Baby on Board von KiraNear ================================================================================ Kapitel 1: Planänderung ----------------------- "Und stellt keine Dummheiten an, wenn ich nicht da bin. Wenn ich eurem Vater etwas erklären muss, dann möchte ich lieber von Anfang an dabei sein!", rief sie den Kindern noch hinterher, bevor diese sich auf den Weg zur Schule machten. Unsicher, aber auch gleichgültig darüber, ob die Kinder ihre letzten Worte überhaupt gehört hatten, ließ Fran die Türe zuknallen. Ein paar Schritte von ihr entfernt stand Niles, und putzte wie üblich das kleine Tischchen, um es hinterher wieder mit einem netten, kleinen Blumenstrauß zu verzieren. "Miss Fine, passt es so?", fragte er sie, nachdem er noch ein wenig am Strauß herum zupfte. Als Antwort von ihr kam nur überlegendes Gebrumme, gefolgt von ein paar geschickten Handgriffen. "Ja, das sieht wirklich schön aus, das haben Sie gut gemacht, Niles!" "Natürlich sehen diese Blumen gut aus, immerhin haben Sie sie selbst gekauft", konterte dieser. Kaum erinnerte sie sich daran, dass sie die Blumen tatsächlich gekauft hatte, wischte sie seine Bemerkung mit einer Handbewegung weg und meinte nur: "Keine Angst, sie werden das eines Tages auch noch hinbekommen. Auch, wenn sie Brite sind", fügte sie noch hinzu und lachte darüber. Ebenso auch Niles, immerhin kannte er seine Kollegin nun lang genug, um zu wissen, dass ihre Bemerkungen gerne spitz, aber im Gegensatz zu denen von Miss Babcock nicht beleidigender Natur waren. Sie selbst hatte sich längst wieder vor den Spiegel gestellt und fing an, ihre ohnehin makellose Frisur noch weiter in Form zu bringen. Neugierig wie immer, stellte sich Niles neben sie. "Was haben Sie eigentlich an Ihrem morgigen freien Tag geplant? Haben Sie wieder ein Date oder beehrt uns wieder Ihre Mutter mit ihrem Besuch?" Fran sah ihm an, dass er gedanklich bereits dabei war, den Kühlschrank wieder aufzufüllen. Jedoch klopfte ihm jedoch nur auf die Schulter. "Nein, nichts dergleichen, Sie können also ruhig wieder aufhören, da oben die Putenschnittchen zu machen“, und deutete dabei auf seine Stirn. Dann drehte sie sich wieder zum Spiegel, dieses Mal allerdings um ihren Lippenstift nachzuziehen. "Morgen treffe ich mich mit Val und gehe ein wenig mit ihr shoppen. Das haben wir schon lange nicht mehr gemacht. Wir wollen einfach nur ein wenig Spaß mit uns haben, und zugreifen, bevor es die anderen tun. Man muss einfach nur das richtige Gespür haben, wo gerade was im Angebot und Schwupps, schon kann man sich mehr leisten. Es gibt eben einen großen Unterschied zwischen einer und drei Kunstfelljacken." "Ja, sie sind geradezu dimensional", fügte der Butler sarkastisch hinzu. "Ach Niles“, antwortete Fran belustigt und haute ihm wieder sachte auf die Schulter. Zwar arbeitete Fran erst seit einem knappen Jahr im Hause Sheffield, jedoch haben sie sich recht schnell verstanden und wirkten wie ein eingespieltes Team, das schon seit vielen Jahren so gut miteinander agiert.     Doch die Beiden waren nicht das einzige Team im Haus. Später, jedoch am gleichen Tag saßen Mr. Sheffield und C.C. im Büro und planten das nächste Musical, eines über Hütehunde und Schafe. Erst wollte Maxwell einlenken, doch C.C. konnte ihn mit einem gut formulierten "Denk daran, Maxwell, du hast bereits einmal ein Musical mit Tieren abgelehnt. Mach nicht wieder den gleichen Fehler wie damals, oder willst du Andrew Lloyd Webber wieder in die Hände spielen? Sei nicht dumm!" vom Gegenteil überzeugen. Nun waren sie da und überlegten sich die perfekten Besetzungen für die Rollen. "Wir könnten diesen einen Herren fragen, diesen Fanning. Der hat doch schon mal für ein Stück bei uns gespielt und ich finde, er hat da eine ziemlich gute Figur gemacht." Natürlich ging es ihr dabei wie üblich nicht um das Stück selbst. Eher legte C.C. großen Wert darauf, dass Maxwell sie als fleißig und klug erachtete, um endlich die Zuneigung von ihm zu bekommen, die sie schon so lange von ihm ersehnte. Doch auch jetzt stießen ihre versteckten Annäherungsversuche auf einen Eisblock. Trotzdem war er von ihrem Vorschlag nicht abgeneigt, wie man ihm ansah. "Ja, er wäre in der Tat eine gute Wahl, warum noch mal haben wir ihn so lange nicht mehr engagiert?” C.C. sah ihn zwar mit einer Mischung aus Unkenntnis und Desinteresse an, er jedoch sah nicht zur ihr, sondern Richtung Tür. Er wartete ein paar Augenblicke, dann seufzte er. “Ja, Niles, ich rede mit Ihnen. Kommen Sie schon rein, Sie müssen nicht mehr so tun, als würden Sie die Bilder im Flur reinigen.” Dieser ließ nicht lange auf sich warten, und kam mit einem Staubwedel bewaffnet in das Büro seines Chefs. Er hatte tatsächlich vorgetäuscht, die Bilder vom Staub befreien zu wollen, um in Wirklichkeit nur wieder dem Gespräch der Beiden zu lauschen. Er stellte sich vor dem Tisch auf und meinte lediglich: “Soweit Sie wissen, Sir, bin ich gut über die Dinge innerhalb dieses Hauses informiert, jedoch nicht so gut über die Dinge jenseits der Haustür. Wenn Sie darüber etwas wissen wollen, müssen Sie Miss Fine fragen.” Mit einem skeptischen Blick sah Maxwell seinen Bediensteten an, dabei nahm er seine Lesebrille ab. Es brauchte ein paar Sekunden, bis Niles den Blick abwendete und anfügte: “Nun gut, Sie haben mich. Soweit ich weiß, hatte Mr. Fanning große familiäre Probleme und hat, wenn meine Informationen stimmen, auch geheiratet. Sie haben ihm eine Glückwunschkarte geschickt, in der Sie ihm eine glückliche und zufriedene Ehe gewünscht haben. Wissen Sie noch?” Kaum hatte Niles das ausgesprochen, fiel der Stein der Erkenntnis bei Maxwell. “Achja, genau, das stimmt. Sie haben damals eine wirklich ausgesprochen schöne Karte ausgesucht, Niles”. “Danke, Sir, ich habe mir viel Mühe gegeben. Immerhin sehe ich eine Ehe nicht gleich als Trauerfall an, im Gegensatz zu anderen Leuten.” Hämisch grinsend sah er zu C.C, die sich mal wieder auf die Couch gesetzt hat. “Obwohl das in Ihrem Falle wirklich ein Trauerspiel für den armen Hund wäre, der mit Ihnen als Ehefrau gestraft wäre.” C.C. durchbohrte ihn wie so oft mit einem bitterbösen und giftigen Blick, doch erreichte sie damit nur das Gegenteil. Vergnügt widmete sich Niles zum Gehen, um nun wirklich seiner Arbeit nachzukommen. Auch Maxwell ging wieder seiner Arbeit nach, kaum war Niles gegangen, nahm er das Telefon und wollte anfangen zu wählen, als er bemerkte, dass er keine Nummer zur Hand hatte. Wie als hätte er in die Zukunft gesehen, kehrte Miles mit einem dicken Telefonbuch zurück, welches er auf den Schreibtisch seines Chefs legte.  “Ah, danke schön, Niles!”, und fing an, in diesem herumzublättern. “Mit Vergnügen, Sir,” erwiderte dieser und verschwand wieder durch die Tür. Maxwell dagegen wählte die Nummer, unter C.C.s neugierigen Blicken. Nach ein paar Minuten, in denen er sich nach dem Wohlbefinden von Mr. Fanning unterhalten, ihm zur Hochzeit gratuliert und ihm von seinem neuesten Stück, bei dem Mr. Fanning und seine Frau als Besetzung mitwirken sollten, erzählt. Jedoch wurde seine Vorfreude darauf je zerbrochen, als sein Gegenüber auf der anderen Seite des Telefons einen Einwand einschob. “Moment, was meinen sie, es gibt ein kleines Problem? Sagen sie es mir, wir können es bestimmt für sie lösen!” Nachdenklich hörte er ihm zu, und je länger er es tat, desto ratloser sah er aus. Resignation zeichnete sich nun auf seinem Gesicht, was C.C. nun auch Anlass für Sorgen gab. “Maxwell, stimmt etwa was nicht?”, flüstert sie ihm fragend zu. Sie war, wie selbstverständlich, wie ein Jagdhund in Witterungsposition gegangen, auch wenn sie dadurch nicht mehr hörte als davor. Denn auch sie hatte großes Interesse daran, dass der Deal mit dem Schauspielerpaar glatt über die Bühne geht. “Hm, ich verstehe. Nun, ich sehe was ich tun kann und werde Sie dann gleich wieder zurückrufen. Einen schönen Tag noch, Steven.” Danach legte er auf.     Fast schon kreidebleich blickte C.C. ihren Geschäftspartner an. “Was hat er gesagt? Ist er krank? Ist er bereits an einem anderen Produzenten gebunden? Verlangt er zu viel Geld?” Wie eine besorgte Mutter war sie vom Sofa aufgesprungen und lehnt sich nun ihm gegenüber an den großen Tisch. Irritiert sah Maxwell sie an, dann legte er seine Brille ab. “Nein, C.C., es ist nichts in der Richtung. Die Fannings sind mehr als begeistert von der Idee, er konnte gar nicht aufhören, sich für die Rolle zu bedanken.” Besorgt rieb er sich die Stirn, wie immer, wenn er Schwierigkeiten mit dem Überbringen einer Nachricht hatte. “Uns allen wäre es natürlich am liebsten, wenn wir den Vertrag noch heute unter Dach und Fach bringen würden. Sie könnten sogar schon morgen zur Probe kommen. Allerdings haben sie vor längerem ein Baby bekommen und sie haben bisher noch niemanden, der auf ihre kleine Tochter aufpassen könnte. Und sie sagen, solange sich das nicht ändert, können sie leider nicht bei unserem Stück mitmachen.” Wieder reibt er sich die Stirn. “Naja”, erwidert C.C, die langsam wieder auf die Couch zurückgekehrt war und sich eine Strähne aus dem Gesicht schob, “sie könnten das Kind doch auch für immer abgeben, dann haben sie das Problem nie wieder.” Wofür sie nur eine hochgezogene Augenbraue erntete. Wie um weitere Schäden zu vermeiden, ruderte sie ein wenig zurück. “Sie könnten aber auch die Erziehung einem Kindermädchen überlassen, mir hat es ja auch nicht geschadet. Ich wurde auch von einem Kindermädchen erzogen und bin nun eine selbstbewusste und starke Frau geworden.” Woraufhin man im Flur ein verhöhnendes Lachen hören konnte. C.C. quittierte dies lediglich mit zusammengekniffenen Augen, mit dem Blick Richtung Flur. Derweil rieb sich Maxwell mit den Fingerspitzen erneut über die Stirn. “Nun, C.C, es ist nicht so, als sie hätten sie nicht bereits ein Kindermädchen engagieren können, allerdings ist diese nicht sofort einsetzbar. Momentan befindet sie sich wohl noch bei einem Au-pair-Aufenthalt in Wien, von dem sie so spontan nicht hierherkommen kann. Erst in ein paar Tagen. Allerdings sieht es damit etwas eng aus, wenn es nach der Planung des Theaters geht …” Während er das aussprach, blätterte er in einem kleinen Programmheft herum, und wurde fündig. Tatsächlich hatte er mit seiner Aussage Recht, weswegen er nun weiter überlegte. “Wir bräuchten also jemanden, der zumindest in der ersten Zeit der Proben auf das Kind aufpasst, solange, bis das Kindermädchen aus Wien hier ist. Es ist ja nicht so, als würde die Lösung einfach so durch die Tür kommen, wenn man sie braucht …” Wie als wäre es ihr Stichwort gewesen, schritt Fran mit flotten Schritten durch die Bürotür, nachdem sie ihr Ankommen mit einem amüsierten “Klopf klopf” ankündigte. Zwar klopfte sie wirklich kurz gegen die offene Tür, jedoch hörte man das im Gegensatz zur ihrer markanten Stimme nur schwach. “Sie sehen bezaubernd aus … lassen Sie mich raten: Sie gehen heute Abend mit Val auf Männerjagd? Richtig?” Immer noch amüsiert, stimmte Fran ihm zu. “Danke schön, Mr Sheffield. 50% bei Macy’s. Hat mich nur ein paar Nerven, Haare und Strumpfhosen gekostet.”, prahlte sie stolz herum. “Nun, Mr. Sheffield, ich wollte Ihnen nur Bescheid sagen, dass die Kinder versorgt sind. Gracie ist bei einer Freundin, ihren Geburtstag feiern. Brighton macht oben Hausaufgaben … ok, gut, er schreibt sich … öhm, etwas von meinen Notizen zusammen, die ich ihm erstellt habe. Und Maggie …” Schnell überlegte sie sich, was sie nun sagen sollte. Denn auf eine endlose Diskussion, warum Maxwells älteste Tochter schon wieder auf einem Date mit einem Jungen ist, hatte Fran im Moment keine Lust. “Maggie trifft sich mit ein paar Schulkameraden, sie arbeiten an einem gemeinsamen Projekt. Heißt, ich hätte freie Bahn und könnte nun mit Val weggehen.” Schon ist sie auf ihre knallroten Stöckelschuhe gesprungen, und wäre beinahe wieder aus dem Büro gestürmt, als Maxwell sie noch kurz bittet zu bleiben. “Ah, ich verstehe. Soll ich Ihnen etwas mitbringen? Das Restaurant, in das wir heute gehen, bietet heute das All-you-can-eat-Buffet an und ich bin mir sicher, dass wir Ihnen was einpacken lassen können. Was ist Ihnen lieber, soll ich Ihnen Garnelen oder viel lieber mehr Steak mitbringen?” Mit ihrem typischen Lächeln, das sie wie einen sympathischen Sparfuchs wirken lassen soll, beendete sie ihr kleines Angebot. Maxwell erwiderte ihr Lächeln, richtete sich auf und ging auf seine Angestellte zu. Wie immer, wenn er sie um etwas für ihn “Unangenehmes” bitten will, rieb er sich die Hände. “Miss Fine, ich weiß Ihr Angebot zu schätzen und würde es jederzeit annehmen, aber dieses Mal muss ich Sie um einen anderen Gefallen bitten.” Er nahm sie sachte am Arm und schob sie ein wenig zur Seite. Wie immer, wenn er sonst nur versuchte einen Geldgeber von seinem neuesten Stück zu überzeugen. “Miss Fine, ich kann mir vorstellen, dass Sie sich schon auf Ihren freien Tag morgen, die Shoppingtouren mit Valerie und die vielen hinreißenden Männer, die sie da hätten kennenlernen können, gefreut haben …” Er nahm ihre Hand und sprach ihr so sanft er konnte, ins Gesicht: “Allerdings brauchen wir Ihre Hilfe, Miss Fine und dabei können nur Sie uns helfen. Es ist sehr spontan und Sie sind unsere einzige Rettung.” Ein wenig besorgt sah sie ihren Chef an. “Geht es um die Kinder? Soll ich auf sie aufpassen? Ist etwas mit ihnen?” Wie um sie zu beruhigen, drückte er ihre Hand leicht fester, mit der anderen streichelte er ihre Schulter. “Aber nein, mit den Kindern ist alles in Ordnung. Und ja, Sie müssen auf ein Kind aufpassen, allerdings auf keines der meinen. Sagt Ihnen der Name ‘Fanning’ irgendwas?” Eine rhetorische Frage, denn ihr Gesichtsausdruck verriet ihm, dass ihr der Name mehr als bekannt war. “Etwa der Stephen Fanning?”, stieß sie sich fast schon hyperventilierend aus. “Ich liebe ihn, er war so ein guter Schauspieler. Besonders in dieser Serie, in der er den Hausmeister spielte, war er einfach genial!” Da die anderen bereits daran gewöhnt waren, dass die Nanny mit Vorliebe von Schauspielern und vorrangig ihren Rollen schwärmte, ging niemand darauf ein. Denn beim nächsten Mal würde sie einen anderen Prominenten anhimmeln. Dennoch war sie den meisten Anwesenden so sympathisch, weil sie sich so schnell begeistern ließ, wie ein kleines Kind. Darum lächelte Maxwell sie nun wärmer an, als ihm bewusst war, und fuhr seine Bitte fort: “Haargenau, es geht um den Stephen Fanning. Ich habe ihn gerade angerufen, er und seine Frau sollen die Hauptdarsteller in unserem neuen Musical werden. Sie würden da auch gerne mitmachen, allerdings haben sie ein kleines Problem: Sie haben für die nächste Zeit niemanden, der auf ihr kleines Baby aufpassen könnte. Zwar haben sie ein Kindermädchen engagieren können, allerdings kann es aus privaten Gründen erst in ein paar Tagen zu uns in die USA kommen. Und jetzt kommen Sie ins Spiel. Ich möchte Sie bitten, auf das Kind der Beiden aufzupassen, bis das Kindermädchen aus Wien hierherkommt. Es wird vermutlich nur für die nächsten Probetage sein, da wir die Deadline für die Aufführung längst erreicht hatten …”, dabei rieb er sich verlegen an die Nase. Es war ihm unangenehm, das zuzugeben, weswegen er sich wieder aufrichtete und erneut Fran ansah. “Natürlich hoffe ich, das macht Ihnen keine allzu großen Umstände.” Fran dachte über das Angebot nach, und auch wenn sie das Angebot keineswegs ablehnen würde, zog sie gekünstelt eine nachdenkliche Miene. “Sie haben danach auch bei mir was gut,” fügte Maxwell noch dazu. “Also, kann ich mich auf Sie verlassen?” “Ich darf auf das Baby von Mr. Stephen Fanning aufpassen und Sie fragen mich, ob das für mich in Ordnung sei?” Als Antwort darauf ließen ihre Beine nach und sie fiel der Länge nach hinten um; zu sehr war sie von der Vorstellung überwältigt, die Verantwortung für den Nachwuchs einer ihrer Lieblingsschauspieler zu bekommen. Sofort eilte Maxwell zu ihr, hob sie hoch und sah sie besorgt an. Auch wenn er dieses Verhalten von ihr gewohnt war, machte er sich doch jedes Mal Sorgen um sie. Wenn sie schon bei jemandem wie Fanning so reagierte, was würde wohl passieren, käme ihre persönliche Göttin Barbra Streisand zur Türe hinein? Müsste ihr dann gleich noch ein gutaussehender, jüdischer Notarzt folgen? Diese Gedanken abschüttelnd, half er Miss Fine wieder auf die Beine und hielt sie, bis sie wieder einigermaßen selbstsicher stand. Welche sich dafür bedankte. Im gleichen Atemzug fiel ihr etwas ein, und mit einem “Ich muss sofort meine Mutter anrufen!”, eilte sie mit schnellen Schritten aus dem Zimmer, einen grinsenden Maxwell hinterlassend. Kaum war das Kindermädchen außer Hörweite, spannte C.C. sich an und gab ihre Bedenken zu Wort. “Maxwell, bist du dir sicher, dass sie bei ihr gut aufgehoben sind? Ich meine, wir reden hier über Nanny Fine!” “Ach hör doch auf, C.C.,” meinte Maxwell, welcher wieder auf seinen Stuhl zurückgekehrt war, “Du machst dir viel zu viele Sorgen. Ich kann ihr ohne Bedenken meine eigenen Kinder anvertrauen, da kann es sicherlich auch mit Fannings Kind tun … Hoffe ich!” Letzteres fügte er noch eilig hinzu, was seine Geschäftspartnerin als Anreiz nahm, noch weiter im Feuer zu stochern. “Maxwell, das sind Kinder, keine Babys. Wer weiß, welchen Schaden das Kind annehmen könnte, wenn es ihr zu lange ausgesetzt ist? Sie hat doch überhaupt keine Erfahrung mit Babys!” Langsam wurde es Maxwell zu bunt.  Aus irgendeinem Grunde, den er nicht erkannte oder den er sich nicht eingestehen wollte, hatte er auf einmal das Bedürfnis, seine Nanny zu verteidigen. “Gut möglich, C.C., sie mag das Wissen jetzt nicht haben. Aber sie kann nur dazulernen. Für später, wenn sie mal ihr eigenes Kind haben sollte …” “Ha, sei doch mal ehrlich, wie alt sie sie jetzt? Sie hat doch noch nicht mal einen Mann, wie soll sie da zu einem eigenen Baby kommen? Maxwell, das wird doch nie was!”, fiel C.C. ihm ins Wort. “Sicher, dass sie nicht gerade über sich selbst reden, Miss Babcock?” Niles, der seine Abstaubtour in Maxwells Büro fortsetzte, hatte wie immer einen Heidenspaß daran, seiner Rivalin eine reinzudrücken. Was er in diesem Moment auch wieder genoss. “Wie auch immer, ich vertraue Miss Fine. Ich gebe zu, sie hat schon eine Menge Katastrophen angerichtet, aber ich bin mir sicher, dass dieses Mal alles gut gehen wird.” Damit war das Thema für ihn gegessen, was auch C.C. akzeptierte. Schmollend verzog sie sich noch weiter in das Sofa. Wäre es physikalisch möglich gewesen, wäre sie in der Couchritze verschwunden, “um ihre Wunden zu lecken”, wie Niles sagen würde. Dieser tat nun das, was er bisher die meiste Zeit imitierte: Staubwischen. Maxwell wählte schließlich freudig die Nummer seines neuen Hauptdarstellers, er konnte es kaum abwarten, ihn von seiner Idee zu erzählen. “Hallo, Mr. Fanning. Ich glaube, ich habe eine sehr gute Nachricht für Sie …” Kapitel 2: Dakota ----------------- "Ist es schon da, ist es schon da?" Aufgeweckt wie ein Wiesel hüpfte die kleine Gracie um Niles herum, der ihr mit müden Augen entgegenblickte. "Ihnen auch einen guten Morgen, Miss Gracie. Schön zu sehen, dass Ihr bereits zu dieser frühen Morgenstunde so energiereich seid." Er selbst konnte nur schwer ein Gähnen unterdrücken, musste er sich an diesem Tag noch früher aus dem Bett quälen als er es sonst die letzten Jahre gewohnt war. Das alles nur, weil sein Boss auf den Künstler mehr als einen guten Eindruck machen wollte und Niles damit beauftragt hatte, dafür sorgen, dass auch alles gut gehen würde bei der Übergabe des Kindes. Größtenteils aber blieb ihm der Schlaf verwehrt, weil Gracie vor lauter Aufregung selbst nicht mehr schlafen konnte und ihn über die Gegensprechanlage mit Fragen und Bitten immer wieder aus dem Bett geholt hatte. Nicht, dass er seinen Job nicht lieben oder zumindest mögen würde. Aber das war eine der Momente, in denen er wünschte, jemand anderes wäre der Butler und nicht er. "Um Ihre Frage zu beantworten, die Sie mir erst vor einer Minute und die Minute davor und die davor gestellt haben: Nein, das Baby ist noch nicht da", sagte er mit Nachdruck und leicht genervtem Blick. Gracie verstand die versteckte Nachricht sofort und setzte sich schweigend zu ihrer großen Schwester. "Hach, ich bin auch schon ganz aufgeregt", meinte Maggie; dabei spielte sie unentwegt mit ihren Händen herum. "Das Baby wird bestimmt sowas von süß aussehen, meint ihr nicht? Ob es wohl ein Junge oder ein Mädchen sein wird? Hoffentlich bekommen wir es auch lange genug zu sehen!" "Wen interessiert das schon? Babys sehen auch nicht anders aus als die Baby Borns oben in Gracies Zimmer." Brighton, der sich noch genervter als Niles klang, saß auf der Treppe, die Hände auf sein Kinn gestützt. Wie immer hatte Niles die drei Kinder schick herausgeputzt, wovon der Junge nicht sehr begeistert war. Gelangweilt sah er sich um und wünschte sich ebenfalls, dass er die eine Stunde, die ihm nicht vergönnt gewesen war, noch im Bett verbringen könnte. Stattdessen musste er schick gekleidet auf das Baby irgendeines Prominenten warten und das nur, weil sein Vater mal wieder nur an das Musical dachte. "Ich versteh nicht mal, warum wir überhaupt dabei sein müssen? Wir werden eh nicht auf das Baby aufpassen, sondern Fran. Die meiste Zeit werden wir mit unseren Klassen im Museum sein - warum also müssen wir jetzt hier sitzen? Ist ja nicht so, als ob das Baby sich in 20 Jahren daran erinnert und uns dann in seiner Tony-Rede erwähnt." "Sehen Sie es doch so, Master Brighton, Ihr seid nicht der einzige, der zu dieser frühen Uhrzeit aufstehen musste. Abgesehen davon will Ihr Vater mit euch doch nur vor Mr. und Mrs. Fanning einen guten Eindruck schinden. Er möchte nur, dass sie für ihn in einem seiner Stücke spielen, und wenn dadurch das Stück erfolgreich wird, wird es eine Menge Geld in unsere Kassen einspielen. Was bedeutet, dass sich der kleine Master Brighton noch mehr von diesen kleinen Matchboxautos kaufen kann, über die ich jedes Mal, wenn ich in seinem Zimmer bin, trete oder stolpere." Brighton sah seinen Angestellten an, und kam zu der Erkenntnis, dass das, was Niles sagte, Sinn ergab. Seufzend zog er sich noch weiter auf die Treppe zurück und starrte stumm auf seine Schuhe.   „Einen wunderschönen guten Morgen, Kinder! Niles!“ Munter und fröhlich hüpfte sie leichtfüßig die Treppe hinunter, wich Brighton aus und begann, sich im Spiegel zu betrachten. Wie immer hatte sie sich extravagant gekleidet: Sie trug einen ihren vielen Lieblingspullover, mit der Union Jack als Komplettmotiv. Dazu einen kurzen, roten Rock; eine halbblickdichte schwarze Strumpfhose und knöchelhohe, schwarze Schuhe. Ihre Lippen kirschrot, lächelte sie die weiteren Hausbewohner an. „Also Kinder, denkt daran, wenn Mr. Fanning zu uns hineinkommt, dann müssen wir auf jeden Fall einen guten ersten Eindruck hinterlassen. Wir müssen uns einfach ganz normal verhalten; damit Mr. Sheffield auf uns stolz sein kann.“ Dabei korrigierte sie ihre hochtoupierte Frisur und fischte mit dem Fingernagel die letzten Essenreste zwischen ihren Zähnen hinaus. Mit einem Schmatzen betrachtete sie ihr vollendetes Werk, anschließend setzte sie sich zwischen Maggie und Gracie auf das Sofa. „Wisst ihr, Mr. und Mrs. Fanning sind ganz normale Menschen, so wie du und ich. Und ihr Baby ist auch ganz normal. Also nicht durchdrehen, wenn ihr sie nachher seht!“ Wie um ihre Worte zu untermauern, klopfte sie den Beiden sanft auf die Beine. Diese jedoch sahen sie amüsiert an, wussten sie doch, dass es der Nanny zwar recht leicht viel, Ratschläge zu erteilen, es ihr aber schwer fiel, sich selbst an diese zu halten.   „Guten Morgen, Kinder! Sie natürlich auch Niles! Und Sie, Miss Fine, sehen mal wieder umwerfend aus!“ Mr. Sheffield kam aus der Richtung seines Arbeitszimmers ins Wohnzimmer, gefolgt von C.C. „Er war gerade noch gut, aber jetzt ist er misslungen!“, kommentierte Niles ihr Erscheinen. Diese ignorierte ihn jedoch. „Danke schön, Mr. Sheffield. Er ist auch sehr bequem und ich will doch gut aussehen, wenn die Fannings mit ihrer süßen, kleinen Tochter hier auftauchen werden!“ Die Stirn hochziehend, sah C.C. zweifelnd zwischen Fran und Maxwell hin und her. „Dann  hoffen wir doch, dass Nanny Fine dem armen Kind keinen bleibenden Schaden hinterlässt. Immerhin wird es ihr schonungslos ausgesetzt sein, mit dieser Frisur und diesen Kleidung; und der Stimme erst! Nicht, dass wir hinterher noch Schadensersatz oder das Geld für ihren Psychiater bezahlen müssen!“ „Das wäre immer noch besser“, konterte Niles, „als würden wir das Kind dem Einfluss einer frustrierten, alten Hexe aussetzen. Nicht, dass das auf das arme Kind abfärbt!“ Maxwell, der schon lange nicht mehr versuchte, den Streit zwischen Niles und C.C. zu schlichten, richtete sich an seine Familie und lächelte sie an. Wobei sein Fokus ganz deutlich immer wieder zu Fran rutschte. „Miss Fine hat vollkommen Recht, die Fannings sind ganz normale Menschen, die im Moment für ein paar Tage einen Babysitter brauchen, also möchte ich auch, dass ihr euch dementsprechend benehmt!“ Besonders bei den letzten Worten sah er Fran intensiv in die Augen, doch diese konnte nicht anders als mit einem unschuldigen Blick zurückzuschauen. Maxwell seufzte, der Ausdruck um seine Augen nahm jedoch weichere Züge an. Trotzdem hoffte er, dass dieser kleine Auftrag nicht auch wieder in einem vollkommenen Chaos enden wird, wie so manch andere Aktionen der attraktiven Nanny.   Gerade, als er noch etwas anmerken wollte, riss ihn die Türglocke aus seinen Gedanken. „Sie sind da, sie sind da“, quiekte seine jüngste Tochter fröhlich und konnte es kaum erwarten, das Baby zu sehen. Kaum hatte Niles die Tür geöffnet, scharrten sich alle bis auf Brighton um den Eingangssalon herum, jeder von ihnen wollte den ersten Blick auf das kleine Baby erhaschen. Eine weitere Ausnahme war Fran, welche sich sofort neben Maxwell stellte und eifrig begann, den beiden Gästen aufgeregt die Hände zu schütteln. „OMG, Mr. Fanning, und Mrs. Fanning, ich bin ein so großer Fan von Ihnen! Ich habe Sie damals in Ihren Rollen als Bruder und Schwester in dem Film „Life of my Time“ so geliebt, Sie waren so atemberaubend gut. Mein Name ist Fran Fine und ich freue mich so sehr, Sie kennenzulernen! Glauben Sie mir, wenn meine Mutter Sie sehen würde, sie würde Sie beide augenblicklich einpacken und nach Queens schleppen, nur um mit Ihnen anzugeben!“ Peinlich berührt, aber auch erfreut, erwiderten sie die Begrüßung, da kam auch schon Maxwell und schob Fran etwas unsanft zur Seite. „Steven, Heather, es freut mich, dass ihr beide es doch so kurzfristig einrichten konntet! Willkommen in New York!“, dabei reichte er ihnen die Hand. Nachdem Niles ihnen aus den Mänteln geholfen hatte, nahmen die Beiden unter Beobachtung des gesamten Sheffield „Haushaltes“ auf dem Sofa Platz. Maxwell gesellte sich zu Ihnen. „Kann ich den beiden etwas zu trinken anbieten, Wasser, Kaffee, Soda?“ „Ein einfaches Wasser würde uns reichen, danke Niles! Wir müssen bald wieder aufbrechen, wir müssen noch ein paar Dinge mit unserem Hotel klären. Ein Hotelzimmer zu buchen wird auch immer mehr zu einer abenteuerlichen Behördenreise.“ Er schüttelte den Kopf. „Aber dafür sind wir wieder mal im wundervollen New York und wir können Maxwell auch mal wieder sehen.“ „Vielen Dank für deine schöne Karte damals zu unserer Hochzeit, sie hat uns wirklich sehr gefreut“, mischte sich Heather ein. Maxwell nickte dankend, während sich Niles nichts anmerken ließ, während er den beiden Gästen ihr Wasser reichte. „Schade, dass du es damals nicht einrichten konntest, persönlich vorbei zu kommen. Aber als wir hörten, dass deine Tochter mit einer schweren Grippe im Bett liegt, konnten wir natürlich verstehen, dass du nicht von ihrer Seite weichen wolltest“, meinte Heather aufrichtig. „Ja, ich wäre echt gerne zu eurer Hochzeit gekommen“, entgegnete Maxwell. „So ist es nun mal mit Kindern, ihr habt Pläne und dann kommt doch noch irgendetwas spontan dazwischen. Keine Angst, das ist etwas, auf das sich alle Eltern früher oder später freuen dürfen.“ Er lächelte, doch auch wenn seine Worte aufrichtig gemeint waren, so waren sie es nicht alle. Zwar litt seine Tochter in der Zeit tatsächlich an einer Grippe, jedoch war es nicht so schlimm, wie er es damals dargestellt hat. Zumal er auch Niles hatte, der sich um sie kümmerte. Er hatte es lediglich, vertieft in seiner Arbeit, versäumt auf die Einladung zu achten und so viel zu spät bemerkt, dass er zu ihrer Hochzeit eingeladen war. Da ihm in den wenigen Tagen kaum Zeit blieb, die Hochzeit einzuplanen, musste er passen. Dass er jedoch besorgt um seine kleine Tochter war, entsprach mehr als der Wahrheit. Hatte er doch erst wenige Jahre davor seine Frau verloren und lebte in der damaligen Zeit mit der Angst, auch noch eines seiner geliebten Kinder zu verlieren.   „Nun ja“, sagte Steven und sah stolz auf das kleine Bündel in den Armen seiner geliebten Frau. „Auf jeden Fall bin ich sehr froh, dass du jemanden gefunden hast, der sich um unsere kleine Dakota kümmern kann. Wir waren so besorgt, da es Anna leider nicht so schnell aus Österreich schafft. Allerdings wäre es uns mehr als eine Freude, in deinem neuesten Stück mitzuspielen; und wir können unseren kleinen Stern noch nicht alleine lassen, das ist vollkommen unmöglich. Wen hast du denn noch so schnell dafür auftreiben können?“ Wie auf Stichwort schlenderte Fran um die Couch herum. „Wenn ich sie euch … vorstellen darf: Das ist Fran Fine, die Nanny meiner Kinder!“ „Hi!“, winkte sie mehr als aufgeregt zu den Beiden hinüber, erntete dafür ein kleines Lächeln. „Diese … reizende junge Dame passt nun bereits seit über einem Jahr auf meine Kinder auf und auch wenn ihre Methoden etwas … ungewöhnlich erscheinen, sind meine Kinder mehr als zufrieden mit ihnen und ich würde sie ihr jederzeit wieder anvertrauen.“ „Ja, kaum zu glauben: Ich stand damals einfach mit meinem kleinen Koffer vor seiner teuer aussehenden Tür …“ Doch Maxwell unterbrach sie und schob sie erneut zur Seite. „Ich bin mir sicher, dass die Beiden nicht an irgendwelchen Details aus der Vergangenheit interessiert sind“, meinte er mit Nachdruck. Steven und Heather merkten es nicht, doch die anderen konnten aus seinen Worten rauslesen: Noch ein paar falsche Worte und Ihr Kopf rollt! Steven und Heather sahen sich an, und bekamen ein zuversichtliches Lächeln auf ihre Lippen. „Maxwell, die junge Dame macht einen recht freundlichen Eindruck und ich traue deinem Urteil. Wenn du ihr deine Kinder anvertrauen kannst, dann können wir das auch. Nicht wahr, mein Schatz?“ Seine Frau nickte bestätigend, erhob sich und reicht Fran das Bündel auf ihrem Arm. Jetzt konnte sie auch das kleine Gesicht sehen, dass aus der Decke hervorguckte. „Kinder, seht euch das an!“, versuchte sie so leise wie es ihr möglich war zu sagen, „Sieht Dakota nicht süß aus, wenn sie schläft?“ Dabei ging sie mit dem Kind im Arm auf die Hocke, damit Gracie es auch sehen konnte. Sowohl ihre Augen, als auch die von Maggie fingen zu glänzen an. „Sie ist ja wirklich süß“, flüsterte sie zurück und betrachtete das Baby weiter. „Sie ist eingeschlafen? Da bin ich aber froh, sie war die ganze Fahrt über wach und ich hatte gehofft, dass sie bald einschlafen würde. Aber keine Angst, unsere Dakota ist ein ruhiges Kind.“ Derweil sah ihr Mann auf seine Armbanduhr, dann tippte er seiner Frau auf die Schulter. „Schatz, ich möchte dich nicht unterbrechen, aber wir müssen uns längst auf den Weg machen. Der Hotelmanager wartet sicher bereits auf uns!“ „Ohja, Schatz, du hast vollkommen recht, wo war ich nur mit meinen Gedanken!“ Er reichte Maxwell eine Sporttasche, welche nicht nur randgefüllt, sondern auch schwer war. „Das hier müsste reichen, es sind Windeln, ihre Lieblingsspielsachen, ein paar Wechselkleidungen und ihr Knuddeltuch. Das müssen sie jede Nacht neben ihr Bett legen, sonst hat sie noch mehr Schwierigkeiten beim Einschlafen.“ Steve trat an seine Tochter heran, und gab ihr einen kleinen Kuss auf die Stirn. Diese reagierte nicht, sondern schlief weiterhin den Schlaf der Gerechten. Steve streichelte ihr vorsichtig an der kleinen Babywange. „Nun gut, Maxwell, Miss Fine, vielen Dank noch mal, dass sie sich um unsere kleine Tochter kümmern. Wir würden sie dann übermorgen wieder abholen kommen. Bis dahin wünschen wir ihnen noch viel Spaß mit unserem kleinen Engel!“ Ein paar Verabschiedungen später machten sich die Beiden auf dem Weg, doch auf dem halben Weg zur Türe fiel Steve noch etwas ein, was ihn kehrt machen ließ. „Achja, Maxwell, wir sehen uns dann morgen in der Probe. Ist es wieder in Halle 5a?“ Maxwell nickte ihm lediglich zu, was Steve an Information genügte. Er warf seiner Tochter noch einen kleinen Handkuss zu, bevor er das Haus verließ und Niles hinter ihm die Tür schloss.   Kaum waren die beiden Elternteile aus dem Haus verschwunden, stürmten Maggie und Gracie auf Fran zu. Sie mussten das knuffige Baby einfach noch einmal aus der Nähe betrachten. Brighton verdrehte die Augen, und verschwand schließlich in Richtung erster Stock. „Aber, aber, jetzt ist mal wieder genug. Ihr werdet noch die nächsten paar Tage genug von ihr zu sehen haben, und ich möchte ja nicht gleich in der ersten Minute etwas machen, was Mr. Sheffield aufregen könnte.“ Dieser hob nur verwundert die Augenbrauen, nahm es der Nanny jedoch nicht übel. Er kannte sie dafür bereits lang genug, um zu wissen, dass sie nie viel Zeit braucht, um von einem Fettnäpfchen ins nächste zu treten. „Wenn Sie möchten, Miss Fine, können sie die kleine Dakota gerne in das kleine Bettchen legen, das ich extra aus dem Keller geholt habe.“ Er schob ein kleines, alt aussehendes Babybettchen um die Ecke, welches auf stabilen Rollen befestigt war. Fran legte die kleine Dakota hinein und sie schien sich darin wohl zu fühlen, bis auf ein kleines Zucken mit ihren winzigen Ärmchen gab sie keine Regung von sich. „Niles, ist das nicht das Babybett, in dem Gracie immer geschlafen hat, als sie so klein war? Ich dachte immer, Sie wollten es vor einer Ewigkeit wegbringen?“ Er lief um das Bett herum. „Aber Sie haben es wohl nicht übers Herz bringen können, alter Junge? Gut, das kann ich auch verstehen, es ist wirklich ein sehr schönes Bett. Gut gemacht, vor allem, da wir das ja jetzt brauchen!“ „Ja, Sir“, antwortete ihm Niles schlicht. „Ich habe es aufgehoben, weil ich es nicht übers Herz brachte. Ursprünglich hatte er im Sinne, das Bett zu entsorgen; hatte es jedoch immer wieder versäumt und vergessen. Dann trat Fran Fine in ihr aller Leben und als er als erster im gesamten Haushalt merkte, dass sein Chef und die Nanny leichte Gefühle füreinander haben, hat er dem Wagen nicht nur eine Lebensverlängerung gegönnt, sondern auch eine dezente Generalüberholung. Doch das würde er seinem Boss gegenüber nicht äußern. „Sehen sie mal, man kann das Körbchen auch aus seiner Verankerung nehmen, dann kann man es viel einfacher die Treppen nach oben tragen“, erklärte Niles. Fran war begeistert, aber eher von dem Baby als vom Wagen selbst. „Ist sie nicht unfassbar niedlich, mit diesen kleinen unschuldigen Händen?“ Gracie beugte sich vorüber, dann sah sie ihren Vater an. „Daddy, habe ich auch mal so ausgesehen?“ „Ja, Gracie, du warst auch mal so klein.“ Stolz streichelte er ihren Kopf. „Aber sag mal, Gracie, müssen du, Maggie und Brighton nicht langsam los? Ihr kommt sonst zu spät zu euren Schulausflügen.“ „Oh Mann“, jammerte das kleine Mädchen herum, doch Minuten später hatten sich alle umgezogen und verließen, die Mädchen weniger begeistert als ihr Bruder, das Haus. „So, da die Kinder nun versorgt sind, werde ich mich auch fertig machen. Val hat sich dazu entschlossen, den Tag stattdessen mit mir hier zu verbringen; und wir werden uns einfach einen Mädelstag zu dritt machen ….“ Sie zögerte, als würde sie auf irgendeine Antwort von Mr. Sheffield warten, jedoch widersprach er ihr nicht. „Das ist schön, dass Ihre Freundin Verständnis hatte. Ich bin mir sicher, dass Sie beide auch hier eine Menge Spaß haben werden.“ Fran strahlte über das ganze Gesicht, dann fiel ihr etwas ein. „Dann muss ich Val unbedingt Bescheid geben, dass sie wirklich kommen kann. Das arme Ding sitzt bestimmt schon den ganzen Tag vor dem Telefon und wartet auf meinen Anruf!“ So schnell und auch gleichzeitig so leise sie konnte, rannte sie zur Küche. „Grüßen Sie Ihre Mutter auch von mir, ja?“, rief er ihr hinterher. Er wusste, dass Sie Val schon längst gesagt hatte, dass sie kommen kann; und dies nur als Ausrede benutzte, um bei ihrer Mutter von der unglaublichen Begegnung mit den Fannings anzugeben. C.C., die die ganze Situation stumm aus der Ecke beobachtet hatte, schlich wie eine Hyäne um das Babybett. „Arme kleine Dakota, da bekommst du doch noch ein Kindermädchen und dann muss es ausgerechnet unsere Nanny Fine sein. Bestimmt wird sie dir die Nägel lackieren und dich auf ihre Art schminken. Hast du ein Glück, dass du kaum Haare hast, sie würde sie dir bestimmt toupieren!“ Sie ließ ein kurzes, verächtliches Gackern von sich. „Ach komm, C.C., du musst nicht immer gleich das schlechteste von Miss Fine denken. Sicher, sie macht viele Sachen, die etwas … unkonventionell sind, aber meine Kinder sind zufrieden mit ihr und dann bin ich es auch. Meistens“, fügte er noch rasch hinzu. „Maxwell, sieh den Tatsachen doch ins Auge. Diese Frau ist 29 oder älter, das weiß ja hier eh keiner sogar genau, nicht mal die Pinguinnase von einem Butler – und sie hat keine eigenen Kinder oder Babys. Wie soll sie sich also darum kümmern können? Am Ende wird das erste Wort des Kindes Sommerschlussverkauf oder Bloomingdale’s sein.“ Wie auch am Vortag, bekam Maxwell ein Stechen in der Brust. Ein leichtes, aber es war immer genau dann da, wenn er das Gefühl bekam, er müsse seine Nanny verteidigen. „C.C., ich bin mir sicher, dass sie es lernen kann. Sie hat zwar keine Kinder, aber sie kann auch gut mit Meinen umgehen und hat schon das eine oder andere kleine Wunder vollbracht. Ich denke, es wird bei Dakota der gleiche Fall sein.“ „Abgesehen davon hat Miss Fine immer noch gute Chancen, um Kinder zu bekommen. Sie dagegen müssten erst einmal einen Mann für mehr als fünf Minuten in ihre Wohnung bekommen, der kein Klempner oder Restaurateur ihres Gesichtes ist.“ C.C. sah zwischen den beiden Männern hin und her, unsicher, ob sie noch etwas entgegnen soll. Doch da der Butler nichts weiter dazu sagte; und auch Maxwell keine weitere Partei ergriff, nahm sie ihren Mantel und schritt wütend zur Tür hinaus. Kapitel 3: Drama, Baby! ----------------------- Ein paar Minuten später saß Fran wieder im Wohnzimmer auf der Couch, aufgeregt plauderte sie über das Telefon mit ihrer Mutter. In allen Einzelheiten erzählte sie Sylvia, welche Kleidung die Fannings trugen, welches Parfum Mrs. Fanning zierte und wie niedlich die kleine Dakota sei, von den kleinen Pausbäckchen bis zu den Minizehen. Niles hatte derweil viel Spaß dabei, Gegenstände im Wohnzimmer zu entstauben und zu polieren, Maxwell dagegen hatte sich wieder in sein Büro zurückgezogen. Vor allem ging es ihm darum, noch die letzten Details zu organisieren, wie er den Beiden schnell herunter gerattert hatte, bevor er sie zurückließ. Hin und wieder warf Fran einen kurzen Blick zu dem Babybett, doch Dakota war viel zu sehr im Traumland vertieft, um jede Sekunde aufwachen zu können. „Jaja, Ma, keine Angst, ich habe alles im Griff, solange du deinen Mund hältst und es nicht in der gesamten Familie herumerzählst. Oder noch schlimmer, in halb Queens! Mr. Sheffield würde durchdrehen, hätte ich deine gesamte Nachbarschaft im Wohnzimmer. Oder sie brennen gleich mit dem Kind durch und ich darf mir wieder eine von Mr. Sheffields Wutreden anhören. Worauf ich ehrlich gesagt nicht sonderlich scharf bin! Dieses Mal mache ich alles anders! Wir werden uns einfach drei schöne Tage machen, und es wird absolut nichts schief gehen! Dieses Mal mache ich keine Fehler und werde Mr. Sheffield beweisen, dass er sich auch mal auf mich verlassen kann.“ Zweifelnd sah Niles das Kindermädchen an, wusste er doch, dass so gut wie fast alles zu einer Katastrophe wurde. Zwar endete das fast jedes Mal gut für sie, dennoch war sie nie weit vom nächsten Fettnäpfchen entfernt. Dann ließ sie etwas fallen, was ihn noch mehr aufhorchen ließ. „Wie, du musst schon weg, wir haben doch erst drei Stunden miteinander geredet? Aber gut, viel Spaß bei deinem … Fitnessclub?!“ Ein ungläubiges Schweigen folgte. „Ja, gut, ich muss ebenfalls Schluss machen, Val könnte jede Sekunde hier sein.“   Kopfschüttelnd drückte sie auf den roten Hörerknopf und sah ungläubig in Niles Richtung hinüber. „Können Sie sich das vorstellen? Meine Mutter hat sich bei einem neuen Fitnessstudio für Frauen im mittleren Alter angemeldet und hat auch noch tatsächlich vor, dorthin zu gehen?“ „Ja, leider kann ich mir das sogar sehr gut. Auch wenn ich mir nicht erklären kann, weshalb.“ Er musste wieder an das Bild denken, dass er für den Rest seines Lebens nicht mehr aus dem Kopf bekommen wird: Sylvia Fine, in einem knallengen pinken Trainingsbody, mit fluffigen Schweißbändern und Kuchenresten in den Grübchen. „Aber Sie glauben doch selbst nicht, dass sie dorthin gehen will, um etwas für ihre Figur im positiven Sinne zu tun? Mit Sicherheit hat dieses Fitnessstudio eine sehr große Auswahl an Kuchen, Cupcakes und anderer Leckereien … und das wird der wahre Grund sein. Der Sport nebenbei wird nur das Ablenkungsalibi sein.“ Fran schüttelte den Kopf. „Ach was, nein, Niles. Da müsste ich ja schon vollkommen naiv sein, um das zu glauben. Die Lieblingswörter von Ma waren ja auch noch nie Fitness oder Ausdauer, sondern Dessert und Buffet. Abgesehen davon machen Sie immer noch die besten Kuchen und Cupcakes, Sie müssen also keine Angst haben, dass Sie ihnen abhandenkommen wird.“ „Diese Angst habe ich schon lange nicht mehr“, meinte er mit einem sarkastischen Unterton. Dann lächelte er. „Aber vielen Dank für das Kompliment. Ich fühle mich geschmeichelt.“ Er wollte gerade zum Gehen ansetzen, da fiel ihm etwas ein und er drehte sich wieder zu Fran um. „Moment, sagten Sie, Miss Toriello wird uns mit ihrer Anwesenheit beglücken? Hier und heute?“ Fran, die mittlerweile neben dem Babybettchen stand und mit verträumten Augen das Kind betrachtete, brauche ein paar Sekunden, bis sie auf seine Frage reagierte. „Ja, wissen Sie, seit Val diesen neuen Job hat, haben wir kaum noch Gelegenheiten, um uns wieder zu sehen. Das mit den Babysitten kam ja recht spontan um die Ecke, also dachte ich mir, dass Val einfach zu mir kommen könnte. Die heißen, jüdischen Kerle können wir auch das nächste Mal aufreißen, die werden schon nicht so schnell vergeben sein. Wenn doch, dann warten da draußen bestimmt noch bessere Männer auf uns.“ Gedanklich war sie wieder an der Seite eines gutaussehenden, jüdischen Arztes oder Anwaltes, was man ihr nur allzu gut im Gesicht ablesen konnte. Niles lächelte amüsiert. Zwar hoffte er unentwegt, dass sein Vorgesetzter und die Nanny zueinander finden würden, fand aber ihre Männergeschichten mehr als unterhaltsam. Auch gab er ihr immer wieder Ratschläge und Tipps; denn letztlich wünscht er sich nichts mehr, als das seine gute Freundin glücklich wird. Nichts auf der Welt wäre ihm dafür lieber, als dass sie an der Seite von Maxwell Sheffield zu sehen. Zudem wäre es seine Wunderwaffe im ewigen Streit mit C.C., um ihr ein für alle Mal den vernichtenden Todesstoß verpassen zu können.   Vorsichtig klopfte es an der Tür, Val stand davor und winkte zu Fran hinein. „Ich mach das schon“, sagte diese zu Niles, stöckelte eifrig zur Türe und öffnete diese. „Fran!“ „Val!“ Im Rausch der Wiedersehensfreude umarmten sie sich herzlich, als hätten sie sich für Monate, wenn nicht sogar für Jahre nicht mehr gesehen. Dabei waren es in Wirklichkeit nur wenige Wochen gewesen. Mit lauten, quietschigen Stimmen beteuerten sie, wie sehr sie sich gegenseitig vermisst hatten und wie sehr sie sich über ihr gemeinsames Treffen freuen, bis sie Niles mit einem deutlichen Räuspern wieder auf eine normale Tonhöhe zurückbrachte. Nachdem ihr Niles aus ihrem dünnen Sommerjäckchen geholfen hatte, zog Fran ihre beste Freundin ungeduldig zu dem Babybettchen. Gerührt legte Val die Hand auf ihre Brust, auch sie war der Niedlichkeit des Babys komplett verfallen. „Das ist also das kleine Kind, auf das du aufpassen musst? Hast du ein Glück, sieht sowas von putzig aus, wenn sie schläft …“ „Sie sieht einfach zu goldig aus; und sie schläft schon seit heute Morgen, als sie hier angekommen ist. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, dass wir entfernte Verwandte sind. Die meisten meiner Cousins schlafen wir ein Stein, und wachen selbst dann nicht auf, wenn sie vor ihrem Fenster die Straße aufreißen. Die bekommst du erst aus dem Bett, wenn sie den Geruch von frischen Pancakes in der Nase haben.“ Während Niles nun das Wohnzimmer in Richtung Küche verließ, konnten sich die beiden Frauen nur schwer vom Bettchen lösen und sich aufs Sofa setzen. Erst, als Niles mit zwei Tassen Milchkaffee und einem Tablett voller bunter Cupcakes zurückkam, fiel es ihnen deutlich leichter.   „So, erzähl mir jetzt doch mal, wie ist dein neuer Job denn so? Hast du nette Kollegen? Einen attraktiv aussehenden Juniorchef? Viele Kunden, die ebenfalls gut aussehen? Als was arbeitest du eigentlich genau?“ Wie ein Platzregen prasselten die neugierigen Fragen der Nanny auf sie ein, doch da sich die beiden schon fast ihr ganzes Leben lang kannten, war sie das von Fran gewohnt. Zumal sie selbst genau die gleiche Angewohnheit hatte und dafür Fran auch gerne mal mit einer Menge Fragen den Bauch löcherte. „Mein Job ist ganz in Ordnung, ich arbeite jetzt in einem Sandwich-Laden. Die Arbeit an sich ist ganz gut, es ist nur manchmal ziemlich stressig, wenn sich die ganzen Schüler und Büromenschen zu uns hinein verirren. Die Kollegen sind ganz nett, da sie aber alle unterschiedliche Schichtzeiten haben, kenne ich sie noch nicht gut genug. Dafür kenne ich den Unterschied zwischen Essig- und Salatgurken. Ich dachte immer, diese Gürkchen sind nur so klein, weil sie auf nem Hamburger zusammenschrumpfen … Aber auch der Name der Firma war so … verwirrend. Als ich mich dort spontan übers Telefon beworben habe, dachte ich, das wäre ein LKW-Verleih oder etwas in der Richtung. Dann sollte ich zum Probearbeiten kommen und dort hieß es dann, ich soll Sandwiches machen. Da habe ich aber ziemlich dumm aus der Wäsche geguckt, das kannst du mir glauben!“ Dumm trifft es da ziemlich gut, dachte Fran und sah ihre Freundin mehr als misstrauisch an. Diese bemerkte das wie üblich nicht und fuhr mit ihrem kleinen Bericht über ihre neue Arbeitsstelle fort. „Sonst gefällt mir der Job recht gut, ich kann mich nicht darüber beschweren. Es ist nur unglaublich, wie viele sich eine Sandwich-Sub-Verlängerung kaufen, nur um dann die Hälfte unangetastet auf dem Tablett liegen zu lassen.“ Sie schüttelt den Kopf. „Natürlich mache ich es wie der Rest meiner Kollegen und mein Chef; und entsorge sie ordnungsgemäß!“ Ein belustigtes Lächeln zierte Frans Lippen, und sie boxte Val leicht in die Seite. „Indem du mögliche abgebissene Stellen wegschneidest und sie dann später selbst verputzt?“ Val bejahte dies und fing ebenfalls zu lächeln an. „Ganz genau, wie du es mir damals in der Schule immer beigebracht hast. Das waren schöne Zeiten …“ In Erinnerungen schwelgend seufzte sie. „Auf jeden Fall kann ich mir so das Geld fürs Abendessen sparen, verdiene ja nicht die Welt dort. Weißt du, was das Lustige daran ist? Seitdem ich dort arbeite, respektiert mich deine Mutter vollkommen. Es hat zwar gedauert, aber ich habe endlich meine Bestimmung gefunden. Das scheint sie wohl mächtig beeindruckt zu haben. Stolz ballte Val die Faust und starrte in die Ferne. Die nüchterne Tatsache, dass Sylvia nicht von Val, sondern von ihren kostenlosen Sandwichen beeindruckt war, verschwieg Fran ihr lieber. „Dir habe ich natürlich auch welche mitgebracht, frisch von meiner Spätschicht gestern Abend!“, dabei klopfte sie auf den kleinen Korb, der die ganze Zeit über neben ihr lag. „Ach, Val, das wäre doch nicht nötig gewesen! Vielen Dank dir!“ Küsschen links, Küsschen rechts. Mit einer Umarmung bedankte sie sich bei ihrer besten Freundin. „Wenn du willst, könnte ich euch öfters ein paar Sandwiches vorbeibringen, das wäre für mich kein Problem. Bezahlt sind sie bereits, der Kunde will sie nicht mehr und mein Boss bedient sich immerhin selbst daran“, schlug Val ihr augenblicklich vor. Fran musste nicht lange über das Angebot nachdenken, sie nickte sofort. „Mr. Sheffield hätte sicherlich gerne mal eine Abwechslung zu dem ganzen asiatischen Essen, dass wir uns in letzter Zeit des Öfteren mal bestellen. Niles … nun, je weniger Niles wirklich arbeiten muss, desto glücklicher wäre er!“ „Das habe ich gehört!“, kam es scherzhaft aus der Gegensprechanlage. „Ich arbeite immer fleißig und engagiert, das ist immer meine Berufung!“ Fran und Val sahen sich an, sie mussten sich stark zurückhalten, dass sie nicht in ein lautes Gelächter ausbrachen. „Aber ja, ich wäre wirklich sehr glücklich darüber … Miss Toriello, wären dann auch welche mit Schicken oder Thunfisch dabei?“ „Ich kann es nicht versprechen, aber ich denke mal, ja, es könnten welche dabei sein!“ „Damit haben sie mich noch glücklicher gemacht!“ Jauchzend verließ seine Stimme die Gegensprechanlage; oder zumindest sein Finger den Knopf für das Mikrofon. Dass er es mit dem Lauschen im gesamten Haus nicht sein lassen konnte, war Fran von Anfang an klar gewesen.   Nachdem sie sich für eine große Weile über Vals gutaussehenden Chef („So ein Knackhintern, so richtig schön zum Reinbeißen! Schade, dass er bereits einen Ring trägt …“) und viele ihrer gutaussehenden Kunden unterhalten hatten, kamen sie bei einer gemütlichen TV-Sendung zur Ruhe und aßen die Reste der letzten Cupcakes. Hin und wieder hatte Fran nach Dakota gesehen, wie auch jetzt. Doch außer ein paar Positionswechsel im Schlaf hatte sie keine große Regung von sich gegeben. „Wie ein kleiner Kieselstein“, kommentierte sie Dakotas Schlaf. Dann sah sie auf den Fernseher, eine ihrer unzähligen Lieblingssoaps fing gerade an. „Ich finde, dass Amanda diesen blöden Brooklyn endlich in die Wüste schicken sollte. Sie ist einfach zu blind, um zu sehen, dass er sie nur ausnutzt, um an das Erbe ihres Vaters heranzukommen.“ „Dabei sieht sie nicht, dass Joey eigentlich viel besser zu ihr passen würde. Oh Mann, und dann sagen die Leute immer, ich wäre blöd“, fügte Val empört hinzu. Fran seufzte, dann hob sie die Schultern. „Ich weiß gar nicht, wie sie es so offensichtlich schafft, so dermaßen blind zu sein! Da läuft die ganze Zeit jemand vor ihrer Nase herum, der, ohne es zu wissen, wahre Gefühle für sie hegt. Sie selbst sieht nicht einmal ihre eigenen Gefühle für ihn und landet von einer Lachnummer zum nächsten Typen, der ihr nur weh tut. Es ist echt bitter, das zu sehen. Da habe ich es sogar noch besser getroffen und ich bin erst … 29!“ Val konnte nicht anders, als ihr nickend zuzustimmen. Kaum sahen sie die Serie für ein paar Minuten, kam Niles mit Schweißperlen auf der Stirn um die Ecke. „Uff, gerade noch rechtzeitig! Warum hat mir keiner was gesagt …  egal, viel wichtiger ist: Ist Amanda immer noch mit diesem Trottel von einem Mann zusammen?“ Fran und Val bejahten dies gequält, als Reaktion darauf ließ sich Niles enttäuscht auf den Sessel fallen. „Diese dumme Gans wird erst sehen, dass sie einen großen Fehler begeht, wenn es bereits viel zu spät ist. Sie sollte bitte endlich die Augen aufmachen, sonst verschwendet sie ihre besten Jahre an diesen ekelhaften Kerl!“ So verbrachten sie die nächsten 40 Minuten, bis die Episode mit einem Cliffhänger endete, gefolgt von einer Ankündigung, dass die nächste Episode aufgrund eines anderweitigen Serienspecials erst in zwei Wochen laufen würde. Die drei stöhnten genervt auf. „Das können die doch nicht machen, nicht so!“, wetterte Niles ein wenig. Da er immer noch den kleinen Staubwedel in der Faust hielt, wirke es wie der Kommentar einer empörten Hausfrau. „Erst hören die an einer super-spannenden Stelle auf und dann machen sie auch noch eine Woche Pause bis zur nächsten Episode! Wie soll ich denn ohne meine wöchentliche Dosis an Familiendrama auskommen, vor allem, da die meisten anderen Soaps in Frühlingspause sind? Immer mit der Frage im Hinterkopf: Werden Joey und Amanda es miteinander tun, oder wird Mr. Goldkettchen dazwischenfunken? …“ Fran und Val sahen ihn stumm an, zwar saßen sie in dem Thema mit ihm in einem Boot, wussten dem aber nichts hinzuzufügen. „Wie auch immer, ich geh jetzt erst mal zurück in die Küche. Master Brighton hatte gestern zu meinem Leidwesen die Idee, Schokoladenpudding in verschiedenen Töpfen zu kochen. Den darf ich nun wieder hinaus kratzen, nicht mal Ihre Mutter würde darin noch etwas Essbares erkennen. Aber zuerst brauche ich das hier!“ Mit diesen Worten schnappte er sich eines der letzten Sandwiches und zog sich zurück, ließ die beiden wieder alleine. „Er soll ja nicht glauben, dass Ma sich von so etwas abschrecken lassen würde. Die isst doch alles, was nicht bei drei auf dem Baum ist.“ Mit diesen Worten schnappte sie sich die Fernbedienung, das weitere TV-Programm kündigte eine weitere Wiederholung eines beliebten Science-Fiction-Filmes an; weswegen sie mangels Interesse begann durch die anderen Kanäle zu zappen. Doch da lief auch nicht sonderlich viel anderes, was die beiden interessieren würde. So ließ sie es einfach bleiben und schaltete den Fernseher aus.   „So, und was machen wir nun?“ Fragend sahen sich die beiden an. Die neuesten Geschichten aus ihrem Liebes- und Familienleben hatten sie bereits bis zum Boden hin durchgekaut. Ein Beautyprogramm kam ihnen in den Sinn, waren jedoch nicht in der richtigen Stimmung dafür. Erst ein stechender Geruch, welcher ihnen wie aus dem Nichts um die Nase wehte, riss sie aus ihren Gedanken. Es dauerte nicht lange, nur wenige Sekunden, dann konnte man auch das Weinen des Babys hören. Was ihre Tonhöhe betraf, schien Fran in ihr ihre Meisterin gefunden zu haben. Mit nicht sehr lauten, aber dafür umso schrilleren Schreien beklagte sich die kleine Dakota über den Zustand ihrer Windel. „Meine Güte, was haben die der denn in die Milchflasche getan? Pulverisierte Autoreifen?“ Sie wedelte sich Luft zu, doch gegen den Geruch half es nicht. „Fran, wir müssen ihr den Windeln wechseln!“ Doch diese sah sie nur hilflos an. „Ich hab das noch nie gemacht, ich weiß doch gar nicht, wie man das macht! Selbst Tracie oder meine jüngsten Verwandten sind längst aus dem Windelalter heraus. Kannst du das machen, Val?“ Doch diese schüttelte nur energisch den Kopf. „Was machen wir denn jetzt?“, dachte Fran laut nach, als Niles ins Wohnzimmer geschlendert kam. „Ich wusste gar nicht, dass Sie mit ihrer Stimme neuerdings so hoch gehen können. Was drückt denn bei der kleinen Fran? … Oh, ich kann es riechen!“ Leicht angewidert warf er einen kurzen Blick auf die Herkunft des unangenehmen Geruchs. „Lassen Sie mich raten, die kleine Miss Fanning hat sich die Windeln vollgemacht und Sie beide sind nun völlig mit der Situation überfordert.“ Mehr als schnell nickten die beiden Frauen mit den Köpfen. „Ich nehme mal an, dass Sie hierbei meine Hilfe benötigen könnten?“ Ein noch eifrigeres Nicken. „Können Sie das denn überhaupt?“, hakte Val ohne Hintergedanken nach. „Wenn es Sie beruhigen sollte, ich habe bereits drei Sheffieldkindern den Hintern saubergewischt, das ist eine meiner leichtesten Übungen.“ Mit geübtem Griff schnappte er sich die kleine Dakota; welche sofort mit dem Weinen aufhörte, dazu die Tragetasche und verschwand für die nächsten Minuten im nächsten Badezimmer. „Weißt du, Fran, es ist wirklich zu schade, dass Mr. Sheffield dir nicht erlaubt hat, mit der Kleinen hinauszugehen. So ein kleiner Spaziergang wäre jetzt echt toll, besonders bei dem Wetter …“ Bedauernd betrachtete sie die Blumen im Eingangsbereich, als wären sie die Antworten auf alle Fragen und Probleme. Fran ging dabei ein Licht auf. „Moment, nein, Mr. Sheffield hat nichts in der Richtung erwähnt. Stimmt, er hat gar nichts davon gesagt!“ Ihre Miene hellte sich auf, Val sah sie nur verwirrt an. „Mr. Sheffield meinte nur, dass ich auf Dakota aufpassen und mich um sie kümmern muss. Dazu zählt auch, dass ich darauf achte, dass das Mädchen auch regelmäßig an die frische Luft muss. Solange wir Bars und Diskotheken bei unserer Tour außen vorlassen, dürfte so ein kleiner Aufenthalt draußen im Freien sicher schaden. Oder wie sehen Sie das, Niles?“ Dabei klopfte sie an der Tür zum Bad.   Dieser war natürlich längst fertig, und hatte die meiste Zeit wieder mit seiner Lieblingsbeschäftigung verbracht: Lauschen. Das Baby im einem Arm, die eingetütete Windel in der anderen Hand und die Tasche unterm Arm, öffnete er die Tür. „Soweit ich informiert bin, haben Sie nur die Aufgabe, das Baby der Fannings zu Babysitten. Wie Sie das machen, hat er dagegen nicht näher festgelegt. Warten Sie, ich habe da sogar was Passendes für Sie!“ Ein paar Minuten später kam er mit einem Baby-Kinderwagen zurück, im gleichen guten Zustand wie das Bettchen. Fran war begeistert. „Oh, Niles, Sie sind ja wirklich ein Goldstück! Sie haben den Wagen bestimmt auch so lange aufbewahrt, wie Sie es mit dem Bett getan haben. Man könnte fast glauben, dass Sie sich noch ein weiteres Baby in diesem Haus wünschen.“ Zwinkernd stupste sie ihn mit dem Ellenbogen an. „Ja, das könnte man tatsächlich glauben“, kommentierte Niles, innerlich schlug er die Hände auf seinem inneren Kopf zusammen. Eines Tages, alter Junge, und dann wird sich C.C. dafür in Staub verwandeln. Fran verfrachtete Baby und Tragetasche an ihre richtigen Stellen am Wagen, dann machte sie sich selbst ausgehfertig. Dakota sah sich mit neugierigen Augen um, neugierig auf all die neuen Eindrücke um sie herum; und was die fremden, aber auch freundlichen Frauen mit ihr vorhatten. Sie gluckste und fing zu lächeln an. „Fran, sieh nur, sie lächelt uns an. Das ist ja goldig!“ Fan nahm ihren Blick vom Spiegel, und schmolz wie Val augenblicklich dahin. „Na, Kleine? Bist du bereit, mit uns beiden die Welt ein wenig zu erkunden?“ Dabei fischte sie aus der Tragetasche die über alles geliebte Schmusedecke und Schnuller, beides reichte sie Dakota. Mit ihren kleinen Fingern umklammerte sie das Tuch so fest sie konnte, an ihrem Schnuller nuckelte sie begeistert. „Mr. Sheffield wird sicher nichts dagegen haben, wenn dieser süße Engel für ein paar Stunden frische Luft in die Lungen bekommt. Gut, so frisch wie sie hier in New York nun mal so ist … aber positiv betrachtet bekommt sie etwas mehr von New York zu sehen. Das könnte eine wertvolle Erfahrung für die Kleine sein!“ „Ach, Fran, du bist wirklich eine der besten Kindermädchen, die ich kenne!“; schwärmte Val sie an. „Zumindest bin ich gut genug, dass Mr. Sheffield mich noch nicht zur Türe hinausbefördert hat.“ Sie öffnete die Tür, verabschiedete sich von Niles und schob den Wagen zusammen mit Val hinaus.   Nach einem langen und erfrischendem Aufenthalt im Central Park (mit einer kleinen Hot Dog und Babybrei Pause) machten sie auf den Weg zur nächsten Mall. Fran war der Ansicht, dass Dakota dringend Sonnencreme und ein Sonnenhütchen benötigt, und dass sie schon mal erste Einblicke in das Shoppingleben einer Frau bekommen kann. Doch sie und Val wussten es besser: In Wirklichkeit war letzteres eine Ausrede, um auf eine weitere große Shoppingtour gehen zu können. Lediglich der Teil mit der Sonnencreme und dem Hut entsprach der Wahrheit, denn die Sonne hatte in den letzten Stunden freie Bahn zum Scheinen bekommen. Dakotas Haut war sehr hell, daher wollte Fran nicht, dass sich die Kleine einen möglichen Sonnenbrand holt. Kaum hatten sie die Mall betreten, kam ihnen die angenehme, von den Klimaanlagen gekühlte Luft entgegen. Erst jetzt merkten sie, wie warm es draußen mittlerweile geworden war. „Dafür, dass wir erst Ende Februar haben, ist es schon fast sommerlich da draußen. Hatten die von der Wettervorhersage also doch mal recht“, stellte Fran fest, während sie sich vorsichtig den Schweiß vom Kinn tropfte. Nachdem sie und Val ihr verschwitztes Make-up erneuert hatten, steuerten sie das nächstbeste Babygeschäft an. Babyhüte in allen Formen, Farben und Varianten wurden durchprobiert. Das schien Dakota nicht sonderlich zu stören, glucksend hieß sie es über sich ergehen, bis auch der letzte Hut anprobiert war. Sie wurde allmählich müde, so dauerte es auch nicht lange, bis wie wieder tief und fest schlief. „Diesen Schlafrhythmus hätte ich auch gerne mal!“, flüsterte Fran ein wenig neidisch. „Weißt du, ich stelle mir das toll vor: Keine Verpflichtungen gegenüber anderen Leuten. Andere Leute waschen dich. Kümmern sich darum, was du isst und trägst und du hast Zeit, dich um was anderes zu kümmern.“ Da kam Fran ein ernüchternder Einfall. „Val, so wie du das beschreibst, klingt es stark nach dem Leben von Oma Jedda. Und die wohnt in einem Altersheim!“ „Oh!“, kam es von Val nur, dann verfiel sie wieder in Schweigen.   Während Fran, sich nun in der Drogerieabteilung nach einer geeigneten Sonnenmilch für Dakota umsah, schweifte Vals Blick durch die Gänge, bis er an einem jungen Mann hängen blieb. „Psst, Fran, hey Fran!“ Sie stupste ihre beste Freundin und deutete unauffällig auf ihre Entdeckung. „Sieht der nicht einfach nur umwerfend schön aus? Der ist bestimmt Arzt, Anwalt oder Model!“ Auch Fran gefiel der Anblick des jungen Mannes und fragte sich sofort, ob sie ihm wohl auch gefallen würde. „Ob der wohl eine Freundin hat? Auf jeden Fall sehe ich schon mal keinen Ring an seinem Finger.“ Stumm beobachteten sie ihn, wie er mit jemanden telefonierte; er selbst bemerkte die beiden gar nicht. „OK, gut, dann treffen wir uns dort.“ Dann verließ er schnurstracks das Geschäft. In einem unauffälligen Abstand folgten sie ihm, in der Hoffnung, dass er sich nur mit einem besten Freund oder einem Geschäftspartner treffen würde. Sie wussten, dass sie ihn nicht beide haben können, und dass er sich für eine von ihnen entscheiden müsste. Auch wussten sie, dass es die Möglichkeit gab, dass er sich nicht entscheiden würde. Am Ende würde es damit enden, dass keine von beiden ihn bekommt. Doch das Risiko würden sie eingehen, dazu waren sie viel zu entschlossen, ihrem Singledasein ein für alle Mal ein Ende zu bereiten. Vorsichtig den Kinderwagen vor sich herschiebend, folgten sie ihm zum anderen Ende der Mall, ließen hier und da etwas Abstand; achteten darauf, nicht auffällig zu wirken. Schließlich kam er an seinem Ziel-Treffpunkt an, an welchem bereits eine junge, hübsche Frau auf ihn wartete. Die herzliche Art, wie die zwei sich begrüßten und küssten, zeigte, dass sie nicht gerade Freunde oder Bruder und Schwester waren. Enttäuscht sahen sich die beiden Frauen an.   „Das ist ja mal wieder eine schöne Pleite. Da finden wir einen attraktiven, jungen Mann und dann ist er bereits vergeben. Zu schade aber auch, denn er sah wirklich zum Anknabbern schön aus!“ Sie sah ihrer besten Freundin in die Augen. „Cappuccino und Frustshoppen?“ Auf die Antwort musste Fran nicht lange warten. Um ihren Frust zu verarbeiten, gönnten sich die beiden eine ausgiebige Tour durch diverse Kleidungs- und Schmuckläden. Aus den meisten, nicht allen, kamen sie mit leeren Händen beziehungsweise mit noch mehr Tüten im Gepäck wieder heraus. Im Anschluss gab es noch einen Anti-Frust-Cappuccino und Anti-Frust-Kekse. „Fran, ich habe irgendwie ein seltsames Gefühl. Warum finden wir keine Männer?“ Fran umarmte ihre beste Freundin, kannte sie das Gefühl nur allzu gut. „Das weiß ich leider auch nicht. Ich meine, die Kinder und Dakota werden noch mehr Glück haben, aber …“ Dann fiel ihr auf, dass Dakota eine sehr lange Zeit bereits sehr still war, nicht mal Atemgeräusche waren zu hören. Sie sah zur Seite … und ihr Gesicht wurde aschfahl. Erst jetzt fiel ihr auf, dass sie Dakotas Wagen, der die ganze Zeit neben ihrem Tisch gestanden hatte, war spurlos verschwunden. Nur das kleinen Tuch, dass dem kleinen Baby mehr als wichtig war, lag vergessen auf dem Boden. Woraufhin ihr klar wurde, dass Dakota nicht mehr bei ihnen war, dass sie verschwunden war.  Das Blut rauschte in ihren Ohren, ihr Mund wurde trocken und sie spürte, wie alles Leben aus ihr wich. „Val, wir haben ein Problem“, kam es stockend aus ihr heraus. „Wir haben Dakota verloren … jemand hat sie entführt!“ Kapitel 4: Gegen Zahnräder kämpfen ---------------------------------- Verwirrt und orientierungslos öffnete sie die Augen. Die Sicht verschwommen, versuchte sie ihre Umgebung zu erkennen. Aus der Ferne erklangen Stimmen, dichtes Gemurmel, das in ihren Ohren keinen Sinn ergab. Ein Stechen fuhr durch ihren Hinterkopf, gefolgt von einem leichten Pochen. Fragend schob Fran sich eine Strähne aus dem Gesicht, sie hatte immer noch keine Erklärung dafür gefunden, wo sie sich befand. Zu welchem Ort die weiße Decke mit dem Wasserschaden gehörte. Auf was für eine Art von Bett sie sich im Augenblick befand. Denn eines konnte Fran mit einer hohen Sicherheit sagen: Dass sie sich nicht freiwillig auf diesen Gegenstand gelegt hatte. Er war lange nicht so angenehm wie ihr eigenes Bett, doch welchen Zweck er auch immer hatte, sie ging davon aus, dass er ihn voll und ganz erfüllte. Die Stimmen näherten sich; und sie hörte eine gewisse Freude heraushören. Schnell kniff sie ihre Augen zusammen; und als sie sie wieder öffnete, war sie nun in der Lage zu erkennen, zu wem die Stimmen gehörten. Val, ihre beste Freundin seit sehr vielen Jahren, sah sie sowohl erleichtert, aber auch besorgt an. „Val, wo bin ich, was ist passiert?“, fragte sie mit einem Kratzen im Hals. Ihre Stimme krächzte stärker als sonst, was sogar ihr selbst unangenehm war. Sie wollte Fran gerade antworten, wurde dabei jedoch unterbrochen. „Schön zu sehen, dass es Ihnen wieder besser geht, Miss Fine“, sagte eine sanfte, männliche Stimme, die Frans Verstand zu einem spontanen Neustart verleitete. Augenblicklich standen ihr wieder sämtliche Sinne zur Verfügung, mit einer flinken Kopfbewegung drehte sie sich in die Richtung, aus der sie die Stimme hörte. Dabei stützte sie sich an der Kante ihres unbequemen Schlafortes ab, ein paar Hände hielten sie fest.   „Sie sollten sich nicht so schnell bewegen, ihnen könnte dabei schwindelig werden“, sagte der Fremde mit einer gewissen Menge an Sorge in seiner Stimme, dass Frans Herz zu flattern begann. Sie konnte sich für gewisse Dinge innerhalb von wenigen Herzschlägen begeistern, besonders, wenn sie eine Stimme hatten, die für Ohren und Seele ein streichelnder Genuss waren. Aber auch ihre Augen wurden nicht enttäuscht. Mit ihrem Blick wanderte sie seine Arme hinauf über seine breiten Schultern in ein freundliches, sportlich aussehendes Gesicht. Er war jemand, der darauf achtete, besonders fit zu sein, ohne dabei seinen Körper zu verschandeln oder auf dubiose Hilfsmittel zurückzugreifen. Welche er, nach Frans und auch Vals spontaner Meinung, auch nicht nötig hatte. „Wir müssen auf jeden Fall warten, bis der Arzt nach ihnen gesehen hat. Vorher kann ich Sie leider nicht gehen lassen, Miss … uhm, Fine.“ „Ohh, das ist aber lieb, dass Sie sich so um mich Sorgen, Mister … wie war noch gleich ihr Name?“ Andere Leute würden ihr jetzt sagen: „Fran, das ist doch nicht der richtige Moment dafür“, doch wenn es nach ihr ging, dann gab es nie einen falschen Moment dafür, seinen zukünftigen Traum-Ehemann kennenzulernen. Zumindest gab es ein paar wenige Ausnahmen, allesamt Resultate von vergangenen Dates und geplatzten Hoffnungen; doch dieser Moment war keiner davon. Ein Mann, der auf sich und auf andere achtet … hach, dass sich den noch keiner geschnappt hat … das muss ich sofort überprüfen!   Mit geübtem Blick suchte sie seine Finger ab, doch wurde nicht fündig. Lediglich ein Tattoo auf der Innenseite seines Handgelenks, doch der Name, den er sich dort hatte verewigen lassen, gehörte nachweislich zu einer Person männlichem Geschlechts. „Pinetree, aber Sie können mich auch einfach Stan nennen, so wie jeder andere hier auch“, sagte Stan freundlich, dann bemerkte er ihren Blick. Nachdenklich starrte er für ein paar wenige Sekunden auf seine Tätowierung, bevor er sich wieder seiner Patientin zuwandte. „Das ist mein Bruder, wir sind zusammen aufgewachsen und haben eine Menge durchgemacht. Manche Leute finden es seltsam, sich überhaupt einen Namen stechen zu lassen, doch mein Bruder und ich, wir sind unzertrennbar. Auch wenn er gerade in Houston sitzt und ich hier in New York …“ Fran sah die ideale Chance, wie sie auf das Thema „Freundin“ zu sprechen kommen würde, ohne dass sie ihn gleich vergraulen würde. Er machte einen gesprächsbereiten Eindruck auf sie und das würde sie ausnutzen. Mit einem kurzen Seitenblick auf ihre beste Freundin sah sie, dass sie ihr dabei keine Schwierigkeiten machen würde, sie war zu sehr mit Schwärmen und Zuhören beschäftigt. Sie spürte, dass sie vorerst freie Bahn haben würde; und packte die Gelegenheit gleich am Schopfe. „Dann sehen Sie Ihren Bruder ja nicht gerade so oft, oder? Fühlen sie sich da nicht schrecklich einsam hier in dieser großen Stadt?“, fragte sie neugierig. Er lächelte, schüttelte jedoch nur den Kopf. „Es geht, wir telefonieren oft und treffen uns so oft es uns möglich ist. Abgesehen davon habe ich meine Freunde hier und auch meinen Partner, dank ihnen fühle ich mich hier ganz so verloren.“ Man konnte hören, nahezu spüren, wie die kleine Luftblase, genannt Hoffnung, über den Köpfen der Frauen zerbrach. An sich hatten sie nichts gegen homosexuell orientierte Menschen; vielmehr fanden sie es schade, dass er bereits vergeben war. Und selbst wenn er ein Single gewesen wäre, hätte er keinerlei romantisches Interesse für sie entwickelt. Enttäuscht, ohne es sich anmerken zu lassen, legte sie ihr inneres Bild von ihrer gemeinsamen Zukunft zu den Akten; und versuchte sich wieder auf die wesentlichen Dinge zu konzentrieren. Sie sah zwischen den beiden hin und her, denn so sehr sie versuchte sich zu erinnern, so schleierhaft kamen ihr ihre Erinnerungen vor. Lediglich eine Schale, gefüllt mit warmen Pommes und viel geschmolzenem Käse, kam ihr in den Sinn. Wie auch der Name Dakota. Der Rest blieb hinter einem hauchdünnen Nebel vor ihr verborgen. Nebel, der sich immer weiter auflöste, je mehr sich die Schmerzen in ihrem Kopf zurückzogen. Mittlerweile hatte sie erkannt, dass man sie in das Erste-Hilfe-Zimmer der Mall gebracht hatte. Als hätte er ihre Gedanken gehört, nickte Stan und ließ die beiden alleine. Verwirrt sah sie ihre Freundin an.   „Val, ich bin mir ganz und gar nicht sicher, was passiert ist … ich weiß nur noch, dass wir mit jemanden namens Dakota einen heißen Kerl verfolgt hatten, der leider schon vergeben war. Und wir haben uns bei Charleys ein kleines Mittagessen gönnen, bis wir gemerkt haben, dass …“ „Dass Dakota weg ist!“ Fran klatschte ihre Hand auf die Stirn und ließ sich auf die Liege zurückfallen. Wehleidige Geräusche kamen aus ihrem Mund, und sie wünschte sich in den Traum zurück, welchen sie vor wenigen Minuten noch hatte. In welchem sie sich mit einem jüdischen Arzt, welcher auch gleichzeitig Hobby-Delfintrainer war, auf einer tropischen Insel aufgehalten hatte. Warme Sonne, keine Sorgen und ein volles Buffet. Fran hätte viel dafür gegeben, die Realität gegen diesen Traum einzutauschen. Doch sie sah ein, dass es niemals möglich sein würde und versuchte sich zu erinnern, wann sie das Kind das letzte Mal gesehen hatte. „Val, wir stecken in echten Schwierigkeiten. Wenn wir das Baby nicht finden, dann bekommen wir mehr als nur mit Mr. Sheffield Ärger. C.C wird uns die Augen auskratzen; und was werden erst ihre Eltern sagen? Wir müssen sie unbedingt finden, koste es was es wolle!“ Ihre Freundin, die nicht weniger besorgt war als sie selbst, sah ratlos zu ihr zurück. „Wir haben nur absolut keine Ahnung, wie und wann wir das Baby verloren haben. War es, als wir den Typen verfolgt hatten? Oder erst danach? Hach, Fran, das macht mich jetzt gerade wirklich fertig …“ Verzweifelt fuhr sie sich durch die Haare, bevor sie sich auf die Liege gegenübersetzte. Schon oft waren sie in Schwierigkeiten geraten, in mehr als genug für drei Leben, aber dieses Mal hatten sie das Gefühl, den Karren nun vollkommen versenkt zu haben. Fran richtete sich erneut auf, und versuchte das Ganze ruhig zu analysieren. Was ihr mit der aufkeimenden Panik in ihrem Inneren noch schwerer fiel, als es normal der Fall war. „Wir müssen uns nur überlegen, was alles möglich wäre. Und dann werden wir sie schon finden … irgendwie. Also, hast du irgendeine Idee, Val?“ Val schob ihre Lippe nach oben, mit dem Blick durch den Raum wandernd versuchte sie ihre Gedanken zu ordnen. Dann riss sie ihre Augen auf und packte Fran grob an den Oberarmen. „Was, wenn sie jemand entführt und nun Lösegeld von uns möchte! Das wäre ja schrecklich!“ „Suchen Sie etwa jemanden?“, fragte Stan vorsichtig nach. Sie waren sich nicht sicher, ob sie sich ihm anvertrauen sollten, entschieden jedoch stumm dafür. „Es ist so“, erzählte Fran für sie beide, „dass wir für eine Bekannte von uns auf ihr kleines Baby aufpassen sollten. Allerdings ist uns … etwas passiert und das Baby ist verschwunden. Jetzt wissen wir nicht genau, wo wir sie suchen sollen. Ob sie jemand gefunden, oder entführt hat. Wissen Sie zufällig etwas darüber?“ Zu ihrer Enttäuschung schüttelte er mit dem Kopf. „Nein, leider nicht, zumindest ist mir da nichts zu Ohren gekommen. Aber ich bin auch nur für die erste Versorgung der Kunden zuständig, denen es nicht gut gehen oder ohnmächtig werden, so wie Sie. Allerdings gibt es eine andere Stelle hier, an die sie sich wenden können.“ Er begann, in einer der Schubladen herumzukramen und zog eine kleine Mappe der Mall heraus. „Ich an Ihrer Stelle würde mal zum Kinder-Container vorbeischauen. Dort werden täglich alle möglichen Kinder vorbeigebracht, die von ihren Eltern getrennt wurden. Es könnte durchaus sein, dass euer gesuchtes Baby dorthin gebracht wurde. Höchstwahrscheinlich wartet das Kind dort und bekommt gerade die Windeln gewechselt. Auf jeden Fall wünsche ich Ihnen beiden viel Erfolg bei Ihrer Suche … doch vorher müsste ich noch wissen: Geht es Ihnen gut? Ihre Stimme scheint wenig unter ihrer Ohnmacht gelitten zu haben, sie klingt ein wenig … nasal. Notfalls sollten sie sich das von einem HNO-Arzt untersuchen lassen.“ Mit vielsagenden Blicken sahen sich die Freundinnen gegenseitig an, dann begannen sie zu kichern und klärten ihn über Frans Stimme auf. Nachdem sie ihn mehrfach beteuert hatte, dass sie in Ordnung wäre und keine weitere medizinische Aufmerksamkeit mehr benötigte, ließ er sie gehen. Nicht, ohne dass sie sich beide die Taschen mit diversen Bonbons und Lutschern, wie sie normalerweise nur kleinen Patienten vorbehalten waren, füllen ließen. Der junge Mann verdrehte mit einem Lächeln die Augen, ließ die Damen jedoch großzügig zugreifen. Hatten sie dabei noch mehr Manieren an den Tag gelegt als so manch andere Patienten, die er in den letzten Jahren versorgen durfte. Mit einem letzten prüfenden Blick in Richtung der Frau mit den hochtoupierten Haaren, verabschiedete er sich von ihnen und wies ihnen den Weg zum erwähnten Kinder-Container.   Dieser stellte sich als eine Art „Kinder-Aufbewahrungslager“ heraus, in welchem Eltern ihre Kinder für ein paar Stunden unter Beobachtung spielen lassen konnten, ohne sich um sie sorgen zu müssen. So konnten sie in der Zeit gemütlich in den Läden schlendern, und auch die einen oder anderen Geburtstagsgeschenke zurücklegen lassen, um sie dann ein paar Tage später wieder abholen zu können. Dort angekommen mussten sie feststellen, dass sie nicht die Einzigen waren, die sich für einen Mallbesuch um diese Uhrzeit entschieden hatten. Viele Eltern holten ihren Nachwuchs aus der Kinder-Ecke; und doppelt so viele lieferten diese gerade ab. Die Helfer hatten alle Hände voll zu tun; ohne dass ihre Autorität oder ihre Glaubwürdigkeit darunter litt. Nach und nach konnten sie die Kinder unterbringen, bis sie sich gezwungen sahen, die Eltern zu einem anderen Teil der Mall zu verweisen. Zu einem weiteren Kinder-Bespaßungspunkt, welcher noch genug Platz für die kleinen Jungen und Mädchen haben sollte. Voller Bewunderung beobachteten Fran und Val, wie die Mitarbeiter die Eltern samt Kinder koordinierten; und diese, ohne zu murren ihren Weg zu ihrem Ziel bahnten. Was angesichts der mehr als chaotisch anmutenden Situation mehr als außerordentlich für die beiden war. Bunte Sicherheitswesten und eine keckes Häubchen waren das Kennzeichen der Kinderhort-Mitarbeiter; eine davon pickte sich Fran heraus und befragte sie nach dem vermissten Baby samt vermisstem Kinderwagen. Doch wie auch ihre Kollegen hatte sie keine positive Antwort für die zwei Frauen. Enttäuscht beobachteten sie Claire, Steven und Ashley dabei, wie sie mit ihnen zusammen sämtliche Kinderwägen durchgingen, ihrer befand sich jedoch nicht darunter. „Es tut uns leid, dass wir ihnen nicht weiterhelfen können“, sagte Ashley mit ehrlicher Miene, die sie bedauernd ansah. „Möglicherweise wurde ihr Wagen bei unserem anderen Hort abgeben, er ist genau auf der anderen Seite der Mall. Die Leute kommen oft hier her, weswegen hier meist mehr los ist als dort drüben. Aber wenn Sie mich fragen, ist es einen Versuch wert.“ Rasch notierte sie eine kurze Wegbeschreibung auf eine der Papierkarten, die einen recht groben Umriss der Mall zeigten und auf welcher die wichtigen Punkte vermerkt waren, inklusive sämtlichen Notausgängen, Toiletten oder eben Kinder-Aufwahrungshorten. „Wir könnten vorab schon mal bei unseren Kollegen nachfragen, allerdings wird es wohl besser sein, wenn sie sich vor Ort erkundigen. Sie erkennen ihren Kinderwagen viel schneller, bevor wir die Beschreibung über die Leitung durchgegeben haben.“ Sie nahm Frans Hand und drückte sie herzlich. Man sah ihr an, dass sie wie ihre Kollegen in ihrem Beruf nicht feststeckte, sondern voll und ganz aufging. Dennoch hatte keiner der freundlichen Mitarbeiter weder die Kapazitäten noch die Zeit, den beiden bei der Suche großartig zu helfen. Rund 40 Kleinkinder und Babys mussten von ihnen betreut werden, was laut Ashley noch nicht die Höchstzahl an liebreizenden Zwergen war, die für ein paar Stunden in ihre Obhut kamen. Die beiden Frauen bedankten sich, und machten sich auf den Weg durch die Mall. Diverse Uhren zeigten ihnen, dass die Mittagszeit angebrochen war. Männer in Anzügen, Frauen in schicken Kostümen und viele Schulkinder pilgerten zur Foodcourt-Ecke, für viele von ihnen stand die erste Mahlzeit des Tages bevor. Aber auch immer mehr und mehr Hausfrauen bevölkerten die Mall, wollten ihre alltäglichen Einkäufe oder Shoppingtouren erledigen. So füllte sich das Gebäude immer mehr und die beiden Frauen brauchten länger, von einem Ende zum anderen zu kommen, als erhofft.   Der andere Kinderhort war genauso gut besucht wie der erste, den sie aufgesucht hatten, viele Mütter und Väter warteten in einer Reihe darauf, ihre kleinen Zwerge für ein paar Stunden in die Obhut freundlicher Kinderbetreuer zu geben. Aufmerksam begutachteten sie die Kinderwägen der diversen Mütter, doch auch hier wurden sie nicht fündig. Die Mitarbeiter hatten leider keine guten Nachrichten für sie, als sie sich nach dem Baby und Kinderwagen erkundigten. Wie auch seine Kollegin entschuldigte er sich bei ihnen, konnte ihnen dafür ein paar gute Tipps mit auf den Weg geben. Fran bedankte sich seufzend, dann zog sie sich mit Val in das nächstbeste Café zurück. Selbst zum Frustshoppen war sie zu verzweifelt. Dass sie wenigstens ihre Geldbeutel in ihren Handtaschen bei sich hatten, war ein kleiner, wenn auch schwacher Lichtpunkt in der ganzen Angelegenheit.   „Ach, Fran, was machen wir denn jetzt? Wir sind geliefert!“ Mehrere Schokoladen-Smoothies später saßen sie an einem gemeinsamen Tisch und waren in ihre sorgenvollen Gedanken versunken. Dabei kam ihnen das kostenlose Refill-Angebot des Cafés mehr als recht. Halbherzig schwenkte Fran mit dem Becher umher, schlaff hing sie im Stuhl und streckte alle Glieder von sich. „Wenn Mr. Sheffield und C.C. das erfahren, sind wir mehr als nur geliefert, das kannst du mir glauben!“. Selbst ihre Stimme klang erschöpft, stöhnend rutschte sie noch tiefer in den ledernen Sessel. Val dagegen richtete sich auf, versuchte sich durch eine standhafte Haltung mehr Mut zu machen. Was ihr nur mäßig gelang. „Was, wenn sie jemand entführt hat? Dann müssen wir ja Lösegeld bezahlen und das können wir uns ja nie leisten!“ Fran richtete sich ebenfalls auf, die Müdigkeit, die die vielen Smoothies in ihr verursacht hatten, zog sich langsam aus ihrem Kopf zurück. Sie nahm einen letzten Schluck, dann schob sie den Becher von sich. „Rede doch keinen Unsinn“, sagte sie überzeugt. „Wer sollte denn heutzutage ein Baby entführen. Wir leben in den 90igern, das ist ja nicht einmal mehr in den zweitklassigen Dramas mehr aktuell. Nein, Val, ich denke eher, dass es sicherlich viel einfacher ist, als wir vermuten.“ Val sah sie neugierig an. Auch sie hatte sich mittlerweile von ihrem Becher getrennt, aber auch von der Vorstellung, in ihrem vor wenigen Stunden frisch erstandenen Badeanzug hineinzupassen. „Was, wenn wir sie irgendwo stehen gelassen haben? Und es hat einfach keiner daran gedacht, sie zu diesen Kinderecken zu bringen?“ Die Vorstellung kam Fran seltsam vor. Dennoch verschwamm ihre Erinnerung immer mehr, je länger sie versuchte Details im Kopf aufzurufen. Mittlerweile war sie sich nicht mal mehr sicher, was davon tatsächlich passiert war und was davon lediglich Wunschdenken ist. Was davon sich ihr Gehirn gerade nur ausdenkt. Nachdenklich erwiderte sie: „Möglich wäre es. Zumindest ist es unsere letzte Chance, dass sie in irgendeiner Ecke steht oder dass sie jemand zur Seite geschoben hat. Vielleicht haben wir sie auch in einer Umkleidekabine vergessen … nein, vergiss das letzte, das wäre uns garantiert aufgefallen. Auf jeden Fall müssen wir jede Chance nutzen. Allein jetzt schon kann ich mir Mr. Sheffields Gesichtsausdruck vorstellen, wie er mich anschreien wird. Bestimmt wird er alles an mir auslassen – und ich bin meinen Job los …“ Den Tränen nahe zog sie ein Taschentuch hervor, in welches sie kräftig hineinschnäuzte. Val, der es nicht besser ging als ihr, stand auf und streichelte ihre beste Freundin vorsichtig an den Schultern. Val sprach kein Wort, doch allein diese Berührung tat der jungen Frau mehr als gut. Dankend sah Fran sie an, bevor sie wieder an ihren Platz zurückkehrte. Lächelnd bedankte sie sich bei Val, doch diese winkte ab. „Du wärst doch auch für mich da, wenn ich Trost brauche“, war ihre einzige Meinung dazu. Fran nickte, wischte sich ein paar letzte Tränen weg und stand abrupt auf. „Dann sollten wir keine Zeit verlieren. Je länger wir warten, desto niedriger ist die Wahrscheinlichkeit, dass wir die kleine Dakota wiederfinden. Wir müssen sie finden, bevor wir mit hängenden Köpfen in Mr. Sheffields Büro gehen. Komm, Val, wir machen uns frisch und dann suchen wir sie!“ Die beiden Frauen sahen sich an, ihre Augen sprachen mehr als Bände. „Fran, die Frauentoilette ist dort vorne.“ „Melden sich bei dir auch die Smoothies wieder?“ „Ohja!“   Eilig stöckelten sie in die Richtung der Toiletten, was ein paar neidische Blicke anderer Frauen nach sich zog. Die Schlange vor der Frauentoilette hatte eine angenehme Länge, weshalb sie sich dazu entschlossen, sich ebenfalls dort anzustellen. Gerade waren sie zum Stehen gekommen, als Fran aus der Ferne eine ihr mehr als bekannte Stimme hören konnte. „Fraaaa-haaaan!“ Eilig, mit wedelnden Armen, näherte sich ihre Mutter den beiden. Fran wollte ihr Winken erwidern, als ihr sämtliches Blut aus dem Gesicht rauschte. Zitternd packte sie Val am Arm; und begann sie wegzuziehen. „Fran, ich muss dringend auf Toilette!“, doch Fran ließ sie nicht los. „Val!“, zischte sie ihre beste Freundin an. „Komm jetzt, wir müssen so schnell wie möglich weg von hier! Ich erkläre es dir gleich … aber wenn dir mein Leben lieb ist, beeil dich!“ Auf eine Erklärung wartend, ließ sich Val von ihr in den nächstbesten Aufzug ziehen, in welchem Fran panisch auf die Knöpfe einhämmerte. Auf ihre Fragen ging die Nanny nicht ein, auch nicht, als sie sie zu anderen Toiletten zog, welche zu ihrem Glück nicht so gut besucht war wie die zwei Stockwerke tiefer. Erst hinterher war sie bereit, über ihr seltsames Verhalten wenige Minuten vorher zu reden. „Fran, was war da gerade los mit dir?“ Verwundert sah sie ihre Freundin an. Sie konnte verstehen, dass sie im Moment nicht in der Verfassung war, sich großartig mit ihrer Mutter zu beschäftigen. Aber dass sie gleich die Flucht ergriffen hat, erschien ihr dann doch mehr als seltsam. „Val, es ist schrecklich … gut, dass sie uns nicht gefolgt ist. Vielleicht hat sie nicht mitbekommen, dass wir hier sind. Und das ist auch gut so. Wir müssen nur aufpassen, dass sie uns kein weiteres Mal sieht.“ So richtig wurde Val aus ihren Worten nicht schlau, für sie machte ihr Verhalten nach wie vor keinen Sinn. Was sie Fran auch direkt wissen ließ, die sich immer mal wieder nach ihrer Mutter umschaute. Diese sprach auch nicht groß um den heißen Brei herum, sondern kam gleich zur Sache. „Meine Mutter weiß von Dakota. Bevor du zu uns gekommen bist, habe ich mit ihr über die Kleine telefoniert. Und wenn sie mich jetzt ohne sieht, könnte das eine sehr unangenehme Situation werden.“ Nervös kaute Fran auf den Fingerspitzen herum, immer noch auf der Suche nach ihrer eventuell auftauchenden Mutter. „Ja, aber dann sag ihr einfach, dass Niles auf die Kleine aufpasst, oder etwas in der Richtung. Dass du mal eine Stunde für dich brauchst und ich zufällig dabei bin.“ Fran schüttelte den Kopf. „Das ist eine liebe Idee, aber leider wird sie nicht funktionieren. Wenn ich sage, dass das Baby zuhause ist, wird sie es erst recht sehen wollen. Und ich glaube nicht, dass sie sich mit Niles Sahneplätzchen zufriedengeben wird, wenn sie noch das Baby sehen möchte …“ Val überlegte ein paar Augenblicke. Auch wenn sie nicht viel von dem, was Fran gesagt hatte, verstand, wollte sie ihrer Freundin helfen. Entschlossen sahen sich die beiden an. „Gut, dann sorgen wir dafür, dass wir den Kinderwagen und Dakota finden, bevor wiederum deine Mutter uns findet. Ich bin mir sicher, dass sie hier irgendwo sein muss … fangen wir einfach da an, wo wir zuletzt waren, und gehen dann einfach Laden für Laden durch.“ Fran schien von der Vorgehensweise überzeugt zu sein, sie warf einen letzten Blick in den Flur und atmete auf. „Sieht so aus, als hätten wir sie wirklich abschütteln können. Aber lass uns lieber von hier weggehen, bevor sie hier doch noch auftaucht und uns findet. Denn dann kommen so richtig in Teufels Küche … nicht, dass wir nicht bereits jetzt in Schwierigkeiten stecken. So wie Tante Nora letztens Probleme mit ihrer Zahnprothese bekam, da sie immer noch Bonbons kaute, obwohl es ihr Arzt verboten hatte. Oh, ich schweife ab, lass uns lieber gehen!“   Mit flinken Schritten eilten die beiden Frauen zu dem Laden, den sie als allerletzten betreten hatten. Nicht ohne aufmerksam die Umgebung zu beobachten, und sich gegenseitig in Sicherheit zu bringen, wenn jemand auch nur im Entferntesten wie Sylvia Fine aussah. Oft stellte es sich als blinder Alarm heraus, gelegentlich war jedoch auch die richtige Sylvia dabei. Manchmal schaute sie in eine andere Richtung; bei anderen Malen sah sie sie und kam erneut auf sie strahlend lächelnd auf sie zu. Nebenbei suchten sie nach dem Kinderwagen; und fragten so vorsichtig sie konnten diverse Kunden und Mitarbeiter. Die Reaktionen waren gemischt, die meisten von ihnen wünschten ihnen viel Glück bei ihrer Suche. Ein paar Einzelne nutzten die Gelegenheit, um nach Geld für ihre zahllosen Kinder zu betteln; dabei wunderten sich Fran und Val mehr als einmal, wie sich die wenigen Zähne noch so standhaft in den Münden der ärmlich aussehenden Frauen halten konnten. Doch weder Fotos von kleinen Kindern, die ihnen mit Engelsaugen entgegenblickten, noch hungrige Hundeaugen konnten sie davon überzeugen, den Frauen ein wenig Geld zu spenden, wofür sie das eine oder andere Mal in einer fremden Sprache beleidigt wurden. Davon ließen sich die beiden nicht beirren, dennoch kaum waren die fremden Frauen außer Hörweite, begannen Fran und Val über diese zu tuscheln. „Das ist echt unglaublich, davon habe ich im Fernsehen so viel gehört. Mittlerweile sind da auch so viele Trickbetrüger darunter, dass man echt nicht sagen kann, wer in Not ist und wer nicht. Als nächstes kommen die noch an dein Auto, während du auf die Ampel wartest und klopfen dir an die Scheibe.“ „Einem meiner Kollegen, Jimmy, ist das angeblich schon passiert.“, war Vals einziger Kommentar dazu, bevor sie Fran ein weiteres Mal in eine Boutique zerrte. Fran sah sich um, in Erwartung den Kinderwagen oder im schlimmsten Fall ihre Mutter zu sehen, oder Val wollte ihr lieber ein zweiteiliges BH-Set in Pastell-Rosa zeigen. „Val, wir haben jetzt keine Zeit zum Einkaufen, außerdem hast du dir doch erst vorhin ein paar dieser Sets gekauft. Wenn wir den Wagen wiederfinden würden, dann würdest du dich daran erinnern.“ „Jaja“, stimmte Val ihr zu, dann machten sie sich wieder auf den Weg.   So vergingen die letzten zwei Stunden, und die beiden suchten die komplette Mall von oben bis unten ab. Auch gingen sie in alle möglichen Geschäfte, Ecken und Kurven, um keine einzige Möglichkeit außer Acht zu lassen. Sie befragten so viele Personen wir möglich, die den Eindruck machten, etwas wissen zu können. Doch keiner von ihnen konnte wirklich weiterhelfen, lediglich eine Frau mittleren Alters und ihr gleichaltriger Mann überlegten für einen kurzen Moment. Dann merkten sie an, dass sie einen Kinderwagen gesehen hatten, der sich in der Nähe einer bekannten Schuhkette aufhalten und auf die Beschreibung passen sollen. Überglücklich bedankten sie sich bei dem Ehepaar, bevor sie die Beine in die Hände nahmen und sich auf dem Weg zur besagten Filiale machen. „Hast du das gesehen? Die haben beide rote Haare – und eine ganz niedliche kleine Tochter!“ Val schwärmte vor sich hin, doch Fran konnte und wollte sich die Zeit dafür nicht nehmen. So schnell sie konnte, eilte sie durch das Einkaufszentrum, bis sie den Laden erreichten, den ihnen das Paar genannt hatte. Fran konnte sich nicht erinnern, wann sie zuletzt so schnell gelaufen war, außer bei den letzten paar Sonderangeboten und Schlussverkäufen. Als sie ankamen, sahen sie sich genauestens um, sowohl vor als auch im Laden selbst, allerdings wurden sie dabei nicht fündig. Erschöpft ließen sie die Köpfe hängen, langsam wussten sie auch nicht mehr weiter. Fran war nun mehr denn je der Verzweiflung nahe: „Val, was sollen wir nun tun? Das hier war unsere letzte Spur und nun haben wir gar nichts mehr. Was, wenn sie doch entführt wurde … Val, hörst du mir überhaupt zu?“ Val sah geistesabwesend an ihr vorbei, vermutlich immer noch auf der Suche nach dem Kinderwagen, wenn auch vergeblich. „Val, vergiss es, wir haben den Laden praktisch ausgezogen und immer noch nicht gefunden, was wir gesucht haben. Wir gehen jetzt nach Hause und erzählen es Mr. Sheffield. Vielleicht wird er uns auch nur ganz ganz laut anschreien und nicht extrem laut …“   „Kann ich euch beiden bei etwas helfen?“ Erschrocken fuhren die beiden zusammen, Sylvia war neben ihnen aufgetaucht und sah zwischen ihnen hin und her. Fran war sich sicher, wäre sie in diesem Moment 40 Jahre älter, ihr wäre schlicht das Herz stillgestanden. Doch sie war „nur“ 29, so rutschte es ihr lediglich in die Hose. Ein wenig floss ihr der Schweiß über die Stirn, drehte sich zu ihrer Mutter um und versuchte mehr schlecht als recht ihr Lächeln zu erwidern. Jetzt bin ich sowas von geliefert …, wenn sie es weiß, weiß es bald ganz Queens und dann dauert es nicht mehr lange, bis es auch Mr. Sheffield hört. Dann ist in ein paar Stunden meine Welt kaputt, mein Job weg, sowie es das Baby jetzt ist … „Fran, ich bin froh dich zu sehen, es gibt da etwas, was ich dir unbedingt sagen muss! Also …“ Doch Fran hörte ihr nicht zu, sie ahnte bereits, was ihre Mutter ihr erzählen wollte. Doch im Moment war sie ganz und gar nicht in der Stimmung, einen möglichen Heiratskandidaten zu treffen, so dass sie ihre Mutter mit ein paar Erklärungen abzuspeisen versuchte. „Es tut mir leid, ich hab gerade leider überhaupt keine Zeit für dich“, doch Sylvia ließ sich nicht beirren. Es war für Fran nur eine Frage der Zeit, bis ihre Mutter eins und eins zusammenzählen und sie nach dem Baby befragen würde. Das konnte sie nicht riskieren, also musste sie ihre Mutter definitiv loswerden. Gespielt beiläufig sah sie sich im Raum um, während sie die Worte ihrer Mutter versuchte zu ignorieren. Nur um dann wie wird mit dem Finger in die Leere zu deuten. „Guck mal Val, da vorne! Ist das nicht ein hübscher Single, der keinen Ring am Finger trägt?“ Neugierig sahen Val und Sylvia in die Richtung, wurden berechtigterweise nicht fündig. Fran nutzte die Zeit und zog Val leise, aber ruckartig mit sich mit. Sylvia bemerkte das nicht sofort, und als Fran gerade am Wegrennen war, konnte sie hören, wie ihr Name gerufen wurde. „Fran, da war kein Single, ich hab da keinen gesehen“, meckerte ihre beste Freundin herum, diese ließ sich jedoch nicht davon aufhalten. Sie verzogen sich tief in den nächstbesten Kleidungsladen, bevor sie zum Stehen kamen. „Natürlich war da keiner“, zischte Fran leise und reckte den Hals. „Aber irgendetwas musste ich mir doch einfallen lassen, um Ma loszuwerden.“ „Hier habt … ihr euch also versteckt“, schnaufte Sylvia und stützte sich an einem Regal mit pinken Hemden ab. „Fran, ihr beide seit so schnell abgehauen, dass ich euch gar nicht sagen konnte, was ich euch erzählen wollte. Ich bin ein wenig abgeschweift dabei, das tut mir leid. Und zu deiner Info, der gutaussehende Mann war leider bereits vergeben, da muss ich dich enttäuschen.“ Unsicher, aber auch erstaunt darüber, dass ihre Mutter tatsächlich einen Mann in einem Frauen-Schuhladen hatte finden können, schüttelte den Kopf. „Es tut mir echt leid, Ma, und ich bin mir sicher, dass deine Geschichte mehr als interessant für uns wäre. Allerdings haben Val und ich es mehr als eilig, daher können wir dir jetzt nicht zuhören … nicht wahr, Val?“ Diese nickte und schwieg, aus Angst, sich ein weiteres Mal zu verplappern. „Aber Fran …!“ Diese ließ sich ein weiteres Mal nicht aufhalten, nahm Vals Hand und startete einen neuen Fluchtversuch.   Doch egal, wohin sie rannte und sie sich zu verstecken versuchte, ihre Mutter ließ nicht von ihr ab. Selbst wenn Fran der festen Überzeugung war, dass sie sie nun nicht aufholen oder zumindest finden würde, tauchte sie von der Seite auf. Am Ende gab es einen, für keine von ihnen überraschend, einen komplett anderen Sieger: Ihre Unsportlichkeit. Erschöpft und schnaufend schleppten sich die drei Frauen zur nächsten Bank, an welcher sie ihre Lungen mit Luft füllten. Mehrere Minuten schnappten sie nach Luft, versuchten sie sich von der vielen Rennerei zu erholen und fächerten sich mit den Händen die Gesichter an. „Fran, wenn du mir nur für einen kurzen Moment zuhören würdest, dann könnte ich dir etwas erzählen, dass für dich bestimmt mehr als interessant sein wird.“ Fran, die es mittlerweile leid war ständig davon zu rennen, gab auf. Erschöpft sagte sie ihr, dass sie ihr ruhig erzählen kann, was auch immer ihre Mutter loswerden möchte. Als sie es dann hörte, wurde sie von Wort zu Wort immer hellhöriger. „Fran, ich wollte euch beiden nur sagen, dass ich euer Baby bei mir habe. Tut mir leid, wenn ich euch eventuell Unannehmlichkeiten bereitet habe. Das versuche ich euch die ganze Zeit zu erklären, aber ihr seid immer wieder davongelaufen und euch einzuholen ist nicht so leicht.“ Atemlos stieß sie das aus, dann kramte sie „zur Beruhigung ihrer Nerven“ einen fettigen, mit Schokolade überzogenen Donut hervor und biss kräftig davon ab. Fran sah sie dagegen ungläubig an, genauso wie ihre beste Freundin. Hätten sie in dem Moment einen Donut gegessen, wären sie wohl gerade beinahe an ihrem Bissen erstickt. „Wie bitte?“, brachten beide entsetzt raus, Sylvia sah sie dagegen wie die Unschuld vom Lande an. Zumindest versuchte sie es, wollte sie nicht den Zorn ihrer Tochter auf sich ziehen. „Nun ja, Fran hatte mir so viel mit dem Baby vorgeschwärmt, da wurde ich doch etwas neidisch. Als ich euch beide dann damit hab fahren sehen, konnte ich nicht anders und habe mir die Kleine ein wenig … ausgeliehen. Sie ist so ein putziges Mädchen … sie schläft nur furchtbar viel. Man könnte meinen, sie wäre mit uns verwandt. Auf der Familienseite deines Vaters sind auch sehr viele Langschläfer. Vor allem dein Großonkel Steven ist oft nicht aus den Federn zu bekommen … ihr seid nicht zufällig sauer auf mich, oder?“ Sie versuchte es mit einem kleinen Funkeln in den Augen, doch ihre Tochter sah sie nur finster an. Zwar war sie auch erleichtert, da sie nun endlich wusste, was genau mit Dakota passiert war. Dennoch hätte sie auf den ganzen Schock und die Suchaktion von Anfang an verzichten wollen. „Ma! Wie konntest du? Ich hab mich schon unter der Brücke gesehen, mit einem Schild auf dem steht Verkaufe Ihnen Make-up für Essen! Wie konntest du nur? Du hättest uns wenigstens fragen können!“ Wütend sah Fran ihre Mutter an, auf der anderen Seite konnte sie sie auf eine merkwürdige Art und Weise verstehen. An ihrer Stelle hätte sie wohl genauso reagiert, wenn auch eher unabsichtlich.  Außerdem wusste sie, dass ihre Mutter zwar viel in den Sand setzen konnte, aber ein Baby betreuen gehörte zu den wenigen Fähigkeiten, die sie beherrschte. Ebenso 45 Hamburger in zwei Minuten zu verschlingen, wie sie einmal tatkräftig beweisen konnte. „Es tut mir wirklich leid, Fran. Die Kleine hatte so süß gelächelt – außerdem habe ich es nur getan, weil ich wusste, dass ihr darauf aufpasst. Bei anderen Leuten hätte ich es nicht einmal zu wagen versucht. Ich wollte euch Bescheid geben, aber ihr wart auf einmal verschwunden; und als ich euch endlich gesehen hatte, seid ihr immer davongelaufen. Den Rest kennt ihr ja bereits.“ „Ach Ma!“ Herzlich umarmten sich die zwei Frauen, immer wieder und wieder entschuldigte Sylvia sich bei ihrer Tochter, bis es ihr schließlich zu viel wurde. Mit einem Ruck zog sie sich wieder aus der Umarmung zurück und sah ihre Mutter ernst an. „Aber wenn du uns die ganze Zeit über verfolgt hast, wo ist Dakota jetzt?“ In ihren Gedanken hatte schon bereits ein Vierter das Baby abermals an sich genommen, doch den faulen Zahn konnte ihr ihre Mutter wieder ziehen. „Jetta passt auf die Kleine auf. Sie ist zwar alt und senil, aber das bekommt sie hin. Außerdem ist da diese reizende Bedienung, die versprochen hat ab und zu ein Auge auf sie zu werfen.“ „Auf wen, Grußmutter Jetta oder Dakota?“, fragte Fran nach. Ihre Mutter sah sie mit hochgezogener Stirn an. „Auf beide natürlich!“ Sie klopfte ihr auf den Schenkel, dann stand sie auf und gönnte sich einen weiteren Donut. „Dann gehen wir mal lieber, bevor Jetta noch auf die Idee kommt, das Baby wärst du oder sie füttert es wieder mit Kaffee, so wie sie es vorhin vorhatte!“   Epilog: Epilog -------------- Den Rest des Tages verbrachten die vier noch ein wenig in der Mall, bevor sie noch einmal durch den Park und anschließend nach Hause schlenderten. Zu ihrem Glück hatte bis auf Niles keiner der anderen ihr langes Fortbleiben bemerkt, die Kinder waren alle außerhalb des Hauses mit Freunden oder anderen Aktivitäten beschäftigt, Mr Sheffield und C.C. dagegen mit ihrem Stück. „Das wird ein voller Erfolg, ein Meisterwerk“, lobte er vor sich hin. C.C. nickte auf die fragenden Blicke, wie um zu bezeugen, dass er sich dieses Mal nicht irren würde. Nach einer Weile und viel Babygestaune hatten alle ihren Weg in ihre Räume gefunden, nur Fran saß neben der schlafenden Dakota und sah ihr beim Träumen zu. Ihre kleine Brust hob sich langsam auf und ab, die kleinen Hände zu Fäuste geballt hatte sie den Kopf zur Seite gedreht. Fran sah sie an, ihr Herz schmolz bei dem Anblick dahin. Leise klopfte es am offenen Türrahmen und ehe Fran reagieren konnte, betrat Mr. Sheffield den Raum. Zwar herrschte Dunkelheit im Raum und der Flur war die einzige Lichtquelle, dennoch konnte Fran sehen, dass ihr Chef sie anlächelte.   „Offensichtlich hatten sie heute eine Menge Spaß, Miss Fine“, sagte er und warf ebenfalls einen kurzen Blick auf das kleine Baby. „Sie sieht aus wie meine Maggie damals, als sie noch ein kleiner Fratz war. Oder Brighton oder Grace. Es kommt mir vor wie gestern, als sie mich angestrahlt haben, während Niles ihnen die Windeln gewechselt hat … das war wirklich eine sehr schöne Zeit.“ In Nostalgie schwelgend sah er das Baby noch für ein paar Augenblicke an, dann zog es seinen Blick immer wieder zu der Nanny. Was er sich nur schwer eingestehen konnte. Allein schon, wie sie an der anderen Hälfte des Babybettes stand und auf das kleine Wesen darin sah, erwärmte sein Herz. Unbewusst fing er zu lächeln an, dabei verringerte er die Distanz zwischen ihnen geringfügig. „Wie ich gehört habe, haben sie mit der kleinen Dakota einen kleinen Tagesausflug gemacht und ihr ein wenig New York gezeigt“, fing er an. Wobei er sich selbst nicht ganz sicher war, in welche Richtung ihr Gespräch laufen würde. Er beschloss, sich einfach von seinen Worten treiben zu lassen und zu sehen, wo sie am Ende stehen würden. „Das ist eine schöne Idee, Dakota wird in letzter Zeit sehr wenig an der frischen Luft gewesen sein. Außerdem sind neue Eindrücke gut für kleine Kinder, das stärkt nur ihre natürliche Neugierde und lässt sie offen für neue Situationen werden.“ Wieder trat er einen Schritt auf Fran zu, blieb stehen und sah aus dem Fenster hinaus. „Kinder werden so schnell groß. In dem einen Augenblick krabbeln sie unbeholfen in der Gegend herum und bringen gerade mal ihre ersten Worte heraus, wenn überhaupt. Dann ein paar Jahre später sehen sie dich immer noch mit großen Augen an. Und dann, eines Tages, werden sie größer, jugendlicher. Bis sie mit dir auf einer Augenhöhe sind.“ „Dann sollte man die Zeit dazwischen nutzen, solange man es kann“, sagte Fran vorsichtig, ihrem Chef zugewandt. Dieser nickte zustimmend, fuhr sich kurz über Mund und Kinn und warf dem Baby ein kurzes Lächeln zu. „Auf jeden Fall bin ich froh, dass ich Sie damals angestellt habe. Sie mögen mich zwar oft auf die Palme bringen, aber am Ende des Tages lautet das Resultat ihrer Arbeit immer, dass meine Kinder glücklich sind. Und wenn sie es sind, dann bin ich es ebenfalls.“   Wieder trat er einen Schritt auf sie zu, nun trennte ein halber Körperabstand die beiden. Ihre Blicke fanden sich immer, öfter und auch wenn sie wegsahen, sprachen ihre Augen Bände. „Mich machen Sie auch oft glücklich … ich meine, Sie machen ihre Arbeit recht gut und das macht mich glücklich“, korrigierte er sich selbst. „Ich … mache es gerne. Kinder bereiten mir eine große Freude und es macht so viel Spaß, mit ihnen zu spielen und zu lachen.“ Sie zuckte kurz zusammen, als sie seine Hand an ihrer Wange spürte. Ihr Herz begann wie wild zu rasen, ihr Herz pumpte unermüdlich laut in ihren Ohren. Sie versuchte ihre Augen von ihm abzuwenden, doch es gelang ihr nicht. Dass es ihm genauso schwerfiel, erleichterte die Situation für sie ein wenig. „In der Tat, das merkt man Ihnen an. Sie sind so eine schöne Frau, sind lebensfroh und aktiv. Dass Sie noch immer Single sind, ist für mich … nun, unbegreiflich. Dieser Mann, dieser …“ „Sie meinen Danny?“ „Ja, genau der!“, sagte Maxwell. „Er war ein Idiot. Aber vermutlich hatte er Sie auch einfach nicht verdient, wenn er Sie durch eine andere ersetzt hatte. Vermutlich haben Sie einen Mann mit mehr Charme, mehr Klasse verdient. Einen, mit dem sie glücklich werden und auch eigene Kinder haben werden. Ich bin mir sicher, Sie wären eine tolle Mutter und Ehefrau.“ Sein Blick, sanfter als seine Worte, suchte ihr Gesicht ab, auch wenn er nicht genau wusste, was er darin suchen sollte. Waren es ihre Augen? Das dezente Lächeln auf ihren Lippen? Er konnte es nicht sagen.   „Meinen Sie das wirklich oder hat Sie etwa meine Mutter bestochen, dass Sie solche Dinge reden?“ Amüsiert kicherte sie ihn an, doch er verneinte. „Nein, ich sage das, weil ich der festen Überzeugung davon bin. Sie sind eine tolle Frau und sie haben einen tollen Partner verdient.“ Fran sah ihn fragend an: „Sie meinen, einen tollen Mann wie Sie?“ Maxwell lachte nervös, erneut wischte er mit der Hand über sein Kinn. „Ja, das könnte man so sagen. Auf jeden Fall einen Mann, der Sie glücklich macht und auf Händen trägt …“ Immer mehr hatte sich die Distanz zwischen ihnen verringert, immer enger rückten ihre Körper zusammen. Vorsichtig, fast schon zaghaft schob er eine verirrte Haarsträhne hinter ihr Ohr. Dann sah er ihr noch einmal in die Augen, bevor er ihr Gesicht nahm und gegen seine Lippen drückte. Glücksgefühle durchströmten ihre Körper, was sie beide den Kuss noch mehr genießen ließ. Fran hatte in ihrem Leben bereits eine Menge Männer geküsst, doch keiner von ihnen konnte so gut, so warm und so leidenschaftlich küssen, wie er es tat. Die Augen geschlossen, spielten ihre Zungen ein gemeinsames Spiel, zur einer Melodie, die nur sie beide kannten. Es dauerte nur einen kurzen Moment, er dauerte eine gefühlt schöne Ewigkeit für sie, doch dann trennten sich ihre Körper. Ihre Seelen, die sich für einen Augenblick verbunden fühlten, waren nun wieder zwei. Leicht lächelnd sahen sich die beiden an, für ein paar Sekunden wussten sie nicht, was sie sagen sollten. Maxwell trat zwei Schritte zurück, und vergrub seine Hände in seinen Hosentaschen. „Nun, Miss Fine, ich sollte Sie auch nicht weiter um ihren verdienten Schlaf bringen, immerhin haben Sie einen langen und harten Tag hinter sich, da sollten Sie sich auch ausreichend ausruhen.“ Er räusperte sich ein wenig. „Jedenfalls, vielen Dank dafür, dass Sie kurzfristig einspringen konnten, auch im Namen ihrer Eltern. Sie sind Ihnen mehr als dankbar. Und ich bin es Ihnen auch.“   Ein weiteres Mal trat er auf sie zu, dieses Mal küsste er nur kurz ihre Stirn, wie er es sonst mit seiner jüngsten Tochter tat. „Ich wünsche Ihnen eine gute Nacht, Sie haben was gut bei mir. Was immer Sie sich wünschen, Sie können es von mir bekommen.“ „Ich werde mir etwas einfallen lassen“, sagte sie und begann den Raum zu verlassen. Im Türrahmen drehte sie sich kurz um und wünschte ihrem Boss eine gute Nacht. „Danke, Miss Fine, da wünsche ich Ihnen ebenfalls.“ Er sah ihr nach, wie sie den Flur entlang zu ihrem Zimmer schlenderte. Dann kurz zu Dakota, bevor er sich zu seinem eigenen Schlafzimmer aufmachte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)