Are you mine von attackonpsycho (ErenxLevi) ================================================================================ Kapitel 3: ----------- Kapitel 3 Ich sollte irgendwann einmal damit anfangen, respektvoller mit Menschen umzugehen. Besonders, wenn diese Menschen älter als ich und ziemlich autoritär sind. Wahrscheinlich hätte ich niemals von mir selbst erwartet, jemals einen Entschluss dieser Art zu fassen. Als sich jedoch die stahlgrauen Augen meines Gegenübers förmlich in meine Haut bohrten, wusste ich, dass dieser Typ nicht ungefährlich war und er es bestrafen würde, wenn man nicht richtig mit ihm umging. So wie ich es, nur nebenbei angemerkt, gerade machte. Auch wenn er momentan Ruhe und Gelassenheit ausstrahlte, wirkte es trotzdem so, als würde er mir mit jeder verstreichender Sekunde am Liebsten in die Fresse schlagen wollen. Spätestens als Hanji zischend die Luft einsog und Levi mit einem leicht verzogenem Gesichtsausdruck an der Schulter festhielt, um ihn zurückzuhalten, wusste ich, dass ich am Besten nicht irgendwann damit anfangen sollte, respektvoll zu werden, sondern gleich, wenn möglich. Sonst könnte dies nämlich ein böses Ende nehmen. Ein sehr Böses, um genau zu sein. Der Schwarzhaarige ließ sich von der Hand auf seiner Schulter nicht beirren und trat hinter der Theke hervor ohne Hanji jegliche Art von Beachtung zu schenken. Seine langsamen, kontrollierten Schritte machten mir aus irgendwelchen Gründen ein wenig Angst, welche mir nicht einmal die blonden Muskelprotze vom Vortag beschert hatten. Und diese waren größer als Levi gewesen, viel größer. Noch immer brannten sich seine stahlgrauen, hart wirkenden Augen in meine Haut und spätestens jetzt, wo er kaum noch einen Meter von mir entfernt war, kam ein ziemlich mulmiges Gefühl in mir auf. Trotzdem war es, als ob mich seine Augen in einen Bann ziehen würden, dem ich einfach nicht entkommen konnte. Als ob sie mich gefangen nehmen würden, ohne Aussicht auf Befreiung. So stand ich nur wie angewurzelt an der Tür und beobachtete ihn dabei, wie er mir furchtbar langsam auf die Pelle rückte. Diese fast schon in Zeitlupe ablaufende Bewegung ließ die Aufregung auf das Kommende beinahe elektrisch durch meinen Körper jagen. Erst jetzt, wo er mir viel näher war, bemerkte ich die schwarzen Piercings in seinen Ohren, die ihm etwas Rebellisches gaben. Sein ausdrucksloses Gesicht wirkte jung. Trotzdem wirkte es so, als ob es schon Vieles gesehen und erlebt hätte. Ich schätzte ihn zwischen 25 und 30, nicht älter. Er trug außerdem ein enges, graues T-Shirt, unter welchem man deutlich die definierten Bauch- und Brustmuskeln erkennen konnte, was mich vermuten ließ, dass es nicht gerade angenehm war, sich mit ihm anzulegen. Seine schmalen Hüften wurden von einer dunklen Jeans umhüllt, die ihm bis zu den Kniekehlen reichte. So locker, wie sie saß, konnte man schon fast davon ausgehen, dass sie ihm zu groß war. Bei seiner Größe wirklich kein Wunder. „Du wagst es also, frech zu sein, Balg?“, der Kleinere war mir inzwischen so nah, dass ich seinen warmen Atem an meinem Hals spüren konnte. An dieser Stelle bildete sich sofort eine prickelnde Gänsehaut und der Rhythmus meines Herzens wurde zunehmend schneller. Auch wenn er zu mir aufsehen musste, lag in seinen Augen solch ein starker Ausdruck, dass ich es nicht einmal wagte, mich überlegener zu fühlen. Seine Größe machte wohl nur auf den ersten Blick etwas aus. „Ich habe mich nur verteidigt“, gab ich trotzig zurück und biss mir schon kurz darauf auf die Zunge. Augenblicklich spürte ich die Reue, die sich durch meinen Körper zog. Konnte ich nicht einmal meine verdammte Klappe halten? Ich brachte mich ständig in Schwierigkeiten, weil ich einfach nicht wusste, wann es genug war. Es war zum Verzweifeln. Gerade jetzt wäre es am Besten, einfach still zu sein oder wenigstens zu einer Entschuldigung anzusetzen. Trotzdem verhielt ich mich wie ein kleines Kind und wollte das letzte Wort haben. Ich konnte nicht einmal etwas dagegen tun, die Worte kamen ohne große Überlegung über meine Lippen. „So? Ich glaube, dir muss mal jemand beibringen, wie man sich anständig benimmt“, er flüsterte diese Worte schon fast, hauchte sie an meine Halsschlagader. In seinen Augen blitzte etwas Angriffslustiges auf, das mich unwillkürlich erschaudern ließ. Die Luft zwischen uns war voller Spannung, wie kurz vor einem Kampf. Allerdings war mir von Anfang an klar, dass er diesen Kampf gewinnen würde, egal wie sehr ich mich anstrengte. Ich wusste nicht einmal, woher diese Erkenntnis stammte, sie war einfach da. „Aber keine Sorge, diese Aufgabe wird nun automatisch von mir übernommen“, ein minimales, beinahe schon boshaftes Grinsen legte sich auf seine Lippen, ehe er sich wieder umdrehte und zurück zu Hanji schritt. Jeder weiterer Meter, der die Distanz zwischen uns vergrößerte, erleichterte das Atmen für mich erheblich. Mein Brustkorb bebte durch die intensiven Schlägen meines Herzens. Der Kerl jagte mir Angst ein. Doch gleichzeitig machte ihn diese Sache umso interessanter. „Du nimmst den Laden also?“, Hanji, die das Geschehen zuvor noch mit großen Augen beobachtet hatte, strahlte Levi mit einer solchen Freude an, dass die Gefahr bestand, zu erblinden. Der Schwarzhaarige lehnte sich lediglich an die Wand und steckte seine Hände in die Hosentaschen. „Gut erfasst“, war seine kurze Bestätigung, woraufhin er von der Braunhaarigen in eine innige Umarmung gezogen wurde. „Danke, danke, danke!“, rief die Größere begeistert, während sie den Kleineren knuddelte, als wäre er irgendein flauschiges Stofftier. Ich rechnete schon damit, dass er sie von sich stoßen und böse anfunkeln würde, allerdings ließ er es mit einem genervten Blick über sich ergehen und murmelte nur etwas in Richtung: „Behalt' deine Griffel gefälligst bei dir, Brillenschlange.“ Gleichzeitig traf mich die Bedeutung ihres Gespräches in diesem Moment mit voller Wucht. Nicht, dass ich ihre Worte vorher nicht verstanden hatte. Es kam mir nur plötzlich so vor, als ob sie Farbe annehmen würden, jetzt, wo sie mir wirklich klar wurden. Der Zwerg sollte tatsächlich den Kiosk übernehmen? Die Chance, dass dies ein blöder Scherz war und die Beiden sich gleich lachend auf dem Boden rollen würden und riefen: „Überraschung Eren! Wir wollten dich nur verarschen“, war wohl doch sehr gering. Zumindest von Levis Seite aus. Mein Kopf begann sich mit Bedenken zu füllen. Levi war mein neuer Chef und ich hatte es mir sofort mit ihm verbockt. Kündigen wäre eine Alternative, die vielleicht etwas übertrieben war, dennoch würde diese meinen Stolz verletzen und mich aussehen lassen, als würde ich den Schwanz einziehen. Aber dies war ja nicht einmal das größte Problem. Am Schlimmsten fand ich eher, dass ich es mir nicht einmal leisten konnte, diese Stelle aufzugeben. Ich brauchte das Geld, um mir meine kleine Wohnung und den wöchentlichen Einkauf leisten zu können. Wovon sollte ich sonst leben? Die Wahrscheinlichkeit, dass es nicht ganz so schlimm werden würde wie erwartet, war gleich null. Das Verhalten des Schwarzhaarigen machte mir schon jetzt klar, dass er mich auf keinen Fall sonderlich freundlich behandeln würde. Verärgert über diese ausweglose Situation beobachtete ich Hanji dabei, wie sie Levi wieder aus ihrer Umarmung entließ. Stattdessen drehte sie sich zu mir, um mir endlich zu erklären, warum sie mir das hier antat. Natürlich konnte sie nicht wissen, dass ich Levi indirekt kannte und es mir von Anfang an mit ihm verscherzen würde, doch warum sie den Laden abgeben wollte, wusste ich noch immer nicht genau. „Also... Eren“, sie kratzte sich etwas verlegen am Hinterkopf, während ich sie mit verengten Augen musterte. „Setz dich doch erst mal“, ihre Stimme klang etwas nervös und piepsig, ganz im Gegenteil zu eben, wo sie Levi noch so überschwänglich gedankt hatte. Sie erinnerte mich schon fast an meine Mutter, als sie mir damals von unserem Umzug erzählte und ich alle meine Freunde zurücklassen musste. Noch immer ziemlich misstrauisch ließ ich mich auf einem Stuhl hinter der Theke des Kiosk nieder. Die Nähe zu dem merkwürdigem Zwerg neben Hanji beunruhigte mich wieder etwas. Was sollte daraus werden, wenn er zu meinem Chef wurde? Dann wären die Arbeitszeiten ja noch viel unerträglicher. Ich war mir sogar sicher, dass ich mir alle Schichten viel lieber mit Jean teilen würde, als ihn wiederzusehen und das sollte schon etwas heißen. „Ich... also“, sie wusste nicht so recht, wie sie anfangen sollte, „ich habe dir doch davon erzählt, dass ich mein Studium bald beende und nun ja, du weißt doch, dass ich den Laden nur geerbt habe...“, Hanji klang unsicher, sodass ich fast schon daran zweifeln musste, dass es wirklich sie war, die gerade vor mir stand. Ich kannte dieses Verhalten gar nicht von der sonst so enthusiastischen, hyperaktiven Frau. Ich nickte leicht, wenn auch etwas bedrückt, ehe sie fortfuhr. „Mein Durchschnitt ist sehr gut und ich habe ein ausgezeichnetes Angebot – vorerst als Praktikantin - in einer Praxis bekommen. Du müsstest sie einmal sehen, Eren, sie ist riesig und furchtbar bekannt! Meine Chancen auf einen richtigen Job würden gut stehen“, ihr strahlendes Gesicht, verdunkelte sich wieder, als sie fortfuhr. „Natürlich hätte ich dann keine Zeit mehr für den Laden... und deshalb bin ich zu dem Entschluss gekommen, hier aufzuhören.“ Die Enttäuschung saß tief, jetzt, wo sie mich über die Situation aufgeklärt hatte. Ich hasste Veränderungen sowieso schon und nun fand auch noch eine solch große statt. Zum Kotzen, wirklich. Ich musterte den kleineren Mann neben ihr misstrauisch, ehe ich mich wieder an meine eigentliche Chefin wandte. „Und warum hast du ihn gefragt?“ Ich versuchte zwar, das „ihn“ nicht zu abfällig klingen zu lassen, weil ich wusste, dass dies Folgen haben könnte, allerdings konnte ich nicht verhindern, dass ich leicht das Gesicht verzog. Der Typ hatte es bereits jetzt geschafft, auf meiner persönlichen Beliebtheitsskala auf die Null zu sinken. Okay, es gab nicht mal eine Hand voll Menschen, die auf der Zehn standen, doch das ignorierte ich in diesem Moment einfach. Hanji strich sich über ihr braunes Haar und atmete angestrengt aus. Dieses Ausatmen wirkte so erschöpft, dass ich mich fragte, ob ich wirklich so anstrengend war oder aber, ob sie wieder einmal übertrieb. Beides war möglich, allerdings hoffte ich eher auf Letzteres. „Weil er mein bester Freund ist und einen Job sucht“, sie grinste ganz leicht, ehe sie ihm in die Seite boxte. „Und da er so sozial und vor allem freundlich ist, dachte ich, dass das Ganze hier perfekt passen würde!“ Pah! Falls mich diese Aussage überzeugen sollte, hatte sie ihr Ziel um einiges verfehlt. Ich versuchte mein Gesicht nicht zu verziehen. Wenn man so jemanden als „sozial“ und „freundlich“ bezeichnete, musste man vorher die Definition geändert oder einen an der Klatsche haben. Andere Erklärungen kamen für mich nicht in Frage – und wenn man von Hanji sprach, konnte man eindeutig von der zweiten Variante ausgehen. Gut, vielleicht war ich auch nicht der netteste Mensch, allerdings lächelte ich wenigstens einmal und stand nicht griesgrämig in der Ecke und starrte alle Anwesenden in Grund und Boden nieder, als hätten diese soeben einen schlimmen Mord begangen. Sind ja wirklich gruselig, diese stahlgrauen Augen. Ich würde sagen, der Kerl weiß, wie man sich Respekt verschafft. Was für ein Spaß das wohl wird, wenn der auf Großmaul Jean trifft? Ich atmete laut ein und aus, ehe ich mich langsam erhob. „Wenn das so ist“, ich versuchte freundlich zu lächeln, „dann tut es mir wirklich aufrichtig Leid.“ Ich ging meinem Vorhaben von eben nach und wollte mich bei ihm entschuldigen, um das Beste aus dieser Situation zu machen. Ändern konnte ich es sowieso nicht und Hanji ein schlechtes Gewissen machen, weil sie eine wichtige Chance ergriff, am Wenigsten. Meine starken Bemühungen mich bei ihm zu entschuldigen verfehlten ihr Ziel allerdings bei Weitem, wie ich anschließend feststellen musste. „Tz“, entkam es meinem Gegenüber, seine grauen Augen streiften mein Gesicht eine Spur zu düster. „Steck' dir deine halbherzige Entschuldigung sonst wo hin, Balg. Das hier wird in Zukunft die Hölle für dich.“ Das waren... keine sonderlich guten Voraussetzungen. Ich konnte nicht anders, als meine Augen zu weiten und ihn sprachlos anzublicken, während ein flaues Gefühl meinen Magen heimsuchte. Immerhin war dies nicht wirklich das, was ich mir als Antwort von ihm erhofft hatte. Ich presste meine Lippen zu einem schmalen Strich zusammen und das Lächeln entglitt meinem Gesicht sofort. Konnte er nicht einfach meine Entschuldigung annehmen, mein Lächeln erwidern und mir eine Gehaltserhöhung für mein gutes Benehmen geben? Mein Gott, so schwer war das doch nicht oder? „Ach Levi~“, kam es amüsiert kichernd von Hanji, die den Kleineren ganz und gar nicht ernst nahm, im Gegensatz zu mir. Ich wusste zwar, dass sie nicht ganz normal war, aber mal ganz im Ernst, hatte sie keine Angst vor dem Tod? Denn so, wie dieser Levi sie daraufhin anblickte, war es nicht ganz falsch zu vermuten, dass er es in Frage stellte, sie in geraumer Zeit umzubringen. „Sei nicht so streng mit Eren, er ist doch noch jung“, damit tätschelte sie meinen Kopf, wofür sie wieder einen bösen Blick kassierte, diesmal allerdings von mir. Sicherlich war dieser nicht ganz so effektiv wie Levis, jedoch gab ich mir wirklich Mühe. Sie ließ sich wiederum nicht davon stören, was mich die Augen zusammenkneifen ließ. Wie kam sie damit eigentlich immer wieder durch? Jedes beschissene Mal? „Ich bin mir sicher, dass es ihm wirklich leidtut, dass er dir vor dein Auto gelaufen ist. Das Ganze war doch auch ein dummer Zufall.“ Hanji grinste den Schwarzhaarigen abschließend an, ehe sie sich an die Theke lehnte. Ihre daraufhin wechselnde Mimik deutete auf einen Themenwechsel hin. „Wann willst du denn eigentlich anfangen?“, fragte sie ihren Freund interessiert. Ihre Stimme klang mit einem Mal wieder ernster, so wie fast immer, wenn es um etwas Geschäftliches ging. Dann war sie plötzlich ein anderer, beinahe normaler Mensch. Irgendwie ziemlich eigenartig. Und in gewisser Weise auch angsterregend. Levi zuckte nur mit den Schultern. „Wann es dir recht ist“, gab er kurz von sich. Seinen wachsamen Blick nahm er endlich von mir und richtete ihn auf seine Freundin. Aus irgendeinem Grund erleichterte mich dies, immerhin brauchte ich mir nun nicht mehr wie Beute vorzukommen, die vom Jäger beobachtet wurde. Diese wachsamen, strengen Augen wirkten unglaublich bedrohlich, auch wenn er sicherlich nur 1,60 Meter groß war. Seine Größe spielten bei dieser Ausstrahlung keine Rolle mehr, dem war ich mir nun hundertprozentig bewusst. Natürlich hoffte ich in diesem Moment, dass Hanji ihn erst etwas später einstellen würde. So hätte ich etwas Zeit um mich vor ihm vorzubereiten, denn ich war mir sicher, dass er nicht umsonst sagte, dass dies meine persönliche Hölle werden würde. Ich wusste nicht wieso, doch irgendwie machte es mir neugierig und erweckte so etwas wie Kampfgeist in mir. Er wollte mich für meine anfängliche Respektlosigkeit bestrafen und ich war gerade dabei einzuknicken. Doch wenn er erst hier anfing, würde alles anders verlaufen, das würde ich ihm schon noch zeigen. Nicht, dass ich nicht schon genug Probleme hatte. „Montag wäre gut“, Hanji strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht und faltete ihre Hände ineinander. Levi setzte zu einem Nicken an, als sich gerade in diesem Moment die Ladentür öffnete und das helle Leuten der kleinen Glocke erklang. Eine kleine Frau, die ich auf etwa Zwanzig Jahre schätzte, kam herein. Sie besaß hellbraunes, kurzes Haar und große, braune Augen. Ich wusste sofort, dass sie zum ersten Mal hier war. Sie schien etwas zu suchen, da ihre Augen durch den Raum glitten, ehe sie an uns hängen blieben. Ein ehrliches Lächeln trat auf ihre Lippen und sie kam auf die Theke zu. „Hey“, rief sie freundlich, ehe sie sich hinter die Theke begab und erst Hanji umarmte, welche ihre Begrüßung sowie die innige Geste sofort erwiderte. Dann trat sie zu Levi und hauchte ihm einen Kuss auf die Lippen. Auch wenn der Schwarzhaarige nicht unbedingt begeistert davon aussah, konnte ich nicht anders, als sie dabei zu beobachten. Mir stand die Überraschung förmlich ins Gesicht geschrieben. Der Kerl hatte eine Freundin? Wirklich? Die junge Frau drehte sich darauf zu mir und reichte mir die Hand. Levi, der hinter ihr stand, wirkte noch immer nicht sehr erfreut über ihren Auftritt, was mir zu bedenken gab. „Wir kennen uns noch gar nicht“, strahlte sie und ich musste zugeben, dass sie sofort sympathisch auf mich wirkte. „Ich bin Petra, Levis Freundin und Kommilitonin von Hanji“, stellte sie sich freundlich vor. Ihre gesamte Ausstrahlung war das komplette Gegenteil zu der ihres Freundes. Wie hielt sie es bloß mit so einem griesgrämigem Mann aus, der nicht einmal ein Schmunzeln zustande brachte? Ich schüttelte den Kopf, um meine Gedanken loszuwerden und reichte ihr ebenfalls meine Hand. „Ich bin Eren und arbeite hier“, entgegnete ich mit einem ebenfalls freundlichem Lächeln. Petra schien eine dieser Menschen zu sein, zu denen man gar nicht unfreundlich sein konnte. Diese Menschen, die immer so nett, hilfsbereit und freundlich waren, dass man sich schon fragte, wie sie dies schafften. Zu solchen Menschen konnte man einfach nicht fies sein, es klappte einfach nicht. „Wer weiß, wie lange du hier noch arbeitest“, kam es darauf von meinem zukünftigem Chef. In seiner Stimme lag etwas Herausforderndes, auf das ich nur zu gerne mit einem kurzen Blick einging. Mir war klar, dass ich mir in Zukunft keine Fehler mehr erlauben durfte. Kein Zuspätkommen, kein Faulenzen während der Schicht und kein Streit mit den Mitarbeitern. Es würde schwer werden, doch mit einem Mal packte mich die Lust, ihm zu beweisen, dass er mich nicht feuern konnte und würde. „Sehr lange“, antwortete ich also und bemühte mich genauso kühl zu klingen, wie er. Auch, wenn es mir nicht ganz so gut gelang. Ich hatte nicht viel Übung in so etwas. Erst seit dem Tod meiner Mutter hatte ich überhaupt angefangen, mich zu verändern und nicht mehr der freundliche Junge zu sein, den alle kannten. Der Junge, der gut in der Schule war und im Basketballteam seiner Schule spielte. Der Eren, der tausende Freunde hatte und sich vorgenommen hatte, niemals Alkohol zu trinken oder zu rauchen. Diese Person war verschwunden, durch diesen einen Augenblick. „Das werden wir sehen“, kam es darauf nüchtern von ihm. Seine gleichgültig wirkende Miene und die stahlgrauen Augen schienen mich provozieren zu wollen. Mit einem Mal wurde mir klar, auf was dies hinauslief. Eigentlich war es ein ganz simples Spiel, welches ohne richtige Regeln mit dem heutigen Tag begann. Auch das Ziel war mir nicht bewusst, allerdings war ich mir darüber im Klaren, dass ich nicht aufgeben würde. In mir sammelten sich bereits jegliche Sätze, die ich ihm entgegenwerfen konnte, als Hanji sich plötzlich verlegen am Hinterkopf kratzte und die Augen leicht frustriert zusammenkniff. „Scheint so, als würdet ihr beide noch viel Spaß in Zukunft haben“, schloss sie sarkastisch klingend aus unserem Wortwechsel. Ihr gekünsteltes Kichern löste die Spannung in der Luft nicht wirklich. Genauso wenig, wie das darauf ertönende „Tz“ von Levis Seite. Schließlich drehte er sich zum ersten Mal seit ihrer Ankunft in die Richtung seiner Freundin und nickte ihr zu. „Können wir dann?“, fragte er kühl. Wahrscheinlich war sie gekommen, um ihn abzuholen. Doch in seiner Stimme lag keine Zuneigung, keine Herzlichkeit. Auch in seinen Augen herrschte unglaubliche Leere. Ich fragte mich augenblicklich erneut, wie sie es mit ihm aushielt. Für mich sah Petra eher nach einer Frau aus, die Liebe benötigte, was Levi ihr mit großer Wahrscheinlichkeit nicht geben konnte. Zumindest meiner Vermutung nach. Er könnte auch noch andere Seiten haben, die ich nicht kannte. Gespaltene Persönlichkeit oder so ein Mist. „Natürlich“, das warme Lächeln lag noch immer auf den Lippen der Braunhaarigen, als sie sich von uns verabredete. Dass Levi diese freundlichen Gesten nicht erwiderte, schien ihr egal zu sein. „Macht euch noch einen schönen Tag“, sie fuhr sich über das helle Haar, ehe sie von Hanji zu mir blickte. „Bis dann. Ich bin sicher, wir sehen uns bald wieder“, damit verschwand sie direkt hinter Levi, der nur die Hand zum Abschied hob, bevor er zur Tür hinaus ging. Ich konnte schon fast mit Sicherheit sagen, dass diese halbherzige Geste nicht einmal mir sondern Hanji galt. „Ähm... Möchtest du Tee, Kaffee.. Cola... Bier?“, wir waren kaum eine Sekunde alleine, da versuchte Hanji bereits, sich so schnell wie möglich von mir zu entfernen. Ihre Hände kramten nervös in einem Schrank herum – in welchem sich nicht einmal die Getränke befanden – und ihr war ihr Unbehagen deutlich anzusehen. Sie hatte Angst, dass ich ihr böse sein würde. Ich sah es ihr deutlich an. Sie versuchte das Thema zu wechseln, noch bevor ich es angesprochen hatte. „Hanji“, meine Stimme klang etwas enttäuscht. „Es.. weißt du...“, wollte ich ein Gespräch mit ihr beginnen, doch sie ließ mich erst gar nicht richtig aussprechen. Etwas, das sie häufig tat. „Es tut mir Leid“, mit einem Mal drehte sie sich um. Auf ihrem Gesicht spiegelte sich Reue wieder. „Aber du weißt ja, dass dieses Geschäft eine Last für mich ist und – oh Gott – hätte ich gewusst, dass das zwischen euch beiden auf diese Art und Weise eskaliert, wäre ich anders an die Sache herangegangen. Vielleicht ist Levi doch nicht die beste Person für diesen Job... Ich meine, die Anderen halten vielleicht auch nicht viel von ihm. Warum habe ich ihn bloß überredet? Ich...“ Diesmal war ich derjenige, der sie unterbrach. Ich konnte ihr einfach nicht mehr dabei zuhören, wie sie sich für alles verantwortlich machte und zusätzlich verunsicherte. „Hör mal, ich bin mir sicher, es ist dir nicht leichtgefallen, den Laden abzugeben. Aber du konntest doch nicht wissen, dass dein bester Freund, der sich bereiterklärt hat das Ganze hier auf sich zu nehmen, meiner Meinung nach ein Arschloch ist“, versuchte ich sie zu besänftigen, wenn auch mit den falschen Mitteln. Allerdings schien sie nicht wirklich zufrieden, ganz im Gegenteil. „Er ist kein Arschloch, Eren“, entkam es ihr etwas zerknirscht. Ihre Verteidigung überraschte mich etwas. „Levi ist nicht leicht, aber auch das hat seine Gründe.“ Sie seufzte resigniert aus, ehe sie wieder zum eigentlichen Thema zurückkehrte. „Ich habe einfach nur Angst, dass das mit dem Laden nicht mehr funktionieren wird. Nur, weil ich ihn abgebe, heißt das nicht, dass mir nichts mehr an ihm liegt.“ Auch ich seufzte auf. Nicht nur, weil ich merkte, dass ihr meine voreilig gezogenen Schlüsse missfielen, sondern auch, weil ein kleiner Teil in meinem Inneren ihre Sorge teilte. „Außerdem gefällt mir nicht, wie ihr euch angesehen habt.“ Ihre Augen streiften mich mit einer gewissen Sorgfalt. „Diese Rivalität, wie bei einem Wettkampf, der darum geht, wer es länger hier aushalten wird. Wirklich kindisch.“ „Ach“, ich grinste, „gerade diejenige, die mit Insekten im Nebenzimmer spielt, nennt mich kindisch!“ Meine ehemalige Chefin begann darauf zu kichern und mir wurde klar, dass ich sie unheimlich sehr vermissen würde. Sie war eine der Einzigen, die meine Laune mit ihrer nervigen und trotz allem irgendwie lustigen Art immer wieder verbessern konnte. Ihre amüsierte Miene veränderte sich allerdings schlagartig in eine eher schockiert wirkende. „Oh nein! Ich muss den Raum auch noch ausleeren bevor Levi hier anfängt“, stieß sie bereits jetzt schon erschöpft klingend hervor. Scheinbar hatte ich sie an diese weniger erfreuliche Aufgabe erinnert. „Dann würde ich an deiner Stelle langsam mal anfangen“, meinte ich schmunzelnd und versuchte mir meine Belustigung darüber nicht ansehen zu lassen. Ich hörte noch wie sie murrte, ehe sie sich zum Mitarbeiterraum begab. Währenddessen stellte ich mich an die Kasse, um endlich mit meiner Schicht zu beginnen, die inzwischen schon lange genug verzögert worden war. Allerdings bemerkte ich gerade in diesem Moment, wie sie vor der Tür stehen blieb. Ohne sich umzudrehen, hörte ich sie mit fester Stimme fragen: „Versprichst du mir, dass du immer zu mir kommst, wenn dir etwas fehlt, Eren? Auch, wenn ich nicht mehr deine Chefin, sondern nur noch eine Freundin bin?“ Diese ernsten Worte waren ein riesiger Kontrast zu den Witzen von eben, sodass sie mir fast den Magen umdrehten. „Ich verspreche es“, sagte ich. Allerdings zweifelte ich diese Aussage an. Somit war es kein richtiges Versprechen. Es war eher eines, das von Anfang an dazu da war, irgendwann gebrochen zu werden. Und ich war mir sicher, dass Hanji dies wusste. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)