Don't Lose Heart von Peacer ================================================================================ Kapitel 5: Wankendes Herz - Teil 1 ---------------------------------- Mir schwante Schlimmes, als ich dem miesepetrigen Heartpirat folgte. Der Abstieg in die Dunkelheit des U-Boots ließ den unangenehmen Vergleich mit der Hölle aufkommen und ich fragte mich, ob mich am Ende des Weges ebenfalls eine Tortur als Bestrafung für meine begangenen Fehler erwartete. Mir wurde mulmig bei dem Gedanken. Also versuchte ich es mit Smalltalk. „Uh, ich heiße Kim. Erfreut?“ Ich musste wohl nicht unterstreichen, dass Smalltalk absolut nicht meine Stärke war, selbst unter positiveren Umständen. Aber hey, Übung macht den Meister. „Ich weiß“, grummelte der mutmaßliche Folterknecht, der wohl weniger davon hielt. Ich verkniff mir die äußerst blöde Frage, woher er das wusste, war ich wohl leider mit meinem verblüffenden Auftauchen Gesprächsthema Nummer eins. Das Schweigen zog sich und wurde unangenehm, während ich mir vergeblich den Kopf zerbrach, wie man ein Gespräch mit einem, feindlichen Piraten begann. Er hatte wohl Erbarmen und ließ sich dazu herab, mir wenigstens einen Namen zu geben. „Namazu.“ Ich unterdrückte gerade noch ein Kichern. Ein Wels. War ja klar, bei dem Schnurrbart. Er warf mir einen finsteren Blick zu, als ob er ahnte, was ich dachte und ich konzentrierte mich daraufhin lieber, nicht zu stolpern. Unter Wasser war die Fahrt des U-Boots zumindest bis zu der unangenehmen Begegnung mit den Strudeln sehr ruhig gewesen, nur unwesentlich von festem Land zu unterscheiden, aber jetzt wo es den unruhigen Wellen an der Oberfläche ausgesetzt war, schwankte es in alle Richtungen und ich hatte definitiv noch immer meine Landbeine. Und meine Gehirnerschütterung, obwohl es mir vorkam, als wäre das schon ewig her. Zumindest waren die engen Korridore von Vorteil, so konnte ich von Wand zur Wand schwanken. Endlich erreichten wir unser vermeintliches Ziel. Die Tür sah unscheinbar aus, nicht zu unterscheiden von all den anderen stählernen Türen (und ich musste mir wirklich einen Plan zeichnen, so würde das nie etwas werden), aber das mulmige Gefühl in meiner Magengegend wurde nur stärker, als ich mir einen komplett ausgestatteten Folterraum vorstellte, wie man ihn aus den Mittelalterfilmen kannte, komplett mit Daumschraube und Pranger. Die Realität war enttäuschend langweilig, sehr zu meiner Erleichterung, denn der Raum enthielt neben einem von Papieren übersäten Schreibtisch und einer Laborecke mit Mikroskop, der wohl klugerweise festgeschraubt war, nur Unmengen von Regalen mit Büchern... oder vielmehr leere Regale, denn besagte Bücher lagen verstreut auf dem Boden. Oh, und ein paar Gefäße mit diversen Organen in unterschiedlichen Phasen der Verwesung, mal mehr, mal weniger aufgeschnitten, lagen auch herum, aber das schockierte mich nicht wirklich. Es erinnerte mich an meine ersten praktischen Anatomiestunden und der süßliche, familiäre Geruch von Formaldehyd und altem Papier hatte etwas Beruhigendes an sich. Leichenteile, kein Problem, aber ein einziger Blick von Law und ich ging schneller ein als meine Hauspflanzen. Was bei meinem schwarzen Daumen nie lange dauerte. „Die Bücher müssen wieder eingeräumt werden. Alphabetisch.“ Er hob eine kritische Augenbraue. „Bekommst du das hin?“ Ich nickte, nicht gewillt, auf die Provokation einzugehen und ihm Angriffsfläche zu bieten. Immerhin hätte ich es vor kurzen dank der wunderbaren kryptischen Schriftzeichen tatsächlich nicht geschafft. Er sah nicht überzeugt aus, nickte aber dennoch. „Gut. Sei fertig, wenn ich zurückkomme. Faulenzen wird nicht geduldet.“ Als ob ich das riskieren würde. Ich mochte meine Körperteile, wo sie waren, vielen Dank. Murmelnd wanderte er davon ohne mich eines weiteren Blickes zu würdigen und ich glaubte etwas von „OCD“ und „pedantischer Koch“ zu hören, ehe ich mich seufzend meiner bevorstehenden Aufgabe widmete. Neugierig hob ich einen alten Wälzer auf und konnte wie erhofft die Kanji darauf mühelos entziffern. „Anatomie und Physiologie der Fischmenschen“, interessant. Ich rang kurz mit mir, ehe ich das Buch widerwillig aufs Regal stellte, mit einem inneren Versprechen, dass ich darauf zurückkommen würde, sobald sich die Gelegenheit ergab. Ich kannte mich zu gut, als dass ich es riskieren konnte, nur einen „kurzen“ Blick hinein zu werfen, wenn ich rechtzeitig mit den Aufräumarbeiten fertig werden wollte. So sehr mir Hausarbeiten auch verhasst waren, Aufräumen war dabei noch meine liebste. Man sah schnell Resultate und es war irgendwie beruhigend, ein Buch nach dem anderen auf seinen Platz zu stellen. Das Adrenalin verließ langsam aber sicher meinen Körper und hinterließ nur dumpfe Erschöpfung. Nicht einmal die Angst vor Law und seinen Drohungen konnte mich noch richtig bewegen und das obwohl meine letzte Nahtoderfahrung mit ihm keine zehn Minuten zurück lag. Ich widerstand dem Drang mich in eine Ecke zu verkriechen, um kurz die Augen zu schließen (oder wieder zu heulen) und hob ein weiteres Buch auf. Eine weitere Befehlsverweigerung konnte ich mir nicht leisten. Es hätte mich eindeutig schlimmer treffen können. Und das würde es wohl auch noch, wenn ich mir keine gute Erklärung aus den Fingern zog, wie ich hier gelandet war. Das mulmige Gefühl in meinem Magen nahm zu und ich verschob das Nachdenken auf später, während ich die Bücher nicht nur alphabetisch, sondern auch nach Themen einräumte und die Organe pedantisch als Abtrennung benutzte. Die Übelkeit blieb jedoch. Ich versuchte mich mit der Arbeit abzulenken, aber jedes Schwanken des U-Boots ließ meinen Magen rumoren und ich atmete irgendwann angestrengt ruhig durch die Nase. Es dauerte wahrscheinlich nicht lange, bis ich alle Bücher an ihren rechtmäßigen Platz zurückgestellt hatte, aber die Zeit zog sich wie ein alter Kaugummi. Ich war beinahe froh, als Namazu wieder auftauchte. Er wohl eher weniger, als er mich sah. Sein Stirnrunzeln vertiefte sich, aber die erfüllte Arbeit schien ihn positiv zu stimmen, wenn man denn auf das Fehlen eines bissigen Kommentars schließen konnte. Er nickte bloß zufrieden. Und packte mich unter dem Ellbogen, weitaus weniger grob als ich von ihm erwartet hätte, und zog mich aus dem Raum. „Keine falsche Müdigkeit vorschützen, an Deck gibt es auch noch Arbeit. Wir wollen doch nicht, dass du dich unterfordert fühlst.“ Ich war zu erleichtert über die Aussicht auf frische Luft, als dass ich mich über die Sklaventreiberei beschweren würde und taumelte ihm so gut ich konnte hinterher, dankbar für die stützende Hand an meinem Arm. Wenig später stürzte ich an einem kreischenden Bepo vorbei zur Reling und stützte mich schwer darauf ab, während ich versuchte meine Übelkeit mit frischer Luft zurückzudrängen. „Landratten“, seufzte Namazu und zog mich aus meiner vornübergebeugten Position. „Die Wellen scheren sich nicht um deinen mickrigen Todesblick. Halte den Blick auf den Horizont.“ Ich sah ihn benebelt an und er schüttelte den Kopf. „Immer den ganzen Körper statt nur den Kopf drehen. Keine halben Sachen.“ Er machte eine vage Geste Richtung Horizont. „Warte hier, du bist offensichtlich nicht imstande, die Putzsachen zu holen.“ Als ob ich mich vom Fleck rühren würde. Ich bildete mir tatsächlich ein, dass die frische Luft und Namazus Ratschläge meine Übelkeit ein wenig linderten und gedachte nicht, diesen winzigen Fortschritt aufzugeben. Außer vielleicht, um dem Ganzen ein Ende zu setzen und mich ins blaue Nass zu stürzen. Wie oft hatte ich mir das heute eigentlich schon überlegt? Ich hatte das dumpfe Gefühl, dass ein längerer Aufenthalt auf Laws U-Boot nicht ganz zuträglich für meine psychische Stabilität sein würde. Bevor meine Gedanken von düster zu stockdunkel abdriften konnten, tauchte Namazu wieder auf. Meine Freude über seine Rückkehr war allerdings recht beschränkt, als ich den Eimer und Mopp sah und mich fragte, ob es überhaupt noch klischeehafter kommen konnte. Das Deck schrubben, ehrlich? Reichte die Komplettwäsche beim Tauchen denn nicht aus? Abgesehen davon hatte er noch zwei Armbänder mitgebracht und bedeutete mir ungeduldig meine Arme hinzuhalten. „Akupressurbänder. Machen nicht hübscher, helfen aber gegen Übelkeit.“ Ich blinzelte überrascht, als er diese geschickt anbrachte. Da hatte ich ihn wohl falsch eingeschätzt. Ich hätte nicht gedacht, dass ihn mein Wohlbefinden kratzen würde. „Danke.“ „Auf's Deck kotzen wäre schließlich kontraproduktiv.“ Sein Tonfall war grimmig, aber so leicht würde ich mich davon nicht mehr beirren lassen. Egal aus welchem Grund auch immer, er half mir. Irgendwie zumindest. „Es braucht ein paar Minuten, bis es wirkt. Putznachschub ist unter der Treppe, das solltest du finden. Erkundet hast du das U-Boot ja schon.“ Ich sah peinlich berührt zu Boden, mein Magen rumorte und ich hob den Blick wieder um Namazus Mundwinkel verdächtig zucken zu sehen. Sofort setzte er wieder seine grimmige Miene auf. „Wehe das Deck blitzt nicht, wenn ich zurück komme.“ Damit wirbelte er herum und ließ mich allein mit dem Mopp zurück. Mir war mulmig, als ich Namazu am Abend zu dem lauter werdenden Stimmengewirr folgte und das hatte dank der erstaunlich wirkungsvollen Armbänder nur wenig mit dem schrecklichen Wellengang zu tun. Fremde Menschen machten mich nervös, Law und seine tollkühne Crew umso mehr und ich hatte diese schreckliche Vorstellung, dass sie mich alle beurteilend ansehen würden. Wir betraten den Speisesaal und Namazu setzte sich gleich zu den restlichen Piraten. Ich blieb unsicher in der Tür stehen. Die Blicke blieben minimal und Law, der mit entspannt gekreuzten Beinen am Kopfende des langen Tisches auf seinem Stuhl schaukelte, ignorierte mich komplett, aber das unangenehme Gefühl, total fehl am Platz zu sein wurde nur stärker. Ich hätte mich am liebsten irgendwo verkrochen, aber da winkte mir Skate mit einem breiten Lächeln zu und ich schlich erleichtert zu ihm hinüber. „Rutsch mal rüber, damit sich Kim zu uns setzen kann.“ Meine Erleichterung verpuffte als ich Skates Sitznachbarn erkannte und ich erbleichte, als Shark seine Zähne bedrohlich bleckte. Das schien ihn aufzuheitern und er machte mir großzügigerweise Platz. Ernüchtert setzte ich mich und widerstand nur knapp dem Drang, meinen Kopf in den Armen zu vergraben. „Alles in Ordnung? Du siehst etwas mitgenommen aus.“ Skate lehnte sein Kinn auf seine Handfläche und grinste spitzbübisch. „Muss ich ein ernstes Wort mit Namazu reden?“ Ich lächelte schüchtern zurück und schüttelte den Kopf. „Nein, er war ganz nett.“ Eine Augenbraue schoss in die Höhe. „Reden wir von demselben griesgrämigen Sklaventreiber?“ Ich blickte erschrocken zu besagtem Heartpirat, aber dieser war zu beschäftigt damit, den Tisch vor sich anzustarren und Kurage gekonnt zu ignorieren, während die Tratschtante ungestört weiter auf ihn einredete – und ihn unter andrem über mich ausfragte. Komischer Kauz. Ich zeigte Skate meine Armbänder. „Er hat mir die gegen meine Übelkeit gegeben und mich an Deck arbeiten lassen.“ „Oh, der Pirat hat also doch ein Herz“, mischte sich eine neue Stimme ein. Der Sprecher lehnte sich sehr zur Missbilligung von Shark über diesen zu mir hinüber, ein Lächeln auf den Lippen. Die charakteristische Sonnenbrille und blau-rote Ballonmütze, die das Gesicht größtenteils verbargen, machten seine Vorstellung überflüssig. „Ich bin Shachi und solltest du irgendetwas brauchen, stehe ich immer zur Verfügung.“ Selbst ohne langjährige Freundschaft mit Männern, die auf zweideutige Kommentare spezialisiert waren, hätte ich diese sehr eindeutige Anspielung bei dem Tonfall verstanden. Positiv war allerdings, dass ich zu gewohnt daran war, als dass es mich aus der Fassung bringen konnte. Das war quasi mein Spezialgebiet. Ich setzte also ein zuckersüßes Lächeln auf. „Und du stehst auch wirklich immer...zur Verfügung?“ Das überrumpelte Stottern und Sharks brüllendes Lachen waren Musik in meinen Ohren und ich grinste zufrieden, plötzlich richtig guter Dinge. Skate hob anerkennend eine Augenbraue, aber bevor er kommentieren konnte, flogen die Rollladen der Ausgabe mit einem lauten Knall hoch und ich zuckte erschrocken zusammen. Und blinzelte, als ich plötzlich am Handgelenk gepackt und zur Ausgabe geschleift wurde, wo sich innerhalb weniger Sekunden schon ein unglaubliches Gedränge an Heartpiraten gebildet hatte – mal abgesehen von Law, der seelenruhig sein Anrecht als Kapitän gültig machte und die erste Portion bekam, ganz ohne Drängeln, dafür aber mit extra Enthusiasmus seitens Fugu. Skate ließ mich los, sichtlich zufrieden mit seiner Position in der Schlange und ich machte mich klein, als ich Shark hinter mir entdeckte, der es ebenso offensichtlich nicht war und wohl versuchte, mich mit seinem Todesblick dazu zu bringen, meinen Platz aufzugeben. Denkste. Tackler ließ ich prinzipiell nicht vor. Die Portion Kartoffelbrei, die Fugu mir mit einem verschwörerischen Lächeln auftischte, war so groß, dass kaum Platz für das Gemüse blieb und ich musste mein ganzes, klägliches Balancetalent zusammenkratzen, um es ohne Unfall zurück zum Tisch zu schaffen. Meine Erleichterung währte nur so lange, bis Shark einen scheelen Blick auf mein Essen warf. „Oi, warum bekommt die halbe Portion soviel mehr als wir?“ „Weil sie aussieht, als ob sie es brauchen würde“, antwortete Fugu, als er sich uns gegenüber zwischen Kurage und Namazu quetschte, sehr zur Erleichterung vom Letzteren – bis er feststellen musste, dass sich die Tratschtante nicht so einfach von einem kleinen Hindernis wie Fugu zum Schweigen bringen ließ. Ich schenkte Fugu ein dankbares Lächeln. Obwohl ich mit meiner nur knapp in Schach gehaltenen Seekrankheit und Situation insgesamt nicht wirklich Hunger hatte, war es doch angenehm, jemanden auf seiner Seite zu haben, der sogar Shark Paroli bot. „So sehe ich auch aus! Immerhin habe ich dank dem Leck den lieben langen Tag Eimer schleppen dürfen. Und das während meiner eigentlichen Trainingszeit!“, schmollte Shark und schaufelte sich demonstrativ Kartoffelbrei in den Mund. „Kim-chan hat auch hart gearbeitet, wie ich gehört habe“, lehnte sich Kurage nun zu uns herüber und musterte mich wie ein besonders leckeres Stück Schokoladenkuchen, das man nach einer langen Fastenzeit hinten im Kühlschrank entdeckte. Es war kein schönes Gefühl. Die ganze Aufmerksamkeit war mir unangenehm und ich versuchte mich so klein wie möglich zu machen, als ich abwinkte. „Ich habe nur getan, was mir aufgetragen wurde.“ Und als ich meinem Magen beim besten Willen nicht mehr zumuten konnte, ohne dass er komplett rebellierte, schob ich meinen Teller zu Shark hinüber. „Wenn du magst, kannst du meins haben“, sagte ich in der Hoffnung, mich so auf seine gute Seite zu schlagen. Er musterte den Teller kurz, dann gab sein Magen ein lautes Grollen von sich und er zog grinsend die Portion zu sich hinüber. „Ich akzeptiere dein Schutzgeld. Vorerst“, meinte er großzügig und verschlang den Rest in ein paar riesigen Bissen. Fugu sah mich traurig an. „War es nicht gut?“ „Nein, nein, es war hervorragend. Das Schwanken macht mir nur etwas zu schaffen“, beruhigte ich ihn hastig. Er überlegte kurz, nickte dann und wandte sich mit ernster Miene an Shachi. „Mach was gegen das Schwanken. Es verdirbt den Appetit.“ Shachi verschluckte sich an seinem Bissen und Sharks enthusiastisches Rückenklopfen richtete wohl eher mehr Schaden an als es half. „So einfach ist das nicht!“, antwortete er, sobald er wieder Luft bekam und duckte sich unter Sharks Hilfeversuch hindurch. „Jean Bart hat alle Hände voll damit, das Boot zu stabilisieren und Ban hält es nur mit Ach und Krach zusammen, von Tauchen ist gar keine Rede. Und ohne meine Hilfe würde herzlich wenig laufen.“ „Deshalb bist du auch hier, während sie sich zusammen mit Penguin abmühen?“, kommentierte Namazu trocken. „Eh...“ Fugu schlug sich mit der Faust in die Handfläche. „Deshalb sind sie nicht hier. Ich gebe dir ihre Portionen mit, Shachi, du gehst doch bestimmt gleich wieder runter.“ „Also eigentlich-“ Aber Fugu war schon aufgesprungen und zurück in die Küche gewuselt und Shachi vergrub ergeben den Kopf in den Armen. „Sag ihnen dann auch, dass wir voraussichtlich morgen eine Insel erreichen werden“, mischte sich Law nun ein, sein übliches Lächeln eindeutig eine Spur schadenfroh. „Dann könnt ihr euch in Ruhe um die Reparaturarbeiten kümmern.“ „Aye, Kap'tän“, seufzte Shachi geschlagen und nahm das Essen von Fugu entgegen, eher er davon schlurfte. Das schien ein Signal zu sein, aufzuspringen und den Speisesaal beinahe schon fluchtartig zu verlassen. Nur Namazu, ich und jede Menge schmutziges Geschirr blieben zurück und man musste kein Genie sein um zu wissen, worauf das hinauflief. Seufzend machte ich mich daran, die Teller einzusammeln. Ich war komplett geschafft, als Namazu mich endlich von meinen Aufräumarbeiten nach dem Strudelfiasko erlöste. Es war nicht beim Spülen des höchsten Berges Geschirrs, das ich seit meinem Ferienjob in einer Jugendherberge gesehen hatte, geblieben, und das ganz ohne Spülmaschine. Zwischen Namazu mit seinem Putzfimmel und Fugu mit seinem OCD, der eine ganz genaue Vorstellung hatte, wie alles weggeräumt werden musste, dauerte es gefühlte Stunden, ehe ich endlich fertig war. Die Arbeit an sich war nicht zu anstrengend, aber kombiniert mit meiner unterschwelligen Übelkeit, die unter Deck eindeutig schlimmer war, den Kopfschmerzen, die mit dem Fortschreiten der Stunden wieder stärker wurden und ach ja, meinem unfreiwilligen Auftauchen auf dem U-Boot eines sadistischen Supernovas, was meinen Gemütszustand nicht wirklich verbesserte, war ich total geschlaucht. Dass ich Namazu also nur stolpernd folgte, hatte wenig mit dem schrecklichen Schwanken zu tun, sondern mehr mit meinen schweren Augenlidern. „Du kannst hier schlafen.“ Ich blinzelte auf die Hängematte hinab, die Namazu mir eben zugewiesen hatte, ehe ich mich umsah. Wir waren anscheinend in einem Schlafsaal. Indem alle schliefen. Ganz toll. Wieso hatte ich mir eigentlich etwas anderes erwartet? Das hier war keine Law/OC Mary Sue Geschichte, sondern real und ich hatte garantiert nichts getan, um ein Extrawürstchen zu verdienen. Ich konnte dankbar sein, dass ich nicht schon früher den Ewigen Schlaf angetreten hatte. Der Schlafsaal war genauso, wie man es sich von einer Männer-WG erwartete: chaotisch (nicht, dass ich als Frau besser wäre, aber das würde ich bestimmt niemanden auf die Nase binden). Kleider und Overalls lagen verstreut auf Boden, Betten und über alles geworfen, was nur dazu dienen könnte. Es erinnerte mich an meine Schwimmtage, wo wir jeden möglichen und unmöglichen Platz nutzen, um unsere nassen Tücher und Badeanzüge aufzuhängen. Ich fühlte mich augenblicklich pudelwohl. Nun ja, so sehr man das denn in einer Geiselsituation sein konnte. Und auch nur, bis ich mir im Halbdunkeln meinen armen, dicken Zeh an einer schweren, unnachgiebigen Hantel stieß. Ein bisschen Aufräumen wäre vielleicht doch keine so schlechte Idee. „Das Badezimmer ist gleich nebenan.“ Namazu seufzte. „Versuch niemanden aufzuwecken, wenn du hinmusst.“ Damit ging er zu seiner eigenen Hängematte. Ich rollte die Augen und verkniff mir einen Kommentar, dass alte Männer wesentlich öfter in der Nacht aufstehen mussten, als Frauen. Dann ließ ich mich behutsam auf dem instabilen Stück Stoff nieder, das fortan mein Schlafplatz sein sollte – und wäre beinahe sofort raus gefallen, als ein blonder Haarschopf über mir auftauchte und mir einen dunklen Blick zuwarf. Das Grinsen war zuckersüß und bedrohlich. „Gute Nacht, Kübli. Lass dich nicht beißen.“ Ich war empört über den Spitznamen und verunsichert, ob der letzte Teil sich wirklich auf die Bettwanzen bezog, war aber zu geschafft, um mir ernsthaft Sorgen zu machen. Shark schien enttäuscht über meine fehlende Reaktion und sein Kopf verschwand. Keine drei Sekunden später schnarchte er auch schon und als ob das ein Signal war, wurde das Licht gelöscht und die Heartpiraten kamen zur Ruhe. Mehr oder weniger. Ich rollte mich seufzend ein und hoffte, dass ich bei dem Schnarchorchester, welches rasant Fahrt aufnahm, auch nur ein paar Stunden bitter nötigen Schlafes bekommen würde. Natürlich klappte das nicht, auch wenn mich das nur wenig wunderte. Ich war schon immer eine komplizierte Schläferin gewesen und selbst wenn nicht, glaubte ich kaum, dass irgendjemand in meiner Situation ein Auge zugetan hätte. Sogar zu Hause konnte ich nur mit Ohrenstöpseln schlafen, weil mich jedes noch so kleinste Geräusch aufweckte, und hier wurde nicht nur um die Wette geschnarcht, sondern knarzte das U-Boot auch bei jeder Welle und es herrschte trotz später Stunde noch rege Aktivität; die Heartpiraten arbeiteten wohl in Schichten und lösten sich regelmäßig ab. Mal davon abgesehen verschwand Namazu bestimmt dreimal auf die Toilette, dieser Scheinheilige und Fugu stand einmal auf und begann den Schlafsaal zu sortieren, bis Namazu ihn zurück ins Bett scheuchte. Zu guter Letzt quetschte sich Jean Bart durch die Tür wobei das U-Boot mit jedem Schritt zu vibrieren schien und ich starrte den Giganten mit offenem Mund an. Wie er überhaupt ins U-Boot passte war mir schleierhaft. Bei dem ganzen Lärm machten das Licht, das durch das Bullauge fiel und die für meinen Schlaf notwendige Finsternis zerstörte oder die ungemütliche Hängematte mit der Decke, die einfach nicht alle lebensnotwendigen Extremitäten schützend abdeckte, auch keinen großen Unterschied mehr. Mal davon abgesehen brummte mein Kopf nach wie vor, mir war noch immer leicht übel und ach ja, ich war in einer anderen, mir nicht gut gesonnenen Welt gestrandet. Irgendwie hatte ich mir das immer anders vorgestellt. Meine bisher unterdrückte Panik machte sich nun bemerkbar, wo ich mich nicht mehr von Arbeit oder Piraten ablenken ließ und ich spürte, wie mein Herz schneller klopfte und der Kloß in meinem Hals weder meiner Übelkeit noch meiner Atmung zuträglich war. Ich unterdrückte ein hysterisches Lachen. Mein Herz, Heartpiraten, Law der Herzen sammelte. Wie zum Teufel kam ich aus der Situation wieder raus? Lebendig und mit dem Herz am rechten Fleck? Das Nervenaufreibendste, was ich bisher erlebt habe, war der Prüfungsstress beim praktischen Führerschein, aber um mein Leben musste ich noch nie bangen. Und ich hatte keinen Plan, wie sich meine Situation verbessern sollte. Schatzkarte und Neue Welt, schön und gut, aber wie sollte ich es bis dorthin schaffen? Law kam mir nicht wie jemand vor, der sich mir aus purer Herzensgüte erbarmte und mich durchschlug. Als ob er ein Herz hatte... wahrscheinlich hatte er mehrere, keins davon sein eigenes. Ich schnaubte. Galgenhumor. Toll. Shachi wäre bestimmt begeistert. Und selbst wenn ich Law von meiner Mission überzeugen konnte, verspürte ich nicht die geringste Lust, mir Mingo zum Feind zu machen. Und überhaupt, zwei Jahre warten? Lief die Zeit bei uns normal weiter? Was würden meine Eltern und Freunde denken? Ich nahm einen zittrigen Atemzug, schluckte schwer und versuchte, meine Sorgen zu verdrängen. Eins nach dem anderen. Zuerst schlafen, dann einen weiteren Tag überleben. Einen nach dem anderen. Irgendwie. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)