kind of another love story von Apricot (just say yes, too?) ================================================================================ Kapitel 3: Rock N Roll ---------------------- When it's you and me We don't need no one to tell us who to be We'll keep turning up the radio Ryder ließ seine Füße kurz über den Boden zappeln. Er war noch nicht groß genug dafür, dass er ganz den Boden erreichen konnte – oder der Stuhl war einfach zu hoch. Ja, das musste es sein. Der Stuhl war zu hoch! Dummerweise war das bei der Heulboje rechts neben ihm nicht der Fall. Aaron Brylers Beine waren aus irgendeinem Grund schon lang genug, dass er den Boden erreichen konnte. Irgendwie eine Unverschämtheit, wenn man bedachte, was für ein Baby er war, so wie der in seine Hände schluchzte. Ryders eigene Hände hatten sich um die Sitzfläche geklammert. Er fühlte sich unwohl, natürlich tat er das. Aarons Vater redete gerade mit der Lehrerin und sagte, dass es ja gar nicht so schlimm war, was Ryder gemacht hatte – und dass es in ihrer Situation einfach noch schwer wäre. Pfft, was sollte das denn heißen?! Dann könnte Ryder ja wohl auch bitte heimgehen! Aber das ging wohl erst, wenn Ryders Vater kommen würde. Und der ließ sich nicht blicken. „Ich kann ihn auch heimbringen, wenn Sie wollen.“ Ryders Kopf schnellte nach oben. „Das wäre wirklich freundlich von Ihnen, Mister Bryler.“ „Nennen Sie mich Jamie.“ Aarons Vater lächelte, aber Ryder merkte, wie seine Kinnlade leicht nach unten sackte. Nööö! Er wollte nicht mit Aaron und seinem Vater heimfahren! Aber Aarons Vater kam jetzt schon, drückte die Schulter von der Heulsuse neben ihm und hob ihn anschließend mit Leichtigkeit in seine Arme hoch. „Na, komm schon…“, sagte er zu Aaron und strich ihm über die Schulter. Ryder verzog sein Gesicht und schaute beschämt weg. Es war immer peinlich, weinende Kinder zu sehen. Vor allem in seinem Alter. „Ryder?“, sagte Aarons Vater da auch schon zu ihm. „Dein Vater ist arbeiten. Wenn du willst, kann ich dich aber noch heim fahren…“ „Das geht schon, Mister.“ Ryder senkte seinen Kopf wieder, während seine Wangen sich rot färbten. Ein bisschen schlecht fühlte er sich ja schon. „Du wohnst in der St. Michael-Avenue, oder, Ryder? Das ist kein Problem, das liegt ja fast auf dem Weg. Komm ruhig mit.“ Ryder drückte seine Lippen aufeinander. Anstatt zu antworten rutschte er von dem Stuhl, stand auf den Beinen und stellte sich mit immer noch gesenktem Kopf neben Aaron und seinen Vater. Der nahm Aaron jetzt nur noch auf einen Arm, wodurch Aaron weiter in Jamies Schulter weinte; Jamie dagegen benutzte seine freie Hand aber um Ryder durch die Haare zu fahren. „Mach dir keine Sorgen, kleiner Racker“, sagte er. „Du hast nichts weiter Schlimmes gesagt.“ „Mhm.“ Ryder schob seine Hände in die Hosentaschen und schaute weiter zum Boden, als auch noch die Lehrerin sich vor ihn beugte. „Du musst manchmal aufpassen, was du sagst, ja, Ryder?“, sagte sie zu ihm. „Mhm.“ Ryder schaute immer noch nicht auf. Sie lächelte, nickte und stand wieder auf. „Dann bis morgen, Aaron und Ryder.“ Ryder nuschelte was von wegen „Bis morgen“, während Aaron nur weiter schluchzte. Gott, hörte das denn nie auf? Zu dritt verließen sie das Klassenzimmer, wobei Ryder selbstverständlich immer noch nicht aufschaute. „Wir müssen noch Aarons Bruder abholen, okay, Ryder?“ „Mhm.“ Ryder guckte kurz hoch, um zu schauen, wo’s lang ging und dann folgte er Jamie auch schon. Zu den Drittklässlern, um genau zu sein – ein Stockwerk über ihnen. Dort wartete schon geduldig ein Junge vor den Spinds und stieß sich gerade davon ab, als er Jamie sah. „Na endlich, Dad.“, sagte er, grinste kurz – hörte dann aber sofort auf zu grinsen, als er merkte, dass Aaron weinte. Ryder schaute kurz auf. Jaaah, er kannte diesen Jungen. Hatte ihn mal in der Pause gesehen, umrandet von einer Traube an Leuten. So ein Beliebter aus den höheren Klassen. „Was hat denn Aary schon wieder?“, fragte er nach. „Ach… er hat sich nur ein bisschen mit Ryder hier angelegt.“ Jamie lächelte und legte seine Hand wieder wie selbstverständlich auf Ryders Kopf, um da nochmal durch zu wuscheln. „Aber jetzt ist alles wieder gut. Nicht wahr, Aaron?“ Er wackelte mit Aaron auf seinem Arm ein bisschen, aber der schluchzte nur weiter, als wäre er nicht eben angesprochen worden. Jamie seufzte. „Was hast du denn gesagt?“, fragte Dan, womit er sich aber an Ryder richtete. Jamie stockte. „Er hat gar nichts – “ „Ich hab nur gesagt, dass seine Mom eine Schlampe ist.“, warf er ein. Er hatte keine Ahnung, was das bedeutete. Aber momentan sagten das alle in der Klasse und wenn die Lehrer das hörten, wurden sie immer böse – alleine deshalb musste man es natürlich öfter sagen, so ganz im Geheimen. Dan starrte Ryder an, der sich dann doch plötzlich unwohl fühlte. Jamie seufzte. „Dan…“ „Das sagt jeder“, erklärte Ryder also. „Das ist gar nicht schlimm. Aaron hat einfach angefangen zu weinen!“ Jetzt schwankte seine Stimme doch wieder in einen vorwurfsvollen Tonfall um. Aber das war ja auch verständlich, oder? Aber bevor er noch mehr darüber nachdenken konnte, war Dan schon zu Ryder gegangen – und bevor der sich überhaupt verteidigen konnte, landete eine Faust in seinem Gesicht. „Dan!“, gab Jamie sofort von sich, aber Ryder ließ sich das natürlich nicht gefallen. Er schlug sofort zurück, Dan machte wieder mit und innerhalb weniger Sekunden kabbelten sie sich. „Dan! Ryder! Hört sofort auf!“ Jamie, der Aaron kurz abgesetzt hatte, zog die zwei Streithähne auseinander. „Das ist doch keine Art, Dan! Du kannst doch nicht einfach Ryder schlagen!“ „Er hat Mom beleidigt!“ Ryder merkte, dass auch Dan kurz vorm weinen war. Was hatten diese Brylers eigentlich?! „Er weiß doch nichts davon, Dan!“ Jamie seufzte, bevor er sich an Ryder wandte: „Und du solltest dieses Wort nicht sagen. Das ist wirklich ein böses Wort, Ryder.“ Pah! Als ob das Ryder jetzt noch kümmerte! Er verschränkte einfach seine Arme vor der Brust, schaute wieder vehement nach unten und ignorierte jetzt alles um ihn herum. Jamie seufzte, bevor er Aaron wieder auf den Arm nahm. Der weinte nämlich immer noch. Gleich danach ging es aber zum Glück auch schon ins Auto, wo Jamie nochmal betonte, dass Ryder und Dan sich nicht nochmal streiten sollten. Ryder und Dan sagten Beide nichts, sondern funkelten sich nur an. Das einzige Mal als Ryder noch was sagte, war, als Jamie nach der genauen Hausnummer fragte. Jamie ließ ihn heraus, führte ihn noch bis zur Tür und klingelte da, wo kurz darauf Ryders Mutter aufmachte. Die fing natürlich sofort an, sich über Ryders blutende Stellen im Gesicht zu beschweren. Ryder ignorierte das, weil er zu beschäftigt damit war, zu dem Jungen im Auto zu schauen. Der Junge, Dan, schaute ihm hinterher und machte mit seiner Hand eine sehr obszöne Geste. Ryder streckte ihm dafür nur noch die Zunge raus. So ein… „Vollidiot!“ Der 9-jährige Ryder lachte, als Dan ihn zum ungefähr achtzehnten Mal mit einem blauen Panzer abwarf. Ernsthaft, hatte der Junge heute einen Lauf an diesem doofen Item?! Das war ja krank! Dan lachte und boxte Ryder gegen die Schulter. „Du bist ein Vollidiot!“, gab er zurück, überholte Ryder dann aber mit Karacho…. Und kam vor Ryder ins Ziel. Boah! „Du bist so doof!“ Ryder lachte. „Alter! Beim nächsten Rennen gewinn ich aber siiicher!“ Bevor sie aber das nächste Rennen spielen konnten, klopfte jemand an die Tür – und wenige Momente später öffnete sie sich und ein Junge schaute rein, ein wenig zögerlich. „Uhm…. Daaan?“ Ryder bemerkte – minimal missgünstig, zugegeben – wie sich Dans Aufmerksamkeit sofort komplett auf seinen kleinen Bruder schob. „Ja, Aaron?“, fragte er sofort nach; „Sind wir zu laut? Haben wir dich geweckt? Das tut uns Leid.“ Ryder warf Dan einen kurzen Seitenblick zu. Nein, das tat ihnen überhaupt nicht Leid! Es war nicht ihre Schuld, dass Dans Zimmer direkt neben Aarons lag und es war erst recht nicht ihre Schuld, dass sie bei Mario Kart ein wenig lauter wurden. Das hier waren Videospiele, man! Da musste man eben ein wenig lauter werden! „Jiah…“ Aaron rieb sich über den Nacken und zog seine Unterlippe zwischen die Zähne, um darauf rum zu kauen. „Also nein… ihr dürft ruhig lauter sein, ich…“ Er warf einen kurzen, vielsagenden Blick auf Ryder. Soso. Er hatte also nicht gedacht, dass Ryder hier war – sonst hätte er sich auch sicher nicht getraut, irgendwas zu sagen, haha! Ryder grinste schief, einfach, weil er über diesen Idioten triumphiert hatte. „Du kannst auch einfach mitspielen“, bot Dan an. „Morgen ist keine Schule und Ryder wollte eh übernachten. Zu dritt macht Mario Kart sowieso mehr Spaß.“ Ah… und schon war Ryders selbstsicheres Grinsen wieder verschwunden. „Wirklich?“, fragte Aaron hoffnungsvoll. Offensichtlich wollte er nicht wieder ins Bett. „Klar“, sagte Dan. „Sicher…“, grummelte Ryder. Wenn es um Aaron ging, konnte er Dan sowieso fast nie was ausschlagen. Also setzte sich die Göre dazu, nahm sich einen dritten Controller – und holla, als ob das noch nicht schlimm genug gewesen wäre, war er auch noch verdammt gut! Wahrscheinlich zockte er das jeden Tag mit seinem Bruder… Schiebung! Unfair! Manipulatioooon!!! Aber trotzdem spielten sie weiter – und nach einer Weile war es auch gar nicht mehr so schlimm, dass gerade Aaron hier war. Er war eigentlich ganz okay, wenn man so mit ihm zockte. Er nahm sogar Beleidigungen auf und warf selber welche, auch, wenn man sich natürlich nach jedem Spiel sagte, dass man es gar nicht so meinte… gehörte sich ja schließlich so. Irgendwann hockte Ryder auf dem Schlafsack vor Dans Bett; er mochte es, wenn er ein bisschen näher am Fernseher saß. Aber erst, als ihm schon fast die Augen vom ganzen spielen zufielen und sie gerade eigentlich dabei waren, die Strecke auszusuchen, passierte wieder was ungewöhnliches. „Guck mal“, sagte Dan leise. Ryder drehte sich um und sah, wie Aaron seinen Kopf auf Dans Schulter gelehnt hatte, die Augen geschlossen… und offensichtlich schlief. „Ha…“ Ryder grinste träge. „Wir sollten ihm ‘n Streich spielen.“ „Hm…“ Dan legte einen Arm um seinen Bruder. Ryder zog seine Augenbrauen hoch, ließ das aber unkommentiert. „Oder wir schlafen einfach“, schlug er vor, „Ich bin auch schon hundemüde.“ Auch wieder wahr. Gähnen stimmte Ryder zu, bevor er auch schon brav aufstand und das Licht ausmachte, bevor er in der Dunkelheit in den Schlafsack schlüpfte. Sie waren ja klug genug gewesen, sich schon davor umzuziehen und die Zähne zu putzen und sowas, sonst hätten sie das jetzt noch tun müssen. „Gute Nacht, Ryder“, sagte Dan noch, gaaanz leise. „G’te Nacht…“, brachte Ryder noch nuschelnd hervor. Da war er wohl doch müder gewesen als gedacht. Erst, als die Sonnenstrahlen am nächsten Tag durch das Zimmer schienen, wurde Ryder wieder aufgeweckt. Es war noch früh am Morgen, das merkte er, aber Ryder stand gerne früh am Morgen auf. Zuerst rieb er sich aber nochmal die Augen, gähnte ausgiebig und setzte sich dann im Schlafsack auf. Immer noch ein müde guckte er, ob Dan noch schlief… und wurde von einem ganz anderen Bild überrascht. Ja, da lag Dan, aber da lag auch Aaron. Sie lagen eng aneinander gekuschelt, aber so, dass Aarons Gesicht zu Ryder gewandt war; hinter ihm lag ganz eng anliegend Dan, einen Arm um die Hüfte seines jüngeren Bruders gelegt, um ihn in eine engere Umarmung zu ziehen. Es war ein durch und durch komisches Bild, das Ryder erstmal ein paar Sekunden anschauen musste, um es anständig zu verarbeiten. Er hatte das Gefühl, hier etwas zu sehen, was er nicht sehen dürfte; und dabei kuschelten die zwei doch nur ein bisschen. Hm… Aber gut: das konnte man ja ausnutzen. Es dauerte nicht lange, bis Ryder ein paar Filzstifte gefunden hatte. Er schlich sich an die Zwei heran und leise, leise, bis er nah genug war, die Kappe vom Filzstift zu entfernen. Und dann, langsam und vorsichtig, damit er niemanden aufwecken würde, begann er die Zwei anzumalen. Oh ja, schon nach ein paar Strichen merkte er, was das hier werden würde. Ein wahres… „… Kunstwerk!“ Der zwölfjährige Ryder blinzelte träge. Die Kunst-Stunde war fast vorbei, sie mussten nicht mal mehr was zeichnen, ihre Lehrerin stellte jetzt nur noch irgendwelche Bilder aus der Klasse vor, die sie ganz besonders toll fand. Dann musste der jeweilige Schüler vorgehen, erklären, wieso er das gezeichnet hatte und dann am besten noch sagen, was ihn inspiriert hatte. Ehrlich, eigentlich war das eher eine Strafe als eine Belohnung. Gerade hielt sie ein Bild hoch, auf dem zwei Bären abgebildet waren – in irgendeinem Wald, mit Elchen im Hintergrund. Ryder war sich nicht ganz sicher, was das darstellen sollte: sie hatten eine Szene von einem ihrer Lieblingsfilme zeichnen sollen. Die meisten hatten nach einer Weile herausgefunden, dass Zeichentrickfilme viel leichter als Filme mit echten Menschen waren – und das, was ihre Lehrerin da zeigte, war wohl auch irgendein ein Zeichentrickfilm, aber wie gesagt, Ryder hatte keine Ahnung welcher. „Aaron?“, sagte Miss Knope, ihre Kunstlehrerin, gerade. „Würdest du bitte vorgehen und der Klasse präsentieren, was du da gezeichnet hast?“ Alle Blicke der Klasse richteten sich auf Aaron. Ein nervöses Stuhlscharren war zu hören, bevor Aaron mit hoch rotem Kopf nach vorne ging und zögerlich das Bild nahm, um es hoch zu halten. „D-der Film von dem Ausschnitt…“ Aaron zögerte. „Also, das hier soll eine Szene aus Bärenbrüder darstellen.“ Er nahm einen tiefen Atemzug. „Ein Zeichentrickfilm. Ist ein bisschen älter. Da geht es um einen Jungen, der sich in einen Bär verwandelt. Und dann kriegt er sowas wie einen Bären-Freund. Einen… Bärenbruder.“ Vereinzelte Lacher waren in der Klasse zu hören, was Aaron wohl ein bisschen ermutigte. „Also, in dem Film geht es darum, dass der große Bär sozusagen den Keinen akzeptieren muss“, erklärte er weiter. „Und am Ende sind sie halt wie Brüder. Aber dann hat der große Bär in seiner Menschenform noch echte Brüder, aber der eine ist gestorben, weshalb er überhaupt zu einem Bär wurde und –“ Jetzt stockte er doch wieder. „Wieso hast du das Bild denn gezeichnet?“, half ihre Kunstlehrerin nach. Aaron warf ihr einen dankbaren Blick zu. „Ich mag die Bedeutung des Films… also, dass Brüder sich ganz nahe stehen. Und dass sie sich gegenseitig beschützen und aneinander wachsen können und sowas wie beste Freunde sind. Immer füreinander da… und immer füreinander wichtig. Und der Film zeigt wie vielschichtige eine Brüderbeziehung sein kann und wie wunderschön es ist, einen Bruder haben zu können und dass man sich einander viel bedeuten sollte und das finde ich auch irgendwie richtig so, und deshalb hab ich den Film auch wirklich gemocht. Sonst sind Geschwister in Filmen immer nichts Besonderes, aber hier ist es ja schon im Titel drinnen und ich finde es unglaublich schön, einen ganzen Film nur auf eine Brüderbeziehung zu konzentrieren, weil das das Wichtigste im Leben ist und das fängt der Film auch echt gut ein und deshalb…“ Wieder stockte er, aber wahrscheinlich, weil ein Großteil der Klasse jetzt ziemlich dämlich schaute. „Deshalb hab ich das Bild gezeichnet.“, schloss Aaron ab, wobei sein Kopf jetzt noch röter war als davor. Bevor er noch was sagte raste er aber schon fast wieder auf seinen Platz, der Stuhl scharrte ein zweites Mal, als Aaron ihn wieder an den Tisch zog und dann schaute Aaron nur noch verlegen auf das Bild, das er vor sich gelegt hatte. „Jedenfalls ist es ein sehr gelungenes Bild…“, sagte ihre Kunstlehrerin schließlich und fuhr dann auch damit fort, das nächste Bild zu nehmen und den nächsten Schüler bloßzustellen. Aber Ryder schaute weiterhin zu Aaron, der nervös über seinen Nacken fuhr. Die Anderen würden das, was Aaron gerade gesagt hatte, sicher wieder vergessen. Aber Ryder wusste, dass er das nie vergessen würde. Und langsam aber sicher begann er sogar, eine Vermutung zu bekommen, die aber so ungeheuerlich war, dass er sie niemals laut aussprechen würde. Übrigens genauso wie eine andere Sache, die er mittlerweile seit einer Weile von sich selbst vermutete, und niemals laut aussprechen würde… „Ich bin schwul.“ Ryder nahm einen tiefen Atemzug und hörte auf, in seinem Zimmer auf und ab zu gehen. Es hatte doch mehr Überwindung gekostet, das tatsächlich auszusprechen, als er ursprünglich erwartet hatte. Aber jetzt war es draußen und jetzt… konnte er nur noch abwarten und dabei zuschauen, wie sein bester Freund darauf reagierte. Dan sagte aber erstmal nichts, sondern schaute Ryder nur sprachlos an. Aber dann kam doch ein: „Bist du sicher? Du bist doch erst dreizehn.“ Ryder fuhr sich mit der Hand nervös über seine Oberschenkel. „Du hattest mit 13 schon Sex“, stellte er nüchtern fest. „Dann werde ich ja wohl wissen dürfen, mit wem ich Sex haben will.“ „Vierzehn.“, korrigierte Dan ihn. „Außerdem habe ich das bereut…“ Ryder zog seine Augenbrauen zusammen. Bereut hatte er es, ja, aber nur, weil das Mädchen sich als Psycho-Tante rausgestellt hatte. Den Sex an sich hatte er ganz sicher nicht bereut – Ryder konnte sich noch viel zu gut daran erinnern, wie Dan ihm davon erzählt hatte, aufgeregt wie ein kleines Kind. Ryder hatte seine Begeisterung nicht so 100%ig teilen können, aber er verstand schon, wieso Dan mit ihm darüber hatte reden wollen. Eine beste Freundin hatte Dan zu dem Zeitpunkt noch nicht und selbst wenn, mit Mädchen redete man über sowas nicht. Und er war eben Dans bester Freund, dem erzählte man alles! Klar, er könnte es auch Aaron erzählen, aber warum Dan solche Dinge lieber für sich behielt… genauso wie ein Großteil der anderen Beziehungen, die Dan vor seinem 14. Lebensjahr gehabt hatte… Ryder verstand schon, wieso das passierte. Und er begann immer mehr daraus zu lesen. Aaaaber darum ging es eigentlich gerade gar nicht. „Dann eben mit 14“, lenkte Ryder ein. „Aber ich sollte trotzdem schon ein Jahr davor wissen können, mit wem ich schlafen wollen würde, oder?“ Dan zuckte ein wenig hilflos mit den Schultern. „Stimmt wohl…“, sagte er. Es folgte wieder eine kleine Pause. „Hast du es deinen Eltern schon gesagt?“ „Nee.“ Ryder verzog sein Gesicht. „Das hat schon gestimmt, dass du der Erste bist, dem ich das sag. Ehrlich…“ Dan schaute nachdenklich zu ihm und langsam aber sicher begann Ryder, sich unwohl zu fühlen. Nein, er hatte jetzt nicht unbedingt mit einer positiven Reaktion gerechnet, aber hatte doch gehofft, dass Dan sich irgendwie für ihn… freuen würde. So schlimm war es doch nicht, dass er schwul war, oder? Dann mochte er eben Kerle. Das war doch nur so, als ob er wie ein Mädchen gepolt war. Das konnte doch Dan – seinen allerallerallerbesten Freund!! – nicht stören, oder? Ryder wollte wirklich nicht, dass ihre Freundschaft wegen sowas Dummen kaputt ging. Vor allem weil Dan ihm natürlich echt wichtig war! … Auch wenn er das niemals laut sagen würde. „Ryder“, sagte Dan dann. „Ich glaube, ich kann mich auch in Kerle verlieben.“ Und schon wieder herrschte Stille vor, aber mehr, weil jetzt Ryder von dieser Neuigkeit geschockt war. „Und Frauen“, schob Dan fast ein wenig hastig an. „Ich glaube ich steh auf Beides.“ „… Geht das überhaupt?“ Ryder lachte ein wenig nervös. „Ja… Das heißt… bisexuell.“ Dan lächelte ihn kurz an. Ryder erwiderte das Lächeln. „Das ist… das ist total toll!“, stellte er fest, bevor er das nächstbeste tat, was ihm einfiel: er umarmte Dan, auch wenn der noch auf Ryders Sofa saß. „Ist es wirklich“, erwiderte Dan und umarmte ihn zurück, wodurch sich ein Grinsen auf Ryders Lippen bildete. „Denk jetzt aber nicht, dass ich dich küsse“, stellte Ryder gleich mal klar als er sich wieder löste. „Alles klar?“ Dan lachte. „Alles klar“, stimmte er zu. „Hast du deinen Eltern schon davon erzählt?“, fragte Ryder dann aber gleich neugierig. „Nee. Du bist auch der Erste, dem ich das sag… Ich bin mir da auch erst seit Kurzem sicher.“ „Du hast noch nicht mal Aaron davon erzählt?“ Jetzt rutschte Dan doch wieder ein wenig nervös auf dem Sofa rum. Ryder fiel das auf, natürlich fiel ihm das auf. Ihm fiel eine Menge auf, was Dan anging – zum Beispiel wusste Ryder auch, dass Dan sicher erst nicht ‚seit Kurzem‘ bisexuell war. Konnte schon sein, dass er es selber nicht besser wusste, aber Ryder wusste es besser. „Nee“, sagte Dan dann schließlich. „Wieso nicht?“ Jetzt setzte Ryder sich doch nochmal neben Dan. „Keine Ahnung“, erwiderte Dan schulterzuckend. „Aber darum geht es doch gar nicht. Es geht doch um dich, Ry-“ „Ich glaube, es würde ihn aber freuen“, unterbrach Ryder Dan. Dan zögerte. „Wieso sollte ihn das freuen? … Ich glaube, er fände mich dann komisch. Und er sieht doch zu mir auf…“ „Es würde ihn freuen, wenn du ihm davon erzählst“, wiederholte Ryder nochmal. „Glaub mir.“ „Hast wohl recht.“ Dan lächelte breit und klopfte Ryder auf die Schulter. „Zum Glück weißt du immer, was besser für mich ist!“ „Nein, Dan.“, sagte Ryder, so ernst wie ihm das nur irgendwie möglich war. „Das ist kein Ratschlag. Ich mein das ernst. Du musst es ihm sagen. Und sag ihm, dass er der Erste ist, dem du das erzählst. Weil du ihm vertraust…“ Jetzt schaute Dan doch ein wenig verwirrt. „Wieso ist dir das so wichtig, Ryder?“ „Das… hat nichts mit mir zu tun.“ Ryder schnaubte. „Manchmal glaub ich dass ihr zu blöd seid um zu verstehen, wie viel ihr euch bedeutet.“ „Du magst Aaron nicht mal. Woher willst du das wissen?“ Dan klang nicht mal sauer, er klang einfach nur… neugierig. „Erzähl’s ihm einfach? Du wirst schon sehen, dass er das nicht schlimm finden wird.“ Ryder lächelte jetzt wieder, weil er da auch gar nicht mehr drüber reden wollte – schließlich wollte er nicht aus Versehen sagen, was er wirklich dachte. Außerdem ging es doch eigentlich eh noch um was Anderes! „Und es ist wirklich unglaublich toll, dass du es okay findest, dass ich schwul bin, Dan“, sagte er deshalb nochmal, mit einer viel glücklicheren Note als eben noch. Woah, er sollte Schauspieler werden. „Es ist auch unglaublich toll, dass du es okay findest, dass ich bisexuell bin“, erwiderte Dan schief grinsend. „Und es ist super, dass du so ein guter Freund bist.“ „Das klang jetzt echt schwul. Sicher, dass du nicht doch ganz schwul bist?“ Ryder lachte und Dan stimmte gleich darauf ein, aber Ryder meinte diese Frage eigentlich ernst. Dan sollte wirklich mal nachdenken, was seine Prioritäten waren… weil, ernsthaft, guter Wille hin oder her, aber zu seinem Glück zwingen konnte Ryder ihn auch nicht. Auch, wenn er ganz offensichtlich alles dafür tat! Aber vielleicht verstand Ryder das alles auch einfach falsch. „Ich verstehe es absolut nicht falsch“, knurrte Ryder. „Es tut mir Leid, dir das sagen zu müssen, aber dein Bruder ist ein Arschloch.“ „Ryder…“ Dan seufzte, legte aber gleich darauf seine Hände auf Ryders Schultern. „Es tut mir wirklich, wirklich Leid…“ „Ach, scheiß drauf!“ Ryders Augen füllten sich wieder mit Tränen. „Vor zwei Jahren hab ich dir gesagt, dass du Aaron sagen sollst, dass du bi bist. Ich hab dir nicht gesagt, dass du ihm sagen sollst, dass ich schwul bin! War dir das irgendwie zu schwer?! Hätte ich dir das aufschreiben sollen?!“ Dan drückte seine Lippen aufeinander. „Ich hab vor Aaron keine Geheimnisse.“, erwiderte er. „Nein! Nein, überhaupt nicht! Außer, dass du ihm jeden einzelnen One-Night-Stand und jeden Typen und jedes Mädchen mit dem rummachst verheimlichst, oder?! Oh, oder hast du Aaron von Justin erzählt?! Wie du ihn fast auf der Tanzfläche gevögelt hättest, ja?! Oder soll ich das für dich machen?!“ Ryder konnte dabei zusehen, wie Dans Zuversicht ein wenig aus seinem Gesicht verschwand. „Das ist was anderes“, murmelte er. „Das bedeutet doch nichts. Außerdem hab ich nur mit ihm rum geknutscht…“ „Ich schwör zu Gott, Dan Bryler, ich bin so froh, dass ich nich‘ so eine Nutte wie du bin. Ich heb mir meine verfickte Jungfräulichkeit wenigstens auf, für jemanden, den ich wirklich liebe – und wenn ich mich mal verlieben werde, dann werde ich mich wenigstens nicht wie ein beschissener Feigling verhalten und ihr nichts davon sagen! Und erst recht vögel ich dann dann niemand anderen, nur weil es leichter ist!“ Das saß. Gut so, Ryder wollte, dass es saß. Ryder wollte, dass es weh tat. Er war noch nie in seinem Leben so wütend auf Dan gewesen – außer vielleicht bei ihrer allerersten Begegnung, als der ihm gleich mal zur Begrüßung eine reingehauen hatte. Wobei das hier wirklich alle Grenzen überkreuzte… Dan lief kreidebleich an. „Was meinst du damit?“, fragte er. Seine Stimme klang leicht zittrig, was fast Mitleid in Ryder geweckt hätte. Fast. „Ach, fick dich doch einfach.“, knurrte Ryder und löste sich von Dan. Er drehte sich weg von ihm und verschränkte seine Arme vor seinem Bauch – und das machte er hauptsächlich, weil er sich selbst davon abhalten wollte, jetzt und sofort in Tränen auszubrechen. Zum Glück konnte ihn so jetzt gerade niemand sehen außer Dan, da sie sich in einem leeren Klassenzimmer befanden… auch wenn außerhalb der Tür Schüler vorbei gingen, weil gerade Pause war. „Es… tut mir Leid, dass Aaron das weiter erzählt hat“, murmelte Dan schließlich. „Ich glaube nicht, dass er es an viele weiter erzählt hat… und auch nicht, dass er es böse gemeint hat…“ Ryder lachte auf; und das klang unheimlich traurig. Das Lachen war tränenerstickt und freudlos. „Und wieso weiß es dann die ganze High School? Obwohl ich erst seit einer Woche hier bin und ungefähr niemanden kenne?“ „Das ist jetzt zwei Jahre her, Ryder.“ Dan legte zögerlich wieder eine Hand auf Ryders Schulter und ging wieder nach vorne, um vor Ryder stehen zu können. Der heulte mittlerweile richtig, weshalb er, bevor Dan ihn sehen konnte, seine Hände von dem Bauch nahm und stattdessen vor sein Gesicht hielt. Er wollte nicht, dass Dan ihn so heulerisch sah. „Sowas verbreitet sich… vielleicht hat Aaron es zwei Personen gesagt, und die haben das dann weitererzählt und..“ Dan schluckte. „Wem hast du es denn noch erzählt?“ „N-nur dir.“ Ryder versuchte ein Schluchzen zu unterdrücken. Klappte aber natürlich nicht – awesome. „U-und eigentlich dachte ich, i-ich kann dir vertrauen…“ Immerhin konnte Dan auch seine beschissene Klappe darüber halten, mit wem er alles rum machte und wie viele Leute er wöchentlich abschleppte! Wieso dann bitte nicht über Ryders Sexualität?! Wieso war das kein Tabu-Thema bei Aaron?! „Es tut mir so… unendlich Leid, Ryder.“ Ryder spürte, wie sich Arme um ihn legten. Er wehrte sich nicht; stattdessen nahm er seine Hände wieder vom Gesicht und umarmte Dan auch, wobei er sein Gesicht in Dans Schulter vergrub. „Das hätte nicht passieren dürfen…“ Hätte es wirklich nicht. „I-ich will nicht der schwule Junge sein“, raunte Ryder leise. „Es gibt n-niemanden bei den Freshmen, der sich sonst geoutet hat… alle… alle werden mich für total tuntig und weibisch halten…“ Dan drückte ihn ein wenig enger an sich. „Du bist aber nicht tuntig und weibisch, Ryder“, versicherte er ihm. „Du bist unglaublich männlich und awesome, okay? Und das werden die anderen auch kennen. Sie werden dich schon nicht auf deine Sexualität beschränken… solange du das nicht selber tust! Du bist mehr als das, Ryder, ja? Deine Sexualität macht dich nicht aus… überhaupt nicht.“ Ryder würde das so gerne glauben. Er würde so gerne glauben können, dass ihn niemand verarschen würde und dass alle es einfach hinnehmen würden, dass er schwul war – aber so oft wie er in der ersten Woche jetzt ‚Schwuchtel‘ gehört hatte, funktionierte das wohl nicht. „Sei einfach selbstbewusst“, redete Dan weiter. „Sei einfach du selbst, Ryder. Dann halten sie schon ihre Klappe. Du bist kein Opfer, Ryder, noch nie gewesen und du wirst auch nie eins sein. Also lass dich nicht als solches behandeln.“ Wahrscheinlich hatte er recht. Irgendwie. Er könnte es ja mal versuchen – er war ja auch wirklich selbstbewusst, er war mehr als seine Sexualität und vielleicht… ganz vielleicht hatte Dan ja recht. Und vielleicht half es ja auch, dass nach einer Woche jeder seinen Namen kannte? Es konnte ja nicht nur schlecht sein! „Und wenn du Hilfe brauchst, bin ich immer da, ja? Du hängst mit einem Junior ab. Das ist ungefähr super cool… und der Glee-Club steht dir auch immer offen. Du liebst es doch, zu singen… Thompson fände es sicher toll, wenn du beitreten würdest.“ Okayyy… Immerhin gab Dan sich Mühe – und das, obwohl Ryder solche Dinge über ihn gesagt hatte. Und… gewisse Dinge angedeutet hatte. Immer noch mit geröteten Augen löste sich Ryder ein bisschen von Dan, wischte sich über die Augen und lächelte seinen besten Freund schon wieder an – so gut das mit den zittrigen Lippen und dem noch halb nassen Gesicht halt ging. „Danke, Dan…“, sagte er leise. „Du bist… es tut mir Leid, was ich gesagt habe. Du bist keine Schlampe.“ Dan lächelte zurück, sah aber irgendwie trotzdem ein bisschen traurig aus. „Schon okay, Ryder…“ „Aber dein Bruder“, lenkte Ryder ein und er spürte, wie Dan sich unter ihm verspannte. Herrgott, wie um alles in der Welt hatte das noch niemand außer Ryder mitbekommen können!? „Dein Bruder ist ein echter Homo.“ „Das…“ Dan lachte leise. „Nein, du hast recht. Ich bin der Bi-Bryler und er ist der Homo-Bryler. Klingt auch gar nicht abwegig, wenn man bedenkt, dass Aaron ungefähr zwanzig Kalender mit nackten Frauen in seinem Zimmer hat.“ „Homo-Bryler“, wiederholte Ryder und lachte selber nochmal leise. Wieder ein erbärmliches Lachen, aber immerhin. „Das gefällt mir.“ So sehr, dass er sich vornahm, Aaron auch nie wieder mit richtigen Namen anzusprechen – und Strafe musste sein. ‚Homo-Bryler‘ kam der Strafe ja auch sehr angemessen, was? „Und denk dir nichts, wenn irgendwelche Footballer dir sagen, dass es schlimm ist, dass du auch was mit Kerlen anfängst.“ Hatten sie mal bei Dan gemacht, Ryder wusste das – aber natürlich hatte das Dans Ruf nicht wirklich geschadet. „Die sind doch eh alle nur homophob, weil sie tief in sich drinnen kleine Tussis sind die am Liebsten von Kerlen wie dir gevögelt werden würden.“ Jetzt lachte Ryder, ein bisschen ehrlicher sogar. Wobei der Gedanke interessant war, dass die ganzen Möchtegern-Heteros gar nicht so hetero waren, wie sie immer taten. Nicht nur interessant, sondern auch irgendwie… anregend? Hm… Aber wie auch immer, jetzt hatte Ryder gerade wirklich andere Probleme. „Wahrscheinlich…“ Ryder lächelte sogar nochmal, um seine Worte zu untermalen. Ja, okay, Dan war irgendwie Schuld, dass seine ganze Schule über seine Sexualität Bescheid wusste. Aber andererseits: Ryder wusste manchmal wirklich nicht, was er ohne Dan tun sollte. „Du gehst weg, oder?“ Dan stockte mitten in der Bewegung. Er war gerade dabei gewesen, die Konsole her zu richten – und Ryder fehlte es einfach langsam an Geduld. Er wusste, wieso Dan diesen ‚Bro-Abend‘ unbedingt machen wollte. „Was?“ Dan zog seine Augenbrauen zusammen, schaltete die Konsole aber nichtsdestotrotz an. „Du willst abhauen.“ Ryder rutschte nervös auf dem Bett hin und her. „Irgendwann nach der Prom. Ich weiß nicht wann genau, aber du haust ab. Deshalb datest du Chuck. Deshalb willst du einen Bro-Abend mit mir. Deshalb… schließt du mit allem ab und willst alle nochmal glücklich machen.“ Er fröstelte bei dem bloßen Gedanken daran. Ryders Misstrauten hatte mit Chucky angefangen – als Dan sie gefragt hatte, ob sie mit ihm zur Prom gehen würde. Das war das erste Date, das Dan hatte, seit die Sache mit Aaron an die Glocke gehängt wurde. Wahrscheinlich würde er eine tolle Woche mit ihr haben, mit ihr zur Prom gehen, sie danach nochmal richtig schön vögeln und das war’s dann. Aber irgendwie schien Dan nicht zu verstehen, dass das einfach nicht klappte. „Ryder…“ Dan lachte. Jedenfalls sollte es wohl ein lachen werden, aber es klang ziemlich freudlos; trotzdem setzte Dan sich normal in Bewegung und hockte sich neben Ryder, bevor er ihm den Controller reichte. Als ob überhaupt nichts wäre. „Das ist doch Schwachsinn. Wieso sollte ich abhauen? Mein Leben war noch nie so geil wie jetzt.“ Ryder starrte ihn ein paar Sekunden lang an. „Lüg mich nicht an“, sagte er dann langsam. „Ich kenne dich. Schon seit Ewigkeiten. Fuck, ich hab das Gefühl ich kenn dich besser als dein beschissener kleiner Bruder und dem erzählst du alles. Ich kenne dich, Dan, ich weiß wann du lügst und ich weiß, was du willst. Und du willst abhauen.“ Dan warf ihm ein Lächeln zu, bevor er das Videospiel startete. „Wenn das darum geht, dass ich aufs College gehen werde… das tut mir Leid, Ryder, aber ich werde nicht weit weg gehen und wir werden uns noch dauernd sehen und – “ „Es geht nicht um’s verfickte College!“ Jetzt langsam reichte Ryder es doch. Er schnappte sich Dans Controller und legte ihn beiseite, bevor er seinen besten Freund anfunkelte. „Du willst abhauen. Hör auf das zu leugnen. Ich weiß nicht, wann du mir das erzählen wolltest oder ob du mir überhaupt davon erzählen wolltest, aber du willst es.“ Dan erwiderte Ryders Blick immer noch. Das selbstbewusste Grinsen blieb auch noch ein paar Sekunden da, aber es sank ein wenig… und schließlich schaute er doch weg von Ryder. „Hör zu, Dan.“ Ryder legte seinen eigenen Controller beiseite und rutschte näher an Dan, um seine Hand auf dessen Schulter zu legen. „Ich will dir nicht sagen, dass das falsch ist. Ich will dich auch nicht aufhalten und dir sagen, dass du es nicht tun solltest oder so’n Scheiß. Aber schau mich an. Schau mich an, Dan.“ Dan schaute langsam wieder auf. „Aaron wird dich vermissen.“, fuhr Ryder fort. „Aaron wird dich unheimlich vermissen. Ich weiß nicht, was du dir einredest und ob du dir selbst sagst, dass ihm Caleb reicht, aber das stimmt nicht. Er wird dich unglaublich vermissen und sich wahrscheinlich erstmal eine Woche im Zimmer einsperren, weil er so beschäftigt mit heulen sein wird.“ Dans linkes Auge zuckte kurz. Er schien was sagen zu wollen, aber Ryder ließ das gar nicht erst zu. „Aber das ist okay, ja? Ich verstehe, wieso du weg willst. Und dass es nicht aus selbstsüchtigen Gründen ist. Wenn du weg bist, hat er sicher weniger Probleme… und er ist sich nicht mehr unsicher und er wird nicht mehr die ganze Zeit daran denken, dass er nur dich will und – er wird nicht mit Caleb Schluss machen.“ Ryder zögerte. „Obwohl er das wahrscheinlich würde, wenn du nicht gehen würdest. Ich weiß, dass er das würde. Du weißt es wahrscheinlich auch, tief in dir drinnen. Und ich finde, dass es für euch am besten wäre, aber… Ich weiß, dass du das nicht so siehst, dass du denkst, das wäre das Beste für ihn und dass du ihn glücklich sehen willst und den ganzen Scheiß… und ich weiß, dass nichts was ich sage dich von etwas Anderem überzeugen könnte.“ Dans Augen wurden feucht, aber er wandte den Blick nicht von Ryder ab. „Das…“ „Ist nicht der einzige Grund, ja.“ Ryder winkte ab. „Das ist lächerlich, ja, aber du denkst wirklich, dass das nicht der einzige Grund ist.“ Dan könnte behaupten, was er wollte – Ryder wusste es sowieso besser. Wahrscheinlich glaubte Dan sogar sich selbst. Dass er einfach weg aus Churningham wollte, dass ihn all diese Probleme mit Chuck nervten, dass seine veröffentlichten Geheimnisse ihn zu sehr belasteten. Aber: Ryder wusste es besser, Ryder kannte die Gefühle, die Dan für Aaron hatte – schon bevor es die Seite veröffentlicht hatte, fuck, wahrscheinlich sogar bevor Dan es selbst akzeptiert hatte! Und er wusste, was Aaron mit ihm machte. Er wusste, dass er ein ganz anderer Mensch in Aarons Nähe wurde und er wusste auch, dass das genug Grund für Dan war, um alles hinter sich zu lassen. Weil ihm dieser kleine Scheißer so verfickt viel bedeutete, mehr, als sich irgendein normaler Mensch wahrscheinlich vorstellen könnte. „Aber was ich dir eigentlich sagen will…“ Und schon wieder zögerte Ryder kurz. „Was ich dir eigentlich sagen willst, ist, dass es okay ist. Es ist okay, wenn du weg willst.“ Dan wischte sich über die Augen. „Das ist doch bescheuert…“ Er drückte seine Lippen aufeinander. „Aber… wirklich?“ „Mehr als okay.“ Ryder lächelte, bevor er seine Arme um seinen besten Freund legte. Dan erwiderte die Umarmung sofort – so gut das eben ging, wenn man nebeneinander saß. „Ich verstehe, warum du das tun willst, Dan. Ich sage nicht, dass es richtig ist, aber ich verstehe es und ich will nicht, dass du dich schlecht fühlst. Und, Dan…“ Ryder nahm einen tiefen Atemzug. „Ich weiß, das ist viel verlangt, aber ich will dich nich‘ verlieren. Ehrlich nich‘. Vielleicht denkst du ich brauch dich nich‘ mehr, aber das is‘ Bullshit.“ Und jetzt löste Ryder sich doch wieder ein wenig, damit er Ryder richtig anschauen konnte. Damit der auch zurück schaute, legte er seine beiden Hände an Dans Wangen und drehte seinen Kopf zu sich, damit der gar nicht erst auf den Gedanken kam, weg zu schauen. „Versprich mir, dass du mit mir schreibst. Mich anrufst.“ Ryder runzelte seine Stirn. „Versprich’s mir, okay?“ Dan entfuhr ein kurzer, zittriger Atemzug, der gegen Ryders Lippen schlug. „Der Sinn vom wegrennen ist irgendwie, mit niemanden mehr Kontakt zu haben… oder?“ Ryder grinste schief. „Dann mach ‘ne Ausnahme für mich.“ Er zögerte einen Moment lang. „Ich hab auch was für dich, dann, ja? Als Gegenleistung, sozusagen.“ Dan schnaubte kurz. „Ryder… ich glaub, du verstehst das nicht…“ „Ich kümmere mich um Aaron.“ Jetzt lächelte Ryder sogar richtig, weil das sein bester Trumpf war, den er spielten konnte. „Ich pass auf ihn auf. Kümmer‘ mich darum, dass mit ihm alles glatt läuft. Wenn er Probleme mit Caleb oder sowas bekommt… und ich kümmer‘ mich um ihn im Glee Club. Und wenn irgendwer ihm blöd kommt, zahl ich’s ihm heim.“ Aaaber das war noch lange nicht alles. Ryder hatte sozusagen einen Trumpf im Trumpf, ha. „Und ich erzähle dir davon. Ich erzähle dir alles, was Aaron macht, damit du dir keine Sorgen machen musst. Und du kannst mir alles sagen, was ich ihm sagen soll und – und ich glaub, dass du das willst, oder?“ Und jetzt ließ er Dan doch los. Der zögerte auch gar nicht lange und zog ihn wieder in eine richtige Umarmung, so, dass er ihn auch nicht mehr ansehen musste. „Alter…“, murmelte Dan. Er drückte Ryder ein bisschen enger, „Ich hatte nie vor... dich zu verstoßen. Du… ich wollte sogar fragen, ob du mir wegen Aary Bescheid sagst…“ Fuck, Ryder war gut! „Dann ist das ja jetzt geklärt, oder?“ Er grinste nochmal. Dan löste sich wieder und lachte leicht. „Alles geklärt“, stimmte er zu. „Danke, Ryder. Danke… dass du das verstehst… und danke, dass du das weißt, bevor ich es mir wirklich überlegt hab…“ „Immer, man. Für dich immer.“ Ryder grinste. „Beste Freunde für immer, richtig, man?“ „Beste Freunde für immer. Klar.“ Dan lachte wieder leise. Und damit war alles gesagt, was Ryder hören wollte. What if you and I Just put up a middle finger to the sky? 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