Matchball von Schangia (One Shot Sammlung) ================================================================================ Kapitel 2: Choking (Ushijima/Oikawa) ------------------------------------ Die Luft in Ushijimas Zimmer war stickig, fühlte sich an, als würde sie in den Lungenflügeln kleben bleiben und lebenswichtige Körperfunktionen einschränken. Jeder Atemzug kostete Überwindung, war schwerfälliger als der vorherige und stellte sich als einer der Kraftakte heraus, die man nur bewältigen konnte, wenn man Sportler war. Dennoch atmete Oikawa tief ein – nahm hinter all der inhaltslosen, warmen Luft noch schwach einen ihm vertrauten Geruch wahr – und schloss kurz die Augen, weil ihm blitzende Sterne die Sicht erschwerten. Sobald das unangenehme Schwindelgefühl abgeklungen war, öffnete er die Augen wieder und ließ seinen Blick schweifen. Ushijimas Zimmer war spärlich eingerichtet, aber alles andere hätte ihn auch überrascht. Die Möbel waren einfarbig, entweder schwarz oder weiß gehalten, und selbst nach all den Malen, die er bereits hier gewesen war, konnte er die Anzahl der ansatzweise persönlichen Gegenstände an einer Hand abzählen. Momentan war das Fenster geschlossen, vermutlich um die heiße Sommerluft fernzuhalten, doch Oikawa war sich sicher, dass es bei ihnen schwüler war, als draußen. Durch die Jalousienschlitze fiel Sonnenlicht in schmalen Strahlen auf den Zimmerboden und eine Wand, tauchte die einfarbige Einrichtung in ein kräftiges Orange. Obwohl er gelegentlich auf die Uhr auf Ushijimas Schreibtisch blickte, hatte er jegliches Zeitgefühl verloren. Auch seine Sinne gehorchten ihm nicht so gut wie sonst, was zum einen daran liegen konnte, dass er in den letzten Stunden zu wenig getrunken hatte, aber zum anderen auch daran, dass die Hand in seinem Nacken, die unbestimmte Muster auf seine verschwitzte Haut zeichnete, beinahe seine volle Aufmerksam in Anspruch nahm. »Hast du dir je gedacht, dass wir einfach hiermit aufhören sollten?«, fragte Oikawa irgendwann in die drückende Stille hinein, nicht überrascht, wie heiser und brüchig seine Stimme klang. Sie hatten beide in den letzten Stunden nicht geredet, wenn überhaupt gestöhnt und atemlos geflüstert. Er hatte diese Frage schon oft gestellt, besonders in Momenten wie diesen, in denen sie zusammen im Bett lagen, sein Kopf auf Ushijimas Brust gebettet (weil ihn sein Herzschlag beruhigte, aber das würde er niemals zugeben), die langen Finger des anderen in seinen braunen Haaren vergraben. Ushijimas Antwort fiel immer gleich aus; er zog träge an den weichen Strähnen, ehe er ihm mit kreisenden Bewegungen die Kopfhaut massierte. Mit Worten antwortete er ihm nie, weil er anders als Oikawa nicht wusste, wie man richtig mit ihnen umging. Aber dass er niemals eine zufriedenstellende Antwort bekam, war nichts, das Oikawa wirklich verstimmte, denn er wusste selbst nicht einmal genau, was er mit ›hiermit‹ überhaupt meinte. Es hielt ihn allerdings nicht davon ab, diese Frage zu stellen, immer und immer wieder. Für gewöhnlich war es fast schon lächerlich einfach für Oikawa, andere Menschen zu verstehen. Mit nur einem geübten Blick herauszufinden, was sie dachten oder wie sie sich fühlten, herauszufiltern, wo ihre Stärken und Schwächen lagen, ob nun auf dem Spielfeld oder im alltäglichen Leben. Oikawas hervorragende Menschenkenntnis hatte dazu geführt, dass er sich in so gut wie jeder Situation sicher fühlte, weil er insgeheim wusste, dass die Kontrolle in seiner Hand lag. Bei Ushijima gab es dieses eigene Gefühl von Sicherheit nicht, denn er war der einzige Mensch, dessen Handlungen er noch nie hatte nachvollziehen können. Er hatte es versucht, seit sie das erste Mal aufeinandergetroffen waren, und war stets gescheitert. Wenn er mit Ushijima zusammen war, musste er sich auf das fremde Gefühl von Geborgenheit verlassen, das er nur bei ihm spürte, aber das ihm gleichzeitig so unbekannt war, dass er nicht wusste, ob er ihm trauen konnte oder nicht. Oikawa war ein misstrauischer Mensch, wenn es um neue, ihm unbekannte Dinge ging, also genoss er seine Beziehung – oder was auch immer da zwischen ihm und Ushijima war – mit Vorsicht und Distanz. Zumindest war das sein Plan gewesen, ehe er haltlos gefallen war und nun nicht mehr wusste, wie er ohne die Berührungen des anderen überhaupt funktionieren sollte. Es machte ihm Angst; von der Existenz eines anderen Menschen abhängig zu sein, war etwas, das er nie gewollt hatte. Nicht zu wissen, wie wichtig die eigene Existenz für diesen Menschen war, fühlte sich jedoch an, als würde man ihm die Luft zum Atmen rauben. Als würden sich lange, starke Finger nicht in braunem Haar verfangen, sondern um einen schlanken Hals legen und so fest zudrücken, dass man nur die Augen schließen und aufgeben konnte. Vielleicht wäre alles anderes gelaufen, wenn Oikawa damals in seinem letzten Jahr in Kitagawa Daiichi nicht nach ihrem Match auf Ushijima getroffen wäre. Obwohl er den Best Setter Award gewonnen hatte und unglaublich stolz darauf war, fühlte er sich dennoch nicht so, als würde er die Turnierhalle als Sieger verlassen. Die Niederlage gegen Ushijimas Team saß zu tief, schmerzte zu sehr, als dass ihn die Auszeichnung hätte trösten können. Als er seinem neu gefundenen Rivalen im Gang begegnete, fühlte sein Körper sich mit einem Mal furchtbar schwer an. Wie gebannt starrte er Ushijima an, all seine Muskeln gespannt und die Augen vor Schreck aufgerissen. Er wollte schreien, toben, weinen und ihm am liebsten die eingerahmte Auszeichnung in seiner Hand entgegenwerfen, die nur noch nicht aus seiner Hand geglitten war, weil sein Körper dafür zu angespannt war. Letzten Endes tat Oikawa nichts von alledem, wusste nicht einmal, auf welche Weise er Ushijima überhaupt ansah. Sein erster Impuls, als Ushijima zögernd auf ihn zukam, war, die Flucht zu ergreifen. Doch er bewegte sich keinen Zentimeter, sondern sah ihn einfach nur an. Scheinbar ratlos blieb Ushijima mit etwa einer Armlänge Entfernung vor Oikawa stehen, hielt seinen Blick und hob irgendwann die Hand. Für einen wahnwitzigen Moment dachte Oikawa sogar, er würde ihn schlagen, obwohl die bloße Annahme vollkommen haltlos war. Dennoch zuckte er erschrocken zusammen, als er eine große Hand auf seinem Kopf spürte, die unsicher durch seine Haare strich. »Gutes Spiel«, murmelte Ushijima kaum hörbar, und wenn Oikawa auf etwas anderes hätte achten können, als auf sein laut pochendes Herz, hätte er bemerkt, dass seine Wangen sich rot gefärbt hatten. Doch er hatte ihren Blickkontakt längst unterbrochen, fixierte den Boden zwischen Ushijimas Füßen und überlegte beinahe panisch, wie er darauf antworten sollte. »Nächstes Mal besiegen wir euch«, kündigte er mit viel zu lauter Stimme an, nachdem der andere schon wieder weitergegangen war. Seine Stimme klang fremd, als sie an den hohen Wänden abprallte, und wie erwartet erhielt er darauf keine Antwort. Zwischen all den Fragen und dem Chaos in seinem Kopf war der einzig klare Gedanke, wie warm sich Ushijimas Hand auf seinen Haaren angefühlt hatte. Danach waren sie sich immer wieder über den Weg gelaufen. Es waren nach außen hin zufällig scheinende Begegnungen gewesen, doch vielleicht hatte Oikawa sie provoziert, indem er sich absichtlich an Orten aufgehalten hatte, von denen er wusste, dass Ushijima sie häufig besuchte. Ihre zweite offizielle Begegnung als Kapitäne ihrer jeweiligen Teams war jedoch beim Inter High Vorentscheid gewesen. Nach ihrer Niederlage war Oikawa noch eine Weile allein in ihrer Umkleide geblieben, hatte gewartet, bis die Tränen soweit versiegt waren, dass er unaufmerksamere Menschen mit einem Lächeln täuschen konnte. Als er den Raum verließ und nach Hause gehen wollte, lehnte Ushijima an der gegenüberliegenden Wand, so als hätte er geduldig auf ihn gewartet. Doch Oikawa wollte ihn jetzt nicht sehen, nicht so kurz nach seiner Niederlage. Er rührte sich nicht, sah den anderen nur ausdruckslos an. Auch Ushijima sagte nichts; natürlich nicht. Das Schweigen, das zwischen ihnen herrschte, war anders als sonst und bereitete Oikawa Unbehagen. Die feinen Härchen in seinem Nacken stellten sich auf, und bevor er sich davon abhalten konnte, fing er an zu lachen. Es war ein gehässiges, mitleidiges Lachen, von dem er unter normalen Umständen nie gedacht hätte, dass er dazu fähig war. »Bist du gekommen, um mich auszulachen, Ushiwaka-chan?« Die Frage war unfair, das wusste er. Ushijima würde weder ihn noch irgendeinen anderen Gegner jemals für eine Niederlage auslachen, aber in diesem Moment wollte Oikawa nicht fair sein. Vielleicht wollte er, dass der andere sich genauso schlecht fühlte, wie er selbst, aber nicht einmal das konnte er mit Gewissheit sagen. Ushijima hingegen kniff die Augenbrauen zusammen und musterte ihn mit festem Blick, obwohl Oikawa ihm ansah, dass er mit der Situation fast schon überfordert war. »Ich habe dir gesagt, du sollst mich nicht so nennen.« Darauf lachte Oikawa wieder, verzweifelter diesmal. Es schüttelte seinen Körper so sehr, dass er sich auf seinen Knien abstützen musste. Einige Augenblicke später blickte er auf und warf seinem Gegenüber einen undefinierbaren Blick zu. »Seit wann interessiert uns denn, was der andere will?« Oikawa bereute seine Worte, sowie er sah, wie sich Ushijimas Augen erstaunt weiteten. Mit einem Mal wollte er nur noch weg, doch der andere stieß sich kraftvoll von der Wand ab und war mit wenigen langen Schritten bei ihm. Vielleicht hatte er bemerkt, dass Oikawas Augen immer noch rot waren und dass seinem Blick die übliche Sicherheit fehlte. Vielleicht wollte er ihn auch einfach nur zum Schweigen bringen. Was auch immer seine Gründe waren, sie wurden bedeutungslos, als er Oikawa an sich zog und fest umschlossen hielt. Zuerst wollte Oikawa sich aus seinem Griff befreien, doch als er merkte, dass in seinen Augen wieder Tränen brannten, vergrub er mit einem frustrierten Laut den Kopf in Ushijimas Brust. Er atmete tief ein, schloss die Augen und konzentrierte sich nicht auf sich, sondern auf die Arme um seinen Oberkörper, die sichere Wärme und den vertrauten Geruch. Er wusste nicht, wie lange sie dort gestanden hatten, doch irgendwann konnte er die Worte nicht mehr zurückhalten. »Hast du dir je gedacht, dass wir einfach hiermit aufhören sollten?« Oikawa hatte nicht die Kraft, seine Stimme zu heben, sondern murmelte seine Frage nur leise in Ushijimas Jacke. Er war sich nicht einmal sicher, ob er sie überhaupt ausgesprochen oder nur gedacht hatte, geschweige denn, ob Ushijima sie gehört hatte. Mit Sicherheit konnte er nur sagen, dass er wieder keine Antwort erhielt. Als Ushijima ihn nach seiner Niederlage gegen Karasuno im Gang traf, konnte er keine getrockneten Tränen auf Oikawas Gesicht erkennen. Das Einzige, das er hinter dem aufgesetzten Lächeln des anderen sehen konnte, waren Reue, Trauer und das Wissen, sein Ziel nicht erreicht zu haben. Ushijima wusste nicht einmal, wie er mit seinen eigenen Gefühlen umgehen sollte, also konnte er mit einem emotionalen Menschen wie Oikawa generell schlecht umgehen. Noch viel schlechter, wenn er ihn eigentlich trösten sollte und nicht wusste, wie das ging. Sie standen sich eine Weile gegenüber und sahen einander nicht in die Augen, berührten sich nicht, weil sie nicht alleine waren und ihre Beziehung nicht klar genug abgesteckt war, als dass einer von beiden dem anderen hätte näher kommen können. »Ich wollte endlich gegen dich gewinnen.« Oikawas Stimme klang leer, obwohl sie voll war von nicht eingehaltenen Versprechen. Seine Brust zog sich zusammen, als Ushijima klar wurde, dass er ihm nicht helfen konnte. »Beim nächsten Mal«, brachte er zwischen gepressten Lippen hervor, und Oikawa fragte sich, warum die einzigen Worte, die der andere in solchen Momenten herausbekam, immer Lügen waren. Oikawa hielt seinen Blick immer noch gesenkt, wartete verzweifelt darauf, dass die Menschen um sie herum verschwanden, auch wenn es sich so anfühlte, als würden es nur immer mehr werden. »Hast du dir je gedacht, dass wir einfach hiermit aufhören sollten?«, fragte er trotzdem irgendwann laut, damit Ushijima ihn auch über den Lärm hinweg hören konnte. Als er auch nach fast einer halben Minute keine Antwort erhielt, sah er auf und stellte bitter lächelnd fest, dass Ushijima nicht mehr da war. Oikawa hatte gewusst, dass es nur zwei Antworten auf seine Frage gab. Entweder, Ushijima schwieg eisern, sodass er irgendwann das Thema wechselte und alles wie zuvor blieb. Das war der übliche Ablauf; das, womit Oikawa rechnete. Doch es gab auch eine andere Möglichkeit, nämlich dass Ushijima ihm endlich eine eindeutige Antwort präsentierte und danach für immer aus seinem Leben verschwand. Es war ungewöhnlich, dass sie bei Oikawa Zuhause waren, aber nachdem sie sich zufällig über den Weg gelaufen waren – zumindest so zufällig, wie Oikawa es hatte aussehen lassen wollen –, war es zu ihm einfach näher gewesen. Die Sonne ging gerade unter, spendete aber immer noch genug Wärme, um die Luft in seinem Zimmer auf ihren nackten Oberkörper heiß und stickig zu machen. Oikawa zog Ushijima mit sich aufs Bett, schlang die Arme um seinen Nacken und küsste ihnen die Lippen wund. Er hatte gelernt, den Sommer zu hassen, denn er nahm ihm genauso den Atem wie Ushijima. Als es sich wieder so anfühlte, als würden lange Finger sich um seinen Hals legen, schob Oikawa den anderen von sich und schnappte nach Atem. Einige Augenblicke starrten sie sich nur an, mit einer Mischung aus Verlangen und Unverbindlichkeit, die Oikawa fast die Galle hoch trieb. Seine nächsten Worte waren ein zittriges Flüstern, das zu lange in der trägen Luft stand. »Hast du dir je gedacht, dass wir einfach hiermit aufhören sollten?« Es war keine Frage mehr, sondern eine Entscheidung, vor die Oikawa ihn stellte, und noch während die Worte seine Lippen verließen wusste er, dass alles zwischen ihnen zu einem Ende gekommen war. Ushijimas Augen weiteten sich, und Oikawa konnte sich nur vorstellen, wie in die Enge getrieben er sich fühlen musste. Für einen kurzen Moment schien es so, als wolle er einfach weitermachen, so als hätte er ihn nicht gehört. Doch dann atmete Ushijima einmal tief durch, stand auf und griff nach seinem Shirt, das er noch vor wenigen Minuten achtlos auf den Boden hatte fallen lassen. Er zog sich an, ohne ein weiteres Wort zu sagen oder ihn noch einmal anzusehen und verschwand dann. Erst, als die Tür ins Schloss fiel, realisierte Oikawa, was geschehen war. Er versuchte, wieder Atem zu schöpfen, konnte aber sein Lachen nicht unterdrückten. Oikawa lachte, laut und unkontrolliert und mit Tränen in den Augen, bis es ihm die Kehle zuschnürte. Aber Oikawa wollte nicht, dass es endete. Aufgeben lag nicht in seiner Natur, schon gar nicht, wenn er so viel Zeit, Energie und Gefühle in eine Sache investiert hatte. Also machte er sich am nächsten Abend auf den Weg, um Ushijima direkt nach seinem Training abzufangen, obwohl sein Atem flacher wurde, je näher er Shiratorizawa kam. Er wartete fast eine halbe Stunde am Eingangstor der Schule darauf, dass der Volleyballclub sein Training beendete, und nutze diese Zeit, um sich ein wenig zu beruhigen. Doch sobald er Ushijima und die anderen ausmachen konnte, wie sie sorglos über den leeren Hof auf ihn zukamen, war der Kloß im Hals wieder da, wollte sein Körper wieder die Flucht ergreifen. Er zwang sich mit aller Kraft, stattdessen noch ein paar Schritte auf die kleine Gruppe zuzugehen. »Wakatoshi!«, rief Oikawa und hoffte, dass die Lautstärke seine Unsicherheit überspielen konnte. Es war das erste Mal, dass er den anderen nur beim Vornamen rief, aber es fühlte sich richtig an. Er ließ sich nicht durch die Anwesenheit der anderen Spieler einschüchtern, sondern reckte sein Kinn ein wenig in die Höhe und sah Ushijima versucht furchtlos an. »Was macht denn Oikawa hier?« Goshiki verzog das Gesicht und schnalzte mit der Zunge, während Tendou Ushijima einen Arm um die Schulter legte und ihm einen vielsagenden Blick zuwarf. »Uuh, ist er extra wegen dir hierher gekommen, Wakatoshi-kun~?« Ushijima ignorierte den neckenden Unterton, schob Tendous Arm beiseite und beschleunigte seinen Schritt. Etwa zwei Meter von Oikawa entfernt blieb er stehen und sah ihn eine Weile ratlos an. »Was willst du hier?«, fragte er irgendwann leise, ohne dabei anklagend oder überrascht zu klingen. Oikawa hätte ihn am liebsten angeschrien und geschüttelt, um ihm eine emotionalere Reaktion zu entlocken, doch dafür hätte er die Distanz zwischen ihnen verringern müssen, und dazu war er momentan nicht in der Lage. Stattdessen ballte er die Hände zu Fäusten und funkelte ihn wütend an. »Sag mir, was wir hier eigentlich machen! Ist das für dich nur ein Zeitvertreib, oder ist es in Ordnung, wenn ich ernsthafte Gefühle in diese Beziehung investiere?«, verlangte er mit fester Stimme und blendete alles um sie herum aus. Ushijima schaute ihn fast schon erschrocken an, und für den Bruchteil einer Sekunde hatte Oikawa Schuldgefühle, weil er ihn einer Situation aussetzte, mit der er vermutlich nicht umzugehen wusste. Dann dachte er an den letzten Abend, dachte daran, wie er so lange gelacht hatte, bis er nicht mehr hatte atmen können, und schon waren die Schuldgefühle vergessen. »Ich kann das nicht mehr. Was auch immer es ist.« Fast schon hilflos mit den Händen gestikulierend, suchte Oikawa nach Worten, um ihm verständlich zu machen, worum es ihm ging. »Wenn du nicht bei mir bist, fehlt mir die Luft zum Atmen, und wenn ich bei dir bin, fühlt es sich an, als würde mich jemand erwürgen«, erklärte er mit heiserer Stimme, aus der man mit Leichtigkeit seine Unsicherheit heraushören konnte. Oikawa schloss kurz die Augen, holte so tief Luft, wie es ihm möglich war, und schaute den anderen dann wieder direkt an. »Sag mir doch endlich, was ich für dich bin.« Aber Ushijima konnte es nicht sagen, hatte es noch nie gekonnt, und mittlerweile war Oikawa auch egal, ob er es jemals können würde. Er hatte ihm mitgeteilt, was ihm seit ihrer ersten Begegnung auf dem Herzen lag, und auch, wenn es zunächst kaum merklich war, konnte er jetzt ein weniger freier atmen. Er wartete noch ein paar Augenblicke auf Worte, von denen er wusste, dass er sie niemals zu hören bekommen würde, ehe er trocken auflachte. Aber als er sich umdrehen und gehen wollte, griff Ushijima ihn am Handgelenk und hielt ihn zurück. Bei jedem anderen Menschen hätte er reflexartig ausgeholt oder zumindest versucht, sich loszureißen. Doch Ushijimas Haut auf seiner hatte schon immer beruhigend auf ihn gewirkt, also sog er nur scharf die Luft ein, wandte sich ihm wieder zu und sah ihn herausfordernd an. Ihm stockte kurz der Atem, als Ushijima seine Finger flüchtig an seinem Hals entlang nach oben gleiten ließ, ehe er sanft sein Kinn fasste und ihn an sich zog, um ihn zu küssen. Oikawa war so erschrocken, dass er vergaß, die Augen zu schließen, doch der Kuss war ohnehin so schnell wieder vorbei, wie er begonnen hatte. Das Rauschen in seinen Ohren übertönte die übermütigen Pfiffe der anderen Spieler, als Ushijima ihm ein schwaches, hoffnungsvolles Lächeln schenkte, seine Hand fest umschlossen hielt und ihn mit sich zog. Sie schwiegen die ganze Zeit; auf dem Weg zu Ushijimas Haus, auf den Treppen hoch in sein Zimmer, als er Oikawa erst so fest umschlungen hielt, dass keiner mehr wusste, wessen Herzschlag zu welchem Körper gehörte, und auch, als Ushijima ihn in der stickigen Sommerhitze auf sein Bett drückte und seine klamme Haut mit federleichten Küssen übersäte. Vielleicht, dachte Oikawa später am Abend, als er seinen Kopf auf Ushijimas Brust gebettet hatte und dieser mit seinen Finger durch sein Haar fuhr, vielleicht funktionierte ihre Beziehung gerade weil Ushijima der Einzige war, der ihm die Luft zum Atmen nehmen konnte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)