Er liebt mich, er liebt mich nicht 2 von Hoellenhund ([Secret Love]) ================================================================================ Kapitel 16: ------------ „Wo willst du eigentlich hin?“ Der Campus der Seikô Gakuen lag in völliger Stille da. Jetzt, nach Sperrstunde des Wohnheims, war außer Takeda und Hinata keine Menschenseele mehr unterwegs. Nur irgendwo in der Ferne meinte Takeda eine Nachtigall rufen zu hören. „Ich habe Kimura heute Nachmittag in der Stadt getroffen, als es angefangen hat zu gewittern. Ich dachte, wir fangen am besten da an zu suchen.“ Hinata fluchte. Als Takeda ihm den Kopf zuwandte, konnte er im Zwielicht der Straßenlaternen tiefe Sorgenfalten erkennen, die sich auf Hinatas Stirn abzeichneten. „Du hättest ihn nicht alleine lassen dürfen“, sagte er nach einer kurzen Pause. Seine Stimme klang nicht wütend, wie noch vorhin im Wohnheim. Nun war sie schwer vor Sorge. „Dann hat er also wirklich Angst vor Gewitter“, murmelte Takeda mehr zu sich selbst, denn an Hinata gewandt. „Die Kimuras sind eine sehr alte Familie. Sie haben ein großes Anwesen östlich von Osaka. Als Kimura noch klein war, ist dort einmal ein Blitz in einen Pflaumenbaum eingeschlagen, der dann auf das Haus gestürzt ist. Das ganze Anwesen ist in der Nacht vollständig abgebrannt. Kimuras Vater war gerade geschäftlich in Tokyo und die Bediensteten konnten Kimura und seine Schwester in Sicherheit bringen, aber seine Mutter ist in den Flammen umgekommen.“ Takeda schluckte, um den Knoten, der ihm die Kehle verschnürte, zu lösen. Doch es half nichts. „Das habe ich nicht gewusst“, sagte er mit heiserer Stimme und senkte den Blick. „Ich weiß“, gab Hinata sanft zurück und lächelte Takeda aufmunternd an. „Kimura gibt sich immer so kühl und selbstbewusst. Aber in Wirklichkeit ist er sehr schüchtern und lässt niemanden an sich ran. Er hat einfach nie gelernt, wie man anderen seine Gefühle zeigt.“ Takeda glaubte, dass eine ungefähre Ahnung davon hatte, was Hinata meinte. Am Ende der Straße, in die sie gerade einbogen, leuchtete die Neonreklame des Juweliers, vor dessen Schaufenstern Takeda Kimura zum letzten Mal gesehen hatte. „Hier ist es“, sagte er an Hinata gewandt, der sich daraufhin sofort suchend umblickte. „Haruki!“, rief er durch die Dunkelheit und Takeda zuckte zusammen. Er war sich nicht sicher, ob es die Lautstärke von Hinatas Stimme oder Kimuras Vorname war, der ihn erschreckt hatte. Besorgt ließ er den Blick durch die Straße wandern. In den Fenstern der Häuser brannte kein Licht. Wenn sie die Anwohner aufweckten, würde es eine Menge Ärger geben – und Ärger war das letzte, was Takeda im Moment gebrauchen konnte. „Haruki!“, rief Hinata erneut und Takeda folgte ihm in eine Seitengasse. Einen Augenblick lang zögerte er noch, dann fiel er in Hinatas Rufen ein: „Kimura, wo steckst du?“ Ein Scheppern am anderen Ende der Gasse ließ die beiden zusammenzucken. Hier, fernab der Straßenlaternen, war es so finster, dass Takeda kaum die Hand vor Augen erkennen konnte. „Bist du das, Haruki?“, fragte Hinata vorsichtig. Einige Herzschläge lang war alles still. Dann wieder ein Scheppern und eine Bewegung am Ende der Gasse. Takeda wich erschrocken einige Schritte zurück, als eine schwarze Katze an ihm vorbei und auf die Straße hinaus huschte. Hinata konnte sich ein leises Kichern nicht verkneifen und Takeda warf ihm einen bösen Seitenblick zu, ehe er in sein Lachen einfiel. Auch wenn es Takedas erster Gedanke gewesen war – Kimura hatte sich wohl kaum hinter den Mülltonnen einer Seitengasse verkrochen. Sie lachten noch einen Augenblick länger, bis Hinata Takeda plötzlich am Arm packte: „Ich weiß, wo er ist!“ Irritiert folgte Takeda Hinata zum Ende der Gasse und ein Stück die Hauptstraße entlang. Er hatte Mühe, mit seinem Mitschüler Schritt zu halten. Doch es dauerte nicht lange, bis sie schließlich einen kleinen, von Sträuchern gerahmten Spielplatz erreichten. Ein leises Quietschen durchschnitt die Nacht und Hinata stieß erleichtert die Luft aus. „Haruki!“, rief er noch einmal, nun ein wenig gedämpft. Das leise Quietschen verstummte. Langsam trat Hinata zwischen den Sträuchern hindurch, Takeda dicht auf seinen Fersen. Dort, nur vom Mondlicht erhellt, saß ein Junge auf einer alten Schaukel und starrte den Neuankömmlingen entgegen. Kimura. Ganz langsam stand er von der Schaukel auf und tat einige unsichere Schritte auf sie zu, als könne er seinen Augen nicht trauen. „Keiji“, sagte er leise. Dann rannte er auf Hinata zu und schlang die Arme um ihn. „Wir haben dich überall Gesucht, du Idiot“, murmelte Hinata ihm zu, seine Stimme zu sanft für seine Worte. Takeda kam die ganze Situation merkwürdig unwirklich vor. Beinahe so wie die Szene in einem Film. Doch als Kimura sich von Hinata löste und zu Takeda hinüber starrte, schüttelte er den Gedanken ab. Er wappnete sich bereits gegen die nächste Spitzfindigkeit, die auf ihn lauerte, doch Kimura sagte nur: „Tut mir Leid.“ Mehr nicht. Und dann machten sie sich Seite an Seite auf den Weg zum Wohnheim zurück. Zu diesem Zeitpunkt konnte keiner von ihnen ahnen, dass ihnen noch eine sehr lange Nacht bevorstand. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)