Virus von fragile ================================================================================ Kapitel 2: ----------- Ino war an diesem Abend ungefähr seit einer Stunde in ihrem Liebes-Wochenende mit der größten Liebe ihres Lebens. Und ehrlich gesagt war ich wirklich etwas neidisch darauf. Natürlich wünschte sich jeder Mensch einen Partner im Leben. Aber musste es tatsächlich auf diese Weise geschehen? Auf einer Seite, irgendwo im Netz zwischen all den HTML-Codes und teilweise verrückten und scheinbar auch ziemlich verzweifelt wirkenden Menschen und mittendrin befand sich meine Wenigkeit. Mit einer Flasche Rotwein und ein paar Cracker, die Ino eigentlich zu Ihrem Trip mitnehmen wollte. Als kleinen Zwischensnack während der Autofahrt. Mit einem mürrischen Grummeln nippte ich an meinem Glas. S schrieb seit meiner Aufnahme in seiner Kontaktliste nicht mehr. Warum auch immer, ich hatte die Aufnahme akzeptiert und jetzt war er der erste Eintrag in meiner Liste. Und seltsamerweise hatte ich das Gefühl, dass dieser klitzekleine Buchstabe meine Gehirnzellen so in Fahrt brachten, dass ich nervös mit den Zehen zum leisen Surren der Musik wackelte. Tatsächlich wartete ich eigentlich die ganze Zeit, dass er mir etwas schrieb. Ein kleines Hey, wie geht’s denn so? hätte mir gereicht. Noch immer wurde mir S als online angezeigt, ein Hoch auf diese Sichtbarkeits-Einstellung. Im Chat trieb er sich aber nicht mehr herum… das hatte ich durch Zufall erkannt, als ich mich nochmal eingeloggt hatte. Immerhin sollte ich ja Recherchen tätigen. Außer einigen sehr schlechten Anmachversuchen, eine Einladung zu einer schnellen Nummer bei KerlXY und eventuell einem Dreier mit Ladybug54 und einer nicht so tollen Momentaufnahme des besten Stückes von LoveInTheHood, was ich höchstwahrscheinlich nie wieder vergessen würde, gab es nichts Besonderes mehr. Auch wenn die kleine Konversation zwischen S und mir kaum der Rede wert war, war sie im Vergleich dessen, was ich innerhalb fünfzehn Minuten erlebt hatte, relativ normal. Aber normal war für mich okay. Ziemlich sogar. Besser als… naja, besser als das, was eben in den fünfzehn Minuten alles so passiert war. Ich schob mir gerade einen Cracker in den Mund, als ich dreißig Minuten nach der Kontaktlistenaufnahme tatsächlich ein Nachrichtenfenster aufploppen sah. S: Scheinst wohl noch nicht genug gehabt zu haben? Für Millisekunden schoss mir tatsächlich der Gedanke in den Kopf, einfach offline zu gehen und nie wieder einen Fuß in die Onlinewelt zu setzen. Allerdings pochten tatsächlich die Aufregung und die Spannung auf etwas Neues in meinem Körper. Sakura: Du scheinbar auch noch nicht S: Du musst Schreckliches erlebt haben, wenn du so kratzbürstig auf alles antwortest, was ich frage Sakura: Das kannst du dir gar nicht vorstellen S: Wieso dann noch hier? Sakura: Vielleicht ist ja an Die Hoffnung stirbt zuletzt möglicherweise doch was dran S: Definitiv Sakura: Was macht dich da so sicher? S: Das ist der pure Optimismus in mir Sakura: Zu viel Optimismus ist ungesund S: Zu viel Pessimismus ebenfalls Sakura: Wofür steht das S? S: Das S steht für den Vornamen. Saswexdasdkagshlasdgjlasdfasdf Sakura: ?? Er antwortete danach nicht mehr und ich verzog mich ins Badezimmer. Eine kleine Entspannung würde mich sicher gut tun. Ich schnappte meinen i-Pod und glitt in das warme Wasser und genoss den Duft von Pfirsich in meiner Nase und den herrlichen Dampf, der sich um meine nackte Haut legte. Ich muss verrückt gewesen sein, auf Ino zu hören! Ich hatte nichts erreicht an diesem Abend. Der einzig „normale“ User, schien mich plötzlich zu ignorieren. Aber wer weiß, vielleicht war S auch einfach nur mega tierlieb und in Wahrheit ein Katzenfanatiker und die ganzen Katzenbabies rannten aufgeregt und tobend über seine Tastatur oder sie übergaben sich munter auf ihr. Was auch immer. Ich versuchte mir Gedanken über meinen Artikel zu machen. Wie ich beginnen würde und wie ich anfangen würde und was überhaupt so toll an Single-Börsen war. Pro und Contra, gute Erlebnisse und negative. Zum Zeitpunkt meiner fast schon mitternächtlichen Bade-Session überwogen eindeutig die negativen Punkte. Aber mal ehrlich, was war so positiv daran, sich online zu verlieben? Der sicher größte Vorteil war sicher die Anonymität. Es gab jedem selbst die Möglichkeit zu entscheiden, was und wie viel von einem selbst preisgegeben werden sollte. Kein Adressenaustauch oder Telefonnummer, außer man beschloss es selbst. Demnach gab es kein unerwünschtes Telefongespräch mitten in der Nacht oder stalkermäßiges Auftauchen von Menschen vor deiner Haustüre. Du willst keinen Kontakt mehr? Einfach nicht mehr antworten, schreiben, lesen oder sonstiges. Alles war mit einem einzigen Klick beendet. Die Blacklist. S schien das von mir auch zu halten. Vielleicht war ich scheinbar wirklich zu pessimistisch an die ganze Sache und das Gespräch mit S heran gegangen. Ehrlich gesagt war da Freude in mir, dass er mir schrieb. Ich schürzte meine Lippen und lehnte mich gegen das orangefarbene Badewannenkissen, dass Ino letztes Weihnachten von ihrer Mutter geschenkt bekommen hatte. Ein originelles Geschenk, dass sie zuerst mit argwöhnischem Blick begutachtete, aber schlussendlich war es das Wellnessgut in unserem Badezimmer schlechthin. Da ihre Mutter vor vier Jahren beschloss auszuwandern, war es nicht immer möglich sie zu besuchen. Anfangs störte das Ino ziemlich, sie war ein Mutterkind wie es im Buche steht. Aber inzwischen war sie ganz happy damit, dass Mama nicht jeden zweiten Tag in der Bude stand und überprüfte, was ihre geliebte Tochter alles so anstellte, ob sie die Wohnung sauber hielt und pünktlich all ihre Rechnungen zahlte. Also war sie besser dran, als ich. Meine Mum kam mindestens einmal pro Woche und meistens fragte sie, wann sie endlich einen Mann vorgestellt bekäme und ob sie überhaupt noch mal mit Enkeln rechnen durfte oder ob sie gleich eine neue Tochter adoptieren sollte, damit ihre Chancen Großmutter zu werden, nicht nur noch bei 1 % lagen. Selbstverständlich war es nur ein schlechter Witz, aber manchmal schwang doch etwas… Wahrheit mit. Aber, nun ja, meine Karriere war für mich einfach wichtiger, als abends nach der Arbeit noch in irgendwelche Bars zu gehen und mich von Kerlen aufreißen zu lassen oder wie Ino einfach selbst die Initiative zu ergreifen. Eigentlich arbeitete ich ständig. Was mich wiederum zu einem weiteren Vorteil brachte. Mit einer Single-Börse warst du zeitlich ungebunden. Egal welche Tages- und Nachtzeit, man konnte Anzeigen lesen und mit anderen Kontakt aufnehmen. Im Chat war immer jemand online. Öffnungs- und Arbeitszeiten waren unwichtig. Und natürlich die überaus schnelle und leichte Kontaktaufnahme, die dank der Anonymität die Hemmschwelle geringer hielt. Demnach fiel es leichter auf andere zu reagieren und in den Flirtmodus zu gelangen. Ich war nicht unbedingt schüchtern, was den Männerkontakt anging, aber ich würde mich auch nicht als offen bezeichnen. Vielmehr wartete ich lieber stumm darauf, dass Mann mich ansprach. So gehörte es sich ja eigentlich auch. Keine fünf Minuten später sprang ich auch schon wieder aus der Wanne, lauschte noch immer dem Beat der Musik und tänzelte mit Handtuch bekleidet durchs Wohnzimmer. Hin und wieder die Wohnung komplett für mich alleine zu haben war einfach eine Wohltat. Ein Pling-Geräusch machte mich auf meinen Laptop aufmerksam, der noch immer seelenruhig auf dem runden Wohnzimmertisch stand. Ich schnappte mir einen Joghurt mit Aprikosenstückchen aus dem Kühlschrank und warf mich mit einem lauten Schnaufen aufs Sofa. Meine Augen huschten über den Bildschirm und entdeckten schnell das leuchtende Nachrichtenfenster von S und mir. Vielleicht wäre es auch einfach besser gewesen, wenn ich es ignoriert hätte. Dann wäre womöglich alles anders gekommen. Andererseits… wer weiß, ob ich es nicht vermisst hätte… das ganze Danach und Jetzt. Ich kann mich daran erinnern, dass mein Herz kurz freudig gepocht hatte, als ich das Fenster öffnete und mir die Nachricht von S besah. S: Sakura, bist du da? Es war nur ein kurzes Moment des Protestes, eine Millisekunde an Zögern, ehe meine Finger wie von Zauberhand antworteten, dass ich noch immer hier sei, aber im Begriff war, offline zu gehen und zu schlafen. Es folgte ein Smiley und dann etwas, womit ich nie gerechnet hätte. S: Ich muss mich bei dir entschuldigen. Ehrlich gesagt, weiß ich selbst nicht warum genau… immerhin hab ich ja nichts Falsches gemacht. Na gut. Eigentlich schon. Ich bin nicht S. Als wir noch in der High School waren, hab ich mir aber wirklich oft vorgestellt, er zu sein. Er ist immerhin mega beliebt gewesen. Ach, was rede ich denn da. Wie gesagt, ich bin nicht S. S ist jemand ganz anderes. Ich bin Naruto. Und S hat gemerkt, dass ich seinen Laptop genommen und ihn hier angemeldet hab. Eigentlich war es ja mitunter die Idee seiner Mutter, die einfach Angst hat, nie Enkel zu kriegen und ich dachte dann, dass es nicht so verkehrt wäre, ihn hier anzumelden. … Ich schweife schon wieder ab und wenn ich nicht gleich aufhöre, wird wohl eine Vermisstenanzeige in der Zeitung stehen. Wie gesagt… ich bin nicht S. Ich bin Naruto. Sein Kumpel. Bester Freund auf Lebzeiten. Es tut mir also wirklich wirklich leid, dass ich dich hinters Licht geführt habe. Es sind hier nur so seltsame Menschen und dein Name war so herrlich normal, da dachte ich, ich könnte da was zwischen euch anleiern. Sorry. Echt jetzt!!! Okay, also ich muss offline. S grummelt schon genervt hinter mir. Aber hey… du bist ganz cool. Hinter dem Pessimismus ist sicher mehr Optimismus als zugegeben! Und wenn du quatschen willst, schreib dem sturen Bock einfach! ;-) S ist offline Tja, richtig. Da wurde ich ja mal mega verarscht. Und ich lachte laut, klappte den Laptop zu und schwörte mir selbst, mich nie wieder da einzuloggen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)