Amnesia von dani (Wenn die Erinnerung streikt) ================================================================================ Kapitel 7: Kapitel 7 -------------------- ~Uruha POV~ Ich wachte auf, als jemand eine Decke über mich legte. Am liebsten hätte ich geschrien. Nun war ich schon wieder an seinem Krankenbett eingeschlafen und das obwohl wir kaum mehr Zeit miteinander hatten. Ich verfluchte mich dafür. Zu schlafen, war das Letzte, das ich nun tun sollte! „Hey“, kam es leise von dem Sitzplatz neben mir, als ich meinen Kopf hob. Reita saß auf einem Stuhl und sah mich besorgt an. Ich wusste noch, dass ich ihnen gestern allen eine SMS geschrieben hatte. Sie hatten das Recht sich auch von ihm zu verabschieden! Dazu waren wir lange genug befreundet gewesen. „Wie geht es dir?“ Wieder schnürten mir die Tränen die Kehle zu, während ich meinen Kopf schüttelte. Reita verstand auch so, was damit gemeint war. Wie sollte es mir auch sonst gehen. Ich hatte nicht einmal mehr 5 Stunden und Aois Zustand hatte sich nicht verbessert, das hatte ich von der Schwester erfahren, die mir heute Morgen etwas zu trinken vorbeigebracht hatte. Reitas Hand legte sich auf meine Schulter. Er drückte kurz zu und streichelte dann über meinen Rücken. „Uruha gönn dir bitte eine Pause. Du sitzt seit Stunden hier an seinem Bett. Iss etwas, trink etwas und dann setzen wir uns wieder hier her, in Ordnung?“ Krampfhaft schüttelte ich meinen Kopf. Ich konnte nicht! Ich durfte ihn nicht alleine lassen. Nicht, wenn ich ihn in ein paar Stunden verlieren würde. Die Zeit verstrich viel zu schnell. Sie gab uns keinen Aufschub mehr. Jede Sekunde, die ich nicht bei ihm war, wäre eine Sekunde zu viel. Reita blieb eine Weile neben mir sitzen, doch dann erhob er sich und zog mich auf die Beine. Ich versuchte mich zu wehren, doch er war unerbittlich. „Uruha du brauchst eine Pause! Nur ein paar Minuten! In der Zwischenzeit werden Kai und Ruki bei ihm bleiben, in Ordnung?“, fragte er mich und stützte mich, während er mich mit sanfter Gewalt aus dem Krankenzimmer zog. Kai, der am Fenster stand, drehte sich augenblicklich zu uns um, als die Tür sich hinter uns schloss. Seine Augen glitzerten verdächtig. Dennoch versuchte er ein Lächeln, das ziemlich verrutschte. Er legte mir nur seine Hand auf die Schulter, doch diese einfache Geste spendete mir genauso viel Trost, wie die Umarmung, die Ruki mir zukommen ließ. Auch unser Sänger war verdächtig blass. Sie fragten beide nicht, wie es mir ging. Auch sie konnte es sich denken. Aber es bedeutete mir viel, dass sie einfach da waren. Sie unterstützten mich damit mehr, als sie vielleicht selbst ahnten. „Uruha und ich gehen ein bisschen an die frische Luft“, ließ Reita sich vernehmen und drückte mir meine Krücken in die Hand. Obwohl mich alles dazu drängte wieder zu Aoi ins Zimmer zu gehen, nahm ich meine Gehhilfen entgegen und folgte Reita über den Flur, während Ruki und Kai das Krankenzimmer betraten. Die Liftfahrt nach unten verlief schweigend. Vielleicht, weil wir beide nicht wussten, was wir sagen sollten. In meinem Kopf herrschte Chaos. Als sich die Türen öffneten, legte Reita seine Hand auf meinen Rücken und führte mich auf ein kleines Café zu, das zum Krankenhaus gehörte. Ich hatte keinen Hunger, aber er würde mich nicht wieder nach oben lassen, solange ich nicht irgendetwas aß. Als ich mein Spiegelbild in der gläsernen Auslage erblickte verschwand die Angst, ein Fan könnte uns entdecken. Meine Augen waren rot gerändert vom vielen weinen. Ich war blass und hatte dunkle Augenringe, doch obwohl mich das früher erschreckt hätte, interessierte es mich nicht. Reita selbst sah zwar besser aus, aber ohne Make-up, ohne das Nasenband und mit verstrubbelten Haaren würde ihn sowieso keiner erkennen. Wir setzten uns nach draußen – in eine kleine, private Nische. Die frische Luft tat wirklich gut. Ich konnte zum ersten Mal wieder richtig durchatmen. Reita stellte das Tablett vor mir ab und schob mir die Miso-Suppe zu. „Iss!“, verlangte er dann. Zögernd griff ich nach dem Suppenlöffel und begann die Suppe runterzuwürgen. Er schien zufrieden zu sein, lehnte sich zurück und nippte an seinem Kaffee. Ich kannte Reita lange genug um zu sehen, dass er keinesfalls so locker drauf war, wie er sich gab. Seine Schultern waren ein bisschen zu angespannt und sein Gesichtsausdruck zu ernst. „Vielleicht würde Musik helfen“, sagte er dann plötzlich. Überrascht sah ich auf. „Für was?“ Reita zuckte mit den Schultern. „Er war … ist Musiker! Er liebt die Musik doch! Vielleicht hilft sie ihm wieder zu uns zurück zu kommen?“ Ich war erstaunt. Niemand hier hatte mir geglaubt, dass Aoi noch irgendwelche Chancen hatte. Aber Reita schien genauso zu denken wie ich. „Aber … warum?“, flüsterte ich dann. Reitas Lächeln war traurig. „Aoi würde doch niemals einfach so aufgeben! Dazu ist er viel zu dickköpfig. Vielleicht muss man ihm einfach den richtigen Anreiz geben um zurück zu finden?“ Obwohl ich einfach nur wieder zurück zu Aoi wollte, ließ ich mich von Reita noch dazu überreden eine Runde um den Block zu laufen. Sehnsüchtig betrachtete ich die Kirschblüten und zuckte zusammen, als Reita mit einen kleinen Ast voller wunderschöner, rosafarbener Knospen hinhielt. „Nimm ihn mit! Aoi mochte sie doch!“ Wieder zog sich mein Magen schmerzhaft zusammen. Ich bekam kaum Luft. Das Gefühl zusammenzubrechen übernahm überhand. Zu wissen, dass es bald vorbei sein würde machte mich ganz krank. Ich fühlte mich so hilflos, so nutzlos. Ein Gefühl, das ich nicht ertrug! „Blumen dürfen nicht ins Krankenzimmer mitgenommen werden!“, widersprach ich ihm dann, doch er wank einfach nur ab. „Und daran hindert uns was genau?“ Ich runzelte die Stirn. „Das ist wegen den Keimen, damit der Patient nicht noch irgendwie krank wird!“ Und im selben Moment verstand ich Reitas Frage. Was interessierte uns das? Sie würden die Maschinen in 4 Stunden abstellen. Was sollten denn Keime da noch ausrichten? Obwohl meine Finger zitterten griff ich nach dem Ast und nickte leicht. Er hatte Recht. „Hey Schatz! Ich war gerade mit Reita ein bisschen Luft schnappen und hab dir was mitgebracht!“ Ich war wieder alleine in seinem Krankenzimmer. Sanft nahm ich seine Hand, die auf seinem Bauch lag, und legte seine Finger um den Kirschblütenzweig. Dann gab ich ihm noch einen Kuss auf die Stirn und setzte mich wieder an sein Bett. Erneut bemerkte ich, dass ich gehofft hatte es würde ihm besser gehen, wenn ich zurück kam. Ich wartete auf ein Wunder. Dabei wusste doch jeder, dass es keine Wunder gab. Reitas Vorschlag mit der Musik kam mir gar nicht so dumm vor. Daher zog ich mein Handy heraus und wählte eines unserer Alben aus. Die Musik stellte ich so leise, dass sie im Hintergrund zu hören war. Selbst wenn sie ihm nicht helfen würde, beruhigte sie mich ein wenig. Ich umschloss seine Hand wieder mit meinen Fingern und hielt sie fest, während auch ich der Musik lauschte. Ich küsste seine kalten Finger wieder und begann leise mit ihm zu sprechen. Doch mit jeder Minute, die verrann, versiegte auch gleichzeitig die Hoffnung, dass sich sein Zustand doch noch verbessern würde. Ich hatte um einen Tag Aufschub gebettelt. Doch mir wurde immer klarer, dass dieser eine Tag niemals reichen würde. Ich konnte mich nicht von ihm verabschieden. Dazu liebte ich ihn viel zu sehr. Ich konnte nicht auf Wiedersehen sagen, wenn er doch hier war. „Er lebt nur durch die Maschinen. Yuu ist schon lange ganz weit weg.“ Die Worte seines Vaters kamen mir wieder in den Sinn und erneut begannen meine Tränen zu fließen. Dabei hatte ich doch geglaubt, sie wären endgültig versiegt. Als schließlich die Tür geöffnet wurde und nacheinander mehrere Leute ins Zimmer kamen, zuckte ich heftig zusammen. Ich hatte meine Arme am Bett aufgestützt und hielt seine Hand in meinen Händen fest, während ich meine Lippen auf seine kühlen Fingerspitzen presste. Es war vorbei. Die Zeit war abgelaufen, die Gnadenfrist verstrichen. Reita, Kai und Ruki stellten sich hinter mich. Ich spürte, wie sie ihre Hände auf meine Schultern legten um mir zu zeigen, dass sie da waren. Mein Atem bebte, als ich ausatmete, genauso wie der der anderen. Kai schniefte leise. Seine Hand zitterte. Aois Mutter war auf der anderen Seite des Bettes zusammengesunken und hatte ihre Hand an seine Hand gelegt, die den Kirschblütenzweig umschloss, während sein Vater seine Hand auf Aois Schulter legte. Ich schloss meine Augen und verkrampfte mich erneut, als der Arzt den Raum betrat. „Aoi … bitte!“ Meine Stimme war nur ein leises, zitterndes Flüstern, während ich weiter nach vorne sank und meinen Kopf an seine Schulter lehnte. „Oh Aoi, es tut mir so verdammt leid!“, flüsterte ich heißer, während ich versuchte die Tränen zu stoppen, die über meine Wangen perlten und vom Überzug der Bettdecke aufgefangen wurden. Hätte ich mich ausnahmsweise einmal nicht nur um meine, sondern um seine Bedürfnisse gekümmert, dann wäre es nie zu dem Unfall gekommen. Aber ich war ja müde gewesen und wollte nicht fahren! „Es ist alles meine Schuld! Wenn ich nicht … wenn ich nicht so ein ignoranter Idiot wäre, dann würdest du das nicht durchmachen müssen. Bitte verzeih mir … bitte wach wieder auf! Bitte!“ Meine Stimme brach. Leises Schluchzen war neben dem Geräusch des Beatmungsgeräts lange Zeit das Einzige, das die Stille durchbrach. „Ich hätte dich niemals fahren lassen dürfen“, flüsterte ich heißer, als ich mir sicher war, dass ich meiner Stimme erneut trauen konnte. Schuldgefühle waren das Einzige, das ich im Moment neben der Sorge und Angst um ihn spürte und sie fraßen mich auf. „Ich wusste doch, dass du Kopfschmerzen hast. Ich wusste doch, dass du dich über Sotooka-san aufregen würdest. Ich hätte fahren sollen! Ich sollte hier liegen und nicht du!“ Ich versuchte nicht einmal meine Tränen zurückzuhalten. Es hatte keinen Sinn. Ich konnte sie nicht aufhalten. „Aoi … Yuu bitte komm zu mir zurück. Bitte verlass mich nicht! Wir brauchen dich! Ich brauche dich. Ich warte auf dich! Bitte!“ Meine Brust schmerzte. Es war als würde mein Herz in tausend Scherben zerspringen. Ich durfte ihn nicht verlieren! Ich wusste nicht, wie es weitergehen sollte ohne ihn! Ich blieb so bei ihm liegen, küsste ihn immer wieder, versuchte zu ihm durchzudringen. „Yuu! Wir haben keine Zeit mehr! Hilf mir doch bitte! Lass mich nicht alleine!“ Aber er erhörte mein Flehen nicht. Sanfte Hände streichelten über meine Schultern, versuchten mich zu beruhigen. Jemand sagte meinen Namen, aber ich verstand nicht, was noch gesagt wurde. „Schatz bitte tu mir das nicht an! Aoi lass mich nicht alleine zurück. Du hast mir doch immer versprochen für uns zu kämpfen. Wenn du mich liebst, dann beweise es mir jetzt! Kämpfe, verdammt noch Mal!“ Ich schniefte leise, während die Tränen über meine Wangen liefen. Sie fielen auf seine Verbände, versickerten ungesehen darin. Ich fühlte mich so verletzlich, so angreifbar. Niemals hatte ich meine Gefühle so Preis gegeben. Nicht einmal ihm gegenüber. Jetzt standen diese ganzen Leute um mich herum und es war mir egal. Alles was ich wollte war, ein Wunder! „Yuu wenn du mich hörst, drück meine Hand! Bitte!!“ Meine Stimme wurde immer leiser, der Schmerz immer gegenwärtiger. Ich würde ihn verlieren! Er würde nie mehr wieder lachen. Nie mehr würde ich in seinen dunklen Augen versinken. Nie wieder würde ich spüren, wie seine warmen Finger über meine Haut streichelten. Ich würde nie wieder über seine Witze lachen können oder mit ihm zusammen Gitarre spielen. Wir würden unsere Träume niemals zusammen erreichen, kein gemeinsames Leben führen können. „Drück meine Hand, Aoi… wir haben keine Zeit mehr … bitte, drück meine Hand“, hauchte ich leise. Meine Finger verkrampften sich. Ich klammerte mich an ihm fest, so als würde es nur davon abhängig sein ihn doch bei mir behalten zu können. Seine Hand lag immer noch in meiner. Kalt. Bewegungslos. Der Arzt legte seine Finger auf den Schalter und wartete – wartete darauf, dass ihm jemand ein Zeichen gab. „Yuu! Komm zu mir zurück! Bitte kämpfe weiter! Du musst kämpfen! Du darfst nicht sterben. Du darfst mich nicht verlassen! Ich brauche dich …“ Ein Nicken von Aois Vater und meine Welt blieb stehen. Ein unkontrolliertes Zittern erfasste mich, während ich kraftlos zurück auf den Stuhl sank, nicht gewillt seine Hand los zu lassen. „YUU!!!“, schrie ich gequält, während ich spürte, wie die anderen versuchten mich aufzufangen. Ich presste seine Finger wieder an meine Lippen und schluchzte hemmungslos auf. „Yuu, verlass mich nicht! Bitte … ich liebe dich!!!“ Die Anzeigen blinkten ein letztes Mal auf. Dann verloschen sie. Mein Herz schien mit ihnen auszusetzen. Ich bekam keine Luft mehr. Der Schmerz raubte mir alle Empfindungen. Der Raum begann sich zu drehen. Die Farben verloren ihre Leuchtkraft, bis sie nur noch schwarzweiß waren. Ich schwankte, spürte wie mich jemand festhielt und dann … „Schalten Sie die Maschine wieder an!!!“ Rukis Stimme hallte wie ein Pistolenschuss durch den Raum. … dann spürte ich wie sich Aois Finger schwach und zuckend um meine eigenen schlossen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)