Er liebt mich, er liebt mich nicht 2 von Hoellenhund ([Secret Love]) ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Aki Takeda lag auf einer der üppig grünen Wiesen am Rande des Campus der Seikô Gakuen-Oberschule und starrte auf das entfernte Glasgebäude, in dem er im vergangenen Schuljahr die meisten seiner Unterrichtsstunden verbracht hatte. Es war ein herrlicher Frühlingstag, der das Ende der Zwischenprüfungen mit den Schülern zu feiern schien. Die Sonne strahlte warm vom beinahe wolkenlosen Himmel und ein leichter Windhauch bewegte die Blätter der nahen Kirschbäume, deren Knospen kurz vor der Blüte standen. Es war nicht zu fassen, wie schnell die Zeit vergangen war. Takeda wandte den Kopf und lenkte seinen Blick zu Ryo Hirakawa hinüber, der ganz nahe bei ihm bäuchlings im Gras lag und intensiv in die Lektüre eines dicken Buchs vertieft schien. Mit seiner Hilfe hatte Takeda es gerade so durch die Prüfungen geschafft. Obwohl Hirakawa mit seinen Aufgaben als Wohnheimsprecher und der Leitung des Kendô-Clubs, die er nach Yamato Kurois Verweis im vergangenen Jahr spontan übernommen hatte, beschäftigt genug gewesen wäre, hatte er seine wenige Freizeit auch noch dafür geopfert, Takeda Nachhilfeunterricht zu geben. Um es ihm zu ermöglichen, auf der Seikô Gakuen bleiben zu können. Um es ihnen beiden zu ermöglichen, zusammenbleiben zu können. „Was liest du da eigentlich?“, fragte Takeda sich laut, während er mit den Augen Hirakawas scharf geschnittenes Profil nachzeichnete, jedes noch so kleine Detail von ihm in sich aufnahm. Es dauerte einen Augenblick, ehe Hirakawa antwortete: „Die göttliche Komödie von Dante.“ Eine Seite schlug um. Als Takeda nichts erwiderte, fügte Hirakawa hinzu: „Eines der bedeutendsten Werke der italienischen Literatur aus dem vierzehnten Jahrhundert. Du solltest auch mehr lesen.“ Takeda verdrehte die Augen, obwohl er genau wusste, dass Hirakawa Recht hatte. „Am Samstag ist übrigens die Abschiedsfeier für die Absolventen aus dem dritten Jahr. Ich dachte, du würdest sicher gerne hingehen“, setzte Hirakawa nach einer kurzen Pause hinzu, den Blick immer noch auf sein Buch geheftet. Mit einem leisen Seufzer ließ Takeda sich zurück ins Gras sinken und starrte in den stahlblauen Himmel empor. Yuuki Ishida, der Kapitän des Leichtathletik-Clubs, mit dem sich Takeda seit seiner Aufnahme an der Seikô Gakuen ein Zimmer teilte, würde die Schule nun verlassen. Und sehr wahrscheinlich würde Takeda ihn nie wieder sehen. „Ich werde ihn vermissen“, sagte er mehr zu sich selbst, den Blick noch immer auf das endlose Blau geheftet, das sich über ihm ausbreitete. Mit einem dumpfen Geräusch schlug Hirakawas sein Buch zu. Einige Sekunden lang geschah nichts - dann schob sich Hirakawas Gesicht in Takedas Blickfeld. Seine Augen dunkel und tief, seine Nase nur wenige Zentimeter von Takedas Gesicht entfernt. Sofort begann sein Herz schneller zu schlagen. Kein Wort entrang sich Hirakawas Lippen. Er sah Takeda einfach nur an, direkt in seine Augen, in sein Herz. Dann küsste er ihn. Einen Augenblick lang schien die Welt still zu stehen; konnte Takeda nichts als den heftigen Schlag seines eigenen Herzens hören. Doch dann schob er Hirakawa von sich fort: „Hör auf. Was, wenn uns jemand sieht?“ Hirakawas Augenbrauen zogen sich argwöhnisch zusammen: „Was soll dann sein?“ Diese Frage konnte doch unmöglich ernst gemeint sein. Mit seinem fabelhaften Notendurchschnitt und den vielen Ämtern, die er bereits im ersten Jahr seiner Oberschulzeit bekleidet hatte, war Hirakawa für viele Schüler ein Vorbild. Er konnte es sich nicht leisten, seinen guten Ruf zu verlieren. Er nicht. Schon damals, als Hirakawa die Aufnahmeprüfung manipuliert hatte, um es Takeda zu ermöglichen, die Seikô Gakuen zu besuchen, hatte er alles für ihn riskiert. Das würde Takeda auf keinen Fall ein weiteres Mal zulassen. Niemals. „Lass uns das ab jetzt einfach nicht mehr machen, wenn uns jeder sehen kann, okay?“ Hirakawa hielt Takedas entschlossenem Blick einige Herzschläge lang stand. Dann wandte den Kopf ab: „Wie du willst.“ Ein Windstoß schüttelte die Äste der Bäume, zerzauste Takedas und Hirakawas Haar und trug ihre Worte mit sich fort. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)