To Feel The Music von DarkHide ================================================================================ Kapitel 9: Lost Heaven ---------------------- Den ganzen Tag über überlegte Hyde, ob er zur Bandprobe gehen sollte. Beim Aufstehen war er sich noch sicher, dass er nicht gehen würde und suchte schon nach einer Ausrede. Als er mal wieder viel zu früh in der Uni ankam und auf den Beginn des Kurses wartete, änderte er seine Meinung und dachte sich, dass er es ja wenigstens probieren könnte. Immerhin waren Tetsu, Yuki und Ken seine Freunde und wussten über seinen Zustand Bescheid. Er würde sich vor ihnen nicht lächerlich machen, zumal ja auch nicht er derjenige war, der behauptete, dass er singen konnte, sondern Tetsu. Wenn es sich nun zeigte, dass er es doch nicht konnte, war es eben so. Nachdem der erste Kurs geendet hatte, machte sich allerdings wieder Unsicherheit in ihm breit. Nein, er könnte niemals der Sänger einer Band sein, warum sollte er es überhaupt versuchen? Er würde nicht gehen. Als er nach der Uni zuhause ankam, war Gackt noch da. Gackt fragte nicht, ob er überhaupt zur Probe gehen würde, sondern sagte wie selbstverständlich: „Ich wünsche dir nachher viel Spaß!“, ehe er die Wohnung verließ. Abermals dachte Hyde darüber nach. Natürlich, er hatte Yuki und Ken auch eine Weile nicht mehr gesehen und irgendwie hatte er sich auf ein Treffen gefreut. Nur ... dass er dabei versuchen würde, zu ihrer Musik zu singen ... Er wusste nicht, ob sein Gesang gut klang, aber Tetsu und Gackt waren davon überzeugt. Die beiden waren seine Freunde und waren immer ehrlich zu ihm gewesen. Warum sollten sie ihn ausgerechnet jetzt anlügen? Er ... würde zur Probe gehen. Als er in der Bahn saß und auf dem Weg zu ihrem Proberaum war, bereute er seine Entscheidung. Aber jetzt gab es kein Zurück mehr. Er war schon fast da. Als er vor dem Gebäude angekommen war, hielt er einen Moment inne und atmete noch einmal tief durch, ehe er die Tür öffnete und eintrat. Er hatte schon fast damit gerechnet, dass er der erste war, aber zu seiner Verwunderung fand er Yuki vor. Dieser stand auf, als Hyde den Raum betrat und lächelte ihn an. „Hyde! Schön, dich zu sehen!“, sagte er und zog Hyde in eine freundschaftliche Umarmung. „Ja, wir haben uns lange nicht gesehen“, erwiderte Hyde. „Wie geht’s dir, Yuki?“ „Ganz gut. Die Arbeit ist anstrengend, aber eines Tages ist das alles vergessen, denn dann leben wir ja schließlich von der Musik, nicht wahr?“ Yuki grinste breit. Und Hyde spürte abermals die Unsicherheit in sich. Wenig später betrat Ken den Raum. „Hyde, alter Junge, wie geht’s dir?“, sagte er sofort und klopfte Hyde freundschaftlich auf die Schulter. „Soweit alles klar. Wie läuft’s bei dir?“ „Alles super!“ Nachdem sie sich eine Weile unterhalten hatten, kam Tetsu. „Aha, der Bandleader kommt also als letztes. Vorbildlich“, meinte Ken. Tetsu runzelte die Stirn und schaute auf seine Uhr. „So spät ist es doch noch gar nicht. Ihr seid viel zu früh. Von Hyde bin ich das ja gewöhnt, aber von dir, Ken?“ „Wohl wahr“, meinte Yuki und setzte sich an seine Drums. „Dann kann’s ja losgehen.“ Tetsu und Ken packten ihre Instrumente aus und schlossen sie an die Verstärker an. Nur Hyde stand etwas unsicher herum. Schließlich schaltete Tetsu die Mikrofonanlage ein und sah Hyde prüfend an. „Pass auf, beim ersten Durchlauf sing ich und du schaust es dir einfach mal an. Danach versuchst du es, okay?“ Hyde nickte. Er beobachtete, wie Yuki mit seinen Drumsticks einzählte und Ken und Tetsu daraufhin einsetzten. Hyde konnte den Rhythmus der Drums relativ gut spüren und Tetsus Bass ebenso. Doch wie sollte er jemals dazu singen? Wenn er zu Gackts Klavierspiel sang, konnte er anhand der Fingerbewegungen sehen, an welcher Stelle sie gerade waren, und notfalls konnte Gackt sich bei der Geschwindigkeit an Hyde anpassen. Doch in einer Band gab der Drummer den Takt vor und normalerweise war der Sänger zum Publikum gedreht und nicht zu den anderen Bandmitgliedern. Hyde wusste nicht, ob er sich nur auf die Schwingungen verlassen konnte, die die Drums auf den Boden übertrugen und somit zu seinen Füßen und seinem Körper. Es erschien ihm alles viel zu vage. Mal davon abgesehen, dass das Spüren des Rhythmus noch lange nicht hieß, dass er auch die richtigen Töne sang. Gerade wurde ihm das alles einfach zu viel. Als das Lied vorbei war und Tetsu vor ihm stand, zuckte Hyde hilflos mit den Schultern. „Es tut mir Leid. Ich ...“, begann er und schüttelte leicht den Kopf. „Ich kann das einfach nicht.“ Tetsu sah ihm eindringlich in die Augen. Dann nickte er. „Ist okay.“ „Es tut mir Leid“, wiederholte Hyde, drehte sich dann um und lief nach draußen. Er konnte kaum atmen, fühlte sich wie erdrückt. Die frische Luft tat ihm gut. Das hier war einfach nichts für ihn. Den ganzen Nachhauseweg über hatte er sich zusammengerissen, sich mit anderen Gedanken abgelenkt, doch als er alleine zuhause war, platzten die Emotionen aus ihm heraus. Er war enttäuscht von sich selbst, hasste sich dafür, dass er nicht mehr hören konnte. Und er war wütend. Wie hatte er jemals glauben können, dass es für ihn doch noch eine Chance gab, Sänger zu sein? Ja, es war mal sein Traum gewesen, aber er musste ihn endgültig aufgeben. Warum hatte er sich bloß hierzu überreden lassen? Und in diesem Moment wünschte er sich, mit Gackt zu sprechen. Er wollte ihm sagen, was für eine dumme Idee es doch gewesen war. Er griff nach seinem Handy und suchte in den Kontakten Gackts Namen. Und dann drückte er auf anrufen. Als die Nummer gewählt wurde, drückte er auf den Freisprechknopf. Er konnte nicht hören, ob Gackt den Anruf tatsächlich annahm, aber auf dem Display konnte er sehen, dass eine Verbindung hergestellt worden war. „Es ... war furchtbar! Es klappt einfach nicht“, begann Hyde. Erst wusste er nicht, was er sagen sollte, weil er schließlich keine Antwort hören konnte, doch nach und nach kam es aus ihm heraus. „Du ... stellst dir das alles so einfach vor. Aber das ist es nicht! Was glaubst du denn, wie das funktionieren soll? Für dich ist es einfach. Natürlich ... Du kannst ja auch hören, wie die Gitarre oder der Bass einsetzt, weißt, ob du schief, zu laut oder zu leise singst. Aber was soll ich denn machen?“ Am anderen Ende der Leitung versuchte Gackt währenddessen immer wieder, ihn zu unterbrechen. „Hyde ... Jetzt wa... Hyde!“ Er wusste, dass der andere ihn nicht hören konnte, aber reflexartig versuchte er, ihn zu beruhigen. Hyde jedoch fuhr unbeirrt fort und steigerte sich so immer mehr hinein. „Ich weiß nicht, warum ich mich darauf eingelassen habe. Wie konnte ich nur so dumm sein? Ich ... Willst du denn nichts dazu sagen? Ich hör dich nicht! Antworte mir doch endlich!“ Hyde ging im Wohnzimmer auf und ab. Er konnte sich gar nicht mehr beruhigen. Je mehr er sagte, desto aufgelöster wurde er. „Ich werde nie mehr singen können. Warum behauptest du, dass ich es kann, wenn es doch nicht stimmt? Konntest du mich nicht einfach damit in Ruhe lassen? Nein, du machst mir Hoffnungen und dann ... und dann ...“ Hyde wusste nicht, wie lange er schon in sein Handy sprach und ob Gackt ihm überhaupt noch zuhörte. Vielleicht war ja auch nur seine Mailbox drangegangen. Plötzlich spürte Hyde, wie der Melder in seiner Hosentasche vibrierte. Jemand musste an der Tür geklingelt haben. Wer konnte das sein? Tetsu? Hyde ging zur Wohnungstür und schaute durch den Türspion. „Was ... machst du hier?“, fragte er unwillkürlich, als er Gackt erkannte. Dieser wusste, dass Hyde seine Lippen mittlerweile sehen konnte, und so antwortete er: „Für dich da sein.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)