Quick Time Event von Flordelis ================================================================================ Kapitel 10: Eine Bestrafung wäre angebracht ------------------------------------------- [LEFT]Noch bevor er die Augen öffnete, spürte Faren die Kälte, der er ausgesetzt war. Im ersten Moment glaubte er, auf der Straße zu sein, genau wie in seinem Traum, an deren letzte Fetzen er sich gerade noch erinnerte. Die hämmernden Kopfschmerzen verrieten ihm jedoch, dass er diesmal keinesfalls träumte. Somit verflüchtigte sich das angenehm warme Gefühl in seinem Inneren sofort und ließ nur beißende Kälte zurück.[/LEFT] [LEFT]Er wollte sich strecken, doch bei dem Versuch stellte er fest, dass etwas an seinem linken Fußknöchel ihn daran hinderte. Ihm blieb nichts anderes übrig als seine Augen zu öffnen und sich umzusehen. Durch seine verschwommene Sicht erkannte er lediglich, dass er sich in einem schlecht beleuchteten Raum befand. Nach wenigen Sekunden wurden auch endlich die wenigen Möbel deutlich, die hier gemeinsam mit Kisten gestapelt waren. Durch oben an der grob verputzten Wand angebrachte kleine Fenster schien etwas Sonnenlicht herein. Es war eindeutig ein Keller – und es konnte nur der von Ferris' Haus sein.[/LEFT] [LEFT]Dieser Verdacht bestätigte sich für ihn auch gleich, als er den Stuhl bemerkte, der wenige Meter entfernt von ihm aufgestellt worden war. Darauf saß ein Mann – Cowen –, der ihn kühl musterte.[/LEFT] [LEFT]„Du bist also endlich wieder wach“, stellte er tonlos fest.[/LEFT] [LEFT]„Ich hätte mir aber einen schöneren Anblick gewünscht“, erwiderte Faren. Seine Zunge fühlte sich noch schwer an, deswegen kamen die Worte nicht so deutlich heraus, wie er es sich wünschte.[/LEFT] [LEFT]Cowen schien sich nicht im Mindesten daran zu stören. Er schlug die Beine übereinander. „Was hattest du in meinem Haus zu suchen?“[/LEFT] [LEFT]Faren setzte sich aufrecht hin. Dabei bemerkte er durch ein leises Rasseln die an seinem Fußgelenk befestigte Kette. Sie reichte bis zur Wand hinter ihm, wo sie mit einer Verankerung verbunden war. Mit etwas Mühe könnte er die Kette jedoch bestimmt sprengen und so fliehen. Aber nicht solange Cowen noch hier war.[/LEFT] [LEFT]Faren lehnte sich gegen die Wand. „Ist das deine einzige Frage?“[/LEFT] [LEFT]„Es ist unhöflich, mit einer Gegenfrage zu antworten. Haben deine Eltern dir das nicht beigebracht?“[/LEFT] [LEFT]Ihm lag bereits eine scharfe Erwiderung auf der Zunge, doch diese hätte Cowen noch mehr Munition über ihn geliefert und das gönnte Faren ihm nicht. Deswegen schluckte er sie herunter und zuckte mit den Schultern. „Müssen sie wohl vergessen haben.“[/LEFT] [LEFT]Eine einzelne Falte bildete sich auf Cowens Stirn und zerstörte die Perfektion seiner Maske. „Offenbar haben sie auch vergessen, dir Manieren im Allgemeinen beizubringen. Und jetzt verrate mir endlich, was du im Haus zu suchen hattest.“[/LEFT] [LEFT]„Ich wollte Ferris hier rausholen. Ist doch klar.“[/LEFT] [LEFT]Es sah aus als sanken Cowens Mundwinkel noch weiter nach unten. Viel trennte sie nicht mehr von seinem Kinn. „Ferris muss hier bleiben, um für seine Sünden zu büßen.“[/LEFT] [LEFT]Faren wusste nicht, von welchen Sünden er überhaupt sprach. Aber es musste etwas wirklich Schlimmes sein, das Ferris tatsächlich dazu bewegte, gar nicht weggehen zu wollen – und Cowen musste ihn von klein auf darin indoktriniert haben, dass er diese Schuld anerkennen musste. Er bräuchte Vincent nun wesentlich mehr als je zuvor, doch natürlich war er nicht hier. Und andere Personen auch nicht.[/LEFT] [LEFT]„Wo ist Ferris gerade?“[/LEFT] [LEFT]Im Keller war er nicht, wie Faren bereits festgestellt hatte, genauso wenig wie diese Frau, die ihm vor seiner Ohnmacht erschienen war. Wusste Cowen überhaupt von ihr?[/LEFT] [LEFT]„Er ist in seinem Zimmer, wo er auch hingehört. Was dachtest du, würde geschehen, wenn du Ferris mit dir nimmst? Dass plötzlich all seine Schuld verschwunden ist? Dass er geheilt ist?“[/LEFT] [LEFT]Darüber hatte Faren nicht nachgedacht. Aber es war auch nicht notwendig gewesen. Sobald er seinen Freund von Cowen entfernt hatte, wäre der Rest Vincents Sache gewesen. Bei genauerem Nachdenken war das vielleicht wirklich ein wenig naiv. Für Details war in diesem Plan jedoch kein Platz gewesen, schließlich ging es um Ferris' Leben.[/LEFT] [LEFT]„Schon als ich dich das erste Mal gesehen habe“, fuhr Cowen fort, „wusste ich, dass du ein schlechter Einfluss bist. Du bist faul, undiszipliniert und ein Rumtreiber.“[/LEFT] [LEFT]Mit viel Mühe verkniff Faren sich ein spöttisches Lachen. Faulheit war keine Eigenschaft, die man sich als Dämonenjäger aneignen durfte. Schließlich ging es um das Leben von Menschen, die in Gefahr wären, solange niemand diese Wesen bekämpfte – und Faren ließe das niemals zu. Dass er undiszipliniert sei, war ihm jedoch bereits auch von Parthalan vorgeworfen worden, was er immer noch nicht nachvollziehen konnte.[/LEFT] [LEFT]„Und“, fragte Faren, „wie hast du das alles auf einen Blick erkannt? Liegt es an meinen Haaren? Der Zigarette? Oder hat dir meine Nase nicht gepasst?“[/LEFT] [LEFT]Die Antwort darauf kam unerwartet: Cowen lehnte sich nur ein wenig vor und verpasste Faren einen heftigen Faustschlag. Sein Kopf prallte gegen die Wand hinter ihm, Schmerzen explodierten in seinem Inneren und ließen bunte Flecken und Sterne vor seinen Augen tanzen. Durch einen Schleier nahm Faren wahr, wie Cowen sich wieder aufrecht hinsetzte und die Arme vor seinem Körper verschränkte. Sein Blick fiel von oben auf Faren herab, wie der eines Scharfrichters bei einem Tribunal. Aber er dachte nicht daran, sich einschüchtern zu lassen.[/LEFT] [LEFT]„Du redest nur, wenn du gefragt wirst“, sagte Cowen. „Hast du das verstanden?“[/LEFT] [LEFT]„Okay, okay.“[/LEFT] [LEFT]Das schien ihm auch nicht zu gefallen, aber zumindest erwiderte Cowen nichts darauf.[/LEFT] [LEFT]„Wie bist du in mein Haus gekommen? Hat Ferris dich reingelassen?“[/LEFT] [LEFT]„Nein, der wollte mich sofort wieder rausschmeißen.“ Vielleicht hätte er wirklich gehen sollen, Ferris ertränkte sich bestimmt selbst in Schuldzuweisungen. „Ich hab das Schloss der Terrassentür geknackt. Du solltest dir ein besseres Sicherheitssystem zulegen.“[/LEFT] [LEFT]Etwas in Cowens Gesicht zuckte. „So, ein Einbrecher bist du auch noch. Also hatte ich vollkommen recht mit meiner Einschätzung.“[/LEFT] [LEFT]Faren erwiderte ihm nicht, dass er lediglich dort einbrach, wo es notwendig war, das hätte er ohnehin nur zu seinen eigenen Gunsten ausgelegt.[/LEFT] [LEFT]„Was soll ich nun mit dir machen? Was denkst du?“ In Cowens Stimme lag ein lauernder Unterton.[/LEFT] [LEFT]„Mich gehen zu lassen ist wohl keine Option.“[/LEFT] [LEFT]„Das hast du gut erkannt. Vielleicht bist du ja noch nicht ganz verloren.“[/LEFT] [LEFT]Dieses unscheinbare Lob kam nicht wirklich wie eines bei ihm an. Aber bei Cowens frostigem Ausdruck wirkte ohnehin jedes Wort wie eine Beleidigung und ein Stich in den Körper.[/LEFT] [LEFT]Sein Blick von oben herab sagte aus, dass er noch immer auf eine Antwort wartete. Faren musste nicht lange überlegen: „Eine Bestrafung wäre angebracht.“[/LEFT] [LEFT]Cowen erhob sich langsam vom Stuhl. So wirkte er sogar noch einen Tick zerstörerischer, ohne einen wirklichen Einfluss auf Farens Willen zu besitzen. Die Gerte in Cowens Hand war schon ein wesentlich größerer Faktor darin. Ihr Anblick weckte in Faren Erinnerungen an seinen Vater, ließ die längst verheilten Narben an seinem Körper wie frische Wunden schmerzen. Er glaubte sogar, warmes Blut zu spüren, redete sich aber ein, dass es sich dabei nur um Schweiß handelte.[/LEFT] [LEFT]„Da hast du recht“, sagte Cowen teilnahmslos. „Und ich werde derjenige sein, der dir diese Bestrafung zukommen lässt.“[/LEFT] [LEFT]Er holte aus, verharrte für einen Moment – eine Sekunde – mit der erhobenen Gerte. Es genügte, um in Faren Hoffnung entstehen zu lassen, dass er diese Schmerzen von damals nicht wieder erdulden musste. Alles in seinem Inneren fühlte sich an wie gefangen, damals in seinem Zimmer, dem Zorn seines Vaters ausgesetzt. Er war derart eingesperrt, abgeschottet von allem, dass nicht einmal seine gerade verstreuten Kräfte ihm zur Hilfe kommen konnten. Ihm blieb nur Cowens Gnade und Gewissen.[/LEFT] [LEFT]Dann schnellte Cowens Hand herunter. Die Hoffnung zerbrach.[/LEFT] [LEFT] [/LEFT] [LEFT]Ferris wusste, dass es eine dumme Idee war, neben der Kellertür zu sitzen. Er schuldete der Person, die dort unten gefangen war nichts. Faren war selbst schuld, dass er nun dort festsaß. Immerhin hatte er seinem Freund gesagt, er sollte ihn in Ruhe lassen. Hätte er das Haus verlassen, wäre ihm nichts geschehen. Cowen übte nur Gerechtigkeit aus.[/LEFT] [LEFT]Und dennoch saß er nun hier, den Rücken an der Wand, die Beine angezogen und die Arme um seine Knie geschlungen, und lauschte hinab. Er wollte wissen, was geschah, selbst wenn es schlecht für einen der beiden ausging.[/LEFT] [LEFT]Lange Zeit herrschte dort unten Stille. Gerade als Ferris' Beine einzuschlafen drohten, erklangen undeutlich Stimmen. Er versuchte, das Ohr an die Tür gedrückt, genauer zu lauschen, doch es war zu undeutlich, zu dumpf, zu weit entfernt – zwecklos.[/LEFT] [LEFT]Zumindest wusste er nun aber, dass Faren noch am Leben war und es ihm einigermaßen gut ging. Fragte sich nur, wie lange das noch der Fall wäre, da er sich nun mit Cowen im selben Raum befand. Aber was sollte er schon tun? Es gab nichts, was er gegen seinen Bruder ausrichten könnte. Nicht mit den Sünden, die er auf sich geladen hatte.[/LEFT] [LEFT]Nur wenige Minuten nachdem Faren aufgewacht war, erklang plötzlich ein klatschendes Geräusch, gefolgt von einem schmerzerfüllten Schrei. Ferris zuckte zusammen und wich von der Tür zurück. Cowen ging wirklich so weit, und Farens Strafe war sicher nur der Anfang. Sobald er mit ihm fertig war, müsste Ferris sich auf sein eigenes Urteil einstellen.[/LEFT] [LEFT]Er legte seine zitternden Hände auf seine Ohren, doch dieser erbärmliche Versuch, die folternden Geräusche auszuschließen, war sinnlos. Immer wieder hörte er das hautzerreißende, blutende Wunden ins Fleisch schlagende Klatschen der Gerte, dazu Farens Schreie; beides bohrte sich in sein Gehirn und sprengte seine Brust.[/LEFT] [LEFT]Da mischte sich plötzlich ein anderes Geräusch darunter: irgendein Popsong, jene Musikrichtung, die Cowen ihm aufgrund der Trivialität verboten hatte. Dennoch kam es irgendwo aus diesem Haus, aus der Nähe sogar. Er stand auf und stolperte fast. Ein Bein war eingeschlafen, das andere schien mit Pudding gefüllt. Hinkend folgte er dem Lied, das unerbittlich weiter ertönte, viel zu fröhlich für diese Situation, die eigentlich traumatisch für Faren sein dürfte.[/LEFT] [LEFT]Im Esszimmer entdeckte er dann die Quelle der Musik: es war Farens Handy, Cowen musste es ihm abgenommen und einfach hier abgelegt haben. Auf dem Display stand der Name Vince. Der Therapeut, bei dem er lebte? Machte er sich nun Sorgen und rief deswegen an?[/LEFT] [LEFT]Ferris glaubte nicht, dass ein solcher Mann etwas erreichen könnte – nicht gegen Cowen –, aber er nahm den Anruf dennoch an. „Ja?“[/LEFT] [LEFT]„Faren?“ Die Stimme des anderen war angenehm, weich, fast tröstend; Ferris hätte am liebsten laut geseufzt und ihn dann gebeten, noch etwas zu sagen, aber dafür war keine Zeit.[/LEFT] [LEFT]Im Keller war das Klatschen verstummt. Ferris ging Richtung Treppe nach oben, er antwortete flüsternd: „Hier ist Ferris.“[/LEFT] [LEFT]„Ah. Ist Faren bei dir?“[/LEFT] [LEFT]Er warf einen Blick über die Schulter. Die Kellertür war noch geschlossen, aber er glaubte, Schritte dort gehört zu haben. So schnell und leise wie möglich huschte er nach oben, in sein eigenes Zimmer hinein. Erst als er die Tür geschlossen hatte, fühlte er sich etwas besser, aber um sicherzugehen, lehnte er sich mit dem Rücken noch dagegen.[/LEFT] [LEFT]„Faren ist im Keller. Ich glaube, Cowen tut ihm etwas an. Ich weiß nicht, was ich tun soll.“ Die Worte flossen schneller aus ihm heraus als er es wollte oder er darüber nachdenken konnte. „Sie müssen kommen und ihm helfen.“[/LEFT] [LEFT]„Beruhige dich erst einmal.“[/LEFT] [LEFT]Wie konnte dieser Mann nur so entspannt bleiben? Verstand er denn nicht, was hier für Faren auf dem Spiel stand? Wie sollte Ferris ihm das nur verständlich machen?[/LEFT] [LEFT]„Sag mir einfach, wo ihr seid.“[/LEFT] [LEFT]Er hörte Schritte auf der Treppe, sie gehörten Cowen; er kannte sie gut, nachdem er so viele Abende furchtsam nach ihnen gelauscht hatte.[/LEFT] [LEFT]„Können Sie Faren dann helfen?“[/LEFT] [LEFT]Vor seiner Tür hielten die Schritte inne.[/LEFT] [LEFT]„Ich werde das tun“, versicherte die beruhigende Stimme des Therapeuten ihm. „Du musst mir nur sagen, wo ihr seid.“[/LEFT] [LEFT]Cowen versuchte die Tür zu öffnen. Da ihm das nicht gelang, zerrte er wütend an der Klinke, dann hämmerte er mit der Faust gegen das Holz. Er schrie seinen Namen, was an Ferris' Gehorsamkeit appellierte, so dass er wegtreten wollte, um ihn hereinzulassen. Doch er blieb stehen, da Vincents Stimme sofort alles andere ausblendete: „Bleib einfach ganz ruhig, Ferris, und sag mir, wo du dich befindest. Es wird alles gut.“[/LEFT] [LEFT]Er konnte ihm vertrauen. So jemand würde ihn nicht einfach anlügen. Niemals.[/LEFT] [LEFT]Ferris atmete noch einmal tief durch, dann verriet er Vincent seine Adresse. Cowen hämmerte dabei weiter gegen die Tür, doch es war wie ein Geräusch aus einer anderen Welt, das ihn nicht im Mindesten erreichte und deswegen auch keine Bedrohung darstellte.[/LEFT] [LEFT] [/LEFT] [LEFT]Faren hatte sich zusammengerollt, um sich selbst vor den Schlägen zu schützen, indem er keine große Angriffsfläche bot. Immer wieder holte Cowen aus, um ihn erneut zu schlagen, neue Wunden auf seinem Körper aufzureißen und alte auf seiner Seele wieder zu öffnen. Die Schmerzen schienen ihm innen dabei umso schlimmer zu sein. Er fühlte sich in jene Zeit zurückversetzt, in der sein Vater ihm unverständliche Vorwürfe an den Kopf warf, ihn schlug, ohne die Möglichkeit einer Entschuldigung, gefolgt von noch mehr Schlägen, sollte Faren es wagen, zu laut zu weinen. So lag er nun zusammengekauert in diesem fremden Keller, ertrug die Hiebe und den Schmerz inzwischen mit lautlosen Schluchzern.[/LEFT] [LEFT]Zwischen diese Geräusche mischte sich eine Melodie, die er zu gut kannte: es war der Klingelton, den er für Vincent ausgesucht hatte.[/LEFT] [LEFT]Cowen bemerkte ihn wohl ebenfalls, endlich hörten die Schläge auf. Faren wartete einige Sekunden ab. Erst als er sicher war, dass der andere nicht wieder anfangen würde, wagte er es, den Blick ein wenig zu heben. Cowen stand immer noch vor ihm, sah aber über die Schulter zur Treppe. Für eine endlos lange Sekunde, in der Faren sich an die brennenden Schmerzen gewöhnen konnte, lauschte sein Foltermeister dem Klingeln des Handys – dann verstummte es. Dafür wurden hastige Schritte hörbar, die sich vom Keller entfernten und Cowen offenbar zu einer Entscheidung führten.[/LEFT] [LEFT]Er wandte sich wieder Faren zu. „Du wirst erst einmal warten müssen. Lauf nicht weg.“[/LEFT] [LEFT]Der Geist eines Schmunzelns huschte über sein Gesicht und verflüchtigte sich sofort wieder. Die Gerte weiterhin in der Hand haltend stieg Cowen die Treppe empor. Kaum hatte er die Tür hinter sich geschlossen, fühlte Faren sich zumindest ein wenig leichter. Die Panik schwand, so dass der Schmerz den gesamten Platz in seinem Inneren einnehmen konnte. Das Kribbeln seines Körpers verriet ihm jedoch, dass seine Heilkräfte eingesetzt hatten und es nicht mehr lange dauern dürfte, bis er sich wieder normal fühlte. Dummerweise dürfte das aber auch mit einer extremen Schwächung einhergehen.[/LEFT] [LEFT]Aber warum machte er sich darum Sorgen? Er sollte lieber zusehen, dass er die Zeit nutzte, in der Cowen nicht hier war.[/LEFT] [LEFT]Mit zusammengebissenen Zähnen richtete er sich auf, bis er richtig saß. Dann befühlte er mit seiner Hand wieder die Kette um seinen Fußknöchel. Sie saß außerordentlich fest. Er hatte keine Säge bei sich, um seinen Fuß durchzusägen, aber zum Glück war das auch überflüssig. Gerade als er nach der Kette greifen wollte, um sie zu zerstören, bemerkte er eine fremde Präsens. Sein Kopf schnellte herum – dann entdeckte er jene Frau, die er kurz vor seiner Ohnmacht gesehen hatte. Sie saß nun auf Cowens Stuhl, so dass sie deutlich für ihn zu sehen war. Ihr leicht spöttischer Blick war das genaue Gegenteil von Cowens teilnahmslosen.[/LEFT] [LEFT]„Du bist die Dämonin.“[/LEFT] [LEFT]Er war noch nie einer derart menschlichen Variante begegnet. Bislang hatte er nur gegen jene gekämpft, die eindeutig monströser Natur waren. Doch Selines Erzählungen beinhalteten oft Dämonen, die sich nicht von Menschen unterschieden, manchmal sogar in der Form der Gefallenen erschienen, um die Jäger zusätzlich zu quälen. Sie waren sadistisch und wesentlich machtvoller als ihre Monster-Verwandten. Er spürte auch bei ihr eine unterschwellige Bedrohung, die verhinderte, dass er sich einfach befreite und sie angriff. Sie war eindeutig über seinem Kräfteniveau und er war kein Idiot, also sah er sie einfach nur an.[/LEFT] [LEFT]Ihre unterschiedlich farbigen Augen leuchteten auf. „Richtig. Ich dachte mir schon, dass du das herausfinden würdest, du bist nicht umsonst ein Jäger.“[/LEFT] [LEFT]„Gut, das weißt du also.“ Dann konnte er sich jegliche Vorstellungen sparen. „Bist du dafür verantwortlich, dass der Kerl so durchgedreht ist?“[/LEFT] [LEFT]Sie warf den Kopf in den Nacken und stieß ein kurzes Lachen aus. „Nein, absolut nicht. Cowen war schon vor meiner Ankunft sehr … eigenartig. Ich habe nur dazu beigetragen, dass er einen Tick weiter geht, um auch dich hier einzusperren. Aber es hat nicht viel Überzeugungskraft verlangt.“[/LEFT] [LEFT]„Und was willst du von mir? Oder war ich nur ein zufälliges Opfer?“[/LEFT] [LEFT]„Oh nein, nein, nein. Du warst auf jeden Fall das gewünschte Ziel, nur deswegen habe ich überhaupt Cowen beeinflusst.“[/LEFT] [LEFT]Dann war sie schuld daran, dass es Ferris im Moment so schlecht ging. Faren wollte aufspringen und sie angreifen, doch stattdessen atmete er tief durch – so wie Vincent es ihm stets riet – und besann sich darauf, dass sie wesentlich stärker war als er.[/LEFT] [LEFT]„Die Sache ist“, fuhr sie fort, „dass mein Meister dich unbedingt treffen will. Ich weiß nicht, warum, aber mir geht es ohnehin nur darum, seine Wünsche zu erfüllen.“[/LEFT] [LEFT]Mit einer lässigen Handbewegung wischte sie das lange Haar hinter ihre Schulter zurück. „Du wirst mein Geschenk an ihn werden.“[/LEFT] [LEFT]„Nett. Bekomme ich noch eine Schleife?“[/LEFT] [LEFT]„Nein~. Aber die Idee wäre nett. Vielleicht sollte ich darüber nachdenken, während ich ihn hole.“[/LEFT] [LEFT]„Wird er nicht sauer sein, wenn du mit mir hier plauderst, statt ihn zu holen.“[/LEFT] [LEFT]Tatsächlich erhob sie sich von ihrem Platz. Sie wirkte selbst stehend nicht halb so bedrohlich wie Cowen, aber ihre Energie war genug, um ihn weiterhin ruhig zu halten.[/LEFT] [LEFT]„Ich werde ihn jetzt holen“, verkündete sie. „Beweg dich nicht vom Fleck, dann wird dir auch nichts weiter geschehen.“[/LEFT] [LEFT]Mit dieser lachenden Ankündigung verschwand sie so plötzlich, wie sie erschienen war.[/LEFT] [LEFT]Faren schnaubte. Natürlich hatte er nicht vor, hier zu bleiben. Deswegen griff er nach den Ketten – und ließ sie laute Flüche ausstoßend sofort wieder los. Die Haut an seinen Händen war rot geworden und warf plötzlich Blasen.[/LEFT] [LEFT]„Super, das sind nicht nur Ketten, sie sind auch noch verzaubert.“[/LEFT] [LEFT]Jedenfalls würde das erklären, weswegen er sie nicht anfassen könnte, denn sie sahen nicht heiß aus. Er zweifelte daran, dass Cowen dafür verantwortlich war, eher diese Dämonin; sie ging wohl keine Risiken ein.[/LEFT] [LEFT]Nicht schlecht. Aber das macht es trotzdem nicht besser.[/LEFT] [LEFT]Jedenfalls für ihn nicht, denn er war immer noch gefangen und nun sah er keine große Chance mehr, diesem Gefängnis zu entkommen. Hoffnungslos ließ er den Blick schweifen, doch natürlich entdeckte er keine Säge. Auch andere Gegenstände in seiner Nähe, die ihm helfen könnten, suchte er vergebens. Keinerlei metallische Stangen, keine Drähte und den Schlüssel vermutete er nicht einmal hier unten.[/LEFT] [LEFT]Aufgeben erschien ihm gerade wie die beste Alternative. Doch dann fiel ihm der Stuhl ins Auge. Es war ein einfacher Klappstuhl, dessen Gerüst tatsächlich aus Metall bestand. Seine Gelenke ächzten schmerzhaft, als er sich ein wenig aufrichtete. Dann streckte er sich so weit wie möglich nach dem Stuhl. Zuvor war ihm gar nicht aufgefallen, wie weit er eigentlich von ihm entfernt war, aber nun erschien es ihm fast unmöglich, ihn auch nur mit den Fingerspitzen zu berühren. Er zerrte mit dem Fuß an der Kette, bis er sie so weit wie möglich ausgereizt hatte – dann gelang es ihm endlich den Stuhl zu packen und ihn mit einem Ruck zu sich zu ziehen. Zusammengeklappt gab es mehrere Metallstangen, die miteinander verbunden waren. Diese festhaltend, stellte er einen Teil auf die Ketten. Glücklicherweise wirkte der Zauber nicht wie Elektrizität und konnte somit auch nicht geleitet werden. Anders als sein eigener – der wirklich daraus bestand –, auf den er sich nun konzentrierte. Hellblaue Funken und Blitze zuckten das Metall entlang, in die Kette hinein, wo sie sich sammelten und schon bald die einzelnen Glieder zerfraßen als wären sie aus Butter.[/LEFT] [LEFT]Kaum war er frei, warf Faren den Stuhl achtlos beiseite und stand auf. All seine Knochen ächzten und drohten, unter ihm wegzubrechen, gleichzeitig war er derart erschöpft, dass er dem zu gern nachgegangen wäre. Aber da war noch Ferris. Die Sorge um ihn war derart groß, dass er sich seinem eigenen Körper widersetzte, jeden zermarternden Schritt in Richtung Treppe tat. Die Reste der Kette, die noch an seinem Knöchel hingen, klirrten bei jeder Bewegung, als er die Stufen hinaufstieg.[/LEFT] [LEFT]Zu seinem Glück war die Tür nicht abgeschlossen. So kam er problemlos ins Erdgeschoss – nur um dann doch zusammenzubrechen. Auf dem Boden liegend kämpfte er gegen die drohende Ohnmacht, die ihn einholen wollte, damit er seine Kraftreserven wieder füllen konnte. Aber Ferris war noch nicht in Sicherheit. Und er auch nicht.[/LEFT] [LEFT]Sein Wille half ihm, sich der Finsternis zu widersetzen. Auch wenn er nicht aufstehen konnte, so gelang es ihm vorwärts zu robben. Es ging zu langsam, aber er kam voran, das war gerade alles, was wirklich zählte. Irgendwo hörte er jemanden gegen eine Tür hämmern.[/LEFT] [LEFT]Dieses Geräusch wurde aber bald von einem anderen begleitet: ein geradezu höfliches Klopfen.[/LEFT] [LEFT]Beides zusammen erschien ihm derart paradox, dass er darüber lachen wollte. Doch der Versuch trug nur dazu bei, dass er von Husten geschüttelt wurde, was die Schmerzen wieder explodieren ließ und ihm Tränen in die Augen trieb.[/LEFT] [LEFT]Daraufhin wurde Haustür plötzlich aufgerissen. Durch seine verschwommene Sicht entdeckte er mehrere Personen, die das Haus betraten. Einige kamen in seine Richtung, andere liefen die Treppe hinauf. Waren das weitere menschliche Dämonen?[/LEFT] [LEFT]Jemand kniete sich neben ihn. „Alles okay mit dir?“[/LEFT] [LEFT]Er erkannte die Stimme. „Crim? Warum …?“[/LEFT] [LEFT]Der andere legte ihm die Hand auf den Kopf. „Schon gut. Wir bringen dich nach Abteracht, dort kannst du dich ausruhen.“[/LEFT] [LEFT]„Was ist mit Ferris?“ Ohne ihn würde er nicht gehen, egal wie sehr man ihn zu zwingen versuchte.[/LEFT] [LEFT]„Die anderen holen ihn gerade, mach dir keine Sorgen. Alles wird gut werden.“[/LEFT] [LEFT]Wann hatte er eine derartige Aussage zuletzt geglaubt? Überhaupt jemals? Und war je etwas gut geworden?[/LEFT] [LEFT]Doch er hatte keine Kraft, darüber zu diskutieren, er wollte nur schlafen. Am besten für eine sehr lange Zeit, und dabei von Kieran träumen, falls das Schicksal ihm so gnädig gestimmt war.[/LEFT] [LEFT]Crim half ihm dabei, aufzustehen und das Haus zu verlassen. Draußen entdeckte er auch Seline und Vincent, die in ein Gespräch vertieft waren. Beide warfen einen Blick in seine Richtung, bemerkten vermutlich seinen Zustand und bedeuteten Crim dann, dass er ihn weiterbringen sollte. Er folgte diesem Befehl, während Faren nichts tun konnte – und auch nicht wollte – um sich dem zu widersetzen.[/LEFT] [LEFT]Er seufzte erleichtert, als er sich endlich auf die Rückbank eines Autos sinken lassen konnte, obwohl es gar nicht seines war. Das kümmerte ihn aber auch nicht, es ging nur darum, endlich von diesem Ort und den Erinnerungen wegzukommen, endlich Ruhe zu haben.[/LEFT] [LEFT]Crim setzte sich hinter das Lenkrad und drehte sich noch einmal zu ihm. „Die anderen kommen ebenfalls nach Abteracht. Ruh dich also aus.“[/LEFT] [LEFT]Faren lehnte seinen Kopf gegen die Scheibe. Seine Gedanken wurden immer träger und verloren mehr und mehr Form. Als das Auto sich in Bewegung setzte, wurde es sogar noch schlimmer, denn das leichte Vibrieren machte ihn erst recht schläfrig.[/LEFT] [LEFT]Während sie an Ferris' Haus vorbeifuhren, fiel ihm allerdings doch noch etwas auf, das seine Aufmerksamkeit auf sich zog: Auf dem Dach stand eine Person, die in seine Richtung zu blicken schien. Er konnte sie aufgrund der Entfernung nicht wirklich erkennen und doch glaubte er, genau zu wissen, um wen es sich dabei handelte.[/LEFT] [LEFT]„Was macht Kieran da oben?“, fragte er mit schwerer Zunge.[/LEFT] [LEFT]„Was?“ Crim sah über die Schulter. „Was hast du gesagt?“[/LEFT] [LEFT]Faren blieb ihm jede Antwort schuldig, da sein Körper endlich seinen Tribut forderte und ihn in einen tiefen Schlaf fallen ließ, der diesmal vollkommen traumlos blieb.[/LEFT] Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)