war er auch immer vorne dabei, wenn es um organisatorische Dinge ging. Ich fragte mich, warum er ausgerechnet jetzt so seelenruhig Kaffee trank. Nicht, dass ich es ihm nicht gönnen würde. Er machte sich eh viel zu oft verrückt wegen Nichts. Unser Manager beendete das Gespräch und seufzte leise. „Ich wusste ja, dass es eine gute Idee wäre, den großen Saal zu buchen“, murmelte er dann und steckte das Handy wieder in die Innentasche seiner Anzugjacke. Kai verdrehte die Augen. „Das war eigentlich mein Vorschlag, aber in Ordnung!“ „Deiner?“ Er hob die Augenbrauen. „Du hättest mal die Antwortbriefe auf die Einladungen sehen sollen! Ich dachte mir gleich, dass das ein riesen Aufgebot wird! Die bringen niemals alle Reporter, Journalisten, Kameramänner und Fotografen in diesen Saal! Die Restlichen werden sich mit einer Pressemappe zufrieden geben müssen. Oder sie klauen von der Konkurrenz!“ Die Pressekonferenz würde über Radio, im Fernsehen und per online Streams zu sehen sein. Was für ein Radau! Kai warf das Hochglanzmagazin, in dem er gerade geblättert hatte, auf den Tisch und seufzte leise. Seine Haare standen bereits in alle Himmelsrichtungen, so oft war er in den letzten zwei Stunden hindurch gefahren. Gut, dass er erst noch zu Tsukoyomi-san musste. Dieser wäre entsetzt gewesen, wenn Kai seine meisterhafte Frisur zerstörte. „Machst du dir Sorgen?“ Kai zuckte mit den Schultern und nickte vage. „Vor allem um Aoi. Er ist den ganzen Trubel und Druck nicht gewohnt! Oder … nicht mehr gewohnt? Ich kann mich nicht daran erinnern, wann es das letzte Mal, von Lives abgesehen, so einen riesen Wirbel um uns gegeben hat. Aber wenigstens können wir so das Album auch gleich anpreisen!“ Typisch Kai. Er hatte schon wieder die geschäftlichen Dinge im Kopf. Ich drehte meinen Kopf und sah zu, wie Aoi gerade sein T-Shirt auszog und in ein schwarzes Lederoberteil schlüpfte, das man an der Seite mit einem Reißverschluss schließen konnte. „Naja bis jetzt scheint er noch gut damit klar zu kommen“, meinte ich dann, konnte mir aber ein Grinsen nicht verkneifen. Er hielt sich tatsächlich recht wacker. Allerdings stand er heute auch nicht auf der Bühne oder musste sich rechtfertigen. Heute ging es nur darum ihn noch etwas vorzubereiten, die Klamotten aufeinander abzustimmen und wenn wir wieder neu durchstarteten konnte ein kleiner Stilwechsel ja nicht schaden! Deshalb mussten wir auch nacheinander bei Chirac-san und Tsukoyomi-san, unseren beiden Stilisten, antanzen. Kai und ich hatten die Anprobe bereits hinter uns, weshalb wir auch am Tisch lümmelten und Kaffee tranken. Sowohl Aoi als auch Ruki waren gerade dabei sich von Chirac-san (sie selbst bevorzugte Mademoiselle Chirac) einkleiden zu lassen. Zwar designte Ruki die ganzen Bühnenoutfits und Fanartikel für uns, aber das Management war sich einig gewesen, dass es ihn auf Dauer zu sehr fordern würde und ein bisschen Unterstützung nicht schaden konnte, weshalb sie Chirac-san neu eingestellt hatten. Immerhin wollte ja niemand, dass Ruki noch wegen Burnout nicht mehr auf die Bühne konnte. Auch unser Vocal schien mit der Situation ganz zufrieden zu sein, was mich wirklich wunderte. Normalerweise gab er nicht gerne seine Arbeiten aus der Hand. Noch weniger, wenn er sie doch eigentlich gerne machte. Mademoiselle Chirac war ein großer, schlanker Wirbelwind mit blonden, heute sehr kompliziert geflochtenen Haaren und einer frechen Stupsnase. Ihre blauen Augen blitzten hinter den dunklen Brillengläsern auf, als sie in ihren hohen Stöckelschuhen an den beiden vorbeitippelte und Ruki nachdenklich betrachtete. Diese Frau war Feuer und Flamme. Nicht einmal Ruki konnte ihr etwas entgegensetzen, wenn sie wirklich aufdrehte! So war es auch heute, denn Ruki hatte sich seinem Schicksal ergeben und folgte, wenn auch widerstrebend, ihren Anweisungen. „Versuch mal dieses da!“, sagte sie nur und hielt ihm ein rotes T-Shirt hin. Dann zog sie ihren grafitgrauen Rock zurecht und drehte sich wieder zu Aoi um. „Non, das ist es nicht!“, meinte sie dann und befahl ihm, das Oberteil wieder auszuziehen. „Du musst mehr essen, damit du wieder in deine Outfits passt, du Hungerhaken!“, schimpfte sie mit ihm, was mich zum Lachen brachte. Wie ihr Name schon sagte, kam sie aus Frankreich. Dementsprechend lustig betonte sie die Silben auch. Allerdings hatte sie Recht, was Aoi anging. Durch die lange Zeit im Koma und die damit verbundene Ernährung über Infusionen hatte er stark abgenommen. Auch wenn er bereits seit zwei Monaten nicht mehr im Krankenhaus war, hatte er noch nicht sein altes Gewicht erreicht. „Ruki! Hatte ich nicht gesagt, dass du das rouge T-Shirt anprobieren sollst!?“ Unser Vocal zog ohne Kommentar die weiße Jacke mit den schwarzen Ornamenten über das graue T-Shirt und sah sie an. „Ich kann doch auch so gehen!“ Sie schüttelte nur heftig den Kopf. „Non! Non! Non! Das kannst du nicht! Der Hintergrund wird weiß sein und die Tischdecke aussi! Du bist viel zu blass um das zu tragen!“ Damit wirbelte sie wieder herum und hielt ihm ein schwarzes T-Shirt mit einem weiten V-Ausschnitt hin und dazu eine samtene, rote Jacke. „Rot steht dir! Du kannst als Vocal sehr wohl ein bisschen hervorstechen! Außerdem harmoniert das Rot toll mit deinen blonden Haaren! Versuch jetzt das!“ Ruki seufzte und begann sich wieder umzuziehen. „Wow heute scheint sie wieder streng zu sein! Hab ich schon erwähnt, dass ich Frauen mag, die wissen, was sie wollen?“ Reita zog sich einen Sessel heran, nahm sich ein Sushibällchen und setzte sich. „Wo kommst du denn jetzt bitte her?“ Kai stellte seine Tasse wieder ab und musterte ihn streng. „Solltest du nicht schon lange bei Tsukoyomi-san sein?“ „War ich doch schon!“, erwiderte unser Bassist und drehte sich so, dass wir die bläuliche Paste in seinen Haaren sehen konnten. „Ich muss nur warten, bis das Zeugs richtig einwirkt, dann darf ich die Haare auswaschen! Aber bis dahin kann ich mir ja auch hier die Zeit vertreiben.“ Kai nickte leicht und erhob sich. „Gut, dann bin ich wohl dran! Bis später!“ Reita streckte die Beine aus und sah grinsend zu, wie Aoi sich seufzend ein weiteres T-Shirt auszog. „Der Anblick muss dir doch gefallen?“, kam es dann von ihm. Ich hob nur die Augenbrauen. „Ich sehe ihn jeden Tag zu Hause!“, gab ich nur trocken zurück und hob neckend eine Augenbraue. „Bist du dir sicher, dass es nicht eher du bist, dem die Aussicht gefällt?“ Der Blonde verstand sofort und begann zu schmunzeln. „Sie hat schon was! Denkst du nicht, dass sie zu mir passen würde?“ Jetzt verdrehte ich doch die Augen. „Nun jaaa … die blonden Haare und das lose Mundwerk habt ihr beide. Damit ergänzt ihr euch wundervoll!“ Sein heißeres Lachen war sein einziger Kommentar dazu. Dann zog er sich eine der Tassen heran und schenkte auch sich großzügig Kaffee ein. „Uruha … geht es dir gut?“ Jetzt brachte er mich wirklich aus der Fassung. Wie konnte er so schnell das Thema wechseln, so plötzlich von heiter, gelöst auf ernst und unnachgiebig umschalten? „Was soll die Frage? Natürlich geht’s mir gut!“ „Das meinte ich nicht!“ Zweifellos hatte er das nicht gemeint. Er spielte auf die Situation an, in der Aoi und ich uns im Moment befanden. Seit dem Kuss waren wir uns nicht mehr nahe gekommen. Es schien, als würde er sich selbst fragen, was da in ihn gefahren war. Die Distanz, die sich wieder zwischen uns auftat, fühlte sich schrecklich an. Da ich keine Antwort gab, schien er zu erahnen, was los war. „Weißt du, ich glaube nicht, dass es an dir liegt. Aoi ist seit dem Unfall anders. Er überlegt viel mehr, ist mehr Kopfmensch als früher. Er scheint nicht mehr wirklich auf seine Gefühle zu achten. Der Kuss im Park … vielleicht sind sie da einfach mit ihm durchgegangen … ahh heiß!! ...“ Reita verzog unglücklich das Gesicht und begann seinen Kaffee zu pusten, bevor er einen weiteren, kleinen Schluck nahm. Sein Blick blieb weiterhin auf Chirac-san gerichtet, die Ruki zufrieden musterte und verkündete er würde wunderbar aussehen. Reita konnte mir bei solchen Gesprächen nie in die Augen sehen, hatte es auch nie gekonnt. Aber als mein bester Freund fühlte er sich dazu verpflichtet mit mir zu sprechen, wenn er spürte, dass ich es nicht mehr mit mir alleine ausmachen konnte. Ich war ihm dankbar dafür, wusste aber, dass er wirklich besorgt um mich sein musste, sonst hätte er damit nicht angefangen. „Versuch das nicht zu sehr auf dich zu beziehen und gib ihm Zeit, damit er sich darüber klar werden kann, warum er das getan hat. Ich glaube das muss er erstmal selbst verdauen!“ Mir entwich ein leises Seufzen. „Das ist nicht so einfach! Ich vermisse ihn einfach so schrecklich, Reita. Ihn bei mir zu haben, ihm aber nicht nahe sein zu können ist … so unglaublich schwer!“ Ruki setzte sich neben mich, auf den jetzt leeren Platz von Kai und griff nach zwei Reisbällchen. „Heute ist sie wirklich in Fahrt!“, meinte er, als er Reitas Blick folgte. Chirac-san hatte Aoi in ihren Fängen und bis sie wirklich zufrieden war, würde sie ihn auch nicht mehr frei geben. „Non! Du machst es mir heute vraiment schwer, Aoi-chan! Ich hatte das perfekte Outfit für dich! Aber was soll man machen, wenn es an dir aussieht, als hätte man es fünf Nummern zu groß geschneidert?“ Sie war wohl die Einzige, die uns mit –chan ansprach. Aber sie hielt generell nicht viel von Suffixen und verwendete sie, wie sie ihr gerade passten. „Haben wir nicht etwas mit Bändern oder Schnallen? Dann könnte man wenigstens ein bisschen vertuschen, dass die Sachen etwas zu groß sind“, meinte Reita dann an mich gerichtet. Er hatte gerade eindeutig versaute Gedanken – oder wollte mir dabei helfen welche zu bekommen. Ich hatte ihm einmal erzählt, dass Aoi verdammt heiß aussah, wenn er solche Dinge anzog. Dem Ausdruck in seinen Augen nach war es auch als Scherz gedacht. Doch Chirac-san stutzte, überlegte und begann dann die Oberteile auf der Stange herumzuschieben, bis sie schließlich ein schwarzes Etwas aus dem Stapel zog. „Reita-chan du bist ein Genie! Das ist super! C’est parfait!! Aoi, zieh das an!“ Er nahm das Oberteil entgegen und hob skeptisch die Augenbrauen, als wollte er nachfragen, ob das unser Ernst war. Schlussendlich gab er sich doch geschlagen. Immerhin war das ja ‚nur‘ eine Anprobe. Mir fielen beinahe die Augen aus dem Kopf, als er das lederne Oberteil glatt strich. Der schwarze, teilweise durchsichtige Stoff schmiegte sich eng an seine Brust, ließ mehr erkennen, als er verhüllte. Sie stellte sich hinter ihn und begann die Lederriemen und Schnallen, die das Oberteil in Position hielten, an seinem Rücken festzuziehen. „Uruha hör auf ihn anzusabbern! Du hast ihn doch zu Hause für dich alleine!“ Ich warf Reita einen warnenden Blick zu. In dieser Hinsicht war mit mir im Moment nicht gut Kirschen essen. Und Reita, dieser Bastard, wusste das nur allzu gut! Immerhin war er derjenige gewesen, den ich angerufen hatte, um ihm von dem Kuss zu erzählen, sobald wir zu Hause waren und Aoi sich ins Badezimmer verzogen hatte um zu duschen. Ich war ziemlich durch den Wind gewesen, hatte es nicht glauben können. Gott ich konnte es ja selbst jetzt noch nicht wirklich glauben! Er hatte mich geküsst! Ich hatte ihm immer Zeit geben wollen, damit er sich erst an alles gewöhnen konnte. Dieser Kuss, so gut er auch gewesen war, war absolut nicht geplant gewesen. Meine Lippen begannen wieder zu prickeln, als ich mich daran erinnerte, wie wundervoll es sich angefühlt hatte ihn zu küssen. Ich musste damit aufhören, sonst hatte ich gleich ein weiteres Problemchen, zusätzlich zu meinen schmutzigen Gedanken, als ich ihn in diesem Lederoberteil sah. „Vraiment parfait! Dazu noch Stulpen, Schmuck und ein bisschen Make-up … wir müssen unbedingt etwas mit deinen Haaren machen, Aoi … en voilà … du bist heißer, als der Teufel!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)