Cold to the touch von Alaiya (Hamburg in den Schatten) ================================================================================ Kapitel 3: Nachtschicht ----------------------- Und so verging eine weitere Woche auf dieselbe eintönige Art. Durchgehend hatte Joanne die Nachtschicht, doch sie beschwerte sich nicht. Sie machte das beste draus, stand spät auf, trainierte oder ging zum Schießstand, ehe sie zur Arbeit fuhr. An zwei der Tagen, schaffte Robert es, sie zum Training zu begleiten, doch es störte sie auch nicht, alleine zu trainieren. Zumindest hatte sie nun langsam ein halbwegs gutes Gefühl für die neuen Arme entwickelt und packte nicht mehr aus Versehen zu fest zu. Das einzige, das ihr noch ernsthafte Probleme bereitete, war das kleine Extra, das in beiden Armen verbaut war: Beide Arme waren mit Cyberpistolen ausgestattet, die eine Art Notfallplan darstellen sollten. Während es tatsächlich leichter gewesen war, mit den Cyberarmen zu schießen, so lange sie Pistolen benutzte – vor allem wenn sie bedachte, dass ihr einige Nahkampfmanöver noch immer Probleme bereiteten – so tat sie sich doch schwer, mit den eingebauten Pistolen, die ein gänzlich anderes Gefühl hatten, als eine richtige Waffe. Das Zielen mit diesen eingebauten Waffen fühlte sich ungewohnt an, doch noch ungewohnter war es, dass die Waffe mit einem Gedankenbefehl, anstelle eines Auslösers abgefeuert wurde. Nun, aber letzten Endes waren diese Waffen nur ein Notfallplan und letzten Endes kam es trotz allem nicht allzu häufig vor, dass jemand den Hafen direkt Angriff. Es war ihr sechster Arbeitstag, seit sie wieder einsatzbereit war, oder viel eher ihre sechste Arbeitsnacht. Wieder einmal saß sie an den Monitoren, doch war sie an diesem Abend recht entspannt. Schließlich hatte sie sich an diesem Tag nicht mit Dante herumschlagen müssen und war bereits zwei Stunden auf Patrouille gewesen, so dass die letzte halbe Stunde, die sie vor den Monitoren verbracht hatte, eher ein willkommene Erholung gewesen war, als eine lästige Pflicht. Außerdem hatte sie eine Thermoskanne mit Kaffee – echtem Kaffee – dabei, der ohnehin alles viel erträglicher erscheinen ließ. Zumal die Tatsache, dass sie allein im Überwachungsraum saß, den Vorteil hatte, dass niemand auf die Idee kam, um eine Tasse zu betteln. Ja, sie war tatsächlich ziemlich entspannt, während sie an ihrem Kaffee nippte und ab und an die Augen über die Monitorwand wandern ließ. Nun, trotz aller Ereignislosigkeit, die diese Arbeit die meiste Zeit beherrschte, musste sie doch zugeben, dass langsam, aber sicher es wieder Zeit wäre, dass etwas passierte. Die Regel schien zu sein, dass alle zwei oder drei Wochen irgendetwas passierte. Ein Shadowrun. Ein Angriff von verirrten Ghulen oder irgendwelchen anderen Crittern auf Nahrungssuche. Ein mehr oder weniger offener Angriff irgendeines Cons. Oder auch nur der Einbruch von ein paar Verzweifelten, die Waffen oder sogar nur Kleidung oder Essen stehlen wollten. Joanne hatte die Berichte der Wochen, in denen sie abwesend gewesen war, gesehen. Der letzte Incident war ein kleineres Problem mit einzelnen Ghulen im Westen des Hafens gewesen – vor drei Wochen. Ja, es war aktuell eindeutig zu ruhig. Natürlich mochte es auf gewisse Art und Weise makaber sein, dass sie sich einen Kampf beinahe herbeiwünschte, doch wollte sie sich beweisen, wollte austesten, wie weit sie mit den cybernetischen Armen gehen konnte. Und wenn sie ehrlich mit sich war, sorgte sie sich beinahe, dass der nächste Angriff zu einer Zeit passieren würde, in der sie nicht hier war. Eine weitere verpasste Chance... Doch vielleicht war es besser, wenn nichts geschah. Immerhin endete beinahe jeder Angriff, der über einen versuchten Einbruch hinausging, mit mindestens ein paar Verletzten auf der Seite der Security. Wenn ein gut ausgerüstetes Runnerteam einen Angriff auf den Hafen durchführte, war der Rückzug sogar eine der vorgeschriebenen Taktiken – letzten Endes waren wichtige Lieferungen, die im Hafen gelagert waren, auf zusätzliche Art gesichert. Nun, zumindest in dieser Nacht schien das einzige, was unerwünscht war, der Regen zu sein, der in einem seichten Nieseln vom Himmel fiel und ihr einen weiteren Grund gab, zumindest ein wenig froh zu sein, im Moment nur Monitore zu beobachten. Joanne nahm einen weiteren Schluck Kaffee und beobachtete für einen Moment den Kran, der aktuell einen Frachter, der in vier Stunden ablegen sollten, belud. Sie erlaubte es sich für einen Moment ganz zu entspannen und schloss kurz – nur für drei, vier Sekunden – die Augen, die vom langen Starren auf die Bildschirme etwas brannten. Doch gerade, als sie die Augen wieder öffnete, passierte etwas, womit sie nicht gerechnet hatte: Genau in dem Moment, als ihr Blick zu den Bildschirmen rechts wanderten, fiel das Bildsignal von einem der Geräte aus. „Was...“, murmelte sie und sah zum Bildschirm. „Verfluchte Technik.“ Wahrscheinlich war eine der Kameras wieder einmal nicht so Wasserdicht, wie man es von einer verfluchten Hightech-Kamera im Jahr 2066 erwarten sollte – speziell einer solchen Kamera, die in einem Hafen eingesetzt wurde. Grummelnd nahm sie das Arbeitscomlink. Einer ihrer Kollegen sollte zumindest in der Nähe der Kamera sein. „Kontrollraum an alle Patrouillen, ist jemand in der Nähe von Kamera C402?“, knurrte sie in das Gerät. Es rauschte. Keine Antwort. Joanne wiederholte die Durchsage: „Kontrollraum an alle Patrouillen, ist jemand in der Nähe von Kamera C402?“ Doch wieder kam keine Antwort. Stattdessen kam das Bild auf dem Bildschirm zurück. Misstrauisch sah sie das noch immer leicht flimmernde Bild an. Sie hatte das deutliche Gefühl, dass irgendetwas nicht stimmte. „Kontrollraum an alle Patrouillen, kann mich irgendjemand hören?“, fragte sie, während sie auf den anderen Bildschirmen Ausschau nach ihren Kollegen hielt. Noch immer war Rauschen die einzige Antwort die sie bekam und die einzigen Kollegen, die sie sehen konnte, hielten sich im westlichen Teil des Hafengeländes auf. Im östlichen Teil, wo auch die soeben ausgefallene Kamera stand, war niemand zu sehen – nicht einmal Hafenarbeiter. Ihr war klar, was dies hieß. Sie sprang auf und lief nach einem letzten Blick auf die Bildschirme in den Aufenthaltsraum, wo sie eine der schweren Pistolen aus den Waffenschrank nahm und in ihr Holster steckte, zusammen mit einem Ersatzmagazin. Im zweiten Holster steckte bereits ein Defiance Ex Shocker. Während sie nach draußen in den Regen eilte, fluchte sie leise. Es war einmal wieder so typisch. Wäre sie in irgendeiner Form abergläubisch gewesen, hätte sie wohl überlegt, ob sie mit ihren Gedanken vorher so etwas heraufbeschworen hatte, doch war ihr selbst in einer magisch erwachten Welt dieser Gedanke albern. Nein, es war schlicht und ergreifend, wie sie es ohnehin gewusst hatte: Es war einfach schon zu lange nichts mehr passiert. Als sie Richtung Osten lief, wo einer der Containerparks war, hörte sie Schüsse. Es war also, wie sie es sich gedacht hatte: Shadowrunner. Der Ausfall der Kamera musste mit einem fehlgeschlagenen Hackingversuch zusammen hängen. Als sie sich den Schüssen näherte wurde sie vorsichtiger und duckte sich in jeden Schatten, um möglichst nicht gesehen zu werden. Bevor sie irgendetwas tat, wollte sie die Situation abschätzen können. Zwar boten die hier aufgestapelten Container halbwegs Deckung, doch war sie am Ende gezwungen, im freien Feld vorwärts zu laufen, wenn sie keine großen Umwege machen wollte – und für solche hatte sie keine Zeit. Bald kam ein großes Fahrzeug in ihr Blickfeld, das offenbar rückwärts in den Zaun hineingefahren und ihn so niedergerissen hatte. Es war ein mittelgroßer Laster und Joanne wäre jede Wette eingegangen, dass der Wagen gepanzert war. Dank der Dunkelheit, die zwar von einigen großen Laternen erhellt wurde, dennoch an einigen Stellen undurchdringlich schien, war es schwer genaues zu erkennen. Die Schüsse kamen aus zwei Richtungen. Zum einem konnte sie zwei Gestalten sehen, die auf geöffneten Ladeplattform des Lastwagens standen und ihr Feuer zwischen zwei Container konzentrierten. Zum anderen kam aus dieser Richtung auch Gegenfeuer, doch wenn sie bedachte, dass es auf beiden Seiten keine Treffer zu geben schien, ging sie davon aus, dass die Kollegen, die offenbar für das Gegenfeuer sorgten, soweit in Deckung gegangen waren, dass sie selbst kaum zielen konnten. Doch da regte sich eine weitere Gestalt und kam aus dem Lastwagen heraus. „Oh, drek“, zischte Joanne. „Die haben einen verfluchten Troll?“ Denn die riesige Gestalt, die nun nach vorne rannte, konnte nur ein Troll sein. Und Trolle waren eins: Verflucht zäh. „Fuck“, grummelte sie und beschleunigte ihren Schritt. Als sie etwa auf 80 Meter heran gekommen war, ging sie halb hinter einem Container in Deckung und zielte auf den ersten der beiden gegnerischen Schützen. Der Troll war bereits zwischen zwei Containern verschwunden. Zum Glück hatte man sie noch nicht bemerkt. Sie schoss. Sie hatte auf die Hand des Schützen gezielt, da dieser einen Helm trug. Doch ihr Plan ging auf: Er ließ die Waffe fallen. Wieder legte sie an. Der Runner sah in ihre Richtung, brauchte aber, um sie zu sehen. Sie zielte auf das Visier seines Helms und wieder drückte sie ab. Ein Mal. Zwei Mal. Drei Mal. Kurz hintereinander. Die ersten beiden Kugeln beschädigten das Visier, die dritte schien es zu durchdringen. Der Runner fiel zu Boden – auch wenn sie nicht sagen konnte, ob er tot oder ohnmächtig war oder durch den Aufschlag nur das Gleichgewicht verloren hatte. Joanne blinzelte. Durch den Regen tropfte immer wieder Wasser in ihre Augen. Sie hätte auch einen Helm nutzen können, doch taugten die Helme, die ihnen zur Verfügung standen, selten viel und waren die eingeschränkte Sicht nicht wert. Nun legte sie es auf den anderen Schützen an, der sie jedoch entdeckt hatte. Schnell musste sie sich ganz hinter den Container zurückziehen, als er eine Salve – offenbar aus einem Maschinengewehr – auf sie abfeuerte. „Drek“, zischte sie wieder und lauschte, ob sich Schritte näherten. Im selben Augenblick hörte sie weitere Schüsse, doch prallten diese nicht an dem Container ab, hinter dem sie sich versteckte. Stattdessen wurden diese von einem tiefen Knurren gefolgt und dann einem lauten Scheppern. Es mussten die Wachleute sein, die es nun wohl mit dem Troll zu tun bekommen hatten. Offenbar hatten sie ihre Waffen in den Automatikmodus gewechselt. Joanne holte tief Luft und wagte sich wieder ein Stück aus ihrer Deckung heraus. Sie setzte an und zielte, schoss und traf den zweiten Schützen an der Schulter, was ihn für einen Moment aus dem Gleichgewicht brachte. Sie wollte einen weiteren Schuss auf ihn abgeben, doch in diesem Moment traf sie ein Schlag, der sie zusammenfahren ließ. Ihr Schädel begann zu schmerzen und mehr durch Instinkt getrieben, als durch irgendetwas anderes, sprang sie in ihre Deckung zurück. Wieder musste sie sich zwingen ruhig zu bleiben, doch langsam sickerte durch ihr Bewusstsein, was der Grund für ihren nun schmerzenden Kopf war. „Die haben einen verfickten Magier“, grummelte sie leise. Die Schüsse waren mittlerweile verklungen. Hatte der Troll ihre Kollegen – wer von ihnen es auch immer war – ausgeschaltet? Sie schloss die Augen für einen Moment, in der Hoffnung, es würde ihre Kopfschmerzen etwas abklingen lassen. Wo waren die anderen? Die Schüsse sollten im halben Hafen zu hören gewesen sein. Nun, das war jetzt egal. Sie musste konzentriert bleiben. Erste Regel der Straße, die man auch ihnen eingebläut hatte: Töte den Magier zuerst. Vorsichtig sah sie aus der Deckung heraus und versuchte im Schatten des Wagens die Gestalt des Magiers zu erkennen. Sie wusste praktisch nichts über Magie, doch zumindest hatte man ihr während der Ausbildung mehr als einmal erklärt, dass Magier nur Angreifen konnten, wenn sie ihr Ziel sehen konnten. Also musste der Magier ein freies Sichtfeld auf sie haben. Doch als sie auf die Laderampe des Lastwagens sah, standen dort schon wieder zwei Schützen, obwohl sie noch immer klar den auf den Boden liegenden Runner, auf den sie als erstes geschossen hatte, erkennen konnte. „Drek“, flüsterte sie – auch, weil sie nichts sehen konnte, dass nach einem Magier aussah. Was blieb ihr für eine Wahl? Sie feuerte wieder auf einen der beiden Schützen. Dieses Mal mehrfach hintereinander, bemüht dieselbe Stelle mehrfach zu treffen. Allerdings behielt sie dabei dabei den Rand der Rundumpanzerung der Ladefläche im Auge. Doch die Schützen hatten sie wieder gesehen und legten nun wieder an sie an. Gerade als sie wieder in Deckung gehen wollte, sah sie eine Bewegung am Rand des Wagens und schwenkte um. Das musste der Magier sein und so wie es aussah trug er keinen Helm. Ein Fehler! Wieder zielte sie und schoss. Dieses Mal sah sie, dass sie getroffen hatte, sah das Loch, das ihre Kugel im blonden Kopf des Magiers hinterlassen hatte, ehe er zusammensackte. Doch dafür war sie zu lange aus der Deckung heraus gewesen. Beide Schützen feuerten im Salvenmodus auf sie und auch wenn sie – kaum, dass sie den Schuss auf den Magier abgegeben hatte – wieder in Deckung sprang, so traf sie eine der Kugeln in die Schulter, ein anderer streifte ihr Bein. Wieder fluchte Joanne, spürte aber zumindest an der Schulter nur einen dumpfen Schmerz. Die Kugel war ein Stück in den Cyberarm eingedrungen, schien aber keine wichtige Technik beschädigt zu haben. Dafür war die Kugel, die ihr Bein gestreift hatte, problemlos durch den Sicherheitsstoff der Hose gedrungen, so dass sie nur froh war, dass er sie bloß gestreift hatte. Die Wunde brannte, aber damit kam sie klar. Während sie noch einmal verschnaufte, fragte sie sich, was die Runner hier wollten. Der Laster sah ganz danach aus, als hätten sie vor, einen oder mehrere Container zu stehlen. So dreist waren selbst Runner selten. Jemand, der vernünftig gewesen wäre, hätte sich nun vielleicht zurückgezogen, hätte auf Verstärkung gewartet. Aber sie war weniger vernünftig als stolz. Deswegen zählte sie innerlich bis zehn, ehe sie ihre Waffe ebenfalls auf Salvenmodus umstellte, sich aus ihrer Deckung rauswagte und schoss. Mehrere Kugeln prasselten auf die Panzerjacke des Schützen, auf den sie schon zuvor angelegt hatte und brachten ihn zum Fall. Erneut ging sie in Deckung, während weitere Kugeln auf den Container trafen und unter Funken in alle Richtungen abprallten. Wieder wollte sie schießen, wollte auf den zweiten Schützen anlegen, als sie schwere Schritte zu ihrer anderen Seite hörte. Noch bevor sie sich umwandte, wusste sie, was da auf sie zukam. Nun vollkommen instinktiv legte sie auf den Troll an, der mit immer schneller werdendem Schritt auf sie zukam. Sie feuerte, dieses Mal ohne vorher groß zu zielen – was bei einem mehr als zweieinhalb Meter großem Riesen kaum nötig war – doch nach nur einer halben Salve klickte die Pistole nur noch. „Das ist doch ein verfluchter Witz!“, rief sie aus, wechselte die Waffe in die linke Hand und griff hastig nach dem Ersatzmagazin. Sie konnte dem Troll auf der eher geringen Breite des Gangs zwischen den Containern hier kaum ausweichen. Das leere Magazin fiel zu Boden, doch bevor sie den Ersatz hineinschieben konnte, hatte der Troll sie schon erreicht. Mit lautem Angriffsgeschrei, hieb er auf sie ein. Da es das einzige war, das ihr einfiel, ließ sie sich zu Boden fallen, um den Schlag zu entgehen. Als der Troll das sah, verzog sich sein zerfurchtes Gesicht zu einem höhnischen Grinsen, das seine Hauer gut zeigte, und er hob den rechten Fuß. Ihr erster Instinkt war es, sich zur Seite zu rollen, aber während sie dies tat, fiel ihr noch etwas anderes ein. Sie ließ ihre Waffe fallen. Nicht vollkommen unerwartet, trat der Troll ein weiteres Mal zu und dieses Mal packte sie sein Fuß. Der Troll war stark, doch konnten ihre Cyberarme durchaus mithalten. Anstatt zu versuchen, sich ihrem Griff zu entwinden, versuchte der Troll, seinen Fuß doch noch auf sie nieder zu pressen, doch soweit kam es nicht. Sie brauchte nicht Zielen. Sie hatte den Fuß des Trolls zwischen den Händen, und auch wenn er Springerstiefel trug, so waren diese keine ausreichende Panzerung. Sie feuerte die Cyberpistolen ab und der Troll schrie auf. Er stolperte zurück, schaffte es aber, das Gleichgewicht zu halten. „Hure!“, knurrte er. „Ich reiß dir den Schädel ab!“ Sein Arm schnellte nach unten, bekam sie jedoch nicht zu fassen. Stattdessen rollte sie sich so, dass sie wieder auf die Knie kam und in Reichweite seines linken Beines war. Sie holte aus und schlug mit all der Kraft, die ihr rechter Arm hergab, gegen die Kniescheibe. Ein unschönes Knacken ertönte und dieses Mal ging der Troll unter Stöhnen zu Boden. Gerade noch so konnte sie sich zur Seite katapultieren, um zu verhindern, dass der schwere Körper auf sie fiel. Sie sammelte wieder ihre Pistole auf – froh, dass der Troll nicht auf sie gefallen war, und dann auch ihr Magazin. Mit einem Klacken rastete es ein und sie hob die Pistole, um auf den Troll anzulegen, der keinen Helm trug. Doch Joanne zögerte. Sie hasste es Metamenschen zu erschießen, die bereits am Boden lagen. Nur den Bruchteil einer Sekunde später, sollte sie dieses Zögern jedoch bereuen. Mit einem Ruck wurden ihr die Füße unter dem Körper weggezogen und sie landete hart auf dem Rücken. Ihr blieb die Luft weg und im nächsten Moment spürte sie, wie sich die Pranke des Trolls um ihren ohnehin schon schmerzenden Schädel legte. „Hure!“, keuchte der Troll erneut und ihr wurde klar, dass er vorhatte, was er vorher gesagt hatte. Joanne hatte nicht vor, sich den Schädel abreißen zu lassen. Da sich die Hand des Trolls vor ihre Augen gelegt hatte, konnte sie nichts sehen, doch sie konnte erahnen, wo der Kopf ihres Gegners in etwa sein musste. Blind, aber blitzschnell hob sie die Pistole und feuerte. Schüsse erklangen, da die Waffe noch immer im Salvenmodus war und keinen Augenblick später, spürte sie etwas warmes auf sich tropfen. Sie hatte getroffen. Doch dies war nur bedingt eine gute Neuigkeit, da im nächsten Moment der tote Körper des Trolls auf ihr zusammensackte und ihr erneut die Luft raubte. „Verfluchte Scheiße“, rief sie aus und riss sich die nun schlaffe Hand des Trolls vom Kopf. Sie schnappte nach Luft und biss dann die Zähne zusammen, ehe sie sich um einen festen Griff um die Schulter des Trolls bemühte und ihn schließlich zur Seite drehte. Bevor sie sich aber vollkommen aufrichten konnte, hörte sie Schüsse. Beinahe verlor sie wieder das Gleichgewicht, als mehrere Kugeln auf ihre Weste prallten, doch sie schaffte es stehen zu bleiben und drehte sich um. Der letzte Schütze war offenbar hergerannt und hatte nun wieder auf sie angelegt und wo sie nun stand – direkt zwischen zwei Reihen Containern, mit dem Schützen am Eingang des Gangs, hatte sie kaum eine Möglichkeit, in Deckung zu gehen. „Ernsthaft?“, knurrte sie dem Schützen zu, der ihr nicht antwortete. Wieder setzte der andere Schütze zum Feuern an, doch dieses Mal feuerte auch sie eine Salve ab, um ihn am Schießen zu hindern. Die Salve traf ihn komplett am Torso und auch der Schütze musste mit seinem Gleichgewicht kämpfen. Diesen Moment nutzte Joanne aus, um auf ihn zuzurennen. Der Schütze hatte mittlerweile sein Gleichgewicht wieder gefunden, doch gerade, als sich seine Hand am Abzug wieder anspannte, hatte sie ihn erreicht und riss die Waffe in die Höhe, so dass die Schüsse gen Himmel flogen. Mit ihrer nächsten Bewegung entriss sie ihm die Waffe gänzlich und schleuderte sie weg. Dann versetzte sie ihm einen harten Schlag gegen die Brust, die er selbst durch seine Panzerjacke hindurch spüren sollte. Der Schütze keuchte auf, ehe sie ihn mit aller Kraft zu Boden warf, wo er reglos liegen blieb. Sie zog den Helm von seinem Kopf, um sicher zu gehen, dass er ohnmächtig war, und sah, dass es sich um einen Elfen handelte, der jedoch tatsächlich ohnmächtig zu sein schien. Also richtete sie sich auf und rannte los. Doch sie hörte bereits, wie ein Motor startete. Der Lastwagen fuhr los und sie sah davon ab, auf die sich nun schließende Rampe zu zielen. Sie wusste, dass es keinen Sinn hatte. Letzten Endes hatten sie offenbar ohnehin noch nichts gestohlen. „Verfluchte Scheiße“, flüsterte sie, als sie sich nun ihrer Schmerzen, die sie in den wenigen vergangenen Minuten ausgeblendet hatte, bewusst wurde. Atemlos ließ sie sich – den Rücken an einen der Container gelehnt – zu Boden sinken. Sie saß nun in dem Gang, aus dem sie zuvor die Schüsse der anderen Wachleute gehört hatte. Genau. Die anderen... Irgendwie schaffte sie es, sich wieder aufzurappeln und sah sich um. Sie sah eine glänzende Pfütze weiter den Gang hinab auf dem Boden auf dem Boden schimmern, die nicht nach Regen aussah und ging vorsichtig drauf zu. Die Pfütze – viel eher eine Lache – floss aus einer jener Verbindungsstücke, die die Gänge schräg verbanden. Sie ahnte bereits, was sie finden würde, doch sah sie dennoch nach. Als sie jedoch zwei kopflose Leichen am Boden liegen sah, war sie nicht überrascht. Schnell wandte sie den Blick ab. Sie hatte keinen schwachen Magen, doch der Anblick der ausgefransten Hälse war auch für sie zu viel. Sich am nächsten Container abstützend, machte sie noch ein paar Schritte von dem Seitengang weg, ehe sie es sich wieder erlaubte, zu Boden zu sinken. Sie lehnte sich mit dem Rücken gegen die Wand des Containers. Den Kopf in den Nacken gelegt, schloss sie die Augen. Das Blut pulsierte in ihren Ohren und ihr Schädel schmerzte nun langsam unerträglich, auch wenn der kühle Regen auf ihrem Gesicht zumindest leichte Linderung verschaffte. Sie merkte ein Brennen im Nacken und fuhr sich mit der linken Hand dorthin. Offenbar ein weiterer Streifschuss. Doch auch wenn es mit der Cyberhand schwer zu ertasten war, spürte sie einen weiteren Rinnsal Blut und zuckte zusammen, als sie eine weitere Wunde ihrem Hinterkopf berührte. „Drek...“, stöhnte sie und verzog das Gesicht, während sie Rufe und schnelle Schritte näher kommen hörte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)