Amnesia von dani (Wenn die Erinnerung streikt) ================================================================================ Kapitel 4: Kapitel 4 -------------------- ~Uruha POV~ Einatmen. Ausatmen. Einatmen. Leise, angestrengte Atemzüge. Ansonsten herrschte Stille um mich herum. Wieder Ausatmen. Einatmen. Mein Atem war unregelmäßig. Kurzes Einatmen, langes Ausatmen. Mein Bewusstsein trieb immer noch in einem halbwachen Dämmerzustand umher. Doch langsam wurde ich immer klarer. Mir war warm und meine Finger berührten etwas Weiches. Eine Decke? Irgendwo über mir summte es. Es klang wie das elektrische Knistern einer Deckenlampe. Aber unsere Lampe zu Hause knisterte nicht. Moment - wir hatten doch nicht einmal eine Deckenlampe im Schlafzimmer. Obwohl ich versuchte zu blinzeln, blieben meine Augen geschlossen. Ich nahm es einfach hin. Vermutlich war es mitten in der Nacht. Mein Körper war müde, abgekämpft, aber mein Geist war rastlos und irrte umher. Wieder einzuschlafen war dabei kaum möglich. Meine Finger zuckten leicht, als ich versuchte über den Stoff zu streicheln. Ich hatte mich getäuscht. Es war nicht die glatte, kühle Seidenbettwäsche, die wir zu Hause hatten. Der Stoff wirkte im Gegensatz dazu kratzig und uneben. Auch das Kissen war flach und hart. Wieder ein kurzes Einatmen. Ich fühlte mich erschöpft – todmüde um genau zu sein. Ich wollte gerne weiterschlafen, aber das Bett war nicht bequem. Außerdem fehlte Aoi neben mir. Die Wärme, die sein Körper sonst abstrahlte war nicht da und auch seinen Geruch vermisste ich. Generell war der Duft im Raum sehr seltsam. Er hatte etwas Steriles, Klinisches. Ausatmen. Langsam begann die Erinnerung wieder einzusetzen, wie Aoi mich weckte, sein Lächeln, die Arbeit, die Aufnahmen. Er war sauer gewesen, weil der Chef ihn runtergeputzt hatte. War das der Grund, weshalb meine Gedanken nicht zur Ruhe kamen? Einatmen. Ich rümpfte die Nase. Irgendetwas klebte an meinen Wangen und unter meiner Nase fest. Der Strudel der Erinnerungsfetzen zog mich tiefer. Es hatte geregnet. Die Fahrbahn war nass. Dann ein Wasserschwall, der gegen das Fenster prasselte, als der LKW durch eine Pfütze fuhr. Endlich! Meine Augen öffneten sich flatternd. Licht. Mein Kopf begann zu hämmern und ich schloss die Lider wieder. Ich versuchte es noch einmal und dieses Mal war es schon besser. Mein Blick war unscharf, aber ich erkannte eine weiße Wand mir gegenüber und ein Bild mit ... sollten das Mohnblumen sein? Ich blinzelte träge und ließ meinen Blick weiter durch diesen Raum wandern. Zu meiner Linken befand sich eine Fensterfront. Die Sonne ging gerade unter, weshalb es im Raum langsam dunkel wurde. Jetzt erst bemerkte ich den Schatten am Fenster. Jemand stand dort und sah nach draußen. Ich musste wohl einen Laut von mir gegeben haben, denn die Person drehte sich um und kam mit einem erleichterten Lächeln auf mich zu. „Hey … da bist du ja wieder. Wie geht es dir?“ Kai! Etwas genervt von dieser Begrüßung verzog ich das Gesicht. Na wo sollte ich denn sonst sein!? Wieder bemerkte ich, dass an meiner Wange etwas festgeklebt sein musste. Er setzte sich neben dem Bett auf einen Sessel und sah zu, wie ich meinen zitternden Arm langsam hob und meine Wange abtastete um das Ding wegzumachen. Noch bevor ich etwas tun konnte, nahm er meine Hand sanft in seine und drückte sie wieder weg. „Lass das. Das Ding hilft dir beim Atmen!“, sagte er dann ruhig. Hä? Ich brauchte kein Ding, das mir beim Atmen half. Das konnte ich auch selbst. Sein Blick wirkte aber so besorgt, dass ich mich meinem Schicksal ergab und es in Ruhe ließ. „Deine Eltern sind gerade vor ein paar Minuten raus gegangen, um etwas zu essen…“ Meine Eltern!? Warum waren meine Eltern hier? Er hielt meine Hand weiterhin in seiner. Vorsichtig. Beinahe so als hätte er Angst sie zu zerbrechen. Jetzt erst erkannte ich, dass dort immer noch eine Kanüle festgeklebt war und ein durchsichtiger Schlauch zu einem Infusionsbeutel ging, der auf einem silbernen Gestell neben mir hing. „Was ist passiert?“, brachte ich nach einer kurzen Pause heißer heraus. Kai beugte sich über mich und angelte nach einer Fernbedienung, die über meinen Kopf baumelte. Das ‚Wo bin ich?‘ verkniff ich mir gerade. Es war offensichtlich, wo ich war. Ich wusste nur nicht warum und wozu. Allerdings merkte ich wirklich, dass meine Brust wehtat, wenn ich atmete. Außerdem hatte ich Probleme genug Luft zu bekommen. Da war ein Druck auf meiner Brust, der nicht weg ging. Er strich mir ein paar Strähnen aus der Stirn. Sein Lächeln hatte sich verflüchtigt. Dann ging im Zimmer das Licht an und plötzlich saß ich wieder im Auto. Dieses grelle Licht. „Verdammter Trottel, schalt das Fernlicht aus!!“ Meine Stimme. Die Tunnelwand, Aois Entsetzensschreie, das viele Blut. Der Unfall! Panik schnürte meine Kehle zu. Mein Herz begann zu rasen. Ich schnappte nach Luft. „… ~uha … Uruha …. KOUYOU!!!“ Ich landete wieder im Jetzt, keuchte heftig und spürte, wie meine Finger sich in der Decke verkrampften. „Der Unfall … Yuu!“ Kai hielt mich an den Schultern fest und drückte mich in die Kissen. „Uruha nicht! Du darfst dich nicht so sehr bewegen!“ „Kai, wo ist er!? Was ist mit ihm!? Geht es ihm gut!?“ Meine Stimme schnappte über vor Angst. Ich verschluckte mich, begann zu keuchen und stöhnte im selben Moment auf. Scheiße! Meine Brust tat weh. Ich wurde zwangsläufig ruhiger, konzentrierte mich darauf zu atmen, was eher ein leises Japsen war. Nicht genug Luft. Kai hielt mich immer noch fest und streichelte durch meine Haare. „Schh ganz ruhig, ok? Wenn du so weitermachst, kannst du ihn gar nicht besuchen!“ Mein Ächzen wurde weniger, meine Gegenwehr auch. Besuchen? Das hieß es ging ihm gut? Er war hier? Er war doch hier, oder? Kai schien die Fragen zu sehen, die sich in mir zusammenbrauten. „Er wurde auch verletzt und ist ein paar Zimmer weiter … beruhig dich jetzt.“ Mahnend! Mein Atem ging immer noch pfeifend, als ich mich wieder etwas entspannte und Kai sich traute mich loszulassen. Er seufzte und setzte sich in den Sessel zurück. Er murmelte etwas was nach ‚Was machst du denn für Sachen?’ klang. Jetzt fiel mir auf, wie müde und blass er aussah. „Wie lange…“ Ich konnte meine Frage nicht zu Ende formulieren, ich hatte keine Stimme mehr. Doch er schien zu verstehen, was ich fragen wollte. „Der Unfall ist vier Tage her“, erklärte er dann und musterte mich, als ich mit einem heißeren Stöhnen die Augen schloss. Die Tür ging mit einem leisen Klicken auf und eine Schwester kam hinein. „Er ist aufgewacht?“, fragte sie, als sie sah wie ich blinzelte. „Sehr schön. Ich gehe den Arzt holen.“ Ihre Stimme war dunkel für eine Frau. Sie hatte kurze, schwarze Haare, die wirr vom Kopf abstanden und einen zarten Körper. Sie sah viel zu zerbrechlich aus für diese Art von Job. Die Tür schloss sich wieder und ich starrte an die Decke. Das Atmen fiel mir nach wie vor schwer. Die Stille dehnte sich aus, bis die Tür sich ein weiteres Mal öffnete und ein Arzt das Zimmer betrat. Ab jetzt war es vorbei mit der Ruhe. Ich wurde für weitere Untersuchungen in einen anderen Raum gebracht. Allein schon wie auf einem Präsentierteller durch die Gänge geschoben zu werden gefiel mir gar nicht. Aber fürs Erste versuchte ich mich nicht aufzuregen. Ich hatte immer noch Schmerzen beim Atmen, dank des letzten Versuchs. Die Untersuchungen dauerten beinahe drei Stunden – und das obwohl ich wohl VIP-Patient war. Das merkte ich vor allem daran, dass ich überall recht schnell dran war und sich alle um mich kümmerten. Eigentlich hatte ich auch keine Lust darauf Untersuchungen mitzumachen. Ich wollte zu Aoi und nach ihm sehen. Doch fürs Erste ergab ich mich meinem Schicksal und machte mit, da sie sich alle um mich bemühten und ich zu kraftlos war um mich ernsthaft durchzusetzen. Außerdem hatte mich der Unfall doch schlimmer mitgenommen als ich gedacht hatte. Ich hatte ein gebrochenes Bein, ein leichtes Schleudertrauma, Abschürfungen und Prellungen am ganzen Körper, vier gebrochene Rippen (weshalb ich auch kaum Luft bekam) und eine Milzruptur. Ich hatte mehrere Stunden im OP verbracht, wie mir mitgeteilt wurde. Im Großen und Ganzen war ich jedoch verdammt glimpflich davongekommen. Die nächsten Wochen musste ich ruhig angehen und noch mindestens drei davon zur Beobachtung hier im Krankenhaus bleiben. Als sie mich schlussendlich wieder ins Zimmer brachten war ich fix und fertig und wollte nur noch schlafen. Ich bekam noch ein Schmerzmittel, meine Funktionen wurden ein weiteres Mal überprüft und eine Schwester brachte noch etwas zu Essen (Suppe). Hunger hatte ich nun wirklich keinen, aber Kai setzte seinen Kopf durch und brachte mich dazu zumindest ein bisschen was runter zu würgen, obwohl mir davon schlecht wurde. Ich zupfte an der Decke und schloss meine Augen, als er das Tablett weg stellte und sich dann wieder auf den Sessel setzte. „Du musst nicht hier bleiben, weißt du? Ich werde einfach schlafen“, nuschelte ich, benommen von dem Schmerzmittel, das langsam Wirkung zeigte und die Schmerzen weniger werden ließ. „Ich weiß“, war seine Antwort. „Aber ich bleib noch ein bisschen hier…“ Den Rest hörte ich schon nicht mehr. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)