Matchball von Schangia (One Shot Sammlung) ================================================================================ Kapitel 6: The King's Knight (Kindaichi/Kageyama) ------------------------------------------------- Damals hatte Kindaichi sie für unbesiegbar gehalten. Er, Kunimi und Kageyama, die vielversprechendsten Erstklässler, die dem Volleyballclub von Kitagawa Dai'ichi beigetreten waren und nun von ihren Senpai trainiert wurden, damit sie vielleicht eines Tages genauso gut sein würden. Kindaichi, Kunimi und Kageyama – drei Krieger gegen den Rest der Welt. Von Anfang an waren sie gut miteinander zurechtgekommen, übten während des offiziellen Trainings miteinander, blieben abends zusammen länger und trafen sich am Wochenende, um Aufschläge und Angaben zu verbessern. Kindaichi gefiel der Gedanke, dass sie wie Brüder werden konnten, die gemeinsam auf dem Schlachtfeld standen und ihrem Königreich Ruhm und Ehre brachten. Kitagawa Daiichi – ihr Königreich – änderte sich an dem Tag für immer, als Oikawa und die anderen Senpai ihren Abschluss feierten und ihnen danach die Führung überließen. Vielleicht war es zu viel Verantwortung auf einmal gewesen, die man ihrer Generation auferlegt hatte, oder vielleicht waren sie auch einfach nie gut genug gewesen für das, was man von ihnen erwartet hatte. Nur Kageyama schien der Aufgabe gewachsen, gesegnet mit diesem unglaublichen Talent, an das niemand von ihnen je heranreichen würde. Kageyama war einfach zu gut, um nur ein Ritter zu sein; er war dazu bestimmt, ihr König zu werden. Damals, in ihrem zweiten Jahr, hatte Kindaichi sie noch für unbesiegbar gehalten. Zuerst flüsterten sie alle es nur, hinter geöffneten Spindtüren und immer erst nach dem Training, doch bald schon prahlten die meisten Teammitglieder vor ihren Freunden damit, dass Kageyama ein noch besserer Setter war als Oikawa, der sie von nun an zu noch mehr Siegen führen würde. Das Volk, die Soldaten von Kitagawa Daiichi hatten gesprochen, hatten ihren König gewählt und waren bereit, jedem seiner Befehle Folge zu leisten, solange er sie siegreich aus ihren Schlachten würde führen können. Kindaichi gefiel die Vorstellung von Kageyama als König. Er hatte schon immer etwas Nobles an sich gehabt, das hatte er Kunimi bereits in der ersten Woche nach ihrem Kennenlernen gesagt, auch wenn sein Freund ihn darauf nur skeptisch gemustert hatte. Kunimi hatte niemals groß geträumt, deswegen war er zufrieden mit einem Dasein als Fußsoldat. Doch Kindaichi wollte ein Ritter werden, wollte der einzige Ritter sein, den ihr König an seiner Seite verweilen ließ. Er wollte gut genug werden, um mit Kageyama auf der gleichen Stufe stehen zu können. Manchmal ist Wille allein jedoch nicht genug. Das lernte Kindaichi in ihrem dritten und letzten Jahr, kurz nachdem ihm klar geworden war, dass ihr Dreiergespann eben doch nicht unbesiegbar war. Vermutlich trugen sie alle ihre Schuld an dem, was zwischen ihnen vorgefallen war, doch zu diesem Zeitpunkt hatten sie alles auf Kageyama projeziert. Kageyama, der kaltherzige, grausame König ihres Volkes, der immer nur nach vorne sah und wohl der erste von ihnen war der verstand, dass der Platz an der Spitze immer einsam war. Irgendwann in ihrem dritten Jahr hatte Kindaichi sein Schwert niedergelegt und war von der Seite seines Königs getreten. Weil er wie sie alle der Meinung war, dass Kageyamas Führungsstil sie in den sicheren Tod schicken würde. Und weil er nicht glaubte es verdient zu haben, sich Kageyamas Ritter zu nennen. Einst hatte Kindaichi gedacht, dass Kageyama vielleicht nur mit Hinata an seiner Seite unbesiegbar war. Das war in Aoba Jousais erstem Match gegen Karasuno, als er und sein König das erste Mal seit langem wieder aufeinandergetroffen waren. Es gab keinen Gruß zwischen ihnen, kein gutes Wort, denn das gab es nur für Herrscher und Vasall, die guter Dinger auseinandergegangen waren. Kindaichi wusste genau, dass er gar nicht das Recht hatte, sich über den neuen Ritter an Kageyamas Seite zu beschweren, weil er selbst es gewesen war, der ihn anderen verraten hatte. Er selbst hatte entschieden, seinem König den Rücken zu kehren, nachdem er ihm vorher sein Schwert durchs Herz gejagt hatte. Kindaichi hatte kein Recht der Welt, eifersüchtig auf Hinata zu sein. Aber das unwillkommene Gefühl brannte heiß in ihm, ließ ihn erneut zu seinem Schwert greifen und in den Kampf ziehen – nur diesmal diente er wieder Oikawa, der Mitleid mit ihm hatte, nachdem ihm sein Platz an Kageyamas Seite so dreist gestohlen worden war. Oikawa war aber auch derjenige, der ihm weismachen wollte, Kageyama hätte ihn stets für seinen unfähigsten Ritter gehalten. Kindaichi wusste, dass das nicht stimmte, oder zumindest hoffte er das zu wissen. Kindaichi würde ihm beweisen, wie sehr er als Ritter gewachsen war. Selbst wenn das bedeutete, dass er Kageyama dafür einmal mehr sein Schwert ins Herz rammen musste. Heute wusste Kindaichi, dass niemand wirklich unbesiegbar war. Das hatte er auch schon vor ihrer heutigen Niederlage gegen Karasuno gewusst, doch dieser Moment hatte sich so sehr in sein Gedächtnis gebrannt, dass er jäh daran erinnert wurde. Wenn er ehrlich war, war er nicht traurig wegen ihrer Niederlage. Kageyama hatte triumphiert, hatte seine Soldaten zum Sieg geführt, wie der großartige König, der er war. Allein dieses Wissen machte ihre Niederlage erträglicher. Eigentlich war Kindaichi niemals einer von Aoba Jousais Rittern gewesen. Er war auch niemals einer der Ritter von Kitagawaw Daiichi gewesen, sondern immer nur der einsame Ritter, der nichts sehnlicher wollte, als an Kageyamas Seite zu kämpfen. Und anstatt genau das zu tun hatte er ihn verraten, von sich gestoßen und ihn verspottet. Kindaichi wusste, dass er Kageyama nicht verdient hatte, aber das hielt ihn nicht davon ab, es zu versuchen. Nachdem beide Teams die Halle verlassen hatten und auf dem Weg zurück zu ihren jeweiligen Schulen waren, machte Kindaichi sich auf den Weg, Kageyama abzufangen. Er rannte ohne Pause, und als er schließlich zu Karasuno aufgeschlossen hatte, war er völlig außer Atem. Ihm waren die skeptischen Blicke der anderen Teammitglieder egal; für ihn zählte nur, dass er Kageyama endlich sagen konnte, was ihm seit über drei Jahren auf der Zunge lag. Widerwillig liefen die Mitglieder von Karasuno weiter, ließen die beiden allein zurück. Kindaichi wusste nicht, womit er beginnen sollte, sobald er wieder genug Luft zum Sprechen bekam, doch Kageyama nahm ihm die Entscheidung ab. Er musterte ihn mit einem Blick, den er seit über einem Jahr nicht mehr in seinem Gesicht gesehen hatte. Es fühlte sich an wie früher; damals, als noch alles in Ordnung gewesen war, bevor er ihn verraten hatte. Als Kindaichi sich entschlossen hatte, ihm endlich gegenüberzutreten, war er davon ausgegangen, dass er selbst reden und Kageyama zuhören wurde. Damit, dass Kageyama jedoch ebenfalls Dinge mit sich schleppte, die ihm seit langer Zeit auf dem Herzen lagen, hatte er nicht gerechnet. »Ihr habt mich zurückgelassen«, sagte er mit fester Stimme, von der Kindaichi wusste, dass sie lediglich über seine wahren Gefühle hinwegtäuschen sollte. »Du hast mich zurückgelassen.« Seine Stimme war leiser geworden, anklagender, so als könnte er den Schmerz der Schwertwunde immer noch spüren. Kindaichis Atmung hatte sich zwar mittlerweile normalisiert, doch er war aus einem anderen Grund nicht in der Lage zu sprechen. »Warum sollte ich dir eine zweite Chance geben?« Selbst von Schmerzen geplagt hatte Kageyama immer noch die noble Ausstrahlung, die ihn bereits damals so in ihren Bann gezogen hatte. Nachdem er einmal tief durchgeatmet hatte, richtete Kindaichi sich so gerade auf wie möglich und überwand den Abstand zwischen ihnen, bis er nur den Arm etwas heben musste, um Kageyamas Hand in seiner halten zu können. Er gab ihm einige Augenblicke, um seine Hand zurückzuziehen. Kageyama hingegen festigte den Griff um seine Hand und sah ihm so furchtlos wie möglich in die Augen. Für einen Moment war Kindaichi zu überrumpelt, um etwas zu sagen. Dann lächelte er ihn warm an. »Weil du mein König bist.« Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)