Yggdrasils Essenzen von Silwyna (Vier Jahre nach den Ereignissen von "Broken Soul") ================================================================================ Kapitel 20: Schwerwiegende Entscheidungen ----------------------------------------- 20. Kapitel – Schwerwiegende Entscheidungen     Loki war nervös. Unschlüssig, wie ein kleiner Junge der Angst hatte das Zimmer des Vaters zu betreten und ihm um etwas zu bitten, stand er vor der massiven Bronzetür, die den Raum des Magierrates verbarg. Den Boten hatte er längst fortgeschickt, diese Schmach wollte er sich ersparen. Zum sechsten Mal hob er die Hand und griff nach dem großen Türklopfer. Doch anders als die Male zuvor konnte er sich nun tatsächlich dazu durchringen diesen auch zu benutzen. Ein lautes Dröhnen folgte auf das Klopfen und die riesige Pforte öffnete sich, scheinbar von allein. Der Saal war ebenfalls ins Bronzetönen gehalten, gemischt mit erdfarbenen und schwarzen Dekor und dunklem Holz. Letzteres vor allem durch das Mobiliar: Ein langer, ovaler Tisch mit vielen hochlehnigen Stühlen, derer viele einfach braun gepolstert waren. Einer jedoch, der einzige noch unbesetzte Stuhl, hatte ein grünes Sitzpolster. Die meisten Stühle waren besetzt mit Magiern aus dem ganzen Weltenbaum –die abtrünnigen Welten ausgenommen- doch es war auch die ein oder andere höchst wunderlich aussehende Kreatur dabei. Ein paar der jüngeren Magier kannte Loki sogar noch aus der Zeit, als er die Magie noch erlernt hatte. Der Älteste in der Runde, der Lokis Amt vorher inne gehabt hatte, erhob sich schwerfällig von seinem Stuhl und sah ehrfurchtheischend in die Runde, bevor sein Blick Loki fand. „Uns wurde zugetragen, Ihr habt das alte Artefakt erhalten, welches euch als unseren Vorsitzenden ausweißt?“, erkundigte er sich und Loki überhörte die Missgunst in der Stimme keineswegs. „So ist es!“, bestätigte er und es fiel ihm schwer sein Lächeln über die Reaktionen der anderen Magier zurückzuhalten. Von Bewunderung bis Wut war alles dabei, wohlversteckt geglaubt doch offensichtlich zu erkennen. „Zeige uns sicil luhtala, junger Magier, damit wir dich als unseren Vorsitzenden anerkennen können!“, sprach da ein anderer Mann, der zwar alt und schwach wirkte aber trotz allem eine Aura hatte, die es einem schwer machte ihm zu misstrauen. Angesichts der von dem Alten gezeigten Freundlichkeit war es Loki schon fast ein bisschen peinlich als er den Dolch hervorholte. Die Klinge war noch über und über mit dem Blut von Nachtfackeln „verziert“. Von dem Magier, der ihn begrüßt hatte, bekam Loki einen leicht tadelnden Blick, ignorierte den jedoch bewusst. Der andere Kollege schmunzelte aus unerfindlichen Gründen. „Notfall!“, versuchte Loki knapp den Zustand der Waffe zu entschuldigen und das Lächeln seines Fürsprechers wurde breiter. Ob nun blutverschmiert oder nicht, die Klinge wies Loki als den Anführer der Magier aus, was bedeutete, dass er neben dem König der stärkste Mann Asgards war. Sein Vorgänger versuchte es mit einem wohlwollenden Nicken –scheiterte kläglich daran- und wies mit der Linken auf den für Loki vorgesehen Stuhl. „Der hohe Rat sei im Kreise der Magier willkommen!“, sagten die Versammelten kaum, dass er platzgenommen hatte, wie einer. Loki, der sich die für diesen Moment passende Erwiderung eingeprägt hatte, erwiderte: „Mein Licht soll euch leiten!“ Das erste Treffen des Rates war im Grunde genommen bloß Formalität. Die Mitglieder wurden Loki vorgestellt, ihre Positionen erläutert und ihm seine Aufgaben erklärt. Er war nun, neben dem offiziellen Berater des Königs, in diesem Fall Rhyador, der zweite Kopf hinter den Entscheidungen, die bei Hofe getroffen wurden. Natürlich wurden die meisten Beschlüsse seitens der Magier gemeinsam mit dem ganzen Rat getroffen, doch in einigen seltenen Fällen hatte Loki das letzte Wort. Es war schon spät in der Nacht, oder auch früh am Morgen, als Loki ausgelaugt in seine Gemächer stolperte und dabei fast über einen Stapel Bücher fiel. „Ach ja…“, erinnerte er sich. Er hatte diese Bücher aus der Bibliothek geholt, um nach einer Möglichkeit zu suchen, Jane wieder ins Leben zurück zu holen. Er wusste es war möglich den Tod zu bezwingen, Odin hatte vor ewigen Zeiten Sif wieder ins Leben geholt, als diese durch einen Eindringling getötet worden war. Eben jenen Bericht überflog Loki nun, in der Hoffnung etwas zu finden, was den Vorgang genauer beschrieb. Vergebens! Als nächstes las er ein Buch über verbotene Zauber und Riten, etwas das ihn früher ungemein gereizt hatte. Doch auf diesem Weg wäre eine Wiederbelebung nur durch ein Blutopfer möglich und so etwas versuchte Loki eigentlich zu vermeiden. So ging es weiter, mehrere Stunden flogen seine Augen über alte Schriften, jahrtausendalte Berichte, vergilbte Buchstaben auf zerlesenem Papier. Irgendwas musste es doch geben… Da! Eine Erzählung über … Eisriesen? Loki blinzelte, rieb sich die Augen um sicherzugehen sich nicht verlesen zu haben und las den Absatz erneut. Nein, er hatte sich nicht vertan, es ging tatsächlich um die Eisriesen! Er nahm einen kräftigen Schluck Wein, ein ziemlich starker der ihn hoffentlich wach halten würde und las laut: „Bericht des Bor über die große Schlacht im westlichen Gebirge gegen die Frostriesen: Ich kann nicht glauben, in wessen Antlitz ich dort blickte! Ein großer Unhold stand vor mir, schlug drei meiner besten Krieger mit einem Axtstreich in Stücke und hinterließ ein Blutbad das seinesgleichen sucht in den neun Welten! Wie kann das sein? Ich wähnte diesen Berserker tot, ich selbst war es, der ihn einst niederstreckte, seinen Kopf habe ich von seinem Halse geschlagen und doch lächelte er mich an. Als wisse er, was mich beschäftigte. Keine Narbe war zu sehen von dem Schwerthieb der diesen Schlächter seinen Kopf gekostet hatte. An diesem Tage wurde mir klar, dass diese Monster im Stande sind, die Toten wieder zu beleben. Wie sie das zu tun vermögen ob durch schwarze Energie oder Blutmagie werde ich wohl nie erfahren, aber es ist ein schwerer Schlag im Kampf gegen die Eisriesen… Verdammt!“ Das nun ausgerechnet die Eisriesen das fehlende Stück im Puzzle sein sollten, schlug Loki derbe aufs Gemüt. Doch es schien als sei dies der einzige Weg, um Jane zu retten, wenn er kein Menschenopfer wollte. An Jotunheim führte wohl kein Weg vorbei, wenn er dem Bericht seines Großvaters auf dem Grund gehen wollte. Vielleicht verlief diese Spur im Sand –eher Schnee in dem Fall- aber er musste es herausfinden. Für Jane. Für Thor… „Ich kann mich genauso gut vom höchsten Turm stürzen, der Effekt wäre derselbe!“, sagte er zu sich. Eine Reise nach Jotunheim war riskant, vor allem für ihn! Er war alles andere als gern gesehen dort und wenn er ehrlich zu sich war zu Recht! Schließlich hatte er in seiner Verblendung versucht diese Welt zu zerlegen, er selbst würde sich da nicht rein lassen! Die Frostriesen würden es wohl auch nicht tun, denn natürlich war ihnen irgendwie zu Ohren gekommen, dass er  dafür verantwortlich gewesen war. Frustriert über die neue Entwicklung und viel zu müde um noch einen ordentlichen Gedanken zu Stande zu bringen, legte sich Loki schließlich schlafen.   Am Morgen darauf, Loki hatte vielleicht vier Stunden Schlaf gehabt, wurde ein weiteres Treffen der Magier abgehalten, dieses Mal um über die aktuelle Situation zu diskutieren und damit Loki berichten konnte, was sich auf Thanos Schiff zugetragen hatte. Loki war noch hin und hergerissen zwischen der Trauer um Jane, dem Unglauben über seine neue Position und der Tatsache, dass er seine Nemesis aufsuchen musste. Er atmete erst einmal tief durch, bevor er begann: „Was vor drei Nächten in Odins Ratssaal geschehen ist, muss wohl an dieser Stelle nicht weiter erläutert werden, ich bin sicher das hat sich wie ein Feuer im Stroh ausgebreitet…“ Zustimmendes Gemurmel erhob sich unter den Magiern. „War zu erwarten! Nun… vielleicht ist es für euch von Interesse, dass es mein Bruder, Thor, und ich waren die gemeinsam mit ein paar Gefährten, gegen Odins Anweisung, die Rettung der Geiseln in die Wege geleitet hatten.“ „Diese Neuigkeit ist auch schon zu uns durchgedrungen, doch noch nichts über den Ausgang der Mission. Ist es euch gelungen, die Frauen aus den Händen dieser Unholde zu befreien?“, fragte ein Jüngling mit geröteten Wangen. Die einzige Möglichkeit wie ein so junger Magier in den Rat gelangen konnte, trotz mangelnder Erfahrung, war, wie auch in diesem Fall, ein Vater der das Amt zuvor innegehabt hatte. Loki musterte den Jungen eingehend, bevor er diesem antwortete: „Gewissermaßen…“, er sprach nun leiser und die kommenden Worte kamen ihm nur schwer über die Lippen. „…jedoch nicht ohne Verluste! Jane Foster, Thors Gemahlin und meine liebe Schwägerin, hat es nicht lebend zurück geschafft!“ Er schwieg als die anderen Magier sich teils entsetzt von ihren Stühlen erhoben. „Unmöglich!“ „Der Prinz muss rasend vor Kummer sein!“ „Wird er jetzt noch kämpfen, wenn es zum Krieg kommt?“ „Der arme Kerl muss am Ende sein!“ Sätze wie diese flogen durch den Raum, es  erhob sich eine regelrechte Diskussion über die Zukunft der Königsfamilie. >Als ob das jetzt von Belang wäre!<, dachte sich Loki verbittert und ließ seine Kollegen dennoch gewähren. Er nutzte diesen kleinen Moment, der er dadurch bekam um seine Gedanken zu ordnen und seinen Plan weiter zu entwickeln. Er hatte Thor versprochen, Jane zurückzuholen und er hatte vor, dieses Versprechen zu halten. Allerdings konnte er nicht so einfach verschwinden, schon gar nicht nach Jotunheim! Oder vielleicht doch? Wenn er es geschickt anstellte, konnte er sogar dafür sorgen, dass der Rat dieser Entscheidung zustimmte. Doch zuerst mussten diese Streithähne ihm zuhören. „Meine Herren, Ruhe bitte!“, rief  Loki und stand ebenfalls auf und grübelte weiter. So langsam nahm sein Plan Gestalt an. Noch hatten sich die Eisriesen ihren Feinden nicht angeschlossen und so wie er Thanos kannte, würde er die Essenz Jotunheims auch haben wollen. Mit viel diplomatischen Geschick und einer kräftigen Portion Glück könnte es gelingen, die Eisriesen in Yggdrasils Rat zu holen oder, sollte das misslingen, ein Abkommen zu schließen, dass sie zu Neutralität verpflichtete. „Ich weiß unsere Lage ist schwierig…“, begann er und hoffte inständig, sein Plan würde funktionieren. „… vielleicht sogar kritisch, aber ich habe eine Idee, wenn auch eine kleine!“, die anderen Magier verstummten und setzten sich wieder, damit Loki in Ruhe sprechen konnte. „Ich werde die Eisriesen aufsuchen!“ Schluss mit Ruhe, der Tumult brach wieder los! „Diese Barbaren werden uns keine Hilfe sein!“ „Man kann diesen Monstern nicht trauen!!!“ „Nehmt Vernunft an, hoher Rat, die Eisriesen werden uns nicht unterstützen…vielleicht kooperieren sie schon mit dem Feind?“ „Sie sind der Feind!“, rief da ein besonders griesgrämiger alter Magier und dessen Aussage verärgerte Loki so sehr, dass er sich kurz vergaß. „Der Feind?!“, zischte er wütend und ließ die Kontrolle über seine Gestalt fahren. Viele der Anwesenden zuckten zusammen, als Loki in seiner wahren Erscheinung, ein kleiner Eisriese, zwischen ihnen stand und seine nun roten Augen zornblitzend in die Runde sahen. „Bin ich auch der Feind für euch? Habt ihr vergessen, was ich bin?!“ Die jüngeren Magier sahen schuldbewusst zu Boden, einige schüttelten entschuldigen den Kopf. Von den älteren kam keine Reaktion dieser Art, sie waren zu festgefahren in ihren Ansichten, während die Jungen viel mehr hinterfragten, etwas das Loki nun zu Gute kam. „Verzeiht, hoher Rat! Für uns ist es nur… schwer zu begreifen, dass Ihr diese Wesen in den Rat holen wollt und viele haben ihre Zweifel auf unangebrachte Weise zum Ausdruck gebracht, doch bitte versteht das nicht falsch! Auf ihre, zugegeben schwer zu verstehende Art haben sie nur das geäußert, was ich klar heraus sagen kann: Es wird gefährlich und wir machen uns Sorgen, dass Ihr scheitern könntet!“ Diese Aussage stimmte Loki etwas milder, er ließ seine Frostriesengestalt verschwinden und setzte sich wieder. „Ich werde gehen, das steht fest. Ich möchte nicht, dass jemand mich begleitet, es könnte missverstanden werden, wenn wir mit vielen dort auftauchen! Der Rat muss diese Entscheidung nicht akzeptieren, aber ihr sollt es verstehen! Euch allen steht es frei, mich zu unterstützen, oder abzulehnen, es ist mir gleich!“ Er verließ seinen Platz und ging zur Tür, je eher er aufbrach, desto besser! „Die Ratssitzung ist beendet!“, sagte er noch eisig, bevor er den Saal verließ. >Vermutlich ein neuer Rekord!<, schoss es ihm durch den Kopf, während er in Richtung des östlichen Flügels ging, wo seine Gemächer lagen. >Der allererste Ratsvorsitzende der knapp einen Tag im Amt war!< Wie falsch er damit lag, wusste Loki noch nicht. Die älteren Magier waren freilich brüskiert von Lokis kleinem Auftritt gewesen und begannen es zu bereuen, ihn gewählt zu haben. Den Jüngeren jedoch hatte Loki durch seine Ehrlichkeit und Entschlossenheit arg imponiert und zu seinem Glück gab es inzwischen mehr von ihnen im Rat als von den Alten. Seine Stellung im Rat war ihm also noch sicher! Loki war so in Gedanken, dass er gar nicht registrierte, in wen er da versehentlich hineinrannte, bis es kurz rumste und er auf dem Boden lag, genau wie… „Darcy!“, rief er erstaunt aus, als er seine Freundin vor sich erkannte, die sich wieder aufrappelte. „Heiliger Kaffeebecher hast du ein Tempo drauf!“, fluchte sie leise und fand sich im nächsten Moment in einer ziemlich starken Umarmung wieder. Seit ihrer Rückkehr hatten die beiden keine Minute für sich gehabt und Mission hin oder her, Loki wollte diese Augenblicke mit ihr auskosten. „Stimmt es, was du Thor gesagt hast?“, fragte Darcy und sah mit großen Augen zu Loki hoch, er überragte sie um mehr als eine Kopflänge. „Du willst Jane zurückholen? Ist das überhaupt möglich?“ „Ja!“, sagte Loki mit einer Selbstsicherheit, die er sich insgeheim wünschte, wirklich zu besitzen. Wenn er ehrlich war, hatte Loki furchtbare Angst. Angst zu versagen und Thor zu enttäuschen. Angst nicht mehr zurück zu kehren…Darcy allein zu lassen! Er zog die junge Frau noch fester in seine Arme und hauchte einen flüchtigen Kuss auf ihre Stirn. Darcy, die sich nach der Zeit auf Thanos Schiff und der kalten Gefangenschaft nach Wärme und Geborgenheit sehnte, kuschelte sich enger an Loki, dessen Nähe ihr so gefehlt hatte. Loki ließ sie jäh los, als wäre ihm plötzlich ein Gedanke gekommen und sah besorgt auf sie herab. „Was ist?“, fragte Darcy und legte den Kopf schief, eine Geste die er ziemlich süß fand, auch wenn er andere Adjektive verwendete. Anstatt zu antworten zog Loki vorsichtig den Stoff des Leinenhemds zu Seite, der die Stelle bedeckte an der Thanos sie verletzt hatte. Das Viereck, wo ihre Haut entfernt worden war, war noch immer gut zu sehen, doch es hatte sich eine dünne Schorfsicht gebildet. Die abgezogene Haut war so dünn gewesen, es würde wohl heilen. Allerdings würde für immer sichtbar sein, wo man sie gequält hatte. „Es wird eine Narbe bleiben, sagen die Heiler, aber immerhin tut es nicht mehr so weh!“, meinte Darcy als sich sah wohin Lokis Blick gewandert war. „Doch tut es!“, widersprach er und tippte sich kurz auf die Brust, dort wo das Herz saß und Darcy verstand: ihm tat es weh! Und dieser Schmerz würde wohl erst vergehen, wenn Thanos winselnd zu Lokis Füßen lag. „Er wird dafür bezahlen, Darcy!“, raunte er und seine Stimme bebte vor aufwallender Wut über das Leid, dass seine Geliebte durchgestanden hatte. Diese zuckte bei Lokis zornigem Blick kurz zusammen, bis ihr dämmerte dass die Wut nicht ihr galt. Genauso plötzlich wurde Lokis Blick wieder sanft, während er Darcy ansah. Er musste es ihr sagen… zumindest, was er fühlte. Ein Antrag wäre riskant, wo er doch nicht mal wusste, ob er wieder kam, doch sie sollte wissen, dass er sie liebte. Sollte er in Jotunheim sterben, ohne ihr das gesagt zu haben, …Loki würde es bitter bereuen. Noch einmal tief durchatmen und… „Ich liebe dich, Loki!“ Sie war ihm doch glatt zuvorgekommen! Perplex sah Loki auf sie herab, die soeben jene drei Worte ausgesprochen hatte, die er ihr zu sagen gedachte. Konnte sie in seinen Kopf blicken? Ein leises Lachen entkam dem Magier, so klar und fröhlich wie es selten von ihm gehört wurde. Ohne ein weiteres Wort beugte er sich hinab und küsste Darcy. So intensiv küsste er sie, dass ihr um ein Haar das Gleichgewicht abhanden gekommen wäre, hätte Loki sie nicht gehalten. Immer wieder trafen ihre Lippenaufeinander, tanzten, neckten, hielten einander gefangen, bis die Luft knapp wurde und sie sich trennten mussten. „Ich liebe dich auch, du verrücktes Huhn!“, brachte Loki schwer atmend und gleichzeitig lachend hervor und küsste sie erneut. Vorsichtiger dieses Mal, als hielte er etwas ungemein Kostbares in den Händen. „Aber…“, setzte er an, kaum dass er seinen Mund wieder zum Sprechen gebrauchen konnte und wieder kam sie ihm zuvor: „Du willst schon wieder los, oder?“ „Ja…“, gestand Loki. „Je schneller ich aufbreche, desto besser für Thor… und Jane. Ich glaube nicht, dass es einfacher wird jemanden zurück zu holen, wen die Person lange tot war. Hoffentlich finde ich einen Weg… Sie liegt mir auch am Herzen, stell sich einer das mal vor! Das Universum wäre um eine großartige Frau ärmer…“ Entgegen seiner Erwartungen grinste Darcy, auch wenn der traurige Zug nicht ganz verloren ging, und boxte ihm spielerisch gegen die Schulter, wie damals, als er sie nur in einem T-Shirt bekleidet in der Küche geärgert hatte. „Viel Glück, Süßer!“ „Süßer?!“ Loki zog fragend die Brauen hoch, grinste aber ebenfalls. „Ja, ich nenn dich so, leb damit!“, neckte Darcy und streckte ihm die Zunge raus. Wenn sie wüsste, welche Kosenamen Loki ihr in Gedanken gab… Doch nun wurde seine Aufmerksamkeit anderweitig benötigt, denn Darcy hatte ihm recht unzeremoniell am Kragen gepackt und flüsterte ihm etwas ins Ohr, das nicht für andere Ohren bestimmt war, aber für Loki eine sehr große Motivation war, heil zurückzukommen! „Pass auf dich auf!“, sagte sie noch, bevor er sie ein letztes Mal küsste und sie ihre Wege, in verschiedene Richtungen, fortsetzten.     Thor war seit seiner Rückkehr in einem lethargischen Zustand der Trauer gefallen. Er sprach kaum, aß nur was sein Körper unbedingt brauchte und verbrachte die meiste Zeit bei Jane. Wie einer, der auf das Erwachen eines Komatösen wartete, saß er Stunde um Stunde an ihrer Seite, blickte sie aber nicht an. Tat er es doch, bahnten sich neue Tränen über die Wangen Thors. Der Donnergott war gebrochen! „So schlimm habe ich das bei ihm noch nie erlebt!“, stellte Rhyador besorgt und mit gedämpfter Stimme fest. Der Berater des Königs und dessen bester Freund, eben jener König Odin, stand an der Tür zu dem kleinen Saal in dem Janes Körper aufgebahrt wurde und beobachtete Odins Erstgeborenen. „Nun, es ist auch das erste Mal, dass er eine Geliebte verlier doch… bei seiner Mutter war ihm das Trauern verwehrt, er ging sofort nach Svartalfheim um Rache zu üben! Ich weiß genau, wie er sich fühlt, doch den Schmerz vermag ich ihm nicht zu nehmen!“, wie so oft, wenn er nicht weiter wusste, seufzte Odin niedergeschlagen. „Hat er nach Erynor und den Kindern schicken lassen?“, fragte Rhyador nun, doch es war Thor, der statt Odin antwortete: „Ja habe ich!“, rief er ihnen zu. Den beiden älteren Herren war gar nicht aufgefallen, wie laut sie flüsterten. Für den Trauernden  war es sehr gut hörbar gewesen und hatte ihn kurz von Jane abgelenkt. Er erhob sich von dem Stuhl auf dem er stundenlang gesessen hatte und ging zu seinem Vater. „Es fühlt sich anders an, als bei  Mutters Tod! Mir ist als…“ „…hätte man einen Teil deines Herzes herausgeschnitten!“, vervollständigte Odin den Satz für seinen Sohn. Friggas Tod hatte ihn damals natürlich genauso stark mitgenommen –einer der Gründe für einen weiteren ungeplanten Odinschlaf- auch wenn es nach außen hin so gewirkt hatte, als trauere nur wenig. Rhyador beschloss, Vater und Sohn einen Moment allein zu gönnen und zog sich zurück. „Es schmerzt, Vater…es…ich weiß nicht, wie ich das ertragen soll…“; Thors Stimme brach, genauso wie Odins Herz als er seinen Sohn so verzweifelt und verloren vor sich stehen sah. Der plötzliche Impuls sein Kind –für Eltern würden sie das immer bleiben, ungeachtet des Alters- in die Arme zu schließen, überkam ihn und er gab dem nach.  Er war nicht mehr König Asgards oder der Allvater, Beschützer der neun Welten. Odin war einfach nur ein Vater, der mit seinem Sohn litt und ihn trösten wollte. Noch einer wurde Zeuge dieser durchaus rührenden Szene: Loki! Er hatte Thor gesucht, um sich zu verabschieden und nun, da er ihn so aufgelöst in den Armen seines Vaters fand, hatte er sich eigentlich stillschweigen zurückziehen wollen. Allerdings hatte Odin seine Anwesenheit bemerkt und winkte ihn ohne ein Wort heran. „Ich will gar nicht wissen, was du vorhast Loki!“, sagte er schließlich als sein jüngerer Sohn dazu getreten war. „Aber wenn ich mir deine entschlossene Miene so ansehe, wird es wohl etwa sein, dass den Schmerz deines Bruders lindern soll!“ „So in etwa!“, gab Loki zu und musterte Thor besorgt. „Alles in Ordnung?“ „Ging schon besser!“, meinte dieser schulterzuckend. >Untertreibung. des. Jahrhunderts!<, dachte sich Loki ehe er sich bewusst von Odin abwandte und Thor zuflüsterte: „Sei stark, Bruder! Bald hast du sie wieder!“, dabei hatte er seinen Arm um Thors Schulter gelegt und war so nahe an dessen Ohr, dass er so leise sprechen konnte, ohne das Odin ein Wort hörte. „Pass bitte auf dich auf“, bat Thor seinen Bruder. „Ich will nicht noch jemanden verlieren, der mir am Herzen liegt und du willst sicher nicht so früh gehen!“ Loki schenkte ihm noch ein betont unbekümmertes Lächeln, ehe er ging. „Du wirst deinem Sohn erzählen, was mit seiner Mutter passierte?“, fragte Odin, als sie beide wieder allein waren. Thor nickte betrübt. Auch wenn Loki versprochen hatte, Jane wieder ins Leben zu holen und er wusste, dass Loki sich reinkniete, wenn er etwas versprach, konnte man sich dennoch nicht zu hundert Prozent darauf verlassen, denn auch Loki konnte eine Situation mal über den Kopf wachsen! Es war besser Damion behutsam beizubringen, dass seine Mutter fort war und sich auf eine positive Überraschung vorzubereiten, wenn es gelang, als ihn anzulügen und das Gegenteil zu erleben. Das war es gewesen, worüber Thor in der ganzen Zeit an Janes Seite nachgedacht hatte.   Loki hatte in der Zwischenzeit schon die Kammer der Reliquien erreicht. Jener Ort, wo er damals die Wahrheit über seine Herkunft erfahren hatte, wo der Destroyer hauste und wo er finden würde, was er  suchte. Die Urne! Jenes magische Gefäß, das die geballte Macht Jotunheims enthielt. Er würde sie mitnehmen, in der Hoffnung, die Eisriesen damit für seine Worte zu öffnen, damit sie ihm zuhörten und nicht gleich töteten. Natürlich würde er sich im Nachhinein dafür verantworten müssen, doch wenn er –im Idealfall- mit Jane und neuen Verbündeten zurückkehrte wäre das zweitrangig. Wie damals, als er die Urne zum ersten Mal berührt hatte, begann sich seine Haut zu verfärben und sein wahres Wesen wurde offenbart. Doch dieses Mal ließ  er es zu, so unangenehm es auch war: die Blässe wich dem charakteristischen Blau, die tiefgrünen Augen wurden rot und feine Muster und verschlungene Linien traten auf seiner Haut hervor. Loki ließ die Urne verschwinden und betrachtete seine Hände. Er hatte sich in seiner Jotungestalt noch nie genauer angesehen, aus Furcht und Selbsthass. Nun, da er beides nahezu überwunden hatte, schien ihm diese Gestalt nicht mehr gar so furchtbar, schlimmstenfalls ungewohnt. Langsam verschwanden die Merkmal, die einen Eisriesen auszeichneten und der alte Loki war wieder zu sehen. „Auf nach Jotunheim!“, sage er sich leise. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)