Virus von fragile ================================================================================ Kapitel 6: ----------- Es war nur eine Nachricht. Ein blinkendes Fenster auf meinem Laptop. Was sollte denn schon groß passieren, wenn ich darauf klickte? Die Decke würde wohl eher mit geringer Wahrscheinlichkeit auf mich niederprasseln…, dennoch zögerte ich. Warum auch immer. Aber meine Euphorie verpuffte von Sekunde zu Sekunde mehr. Dabei war es nur ein Nachrichtenfenster. Das blinkte und blinkte und blinkte. Und S war auf der anderen Seite entweder am Löschen seines Accounts oder er regte sich über meine mögliche Unfähigkeit auf, die neue Mitteilung zu entdecken. Meine Lippen waren plötzlich trocken, die Kehle kratzte und meine Finger begannen zu zittern, dabei gab es dazu keinen Anlass. Vielleicht war Narutos Annahme bezüglich meines Pessimismus gar nicht mal so falsch. Aber um ehrlich zu sein, war das ja nicht unbedingt schlecht. Immerhin lag ich entweder immer richtig oder ich wurde eines Besseren belehrt. So gesehen gehörte ich wohl doch zu den Optimisten. Ich presste zischend die Luft aus meinen Lungen und starrte meinen Bildschirm an. Dieses ganze Online-Ding fing an mich verrückt zu machen. Was genau erwartete ich eigentlich? „Schätzchen?“, fragte mich meine Mitbewohnerin mit besorgtem Blick, „ist alles ok?“ „Ich hab eine neue Nachricht“, antwortete ich ihr und stieß einen Seufzer aus. Ihre Augen funkelten erfreut und sie lehnte sich gegen den Türrahmen. „Und was für eine?“ „Ich weiß es noch nicht.“ Sie hob eine ihrer fein geschwungenen Augenbrauen an und trat in mein Zimmer. Auf ihrem Weg zu meinem Bett sammelte sie vorsichtig meine braune Jacke auf und warf sie auf den bunt gestreiften Sessel. „Sag bloß du hast Angst“, kicherte sie verhalten und ließ sich auf dem Bettende nieder. „Weißt du, es ist ja nicht so, dass ich jetzt schon total hin und weg von ihm bin, aber es ist so, hm, wie soll ich es nur erklären?“ Ich blickte kurz zur Decke, ehe mein Blick sich wieder auf Ino legte. „Unter den ganzen Freaks ist er normal, aber nicht so normal, dass er langweilig wirkt. Und ich hab damit begonnen, ihn tatsächlich kennen lernen zu wollen.“ Die Blondine schmunzelte und streckte sich genüsslich auf meinem Schlafplatz. Ihr Blick wanderte zur Decke hinauf. „Was ist so schlimm daran?“ „Ich führe mich auf wie ein pubertierendes Mädchen.“ Ihr entfloh ein Lachen und sie stemmte ihren Oberkörper hoch, um mich erheitert anzustarren. Ich schmunzelte. „Weißt du, ich glaube wir werden für immer und ewig pubertierende Mädchen sein. Hoffentlich. Das macht das Leben aufregend und spannend und sowas von nicht vorhersehbar.“ Ohne es wirklich zu wollen, entlockte sie mir ein ehrliches Lachen. „Weißt du, vielleicht, aber wirklich nur vielleicht, bin ich tatsächlich dazu bereit, mich mehr mit diesem Online-Zeug auseinanderzusetzen. Nicht auf beruflicher Basis, weil ich einen Artikel darüber schreiben muss. Ich hab schon seit Ewigkeiten nicht mehr mit einem Mann gesprochen, den ich wirklich von A bis Z kennen lernen wollte. Den ich reizen und bei dem ich die Grenzen austesten wollte. Das stand nie im Fokus bei mir. Aber jetzt, sieh dich an… du bist in einer guten Beziehung und alles an dir leuchtet doppelt so stark wie sonst und ich will das eventuell doch mehr als ich es zugebe.“ Ich schnaufte. „Ich habe das Gefühl irgendetwas fehlt in meinem Leben. Gott, ich verfalle in Panik. Dabei… ich will, ich weiß gar nicht was ich wirklich will. Aber ich will küssen im Regen, weinen vor Glück und ich will einfach mehr als jetzt. Wegen dir bin ich verrückt geworden. Weil du damit angefangen hast. Du bist schuld.“ Sie robbte mit einem aufmunternden Lächeln vor mich und klappte den Laptop zu. „Hol erst mal tief Luft“, schlug sie vor und der nächste Atemzug meinerseits wirkte befreiend in meiner Lunge. „Warum überstürzen? Weil deine Mum jetzt ein Date organisiert hat und ich dich bei einer Single-Börse angemeldet habe?“ „Ich fühle mich schon etwas bedrängt“, gab ich kleinlaut zu und verschränkte die Arme vor der Brust, was Ino mit einem leisen Glucksen kommentierte. Ich musste wie ein bockiges Kind aussehen. „Ich bin etwas egoistisch veranlagt. Ich will auf ein Doppeldate! Mit meiner besten Freundin und ihrem Lover und ich will das andere uns dann neidisch anstarren, wenn wir auf unseren High Heels die Pflastersteine in der Innenstadt herauf stolzieren und vor einem super schicken Restaurant unsere Männer auf uns warten. Natürlich wird Sai der besser Aussehende von beiden sein.“ Sie zwinkerte mir lachend zu und ihre Wangen schimmerten rötlich. Das passierte ständig, wenn sie auch nur den Namen ihres Freundes aussprach. So verliebt war sie. „Ich schaff das aber auch alleine. Einen Mann zu finden“, brummte ich. Mit einer fahrigen Bewegung wischte ich mir die Strähnen aus dem Gesicht und starrte auf meinen Laptop, der nun zugeklappt auf meinem Schoß lag. „Du wartest darauf, dass ein Mann dich anspricht und dich verzaubert und wie ein strahlender Prinz dein Herz erobert. Im Sturm. Das war vielleicht mal so und ich will nicht ausschließen, dass es solche Prinzen tatsächlich noch gibt, aber… du kannst ja dennoch offen sein.“ „Bin ich. Aber ihr zerrt alle an mir, als hätte ich kein Eigenleben. Und manchmal gibt es eben Momente, da vertrage ich das überhaupt gar nicht.“ „Schätzchen, jetzt sei mal ehrlich, wovor genau hast du denn jetzt Angst?“ Ihre blauen Augen schienen in mir zu lesen wie in einem offenen Buch und sie legte ihre Stirn fragend in Falten. „Mir ist bewusst geworden, dass ich mich auf die Nachrichten freue. Dabei haben wir kaum geschrieben. Meine Hände werden feucht und ich bin aufgeregt. Es ist alles so neu und aufregend und S ist so… er ist… so herrlich erfrischend in seiner Art.“ Sie verzog ihren Mund zu einem breiten Lächeln, das ansteckender war als ein Grippevirus. Sie tippte mit ihrem Zeigefinger gegen meine Stirn, was ich mit einem murrenden Laut kommentierte. „Hast du Angst, dass das die letzte Nachricht von ihm sein wird? Stirni, das wirst du nie erfahren, wenn du jetzt nicht einfach die Message öffnest und liest. Dass aufregende Neue wird nicht schlagartig aufhören, nur weil S möglicherweise nicht mehr da sein wird. Und mal ehrlich, er wäre dumm, wenn er nicht dasselbe Interesse an dir hätte, wie du an ihm.“ Mit einer schnellen Bewegung klappte sie den Laptop auf und grinste mich auffordernd an. Ich seufzte und knabberte an meiner Unterlippe. Noch bevor ich Ino aus meinem Zimmer schicken konnte, erklärte sie mir, dass sie sich nicht vom Fleck bewegen würde, ehe ich die Nachricht öffnete. Mein Herz schlug ein weiteres Mal laut in meiner Brust und ich schnappte nach Luft. Ino nickte mir ermutigend zu und formte ihre Finger zu einem Victory-Zeichen. „Na gut“, hauchte ich und lehnte mich gegen die Wand. Erneut nahm ich einen tiefen Atemzug. Und ich öffnete die Nachricht. S: Die Wette wurde übrigens verlängert. Naruto hat seine Flamme nach fünf Jahren endlich das erste Mal geküsst. Ino musste den Stein von meinem Herzen fallen gehört haben oder aber sie sah das erfreute Glitzern in meinen grünen Augen. Sie stand auf, hauchte noch einen Kuss auf meine Wange und lachte laut, während sie mein Zimmer verließ. Sakura: Ist das schlimm? S: Zu jedem Contra gibt es meist ein Pro Sakura: Ich denke mal, deine Mutter lässt dich dann länger in Ruhe, was die Vorstellungsrunde der künftigen Schwiegertochter angeht? S: Exakt Sakura: Übrigens tut es mir Leid, dass ich vorgestern einfach offline war. Der Strom war weg S: Kein Problem Sakura: Sag mal, macht es dir etwas aus, wenn ich dich näher kennen lernen möchte? S: Inwiefern kennen lernen? Sakura: Na, wie man sich eben kennen lernt… S: Du willst eine zweite Runde vom Frage-Antwort-Spiel? Sakura: So kann man es auch betiteln. Wo arbeitest du? Ich griff in meine Nachttischschublade und zückte meine Notfall-Schokolade, die ich hauptsächlich nach kleineren Alpträumen benötigte. War es tatsächlich ein heftigerer Traum, schlich ich immer zu Ino ins Bett, außer Sai war bei ihr. Und wenn er doch da war und ich es überhaupt nicht mehr aushielt, stand sie immer im Türrahmen und wartete, bis ich sie bemerkte und leise zu mir bat. Das war das Ino-Radar. S: In einem Büro Sakura: Anzugträger oder locker-flockig in Jeans und Shirt? S: Willst du hierauf wirklich eine Antwort? Sakura: Ja, sonst würde ich doch nicht fragen. Dann kann ich dich vielleicht schon etwas besser einschätzen S: Anhand meiner Kleidung? Da wären wir wieder bei der Oberflächlichkeit Sakura: Jetzt sag schon S: Was ist das Erste was dir einfällt, wenn du an Anzugträger denkst? Sakura: Im Büro? Also letztens war ich auf der Bank und da war einer im schicken Nadelstreifenanzug. Kaum machte er den Mund auf, dachte ich nur: Ein Anzug ohne Inhalt S: Das schließt du jetzt automatisch auf alle Anzugträger? Sakura: Nein, natürlich nicht. Aber du fragtest nach meinem ersten Gedanken. Also, was trägst du? S: Beides. Ich spürte das Grinsen auf meinem Gesicht und das Kribbeln in meinen Fingern. Ich wollte seine Stimme hören und ihm von dem grauenhaften Tag in der Innenstadt erzählen. Selbst von den peinlichen Momenten und ich wollte ihn fragen, welchen Kaffee er trank. Mit Zucker oder ohne. Mit Milch oder doch lieber nur mit Kaffeeweißer. Ich wollte wissen, in welcher Stadt er wohnte und wie er aussah und zeitgleich wollte ich es nicht wissen. Ohne weiteres Zögern klickte ich den Sprachnachrichten-Knopf und hörte es tuten. Und bei jedem Tuten pochte mein Herz laut mit. Ich hörte ein Husten und das Abstellen einer Tasse auf einem Glastisch. Er räusperte sich und schien ein Bonbon aus seiner Verpackung zu befreien. „Bist du krank?“, fragte ich besorgt. Wieder ein leises Hüsteln, ehe er mit kratziger Stimme ein ‚Ja‘ verlauten ließ. „Sollen wir das Quatschen vielleicht auf ein anderes Mal verschieben?“, brachte ich enttäuscht über meine Lippen. Ich war mir sicher, dass er den Unterton mitbekam. „Das ist nur eine kleine Erkältung. Naruto kommt übrigens gleich vorbei.“ „Bringt er dir Suppe?“, kicherte ich. Er stieß einen amüsierten Ton aus, ehe er mir heiser versicherte, dass es keine gute Idee sei, Naruto kochen zu lassen. Und schon im nächsten Moment hörte ich eine schrille Klingel läuten. „Bin gleich zurück“, versicherte mir S. Der Stuhl kratzte über den Boden und er schlurfte wohl mit Pantoffeln über Laminat. Es war aber durchaus möglich, dass ich mich irrte. Ich knabberte wartend an meiner Unterlippe, schob mir dann ein Stück Schokolade in den Mund und ließ es genüsslich auf meiner Zunge schmelzen. S‘ Stimme klang etwas abgehakt durch meine Lautsprecherboxen. Er schien sich durch den Raum zu bewegen, hin und wieder eine kurze und fast schon monotone Antwort zu geben, ehe seine Stimme langsam lauter wurde. Er näherte sich und ich hörte Stoff rascheln. Ich stellte mir vor, dass er die Arme vor der Brust verschränkte. „Ich wolle nur nach dir sehen!“ Eine Frauenstimme. Schrill und hoch. „Du bist so schnell weg gewesen und ich hab mir Sorgen gemacht.“ „Das ich an einem Husten zugrunde gehe?“, hörte ich ihn brummen. Die Frau schnappte zischend nach Luft und machte einen weiteren Schritt in irgendeine Richtung. Höchstwahrscheinlich näher an ihn heran. Mein Herz setzte kurz aus und stach in meiner Brust. Meine Gedanken liefen Amok in meinem Kopf. Was, wenn er bereits in einer Beziehung steckte, nur noch niemandem etwas davon erzählt hatte? Ein Grummeln kroch aus meiner Kehle. „Du kannst gehen.“ Sie stieß einen panischen Laut aus. „Aber Sa-“ „Geh!“ Und sie rauschte davon. In mir stieg währenddessen das Bedürfnis den Sprachchat zu beenden, andererseits wuchs in mir der Wunsch zu wissen, wer das war. Wieder fand ein Stück Schokolade den Weg in meinen Mund und schmollend biss ich darauf herum. Er ließ sich seufzend wieder auf den Stuhl fallen und noch ehe er etwas sagen konnte, war das bekannte Poltern und Lachen von Naruto zu hören. „Jo! Teme!“ Definitiv war das Naruto. „Wieso ist dein Groupie hier gewesen? Wollte sie dich gesund pflegen?“ Ich gluckste. „Halt die Klappe, Dobe.“ „Oh, sprichst du mit Sakura?“, fragte Naruto ihn und wandte sich dann mit einer freundlichen Begrüßung Richtung Mikrofon. „Ich bin jetzt mit Hinata zusammen“, verkündete er erfreut und S schien genervt die Luft auszustoßen. Es war nicht schwer mir vorzustellen, wie er mit den Augen rollte, wenn man mal davon absah, dass ich keinen blassen Schimmer von seinem Äußeren hatte. „Wer war das übrigens?“, erkundigte ich mich. „Karin. Sie ist schon seit der Schule in ihn verknallt. Und glaub mir… sie nervt. Teme hat schon tausend Mal ‚Nein‘ zu ihr gesagt und sie versteht es immer noch nicht“, antwortete Naruto. Mein Herz machte einen erleichterten Hüpfer in meiner Brust. „Wie ist Hinata denn so?“ Naruto quiekte vergnügt. „Sie ist bezaubernd. Mein Herz pocht wild in meiner Brust, wenn ich nur an sie denke.“ Er erzählte von ihrem langen, glänzenden Haar, das immer nach frischen Erdbeeren duftete und ihrer glatten Haut und den leuchtenden Augen. Sie würde immer rot und verlegen, sobald er sie Hinata-chan nenne, aber könne sich sehr gut verbal gegen Männer behaupten. Sie sei unabhängig und stark und zeitgleich zerbrechlich wie eine kleine Elfe. Ich schmunzelte und spürte Neid aufkeimen. Nur etwas. „Ich hab mich verliebt, als ich sie das erste Mal lächeln sah“, hauchte er glücklich. S schnalzte mit seiner Zunge und Naruto ließ eine kurze Schimpftirade über S niederprasseln, bis er gegen Ende hin in schallendes Gelächter verfiel. Was wohl an der kratzigen Stimme lag, die zu jedem Schimpfwort einen Konter parat hielt. „Jungs. Ich unterbreche euch ja nur ungern, aber ich muss jetzt offline. Ich hab meiner Mom versprochen, sie noch anzurufen. Es war schön von dir zu hören, Naruto. Und gute Besserung an Mr. S!“ Vielleicht war der Tag doch nicht so schlimm, wie angenommen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)