Rückkehr von Pfeffersosse (Winterwichteln 2014 - Shizana) ================================================================================ Kapitel 1: Chaos hoch zwei? --------------------------- Mühselig schälst du dich aus deinem warmen Bett und murrst deinen Wecker, der unaufhörlich weiter klingelt, an. Du fühlst dich überhaupt nicht erholt und schaust halbblind auf die Zeitanzeige. Es ist noch sehr früh und du hättest dich am liebsten wieder auf die andere Seite gedreht und weitergeschlafen, da heute Sonntag ist. Auch wenn du dich an keinem Tag wirklich ausruhen kannst, so freust du dich doch immer auf das Wochenende, auch wenn du nie viel davon hast. Immerhin wohnst du mit deinen Eltern und Brüdern in einem Schrein und dieser ist die ganze Woche frei zugänglich. Du gibst es ungern zu, aber dein Alltag erfüllt dich schon mit Freude, auch wenn du an manchen Tagen lieber einfach so in die Stadt gehen würdest, um mit deinen Freunden etwas entspannt Zeit zu verbringen. Aber als Tochter eines Shinto-Priesters musst du langsam aber sicher auf die Zukunft vorbereitet werden. Obwohl du momentan nur kleine Arbeiten erledigen darfst, fühlst du dich dennoch gebraucht und das hilft dir dann schlussendlich über deine trüben Gedanken hinwegzusehen. Du setzt dich auf die Bettkante und streckst dich vorsichtig, damit sich dein Körper vom Schlaf befreien kann. Du benötigst dringend eine Dusche, um frisch in den Tag starten zu können, deshalb schlüpfst du fix in deine Pantoffeln und schlurfst müde und gähnend in den Gang. Du begegnest kurz deiner Mutter und wünschst ihr nuschelnd einen guten Morgen. Die frische Kleidung, die du von ihr in die Hand gedrückt bekommst, nimmst du sofort mit ins Badezimmer und ziehst dich schnell aus. Den Blick in den Spiegel hättest du dir sparen können, denn dir blickt ein verknautschtes Etwas entgegen, das gar nicht ausgeschlafen aussieht. Schmollend streichst du durch deine, in alle Richtungen stehenden, Haare und drehst das kalte Wasser auf. Du magst diese Radikalkur zwar nicht besonders, doch du ziehst sie, ohne mit der Wimper zu zucken, durch.   Erfrischt und etwas wacher stehst du wieder vor dem Spiegel und erkennst dich darin. Das Etwas von vorhin war verschwunden und deinem vertrauten Selbst gewichen. Du nimmst deine Bürste und fährst vorsichtig durch deine frisch gewaschenen Haare. Summend knotest du sie dir zu einem hochsitzenden Zopf zusammen, streichst noch einmal fix über deine Kleidung und verlässt das Badezimmer, um die wichtigste Mahlzeit des Tages zu dir zu nehmen. Dein Vater sitzt noch mit der Zeitung in der Hand am Esstisch und lächelt dir kurz über den Zeitungsrand zu. Er weiß, dass du oft Probleme hast an Sonntagen aufzustehen, deshalb lässt er dir immer die Zeit, die du benötigst, um in die Gänge zu kommen. „Ich hoffe du hast gut geschlafen, Liebes. Heute benötige ich deine Hilfe auf dem Hof, das Laub muss zusammengekehrt und weggetragen werden“, sagt dein Vater und du nickst ihm nur zu, weil du gerade Essen im Mund hast. Es ist zwar eine nervige Aufgabe, die du aufgetragen bekommst, doch du wirst sie dennoch ohne Murren antreten. Immerhin hängt davon das Ansehen des Schreines davon ab. Ein sauberer Hof zieht mehr Gäste an, als ein unordentlicher.  Deshalb gehst du, sofort nachdem du dein Frühstück beendet hast, nach draußen. Dein Weg führt dich in den Schuppen, in dem die Utensilien zum Saubermachen stehen. Ein Lufthauch zieht an dir vorbei und du hast plötzlich das Gefühl, jemanden nach dir rufen zu hören. Doch das Gefühl verfliegt so schnell wie es gekommen ist. Du schüttelst deshalb leicht den Kopf, weil du geglaubt hast ‚Zassou’ zu hören. Unbeirrt davon greifst du zum Besen und Kehrblech und schließt die Schuppentür hinter dir. Es war wirklich recht viel Laub gefallen und du seufzt leise, weil plötzlich ein leichter Wind aufgekommen ist und die Blätter fröhlich umherfliegen lässt. Das würde keine leichte Aufgabe sein, denn es fielen unentwegt mehr Blätter zu Boden.   Nachdem du einen Teil der Blätter in eine Tüte verstaut hast, weht der Wind plötzlich auf und dir ist wieder, als würde jemand nach dir rufen. Es hört sich wieder nach ‚Zassou‘ an und du beißt dir etwas auf die Unterlippe. Will dich dein Unterbewusstsein damit aufziehen, dass du deine Freunde nie wieder siehst und du deswegen schon glaubst ihre Stimmen im Wind zu hören? Du blickst dich darum etwas verunsichert um, nur um festzustellen, dass es wohl wirklich deine Einbildung war. Aber wieso fühlt es sich auch gleichzeitig so real an? Es könnte ja dennoch sein, dass …. Du lässt den Satz unbeendet, weil diese ständigen ‚was wäre wenn‘ oder ‚es könnte doch sein‘ Fragen dich schon zu sehr gequält haben. Natürlich wäre es sicherlich auf irgendeine unreale Art und Weise möglich, dass ihre Stimmen zu dir dringen könnten, doch die Chance, dass dies wirklich real war, war sehr gering. Du willst gerade mit dem Kehrblech etwas aufheben, als dich ein Rumpeln im Schuppen zusammenschrecken lässt. Du lässt das Kehrblech fallen und hebst es dann mit klopfendem Herzen wieder auf. Damit bewaffnet, weil du nicht sicher bist, ob nicht nur etwas heruntergefallen ist oder sich vielleicht eine Katze drin verirrt hat, gehst du auf die Tür zu und spürst, wie dein Herz anfängt schneller zu schlagen. Mit zittrigen Händen gehst du auf die Tür zu und streckst vorsichtig deine Linke nach dem Türknauf aus. Er ist nicht mehr weit von deinen Fingern entfernt, als die Tür von innen aufgestoßen wird, du einen Schlag auf die Hand bekommst und mit jemanden zusammenprallst. Japsend fällst du auf deinen Hintern und kneifst die Augen schmerzerfüllt zusammen. Du bist viel zu erschrocken, um sofort nachzuschauen, was gerade vor sich geht. Das Geräusch deines Kehrbleches verklingt langsam. Ein erschrockener Laut verrät dir jedoch, dass du nicht alleine bist. „Hast du dir was getan, Zassou?“, hörst du eine Stimme fragen und reißt deine Augen sofort auf. ‚Zassou‘, so hat dich nur ein Einziger genannt, doch konnte das wirklich sein? Er konnte und sollte nicht hier sein. Neugierig hebst du deinen Blick und eine ausgestreckte Hand erscheint in deinem Blickfeld. Mit klopfendem Herzen blickst du an ihr vorbei, höher und siehst in das besorgte Gesicht Takerus. Unfähig irgendetwas zu sagen oder zu tun schüttelst du geistesgegenwertig den Kopf und nimmst die dir dargebotene Hand freundlich an. Ohne Takeru eines Blickes zu würdigen, klopfst du dir den Schmutz von der Kleidung und zuckst dann etwas zusammen, weil ein Schmerz durch deine Hand fährt. Du hast Angst zu erkennen, dass sobald du nach vorne schaust, das Ganze nur eine Einbildung war. Takeru konnte unmöglich hier sein, das musst du dir einfach nur einbilden. Du streichst dir deswegen kurz über den Kopf und fragst dich, ob du dir ihn vielleicht beim Sturz gestoßen hast. „Vielleicht sieht sie uns doch nicht?“, hörst du eine andere, vertraute Stimme. Dein Herz macht einen kleinen Hüpfer, weil du jetzt hoffst, dass sich noch weitere Stimmen zu Wort melden. Doch die beiden blieben die Einzigen, deshalb hebst du langsam wieder deinen Kopf und erkennst, dass du nicht träumst. Vor dir stehen wirklich Takeru und sein Bruder Tsukito. Du spürst, wie sich Tränen bilden und mit verschwommenen Blick siehst du sie weiter an. Du kannst es wirklich nicht fassen. Zwei deiner Freunde stehen in Fleisch und Blut vor dir und das Einzige, das du in dem Moment tun kannst, ist vor ihnen loszuheulen und Tränen der Freude laufen über deine Wangen. Takeru wirkt plötzlich panisch, als er sich an seinen Bruder wendet und ihn um Hilfe bittet. Tsukito blätterte deswegen in seinem Notizblock und erklärt mit emotionsloser und weiterhin ruhiger Stimme, dass Takeru dich in den Arm nehmen und dir leicht den Kopf tätscheln soll. Gut zureden würde auch helfen. Alleine diese Erklärung hilft, dich etwas zu fassen und du fängst an zu kichern. Deine Tränen fließen weiterhin, doch das Bild, das sich vor dir abspielt, entspannt die Situation. Du streichst dir die Tränen aus den Augenwinkeln und siehst, dass sich Takerus Wangen rötlich verfärbt haben, als er dich schlussendlich ungelenk in den Arm nimmt und dir nicht minder unbeholfen den Kopf tätschelt. „Es wird schon, uhm, alles wieder gut, Zassou“, hörst du Takeru nuscheln, ehe er dich schnell wieder loslässt und einen Schritt nach hinten geht. Unbewusst richtest du dir deine Haare und Kleidung und lächelst Takeru und Tsukito freundlich an. Dir fehlen die Worte, weshalb du deinen Mund öffnest und schließt, als seist du ein Fisch am Trocknen. Du lässt aber gleichzeitig den Blick über die Brüder gleiten und dir wird klar, dass sie anders auf dich wirken. Du fragst dich, ob es an der Kleidung liegt, die sie tragen. Du schaust auf Takeru und findest, dass das schwarze Oberteil gut mit der grün-weißen Jacke kombiniert ist. Die blaue Jeans rundet das Ganze ab. Alles in allem sieht die Kleidung sehr leger aus. Wohingegen Tsukito mit seinem weißen Hemd, seinem cremefarbenen Blazer, seiner hellbrauen Jacke und seiner dunkelbraunen Hose eher den Eindruck erweckt, als würde er der altbekannten Schuluniform nachtrauern. Nachdem du die Beiden einige Zeit schweigend angesehen hast, beugst du dich vor und begrüßt sie erst einmal formell: „Willkommen. Sind Sie hier, um zu beten oder wollen Sie einen unserer wirksamen Talismane kaufen? Sie helfen sowohl bei Liebeskummer und Lernstress.“ Du blickst nach oben und lächelst Takeru und Tsukito freundlich an. Wie sagt man so schön? Rache ist süß. Zuerst blicken dich beide verwirrt an, doch Takeru grinst schlussendlich und Tsukito notiert sich fleißig ein paar Informationen in seinem Notizbuch. Zeitgleich fangen du und Takeru an zu lachen. Jetzt bist du dir hundertprozentig sicher, dass sie wirklich vor dir stehen.   „Wie kommt es, dass ihr in unserem Schuppen gelandet seid? Ich dachte, es wäre unsere Katze, die sich da drin verirrt hat“, erklärst du Takeru, als du wieder angefangen hast den Boden von den Blättern zu befreien. „Nun, wir haben hart trainiert, um unsere Kräfte unter Kontrolle zu bringen. Als du von Zeus wieder in die Menschenwelt geschickt wurdest, sind wir nicht sofort nach Hause gegangen. Anii und ich haben uns deshalb entschieden zu ihm zu gehen, um nach einer Möglichkeit zu fragen, zu dir zu kommen“, erklärt Takeru und lehnt sich lässig an einen Baum. Tsukito steht etwas abseits und streicht über den Torii und lächelt dabei sanft. Du beobachtest ihn einen Moment und bemerkst nicht, dass Takeru weitergeredet hat. Irgendetwas an diesem Bild hat dich gefesselt, doch du kannst nicht sagen, ob es das Lächeln von Tsukito oder diese Geste war. „Zassou? Hörst du mir überhaupt zu?“ Als Takeru dich etwas forsch anspricht, reißt du dich von dem Bild los, das dir Tsukito bietet und blinzelst deinen Gesprächspartner verwirrt entgegen. „Wie bitte? Entschuldige, ich war mit meinen Gedanken woanders.“ Du spürst, wie deine Wangen wärmer werden und blickst verlegen zur Seite. „Ich habe dich gefragt, ob du dich wirklich an uns erinnern kannst“, fragt Takeru und du ziehst deine Augenbrauen zusammen. Dir erscheint die Frage seltsam, weil du keinen Moment hattest, indem du dich nicht an die Götterschule oder an dessen Schüler erinnern konntest. Viel mehr hast du das Gefühl, dass du dich gerade wegen deiner Rückkehr erst richtig daran erinnerst. Das hat dir nämlich gezeigt, dass die Zeit kein Traum war, sondern die Wirklichkeit. Du nimmst dein Kehrblech und schiebst die letzten Blätter darauf: „Ich habe bis jetzt keinen Tag verbracht mich nicht zu erinnern. Wieso fragst du?“ Du blickst auf den Boden, der nun blätterlos ist und streichst dir die einzelnen Schweißperlen von der Stirn, die sich darauf gebildet haben. Takeru zieht die Stirn kraus und scheint über etwas nachzudenken, aber eine Antwort bekommst du nicht von ihm. Denn er winkt nur ab und stößt sich vom Baum ab. Ohne gefragt zu werden, schnappt er sich die große Tüte mit den losen Blättern und hievt sie auf seine Schulter. Er sieht sich fragend um und deutet nach links. Du schüttelst den Kopf und weist zu deiner Rechten, weil dort eine Tür ist, hinter der sich die einzelnen Mülltonnen befinden. Du begleitest ihn ein Stück und begegnest deiner Mutter, die fragend auf Takeru deutet, der summend durch die ihm geöffnete Tür geht. Du hättest damit rechnen können, dass früher oder später einer deiner Familienmitglieder darauf aufmerksam wird, dass sich zwei Fremde auf dem Gelände befinden. Noch hast du keine wirklich passende Ausrede parat, deshalb überlegst du fieberhaft, was du ihr sagen sollst und kannst. „Wer sind denn deine Freunde, Liebes?“, fragt sie lächelnd und deutet mit einer Kopfbewegung auf Tsukito und Takeru. Tsukito hat sich in der Zwischenzeit endlich vom Anblick des Torii befreien können und steht nun vor euch, wie bestellt aber nicht abgeholt. Takeru klopft sich die Hände und gesellt sich zu seinem Bruder. Nebeneinander geben sie wirklich den Eindruck wieder Götter zu sein, wobei du dich bei diesem Gedanken kaum noch halten konntest. Schnell deutest du auf die beiden Gäste und stellst sie vor: „Das sind Totsuka Takeru und Totsuka Tsukito. Sie sind Brüder und wir sind in dem gleichem Forum angemeldet. Sie interessieren sich auch für Götter. Ich wusste nicht, dass sie mich besuchen kommen.“ Du bist dir nicht ganz sicher, ob dir deine Mutter deine Lüge abnimmt, aber du denkst, dass du dich einigermaßen gut aus der Affäre ziehen konntest. Um das Gesagte zu unterstreichen, verbeugt sich Tsukito vor deiner Mutter und erklärt mit weicher Stimme: „Guten Tag, ich bin Totsuka Tsukito und der Gott des Mondes Tsukiyomi-no-Mikoto. Sehr erfreut Sie kennen zu lernen.“ Erschrocken blickst du auf Tsukito, weil er sich mit seinem göttlichen Namen vorgestellt hat. Takeru macht es seinem Bruder gleich und verbeugt sich: „Hallo, ich bin Totsuka Takeru und der Gott des Meeres Susanoo-no-Mikoto. Es ist mir eine Ehre.“ Verunsichert siehst du zu deiner Mutter, weil du zu sprachlos bist, irgendetwas zu sagen. Lächelnd schaut sie die beiden nur an und sagt erst einmal nichts. Dann erhebt sie doch ihre Stimme und sagt: „Dann fühlt euch wie zu Hause. In einer halben Stunde gibt es Mittagsessen. Ich hoffe ihr habt Hunger mitgebracht.“ Schnellen Schrittes geht sie dann weiter, weil der Wassereimer in ihrer Hand voll gefüllt ist. Takeru läuft ihr deswegen schnell hinterher und nimmt ihn ihr ab. Tsukito bleibt neben dir stehen und schaut seinem Bruder nach. Einige Zeit bleibt ihr schweigend nebeneinander stehen und du empfindest ein leises Unbehagen. Du wirst das Gefühl einfach nicht los, dass du weiterhin Probleme haben wirst ein lockeres Gespräch mit Tsukito anzufangen, deshalb bleibst du lieber ruhig und sagst nichts. Man kann sich auch ohne Worte verstehen.   Das Mittagessen war reibungslos vonstattengegangen. Jeder hat ruhig gegessen und deine Eltern waren nicht allzu neugierig wegen Tsukito und Takeru. Sie haben ihnen zwar ein paar Fragen gestellt, doch du konntest die Situation passend erklären, weil du ihnen erklärt hast, dass sie von weiter her kommen und sicherlich erschöpft sind. Seufzend blickst du dich deshalb in deinem Zimmer um und bereust, dass du das mit dem ‚erschöpft sein‘ erwähnt hast. Da Tsukito und Takeru nichts von einer Unterkunft erwähnt haben, musst du ihnen wohl oder übel Unterschlupf bieten. Du suchst gerade die Gästefutons zusammen, als Takeru an deine Tür klopft. „Ich habe von deinem Vater gehört, dass ihr ein Dojo habt? Wollen wir zusammen üben?“, grinst dich Takeru an und du lächelst ihn freundlich an. Du hast nicht vergessen, dass sich Takeru sehr gut mit dem Schwert schlägt, weshalb du auch nicht überrascht bist, dass er so schnell von ihrer Trainingsstätte Wind bekommen hat. Du stellst auch dabei fest, dass er seine Jacke ausgezogen hat und nur noch mit dem schwarzen Oberteil, einem T-Shirt, vor dir steht. „Wenn du dich umziehen willst, draußen im Schrank müsste Kleidung meiner Brüder liegen. Vielleicht findest du etwas, das du zum Trainieren anziehen kannst. Ich werde mich dann auch umziehen. Oh, und Takeru-san, hier sind die Futons“, erklärst du und drückst sie Takeru einfach in die Hand, „Die dritte Tür links, da können Tsukito-san und du dann nachher schlafen.“ Es ist sehr praktisch, dass ihr ein Gästezimmer habt und du bist etwas überrascht, dass sich Takeru ohne zu murren auf die Suche nach dem Zimmer gemacht hat. Du schließt die Tür hinter dir und legst deine Kleidung ab. Am liebsten trainierst du in deinem weißen Keikogo und deinem schwarzen Hakama. Du ziehst gerade dein Oberteil aus, als sich deine Tür noch einmal öffnet, doch dieses Mal wurde vorher nicht angeklopft. Mit einem erschrockenen Laut drehst du dich zu der offenen Tür und starrst in den leicht erstaunten Blick Tsukitos. Er starrt dich an und du hast noch genügend Zeit dein Oberteil über deine Brüste zu halten, als ein leises ‚oh‘ aus seinem Mund kommt. Er verbeugt sich vor dir und schließt die Tür wieder: „Ich habe mich wohl im Zimmer geirrt.“ Dir steht die Schamesröte ins Gesicht geschrieben und du brauchst noch einige Zeit, ehe du dich wieder beruhigt hast und fertig angezogen bist.   Takeru und du, ihr schaut euch an und du schiebst deinen linken Fuß leicht nach hinten, als du dich in Seiza-Position hinsetzt. Dein Kendo-Schwert liegt neben dir auf deiner linken Seite und du weißt, dass es bei Takeru genauso sein wird. Die Abläufe vor dem Training sind immer die gleichen und so weißt du, dass als nächstes die Meditation, Mokuso, kommt.[1] Du legst deine linke Hand auf deine rechte und formst mit deinen Daumen einen Kreis. Dann schließt du halb deine Augen und atmest tief durch die Nase ein und durch den Mund wieder aus. Du hörst, dass Takeru es dir gleichmacht, denn seine regelmäßigen Atemzüge begleiten deine Meditation. Du hörst plötzlich die Stimme deines Vaters und erschreckst etwas, doch du fängst dich wieder schnell: „Yame!“ Du hättest nicht damit gerechnet, dass er sich zu dem Training hinzugesellen würde, deshalb schaust du kurz zu ihm. Nachdem sich dein Vater bemerkbar gemacht hat, verbeugst du dich vor ihm. Dafür legst du zuerst deine linke Hand auf den Boden, dann deine rechte und verbeugst dich einige Zeit. Du blickst auf das Dreieck, das du gebildet hast und setzt dich wieder aufrecht hin. Deine rechte Hand legst du wieder zurück auf dein Knie, gefolgt von deiner Linken. Das gleiche wiederholst du noch einmal, um dich vor Takeru zu verbeugen. Du greifst danach zu deinem Bambusschwert und stehst auf, denn nun beginnt das eigentliche Training. Du bist etwas aufgeregt, weil es nicht oft vorkommt, dass dein Vater dich beim Training beobachtet. Vielleicht ist er neugierig geworden, weil Takeru sich auch dafür interessiert. Du stehst ganz gerade vor Takeru und blickst ihn an. Dein Vater lässt seine Stimme ertönen: „Taito!“ Sofort hebst du deine linke Hand mit dem Schwert auf Höhe des Beckenknochens und wartest darauf, dass die nächste Etappe genannt wird. „Nuke To“, sagt dein Vater und du ziehst dein Schwert. Dabei stellst du deinen rechten Fuß etwas nach vorne, nimmst den hintersten Teil des Schwertes in deine linke Hand und vollführst die Bewegung, als würdest du das Schwert mit der rechten Hand aus der Scheide ziehen. Takeru imitiert deine Geste und nun steht ihr beide mit gezogenen Schwertern voreinander. Du stehst fest auf dem Boden, deine Fersen zusammenstehend und gehst in Sonkyo-Form. Das Schwert hast du vor dich gehalten und nachdem es dir Takeru gleichgetan hat, stellt ihr beiden euch wieder hin. Dein Schwert liegt locker in deinen Händen und nun bist du bereit gegen Takeru anzutreten, auch wenn es nur ein Trainingskampf ist.  Takeru prescht auch sofort vor und schlägt mit dem Schwert von oberhalb zu, doch du hast ihn durchschaut und blockierst seinen Schlag gekonnt, indem du das Schwert vertikal über deinen Kopf hältst und dich somit schützt. Takeru gibt einen genervten Ton von sich und versucht es noch einmal, doch du rutscht unter seinem Schlag hindurch und versuchst ihn seitlich zu treffen. Als das Bambusschwert ihn fast berührt hat, führt er selbst eine seitliche Bewegung aus und will dich angreifen, doch du duckst dich und entkommst so seinem kraftvollen Schlag. Mit einem dumpfen Knall schlägt er auf den Boden ein und blickt dich leicht wütend an. Du bist dir nicht ganz sicher, ob es ist, weil du seinem Angriff ausgewichen bist oder weil er mehr als nur ein Training darin sieht. Takeru wirkt auf dich, als würde er immer schneller werden. Du siehst wie sich seine Brust hebt und senkt, doch gleichzeitig erscheint es dir, als würde es ihm keine Mühe kosten. Schnaufend schaust du ihn an und willst zum erneuten Angriff ausholen, als er dir einen Schlag gegen deinen Handrücken gibt und du vor Schmerz zusammenzuckst. Keuchend schließt du die Augen kurz, weil der Schmerz sich durch dein Handgelenk zieht, doch schnell öffnest du sie wieder, weil du den Luftzug des Bambusschwertes spürst und noch rechtzeitig das Schwert nach oben reißen kannst. Durch die Wucht, mit der Takeru dich angegriffen hat, wirst du zu Boden gerissen und rutschst einige Meter auf diesem nach hinten. Dein Bambusschwert fällt zu Boden und noch während du siehst, dass es fällt, spürst du wieder den Schmerz in deiner Hand. Du erinnerst dich daran, dass du den Schlag der Tür abbekommen hast, wodurch der Schmerz verstärkt wird.  Ächzend bleibst du etwas weiter weg sitzen und hältst dir mit schmerzverzerrtem Gesicht dein pochendes Handgelenk. Du hörst leicht hektische Schritte auf dich zukommen und siehst, dass sich dein Vater über dich gebeugt hat: „Was ist passiert? Hast du dich verletzt?“ Du schüttelst leicht den Kopf, doch bereust es sofort wieder. Als dein Vater sich deine Hand ansieht, zuckst du vor Schmerz zusammen und bemerkst, dass sich bereits eine kleine Schwellung bemerkbar macht. Du willst irgendetwas zu Takeru sagen, doch er blickt dich nur erschrocken und bleich an. Dabei schüttelt er leicht den Kopf, lässt das Bambusschwert fallen und geht einige Schritte rückwärts. Fluchtartig verlässt er das Dojo und du streckst hilflos deine Hand aus: „Takeru-san!“ Dein Vater hilft dir zwischenzeitlich auf und ihr geht zusammen in die Küche, um deine verletzte Hand zu kühlen.   Nun sitzt du mit einem Eisbeutel auf deinem verbundenen Handgelenk im Wohnzimmer und blickst auf Tsukito. Takeru hat sich im Gästezimmer verschanzt, doch du verstehst nicht so wirklich, wieso er dies macht. Du wärst gerne sofort zu ihm gegangen, doch nun sitzt du schon eine gefühlte halbe Stunde hier rum, um dein Handgelenk zu kühlen.   Du musst an die Situation, die sich hier vor einigen Minuten abgespielt hat, denken und wirst leicht rot um die Nase. Tsukito war zu dir gekommen, als du mit deinem Vater das Haupthaus betreten hast. Er hat gesehen, dass du verletzt bist und dich sofort am Untergelenk gepackt. Seine Augen sagten wie immer nicht wirklich viel aus, doch als er sich zu deinem Handgelenk beugte und sanft draufpustete, nur um kurze Zeit später einen leichten Kuss drauf zu geben, hast du verschreckt die Hand wieder zurückgezogen. Auf die Nachfrage, wieso er dies getan hat, antwortete er: „Ich habe das einmal in einem Buch gelesen, das mir Laevatain Loki gegeben hat. Wenn sich ein Mädchen verletzt hat, dann soll der Junge die verletzte Stelle sanft anhauchen und dann küssen. Das machen Mütter auch mit Verletzungen ihrer Kinder, damit es schneller heilt.“ Er war in Richtung Gästezimmer verschwunden und ließ dich perplex zurück.   „Auch wenn Totsuka Takeru nicht immer so aussieht, so ist er sehr emotional. Sicherlich hat er sich in kürzester Zeit wieder beruhigt und wird wieder der Alte sein. Wenn er so ist, wie gerade, dauert es einige Zeit, bis man zu ihm kann“, erklärt Tsukito und schaut nach draußen, „wenn du also zu ihm willst, warte lieber noch einen Augenblick.“ Du verstehst zwar nicht recht, auf was Tsukito hinauswill, doch du hörst ihm gerne zu. Tsukito sitzt am Türrahmen gelehnt und wirkt müde. Seine Stimme ist kaum verständlich und du siehst, wie sich seine Augen langsam schließen. Ob der Tag für ihn wohl anstrengend war, weil er der Gott des Mondes ist? Du hast dir diese Frage schon einmal gestellt und gehst langsam auf ihn zu. Du beobachtest ihn einige Zeit im Schlaf und legst dann vorsichtig eine Decke um ihn.   Wider seiner Aufforderung gehst du sofort zum Gästezimmer und klopfst an die Tür: „Takeru-san? Bist du da?“ Ein Geräusch ertönt und du weißt, dass er da ist. Deshalb klopfst du noch einmal und versuchst ihn mit einer Notlüge dazu zu bringen die Tür zu öffnen: „Tsukito-san ist eingeschlafen und hat ein paar peinliche Sachen gesagt und getan. Ich weiß nicht, ob ich ihm alles glauben soll, aber er hat mir ein paar Geheimnisse von dir erz-.“ Ein leises Poltern ist zu hören und die Tür wird vor deiner Nase aufgeschoben. Takeru wirkt alles andere als erfreut, als er dich ansieht und ins Zimmer zieht. Du stolperst mehr, als du gehst und bleibst mitten im Zimmer stehen. Takeru kommt auf dich zu und blickt dich durchdringend an: „Was hat er denn gesagt und getan?“ Du hättest am liebsten triumphierend gelacht, weil es doch einfacher war an ihn heranzukommen, als du geahnt hast, aber du zuckst einfach nur mit den Schultern: „Ach, es war nichts Schlimmes, deshalb brauchst du dir keine Sorgen zu machen.“ Du lächelst ihn entschuldigend an, doch Takeru will dies wohl nicht hören. Takeru überwindet die letzten Meter und drängt dich damit in die Ecke: „Du weißt, dass du Tsukito nicht alles glauben kannst, weil er die Situationen immer total falsch einschätzt. Egal was er dir über mich erzählt hat, glaub es ihm nicht.“ Du fragst dich, ob er wirklich etwas zu verbergen hat, da er übertrieben auf deine kleine Neckerei reagiert, doch du traust dich nicht zu fragen. Du schüttelst wieder den Kopf und wirst weiterhin in die Ecke gedrängt. Plötzlich spürst du die Wand an deinem Rücken und dein Herz fängt an schneller zu schlagen. Du erinnerst dich an so eine ähnliche Situation und dir wird etwas schwindelig. Du versuchst die Situation zu retten, indem du ihm erzählst, was Tsukito wirklich getan hat: „Tsukito-san hat mir nur auf die Wunde gepustet und mir einen Kuss darauf gegeben. Mehr hat er nicht gesagt und noch weniger erzählt.“ Takeru stemmt beide Arme neben dich, sodass du keine Fluchtmöglichkeit hast. Du wirst gerade an Thoth-sensei erinnert und du musst schlucken. Takerus Gesicht ist so nahe und du kannst jede einzelne Wimper erkennen. Die interessante Färbung seiner Augen wird dir auch jetzt erst bewusst und du hättest am liebsten die Hand ausgestreckt, um über sie zu streichen. Um die Situation etwas aufzulockern, hältst du deine Hand erklärend nach oben und zeigst ihm gleichzeitig, dass er sich jetzt keine Sorgen mehr machen muss. Doch sein Blick verändert sich und er wirkt alles andere als beruhigt. Traurigkeit macht sich in seinem Gesicht breit und er löst eine seiner Hände, um sanft über deinen Verband zu streichen. „Ich wollte dich wirklich nicht verletzten, Zassou. Das war wirklich nicht meine Absicht, denn ich habe mir vor langer Zeit geschworen niemanden mehr zu verletzten. Vor allem nicht die Frau, die ich beschützen möchte. Dafür bist du mir wirklich viel zu wichtig.“ Takerus Stimme ist nur noch ein Flüstern und als du siehst, dass er seine Lippen sanft an deinen Verband drückt, errötest du sofort. Du weißt nicht, wieso du gerade so reagierst, aber die Situation kommt dir intimer vor als vorhin mit Tsukito. Bei ihm war es wie der Kuss eines Bruders, doch bei Takeru so viel mehr. Du weißt, dass du ihm einen Laufpass geben musst, auch wenn es dir widerstrebt. Du liebst jemand anderen, da kann es nicht noch einen geben, der denkt, dass er das Wichtigste für dich ist. „Ich … es tut mir Leid, Takeru. Aber ich kann deine Gefühle nicht erwidern. Ich … es tut mir einfach Leid“, flüsterst du und schlüpfst unter seinem Arm hindurch, um nun selber schlagartig den Raum zu verlassen. [1] Ich habe dieses Video und dieses (und noch ein paar andere) angeschaut, um mich mit den Ritualen eines Kendo-Trainings vertraut zu machen, dort bekommst du auch die wichtigsten Wörter erklärt.  Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)