이상한 경우 (Isanghan Kyeong'u) von Chrolo (Seltsame Situationen) ================================================================================ Kapitel 12: Eine seltsame Reaktion ---------------------------------- Später saßen wir in einem italienischen Restaurant, welches die Dame wärmstens empfahl und laut eigener Angabe trotz seiner leichten Verborgenheit regelmäßig frequentierte. Ich insistierte zuerst, wollte ihr aber dann nicht sagen, weshalb ich in der Gegend um Namyeong-dong bleiben wollte und war – dank ihrem Charme – auch nicht bei ausreichend scharfem Verstand, in wenigen Sekunden eine alternative Geschichte zu erdenken. So fuhren wir mit einem Taxi nach Hongdae, für welches ich dann in meinem Mantel zum Glück noch das passende Geld parat hatte. Dennoch fand ich mich vor der Situation, dass sie eventuell auch eine Einladung zum Essen von mir erwartete, obwohl ich zurzeit nicht einmal Abendessen für mich selbst bezahlen konnte. Leider hatte ich nicht das Selbstbewusstsein, mein Problem vor Eintritt in das Restaurant zu schildern oder wenigstens schön zu reden, sodass ich schon vor der Bestellung wusste, dass der Aufenthalt zu einem Tanz auf der Rasierklinge werden würde; mental zumindest. Ich fand mich hin- und hergerissen zwischen dem Lauschen ihrer Erklärungen zu einigen Speisen und innerlich aufgestellten Dialogen bezüglich meiner finanziellen Situation. „Halloween ist zwar vorbei, aber ich empfehle auch die Spaghetti mit Kürbisstücken in Pfeffer-Sahnesoße. Ist sehr exquisit im Geschmack, mit koreanischem Essen wirklich nicht zu vergleichen.“, sprach sie auf der fünften Seite der Karte schon ihre vierte Menü-Empfehlung aus und beobachtete in Folge wie schon zuvor die Regungen in meinem Gesicht, die sich wahrscheinlich von Mal zu Mal nichts nahmen, da die angestrengter denkende Hälfte meines Gehirns mit dem anderen Thema beschäftigt war. Mir war bewusst, dass das leicht unhöflich war, aber nach einer Weile hob ich einhaltend die rechte Hand und entschied mich schließlich, die Wahrheit über meine Situation zu offenbaren, auch wenn soviel Ehrlichkeit nicht gerade der asiatischen Normalität entsprach und ich ihre mögliche Reaktion absolut nicht einschätzen konnte: „Entschuldige bitte, ich war gerade unhöflich. Aber ich denke, bevor ich irgendetwas bestelle, muss ich dich über meine derzeitige Situation informieren.“ Sie schaute mich mit hochgezogenen Augenbrauen an und ich war spontan froh, dass sie nicht sofort interpretierte und in irgendeiner vorschnellen Form reagierte – auch nicht ganz undenkbar in Korea. Aber sie war anders, schon von Beginn an. „Folgendes... das klingt vielleicht etwas weird, aber ich bin derzeit nicht im Besitz meiner Brieftasche. Es ist schwierig, dass zuzugeben, aber auch wenn ich es gerne würde, kann ich dich zu diesem Zeitpunkt leider nicht einladen. Die Situation ist etwas prekär und eigentlich war ich heute Mittag in Namyeong, um die Lösung des Problems voranzutreiben...“ Erneut enttäuschte sie meine Erwartungen, da sie keine direkte Reaktion zeigte, keine Empörung... sondern nur etwas mit den Grübchen auf ihrer Stirn spielte, was zugegebenermaßen ziemlich süß aussah, ich aus dieser Perspektive aber gezwungen ignorierte. „Gerade noch rechtzeitig.“, antwortete sie nach einer Weile kurz und knapp und bat mich um ein paar Details, die sie nun 'verdient hatte, zu erfahren'. Ich folgte der Aufforderung durchaus erfreut, war mir aber unsicher, ob ich die ganze Story so erzählen konnte, wie sie wirklich war, sodass ich schließlich eher ungewöhnlich entgegnete: „Wenn du wirklich die Details hören möchtest, dann würdest du mich möglicherweise für verrückt halten. Daher...“ „Natürlich möchte ich.“ „Sicher?“ „Sicher!“ Es war keinerlei Zweifel in ihrem Blick zu erkennen, eher noch ein Neugierde suggerierendes Glitzern in ihren Augen. Ein weiterer Augenblick, in dem ich merkte, dass ich ihr ganz und gar verfallen war. Als im nächsten Moment der Kellner kam, bestellte sie spontan – ohne mich zu fragen – zwei Gerichte und sagte mir daraufhin kurz und knapp, dass sie meine Geschichte bewerten würde und ich, wenn sie ihr nicht gefalle, die Schulden später in der Küche des Restaurants abarbeiten könne. Ich rieb mir verwundert die Augen, aber akzeptierte, mit der Frage auf den Lippen, wie sie auf die eher europäisch anmutende Idee komme, dass der Restaurantbesitzer mich arbeiten ließe, anstatt sofort die Polizei zu rufen. Ich war nun jedenfalls ebenso neugierig, was sie zu den Ereignissen der vergangenen beiden Tagen sagen würde, sofern ich keinen Punkt auslassen würde. * Earl Gray, Melissa Chun, Hyeonjee Kang und Sarge standen ungefähr zur selben Zeit in einer Reihe vor einem vierstöckigen Gebäude in einem Rotlichtviertel eines Nachbarbezirkes Apgujeongs. Earl Gray paffte an einer Zigarillo und hatte die Hände cool in den Hosentaschen verstaut, während Melissa Chun sich eher ihrem Handy als dem Gebäude zuwandte. Hyeonjee beäugte interessiert eine große Neontafel, die über dem Gebäude prangte und abwechselnd Werbung für Zigarren, Daimler-Chrysler, Damenbinden und Freudenhäuser wie dieses vor ihnen machte. Eine amüsante Mischung, wie sie empfand. Neben ihr stand Sarge mit dem selben ernsten Gesichtsausdruck wie immer; innerlich den Plan durchgehend, den sich die vier gemacht hatten und nebenbei dem einmal mehr zu beschäftigten Jihoon grollend, der sich gewöhnlich eher für die Datenbeschaffung zuständig sah und selten mal mit an die Front ging. Aber nun standen sie hier zu viert vor einem modernen Bordell, in dem eine Weile zuvor der koreanische Außenminister eingecheckt hatte, was sie selbst beobachtet hatten. Melissa war dem Politiker schon seit früh morgens auf den Fersen; die anderen drei stets bereit, zum gegebenen Zeitpunkt eilend zur Tat schreiten zu können. Dieser Moment war nun gekommen, begleitet durch einen ansehnlichen Sonnenuntergang am Horizont. Hyeonjee beschrieb es als eine Fügung der Dramaturgie, so wie sie ohnehin öfter mit dem Wort Schicksal und ähnlichem Aberglaube kokettierte. Sie war gläubige Christin, auch wenn sie sich die Bräuche, die sie befolgte, stets selbst aussuchte und sich mit der biblischen Geschichte erstaunlich wenig auseinander gesetzt hatte, so dass sie nicht einmal die Namen der vier Propheten des neuen Testaments nennen konnte, wie Earl Gray eines Abends in Erfahrung gebracht hatte. „Also noch einmal“, bat Sarge um die Aufmerksamkeit seiner Mitstreiter, „basierend auf Jihoons Informationen ist der Außenminister Lee Do-sang unser Ziel. Ein niederer Nymphomane mit Tendenz zum Gewaltakt, schätzungsweise seine Macht dazu missbrauchend, zu bekommen, was er mit Gewalt alleine nicht schafft und das ganze ohne großartige Spuren zu hinterlassen. Das Beste, was man über ihn sagen kann, ist wohl, dass er seine Opfer nicht zu töten scheint.“ „Und er trägt während seiner Untaten ein schwarzes Tuch vor dem Gesicht.“, ergänzte Hyeonjee zu seiner Linken. „Richtig. Und er scheint den Informationen nach nicht wahllos vorzugehen, sondern setzt seine Handlanger darauf an, nach besonders hübschen Frauen zu fahnden. Beobachtungen zu Folge, hat er vier engere persönliche Untergebene, die sich oft in seiner Nähe aufhalten und daher als Mittäter oder zumindest Mitwissende einzuschätzen sind. Auf diese Leute müssen wir aufpassen, daher ist es gefährlich, wenn wir alleine agieren und dabei Aufmerksamkeit erregen.“ „Bekommst du schon Angst, Melissa?“ „Pah, der soll sich warm anziehen... Abschaum! Der kriegt maximal meine Absätze.“ Melissa schaute zu Hyeonjee, welche anerkennend nickte. Beide Frauen in der Gruppe waren nach koreanischer Norm objektiv betrachtet ziemlich hübsch und genau diese Begebenheit spielte eine zentrale Rolle in dem von Sarge und Melissa entworfenen Plan, den 'Bonobo-Affe' getauften Schurken dingfest zu machen. Wohlgemerkt alles nur, weil die vier es so wollten. Ohne Bezahlung, einfach nur für das gute Gefühl – und das Abenteuer, wie Earl Gray in diesem Moment paffend anmerkte, seine Augen auch auf die Neontafel richtend, welche wieder für Damenbinden warb. * Ich nahm mir etwa zehn Minuten, um die Geschehnisse nicht zu ausschweifend, aber durchaus vollmundig, fast etwas dichterisch abzurunden. Während der Erzählung achtete ich dezent – nicht zu aufdringlich – auf die Reaktionen der Frau meiner Träume. Tatsächlich konnte ich ihre Mimik aber in den seltensten Fällen klar deuten und war daher umso neugieriger, wie sie nun letztendlich dieses Potpourri aus Seltsamkeiten kommentieren würde. Sie rollte kurz mit den Augen, nachdem ich ausgesprochen hatte und lachte im nächsten Moment ein wenig, ohne dass ich mich direkt ausgelacht fühlte. Ich war mir nicht sicher, ob sie ihre nach außen gezeigten Emotionen immer mit Bedacht wählte, aber ich konnte es mir absolut vorstellen, obgleich sie mir gleichzeitig auch wie ein sehr spontaner, geradeheraus denkender Mensch vorkam. „Also soll ich dich jetzt für verrückt halten?“, fragte sie mich nach einigen Sekunden des Grübelns. „Ich denke nicht, dass ich es bevorzuge.“ „Glück gehabt.“ „Wie?“ „Ich halte dich noch nicht für verrückt.“ „Noch?“ „Na gut, eigentlich von Anfang an etwas... aber das ist positiv, ich finde nichts ätzender als Leute, die komplett den gesellschaftlichen Normen entsprechen.“ „Honig in meinem Tee!“ „Wenn es Ihnen schmeckt...“ „Total.“ „Mir auch.“ „Fein.“ „Nein ernsthaft, Ihre Geschichte ist zwar ziemlich... krass. Aber reagiert haben Sie eigentlich recht normal.“ „Finden Sie?“ „Naja, vielleicht hätte ich diesen Tätowierten nicht angesprochen.“ „Haha.“ „Und wäre vielleicht nicht mit dem Mann mitgefahren, der so seltsame Kleidung trägt.“ „Wegen der Kleidung?“ „Nein, weil ich eine Frau bin.“ Wir mussten beide Lachen. Offensichtlich waren wir durchaus auf einer Ebene, was den Humor betraf. „Und wären Sie, wenn Sie ich wären, mit mir, der dann Sie wäre, nach Hongdae gefahren, obwohl Sie dadurch riskieren würden, die nächste Nacht auf der Straße zu verbringen?“ „Ich glaube wir sollten nach dem Essen zurückfahren...“ „Wenn ich Ihnen die Transportkosten später zurückzahlen darf.“ „Mit Zinsen bitte.“, bejahte sie mit einem schelmischen Grinsen. „Essen geht dann auf mich.“ Schließlich brachte der Ober zwei große Teller mit zwei interessant aussehenden Pasta-Gerichten und stellte sie auf Bitte der Dame so auf den Tisch, dass wir uns beide teilen konnten. Dass mein durchgehend rasendes Herz seinen nächsten Sprung machte, bekam sie hoffentlich nicht mit. Der exotische Duft von nicht für Italienische Küche stehendes Curry vermischte sich im nächsten Moment mit einer eher mediterran anmutenden Würze, was mich spontan auf die Idee brachte, die Düfte mit unserem Geiste zu personifizieren – wobei ich mich nicht wirklich entscheiden konnte, wer nun das Curry sein sollte. Solch gewissenlose Gedankenspielchen waren irgendwie typisch für mich. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)