Alles rein geschäftlich! von Hotepneith (Izayoi und der Höllenhund) ================================================================================ Kapitel 13: Die Erbin --------------------- Izayoi betrachtete die Urne ihres Vaters, als sie die Räucherstäbchen anzündete und Gebete für seine gute Reise in das Jenseits murmelte. Drei Wochen war er jetzt tot.... Langsam hatte sie sich daran gewöhnt allein zu sein. Sicher, Onigumo rief sie jeden Tag an, die Diener hier im Haus wandten sich nach wie vor an sie mit Fragen – aber es gab eigentlich nichts, was sie zu tun hatte. Die Anwälte waren dabei das Testament abzuwickeln, nun ja, sie war die Alleinerbin, das war nicht so schwer. Moment. Vater war jeden Tag in seine Firma, in sein Büro gefahren. Wenn sie jetzt die Erbin war – warum hatte sie da nichts zu tun? Gab es etwa nichts was sie unterschreiben musste? Wie lief das eigentlich ab? Sie beendete das wöchentliche Totengedenken und erhob sich. Sie sollte einmal in die Firma fahren. Auch Onigumo hatte schon so eigenartig gefragt, wer jetzt das Unternehmen leite – aber er war natürlich vorsichtig, seit sie ihn wegen der Verlobungsfrage auf der Trauerfeier derart angefaucht hatte. Er hatte sich später entschuldigt, das sei eben das Erbe seiner Mutter und Youkai wären nüchterner, würden kaum Emotionen kennen. Er hatte sogar gesagt keine, aber sie musste sich nur an das kleine Hundemädchen im Park erinnern, wie stolz ihre Mutter und alle anderen darauf gewesen waren. Selbst der Inu no Taishou hatte ein Kompliment gemacht. Sie hatte die Entschuldigung ihres Cousins angenommen. Sie selbst war übermüdet gewesen, traurig – und hatte wohl auch überreagiert. Jetzt sollte sie aber wirklich ihrer Idee nachgehen. Wer lenkte eine Aktiengesellschaft nach dem Tod ihres Besitzers? Oder, korrekter, des Hauptaktionärs? Stunden später hätte sie sich gern ihre Haare gerauft, aber das war kaum schicklich. Hauptversammlung, Aktienrecht, Vorstand und Aufsichtsrat... Jedenfalls bekam sie nach ihren Internetrecherchen zweierlei mit: ihr Vater war im Aufsichtsrat gewesen und gleichzeitig der agierende Vorstand. Jetzt musste die Hauptversammlung aller Aktionäre also ein neues Aufsichtsratsmitglied wählen – und der Aufsichtsrat einen Vorstand bestimmen. Wieso war da noch nichts geschehen? Oder konnte das erst passieren, wenn die Aktien auf sie übertragen worden waren, ihren Namen trugen? Schwebte momentan alles in der Luft? Schön. Sie sollte einmal mit Vaters engsten Mitarbeitern im Unternehmen reden, sie hatte die vier älteren Herren ja vorgestellt bekommen. Und sie sollte seine persönlichen Dinge aus seinem Büro entfernen. Sie stand auf: „Mayoko, ich brauche Takemaru für eine Fahrt.“ Die Arbeitnehmer im Fukuwara-Stammsitz wussten, wer sie war – aber zumindest die engsten Mitarbeiter des verstorbenen Fürsten machten kein Hehl aus ihrer Überraschung als die Prinzessin auftauchte. Izayoi erklärte die persönlichen Habe abholen zu wollen, ehe sie sich nebenbei erkundigte, wer momentan unterschreibe. „Niemand, Izayoi-sama,“ erklärte der Älteste: „Kanave hier wird Ihnen zur Hand gehen beim Aufräumen. - Sie werden eine Einladung zur Hauptversammlung erhalten, sobald geklärt ist, offiziell, natürlich nur, wie viele Aktien Sie besitzen. Ich vermute, dass Sie dann erst einmal in den Aufsichtsrat gewählt werden, zumindest, solange Sie nicht verheiratet sind. Dann wird der Aufsichtsrat einen Vorstandsvorsitzenden vorschlagen. Ich denke Ihr dann anzunehmener Gatte wird es werden. Soweit ich informiert bin hatte Fürst Fukuwara...ich meine, er dachte an jemanden.“ „Ja.“ Was sollte sie schon sagen. Niemand traute ihr zu selbst etwas zu tun. Wobei, die Leitung solch einer Firma wäre wohl für jemanden, der keinerlei Ahnung besaß, auch fatal für alle. „Es erwarten also alle, dass ich bald heirate...noch in der Trauerzeit?“ Da das ein wenig seltsam klang, meinte Kanave eilig: „Nun, es gibt Notwendigkeiten, Izayoi-sama...Natürlich nicht in den ersten fünfzig Tagen, das ist selbstverständlich. Niemand bezweifelt, dass Sie um Fürst Jiro trauern. - Darf ich Sie in das Büro begleiten?“ Sie nickte nur. Ja. Es war wohl im Interesse aller, wenn sie möglichst rasch dafür sorgte, dass sich jemand um das Geschäft kümmern konnte. Kanave....doch, den hatte ihr Vater besonders erwähnt. Er hatte gemeint dieser sei seine wahre rechte Hand, als er ihn ihr vorgestellt hatte. So fragte sie im Büro: „Es gehen alle davon aus, dass ich meinen Cousin heiraten werde, nicht wahr?“ „Soweit ich informiert bin war das der Wunsch Ihres ehrenwerten Vaters, Izayoi-sama. Und, mit Verlaub, Ihnen fehlt die Ausbildung.“ „Dessen bin ich mir bewusst.“ Sie öffnete den Schreibtisch. Nun, es gab praktisch nichts persönliches hier, sah man von einem Bild ab, das ihr das Herz zusammenpresste. Mutter, Vater, ihr Bruder und sie als Baby.....Eine glückliche Familie, keine zwanzig Jahre war es her, als sie dort im Ferienhaus am Meer gewesen waren. Und jetzt lebte nur noch sie allein. „Sobald das Testament vollzogen ist wird die Einladung zur Generalversammlung ausgeschickt,“ erklärte Kanave derweil. „Ich bin die Hauptaktionärin, dann.“ Die Einzige, die noch am Leben war von ihrer Familie. „Äh, Izayoi-sama....“ Sie wandte sich um, ein kaltes Gefühl in der Magengegend, jedoch zu streng erzogen um es zu zeigen: „Gibt es da etwas, das ich unbedingt wissen sollte, ehe ich eine wie auch immer geartete Entscheidung treffen muss?“ Kanave, ein Mann Ende der Fünfzig, seufzte: „Der Herr hatte keine Gelegenheit mehr es Ihnen mitzuteilen...“ De Prinzessin sah ihn an: „Bitte, halten Sie mich nicht für töricht.“ Nein. Er musterte sie kurz. Nein, dumm war sie nicht. Unerfahren, bestimmt. Aber er musste es ihr sagen: „Vor zwei Jahren verkaufte der Herr Aktien, zuvor besaß er einundfünfzig Prozent, danach nur noch fünfundvierzig. Dies geschah, um den neuen Freizeitpark zu finanzieren. Fürst Jiro wollte die Aktien bald zurückkaufen, aber das...aufgrund unglücklicher Verkettungen gelang ihm das nicht. Und das bedeutet...“ „Danke. Ich bin mir durchaus bewusst, dass einundfünfzig und fünfundvierzig ein bedeutender Unterschied ist.“ Das war nicht gut, dachte sie. Das Eine sicherte die absolute Mehrheit, das Andere...nun ja. Es war wohl kaum auszugehen, dass sich alle gegen sie stellen würden. Oder gab es noch einen Punkt? „Wer hat denn noch viele Aktien?“ „Wir suchen noch. Nachdem die Todesnachricht bekannt wurde sank der Kurs rapide, da einige Leute wohl in sinnloser Panik verkauften. Da aber in großen Mengen Aktien auch gekauft wurden, stabilisierte sich der Kurs. Soweit wir bislang nachvollziehen konnten, wurden weltweit von verschieden Banken und Maklern gekauft – aber es bleibt abzuwarten in wessen Namen so alles. Diese Nachrichten werden demnächst kommen. Das muss übrigens auch noch herausgefunden werden, ehe die Versammlung einberufen werden kann. Ich kann Ihnen jedenfalls sagen, dass hier in der Stadt der Taishou-Konzern kaufte.“ Der Herr der Hunde, er hatte gesagt, er wolle sich in Vaters Namen um sie kümmern. Hatte er gekauft um die Firma zu stabilisieren? Oder weil er investieren wollte? „Wie viele?“ „Drei Prozent. Aber wir müssen noch die Namen der anderen Käufern mitgeteilt bekommen. Das geschieht in diesen Tagen wenn die Banken schreiben. Dann wissen wir mehr.“ „Drei Prozent würde nicht ausreichen um mir die Mehrheit zu sichern. Aber es würde eine Gegenstimme erschweren,“ überlegte sie laut. „Das ist wahr, Izayoi-sama. Allerdings – der Taishou ist ein Konkurrent. Machen Sie sich jedoch keine Sorgen. Sie sind und bleiben die wichtigste Person.“ Warum hatte Vater dann die Aktien zurückkaufen wollen? Nun ja, die absolute Mehrheit war eben besser als eine relative und falls sich alle anderen einig wären...gleich. „Erzählen Sie mir noch wie so eine Versammlung abläuft.“ Onigumo sah aus dem Fenster seines Büros in seinem Hotel. Izayoi war schwer zu fassen, stellte er fest. Ob das an ihrer Verunsicherung und Trauer lag? Er rief sie jeden Tag an, aber sie lud ihn nicht zu sich ein, war höflich, aber gab durch nichts ein Zeichen, dass sie einer Verlobung zustimmen würde, erklärte keine gemeinsamen Zukunftspläne....Nach der kleinen Szene bei Onkels Todesfeier hielt er sich auch damit zurück. Womöglich wollte sie wirklich erst nach den ersten neunundvierzig Tagen darüber mit ihm reden, so konservativ, wie sie erzogen worden war. Das hatte er bei seinem Vorschlag missachtet. Auf die Zeit danach hatte er auch den Unfall Takemaru Setsunas verschoben, aus einem einfachen Grund. Stimmte seine Cousine danach einer Heirat zu, hatte ihr Leibwächter womöglich keinen Unfall nötig, gut für alle Beteiligten. Lehnte sie ab, musste der Kerl auf jeden Fall sterben – und dann hatte er auch bereits einen Einfall gehabt, wie man dessen Tod und Izayois notwendiges Verschwinden erklären konnte. Er selbst, als letzter Verwandter der Fukuwaras, musste nichts weiter tun als sie für vermisst erklären und die zehn Jahre bis zu ihrer Todeserklärung abwarten, dann erben. Als Hanyou hatte er Zeit. Natürlich dufte er direkt weder mit dem einen Tod noch dem anderen etwas zu tun haben um die Polizei und ihre Youkai irre zu führen. In jedem Fall musste das alles geklärt sein ehe es zur Aktionärsversammlung kam. Izayoi musste ihn dann nur vorschlagen, verheiratet oder nicht. Aber offenbar dauerte das alles. Er kannte sich mit Aktienrecht nicht so gut aus, aber er hatte nachgelesen und wusste, dass gewisse Fristen mit der Einladung verbunden waren. Dennoch, er sollte vorbereitet sein für alle Fälle. Er griff in seinen Schreibtisch und suchte eine Handynummer, ehe er eine Nachricht tippte. Tsubaki war eine ehemalige Apothekerin und ehrenamtliche Priesterin, der ihre kleinen Giftmischereien mehr als Ärger eingebracht hatten, angefangen bei Entzug ihrer Lizenz. So verkaufte sie jetzt ihre Gemenge illegal an gute Kunden. Ihre Kenntnis würde ihm helfen. Vielleicht war das sinnlos ausgegebenes Geld, aber es war besser auf alles vorbereitet zu sein. „Oyakata-sama...“ Der Inu no Taishou, der gerade von einem Geschäftsessen zurückkehrte, spürte ein leichtes Gewicht auf seinem Schulterfell und stieg in das Auto, wartete, bis der Chauffeur die Tür schloss: „Myouga.“ Der Flohgeist sprang auf den Oberschenkel seines Herrn: „Prinzessin Fukuwara war heute in ihrem...nun, im Konzern.“ Diesen überwachte er augenblicklich „Holte sie die privaten Dinge Fürst Jiros ab?“ „Auch, wenn auch nur eine Tasche, soweit ich sah. Aber mir gelang es mit ihr und einem Berater des Fürsten im Büro zu bleiben. Sie erkundigte sich, wer momentan die Leitung habe, wie das mit der Generalversammlung ablaufe. Dieser Kanave teilte ihr auch mit, dass Fürst Jiro Aktien verkauft habe und Sie, oyakata-sama, gekauft. Er sprach allerdings von drei Prozent.“ „Nun, da irrt er. Aber das erklärt, warum sie noch keine Einladungen verschickt haben. Sie benötigen die Namen der neuen Eigentümer. Ich denke, sie werden den nächsten Monatsersten als Sperrfrist für Aktienkäufe und -verkäufe wählen und nach vier Wochen dann die Außerordentliche Versammlung abhalten. Dann sind auch die engeren Trauerwochen um. Jiro hat fähige Mitarbeiter, will mir scheinen.“ „Wie viele Aktien besitzen Sie nun?“ „Acht Prozent.“ Zu mehr hatte das vorhandene Geld nicht ausgereicht. „Also ein Hauptaktionär. Möchten Sie selbst in den Aufsichtsrat oder den Vorstand?“ „Aufsichtsrat wäre passend.“ Dann könnte er auch mitbestimmen wer Vorstand würde und dem auf die Finger sehen, gleich, ob Onigumo oder ein Anderer. Hm. Das wäre eigentlich eine Idee. Oder auch nein – Sesshoumaru könnte sich im Fukuwara-Konzern zwar einüben, aber sein Sohn und nur Menschen? Das würde kaum gut gehen. Nun, er sollte sich eine Taktik überlegen, je nachdem, ob Izayoi Onigumo vorschlug oder nicht, ob sie heiraten würden oder nicht. Denn er war sicher, dass der Hanyou dies ebenfalls tat. Der war kein Narr, auch, wenn sein Verlobungsvorschlag auf der Trauerfeier unangebracht gewesen war. Das deutete nur darauf hin, dass er bislang wenig unter Menschen gewesen war. Der Youkaifürst rechnete nicht mehr damit, dass ihn Izayoi anrufen würde, zumal, als er fünf Wochen nach Jiros Tod die Einladung zur Außerordentlichen Aktionärsversammlung erhielt, inklusive seiner eigenen Kandidatur zum Aufsichtsrat. Umso überraschter war er auf seinem Privathandy eine Nachricht vorzufinden, in der sie ihn um einen geschäftlichen Termin bat. Er ließ ihn ihr unverzüglich einräumen und erwartete sie am folgenden Tag in seinem Arbeitszimmer, auf den Tatamimatten. Sie würde sich vermutlich ebenso wie ihr Vater hier wohler fühlen als in der westlich gehaltenen Zimmerecke. Dort empfing er Gäste dieser Kultur. Die schwarzhaarige junge Dame war überaus pünktlich und betrat sein Arbeitszimmer mit einer tiefen Verneigung, wollte sich bereits an der Tür niederknien, als er die Hand hob: „Nicht ganz so förmlich, Prinzessin. Bitte, setzen Sie sich mir gegenüber.“ Sie trug wie immer Kimono, die ihre Figur verbargen, kaum die Fingerspitzen frei ließen. Bei der tiefen Verneigung hatte sich allerdings kurz ihr Nacken gezeigt – ob die modernen, oft aufreizend gekleideten jungen Frauen überhaupt wussten, wie überaus ansprechend für einen Mann solch ein Anblick war, wenn der Rest dermaßen verpackt war? „Danke, edler Fürst.“ Sie ließ sich nieder und sah zu Boden. Bis hierher hatte sie ihr Mut getragen, aber jetzt schien er sich vollkommen verflüchtigt zu haben. Was sollte sie nur sagen? „Sie wollten eine geschäftliche Besprechung,“ erinnerte der Taishou. Sie war unentschlossen, ja, ängstlich. Vor ihm als Geschäftspartner oder als Youkai? „Kanave, ein Mitarbeiter meines verstorbenen, verehrten Vaters, teilte mir mit, dass Sie nun acht Prozent der Aktien besitzen. Sie kandidieren auch für den Aufsichtsrat.“ Sie holte tief Atem: „Es geht mich nichts an, aber...“ „Beabsichtigen Sie in Erfahrung zu bringen, was ich damit vorhabe? Das geht Sie als größte Aktionärin durchaus etwas an.“ Wollte er ihr damit zu erkennen geben, dass sie nicht so schüchtern sein musste? Sie sah auf: „Sie sagen nicht Mehrheitsaktionärin.“ Ein kaum merkbares Lächeln, das um seinen Mund glitt, verriet ihr, was sie befürchtet hatte: „Sie wussten es, nicht wahr?“ „Ich weiß, dass Ihr Vater vor zwei Jahren einige Aktien verkaufte.“ „Zusammengelegt wäre es immer die Mehrheit.“ „Das ist wahr. Aber, warum sollte ich?“ Er erwartete eigentlich, dass sie darauf hinweisen würde, dass er ihrem Vater versprochen hatte sie zu beschützen. „Warum hören Sie sich nicht meinen Vorschlag an, edler Fürst?“ Sie hätte sich fast die Hand vor den Mund gehalten. Man machte einem Fürsten keine Vorschläge oder sagte gar, was der zu tun habe. Der Taishou wusste dies: „Fürst bin ich im Privatleben. Hier ein Geschäftsmann.“ Was wollte sie nur? „Wollen Sie Ihren Cousin als Vorstand vorschlagen? Das können Sie auf der Versammlung oder auch später beim Aufsichtsrat.“ Izayoi schwieg dazu: „Sie haben acht Prozent der Fukuwara-Aktien gekauft, obwohl die Firmen Konkurrenten sind. Ich vermute nicht, dass Sie das Geld zum Fenster hinauswerfen wollten oder auch....private Interessen hatten.“ Und ihr helfen wollte oder ihr die Aktien schenken. Derart romantische Träume passierten nur im Fernsehen. „Soweit korrekt.“ „Ich möchte sechs Prozent der Anteile zurückkaufen.“ Dann hätte sie wieder die absolute Mehrheit und das wäre ihrem Vater nur zu recht gewesen. Er stutzte: „Werte Prinzessin, wenn das finanziell möglich wäre, hätte Ihr Vater dies bereits längst getan.“ „Ich würde Ihnen die Anteile an der Lüsin-Bahn geben als Tausch.“ „Sie wurden gut informiert.“ Ja, an dieser Bahn war er schon länger interessiert, eine Schnellbahn, die mit ihrer baldigen Fertigstellung nahe Flüge auf dem Festland überflüssig machen würde. Sehr gewinnversprechend. „Nur, so viele besitzen Sie nicht.“ Er hatte schließlich schon versucht die Anteile von Jiro zu kaufen, aber dessen Herz hing an diesem Projekt – seine Großmutter war vom Festland gekommen. Und es war deutlich zu wenig gewesen um die fehlenden Aktien zurückkaufen zu können. „Und ich würde Sie, edler Fürst, oder eine Person Ihrer Wahl, als Vorstand vorschlagen.“ Sie verhandelte unerfahren, jedoch nicht ungeschickt. Entweder sie hatte überaus fähige Berater oder war selbst klug – am ehesten beides. „Das dürfte Ihren Cousin enttäuschen.“ „Der Wunsch meines verehrten Vaters,“ erklärte sie kühl, ohne das Zittern ganz aus ihrer Stimme bekommen zu können: „War, dass der Name unserer Familie erhalten bleibt, und ein fähiger Mann die Leitung der Firma übernimmt. Es war nie eine Bedingung, dass es sich um ein und dieselbe Person handeln muss.“ Auch, wenn das Vater lieb gewesen wäre. Inzwischen wusste sie jedoch um das Problem, das ihn bis zu seinem Lebensende gequält hatte – der Verdacht, dass der gesamte Konzern auseinandergerissen werden könnte, die Menschen, die für ihn arbeiteten, ihre Arbeit und alles verloren. „Das ist wahr. - Nun, ich will in den Aufsichtsrat. Der Aufsichtsrat wählt den Vorstand aus, da haben Aktionäre nicht mehr mitzureden. Sie brauchen jedoch keine Sorge zu haben, Prinzessin: ich habe nicht vor den Fukuwara-Konzern als solches anzutasten. Ich will Zusammenarbeit. Konkurrenz, mag sein, in einigen Feldern. Aber Ergänzung in anderen.“ Izayoi atmete tief durch: „Ich verstehe sehr wenig von diesen Dingen, edler Fürst, bitte seien Sie ehrlich mit mir.“ „Das bin ich.“ Sie sah ihn forschend an, dann lächelte sie. Ja. Er war ehrlich, soweit das ein Youkai sein konnte, da war sie sicher. So verneigte sie sich formell: „Ich danke Ihnen.“ Der Taishou spürte, wie ihm das Lächeln seltsame Wärme schenkte – und in ihm der unsinnige Wunsch aufstieg Onigumo in Stücke zu reißen. „Schließen wir Frieden, Prinzessin.“ Sie neigte den Kopf seitwärts: „Hatten wir denn Krieg, edler Fürst?“ „Vor einigen Jahrhunderten, ja. Da fanden solche Auseinandersetzungen um Besitz und Reichtum mit dem Schwert in der Hand statt – nicht mit Aktien. Und am Ende heiratete immer eine Tochter einen Sohn.“ „Zweihundertachtunddreissig.“ Sie klang so bitter, dass er hörbar verwundert sagte: „Bitte?“ „Der zweihundertachtunddreissigste Vorschlag ihn oder seinen Sohn zu heiraten in den vergangenen fünf Wochen.“ Manche hatten sogar Interviews gegeben. Sie schaltete den Fernseher schon gar nicht mehr ein. Er war offenbar in ein Fettnäpfchen gesprungen: „Ich sprach von lange vergangenen Zeiten, Prinzessin. Ich würde meinem Sohn nie zumuten Sie zu heiraten.“ Izayoi wurde feuerrot. Das war eine Vergeltung für ihre vorlaute Bemerkung, da war sie sicher. Wie konnte sie so unhöflich sein, einem Fürsten gegenüber, zumal einem so mächtigen Mann, der ihr nichts getan hatte außer freundlich zu sein. „Ich...oh, bitte verzeihen Sie mir...“ Der Youkaifürst merkte nun erst, dass er die Sache wohl eher verschlimmert hatte: „Nein, verzeihen SIE mir. Das war unbedacht. Es sollte keinerlei Abwertung Ihrer Person sein. Nur, mein Sohn hat es eben nicht mit Menschen. Er würde mir gehorchen, es jedoch als Strafe empfinden. - Zweihundertsiebenunddreissig während der Trauerzeit,“ meinte er dann nachdenklich. Sie nahm sich zusammen: „Ja, edler Fürst.“ „Sie werden in wenigen Wochen eine überaus große Auswahl an Bewerbern haben, neben Ihrem Cousin Onigumo. Waren auch Youkai dabei?“ „Nein.“ Sie wusste wirklich nicht, warum er fragte. Wollte er denen dann verbieten ihr lästig zu fallen? „Dann sollte ich wohl die Ehre meiner Art retten und mich hinten anstellen.“ Er lächelte, denn er wollte sie beruhigen, amüsieren. Stattdessen starrte sie ihn fassungslos an: „Sie...Sie scherzen...“ „Ja,“ gab er zu, ehe er in ihre dunklen Augen blickte und selbst nicht ganz genau wusste, warum er ergänzte: „Aber ja doch. Genau das werde ich tun. Nehmen Sie mich als Nummer Zweihundertachtunddreissig.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)