Mein kleines Hündchen von NekoBastet (Als Junge geboren, zum Haustier erkoren...) ================================================================================ Kapitel 13: Kleiner Bruder -------------------------- Wenn es etwas gab, das Yuuki an seinem alten Ich mochte und beibehalten wollte, war es seine Sturheit. Stur war er schon immer gewesen. Sein Kopf folgte ganz dem Motto: Ab durch die Wand; wenn es nicht geht, dann immer wieder dagegen rennen und erst akzeptieren, dass es nicht klappt, wenn die Selbstzerstörung erreicht war. Nicht zum ersten Mal in seinem Leben stellte der junge Schüler fest, dass diese Eigenschaft ihm öfter schlechte, als gute Erlebnisse bescherte. Dennoch fühlte es sich nicht falsch an, seinen Erzfeind zu stützen, als sie gemeinsam das *Sunshine*-Café erreichten, in dem Yuuki arbeitete. Yuuki verdankte es eben dieser Sturheit, dass Akira-kun nicht mittlerweile auf der Straße lag und womöglich elendig verreckte. Mehrfach hatte der Ältere sich gegen Yuukis Entschluss gewehrt, stellte diesem entweder ein Bein oder beleidigte ihn permanent, damit er ihn in Ruhe ließ. Aber Yuuki wollte sich nicht von seinem Vorhaben abbringen lassen, egal, wie sehr Akira-kun ihn provozierte. Er würde es nicht mit sich selbst vereinbaren können, Akira-kun hilflos liegen zu lassen, wobei dieser doch ohnehin schon der Ohnmacht nahe war. Wenn er die Kraft gehabt hätte, sich von Yuukis Hilfe loszureißen, hätte er es wahrscheinlich schon längst getan, also musste es ihm momentan wirklich schlecht gehen. Letztendlich war Yuuki stolz, sich gegen seinen Peiniger durchgesetzt zu haben. Dessen Stolz wiederum schien verletzt, aber das wunderte den Jüngeren nicht besonders. „Da sind wir endlich.“, seufzte Yuuki erleichtert. Ein leises Klingeln begrüßte die neuen Gäste, als Yuuki die Tür aufschob. Er sah sich kurz um und beschloss dann, Akira-kun in eine der ruhigeren Ecken des Cafés abzusetzen. Sorgenvolle Augen trafen auf die wütenden Augen des anderen. Yuuki verschränkte schmollend die Arme vor der Brust. „Jetzt guck nicht so trotzig. Ob du es zugeben willst, oder nicht: Ohne mich lägst du jetzt auf der Straße. Akira-kun zuckte gleichgültig mit den Schultern. „Ohne dich hätte ich mich schon längst wieder erholt und hätte nicht den weiten Weg hierher auf mich nehmen müssen.“ Dann erhob er sich wieder, bot dem vor ihm stehenden Yuuki die Stirn und führte ihm vor Augen, wie klein dieser doch war. Es hatte ihn ohnehin gestört, sich von dem schwachen Welpen herumkommandieren zu lassen. Der Größere überragte sein Spielzeug bei weitem und ließ seinen mordlustigen Blick über den zierlichen Körper vor sich gleiten. „Das wirst du noch bereuen.“, flüsterte Akira-kun. Langsam lehnte er sich vor, wollte bedrohlich wirken, einschüchternd. Doch kurz darauf musste er feststellen, dass sein Vorhaben missglückte. Der kleinere Yuuki hatte den warnenden Blick seines Rivalen durchaus mitbekommen, doch als dieser sich nach vorn neigte, dachte er, dass Akira-kun wieder einen Schwächeanfall hätte. So kam er ihm entgegen, legte seine Hände gegen die Schultern des anderen und lehnte sich sanft dagegen. „P- Pass auf dich auf.“, flüsterte Yuuki besorgt und hob seinen Kopf, um dem Größeren in die Augen zu sehen. Verwirrt erstarrte Akira-kun in seiner Bewegung. „Was machst du da, Welpe?“, fauchte er und zuckte alsbald zurück. „Was glaubst du eigentlich, wer du bist?“ Yuuki seinerseits war überrascht. „Ich dachte, du hättest...“ „Ich hätte was? Einen Schwächeanfall? Dass ich nicht lache!“, knurrte Akira-kun, der sich schnellstens von dem ersten Schreck erholt hatte. Er entschied sich dafür, seine Geste noch einmal zu wiederholen. Diesmal verstand Yuuki sofort. Eine Gänsehaut breitete sich auf seiner Haut aus, als er den Tyrannen näher kommen sah. Er wich zurück. „Ich wollte dir nur helfen.“, hauchte er. Zu mehr war er nicht imstande. Die schnellen Wechsel seiner Gefühle von Erleichterung, Sorge, Angst und Enttäuschung ließen seine Maske der geheuchelten Standhaftigkeit bröckeln. Wie war er nur darauf gekommen, dass Akira-kun sich tatsächlich gegen ihn lehnen würde, wenn es ihm wieder schlecht ging? Hatte er etwa wirklich geglaubt, dass dieser Mensch – nein, dieses unberechenbare Monster – ihm solch ein Vertrauen entgegen bringen würde? Ohne, dass Yuuki wirklich wusste, weshalb es geschah, stiegen Tränen in seinen Augen auf. Er spürte es und zwang sich, ihnen nicht freien Lauf zu lassen, was seinen Blick glasig werden ließ. Derweil war ihm entgangen, dass Akira-kun schon wieder seinen Angriff abbrach. Schwer atmend stützte er sich auf den frisch gewischten Café-Tisch. Erst, als er wieder zurück in die weichen Polster der Sitzecke am Rande der Räumlichkeiten sank, erkannte Yuuki die Lage. In seiner Gefühlswelt, die wohl einem Schlachtfeld ähnelte, drängte sich wieder die Sorge hervor, die einen kurzen Zweikampf gegen die noch bestehende Angst vor Akira-kuns Schlägen für sich hatte entscheiden können. „Egal, was du mir noch an den Kopf wirfst und egal, wie du dich später an mir rächen wirst: Du bleibst jetzt erst mal hier. Ich muss gleich anfangen zu arbeiten und bringe dir nachher eine Stärkung.“, bestimmte Yuuki, wischte sich die übrigen Tränen aus den Augen und verließ Akira-kuns Platz, bevor dieser sich wehren konnte. Irgendwann reichte es auch, hatte Yuuki entschieden. Dieser Grobian war sicherlich gemeingefährlich, machte sich nichts aus Gesetzen und wollte ihn früher oder später sehr wahrscheinlich umbringen! Aber jetzt, genau in diesem Moment, war dieser Grobian einfach nur ein Idiot, der zu stolz war, sich einzugestehen, dass er seine körperlichen Grenzen erreicht hatte. Auch, wenn es bedeuten sollte, dass Yuuki damit sein eigenes Leben gegen das seines Neufeindes eintauschte, dann war es für den jetzigen Moment in Ordnung. Denn lieber würde er sterben, als für das Leid einer anderen Person verantwortlich zu sein. Und wenn er Akira-kun allein in der Schule zurückgelassen hätte, dann hätte er gelitten, was auch immer er Gegenteiliges behauptete. Dennoch war es Yuuki nicht möglich, eines zu verdrängen: Wie auch Akira-kuns, so war auch bald seine eigene Grenze der Toleranz erreicht. Nicht ausschließlich körperlich, wie bei dem Tyrannen, sondern psychisch. Ständig wechselte seine Meinung, ohne, dass er es beeinflussen konnte. In dem einen Moment verspürte Yuuki Todesangst. Als er sich an den Biss erinnerte, fröstelte es ihm. Egal, ob sie nur erst Schüler waren und egal, ob es Gesetze gab, die dagegen standen: Akira-kun könnte ihn umbringen. Mit Leichtigkeit. Jederzeit. Und gleichzeitig existierte dieser kleine Funke, den Yuuki wünschte, auslöschen zu können. Dieser Funke, der aufloderte und alles um sich herum mit entfachte, wenn er mit Akira-kun nur verbal stritt und wenn er ihn nicht bedrohte... Wenn sie mit einander schrieben, als wären sie beinahe Freunde... Sofort schüttelte Yuuki den Kopf, um diesen Gedanken aus seinem Kopf zu schleudern. Das war zu viel Sympathie für ein solches Monster! Der Junge versuchte angestrengt, sich davon zu überzeugen, sich das Positive an den Begegnungen mit Akira-kun nur auszudenken, um nicht feststellen zu müssen, dass Akira-kun ein grausamer, brutaler, gefährlicher Mensch war. Den Fehler, in anderen mehr zu sehen, als sie tatsächlich waren, hatte Yuuki mehr als einmal gemacht. Und er würde ihn nicht wiederholen. Er sollte begraben werden, wie der Rest seiner elenden Vergangenheit. Charaktere wie Akira-kun hatten zweite Chancen nicht verdient. Mit entschlossener Miene und der Überzeugung, Akira-kun in Zukunft geistig und real aktiver zu meiden, schritt Yuuki in den hinteren Bereich. Er musste noch seine Arbeitsuniform anziehen. Allerdings konnte er es nicht vermeiden, einen letzten Blick an Akira-kuns Tisch zu werfen. Von hier aus, wie auch vom Rest des Ladens, war er kaum richtig zu sehen. In der Sekunde, in der er dieses betitelte Monster sah, senkte dieses gerade den Kopf und stützte die Stirn auf den Händen. Es sah geknickt aus. Gequält, als hätte es Schmerzen. Yuuki zog die Wangen ein und biss sich fest darauf, dass es ihn schmerzte. Wie dumm war er bloß, dass es nur eines einzigen Blickes bedurfte, um das Ergebnis von zwei Minuten innerem Monolog so vernichtend zu schlagen? Eben dieser Funke war es, der Yuuki dazu brachte, doch wieder Sorge für diesen mysteriösen Menschen zu empfinden. Jener Funke und gefährliche Sturheit, die Yuuki bis in die Selbstzerstörung treiben würden. Akira-kun richtete sich wieder auf und schnell verschwand Yuuki, bevor der andere mitbekam, dass er ihn musterte. Wie schon bei den Sporthallen festgestellt, hatte Akira-kun dafür einen Sinn. Als Yuuki bereit war, seine Schicht anzutreten, meldete er sich bei seinem Chef und erklärte ihm die Situation mit Akira-kun. Er bat darum, seinem 'Schulfreund' ein Glas Wasser und ein Stück Kuchen spendieren zu dürfen. Der Chef, ein dickbäuchiger, glatzköpfiger Mann, warf einen prüfenden Blick in Richtung Akira-kun und nickte dann. „Sons' klappt der einem ja am Tisch um.“, bemerkte auch Yuukis Chef brummend. Seine grobe Aussprache und die sympathische Stimme, die einem alten Brummbären ähnelte, standen bei diesem Mann im Widerspruch zu seinem Aussehen. Er war groß gewachsen, breit und stämmig und so wenig Haar er auf dem Kopf hatte, so viele Tattoos übersäten seine kräftigen Arme. Er war eine der Gestalten, denen Yuuki im Dunkeln nicht begegnen wollte, doch in der nicht allzu langen Zeit, in der er nun schon im *Sunshine*-Café arbeitete, durfte er lernen, dass dieser Mensch wohl einer der friedlichsten war, die es geben konnte. Schließlich war der Chef damit einverstanden, dass Yuuki ab und zu ein Auge auf Akira-kun haben durfte. Obwohl Yuuki bei seiner Arbeit im Café seine Schulter stärker belasten musste, hatte er das Gefühl, an der wohl besten Stelle gelandet zu sein, wo er hätte arbeiten können. Aufatmend sah sich Yuuki nach Akira-kun um, bevor er sich vor zwei Mädchen verbeugte, die gerade den Laden verließen. „Danke, dass ihr da wart. Euer kleiner Bruder erwartet euch nächstes Mal wieder hier.“, verabschiedete er die beiden vor Entzückung quietschenden Mädchen. Das war die Schattenseite des *Sunshine*-Cafés: Er musste den Vorlieben der Gäste entsprechen und sie dann so behandeln, dass ein erneuter Besuch statistisch wahrscheinlicher war. Statistisch... Wenn er dieses Wort nur hörte... Sein Chef sollte seinetwegen der netteste sein, den Yuuki hätte erwischen können, aber in Sachen Zahlen und Wahrscheinlichkeiten machte diesem Glatzkopf keiner etwas vor. Der Junge wusste nicht, ob er das System des Cafés für gut oder schlecht halten sollte, denn immerhin funktionierte es. Diese beiden Mädchen waren Stammkundinnen und ließen sich ausschließlich von Yuuki bedienen. Er musste die beiden seine großen Schwestern nennen, vermutlich waren sie in Seiichis Alter. Mio-nee-chan und Sui-nee-chan. Sie waren versessen auf ihn. Bei einigen anderen Kunden war es beliebt, dass Yuuki sie 'Master', oder 'Senpai' nannte. Ersteres war ihm eigentlich genauso peinlich, wie fremde Mädchen als seine Schwestern zu rufen, aber er bekam gutes Trinkgeld dafür. Immerhin nach außen wirkte Yuuki nicht, wie aus einem Maid-Café entsprungen. Zum einen musste er sich nicht in ein Maid-Kleid quälen, wie es seine 'großen Schwestern' sicher gern gesehen hätten, und zum anderen war seine Arbeitskleidung sehr gewöhnlich und schlicht. Ein weißes Hemd, schwarze Hosen und eine schwarze Schürze. Keine Krawatte, kein besonderer Kragen, keine unnötigen Accessoires. Trotzdem war Yuuki, als er Akira-kun hier mit her gebracht hatte, nicht durch den Kopf gegangen, dass dieser ihn nun die ganze Zeit bei der Arbeit beobachten konnte. Er würde sicherlich keine Gelegenheit versäumen, ihn deswegen zu schikanieren. Es graute Yuuki jetzt schon davor. Eigentlich hatte er sich geschworen, nur Leute hier her zu bringen, von denen er nicht erwarten konnte, deswegen geärgert zu werden. Deshalb würde er Ada-chan und Riku-chan zum Beispiel jederzeit mitbringen. Aber Akira-kun? Wie konnte Yuuki nur so ein Idiot sein? „Yuuki-kun.“, rief sein Chef ihn in diesem Moment zum Tresen. Yuuki folgte sofort. „Was gibt es?“, fragte er und trocknete derweil ein paar Gläser ab. Sein Chef nickte in Richtung Akira-kun. „Du arbeitest jetzt schon fast eine viertel Stunde und hast deinem Freund immer noch nichts zu trinken gebracht.“, meinte er. Yuuki winkte ab. „Es waren so viele Kunden da und ich-“ Der Blick des Chefs wurde plötzlich ernst. „Yuuki-kun, du musst eines wissen..“, er drehte den Jungen sanft um und ließ ihn das gesamte Café überblicken. „All diese Menschen, ob freiwillig, ob gezwungen, ob neu, ob Stammkunde. Jedes dieser besonderen Wesen, dass sich hier an einen Tisch setzt, ist mit größtem Respekt und wie das Wundervollste der Welt zu behandeln.“, predigte er. Dann drehte er Yuuki weiter in Richtung Akira-kuns Tisch. „Und sitzt dort nicht auch ein Wesen an einem unserer Tische?“ Skeptisch blickte Yuuki an seiner Seite hoch in die vor Euphorie funkelnden Augen seines Chefs. Dieser mochte zwar wie ein übler Kerl aussehen, doch übertraf nichts seine Hingabe zu diesem Geschäft. Nach der Predigt stiegen diesem weinerlichen Seebären die Tränen der Dramatik in die Augen. „Und so gehe hin, Yuuki-kun, bringe den Zauber des Sonnenscheins über deinen Schulfreund und sorge dafür, dass er immer, immer, immer, immer wiederkommt!“ Am liebsten hätte Yuuki weggesehen, als sein Chef Pirouetten drehend im hinteren Bereich verschwand. Ebenso ungern warf Yuuki wieder den Blick zu Akira-kun. Hatte sein Chef das eben wirklich von ihm verlangt? Nicht ernsthaft, hoffte Yuuki, war sich aber eines Besseren bewusst. Ein Glas Wasser – okay. Die Sorge, ob es Akira-kun wirklich gut ging – weniger okay, aber akzeptabel. Ihm einen Kuchen aufs Haus zu servieren – fast zu nett für so einen Kerl. Ihn in Form eines Rollenspiels so behandeln, wie jeden anderen Gast? - Un-mög-lich! Yuuki schauderte. Das würde er nicht können. „Sonnenschein.“, flüsterte eine tiefe Stimme hinter ihm und erinnerte ihn daran, dass er den Regeln des Cafés bei Einstellung bedingungslos zugestimmt hatte. Außerdem würde sein Chef ihn beobachten. Er konnte Menschen lesen, wie nichts Gutes. Yuuki raffte sich auf. Er ging gerade los, als sein Chef ihm noch zuflüsterte. „Übrigens – vertrau mir – ist dein lieber Mitschüler definitiv eine Nummer Sieben.“ „Wirklich?“ Yuuki wirbelte noch einmal erschrocken herum. „Eine Nummer Sieben?“, fragte er entsetzt. Sein Chef nickte glücklich. „Das sagt mir mein Instinkt und der irrt sich nie. Du wirst ihn also gut behandeln müssen. Wenn er dann kein Stammkunde ist, hast du einen Fehler gemacht.“ Dann schickte der Chef Yuuki aufs Feld. Am liebsten wäre dieser im Erdboden versunken. Seine Hand zitterte, als er ein Glas mit einer Zitrone versah, dazu eine Flasche frischen Wassers mitnahm und das Tablett zu Akira-kuns Tisch trug. Er... Dieser Mensch... Dieses unberechenbare Monster... Sein selbsterklärter Erzfeind... Er war eine Nummer Sieben. Und Yuuki war sein Kellner. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)