Psithurism von commander-grumpy-gay (Life is Strange) ================================================================================ Kapitel 1: -----------   “Perhaps it does us good…to have a fall every now and then. As long as we don’t break.” — J.M. Coetzee, Disgrace     Du hast zuvor erst einmal in deinem Leben eine Waffe in den Händen gehalten. Wie beim ersten Mal fühlt es sich falsch an, zu schwer und zu kalt. Es gehört hier nicht her. Du hast die Hände einer Künstlerin, in der Lage die feineren, schöneren Aspekte des Lebens zu greifen und verewigen; nicht die stählerne Katastrophe, die nur darauf wartet entfesselt zu werden. Du findest dich in einem unglaublichen Chaos wieder. Arcadia Bay sollte niemals das Ende von allem sein. Deine Hände zittern; sind es nicht gewohnt eine Waffe in den Händen zu halten. Chloe hält dein Handgelenk fest, um die Waffe zu stützen, drückt dabei den Lauf fester an ihre Stirn. „Mach dir keine Gedanken“, versichert Chloe dich. „Es muss so sein.“   Ihr Blick ist eine Mischung aus Sturheit und suizidaler Entschlossenheit. Deine kurze Vision einer unbeschadeten Stadt hat dich unvorbereitet getroffen, und auch wenn Chloe während der Erklärung ihres Plans wild mit ihren Händen gestikuliert hat, hast du ihr zugestimmt. Ihr beide wisst Dinge, die euch das Leben schwerer machen als notwendig. Aber das – das ist Wahnsinn in seiner reinsten Form. Auge um Auge? Du bist nicht bereit das zu akzeptieren. Du lässt Chloe nicht so einfach ihr Leben wegwerfen. Kein Heldenmut der Welt würde dich dazu bringen ihr das Leben zu nehmen.   „Alles geht so aus, wie es vorher bestimmt ist“, sagt sie. Ihre Atmung ist schnell und kürzer als noch vor ein paar Augenblicken; sie stolpert über ihre Worte, egal wie mutig sie klingen mögen. „Rachel hat mir das erzählt. Hat'n bisschen gebraucht, bis ich das verstanden hab'.“   Du legst deinen Finger nicht um den Abzug, aber du weißt, dass du es machen musst, um das zu beenden. Um alles wieder ins Gleichgewicht zu bringen; um es zu entwirren und die Wogen zu glätten muss Chloe sterben. Sonst würde Arcadia Bay von der Landkarte verschwinden. Aber was passiert danach? Falls es wirklich den Himmel gibt, wird Gott Chloe ihre Sünden für diese selbstlose Tat vergeben? Du schließt die Augen. Deine Brust schmerzt. Deine Augen brennen mit nicht vergossenen Tränen. Das ist nicht das, was du möchtest. Das sollte nicht so sein.   „Es tut mir Leid“, sagst du.   Du hältst deine freie Hand in die Luft und alles um dich herum verschwimmt.   X x x x x x x x x x x x x x   Du möchtest nicht weinen, aber es ist einfach zu viel. Dein Gesicht drückst du in dein Kissen und schreist einmal laut; umklammerst den Kissenbezug. Deine Schultern beben, dein Atem entkommt stoßartig und du bist dir sicher, dass bald jemand an deiner Tür klopfen wird und wissen möchte, warum du um zwei Uhr Nachts so einen Lärm veranstaltest. Es ist immer noch der Selbe scheiß Tag. Du musst weiter zurück, aber dein Kopf pocht unentwegt; hast das Gefühl, dass dir jemand in den Magen geschlagen hat. Vielleicht kannst du es mit deinen Worten verhindern? Du weißt, was auf dich zu kommt. Dir ist schlecht.   Das Kissen wirfst du auf den Boden und trocknest deine Tränen so gut es geht mit deinem Ärmel. Die Lichterkette ist die einzige Lichtquelle im Raum. Du bist unruhig und alleine, und die einzige Person mit der du reden kannst, ist die Person, die du aufhalten musst. Du murmelst dich in deiner Decke ein und lehnst dich an die Wand. Die Nacht vergeht langsam und dir schwirren zu viele Gedanken herum.   Der Tag beginnt wie du es bereits kennst. Chloe taucht auf, ihr verbringt den Tag zusammen und als die Sonne untergeht und ihr euch am Leuchtturm wiederfindet unterbreitet sie ihren Vorschlag.   „Nein.“ Du möchtest nicht mehr zustimmen; kannst es nicht mehr.   „Du musst aber,“ macht Chloe weiter. „Es ist die einzige Möglichkeit, das alles aufzuhalten.“   „Nein. Ich bring' dich nicht um.“   „Es wäre aber besser so. So kann ich dich ein letztes Mal sehen.“   „Nein!“ Du weinst jetzt, deine Hände sind zu Fäusten geballt. Eigentlich ist es dein Plan gewesen sie mit gefassten Aussagen zu überzeugen, aber stattdessen haben deine Gefühle die Überhand gewonnen. Du bist verzweifelt dabei, es beim zweiten Mal zu schaffen. Chloe zieht dich in eine Umarmung und hält dich. Sie riecht nach zu Hause, fühlt sich an wie Regen nach einer Dürre. Aber es ist kein richtiges Aufatmen. Chloe wird von ihrem Plan abrücken, hat es nie getan, nicht von etwas, von dem sie glaubt, dass es das Richtige ist. Sie wird einen Weg finden, auch wenn er nicht ideal ist. Du willst sie aufhalten. Du hebst deine Hand und drehst die Zeit zurück.   X x x x x x x x x x x x x x   „Deine Schnürsenkel sind auf.“   Sie verzieht ihr Gesicht und wirft einen Blick auf ihre Schuhe. „Äh, nein.“   Deine Hände sind in deinen Hosentaschen vergraben. Ihr beide geht durch die Stadt, ohne ein genaues Ziel. Eigentlich hast du noch Hausaufgaben zu erledigen, aber wen kümmert es schon, wenn Arcadia Bay ohnehin in tausend kleine Stücke zerrissen wird? Ein herbstlicher Wind raschelt in den Bäumen. Nicht stark genug, um es kalt werden zu lassen, aber ein Bote der kommenden Jahreszeit.   „Noch nicht“, sagst du.   Du bist müde und hast keine Energie mehr. Diesen Tag hast du bereits fünf mal erlebt; jedes Mal erschöpft dich emotional stärker als das Mal zu vor. Nicht einer ist gut ausgegangen. Alles schmerzt. Du würdest dich besser fühlen, würde dir jemand den Kopf spalten.   „Werden sie aber in 5, 4, 3, 2, 1.“   Die Schleife löst sich wie auch schon die Male zuvor. Chloe trägt andere Schuhe; eine kleine Veränderung. Sie bleibt stehen und schaut sich die Schnürsenkel mit einem Grinsen an, begeistert von der Vorhersehung. „Und Mad Max schlägt wieder zu.“ Sie beugt sich nach unten, um sie wieder zusammen zu knoten. „Bist du echt zurückgegangen damit ich mich nicht auf den Arsch lege?“   „Nein.“   Deine Stimme ist sonst sanft, in der Lage einzufangen, nicht zu befehlen. Jetzt ist sie harsch, zu müde und wütend, wegen dem Scheiß der zu viele Male passiert ist. Warum hat Chloe sich entschieden selbstlos zu sein und dass ihr Arcadia Bay wichtig ist. Du reibst deine Augenwinkel. Der wenige Schlaf macht sich bemerkbar; hast dir Chloes Todesvorschlag oft anhören müssen. Du bist es leid alles wieder zu erleben. Du möchtest einfach nur die Welt retten, ohne Blut an deinen Händen kleben zu haben. Dein Gewissen ist ohne das schon schwer genug.   Chloe sieht dich an, von oben nach unten, und zieht dich zur Seite; weg vom Verkehr und dem Bürgersteig. Nicht gerade der Ort, an dem solche Gespräche geführt werden sollten. „Du bist schon die ganze Zeit so ruhig und traurig. Was ist los, Max?“   Ihre Hände sind um deine Arme und sie fühlen sich an wie Fesseln. „Was ist los?“ Flüsterst du vor dich hin, stählst dich für das was kommt. Deine Gabe macht längst keinen Spaß mehr. Du willst sie nicht mehr. „Ich weiß, dass es etwas gibt, was du sagen möchtest. Also sag es.“ Sag es, damit du sie aufhalten kannst. Sag es, damit du es besser machen kannst. Sag es, damit du es nicht mehr in deinem Kopf hören musst. Sag es- sag es, weil es das Einzige ist, was gesagt werden kann.   Chloes Augen werden kleiner, wenn sie misstrauisch ist. Sie versteht es langsam. Nicht, dass es etwas bedeutet, denn dieses Mal wird nicht anders sein und du wirst ohnehin die Zeit zurückdrehen. Sie wird sich nicht daran erinnern. Niemand erinnert sich an die Fehler. Sie beugt sich nach vorne, nah genug, dass deine Nase ihren Hals berührt. So wie gute Freunde, eventuell ein Pärchen, aber nicht wie jemand, der über Selbstmord diskutieren wird um einen Tornado aufzuhalten. Du spürst wie Chloe schluckt. Immerhin hat sie den Anstand nervös zu sein. „Ich weiß, wie man den Tornado aufhalten kann“, fängt sie an. Das Licht der untergehend Sonne tanzt in ihren Augen. Verdammt. „Ich hab' 'nen Plan. Du wirst ihn zwar nicht mögen, aber ich hab's akzeptiert.“   „Nein.“   „Du weißt nicht mal, was ich sagen will.“   Du bewegst dich um sich von ihr zu lösen, aber deine Hände bleiben auf ihren Schultern. Sie riecht nach billigem Bier und Zigaretten. Du könntest das Aushängeschild für Passivrauchen sein; dein Körper riecht nach Nikotin. Sie hat nicht das Recht so ehrlich und heroisch und wunderbar zu sein wie jetzt. Nicht so. „Du willst, dass ich dich umbringe.“ Es fällt wie ein Stein in deinem Magen. Jedes weitere Mal, wenn du das Gespräch hast, fühlt es sich echter an. Chloe und sterben... Wenn du es nicht besser wüstest, würdest du sagen, dass es ihr Schicksal ist. Du willst nicht, dass das ihr Vermächtnis ist. Sie hat noch viel zu geben; viel zu lernen.   Chloes Griff wird stärker, ihr Ausdruck fällt. Die letzte Spur von Fröhlichkeit ist vergangen; stattdessen brennt eine Sicherheit in ihren Augen. Sie sieht beinahe gefährlich aus. „Wie oft haben wir das schon gemacht?“   Muskeln spannen sich in ihren Nacken an; sie beißt die Zähne auf einander. Ihr Puls rast und du siehst ihn leicht pulsieren. Zirkuliert immer noch. Du wirst dafür sorgen, dass es so bleibt. „Zu oft.“ Du schließt deine Augen. Dein Kopf tut weh, ebenso wie dein Herz und Knochen. „Zu oft.“   x x x x x x x x x x x x x x   Ein Mal löst sich ein Schuss.   Du bist dir nicht sicher wer von euch den Abzug gedrückt hat – es ist auch egal – denn es ist ein Loch in Chloes Brust und sie redet nicht mehr. Es ruhig, zu ruhig und zeitgleich ohrenbetäubend Laut. Du greifst nach vorne um sie fest zu halten, als wäre sie nur gestolpert und nicht am sterben; aber du kannst sie nicht festhalten und sie fällt in deinen Schoß. Überall ist Blut. Deine Schultern beben als du sie umdrehst und dein Blick über ihr Gesicht springt. „Fuck, fuck, fuck. Tu mir das nicht an.“   Ihre Augen sind leere, seelenlose schwarze Löcher in dem kleinen Universum, das sie kreiert haben. Sie lächelt nicht, gibt keinen Laut von sich. Kein weinen oder reden oder atmen oder-   Nein. Nein, nein, neinneinnein. Dein ganzer Körper bebt. Chloe ist schwer in deinen Armen, zu jung. Blut läuft über ihre Brust; ihr Top nicht länger in der Lage alles aufzusaugen. „Tu mir das nicht an.“ Als könnte sie dich hören. So soll es nicht verlaufen. „Es tut mir Leid. Es tut mir Leid.“   Du bemerkst erst, dass du die Zeit zurückdrehst als etwas in deinen Kopf klickt; dann wird dir bewusst, dass du nicht mehr an der selben Stelle bist. Für einen Augenblick ist alles um dich herum schwarz. Schmerzen bahnen sich einen Weg von deinem Kopf, deine Wirbelsäule runter, durch Mark und Bein und deine Sicht wird klar. Jemand ruft deinen Namen. Du weinst und deine Nase blutet. Du bist in Chloes Truck und sie ruft deinen Namen. Der Schrecken steht ihr ins Gesicht geschrieben, Augen sind geweitet und strotzen vor Leben. Du würdest erleichtert ausatmen, wenn du nicht das Gefühl hättest, dir würde dein Brustkorb gestochen werden. Das Bild von Chloe, tot, hoffnungslos, ist immer noch frisch in deinen Gedanken. Du möchtest deine Nase anfassen, hörst aber auf als du das Blut an deinen Händen und in deiner Kleidung siehst. Oh.   „Max, was zum Teufel...?“ Ihr Stimme bricht.   Du berührst deine Stirn mit deinem Handrücken. Du spürst das Blut auf deine Oberschenkel tropfen. Das schlimmste Nasenbluten, was du bisher gehabt hast. Du weinst und blutest und deine Stimme versagt. Chloe reicht nach vorne, zögernd, und berührt deinen Arm. Du zuckst nach hinten und drückst dich an die Trucktür. Du hast nicht enden wollende Kopfschmerzen und du hast das Gefühl, dass dein Herz herausgerissen worden ist und binnen Sekunden wieder rein gesetzt. Menschen überleben so einen Rückschlag nicht. Die Welt bricht in sich zusammen und du fällst nach vorne. Du nimmst noch einen Schrei wahr bevor dein Kopf auf das Armaturenbrett knallt.   X x x x x x x x x x x x x x   Du hörst Vögel zwitschern und spürst Metall unter dir. Ohne deine Augen zu öffnen versuchst du dich zu orientieren. Das entfernte Pfeifen eines Zuges. Jemand seufzt. Du musst auf dem Müllplatz sein, auf Chloes Truck. Die Zeit schwimmt vor sich hin bis du dich letzten Endes aufraffst, nur um dich wieder zurück zu lehnen. Auf dir liegt eine Decke. Deine Finger sind steif und taub, sie fühlen sich nicht nach deinen Fingern an. Chloe sitzt auf der Kante, ihre Füße baumeln und ihr Kopf ist in ihre Hände gelegt. Es liegen ein paar Bierflaschen herum. Die Sonne geht unter; das Licht brennt in deinen Augen. Du bist am Ende. Dafür gibt es nicht genug Schmerzmittel. „Chloe.“ Deine Stimme ist rau und deine Kehle trocken.   Chloe zuckt zusammen, dreht sich um. Du siehst wie eine Last von ihr fällt. „Oh mein Gott. Ich dachte du wärst-.“ Ihre Hand fährt über ihr Gesicht als könne sie nicht glauben, dass das passiert. „Ich hab' gedacht mit dir zum Arzt zu gehen, aber da ist überall Blut und das kann ich nicht erklären. Ich kann dich nirgendwo hinbringen mit dem ganzen Blut. Was ist passiert?“ Und die unausgesprochene Frage nach wann.   „Ich hab' dich umgebracht.“   Das Wissen ist so subtil wie die Explosion einer Bombe. Sie versteht es und weiß, dass ihr Plan das ausgelöst hat. Ihr Gedanke vom Märtyrertum bringt dich von innen heraus langsam um. Deine Augenlider fallen zu und Chloes Worte sind ein dumpfes Murmeln im Hintergrund. Es ist einfach zu viel. Dein Körper gibt nach. Dieses Mal schmerzt der Fall weniger, es ist jedoch weniger ein Sturz von größer Höhe als einer von Hoffnung und Träumen.   X x x x x x x x x x x x x x   Der Raum ist dir unbekannt. Die Decken sind dir fremd und es riecht leicht nach Reinigungsmitteln. Die einzige Lichtquelle ist eine kleine Lampe. Neben dir liegt Chloe auf dem Rücken, nimmt wie üblich zu viel Platz ein. Einer ihrer Arme liegt über deiner Brust, beschützend, eine Rettungsleine. Ihre Haare sind zerzaust und sie sieht allgemein nicht allzu gut aus. Und, wo auch immer ihr seid, das Kissen auf dem du liegst ist weich. Du fragst dich welcher Tag heute ist, wie nahe ihr am Tornado seid. Ein Pochen macht sich in deinem Kopf breit und du hättest es lieber, wenn dir jemand mit einem Golfschläger eine verpassen würde. Ist das das Limit deiner Kraft? Was würde passieren, wenn du das überschreitest? Wahrscheinlich würde es dich umbringen. Aber nicht jetzt.   „Du jagst mir echt 'ne Scheiß Angst ein“, ihre Stimme hört sich müde an; etwas rau. So wie du sie kennst, hat sie die Zeit über geraucht und geweint.   „Dito.“   „Ich weiß nicht mehr, was ich machen soll.“ Das zuzugeben ist bestimmt schwer gewesen. Chloe hasst es Schwäche zu zeigen, sie hat immer stark sein müssen, stärker als alle um sie herum. Sie hasst es nach Hilfe zu fragen, denn das bedeutet, dass sie hilflos ist und das versucht sie möglichst zu vermeiden. „Ich bringe dich um...“   Sterben. Zu erst willst du lachen. Ja, das was du machst ist gut, genau so gut wie dich anzulügen und die Wahrheit zu verdecken. Du hast deine gesamte Energie aufgebraucht bei dem Versuch eine Lösung für den Kram zu finden. Es hätte nie so schwer sein sollen ein paar Antworten zu finden. Der Butterfly Effect ist nur eine Theorie; eigentlich, außer, dass das nicht der Fall ist. Falls du das nicht hinbiegen kannst werden eine Menge Leute sterben, und es ist irrelevant ob du dich gerettet hast oder nicht. „Es gibt schlimmere Menschen die sterben könnten, denke ich.“   Chloes Blick ist hart und ach so jung. Ihr seid Kinder. Einfach nur Kinder. Zu jung um so hoffnungslos und entmutigt zu sein. Sie guckt nach dem Licht. Lieber nicht zu nah, um nicht all zu hässlichen Wahrheiten herauszufinden, Dinge, die du nicht verstecken kannst. Sie sucht nach einem Platz in der Welt und findet ihre guten Absichten zum falschen Zeitpunkt. Du glaubst daran, dass sie für etwas Größeres vorher gesehen ist. Sie muss, sonst ist alles umsonst. „Ich wollte das nie. Ich wollte einfach nur alle retten. Stattdessen hab' ich Scheiße gebaut. Und jetzt sind wir hier.“   „Und jetzt sind wir hier.“ Dein Daumen fährt über Chloes Knöchel. Sie lebt. Sie lebt. Nichts im Universum wird das ändern. Du wirst jedes Naturgesetz brechen damit das so bleibt.   „Ich weiß nicht, was ich machen soll“, wiederholt Chloe. „Ich weiß nicht, wie ich irgendetwas aufhalten soll und ich hasse es. Keiner weiß, was zum Teufel los ist.“ Sie setzt sich aufrecht hin. Sie sieht aus, als würde sie gleich etwas durch den Raum werfen. Wut und Trauer glänzt in ihren Augen. Ihr Top und ihre Hose liegen irgendwo herum. Sie ist dürr; ausgemergelt. Ihre Rippen sind sichtbar. Sie ist zerbrechlich und zum Tode verurteilt. In jeder anderen Situation wärst du rot angelaufen. Aber ihr Körper scheint der Schlüssel zu allem sein. Zumindest scheint Chloe daran zu glauben. „Du solltest doch alle Antworten haben, oder? Dann sag' mir wie's endet.“   „Ich weiß es nicht.“   „Du weißt es nicht. Kein gottverdammter Mensch hat eine sch-.“ Sie reibt ihr Gesicht und atmet schwer aus. „Gott“, flüstert sie. Sie steht auf, holt sich eine Zigarette und läuft durch den Raum. „Fuck, man, dafür hab' ich nicht genug getrunken.“   Vorsichtig fasst du deine Nase an, als wäre sie gerade eben wieder zusammengeschustert worden. Sie tut nicht weh, als wäre nichts gewesen. Wie lange bist du weg gewesen? Hat dich irgendjemand vermisst als du von deiner Piratenfreundin entführt worden bist? Du hebst dein Kissen etwas an und lehnst deinen Kopf gegen. Soweit du weißt könnte jetzt Freitagmorgen sein. Bei dem Glück, das du in letzter Zeit gehabt hast, ist das der Fall. Und ihr habt noch keine Möglichkeit gehabt das aufzuhalten oder Mysterien zu lüften. „Ich versteh' schon. Du glaubst, dass du dazu verdammt bist zu sterben. Du hast ja auch eine miese Neigung dazu. Aber warum? Möchtest du nicht weiterleben?“   „Duh.“ Chloe dreht sich um. „Ich hab' scheiße viel Angst. Ich tu' nur so tapfer. Ich möchte nicht- ich will nicht sterben. Nicht jetzt. Nicht hier in dieser scheiß Stadt. Wär' ziemlich nett, wenn du 'ne Lösung findet würdest. Nur damit du das weißt.“ Sie hört sich an, als würde sie gleich weinen. „Aber hey, kein Druck.“   „Ich bin schon dabei“, sagst du. „Aber ich habe es satt alle zu retten, wenn ich es nicht muss. Sorge bitte dafür, dass ich zumindest dich nicht mehr retten muss. Keine Opfer mehr. Bitte. Es wird so nicht endet. Wir werden so nicht enden.“   „Ja“, Chloe stimmt dir zu. „Ja.“   Sie zögert, lässt ihren Blick durch den Raum wandern. Es ist nicht schwer für sie diese Ideal über Bord zu werfen. Wahrscheinlich hat sie es ohnehin nicht gewollt. Das aber heißt, dass sie das nicht alleine schaffen kann. Sie kann Arcadia Bay nicht einfach fallen lassen, wie eine leere Flasche. Sie und die Stadt sind verbunden. Sie werden gemeinsam wachsen und fallen. Die Offenbarung ist schwer zu schlucken. Du wünschst dir, dass du es wie Wasser einfach abschütteln könntest. Du wirst hier bei ihr bleiben. Auch wenn das der letzte Nagel in Arcadia Bays Sarg ist. Du hast Angst vor der Wahrheit.   „Lass uns ein wenig schlafen.“   ----------------------------------------------------------   Psithurism (engl.): das Geräusch vom Wind zwischen den Bäumen.   Wie immer hoffe ich, dass euch der OS gefallen. Feedback ist immer gerne gesehen :D Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)