Gildenmomente von Yosephia (Auszüge eines Epos') ================================================================================ Geheimes - Die Pflichten eines Masters -------------------------------------- Der Schrei hallte über das gesamte Schlachtfeld. Über Leichen und Verletzte hinweg. Über Trümmer und Waffen und Krater magischer Attacken hinweg. Tief ins Mark drang er vor, bohrte, stach, presste. Rogue war auf den Beinen, bevor er überhaupt darüber nachdenken konnte, aufzustehen. Alle Erschöpfung war wie fortgeblasen. Sein Herz raste, sein Blick huschte panisch über die herumstehenden und –sitzenden Magier von Sabertooth und Blue Pegasus. Dann war Sting an seiner Seite, seine blauen Augen extrem geweitet. Rogue erkannte in ihnen dieselbe Angst, die auch ihm das Herz zusammen presste. „Minerva!“, rief Sting heiser und eilte weiter, Rogue auf den Fersen. Lector drückte sich von Stings Schulter ab und breitete seine Flügel aus, um über das Schlachtfeld hinweg zu fliegen und nach der Tochter des ehemaligen Gildenmasters zu suchen. Sein Flug schlingerte und war sehr niedrig. Auch der Exceed hatte sich während der Kämpfe gegen die Alvarez-Soldaten völlig verausgabt. Frosch in Rogues Armen schlief schon tief und fest. Nicht einmal Rogues hektische Bewegungen vermochten sie zu wecken. Am Rande nahm Rogue wahr, dass Pantherlily und Levy von Fairy Tail mit verstörten Mienen nebeneinander saßen, und ihm wurde übel, während er an ihnen vorbei hastete. Wenn dieser Krieg einen Drachentöter zum Opfer haben konnte, wie könnte dann Minerva sicher sein, egal wie mächtig sie war? Wie hatte er sich eben noch einfach hinsetzen und verschnaufen können, wo er doch gar nicht wusste, wie es um all seine Kameraden stand? Ein weiterer Schrei ließ Rogue zusammenzucken. Lectors Flügel lösten sich in Luft auf und der Exceed stürzte aus niedriger Höhe zu Boden. Sting und Rogue beschleunigten und hielten auf die Stelle zu, wo Lector gelandet sein musste. Zuerst erkannte Rogue eine junge Frau mit sehr knappem Outfit und weißen Haaren, die ihm sehr bekannt vorkam. Blut klebte an ihren Armen und hatte ihr Gesicht bespritzt, aber sie schien nicht verletzt zu sein. Ihre braunen Augen waren beängstigend starr. Um sie herum standen einige sehr kuriose Gestalten. Ein Bohnenstangentyp mit Irokesen und spitzer Sonnenbrille. Ein Mann mit seltsam kantigen Gesichtszügen und weißem Lockenhaar, der mit sich zu ringen schien, ob er der Frau eine Hand auf die Schulter legen sollte. Ein Weiß-Schwarzhaariger von schlanker Statur mit verschlossener Miene. Und ein Hüne mit breiten Schultern, wilden dunkelbraunen Haaren, stark gebräunter Haut und einer Narbe, die sich über das rechte Auge zog. Sie alle blickten zu Boden, wo Lector kniete und an einer Hand schüttelte und zerrte und dabei bitterlich weinte. Eine kleine, zierliche Hand. Eine vollkommen schlaffe Hand. Neben Lector kniete Minerva, zusammen gekrümmt und mit bebenden Schultern. Nie zuvor hatte Rogue die Lady von Sabertooth derartig aufgelöst gesehen. Als er noch zwei Schritte näher kam, erkannte er jedoch den Grund dafür. Auf einmal fühlte er sich schrecklich taub. Wie versteinert stand er da und starrte, versuchte irgendwie, dieses unfassbare, unmögliche Bild zu verarbeiten. Vieles hatte er in dem Moment befürchtet, als er Minervas Schrei gehört hatte, aber nicht das! Irgendwo hinter sich hörte er Mirajane gequält krächzen und aus dem Augenwinkel sah er, wie Orga in die Knie ging. Erst als Sting sich in Bewegung setzte, wurde Rogue aus seiner Starre gerissen. Er folgte seinem Partner bis zu der kleinen Gruppe am Boden und beobachtete aus nächster Nähe, wie Sting sich neben den Leichnam kniete und ganz langsam Yukinos blicklose Augen schloss… Der Platz vor der Kardia Kathedrale war überfüllt mit Magiern von Fiores größten und stärksten Gilden, aber es war dennoch gespenstisch still. Das Augenmerk aller war auf die Scheiterhaufen im Zentrum des Platzes gerichtet, wo die Toten aufgebahrt waren. Einer für jede Gilde. Fairy Tails Scheiterhaufen war leer, gleichwohl stand auch Master Makarov mit einer Fackel zwischen den anderen Gildenmastern, die Miene steinern. Gajeels Körper mochte nicht verbrannt werden können, aber es stand außer Frage, deshalb keinen Scheiterhaufen für ihn zu errichten. Auf dem Scheiterhaufen von Sabertooth lag Yukino. Jemand hatte sie vom Schmutz der Schlacht gereinigt und ihr saubere Sachen angezogen, was den Gedanken, dass sie tatsächlich tot war, noch viel unwirklicher für Rogue machte. Er stand zwischen seinen Kameraden, in seinen Armen Frosch und Lector, die Beide weinten, wie sie es schon seit Tagen immer wieder taten. Neben ihm war Minerva. Sie weinte nicht mehr, aber ihr Rücken war unnatürlich gerade, ihre Hände zu zitternden Fäusten geballt, ihre Lippen aufeinander gepresst. Seit Yukinos Tod war sie nicht dazu in der Lage gewesen, zu erklären, was vorgefallen war. Der Drachentöter Cobra von Crime Sorcière hatte es ihnen erzählt. Die Kämpfe waren zu großen Teilen bereits beendet gewesen, als Yukino und ihre ältere Schwester Sorano einander begegnet waren, letztere in Begleitung ihrer Gildenkameraden. Nach all den Jahren hatten die Schwestern einander endlich wieder gefunden und in dem Moment, da sie das Wort aneinander hatten richten wollen, hatte ein Alvarez-Soldat Sorano angreifen wollen. Yukino hatte sich einfach dazwischen geworfen. Keiner hatte schneller reagieren können. Nicht einmal Minerva, die sich während der Schlacht völlig verausgabt hatte. Rogue hatte das Gefühl, dass sie dennoch glaubte, versagt zu haben, und er fragte sich, ob sie jemals darüber würde hinweg kommen können. Langsam ließ Rogue den Blick schweifen. Überall sah er starre Mienen und gerötete Augen. Manch einer sah aber auch so wütend aus, als würde er gleich um sich schlagen. Zuallererst Natsu, der sich wohl nur deshalb zurückhalten konnte, weil Lucy neben ihm zitterte und stumme Tränen vergoss. Ganz am Rand standen Jellal und seine Kameraden von Crime Sorcière. Sorano stand zwischen Cobra und Sawyer, ihre Miene so starr wie schon an jenem Tag der Schlacht. Rogue war sich nicht einmal sicher, ob sie seitdem auch nur einmal geblinzelt hatte. Er wandte den Blick auch von Sorano ab. Ihre Ähnlichkeit zu Yukino stach ihm tief ins Herz und hier und jetzt wollte er nicht weinen. Frosch und Lector brauchten ihn. Wie auf ein stummes Zeichen hin setzten sich die Gildenmaster in Bewegung, jeder mit einer Fackel in der Hand. Sie traten an die Scheiterhaufen heran und synchron entzündeten sie das aufgeschichtete Holz. Gierig fraßen sich die Flammen über das trockene Reisig bis zu den aufgebahrten Körpern, leckten über deren Kleidung und Haare und schließlich über deren Haut. Von irgendwoher erklang ein gequältes Schluchzen und wie das Steinchen, das die Lawine auslöste, ließ dieser Laut weitere Laute folgen. Schluchzen und Jammern, Rufe und Klagen, sogar Schreie. Unwillkürlich drückte Rogue die beiden Exceed fester an seine Brust, verbarg sie unter seiner Robe, um ihnen den Anblick der unzähligen Trauernden zu ersparen, die in die Knie gingen, sich die Haare rauften oder sich an ihre verbliebenen Freunde klammerten. Durch die Feuer hindurch betrachtete der Schattenmagier Sting, der regungslos zwischen Makarov und Kagura stand, den Blick auf Yukinos brennenden Leichnam gerichtet. Während Makarov keinen Hehl aus seiner Trauer machte und auch Kagura die Tränen über die Wangen liefen, blieb Sting gefasst, selbst sein Blick blieb ruhig. Dabei konnte Rogue sich nicht vorstellen, dass sein Partner tatsächlich nichts bei diesem Schauspiel empfand. Yukino war ihrer Beider Freundin gewesen. Zusammen mit Minerva hatten die Vier mehrere anspruchsvolle Missionen gemeinsam gemeistert und hatten ein starkes Vertrauen zueinander entwickelt. In Krisensituationen war es oft ausgerechnet Yukino gewesen, die den kühlen Kopf bewahrt und sie dazu aufgerufen hatte, ihre Kräfte zu kombinieren. Und an jenem Tag der Schlacht nur wenige Stunden vor ihrem Tod war es auch Yukino gewesen, die Sting wieder auf die Beine geholfen hatte… Nur schwach noch schwelten die Feuer. Die Leichen waren längst nur noch Asche, aber einige der Trauernden waren noch immer da. Von Crime Sorcière waren nur noch Jellal und Meredy da, die Anderen waren irgendwann verschwunden – und Rogue glaubte, gesehen zu haben, wie Soranos Schultern im Gehen langsam herab gesunken waren. Er bezweifelte, dass er Yukinos Schwester jemals wieder sehen würde. Wahrscheinlich wollte sie das selbst nicht. Wer könnte es ihr verübeln? Sting wandte sich an Makarov. Sie tauschten einige Worte und einen festen Händedruck aus, dann ging Sting um die Feuerüberreste herum zu seiner Gilde. Er klopfte Rufus auf die Schulter, der sich seinen Hut tief ins Gesicht gezogen hatte, und legte Orga eine Hand auf den Rücken, der mit bebenden Fäusten da stand. Ähnlich verfuhr er mit einigen der anderen Gildenmitglieder und sie alle schienen sich danach etwas zu entspannen. Irgendwie schaffte Sting es mit diesen wenigen Gesten, seine Kameraden aufzubauen. Sie trauerten noch immer, keine Frage, aber in ihre Mienen kehrte die Entschlossenheit zurück, Yukinos Opfer nicht umsonst gewesen sein zu lassen. Rogue und Minerva jedoch nickte Sting zunächst nur zu und ging weiter zu Natsu und Lucy, die nach wie vor ganz in der Nähe standen. Langsam holte der Gildenmaster aus seiner Jackentasche ein kleines Lederetui hervor und hielt es Lucy hin. „Ihr ward beide Stellargeistmagierinnen und Freundinnen. Yukino hätte sicher gewollt, dass du ihre Schlüssel bekommst“, erklärte Sting mit angerauter Stimme. Zitternd schloss Lucy beide Hände um das Etui und presste es an ihre Brust. Sie öffnete die Lippen, aber es kam nur ein schwaches Krächzen zustande, ehe sie erneut in Tränen ausbrach. Das riss Natsu aus seiner Trance ohnmächtiger Wut. Der Feuermagier zog seine Partnerin in seine Arme und strich ihr beruhigend über Haare und Rücken. Über Lucys Kopf hinweg nickte er Sting zu. „Wir werden auf Yukinos Freunde aufpassen, versprochen.“ „Daran zweifle ich nicht“, sagte der Blonde und erwiderte das Nicken. Behutsam führte Natsu seine bitterlich weinende Freundin vom Platz. Sting hingegen wandte sich als nächstes an Minerva, die sich seit der Entzündung der Leichenfeuer kein einziges Mal gerührt hatte. Vorsichtig legte er ihr die Hände auf die Schultern und blickte ihr direkt in die Augen. „Minerva, es war nicht deine Schuld. Niemand hätte etwas tun können. Die Schlacht war bereits vorbei, alle waren erschöpft. Keiner hätte das vorhersehen können“, erklärte Sting ungewohnt sanft, aber sehr eindringlich. Langsam hob Minerva den Blick. Von der Seite konnte Rogue sehen, wie ihre Miene zuckte. Schmerz und Trauer flackerten immer wieder auf, aber noch versuchte die Schwarzhaarige, die Haltung zu wahren. „Sie war meine Kameradin“, krächzte Minerva. „Wir haben Seite an Seite gekämpft und im entscheidenden Moment…“ „Es war nicht deine Schuld“, wiederholte Sting unnachgiebig. „Yukino würde nicht wollen, dass du dir etwas anderes einredest. Sie würde wollen, dass du weiter machst.“ Angespannt beobachtete Rogue, wie Minerva mehrere Sekunden lang um ihre Fassung rang, aber Stings Worte hatten in ihr genau die richtige Saite zum Klingen gebracht. Ihr kamen die Tränen und sie begann immer stärker zu zittern. Als Sting sie vorsichtig umarmte, ließ sie es zu und Rogue war unwillkürlich erleichtert. Auch für Minerva war es noch ein langer Weg, bis sie wieder richtig auf die Beine kam, aber sie würde es schaffen. Dafür hatte Sting heute gesorgt… Die Gildenhalle von Sabertooth war ein stillerer Ort ohne Yukino. Wohin Rogue auch blickte, überall fühlte er sich an die Weißhaarige erinnert. Wie sie an der Bar mit Minerva getuschelt hatte. Wie sie mit ihm und Sting an einem der Tische gesessen und einen Auftrag studiert hatte. Wie sie in einer ruhigen Ecke über Landkarten gebrütet oder Briefe geschrieben hatte. Wie sie mit ihren Gildenkameraden gelacht und gefeiert hatte, getrunken und getanzt. Wie ein Geist erschien Yukino ihm einfach überall und er war sich sicher, dass es seinen Kameraden genauso erging. Dennoch ging das Gildenleben weiter. Sting war organisierter, als Rogue ihn jemals zuvor erlebt hatte, vergab lauter Gruppenaufträge, erstellte teilweise sogar selbst welche, pflegte den Kontakt zu den anderen Gilden und war irgendwie immer da, sobald jemand Probleme zu haben schien. Für seine Kameraden war er jetzt genau der Gildenmaster, den sie so dringend brauchten. Seit zwei Wochen beobachtete Rogue diese Entwicklung. Er sah, wie seine Kameraden langsam wieder auf die Beine kamen. Die Aufträge, die Sting ihnen gab, schienen ihnen zu helfen. Die Gilde rückte näher zusammen, hielt fester zusammen als je zuvor, wuchs in gewisser Weise an diesem furchtbaren Verlust. In all dieser Zeit hatte Sting jedoch kein einziges Mal getrauert. Als wäre er mit Haut und Haar zu dem Fels in der Brandung geworden, den seine Gilde brauchte, und hätte dafür sein Herz erhärten lassen. Rogue dämmerte allmählich, dass diese Stärke Yukinos letzten Worten an Sting zu verdanken war, aber dass er dabei seine eigenen Gefühle verschloss, hatte sie gewiss nicht gewollt. Müde betraten Rogue und Minerva die Gildenhalle. Sie waren mit Teams von Lamia Scale und Fairy Tail in Crocus gewesen, um dort dem Verdacht nachzuforschen, ob sich tatsächlich Alvarez-Soldaten eingeschleust hatten. Rogue hatte auf Stings Bitte hin neben Frosch auch Lector mitgenommen. Der Exceed brauchte das Abenteuer und Sting musste seinen Pflichten als Gildenmaster nachkommen. Jetzt lagen die beiden Exceed leise schnarchend in Rogues Armen. Es war bereits ganz schön spät und entsprechend leer war die Gildenhalle. Rufus und Orga saßen an der Bar, jeder mit einem Krug Bier in der Hand. Als sie Rogue und Minerva bemerkten, lehnte Orga sich über die Theke und zapfte für die Beiden ebenfalls Bier. „Wo ist Sting?“, wollte Rogue wissen, nachdem er die beiden Exceed in seinen Mantel gewickelt und auf die Theke gelegt hatte. „Hinten. Vorhin ist noch ein Schwall Aufträge herein gekommen und er wollte das gleich überprüfen“, erklärte Rufus ruhig, aber Rogue meinte, unter der breiten Krempe des Huts die Andeutung eines Stirnrunzelns ausmachen zu können. „Hn…“ In Rogue reifte ein Entschluss heran. Er hatte lange genug gewartet! Er beugte sich über die Theke und zapfte ein weiteres Bier. „Passt bitte auf Lector und Frosch auf“, sagte er zu seinen Kameraden, dann ging er mit den beiden Krügen zu dem kleinen Hinterzimmer, in welchem Sting immer den ganzen Papierkram bewältigte. In der kleinen Kammer war die Luft stickig und außer zwei schwachen Lacryma gab es keine Lichtquellen. Sting saß am Schreibtisch, vor ihm ausbreitet mehrere Stapel mit Aufträgen, in seiner Hand eine Schreibfeder, sein Blick auf einen weiteren Auftrag gerichtet. Sofort spürte Rogue, dass etwas nicht stimmte. Er stellte die Humpen auf einer freien Stelle des Tisches ab und ging um selbigen herum, um über Stings Schulter hinweg einen Blick auf den Auftrag zu werfen. ‚Suchen Stellargeistmagier/in für eine Schulaufführung’, hieß es dort. Der altbekannte Schmerz der Trauer stieg wieder in Rogue an, aber er kämpfte dagegen an und zog das Blatt unter Stings Händen weg, um es sehr sorgfältig in Fetzen zu reißen. Der Gildenmaster ließ vor Schreck die Feder fallen und blickte auf. Seine Augen wirkten beängstigend starr und er schien krampfhaft darum bemüht, nicht zu blinzeln. „Hey, ich muss den Auftraggebern eine Antwort schreiben, wenn ich die Mission nicht aushängen will“, erklärte er mit heiserer Stimme. „Musst du nicht“, erwiderte Rogue und warf die Fetzen hinter sich, ohne den Blickkontakt zu Sting abzubrechen. „Yukino war auch deine Freundin. Du musst nicht so tun, als würdest du nicht trauern.“ Der Lichtmagier wandte unbehaglich den Blick ab und langte über den Tisch hinweg nach einem der Bierkrüge, um einen Schluck zu sich zu nehmen. „Ich tue nicht so, als würde ich nicht trauern. Ich bin der Master, ich muss für die Gilde da sein“, nuschelte er und starrte in die goldene Flüssigkeit. „Aber du lässt deine Trauer auch nicht zu. Nicht einmal jetzt. Das hätte Yukino nicht gewollt“, benutzte Rogue absichtlich genau die Worte, die sein Partner nach Yukinos Bestattung bei Minerva gebraucht hatte. Wieder zuckte Sting zusammen und verschüttete dabei etwas Bier, dann knallte er den Krug auf den Tisch, wobei das Bier überschwappte und mehrere Aufträge ertränkte, ehe er sich abrupt aufrichtete und Rogue am Kragen packte. „Yukino hätte das alles nicht gewollt! Yukino wollte leben und ihre Schwester finden!“, brüllte Sting und schüttelte seinen Gegenüber. „Yukino wollte nicht sterben! Sie wollte uns nicht alleine lassen!“ Rogue ließ seinen Partner gewähren und wartete ab, bis dieser ihn los ließ und wieder auf seinen Stuhl zurück sackte. Stings Brustkorb hob und senkte sich schwer, als hätte der Magier sich völlig verausgabt, und die Hände verkrampften sich um die Stuhllehnen, was jedoch nicht ausreichte, um ihr Zittern zu kaschieren. „Aber sie ist gestorben. Für Fiore. Für Sabertooth. Für ihre Schwester. Und für uns“, erklärte Rogue leise und umfasste Stings Gesicht, um den Blonden dazu zu bringen, ihn wieder anzusehen. Seine eigene Kehle fühlte sich eng an, als er sprach. „Du warst in den letzten Wochen der Gildenmaster, von dem sie damals gesprochen hat. Sie wäre bestimmt stolz auf dich. Aber sie hätte niemals gewollt, dass du deine Trauer in dich hinein frisst.“ Sting wehrte sich gegen Rogues Griff, aber es war kaum mehr als ein halbherziger Versuch. Der Blonde verlor immer mehr die Kontrolle über sich und schließlich gab er den Kampf gegen die Tränen auf und krümmte sich gequält zusammen. Sofort ließ Rogue ihn los und trat einen Schritt zurück, um ihm den Raum zum Trauern zu geben, den er so dringend brauchte. Stings Hände verkrampften sich in den unordentlichen Haaren und die Schultern bebten immer stärker, während die Tränen zu Boden tropften. Rogue versuchte nicht, ihn zu beruhigen. Er blinzelte nur seine eigenen aufkommenden Tränen fort und blieb in unmittelbarer Nähe zu Sting stehen. Hier und jetzt brauchte Sting keine Umarmung, sondern die Möglichkeit, seiner Trauer Luft zu machen. Zwei Wochen lang hatte er es sich verboten, der Trauer um Yukino nachzugeben, aber jetzt ließ er sie endlich raus. Er weinte und schluchzte und wimmerte den Namen der verlorenen Kameradin. Und Rogue blieb bei ihm. Bereit für das, was danach kommen musste. Bereit dafür, Stings Rückhalt zu sein, so wie Sting der seine schon immer gewesen war. Er hatte nie die Gelegenheit gehabt, darüber mit Yukino zu reden, aber er war sich sicher, dass sie bei den Worten, die sie damals an Sting gerichtet hatte, um diesen zur Besinnung zu bringen, auch daran gedacht hatte, dass Sting der Gildenmaster sein konnte, der er sein musste, weil er Rückhalt hatte. Rogues Rückhalt. Es hätte dafür nicht Yukinos Tod gebraucht, um das dem Schwarzhaarigen klar zu machen. Er wünschte sich sehnlichst, Yukino wäre immer noch bei ihnen, aber gerade weil sie es nicht war, stand für ihn mehr denn je fest, dass er für Sting da sein musste. Jetzt und für alle Zeit. Er war Stings Partner, der Geheimniswahrer seiner Tränen, sein Stützpfeiler, damit Sting die Pflichten des Gildenmasters so erfüllen konnte, wie er es sollte, und dennoch er selbst bleiben konnte. Rogue war sich sicher, dass Yukino sich genau das damals gewünscht hatte…! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)