Silver for Monsters... von Sherlysoka (...but what works against women?) ================================================================================ Kapitel 1: Shzakieree --------------------- Geralt sah in sein Glas. Es war ein sehr, sehr tiefer Blick. Als er seine Faust, die das kleine Schnapsglas umfasste, auf den Tresen krachen ließ, zuckte die Barfrau leicht zusammen. „Noch einen, Hexer?“ Sie zog eine grüne Flasche aus dem Regal. „Warum nicht?“ Geralt grinste, als sich die Dame nach vorne beugte, um auszuschenken. Ihm bot sich ein hinreißender Blick auf ihr Dekolte. Er hatte sich all das hier verdient. Heute Abend war der Kreischling, der in Mittelhain sein Unwesen trieb, durch sein Schwert gefallen. Für gewöhnlich ritt er nach einem erfolgreichen Auftrag auf Plötze durch die Wälder, briet sich ein Reh, und meditierte. Doch als ihn der Bauer, der ihn beauftragt hatte, auf einen Trunk eingeladen hatte, konnte selbst Geralt von Riva schlecht Nein sagen. Und es war eine gute Entscheidung gewesen. Es wurde getrunken, gelacht und musiziert. Einige der Mädchen verdienten sich ein paar Kronen indem sie für die Männer tanzten. „Sieh mal, das da drüben ist meine Enkelin“, krächzte ihm der Alte neben ihm ins Ohr, „Ist sie nicht schön?“ „Allerdings,“ frohlockte der Hexer. Obgleich es ihm auch ein Rätsel war, wie der Mann stolz darauf sein konnte. Hätte ein Kerl seine Ciri auch nur schief angesehen, er hätte ihm den Kopf abgeschlagen. In einem Streich. Geralt sah sich um. Die Taverne war zum bersten voll. Doch es herrschte ausgelassene Stimmung. Anfangs hatte er Misstrauische Blicke geerntet, wegen seinem weißen Haar, trotz seines jungen Gesichtes, und wegen den zwei Schwertern auf seinem Rücken, eines aus Stahl, eines aus Silber. Doch als sie gesehen hatten, dass er trank wie einer von ihnen, waren bald alle Differenzen beseitigt. Er wand sich seinem Zitronenvodka zu, und kippte ihn in einem hinunter. Dann erhob er sich, und ging auf den Ausgang zu. Als er die Enkelein des Alten passierte, warf sie ihm verheißungsvolle Blicke zu, und ließ ihre Hand über seinen Oberschenkel gleiten. Geralt lächelte. Er wusste sehr wohl um seine Wirkung auf Frauen. Vielleicht würde er sich heute Nacht noch einen Spaß draus machen. Als er die Schenke verließ, schlug ihm kühle, frische Abndluft entgegen. So schrecklich Velen mit all seinen Kreaturen war, gerade war es sehr lauschig. Lag warscheinlich am Alkohol. Der Hexer trat hinter einen Busch, und knöpfte seine Hose auf. Kurz nach dem er sich erleichtert hatte, hörte er eine Stimme hinter sich. „Hallo, Hexer.“ Es war eine Stimme die süß, unschuldig, gefährlich und verlockend in Einem klang. Noch während er seine Hose zurechtrichtete, fuhr er herum. Vor ihm stand eine Frau. Sie reichte ihm bis zur Schulter, und war etwa von Ciris Statur. Geralt musterte sie. Ihre Kleidung war eindeutig eine Hexerkluft. Ein Hemd, darüber eine Lederkorsage, und eine Lederhose. Auch die üblichen zwei Schwerter fanden sich auf ihrem Rücken. „Mit wem hab ich das Vergnügen?“ Geralt versuchte sich seine Überraschung nicht anmerken zu lassen. Die Frau schnippte mit den Fingern. „Igni.“ Eine kleine Flamme züngelte auf ihrer Handfläche. Jetzt konnte Geralt sie genauer sehen. Sie hatte ein fremdländisches Gesicht mit großen Augen und vollen Lippen. Ihre Nase war breiter und flacher als die der Menschen, die von hier stammten. Zudem hatte sie einen dunkleren Hautton, fast wie Schokolade. Ihr Haar war schwarz. „Mein Name“, begann sie, „ist Shzakieree. Shzakieree von Sokkode.“ Geralt nickte. Sokkode... das erklärte die Hautfarbe. „Und ihr müsst Geralt von Riva sein.“ „Das stimmt“, bestätigte der Hexer. Wäre er nicht so betrunken gewesen, hätte er sie warscheinlich gefragt, was sie hier tat, und was sie von ihm wollte. Oder an Yen gedacht. Doch in seiner aktuellen Verfassung dachte er in Erster Linie an etwas, das er lange nicht mehr getan hatte. „Ihr seid schön“, sagte er leise, während seine Hand an ihrer Wange ruhte. Shzakieree schloss ihre Hand zu einer Faust, das Feuer erlosch. Sie machte einen Schritt zurück. Geralt folgte. Sie schien eine Herausforderung zu sein. Er liebte Herausforderungen das hier war so viel besser als die leichten Mädchen in der Taverne! „Für was haltet ihr mich?“ fragte die Hexerin brüskiert. Doch Geralt ignorierte sie. Und obwohl vor der Schenke noch einige andere Männer waren, hob er sie kurzerhand hoch, und trug sie zur Scheune. Sie wehrte sich längst nicht so heftig wie erwartet. Sein Unterbewusstsein wollte ihm irgendetwas sagen, doch er ignorierte dies geflissentlich. Mit dem Fuß stieß er das Tor auf, und verscheuchte ein Pärchen, das auf eine ähnliche Idee gekommen war. Er ließ Shzakieree ins Stroh fallen, und platzierte sich grob über ihr. Schon jetzt entfuhr ihm ein kehliges Stöhnen. Das letzte Mal war viel zu lange her gewesen... Doch noch bevor er sich an ihrer Kleidung zuschaffen machen konnte, verpasste ihm die Hexerin einen Kinnhaken. Und es viel ihm wie Schuppen vor die Augen- Es war zu einfach gewesen. Betrunken hatte er keine Chance gegen sie. Alles was er noch merkte war, wie sie ihm etwas vom Hals riss... sein Armulett... Dann wurde alles schwarz. Kapitel 2: Hanna und Niellen ---------------------------- Geralt wurde von Sonnenstrahlen auf seinem Gesicht geweckt. Langsam öffnete er seine Augen. Vor ihm, auf seiner Brust saß ein gackerndes Huhn. Es sah ihn aus weit aufgerissenen Augen an. Verärgert scheuchte er die Henne von sich. Mit einem Stöhnen rieb er sich seine Stirn. Sie lag in Falten. Sein Kopf pochte.Wie lang hatte er hier gelegen und geschlafen? Durch die undichte Scheune fiel gleißendes Sonnenlicht hinein. Etwa halb acht, schätzte der Hexer. Als er sich erhob, flatterten ein paar Hühner aufgeregt auf ihre Stangen an der Scheunenwand. Eines der Pferde schnaubte unruhig. In diesem Moment merkte der Hexer, das ihm etwas fehlte. Ein vertrautes Gewicht um seinen Hals. Seine Hand fuhr zu seiner Brust. Das Medallion! Schlagartig erinnerte er sich an die farbige Frau aus Sokkode und seinen fatalen Fehler. „Verdammt!“ Er stieß den Fluch wütend aus, und holte Plötze aus seiner Box am Ende der Stallgasse. Mäuse huschten unter seinen aggressiven Schritten ins Stroh. Seine Stute schien nicht zu verstehen, was in ihn gefahren war. Vor der Tränke ließ er sie Stehen, und stieß die Tavernentür auf. „Hexer!“ Er wurde überschwänglich begrüßt. Einige der Männer von Gestern waren immernoch da. Doch Geralt war nicht zu Geschwafel aufgelegt. Er brauchte sein Medallion! Ohne es war die Suche nach Ciri vergebens! Er stieß einen Mann beiseite, der ihm andscheinend etwas sagen wollte, und ging schnurstracks auf die Barfrau zu. „Guten Morgen Hexer.“ Sie lächelte. „Habt ihr wohl geruht?“ Geralt machte eine ungeduldige Geste. „Kennt man hier eine andere meiner Gilde? Eine südländische Frau?“ Sie schien kurz zu überlegen. „Nein, sojemanden habe ich hier noch nie gesehen. Fragt doch Kendrik, der Alte dahinten. Wenn jemand etwas weiß, dann er.“ Geralt nickte knapp, und schritt hinüber zu dem Mann. Er sortierte einen Stapel Gwintkarten, und bemerkte ihn nicht sofort. Als der Hexer mit der flachen Hand auf den Tisch schlug, fuhr er hoch. „Ah...“ Er murmerlte etwas unverständliches. „Was kann ich für dich tun?“ „Ich suche eine Frau“, sagte Geralt eindringlich. Kendrik lachte in seinen Bart. „Tun wir das nicht alle, mein Guter?“ So langsam wurde Geralt ungeduldig. „Eine aus dem Süden. Dunkle Haut, große Augen und zwei Schwerter auf dem Rücken.“ Der Mann überlegte. „Zwei Schwerter... Zwei Schwerter hab ich hier nicht gesehen, außer bei dir. Aber ein Mädchen aus Sokkode. Sie sagte, sie heiße Shila. War hier vor zwei Tagen. Wartete auf einen Onkel, hat sie erzählt. Aber der hab ich nicht getraut! Hatte eine Zunge wie eine Schlange. Da ist Vorsicht gefragt!“ Geralt war klar, dass sie warscheinlich weder Shila noch Shzakieree hieß. Allerdings schien der Mann sie wirklich gesehen zu haben. „Sie wartete also auf einen Onkel?“ Kendrik nickte. „Danach wollte sie nach Oxenfurt, hat sie erzählt. Aber wieso willst du das eigentlich wissen?“ „Sie hat etwas, das mir gehört“, antwortete Geralt. Der Hexer wusste sehr wohl, wie seinesgleichen dachte. Und so wunderte er sich auch kein bisschen, als ihn eine Fährte genau in die entgegengesetzte Richtung führte, als die, die ihm der Alte vorgegeben hatte. Man konnte viele, düstere Sachen über Geralt von Riva erzählen, doch eins musste man ihm zusagen. Er war warscheinlich der beste Fährtenleser, den die Welt je gesehen hatte. Und so kamen er und Plötze langsam, doch stetig vorran. Am Abend erreichten sie die Taverne am Scheideweg. Hier entgegneten die Leute ihm mit Furcht und Respekt. Manche schimpften. Aber keiner sprach ihn direkt an. Eigentlich hätte er gerne etwas Gegessen, oder seinen verkaterten Kopf ausgeruht, doch die Diebin würde wohl kaum warten. So trieb er Plötze weiter, den Berg hinter dem Dorf hinauf, an dem zugegeben Eindruck schindenden Galgenbaum auf, der untergehenden Sonne entgegen. „Schneller, Plötze!“ rief er. Er wollte keine Zeit verlieren. Etwas weiter, im Wald endete die Spur vor einer Hütte. Die letzten huntert Meter hatte der Hexer zufuß zurück legen müssen, da die Spur hier schwieriger zu finden war. Das kleine Häuschen strahlte Wärme und Geborgenheit aus. Aus den Fenstern strahlte das helle Licht von Kerzen, und aus dem Schornstein rauchte es. Vor dem Eingang stand ein Pferd, ein großer Fuchshengst. Plötze wieherte aufgeregt. „Komm mit, du dummes Ding“, knurrte Geralt, und band sie auf der anderen Seite der Hütte an. Er nahm ihr den Sattel ab, und klopfte an der Tür der Hütte. Eine schlanke Frau im Nachthemd machte vorsichtig einen Spalt weit auf. „Wer da?“ fragte sie. „Geralt von Riva. Hexer aus Kaer Mohen“, antwortete er würdevoll. Warscheinlich würde die Tür gleich vor seiner Nase zufliegen... Doch zu seiner Verwunderung öffnete die Frau die Tür, und lächelte ihn an. „Kommt rein.“ „Nanu?“ Geralt zog sarkastisch eine Augenbraue hoch. „Gar keine Angst?“ Ein Mann, warscheinlich ihr Gatte, erhob sich vom Esstisch. „Nein. Wir sind froh über jeden von euch, mein Herr. Wer hält uns sonst die Nekrophagen vom Leib?“ Der Hexer lächelte. „Sehr vernünftig. Kann ich hereinkommen?“ „Natürlich!“ Die Frau trat beiseite, und schloss die Tür hinter ihm. „Wir haben uns mit den Leuten im Dorf nicht verstanden, deshalb wohnen wir hier. Niellen hier, ist mein Mann. Ich heiße Hanna.“ Sie lächelte freundlich. „Braucht ihr ein Nachtlager? Einen Eintopf vielleicht?“ Geralt lehnte Dankend ab. „Ich suche eine Hexerin, südländisch. Sie hat etwas, das ich vermisse. Ist das ihr Pferd vor der Tür ihres?“ Hanna warf ihrem Mann Niellen einen besorgten Blick zu. „Ihr wollt ihr doch nichts antun?“ fragte dieser. Fast musste Geralt über die törichtheit dieser Beiden lächeln. Er wusste jetzt beinahe alles, was er wissen musste. Doch sie waren so nett gewesen, das er beschloss, sie nicht unnötig zu verunsichern. „Nein. Das möchte, und werde ich nicht. Ich will lediglich meinen Besitz zurück.“ Niellen nickte. „Nun gut. Sie kam gestern Nacht hier an, im Morgengrauen um genau zu sein...“ Geralt pfiff leise. Sie war geritten wie der Teufel höchstpersönlich. „...Wir gaben ihr und ihrem Pferd zu Essen und zu Trinken. Sie half uns, die Wölfe hinterm Haus loszuwerden. Vorhin ist sie in den Wald gegangen, um Kräuter für die Suppe zu holen.“ Er wies auf einen Kessel über der Feuerstelle. „Ich danke euch“, sagte Geralt, „ich werde draußen auf sie warten. Danach würde ich gerne etwas von dem Eintopf kosten.“ Ein Wolf heulte in der Ferne. Geralt wippte von einem Bein aufs andere. Der Mond war aufgegangen, er konnte ihn durch die Baumwipfel jedoch kaum sehen. Wo blieb sie? Plötzlich traf ihn etwas am Kopf. Ein Tannenzapfen kullerte ihm von die Füße. Sein heute sowieso schon empfindlicher Kopf schmerzte. Er sah nach oben. „Hallo Geralt.“ Sie schnurrte geradezu. Und schon wieder regte sich etwas in ihm. Ein Tier. „Miststück“, fluchte er. „Komm sofort darunter!“ Sie lachte kokett. Geralt verzog verzweifelt seine Miene. „Komm da runter. Jetzt!“ Sie lächelte ihn an, und schwenkte das Medallion hin und her. „Und wenn nicht?“ Er knurrte wütend. „Dann komm ich rauf!“ Und er machte seine Drohung wahr. Kurzerhand erklomm er den ersten Ast, Und war schon bald auf einer Höhe mit ihr. „Her damit.“ „Nagut...“ Sie verdrehte die Augen. „Hier hast du dein blödes Spielzeug.“ Sie beugte sich vor, und reichte es ihm. Geralt schnappte es ihr grob aus der Hand, und streifte kurz ihre Haut. „Danke“, blaffte er, legte sich den Talisman um, und sprang vom Baum. Sie folgte ihm. „Garnicht neugierig, was ich gestern von dir wollte?“ Er grummelte etwas von wegen „blöde Weiber“ und blieb stehen. „Also? Warum?“ Sie trat ihm gegenüber. „Nimm mich mit. Und zwar nicht als Handgepäcksluder, sondern als Schülerin.“ Sie wippte nervös auf und ab. „Ich habe viel von euch gehört und Gelesen. Der Weiße Wolf... Schlächter von Blaviken.“ Geralt lachte sarkastisch. „Soll ich dir die Warheit sagen, Liebes? In meinen Augen erfüllen Frauen genau einen Zweck. Wenn du dich vergnügen willst, dann komm ich dir gern entgegen. Aber ich kann keine Dame als Reisegenossin gebrauchen.“ Das war nicht die ganze Wahrheit. Auch Geralt liebte. Ciri, Yen... Und diese beiden sah er auch keinesweg als Objekte. Sie schnaubte verächtlich. „Wir wissen beide, das dem nicht so ist. Ich werde schon noch beweisen, dass Männer nicht alles besser können! Morgen tragen wir einen Schwertkamp aus!“ Der Hexer grinste. „Ich freu mich drauf, Kleines!“ Nebeneinander gingen sie zur Niellen und Hannas Hütte zurück. Kapitel 3: Ein Tanz ------------------- Geralt tauchte seinen grob geschnitzten Holzlöffel in seine Suppe. Sie saßen zu viert am kleinen Tisch des Jägers und seiner Frau. Shzakieree redete ununterbrochen mit den beiden. Geralt schwieg. Er war nicht besonders gespräch. Der Eintopf schmeckte köstlich. Gut gewürtzt, mit saftigem Rehfleisch und frischem Gemüse. Kein vergleich zu der dünnen Suppe in Mittelhain. Und zweifelsohne das Beste, was er seit langem gegessen hatte. Im Kamin prasselte munter ein Feuer, eine schnurrende Katze lag davor. Der Hexer fühlte sich sehr wohl. Hin und wieder warf er einen Blick zu der jungen Hexerin, die ausgelassen plauderte und lachte. Jedesmal warf sie ihre Haare in den Nacken, und ihre Augen strahlten. Sie wirkte sorglos und glücklich. So etwas hatte Geralt ewig nichtmehr gesehen. Der Krieg nahm den Meisten jegliche Lebensfreude. Er beschloss sie anzusprechen. „Du hast also von mir gelesen, Mädchen?“ Ihr Lächeln verblasste. „Ich bin zu alt um Mädchen genannt zu werden. Und ja, das habe ich. Wenn auch kaum etwas Gutes.“ Geralt schmunzelte. „Wie alt bist du denn, wenn ich fragen darf?“ Sie reckte ihr Kinn nach vorne. „Achtzehn.“ Der Hexer gluckste amüsiert. „Du bist wahrlich sehr erwachsen!“ Bevor sie sich beschweren konnte, lenkte Hanna das Gespräch in eine ganz andere Richtung. „Was verschlägt euch eigentlich hierher? Nicht, das wir nicht dankbar wären, aber...“ „Ich habe nach ihm gesucht,“ unterbrach die Hexerin sie, und deutete auf Geralt. „Ich bin hier um zu lernen. Und für Abenteuer. Mein Vater sagte, ich solle mich nichtmehr daheim Blicken lassen, bevor ich meinen ersten Greifen eigenhändig erlegt habe. Nur gibt es bei uns keine Gfeifen.“ Niellen sah sie schockiert an. „Das kann dein Vater doch nicht wirklich so gewollt haben!“ Shzakieree lächelte. „Es ist fragwürdig, ob er es wirklich wollte. Aber ich will es. Darum bin ich hier.“ hanna nickte. „Das ist sehr mutig. Was ist mit euch, Herr von Riva?“ Geralt räusperte sich. „Ich suche jemanden.“ Damit schien das Thema für ihn erledigt zu sein. Alle sahen ihn neugierig an. „Und?“ fragte Niellen. „Warum?“ fragte Hanna. „Wie heißt sie?“ fragte Shzakieree. Fast hätte Geralt sie verdutzt angesehen. Sie war gut, das musste er ihr lassen. Mal sehen, wie sie sich morgen schlagen würde. „Ihr name ist Cirilla Fiona Elen Rianonn. Sie ist... Ich habe sie ausgebildet in Kaer Morhen.“ „Jetzt Hannas Frage“, sagte Shzakieree ungeduldig. „Warum?“ Langsam enzürnte ihn ihre aufsässige, freche Art. Er beschloss, nicht zu sagen. „Sie ist in Gefahr.“ Anhand seiner düsteren Miene und der Grobheit, mit der er die Wörter aussprach, wurde für alle klar, das weitere Fragen unerwünscht waren. Schweigend aßen sie fertig. „Wenn ihr wollt, könnt ihr unsere Betten haben“, bat Niellen freundlich an. Shzakieree schüttelte den Kopf. „Gute Leute wie ihr haben sich den Schlaf redlich verdient. Ich lege mich zur Katze vor den Kamin. Gute Nacht.“ Hanna lächelte dankbar. „Was ist mit euch, Hexer?“ Geralt winkte ab, und stieß die Tür auf. „Ich meditiere draußen.“ Am nächsten Morgen stand Geralt um halb sechs auf, um sie aufzuwärmen. Bald bemerkte er, das Shzakieree die selbe Idee gehabt hatte. Sie dehnte sich hinter dem Haus. „Guten Morgen!“ rief sie zuckersüß, und reckte ihm ihr Hinterteil entgegen, während sie ihre Hände auf den Boden legte, um die Beinmuskulatur zu lockern. Der Hexer konnte nicht umhin, den Anblick zu genießen. „Du solltest deinen Schwerpunkt nicht auf die Beinarbeit legen, Kleines.“ Geralt schmunzelte. „Du magst schneller sein als ich, aber wenn ich dir dein Schwert aus der Hand schlage, bringt dir das nichtsmehr.“ Shzakieree grinste sarkastisch zurück. „Netter Versuch!“ Unbeirrt fuhr sie fort. Der Hexer zog sein Wams aus da es in einem solchen Kampf nur stören würde. So stand er in seinem weißen Hemd da. Dann begann er mit Liegestützen und Klimmzügen an einem Ast. Es war etwa neun, als er fertig war. „Kanns losgehen?“ fragte er Shzakieree. Sie nickte. Hanna trat in die Tür um zuzusehen. Niellen war Jagen gegangen. Geralt zog sein Schwert. Sie tat das gleiche. Ihm viel gleich auf, das sie entschlossen und flink war. Aber wie er geahnt hatte lag ihre Kraft in den Beinen. Sie sprang vor, und schlug ihre glänzente Klinge gegen seine längst nicht so Neue. Er parierte Mühelos, und stieß sie zurück. Shzakieree sprang zurück, um ihr Gleichgewicht wiederzufinden. „Schwach.“ Sie schüttelte wütend den Kopf. Mit einem Schrei kam sie wieder auf ihn zu. Er wich aus, und genau das hatte sie gewollt. Sie griff seine Seite an, doch er reagierte schnell. Wieder klirrte Stahl auf Stahl. Sofort schlug er nach ihrem Bein. Doch sie sprang in die Luft, und seine Klinge sauste unter ihr hindurch. Dann ließ sie ihr Schwert erneut auf ihn niederschnellen. Geralt rollte sich weg, und packte sie von hinten. Shzakieree wand sich wie ein Aal und kratzte und schlug wie eine Katze. Kurz darauf war sie wieder frei. Der Hexer lachte auf. „Wiederspenstig, hm?“ Er wirkte Ard. Die Druckwelle schleuderte sie zurück. „Das kann ich auch!“ schrie sie, als sie sich aufgerappelt hatte. „Igni!“ „Quen!“ kam es von Geralt, der sich grade so vor der Feuersbrunst schützen konnte. Shzakieree ließ ihr Schwert fallen. Dann stob sie auf ihn zu, und riss ihn zu Boden. Hätte er damit gerechnet, hätte sie keine Chance gehabt. Doch nun lag sie auf ihm, und er auf dem Boden. Wenn er nicht im Begriff wäre zu verlieren, hätte er es genossen. Er packte sie, und rollte sie herum. Nun lag er oben, und drückte ihre Handgelenke brutal auf den Boden. Ihr Gesicht war vor Schmerz verzerrt. „Hast du jetzt genug?“ Sie sah ihn hasserfüllt an. „Leck mich.“ Geralt lachte. „Mit Vergnügen. Nicht jetzt, allerdings.“ Er gab sie frei, und erhob sich. „Alles in Ordnung bei euch?“ rief Hanna besorgt. „Jaja.“ Der Hexer winkte ab. Er musste zugeben, er war überrascht. Keiner hatte es mit ihm aufnehmen können. Nicht Ciri, nicht Vesemir, nicht Yen. Keiner. Nun gut, sie hatte es auch nicht geschafft. Aber sie hatte Talent und Kampfgeist bewiesen. Geralt saß neben Shzakieree auf der Bank vor der Hütte. Sie rieb sich ihre Handgelenke. Die vier Schwerter lehnten an der Wand neben ihnen. „Weißt du, ich glaube, ich werde dich mitnehmen.“ Er hatte garnicht beabsichtigt das zu sagen. Es war ihm einfach so über die Lippen gekommen. Sie sah ihn aus großen, braunen Rehaugen an. „Wirklich?“ Er nickte. Jetzt gab es kein Zurück mehr. Ein kleines Lächeln stahl sich auf ihr schönes Gesicht. Geralt musste sie kurz anstarren. „Aber sag mal... Wie ist dein echter Name?“ Sie grinste. „Ich heiße Shzakieree. Ich habe dir die Wahrheit gesagt. Wir sind jetz Gefährten, oder nicht? Da musst du doch meinen Namen wissen!“ Ihr Lächeln wurde noch breiter, und sie hilt ihm die Hand hin. Er schlug ein. „Ja, du hast recht.“ Er stand auf, um in den Wald zu gehen. Kapitel 4: Der Weg zum Krähenfels --------------------------------- Am frühen Morgen beschlossen Shzakieree und Geralt, das Paar zu verlassen. Hanna und Niellen waren sehr betrübt darüber, doch Geralt war es ein Anliegen, Ciri möglichst schnell zu finden. „Wir werden euch wieder besuchen!“ tröstete die Hexerin, währen sie ihre Schwerter anf ihren Rücken schulterte. Dann saß sie auf. Geralt hatte erfahren, das der Hengst den Namen Ramses trug. Als sie losritten schien ihnen die warme Sonne in den Rücken. Es ging nach Westen. Sie ließen sich nicht von Wölfen und Guhlen aufhalten. „Wo wollen wir eigentlich hin?“ Shzakieree sah zu Geralt auf Plötze auf. „In den Buckelsumpf“, antwortete dieser knapp. Man merkte, das er genervt war. Die junge Hexerin machte großen Augen. „Zu den Muhmen?“ Geralt nickte. „Ich habe viel von ihnen gelesen! Stimmt es das...“ Er unterbrach sie grob. „Ich weiß genau so wenig wie du. Eine Freundin von mir meinte, hier könnte ich etwas über Ciri herausfinden.“ Doch damit hatte er ihre Neugierde erst richtig geweckt. „Was für eine Freundin? Und wer ist eigentlich Ciri? Sie steht dir nahe, nicht war?“ Der Hexer verdrehte die Augen. Dann ergab er sich. Es hatte ja eh keinen Sinn ihr etwas vorzuenthalten. „Der Name meiner Freundin ist Keira Metz. Sie ist eine Zauberin. Und Ciri ist meine Tochter.“ „Und wer ist ihre Mutter?“ fragte Shzakieree. „Ciri ist nicht meine leibliche Tochter“, erklärte er. „Aber das tut nichts zur Sache.“ Wortlos ritten sie weiter. Shzakieree schien zu wissen, das sie sich für solche Intimitäten zu kurz kannten. Sie hätte ihm bestimmt auch nichts derartig Privates erzählt. Gegen Mittag erreichten sie Krähenfels, eine Burg, umrandet von einem Dorf. Der Ort lag auf einem Felsen inmitten eines Sees. Shzakieree und Geralt passierten zwei Männer in Rüstungen, die eine lange Holzbrücke bewachten, welche zum Dorftor führte. Sie schienen den Hexer zu kennen. Er beugte sich zu seiner Begleiterin herüber. „Dashier ist die Festung des blutigen Barons. Er liefert mir Informationen über Ciri. Im Gegenzug erledige ich einige Familienangelegenheiten für ihn.“ Er sah, wie die Hexerin den Mund öffnete, um Fragen zu stellen, doch er hob die Hand. „Später, gut?“ Sie nickte. „Nun...“ fuhr er fort. „Wir werden hier etwas Essen und Handeln. Dann reiten wir auf den süßen Pfad.“ Shzakieree stellte keine Fragen. Daraus schloss er, das sie von dem Pfad gelesen hatte. Sie passierten das Tor, und stiegen ab. Die Pferde ließen sie an einer Tränke zurück. Geralt schritt auf einen Schmied zu. „Wilkommen, Hexer!“ Er war ein freundlich wirkender Zwerg. „Was kann ich für euch tun? Und wer ist die hübsche Dame an eurer Seite?“ Geralt nickte nicht ihm, sondern einer Frau am Brennofen zu. Sie lächelte adrett. „Ich muss mein Schwert repariert haben. Eine Stunde. Dann reisen wir weiter.“ Er reichte dem Schmied sein Stahlschwert. Der Zwerg lächelte. „Kein Problem. Marlene! Schür an!“ „Schon gut!“ keifte die Frau zurück. Geralt packte Shzakieree am Arm. „Wir gehen.“ „Was war das für eine Frau?“ Der Hexer schmunzelte. „Eine Frau mit mehr Talent in der Schmiede als alle Zwerge hier in Velen zusammen.“ Shzakieree nickte langsam. „Aha... Und das ist ein Grund, um sie flachzulegen?“ „Hab ich nicht.“ Die Hexerin kicherte. „Das soll ich glauben? Du hast es bei unserer ersten Begegnung versucht!“ Geralt seuftzte. „Weißt du was? Glaub was du willst.“ Sie besorgten sich bei einem Händler etwas zu Essen. Nach Hannas Eintopf schmeckte es allerdings wie Schweinefraß. Danach tauschte Geralt etwas Wolfspelz gegen Draht. „Ich werde dem Baron einen kurzen Besuch abstatten. Warte bei den Pferden. Es dauert nicht lang.“ „Das ist gemein!“ rief Shzakieree. „Ich will mit!“ Der Hexer schüttelte seinen Kopf. „Das ist eine Sache zwischen Phillip und mir.“ Kurz darauf betrat er Annas Garten. Wie er erwartet hatte saß der Baron neben den Lieblingsblumen seiner Gattin. „Hexer!“ Er klang überrascht. „Hallo Phillip. Ich habe Neuigkeiten.“ Die Augen des Barons weiteten sich hoffnungsvoll. „Was?“ „Tamara ist in Oxenfurt“ antwortete Geralt. „Bald werde ich mich auf die Suche nach ihr machen.“ „Geht es ihr gut?“ Phillip klang schwer besorgt. Nüchtern war er ein Armer Kerl. Geralt nickte. „Und jetzt Ciri. Wo ist sie hin?“ Der Baron strich über ein Blütenblatt von Tamaras Drachenpflanze. „Sie hat ein Pferderennen gegen mich gewonnen. Als wir am Turm ankamen hat uns ein Kreischling angegriffen. Und dann...“ „...Dann?“ fragte Geralt ungeduldig. „Zuerst will ich Tamara hier sehen“, antwortete er. „Das wird sie nicht wollen!“ knurrte der Hexer zornig. Dann drehte er sich um, und machte sich auf den Weg ins Dorf. „Los, wir gehen.“ Er stieg auf Plötze. „An deine Launen werde ich mich nie gewöhnen.“ Shzakieree schwang sich auf Ramses. Dann ritten sie los. „Also, jetzt erzähl mir mehr über diesen Baron“, bat sie. „Er ist ein Arsch“, grummelte Geralt. „Hat seine Frau geschlagen. Sie und ihre Tochter sind durchgebrannt. Jetzt soll ich sie finden. Er will, das ich sie ihm zurückbringe. Nur blöd das sie ihn beide nicht sehen wollen. Ich hatte schon viel Ärger mit diesem Auftrag. Einen Fehlgeborenen, nur um ein Beispiel zu nennen. Shzakieree nickte Anerkennend. „Wiederliche Dinger.“ Es war etwa vier Uhr, als sie den Schrein vorm süßen Pfad erreichten. „Hier sind wir.“ Geralt nickte. „Ja. Jetzt wird’s lustig.“ Zusammen traten sie den Weg an. Kapitel 5: Das Waisenhaus im Sumpf ---------------------------------- Der Süße Pfand war unheimlich. Und wenn Geralt etwas unheimlich fand, musste es wirklich beängstigend sein. Es war ein kleiner Weg durch den Sump, zwischen Tümpeln hindurch und an Bäumen vorbei. Von Ästen hingen Süßigkeiten und rosa Schnickschnack. Keira hatte ihm zum ersten Mal von den Hexen im Buckelsumpf erzählt. Sie meinte, arme Bauern würden ihre Kinder auf den Pfad schicken. Im Gegenzug bekamen sie Nahrung von den Herinnen des Waldes. Geralt fragte sich, was mit den Kinder passierte. Darauf hatte Keira auch keine Antwort gehabt. Er konnte sich vorstellen, das sie sie aßen oder zu Dienern machten. Shzakieree war ganz still geworden. Er spürte ihr Unbehagen. „Hab keine Angst.“ Geralt erschrak. Wie sanft seine Stimme geklungen hatte... „Hab ich nicht“, log sie. „Wir sind noch gar keinen Ertrunkenen begegnet. Merkwürdig.“ Geralt nickte. „Allerdings...“ Sie schritten weiter. Nach einer halben Stunde, in der sie sich über Shzakierees Ausbildung an der Katzenschule unterhielten. Dann erreichten sie einen Hof. Er bestand aus zwei Scheunen, eine gewöhnlich. Die andere sah fast etwas aus wie eine hölzerne Kirche. Dazu ein längliches Häuschen. „Hier sollen die Muhmen wohnen?“ Die junge Hexerin klang spöttisch. „Wohl kaum“, pflichtete Geralt ihr bei. Sie sahen sich um. Bald entdeckten sie eine Gruppe von Kindern, keines älter als zehn Jahre. Als sie die Hexer bemerkten unterbrachen sie ihr Spiel auf einigen Fässern vor der Hütte. „Geh weg, Fremder!“, sagte Eins ängstlich. „Ich suche eine Hexe“, erklärte Geralt unbeirrt. „Wohnt hier eine?“ Die Kinder sahen ihn erstaunt an. „Du siehst selber aus wie eine Hexe!“, rief ein kleines Mädchen. Shzakieree prustete. Doch als sie den Blick des Hexers auffing, hörte sie schlagartig auf. „Ihr seid doch nicht ganz allein hier, oder?“ fragte sie. Ein Junge schüttelte den Kopf. „Nee. Oma ist doch da.“ „Oma?“ Geralt ging in die Hocke, um mit den Kindern auf Augenhöhe zu sein. „Wo ist eure Oma?“ In diesem Moment sah Shzakieree eine alte Frau über den Hof auf sie zustapfen. Sie hatte ein knittriges Gesicht und schaute düster drein. Sie war in einen langen Rock gewandt und trug eine Stulpe am linken Arm. „Was wollt ihr hier? Verschwindet!“ Sie klang unfreundlich und ein kleines Bisschen ängstlich. Geralt stand auf, und verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich suche eine junge Frau mit aschblondem Haar.“ „Deine Verlobte?“ fragte die Alte. „Meine Tochter“, antwortete Geralt grob. Shzakieree sah ihn beunruhigt an. Plötzlich meldete sich einer der Jungen von Hinten. „Vielleicht weiß Hansi etwas über die Frau!“ „Hansi gibt es nicht!“ fuhr in die Alte an. „Wer ist Hansi?“ fragte Geralt. „Mein Freund!“ antwortete der Junge. „Er wohnt im Wald, und...“ „Ihr werdet nicht mit diesem Mann reden!“befahl die Frau. „Und mit der Frau auch nicht!“ Die Kinder nickten betrübt. So waren Kinder immer. Am Anfang haben sie Angst, und dann wollen sie gar nicht mehr aufhören zu reden. Langsam verteilten sich die Kinder über den Hof, und spielten in den Pfützen. „Was sind das für Kinder?“ fragte der Hexer. Die Frau schnippte eine Spinne von ihrer Hand. Dann begann sie zu reden. „Es sind Waisen. Aus den umliegenden Dörfern.“ „Ein Waisenhaus im Sumpf?“, fragte Shzakieree erstaunt. Die Alte nickte. „Und jetzt geht. Ihr habt hier nichts verloren.“ Geralt wollte etwas erwiedern, doch Shzakieree drängte ihn, ein Stück vom Hof wegzugehen. Als sie sich umdrehten, sahen sie, wie die alte Frau im Haus verschwand, zusammen mit dem Jungen der von seinem Freund im Wald erzählt hatte. „Lass uns lieber nach Hansi suchen“, schlug sie vor. Er nickte. „Hm... dazu müssten wir die Oma irgendwie aus der Hütte schaffen. Sie lässt uns bestimmt nicht mit ihm reden. Ich werde die Kinder bitten, sie hinauszulocken.“ Er ging auf die Gruppe zu. Shzakieree folgte ihm. Die Waisen waren aufgeregt. „... machen wir. Aber nur, wenn du mit uns verstecken Spielst!“ „Das macht Oma nämlich nie“, ergänzte ein anderer. „Die sagt dann immer, ihr Fuß tut weh.“ Die Hexerin war wirklich erstaunt, als Geralt einwilligte. „Gut. Versteckt euch.“ „Du musst dir die Augen zuhalten! Und alle Finger zählen. Und Zehen!“ Die Kinder Liefen Weg, als Geralt begann. „Eins. Zwei. Drei. Vier.... Achtzehn. Neunzehn. Zwanzig!“ Er nahm die Hände von den Augen. „Versteck dich, Shzakieree“, befahl er. „Warum?“ fragte sie leicht verärgert. „Die Oma darf uns nicht beide sehen. Ich hol dich nacher, dann gehen wir zusammen zu Hansi, gut?“ Geralt gab ihr einen Klaps auf den Hintern. „Mach schon.“ Sofort machte sie ein Empörtes Gesicht. Doch dann lächelte sie, sah ihn aufreizend an, und verschwand ins Gebüsch. Geralt verstand. Sie würde ihn jedesmal verrückt machen, wenn er sie berührte oder dergleichen. Warscheinlich machte sie sich einen Spaß daraus. Er atmete tief durch, und ging los, die Kinder suchen. Das Erste steckte hinter der Scheune. Es war ziemlich enttäuscht, dass es schon gefunden worden war. Geralt schlich weiter. Die Spuren der Kinder waren so deutlich wie Ostereier auf einer kurzen Wiese. Als zweites entdeckte er das Mädchen, das ihm gesagt hatte, er sehe aus wie eine Hexe. Die anderen beiden waren auch nicht weit. Als er alle gefunden hatte, kehrten sie auf den Hof zurück. „Jetzt müsst ihr eure Oma für mich herauslocken. Ich muss wirklich dringend mit eurem Freund reden.“ Ein blondes Mädchen trat vor. „Du willst Ischa doch nichts tun, nicht?“ Geralt schüttelte den Kopf. „Nein. Ich will nur mit Ischa reden.“ Dann trat er um die Ecke des Hauses und spähte in den Hof. Da begannen die Kinder auch schon mit ihrer Ablenkung. „Oma! Yagna wurde von einer Biene in den Arsch gestochen!“ Geralt musste grinsen. Und schon kam die Alte Frau aus dem Haus. „Kann man euch keine Minute allein lassen?“ Der Hexer nutzte die Gunst der Stunde und schlich ins Haus. Der kleine Ischa saß auf dem Boden und spielte mit Murmeln. Als er Geralt sah rutschte er verängstigt etwas zurück. „Keine Angst, ich tu dir nichts“, beschwichtigte ihn der Hexer. „Erzählst du mir etwas über deinen Freund Hansi?“ Der Junge zögerte kurz. Dann machte er den Mund auf. „Hansi wohnt in einer Höhle im Wald. Oma denkt, ich hab ihn mir ausgedacht. Aber ist wirklich da. Beim Großen Baum hinterm Tümpel. Früher hat er immer für Oma gesungen. Jetzt war er schon lange nichtmehr da.“ Geralt nickte dankbar. Dann schlich er vorsichtig aus der Hütte. Das Problem mit Yagna und der Biene schien noch nicht ganz geklärt. „... die ist in Yagnas Arsch gekrochen Oma!“ „Pfui! Sag sowas nicht! Das ist ein böses Wort!“ schimpfte die Alte. „Aber wenn ichs dir doch sage!“ kam es von einem der Jungen zurück. Geralt schmunzelte, und ging. Als er an dem Busch vorbeikam, kletterte Shzakieree aus dem Unterholz hervor. „Kuck mal was ich gefunden habe!“ Sie hielt einen kleinen Edelstein in der ausgestreckten Hand. „Hübsch.“ Geralt pflückte ihr einen Zweig aus dem schwarzen, lockigen Haar. „Lass uns Hansi suchen.“ Kapitel 6: Hansi ---------------- Die beiden Hexer folgten Ischas Wegbeschreibung. Erst passierten sie den Tümpel hinter Omas Hütten, dann kamen sie an einem leichten Abhang an. Das Wetter hatte sich eindeutig gebessert. Die Sonne schien, Tropfen des vorherigen Schauers tropften von den Blättern. Geralt stach tatsächlich sofort eine Höhle ins Auge, genau wie der Junge sich beschrieben hatte. Shzakieree stieß ihm ihren Ellenbogen in die Seite. „Das muss es sein!“ Nebeneinander gingen sie vor Hansis Bau in die Hocke. „Jemand zuhause?“ fragte der Hexer. Kurz darauf leuchteten zaghaft zwei große, gelbe Augen aus der Dunkelheit des Erdlochs. „Wer ist da?“ erklang eine piepsige, und leicht krächzende Kinderstimme. „Freunde von Ischa“, antwortete Shzakieree. „Wir müssen dich etwas fragen.“ Es verstrich etwa eine halbe Minute, die beide Hexer ungeduldig werden ließ. Dann krabbelte ein kleines, blaues Wesen aus der Höhle. Es hatte die Statur eines Kindes, war allerdings sehr viel sehniger. Hansi hatte schulterlanges, rabenschwarzes Haar und lange dünne Finger. „Hallo!“ Er klang neugierig. „Mit wem habe ich das Vergnügen?“ „Unsere Namen sind Shzakieree und Geralt“, antwortete der Hexer. „Du musst Hansi sein. Bist du ein Leunling?“ Hansi verneinte. „Dann vielleicht ein Göttling?“ fragte Geralt. „So ists recht!“ Hansi klopfte sich Stolz auf die Brust. Shzakieree schob Geralt beiseite. „Hast du vielleicht eine aschblonde Dame hier vorbeireiten gesehen? Ischa meinte, du könntest etwas wissen.“ Der Göttling rümpfte die Nase. „Hm... Ich fange am besten Ganz vorne an.“ Er setzte sich auf den Boden. Die beiden Hexer ließen sich im Schneidersitz ihm gegenüber nieder. „Also...“ begann Hansi. „Vor Drei tagen“, er reckte drei seiner knochigen Finger nach oben, „habe ich wie gewöhnlich mein frühes Geschäft erledigt. Ich liebe es, mit den Vögeln zu singen, während ich mich erleichtere...“ Shzakieree grinste. Sie warf Geralt einen amüsierten Blick zu, den er erwiederte. „... so schien die Sonne wie jeden morgen auf meine Nase“, fuhr er fort, „Als es plötzlich eiskalt wurde... Ich verzog mich, und beobachtete das Geschehen aus meinem Bau. Ein Ritter auf einem schwarzen Pferd kam vorbeigeritten. Er hatte eine gigantische, schwarze Rüstung an. Ihm folgten viele Wölfe. Weiter weg habe sie gegen irgendetwas Gekämpft, aber das habe ich nicht gesehen.“ Geralt warf Shzakieree einen besorgten Blick zu. Natürlich hatte Imerith gegen niemand anderen als Ciri gekämpft. Ob es ihr gut ging? Er hatte im unterirdischen Elfenhafen gemeinsam mit Keira gegen einen Soldaten der Wilden Jagd gekämpft. Das war kein Leichtes gewesen. Und Imerith war immerhin der Kommandant. „Mehr weißt du nicht?“ fragte er Hansi, und versuchte nicht enttäuscht zu klingen. Er hatte gehofft, hier eine Spur zu finden, die ihn auch wirklich weiterbrachte. Hansi schüttelte den Kopf. „Ich könnte die Oma dazu bringen, mit euch zu reden. Die alte Schachtel frisst mir aus der Hand.“ Shzakieree nickte. „Das wäre sehr freundlich, Hansi.“ Der Göttling lächelte selbstgefällig. „Ich weiß, das ich nett bin, dunkles Mädchen.“ Zu dritt schritten sie zum Waisenhaus zurück. Oma stand im Hof und fegte. Alle Kinder waren verschwunden. Sie schien keinen der Ankömmlinge zu bemerken. Hansi legte es auch nicht darauf an, wie Geralt bemerkte. Er setzte sich einfach ins Gras, und begann zu singen. Er konnte nicht besonders gut singen, und das Lied war auch größtenteils sinnfrei. Doch die Augen der Alten begannen zu leuchten, und sie schien sich auch nicht an Shzakieree und Geralt zu stören, als sie diese zur Notiz nahm. „Hansi!“ Geralt war verwirrt. Er hatte gedacht, sie glaube Hansi sei erfunden. Hatte er durchaus anfangs auch gedacht. Der Göttling sang fertig, dann erhob er sich. „Du musst ihnen helfen, Oma“, sagte er, und nahm Geralt, der neben ihm stand, an der Hand. Hätte Geralt nicht so wenig von Gefühlsduselei gehaltem, wäre er gerührt gewesen. „Ich habe dir Yagna damals aus dem Wald geholt, weißt du noch? Tu du mir jetzt diesen Gefallen.“ Plötzlich legte sich eine unglaubliche Trauer in die Augen der alten Frau. „So folgt mir, Hexer“, sagte sie erschöpft. Geralt war beunruhigt. Zusammen mit Shzakieree schritt er auf das Kirchenartige Holzgebäude zu. Hansi winkte ihnen hinterher. Als Geralt die Hütte betrat, erschrak er fast ein wenig. Es war düster, bis auf ein paar Kerzen, die einen gewaltigen Wandteppich erhellten. Sonst konnte er nur eine Falltür im Boden erkennen, und ein paar Säcke und Rattenkäfige, die sich an der Wand stapelten. Kreuter hingen von der Decke, das roch er. Kurz schien es so, als wolle Shzakieree nach seiner Hand greifen. Doch sie zog sie zurück. Geralt sah zu dem Wandteppich auf. Darauf waren drei junge Frauen in Schwarzen Kleidern abgebildet. Sie hatten lange Haare, eine Rote, eine Schwarze, eine Braune. Die Oma kniete vor der altarähnlichen Stirnseite des Raums nieder. „Oh große Herrinen des Waldes. Höret das Flehen eurer ergebenen Dienerin, nutzet meinen Mund, denn er ist Euer!“ Die alte Frau erbebte, dann sah man nurnoch das weiße in ihren Augen. Die Kerzen flackerten. „Was willst du von uns, hübscher Jüngling?“ fragte eine Stimme, die nicht die der Oma war. Geralt schauderte. „Ich suche eine Frau. Jung, aschblond, eine Narbe im Gesicht. Habt ihr sojemanden gesehen?“ Eine andere Stimme schallte lachend durch den Mund der Frau. Geralt spürte, wie Shzakieree neben ihm zusammenzuckte. „Euer Mädchen, junger Mann?“ „Wir würden dir auch gefallen“, ergänzte die dritte Stimme. Alle drei klangen verschieden, doch sie klangen alle gleich schrecklich. So garnicht passend zu den hübschen Frauen, die auf dem gewebten Teppich abgebildet waren. „Sie ist meine Tochter“, knurrte Geralt. „Wenn interessiert das, wenn sie wohlgeformt ist?“ fragte eine der Muhmen. Geralt schüllte den Kopf. „Gebt mir einfach Auskunft!“ „Wir lassen uns von einem Mann nichts sagen!“ kreischte eine, und die Alte sackte auf die Knie. Geralt merkte, das Shzakieree ihr zu Hilfe kommen wollte, und sich nicht traute. „Wir verzeihen dir“, schnurrte eine, „Wenn du uns bei einer Sache hilfst!“ „Die da wäre?“ fragte der Hexer angewiedert. „Der Geist im alten Baum“, erklärte eine überdreht. „Reite nach Niederwirr!“ Plötzlich wich alle Kraft aus der alten Frau. Sie fiel auf den festgetretenen Lehmboden. Shzakieree eilte nun doch zu ihr, und tätschelte ihr die Wangen. „Niederwirr...“ murmelte Geralt. „Niederwirr. Kapitel 7: Lykatrophen ---------------------- Niederwirr war ein kleines Dorf auf einem Hügel, dem Beginn einer Anhöhe. Geralt und Shzakieree galoppierten nebeneinander den Weg hinauf, der zu der Ersten Hütte führte. Sie hatten noch eine Nacht am Anfang des süßen Pfads geruht. Bei der Lakaiin der Muhmen hatte keiner der Beiden wirklich schlafen wollen. Da war ihnen frische Luft und die Gesellschaft ihrer Pferde wirklich lieber. Um vier Uhr waren sie dann aufgebrochen. Es war ein klarer, Sonniger Morgen. Sie waren durch den Sumpf zur Anhöhe geritten, und nun befanden sie sich bereits im Dorf. Geralt sah, das seine Begleitung etwas sagen wollte, doch er hielt die Finger an die Lippen. Er spürte das Misstrauen der Bewohner. So neigte er seinen Kopf höflich. „Ich hörte, ihr habt ein Problem mit einem Geist in einem Baum?“ Eine der Frauen, die gerade ein Huhn rupfte, deutete mit verkniffenem Mund auf einen alten Mann, zwei Hütten weiter. Geralt nickte knapp, und schritt mit Shzakieree auf ihn zu. Der Mann hatte braun grau meliertes Haar und eine große Nase. Er zog an einer Pfeife. „Hexer“, stellte er schlicht fest. „Was bringt euch hier her?“ „Wir hörten von eurem Problem mit dem Baum“, erklärte Shzakieree. „Wir wollten unsere Hilfe anbieten.“ Der Alte schien plötzlich überaus dankbar, und stand auf. „Die Herinnen müssen euch schicken!“ Geralt lächelte. Wenn er wüsste. „Wir müssen mehr über die ganze Sache wissen“, erklärte er. „Wann fing es an, wie und warum.“ Der Mann setzte sich wieder. „Vor Jahrzehnten fing es an. Ich weiß garnicht wie viele Winter... Es passierten schreckliche Dinge beim Baum. Leute aus dem Ort verschwanden und tun es immernoch. Ihre Knochen liegen unter der Eiche. Anfangs zogen noch Männer los, um die Toten zurückzuhohlen, doch es traut sich schon lange keiner mehr. Weil sie alle verschwunden sind. Nie zurückgekehrt. Der Boden unter dem Teufelsbaum ist weiß vor Gebein.“ Er schüttelte erschöpft den Kopf. „Wir wissen nicht weiter. Unsere Kinder sind lahm und verkrüppelt. Hören nicht, oder sehen nicht. Der Geist im Baum sucht uns heim.“ Geralt nahm nachdenklich seinen Nasenrücken zwischen Zeigefinger und Daumen. Seine weißen Haare fielen ihm in die Stirn. „Gut. Wir sehen uns das an.“ Die Pferde ließen sie zurück, als sie sich auf den Weg zum Baum machten. Der Wald war fahl erleuchtet, Wolken zogen vor die Sonne. „Wie kam das mit Ciri zustande?“ fragte Shzakieree schließlich. Geralt merkte, das sie das schon länger beschäftigte. Er schwieg eine Weile. „Sie war meine Belohnung“, sagte er dann. „Ich habe einen Auftrag für einen König und seine Frau erledigt. Mein Preis sollte ihr erstes Kind sein. Als ich erfuhr...“ Shzakieree sah ihn interessiert an. „... als ich erfuhr, das sie ein Mädchen gebaren, lehnte ich ab.“ Jetzt machte sich Empörung auf dem Gesicht der Hexerin breit. „Du hast was?!“ Er Besänftigte sie mit einer Geste. „Es war ein Fehler. Und das weiß ich. Jedenfalls kreuzten sich unsere Wege dreimal. Als mein Onkel Vesemir und ich erfuhren, das Cirilla das alte Blut in sich trug, nahmen wir sie mit nach Kaer Morhen. Und sie war in meiner Obhut. Und obgleich sie nicht meine leibliche Tochter ist, liebe ich sie als wäre sie es.“ Er sah Shzakieree an, das ihr Zorn verflogen war. „Das ist... Es ist schön zu sehen, das auch du Emotionen besitzt“, sagte sie zaghaft. „Weißt du, ich habe nicht die vollständige Mutation durchlaufen...“ „Das tun die wenigsten“, meinte Geralt beiläufig. „Jedenfalls dachte ich immer, ein kompletter Mutant hat keine Emotionen und Menschlichkeit mehr in sich“, beendete sie. Geralt schnaubte amüsiert auf. „Dazu braucht es keine Mutationen, Shzakieree. Ich kenne monstergleiche Menschen, ohne einen Tropfen Magie im Blut.“ Die Hexerin lächelte. „Und Cirilla hat wirklich das alte Blut in ihren Adern?“ Geralt nickte. „Deshalb hat sie die Gilde auch verlassen. Sie war eine Gefahr für sich selbst, auf so engem Raum, mit so vielen Menschen um sich.“ Nach einer Stunde Fußmarsch erreichten sie die Eiche. Ihr Stamm war dicker als so manches Haus, und ihre Wurzeln schlungen sich um ein Felsplateau, das zur einen Seite hin stark abfiel. Schon als sie den ersten Schritt auf den Baum zumachten, wurde es kalt. Der Himmel, der sich während ihres Gespräches verdunkelt hatte wurde schwarz. Weiter weg donnerte es. Unter ihren Füßen knackten ausgeblichene Menschenknochen. „Nett hier...“ Geralt sah sich um. Sein Medallion vibrierte wie verrückt. „Spürst du das auch“, fragte Shzakieree beunruhigt. Der Hexer nickte. „Lykantroph.“ Tatsächlich kam eine Kreatur aus dem Wald. Der Werwolf hielt einen blutigen Arm in seiner Klaue und knurrte wütend. Die beiden Hexer zogen ihre Silberschwerter. Zusammen gingen sie auf ihn los. Shzakieree erwischte ihn an der Schnauze, und Geralt stieß nach dem Bau des Monsters. Der Werwolf jaulte, und schlug nach der Hexerin. Mit einer Klaue erwischte er sie am Hals, bevor sie ihm diese Abschlagen konnte. Geralt sah besorgt, wie sie verbissen weiterkämpfte. War er wirklich besorgt um sie? Kurz darauf hatten sie den Lykantrophen erledigt. Shzakieree sank neben dem toten Wesen nieder, und tastete nach ihrem Hals. Der Hexer sah das Blut auf ihrer Hand glitzern. Er Ging neben ihr in die Hocke, und nahm ihre Hand von der Wunde weg. Fast hätte er schockiert ausgeatmet. Die Wunde war tief, der Wolf hatte ihre Kehle fast verfehlt. Er riss einen Stoffstreifen aus seinem Hemd, und drückte ihn auf die Wunde. „Tut es sehr weh?“ Sie biss die Zähne zusammen, und schüttelte den Kopf. Doch Geralt sah es ihr an. Ihre Hände, blutverschmiert, zitterten und ihre Augen waren glasig. Er Ließ sie Langsam ins Gras sinken. „Möchtest du einen Trank? Ich habe Schwalbe.“ Ihm war klar, das sie keine Selbstheilungskräfte haben konnte. Nichtmal er hatte besonders ausgeprägte. Sie schüttelte erneut ihren Kopf. „Geh allein in den Baum.“ Sie deutete auf eine Höhle im Fels, die Geralt noch garnicht aufgefallen war. Er wischte ihr etwas Blut vom Schlüsselbein. Auch so verwundet war sie noch wunderschön... „Kommt garnicht in Frage. Ich lass die hier nicht zurück, verstanden?“ Er blickte ihr intensiv in die Augen. Ihre Lieder flatterten. „Bleib wach, hörst du!“ Er tätschelte energisch ihr Wange. Dann holte er ein kleines Fläschen hervor, entkorte es, und ließ Schwalbe in Shzakierees Mund tropfen. Angespannt wartete er. Dann, endlich hörte das Blut auf aus der Wunde zu Sprudeln. Er band den Stoffstreifen über die Wunde, und strich ihr sanft übers Haar. Nach einer Weile, die ihm vorkam wie eine Ewigkeit, öffnete sie schlagartig die Augen. „Ich hatte gesagt, ich will keine Schwalbe“, murmelte sie vorwurfsvoll. Ein kleines, Erleichterungslächeln stahl sich auf Geralts Gesicht. „Du hast hier aber nichts zu sagen, Kleine.“ Er half ihr hoch, und stützte sie. „Gute Idee, in meiner Verfassung gegen einen Baumgeist zu kämpfen“, meinte sie ironisch. Der Hexer sah sie belustigt an. „Ich pass doch auf dich auf.“ Kapitel 8: Eine Grundlegende Veränderung ---------------------------------------- Nebeneinander schritten sie durch die dunkle Höhle. Geralt hatte Shzakieree den Arm um ihre Hüfte gelegt, um sie zu stützen. Er spürte wie ihren im Takt klopften. Das Blut rauschte dem Hexer in den Ohren. Was machte sie mit ihm? Es war im ein Rätsel, wie körperliche Nähe ihn derartig aus dem Konzept bringen konnte. „Hör zu, Shzakieree“ Er versuchte ruhig und gelassen zu klingen. „Höchstwarscheinlich wartet da drinnen etwas unangenehmes auf uns. Ich möchte, das du dich im Kampf zurücknimmst, du bist schwach, im Moment.“ Er blickte zu ihr hinunter. Die Hexerin lachte trocken auf. „Das hättest du dir überlegen sollen, bevor du mich mitnimmst.“ Geralt schnaubte. „Ich hätte dich eh nicht davon abhalten können.“ Die Schritte der beiden hallten an den steinernen Wänden wieder. Schließlich gelangten sie an das Ende des Gangs. Eine große, hohe Höhle. Der Boden unter den Füßen der Beiden vibrierte. Ebenso ihre Medallions. „Kehrt um...“ Eine schwache Frauenstimme klang aus dem hintersten Teil der Höhle, der in Dunkelheit gehüllt war. Geralt packte Shzakieree fester, und schritt entschlossen in die Richtung des Geräusches. Das Vibrieren wurde stärker. Die Augen des Hexers gewöhnten sich nach und nach an die Finsternis. „Wer spricht da?“ fragte er laut. Doch das war überflüssig gewesen. Im nächsten Moment sah er, wer gesprochen hatte. Die Wurzeln der alten Eiche hatten sich ins Gestein gegraben, und hielten etwas gefangen, das aussah wie ein riesiges, stacheliges Herz. Er spürte wie Shzakieree neben ihm die Luft anhielt. „Wer bist du?“ Geralt hatte sich angewöhnt, nichts mehr eigenartig zu finden. „Eine verlorene Seele...“ säuselte das Wesen „... gefangen... verirrt... ein Blätterlabyrinth...“ Geralt zog Shzakieree noch näher an sich. Ihm wurde warm. Es hätte nichteinmalmehr ein Blatt Papier zwischen sie gepasst. „Warum quälst du die Bauern aus Niederwirr?“ fragte er. Das Geschöpf pulsierte nun schneller. „Ich wurde von ihnen verraten... Sie dienen den Muhmen... Mörderinnen... Schänderinnen... Kinderfresserinnen...“ Shzakieree erwachte aus ihrer Starre. „Was sagst du da? Kinderfresserinnen?“ „Ich habe gesehen, was den Kindern geschehen wird!“ rief der Geist. „Sie sind schon fort!“ Geralt winkte ab. „Den Kindern kann ich auch selber helfen. Wo sind sie?“ „Törichter Hexer!“ Das Wesen klang beinahe verzweifelt. „Es gibt keine Straßen nach Ard Cerebin! Lasst mich helfen! Befreit mich! BEFREIT MICH!!!“ Geralt erwachte schweißgebadet. Wie oft hatte er diesen Traum nun schon gehabt? Wieder einmal fragte er sich, ob es für den Baron und seine Frau anders ausgegangen wäre, hätte er anders gehandelt... Er schlug sich gegen die Stirn. Er konnte es nichtmehr ändern. So war es geschehen, und ein gutes Ende hätte es sowieso nicht gegeben. Gute Enden gab es nicht. Er rappelte sich auf, und massierte kurz seinen Rücken. Er hatte auf dem Schaffell auf dem Boden genächtigt, und Shzakieree das Bett überlassen. Die letzten Wochen mit ihr hatten ihn sie zu schätzen gelehrt. Sie war ein gerissenes, niedliches Ding, das ihn leider Gottes nicht ranließ. Allerdings war er sich längst nicht mehr sicher, ob es ihm guttun würde, sich einen solchen Teufelsbraten ins Bett zu holen. So wie er sie einschätzte, musste sie sogar Triss, mit ihren Spielchen, übertrumpfen. Aber gerade das weckte ja seine Neugierde. Er sah sich um. Die Taverne 'Eisvogel' war wohl mit Abstand eins der nettesten Etablisments in diesem Teil von Novigrad. Er und Shzakieree hatten sich ein Zimmer ganz unter dem Dach Gemietet, mit Balkon, Badewanne und Ofen. Es war sauber und geräumig. Geralt sah nach draußen. Es war stockduster, etwa ein Uhr morgens. Er warf einen Blick zu seiner Ausrüstung, die er hütete wie einen Augapfel. Zum Schlafen trug er nichts weiter als eine Unterhose aus Leinen. Leise, um seine Gefährtin nicht zu wecken, schlich er um die Ecke zu Shzakierees breitem Bett, um nach ihr zu sehen. Sie war nicht da. „Miststück,“ fluchte er leise. Es war nicht das erste mal, das sie sich zu einem nächtlichem Ausflug hinausschlich, ohne ihn mitzunehmen, geschweige denn ihm gar Bescheid zu sagen. Er zog sich seine neu geschmiedete Greifenhose und sein weißes Leinenhemd mit den Schwertgurten an. Dann befestigte er das Stahlschwertz auf seinem Rücken. Als letztes streifte er sich die Greifenhandschuhe über, dann schritt er durch den Raum und verließ das Zimmer. Die zwei Treppen führten ihn hinab in den gemütlichen Schankraum. Einige wenige Leute saßen noch an den Tischen, und tranken fröhlich das letzte Bier, Priscilla, die Bardin welche es dem vermissten Rittersporn angetan hatte, klimperte ihr letztes Lied, und der Wirt putze müde ein Letztes Mal den Tresen. Geralt nickte Priscilla zu, und trat auf die Straße. Die kühle Abendluft strich ihm durch das Schneeweiße Haar. Nun... wo konnte es das kleine Kätzchen hinverschlagen haben... Geralt überlegte, während er die Straße hinauf ging. Möglicherwise war sie ja bei ihrer Schülerin, Rosa var Attre. Diese hatte Shzakieree um Fechtunterricht gebeten, nachdem sie sich auf der Suche nach Geralts bestem Freund Rittersporn kennengelernt hatten. Der Hexer beschloss dort zu suchen. So trat er seinen Weg durch das nächtliche Novigrad an. Kapitel 9: Eine nächtliche Suche -------------------------------- Geralt schlenderte durch die dunklen Gasssen. Im Gras zwischen den schmalen, hohen Häusern, zirpten Grillen. Zwei betrunkene Männer, die der Wirt des Eisvogels wohl rausgeschmissen hatte, saßen im Dreck und sangen. Der Hexer hatte beschlossen, einfach mal bei den var Attres vorbeizuschauen. Er hoffte, Shzakieree dort zu finden. Je weiter er vorankam, desto schöner wurden die Behausungen. Und hier waren auch keine Besoffenen, lediglich ein paar reiche Stadtbewohner, die am Brunnen saßen, und sich unterhielten. Die Villa Attre bildete soetwas wie das Haupt Novigrads. Sie lag am Höchsten Punkt der Stadt. Der Garten um das Haus war größer als alle Felder, die sich im Besitz der Mittelhainer befanden, zusammen. Geralt maschierte zu der mächtigen Eingangstür. Wie immer standen hier die Leibwachen der var Attres. Sie kannten ihn und Shzakieree bereits. „Ist Shzakieree hier?“ fragte er knapp. Einer der Wächter nickte. „Schon seit einigen Stunden, Hexer. Sie kam in der Abenddämmerung.“ Geralt seuftzte. „Ich muss zu ihr.“ Die Wachen ließen ihn passieren. Der Hexer stieß die Tür auf, und machte sich natürlich nicht die Mühe, sich die Stiefel abzutreten. Tat er nie. Nichteinmal in Wyzima. Der edle Holzboden knarrte leise unter seinen Füßen, als er durch den Empfangsraum schritt. Er sah sich um. Keine Spur von Shzakierees Stiefeln. Er ging weiter, in das geräumige Wohnzimmer. Und da vernahm er Rosas Stimme. Glockenhell und lachend, von oben, in einer Aufregenden Kombination mit plätscherndem Wasser. Geralt stieg die Treppe hoch, und ging schnell alle fünf Türen durch, die er sah. Die eine musste in Rosas Zimmer führen, die andere in das ihrer Zwillingsschwester, er hatte ihren Namen schon wieder vergessen. Einer der Räume musste var Attres Büro sein, der andere sein Schlafgemach. Dann war die Letzte sicherlich der Weg ins Badezimmer. Er folgte dem Wasserplätschern, und klopfte an. Er hatte keine Ahnung, was ihn erwarten würde. „Geralt?“ klang Shzakierees Stimme an sein Ohr. „Bist du das?“ Das Herz des Hexers pochte schneller. Er räusperte sich. „Mhm.“ Das Plätschern war aprubt verstummt. Er hörte das die beiden etwas tuschelten, doch selbst als er sein Ohr an die dicke Eichentür legte, verstand er nur Trollmist. „Na gut“, meinte Rosa schließlich. „Komm rein. Aber wehe, du schaust uns was weg!“ Die beiden begannen wieder zu lachen. Als Geralt die Tür öffnete, stockte ihm der Atem. Ihm bot sich wahrlich ein Bild für Götter. Rosa und Shzakieree saßen beide in der Holzwanne und plätscherten vor sich hin sie waren beide bis zum Schlüsselbein im schaumverklärten Wasser, wohl das einzige, was der Hexer auszusetzen hatte. Auf einem Tischchen neben ihnen standen zwei Flaschen Wein, eine ganz leer. Wenn Geralt nicht wüsste, das er sich den Henker sowie zwei ordenliche Orfeigen eingefangen hätte, hätte er ohne zu zögern mitgebadet. Viel zu lange war es her... Wieder baute sich dieser Druck in ihm auf. Er wollte, er musste. Er versuchte einen kühlen Kopf zu bewahren. „Und was treibt ihr hier?“ Rosa kicherte. „Sieht man das denn nicht? Wir baden!“ Shzakieree stimmte in ihr Lachen ein. „Die Frage ist doch, was du hier treibst, Geralt? Du hast so schön geschlafen, als ich gegangen bin...“ Sie lächelte ihn adrett an. „Sehr witzig“, knurrte Geralt, und kam unauffällig ein Stück näher. „Du solltest dich eigentlich ausruhen! Wir suchen Morgen weiter nach Rittersporn!“ Shzakieree lachte. „Ja Meister. Hier, trink was!“ Sie reichte ihm die Flasche. Redanischer Ecluve. Da konnte er schlecht Nein sagen. Er nahm gleich drei. „Nun... was meinst du, Ri?“ fragte Rosa. „Sollten wir ihn zu uns ins Wasser lassen?“ Geralts Gefährtin schüttelte amüsiert den Kopf. „Nicht er kommt rein. Ich komm raus!“ Mit diesem Worten stand sie auf. Geralt konnte sie nur anstarren, als der Badeschaum über ihren nassen Körper lief. „Kuck nicht so!“ lachte sie, stieg aus der Wanne, und holte sich eines der Baumwollhandtücher aus dem Regal, um sich einzuwickeln. „Du starrst ja schlimmer als ein Fisch in der Pfanne! Wir müssen leider, Rosa. Er hat recht- Morgen steht einiges an. Ich komm dich bald wieder besuchen!“ Nebeneinander gingen Geralt und Shzakieree den Weg zum Eisvogel zurück. Noch immer kämpfte der Hexer gegen seine schlimmsten Triebe. Wie tat sie das nur... „Du hättest einfach liegen bleiben können.“ Sie verpasste ihm grinsend einen Klaps. „Hab mir Sorgen gemacht“, grummelte er. „Sag mal. Hast du was mit Rosa?“ Die Hexerin sah ihn kurz perplex an. Dann brach sie in Gelächter aus. „Was? Nein! Frauen machen sowas nunmal!“ Geralt bedeutete ihr, leise zu sein. Ganz Novigrad träumte noch friedlich. Mehr oder weniger. „Warum bin ich eigentlich keine Frau geworden“, murmelte er. „Naja“, begann Shzakieree. „Denk mal an Yen oder Triss. Die stehen auf Kerle wie dich. Die könntest du nicht haben, wärst du ne Frau.“ Sie hatte in ihrem zustand andscheinend keine Ahnung worauf er hinauswollte. „Und wie müsste ich sein, um dich zu haben?“ fragte er. Sie boxte ihn spielerisch in den Bauch. „Geralt... weißt du, ich hab dich wirklich gern, und du bist zu anbeißen, aber...“ „Aber?“ hackte er nach. „...Du hast doch zwei Frauen!“ Der Hexer bereute es, ihr von Triss und Yen erzählt zu haben. Sie verstand es einfach nicht. Mit beiden war es nichts ganzes und nichts halbes. Er legte ihr einen Arm um. „Komm. Du musst ins Bett, Kleine.“ „Nenn mich nicht so“, schmollte sie, als sie den Eisvogel erreichten. Sie schritten die Treppen zu ihrem Zimmer hinauf. Auf der obersten Stufe der letzten Treppe blieb Shzakieree stehen. Geralt war drei Stufen unter ihr. „Ich bin genauso groß wie du!“ Sie klang triumphierend. Geralt schloss sie in seine Arme, zog sie an sich, und küsste sie. Es war zweifelsohne nicht sein erster Kuss. Doch nun wusste er, was küssen wirklich bedeutete. Ihre Lippen waren so weich und voll, seine große starke Hand vergrub sich in ihrem lockigen Haar, die andere hielt sie fest an ihn gepresst. Er wollte mehr. Hals über Kopf drängte er sie in das Zimmer auf das Bett, ohne seine Lippen von ihren zu nehmen. „Geralt“, presste sie hervor. Er stöhnte kehlig. „Geralt!“ Erst jetzt merkte der Hexer, das etwas nicht stimmte. Er beendete den Kuss, und sah sie an. Sie sah verärgert an. In diesem Moment verachtete Geralt sich so sehr wie noch nie. Er stand auf. Ohne ein weiteres Wort drehte er sich um, und setzte sich auf das Schafsfell vorm Ofen. „Geralt?“ fragte sie leise. Er reagierte nicht. Nun war es komplett um ihn geschehen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)