A Rise von Erenya (Der Phoenix aus der Asche?) ================================================================================ Kapitel 1: Drei Erben für PHOENIX --------------------------------- Sie hielt ihre Tasche fest umklammert, als sie zum ersten Mal die UTX von so nahem sah. Das gigantische Haus wirkte mehr wie eines der vielen Bürogebäude, so dass es für Tsubasa eigentlich unvorstellbar war, dass dies ihre neue Schule sein sollte. Und doch war sie es. Die vielen Mädchen mit ihren weißen Uniformen waren der Beweis dafür. Dieselbe Uniform, die sie auch trug. „Guten Morgen alle zusammen!“ Tsubasa sah auf zu einem großen Bildschirm, auf dem drei Mädchen in lächelnd ihr Gesicht zeigten. Das waren sie also, PHOENIX, von denen Tsubasa schon soviel gehört hatte. Auch wenn sie nicht der Grund waren, warum sie UTX gewählt hatte. Dennoch, sie musste eingestehen, dass alle drei charismatisch waren. „Wir freuen uns auch in diesem Jahr wieder über die vielen neuen Gesichter, an der UTX High School. Heute nach der Schule geben wir ein kleines Willkommenskonzert für euch. Kommt doch einfach und habt gemeinsam mit uns Spaß.“ Den Rufen ihrer neuen Mitschüler zu folge, war PHOENIX wirklich so bekannt, wie sie es aus dem Prospekt der Schule heraus gelesen hatte. Das sie so einen Bekanntheitsgrad auch außerhalb der Schule erreicht hatten, ließ sicher viele Mädchen davon träumen, dass sie es ihnen gleich tun konnten. Die Frage war doch nur, ob es genug Platz für mehrere Schul-Idole geben konnte, oder ob sie nicht unter der Last des Bekannten untergingen. „Ich habe gehört, dass alle drei dieses Jahr die Schule verlassen und sie Nachfolgerinnen suchen.“ Nur nebenher bekam Tsubasa das Gerede ihrer Mitschüler mit. So war das eben, der Traum eines Schul-Idols flüchtig und vergänglich. Tsubasa hatte gehört, wie es im Idol-Geschäft lief, war man zu alt, wurde man ersetzt und das würde auch die Mitglieder von PHOENIX erwarten. In diesem Punkt war Tsubasa froh, keinerlei Interesse daran zu hegen, Ruhm als Idol zu erlangen. Wichtig war ihr nur, die High School zu überstehen um an die Universität in Tokyo zu kommen. Um dieses Ziel zu erreichen, war die UTX die beste Wahl die sie hätte treffen können. **~~** Vom Wagen aus hatte Anju bereits genug von dieser Schule gesehen. Ebenso von ihrem Inneren, was sie der Rundführung verdankte, die man wenige Tage zuvor nur für sie veranlasst hatte. Als Tochter einer der großen Investoren für die UTX genoss sie eben einige Privilegien. Wobei diese Rundführung das einzige Privileg war, welches sie nutzen wollte. Ein normales Schulleben führen, dass war hier ihr Ziel, auch wenn die UTX nicht gerade das Paradebeispiel für eine Schule war, in der man ein normales Schulleben führen konnte. Allerdings war das der einzige Kompromiss, den ihr Vater mit ihr eingegangen war. „Wir sind da, Anju-sama. Soll ich Sie noch bis zum Fahrstuhl bringen?“ Anju sah zu ihrem Chauffeur Hideki, der sie ermutigend anlächelte. Er wusste um ihre Nervosität immerhin war sie lange Zeit privat unterrichtet worden. Für Anju würde es schon eine kleine Herausforderung sein sich auf eine solche Umgebung einzustellen, aber Hideki hatte keine Zweifel, dass sie das schaffen würde. „Nein danke, Hideki, ich schaffe das schon. Fahr vorsichtig.“ Unschuldig lächelte sie Hideki an. Ihm war klar, dass sie nicht wollte, dass man sich um sie Sorgen machte, auch wenn sie die gut behütete Prinzessin war. Doch gleichzeitig wusste Hideki auch, dass man sich um Anju keine Sorgen machen musste. Entgegen ihrem Aussehens, was eher vermuten ließ, dass sie wirklich eine verwöhnte Prinzessin war, war sie eine tapfere, mutige und durchsetzungsfähige Person. „Ich hole sie heute nach dem Unterricht ab, Anju-sama.“ Er winkte ihr noch nach, als sie sich noch einmal zu ihm umdrehte und ihm ihr bezauberndstes Lächeln schenkte. Sicher würde sie hier gute Freunde finden. Nein, er musste sich keine Sorgen um ihre Prinzessin machen. Es war schwer immer dann zu lächeln, wenn man die Sorgen anderer mindern wollte. Das war Anju bewusst, als sie sich gegen die Wand des Fahrstuhls lehnte und auf die digitale Anzeige sah. Sie war wirklich nervös und wusste nicht, wie sie mit anderen umgehen. Alles was sie über das „normale“ High School Leben wusste, hatte sie aus Mangas oder Doramas. Ihr war aber bereits bewusst, dass dies nicht der Realität entsprach, doch insgeheim hoffte sie darauf, dass es doch so war. Immerhin war die High School alles wonach sie sich gesehnt hatte. „Guten Morgen alle zusammen!“ Anjus Blick glitt zu dem kleinen Bildschirm, auf dem drei Mädchen zu sehen waren. Schon bei der Rundführung hatte sie diese drei kennengelernt. PHOENIX die Schuleigenen Idole die dafür sorgten, dass trotz Rückgang der Geburtenrate genug Jugendliche die Hallen der UTX füllten. Wenn man Menschen in Akihabara fragte, warum die UTX empfehlenswert war, so war die Antwort immer PHOENIX. Seltener, dass es sich hierbei um eine wirklich hochmoderne Lernanstalt handelte, deren Abgänger immer auf den besten Universitäten Japans angenommen worden. An sich sollten das die eigentliche Vorzüge sein, die UTX zu bieten hatte, doch Anju konnte nicht vermeiden zu denken, dass PHOENIX als Gruppe ihren speziellen Charme hatte. „Wir freuen uns auch in diesem Jahr wieder über die vielen neuen Gesichter, an der UTX High School. Heute nach der Schule geben wir ein kleines Willkommenskonzert für euch. Kommt doch einfach und habt gemeinsam mit uns Spaß.“ Ein Willkommenskonzert. Das klang doch interessant. Vielleicht sollte sie Hideki schreiben, dass er doch etwas später kommen sollte. Wenn sie ehrlich war, wollte sie PHOENIX zu gerne einmal Live erleben. **~~** Ihr Blick lag ruhig auf dem Auditorium in dem in wenigen Tagen ihr Vorsprechen für PHOENIX stattfinden sollte. Zumindest besagte das Erenas Einladung für eben dieses. Sie hatte es kaum glauben können, als einen Tag zuvor genau diese Einladung im heimischen Briefkasten gelegten hatte. Obwohl sie nach außen hin die Ruhe selbst zu sein schien, klopfte ihr Herz vor Aufregung. Sie hatte UTX gewählt, weil sie so PHOENIX bewunderte. Nun die Chance zu haben in ihre Fußstapfen zu treten war einfach unglaublich. „Beeindruckt?“ Erena fuhr herum, als sie eine Stimme hinter sich vernahm und erkannte sie. Ihr Idol, ihr Vorbild. Hiko Naruhodò. „Du bist Erena Toudou, richtig?“ Schweigend nickte Erena, denn sie fürchtete, dass eine ihrer Antworten sie vielleicht vollständig blamieren und ihr alle Chancen auf einen Beitritt bei PHOENIX nehmen würden. „Nur nicht so schüchtern. Du bist dieses Jahr mein Kouhai. Ich bin auch nur ein Mensch.“ Auch nur ein Mensch. Hiko untertrieb vollständig. Sie war mehr als nur ein einfacherer Mensch. Sie war ein Idol. Jemand, der ganze Massen begeistern konnte. Jemand der von einer mysteriösen Aura umgeben war und sich damit zu mehr hinauf erhob als nur einen normalen Menschen. „Du bist mehr als nur ein normaler Mensch, Hiko-senpai. Du hast es zusammen mit Beni-senpai und Tori-senpai geschafft, etwas wirklich unglaubliches zu erreichen. Innerhalb eines Jahres habt ihr euch in gesamt Akihabara bekannt gemacht und könnt euch mit den richtigen Idolen messen. Ihr habt eine ganze Schule vereint.“ Es war mehr als nur das Gerede eines Fans. Erena war mehr als nur ein Fan. Sie bewunderte PHOENIX wirklich und wollte etwas vergleichbares erreichen. Sie wollte Menschen zusammenführen und als ein Mitglied ihrer liebsten Band hatte sie genau diese Chance. „Danke, für das Kompliment. Ich freue mich schon darauf, deine Performance zum Casting zu sehen, Erena-chan.“ Die Andeutung eines Lächelns war auf Erenas Lippen zu sehen, als sie diese Worte von Hiko vernahm. Sie würde definitiv alles bei dem Vorsprechen geben. Das war ihr Ziel, der einzige Grund, warum sie die UTX als ihre Schule gewählt hatte. **~~** Anju fiel es in keinster Weise leicht auch nur mit einen ihrer neuen Mitschüler zu reden. Ihre Art zu sprechen war so anders, und unterschied sich doch schon stark von ihrer Wortwahl, wie sie sie bevorzugte. Das hatte sie bei ihrem ersten vagen Versuch bemerkt. Man hatte sie wie einen Alien von einem anderen Planeten angesehen und letzten Endes hatte Anju der Mut verlassen. Sie hatte ihre Mission daher verschoben und lauschte anderen Gesprächen, um vielleicht diese Art des Redens zu adaptieren und sich anpassen zu können. Immerhin hatte sie verstanden, dass aktuell irgendeine Teenie-Serie im Trend lag und sie dafür wohl einiges nachholen musste, wenn sie noch mithalten wollte. „Ist neben dir noch frei?“ Verwundert sah Anju auf, als sie so plötzlich angesprochen wurde. Sie hatte gar nicht mehr damit gerechnet, schon gar nicht, dass dieses Mädchen, deren Aufmerksamkeit ihr galt, sie wirklich gemeint hatte. Etwas an ihr war schon alleine deswegen besonders. Vielleicht lag es aber auch an ihren hellen grüßen Augen, die sie fragend fixierten, während Anju ihren Blick auf das kurz geschnittene dunkelblonde Pony richtete, welches die Stirn ihres Gegenübers kaum bedeckte. Ein Stil der seines gleichen suchte, denn generell schienen die Mädchen dieser Stirnstatur gerade diese als Makel zu sehen und mit mehr Haarpracht verbergen zu wollen. Doch diese Fremde... Es schien sie nicht zu stören. „Es scheint nicht besetzte zu sein. Denke ich. Wenn dir also danach ist, kannst du gerne neben mir Platz nehmen.“ In Gedanken schallte sich Anju wieder eine Närrin. Da hatte sie so aufmerksam ihren Mitschülern zugehört und war letzten Endes wieder auf eine lange Antwort ausgewichen. Ein einfaches 'Nein' hätte auch gereicht. „Ah, Danke.“ Fasziniert sah Anju zu ihrer Sitznachbarin. Sie schien in keinster Weise verwundert oder verwirrt über ihre Sprechweise. Im Gegenteil, sie nahm es hin, auch wenn sie sich nicht bemühte, sich ihr anzupassen. Bewundernswert. Aber vielleicht lag das auch daran, dass ihre Nachbarin und alle anderen Mädchen die öffentlichen Schulen deutlich mehr gewohnt waren als sie. In wenigen Minuten würde sie ihren ersten Tag beginnen. Sie würde wissen, was normale Mädchen lernten, worin sie ihnen voraus war und vielleicht, würde sie auch Freunde finden. Zumindest war das Anjus geheimer Wunsch, auch wenn sie wusste, dass sie diese wohl nicht von jetzt auf gleich haben würde. Die Frage war nur, wie suchte man sich Freunde? War das wie die Suche nach Kleidung? Suchte man sich die aus, die am besten zu einem passte? Oder wurde man viel mehr von den zukünftigen Freunden erwählt? Nachdenklich richtete Anju ihren Kopf in Richtung des Fensters. Es gab soviel, was sie hier lernen konnte. Drei Jahre hatte sie Zeit dafür. Drei Jahre, die sie in vollen Zügen genießen und nutzen wollte. So etwas konnte sich wohl wirklich nur eine Schule wie UTX leisten, soviel war Tsubasa klar gewesen, kaum dass sie das Schulgebäude betreten und man sie zu dem Empfang geführt hatte. Mittlerweile war der Gedanke, dass das UTX einem Bürogebäude glich, komplett verworfen wurde, denn allein die Rezeption wirkte wie die eines vier Sterne Hotels. Nicht nur das Tsubasa dort ihren Schlüssel für ihren Spind bekommen hatte, man hatte ihr auch sogleich alle Bücher und sogar einen eigenen Laptop gereicht, mit dem sie wohl gut 80 % ihrer Arbeiten erledigen würde. Zumindest hatte das in der Broschüre gestanden. Dies aber nun in den eigenen Händen zu halten, obwohl man davon wusste, wirkte so surreal. Selbst die Tatsache, dass die Wege so gut ausgeschildert waren, dass es nahezu unmöglich war sich zu verlaufen, erstaunte Tsubasa. Von ihrem elektronischen Schülerausweis, mit dem sie nicht nur diverse Räume öffnen, sondern auch in der Cafeteria bezahlen konnte, wollte sie gar nicht erst reden. UTX hatte sich diesen Standard sicher einiges kosten lassen und ohne Sponsoren war das wohl auch nicht möglich. Auf der Suche nach ihrem Klassenzimmer, nutzte Tsubasa gleich die Chance sich etwas umzusehen. Zum Rundgang hatte sie nicht gehen können, also musste sie alles selbst kennenlernen. Es war somit ihr kleines Abenteuer am ersten Tag. Einen fremden Ort erkunden, seine geheimen Verstecke auskundschaften, Tsubasa konnte die Pause kaum erwarten. Leider musste das wirklich bis zur Pause warten, denn sie hatte ihr Klassenzimmer schnell gefunden und hatte dieses auch betreten. Überall standen bereits Taschen, oder Schüler unterhielten sich, von ihren Tischen aus, miteinander. Mit Adleraugen spähte sie durch das Zimmer und erkannte schließlich in der letzten Reihe, neben einem Mädchen mit Schulterlangen braunen Haaren, einen Platz der noch unbesetzt zu sein schien. Es lag nun also an ihr, diesen für sich zu erobern, bevor man ihr den wegschnappte. Zielsicher ging sie auf den Tisch zu und machte sich deutlich für die Prinzessin, die aufmerksam zwei Schülern zuhörte. „Ist neben dir noch frei?“ Der Blick des Mädchens richtete sich auf Tsubasa, die nun auch die lilafarbenen Augen erkannte, die im sanften Licht wie Amethysten funkelten. Sie war wohl wirklich eine Prinzessin, zumindest schrie ihr gesamtes äußeres danach. „Es scheint nicht besetzte zu sein. Denke ich. Wenn dir also danach ist, kannst du gerne neben mir Platz nehmen.“ Dachte sie? Das war eine sehr vorsichtige Art auszudrücken, dass man sich nicht sicher war. An sich wahr ihre Wortwahl sehr gewählt, was in keinster Weise schlecht war. Im Gegenteil. Tsubasa entschied, in den nächsten Tagen häufiger mit ihr zu reden, einfach, damit sie ihren Wortschatz erweitern konnte. Schaden konnte das ja nicht und es war wesentlich spannender als über Serien wie 'Lavender' zu sprechen. Sie würde nie verstehen, warum man sich solche einfache Unterhaltung antun sollte. Bevor der Unterricht begann und sie darüber nachdachte, wie sie ihre Banknachbarin passend ansprach, entschied sie jedoch, in ihrem Buch aus der Bibliothek zu lesen. Zielsicher griff sie in ihre Tasche und zog das 'Jitsureki-dan' hervor. Sie wusste nicht wie, aber irgendwie hatte die Bakamatsu-Zeit sie fest im Griff. Vor allem die Geschichte der Shinsengumi, einer Gruppe Außenseiter, die dafür kämpfte als wahre Samurai anerkannt zu werden, hatte sie fasziniert. Auch wenn sie sich immer wieder vor Augen hielt, dass die Berichte von Shinpachi Nagakura nicht mehr als bloße Augenwischerei war und dieser eine Gruppe mordlüsterner Wölfe vielleicht nur glorifizierte. Dennoch, es war erstaunlich, zu welchen Einfluss es Menschen schaffen konnten, wenn sie sich einfach bemühten und weiter vorangingen, selbst wenn die ganze Welt gegen sie zu sein schien. „Ist das, das Jintsureki-dan?“ Verwundert blickte Tsubasa auf zu ihrer Banknachbarin, die sie mit einer Mischung aus Begeisterung und erstaunen ansah. Seltsam, bisher hatte kein anderer ihrer Freunde auch nur ansatzweise gewusst, was das für ein Buch war. „Darf ich fragen, ob dieses Buch Bestandteil des normalen Unterrichtes ist? Liest man es in der Mittelschule?“ Die Fragen ihrer Nachbarin waren doch schon ungewöhnlich. Natürlich las man es nicht in der Mittelschule. Und in der High School las man es auch nicht freiwillig. Tsubasa zählte sich da selbst schon als Ausnahme, da sie immer bestrebt war etwas neues zu lernen und das Gelernte in den hintersten Ecken ihrer Gehirnwindungen abzuspeichern. „Nicht wirklich. Es steht nicht einmal in der High School regulär auf den Unterrichtsplänen. Hat man es in deiner vorherigen Schule etwa auf dem Plan gehabt?“ Vorsichtig schob Tsubasa ihr Lesezeichen in das Buch und schlug dieses zu, wobei sie ihre Nachbarin musterte. In was für einer Schule war sie wohl gewesen, dass sie diesen alten Schinken kannte? Tsubasa war keine bekannt, die öffentlich genug war, damit sie solchen Lernstoff schon an der Mittelschule durchziehen konnten. Privatschulen hatte sie ja aufgrund des schmalen Gehaltes ihrer Eltern meiden müssen, sonst hätte sie wohl schon vorzeitig eine bessere Ausbildung genossen. So hatte sie sich allerdings in der Stadtbibliothek verschanzt, wann immer sie Freizeit hatte. „Ich... Das ist meine erste Schule die ich besuche. Die letzten Jahre wurde ich Zuhause unterrichtet.“ Privatunterricht also. Tsubasa hasste das schmale Gehalt ihrer Eltern. Privatunterricht wäre sicher auch ganz gut gewesen. Ohne all die Ablenkungen, den Lärm in den Pausen. Aber gut, man konnte ja nicht alles haben und es war eindeutig, dass ihre Banknachbarin aus einer anderen Welt als sie stammte. Einer Welt, der sie wohl zu entfliehen versuchte, denn sie bemühte sich sehr so normal wie möglich zu sprechen und nichts von ihrer Bildung oder ihrem Stand nach außen scheinen zu lassen. „Kira Tsubasa...“ Es war eine Eingebung, der Tsubasa folgte, als sie ihrer Nachbarin die Hand entgegen hielt. Untypisch für die japanische Gesellschaft, aber diese befand sich genug im Wandel, so dass viele Freundschaften bereits mit einem Händedruck geschlossen wurden. Staunend sah ihre Nachbarin zu der Hand die ihr gereicht wurde und schien zu überlegen, ob es denn Rechtens war diese nun zu erfassen. Schließlich jedoch, ergriff sie diese und lächelte Tsubasa wie eine echte Prinzessin an. „Mein Name ist Yuuki Anju, sehr erfreut dich kennenzulernen, Kira-san.“ Kira-san. Nein, das klang irgendwie falsch. Zu höflich, zu hochgestochen dafür, dass sie in den nächsten Monaten viel Zeit mit einander verbringen würden. Das hatte Tsubasa für sich zumindest entschieden. Anju war interessant und sicher konnte sie mehr von ihr lernen als nur Ausdrucksweisen. „Nenn mich doch einfach Tsubasa, Anju-san.“ **~~** Es war die zweite Eröffnungsrede, der Tori und ihre beiden Freundinnen hier an dieser Schule beiwohnten. Auch dieses Mal standen sie am seitlichen Abgang von der Bühne und fokussierten Watanabe, der den Schülern seine Vision von dem kommenden Jahr nahe legte. Sie sollten ihre Jugend genießen, strebsam sein und gleichzeitig immer vernünftig bleiben. Sowohl die Abschlussjahrgänge, als auch die Neuzugänge sollten respektvoll miteinander gehen und einander unterstützen, damit sie voneinander lernen konnten. „Was für eine Farce...“, nuschelte Beni verstimmt und zwirbelte zwischen ihrem Daumen und Zeigefinger eine Strähne ihres dunkelbraunen Ponys. „Von wegen respektvoll miteinander umgehen... Watanabe hat wirklich verschrobene Ideale...“ Ernst blickte Tori zu ihrer Freundin und stupste sie mit dem Ellenbogen in die Seite. Sie wusste, warum Beni diese Rede gegen den Strich ging. Ihr ging es nicht anders, doch sie hatten im Jahr davor genug über diese Situation diskutiert und sie waren sich allesamt einig gewesen, dass ihr Erbe nicht sterben sollte. „Was? Du kannst doch nicht behaupten, dass das was er uns antut, respektvoll ist, oder, Tori?“ Benis Stimme war etwas lauter geworden, aber immer noch leise genug, dass niemand ihr kleines Gespräch belauschen konnte. „Es ist gut jetzt, Beni. Wir haben lange genug darüber diskutiert. PHOENIX gehört der Schule und nicht uns. Das heißt, Watanabe kann über PHOENIX entscheiden, wie es ihm beliebt. Wir sind nur die Würdenträger dieses Namens und es wird an der Zeit, dass wir diese Ehre weitergeben.“ Aus dem Augenwinkel heraus erkannte Tori, wie Beni die Arme verschränkte. Ihr gefiel die Antwort gar nicht und sie wusste auch, dass noch mehr in ihrer Freundin rumorte, als sie jetzt heraus ließ. Ein Zeichen dafür, dass sie wohl doch noch den ein oder anderen Kampf ausfechten mussten, wenn die neuen Bewerber nicht zu ihrer Zufriedenheit waren. „Bitte streite nicht ihr beide. Uns gefällt das allen nicht, aber im Moment haben wir keine andere Wahl als mitzuspielen. Wir finden aber sicher eine Lösung für unsere Dilemma. Doch die wird uns sicher nicht im Streit entgegen fliegen.“ Sanft legte Hiko auf Benis Arm eine Hand und lächelte ihre verstimmte Freundin an. Im Gegensatz zu Toris Worten schien Hikos Logik zu fruchten, was Tori selbst dankbar akzeptierte. Hiko konnte eben immer dass erreichen, wozu sie nicht in der Lage war, weil ihr einfach die Überzeugungskraft fehlte. Deswegen bestand PHOENIX auch aus drei Personen. Jemand musste Überzeugend sein, jemand Leidenschaftlich und der dritte, Sie, musste die Schlachten ausfechten. „Leider muss ich euch heute auch eine traurige Nachricht mitteilen. Unsere schuleigenen Idole werden in diesem Jahr ihren Abschluss machen. Das Erbe von PHOENIX wird aber nicht einfach so untergehen. Gemeinsam haben wir entschieden, dass drei Neuzugänge die Chance bekommen werden, in ihre Fußstapfen zu treten und PHOENIX zu weiteren großen Taten aufsteigen zu lassen. In einer kleinen Auswahl haben wir bereits zehn potentielle Kandidatinnen ausgesucht. Doch bevor wir die Anwärterinnen vorstellen, übergebe ich das Wort an Hino-san, Hibari-san und Naruhodo-san, euch besser bekannt als PHOENIX.“ Der Applaus der im Auditorium ertönte, als PHOENIX geschlossen die Bühne betraten, war einfach unglaublich. Tsubasa hatte der Rede des Direktors nicht viel abgewinnen können, schon gar nicht dieser Weihräucherin dreier Mädchen, die sich über den Daumen gepeilt nicht von ihr oder Anju, oder jedem anderen Mädchen der Schule unterschieden. „Sie sind es wirklich, ich glaube es immer noch nicht, dass ich mit ihnen in einer Schule bin“, hörte sie ein Mädchen neben sich sagen. Tsubasa konnte diesen Hype einfach nicht verstehen. Wobei sie auch noch nie aktiv eines der Lieder von PHOENIX gehört hatte. Musik von Idolen war eben für sie Musik von Idolen. Manipuliert, Klischeehaft und vor allem künstlich. Noch dazu hatte PHOENIX mit Sicherheit nicht viel für ihren eigenen Ruhm getan, außer wie die Marionetten des Direktors zu tanzen und dessen Wunsch zu erfüllen. Was auch immer das für ein Wunsch sein mochte. Für Tsubasa wäre so ein Leben nichts gewesen, weswegen sie froh war, dass sie niemals zu den zehn Anwärterinnen gehören würde. „Danke. Wir freuen uns, mit euch allen dieses letzte Jahr gemeinsam bestreiten zu können und werden für euch die drei würdigsten Nachfolgerinnen wählen. Wir hoffen, dass ihr aber allen Anwärterinnen mit allen euch zur Verfügung stehenden Mitteln unterstützt, denn vergesst nicht. PHOENIX sind nicht nur wir drei, wir alle sind ein Teil dieser Unsterblichkeit und nur mit euch sind wir eine komplette Einheit.“ Tsubasa horchte auf, als die Leaderin, zumindest stand sie mittig, das Wort ergriff und das Mikrofon für sich beanspruchte. Ihre Worte hatten sicher einen positiven Hintergrund, doch die Art wie sie diese aussprach, wirkten in Tsubasas Augen gekünstelt. Waren sie denn wirklich so einfach zufrieden damit, wenn man sie ersetzte? Dennoch, Tsubasa konnte auch nicht abstreiten, dass sie nicht doch neugierig war. So große Worte mussten schließlich auch bedeuten, dass man großartiges vollbringen konnte. „Anju-san, hast du Lust mit mir nach der Schule den Auftritt der drei zu sehen?“ Fragend sah Tsubasa zu Anju, deren Blick staunend auf die Bühne fixiert war. Im Gegensatz zu Tsubasa, schien sie wirklich zu glauben, was die Leaderin sagte. Aber da war sie auch nicht die einzige. Ein Blick durch das Auditorium verriet Tsubasa, dass es vielen so ging. Wahrscheinlich hatten PHOENIX doch etwas, das sie nicht sah. Doch vielleicht würde sie das zu ihrem Auftritt sehen und vor allem auch verstehen, was sie in ihren Bann geschlagen hatte und was ihr bisher verborgen geblieben war. **~~** Erenas Herz schlug schneller, als sie den samtenen Stoff ihres ersten Bühnenkostüms am Leib trug. Darin steckte soviel Arbeit, dass konnte sie alleine an den Nähten sehen, die sauber gemacht waren. Viel Zeit durfte es auch nicht gekostet haben, denn die Entscheidung, dass die zehn Anwärterinnen, beim ersten Song mit PHOENIX auf die Bühne sollten, war kurzfristig gefallen. Die Choreographie war leicht, ebenso der Text, der großteils aus Backgroundgesang bestand und bei dem keine der Zehn wirklich herausstechen würde. Es war eben nur eine Präsentation. Eine Vorstellung der Kandidatinnen, von denen drei am Ende dieser Woche schon zu den Nachfolgern PHOENIX' bestimmt werden würden. „Es steht dir.“ Erena sah neben sich, wo sie Hiko erblickte, die sie aufmunternd anlächelte. Schon zum zweiten Mal an diesem Tag, hatte Hiko sich gezielt dafür entschieden sie anzusprechen. Eine Ehre, die Erena Hoffnung machte. Denn mit Sicherheit tat Hiko das nicht nur aus Spaß und Tollerei. Vielleicht hatte sie schon in Erena ihre eigens persönliche Erbin gesehen und wollte sie so dazu ermutigen, ihr bestes zu geben. „Danke. Aber eure Kostüme sind noch viel Atemberaubender. Da steckte sicher viel Zeit und Arbeit darin.“ Mit Sicherheit mehr als nur Zeit und Arbeit. Das konnte Erena an den weißen Rüschen erkennen, die sich nicht nur wie ein Armreif um Hikos Oberarme schlängelten, sondern auch wie der erste Part eines Rockes am Ende des weißen Oberteils legten. Noch dazu waren glitzernde Dekosteinchen daran befestigt. Der Rock selbst bestand aus einem Ober und Unterrock, wobei ersterer aus sehr feinem Tüll gemacht war, weswegen es beim zusammennähen beider Rockteile sicher das ein oder andere Problem gegeben hatte. Erena wusste das, denn sie hatte selbst viele Stunden ihrer Freizeit damit verbracht, für sich selbst das eine oder andere Outfit zu nähen, um so wenigstens etwas an den Traum Idol zu sein heran zukommen. Und nun hatte sie diese Chance. „Das weiß ich leider nicht. Aber der Modeclub hat wie immer ein Meisterwerk geschaffen. Nicht nur mit unseren Kostümen, sondern auch mit euren.“ Hiko lächelte zufrieden, bemerkte aber nicht, wie sie mit ihren Worten einen kleinen Teil von Erenas Bewunderung zerschlug. Bisher hatte Erena immer geglaubt, dass PHOENIX sich selbst seine Kostüme nähte. 'Es waren sicher nur diese Kostüme, weil die Zeit so knapp war', versuchte sich Erena einzureden und klammerte daran, das sie sich im Wortlaut verhört hatte. Hiko hatte mit Sicherheit nicht die Worte 'wie immer' benutzt. Ganz bestimmt nicht. „Sobald Mamiko und Kayoko sich an euch gewöhnt haben, werden sie und der Club sich selbst übertreffen, dass wirst du schon noch sehen.“ Nein nein nein nein. Das wollte Erena nicht hören. Sie wollte nicht hören, wie ihr Vorbild über andere schwärmte und dies scheinbar noch mit Stolz. Ein Idol musste, aus Erenas Sicht, sich alles hart selbst erarbeiten. Da durfte niemand anderes an den Kostümen mit arbeiten. Niemand sollte im Hintergrund zurückstehen, ohne jemals ins Rampenlicht treten zu können. Schon gar nicht, wenn sie die Schöpfer dieser unglaublichen Kostüme waren. „Es geht los. Hals und Beinbruch, Erena-chan.“ Die Musik erklang und obwohl Erena doch noch etwas zu sagen hatte, ging Hiko auf die Bühne und machte die ersten, einstudierten Schritte ihrer Performance. Sofort war für Erena vergessen, dass diese Kostüme niemals von PHOENIX selbst genäht worden waren. Immerhin waren sie grandios mit ihrer Musik und der Choreographie. Schritte, die sie vor wenigen Tagen erst gelernt hatten, zu einem Lied, dass neu geschrieben war und nur existierte, um die Anwärter zu präsentieren. Die Präsenz der drei Idole war für Tsubasa einfach unglaublich. Gebannt sah sie auf die Bühne, während alles um sie herum, wie schon nach der Rede des Direktor, bei der Eröffnungsrede in tosenden Applaus ausbrach. Die Tanzbewegungen der Mädchen waren so leicht, so grazil und so gut einstudiert, dass sie zu dritt wie eine vollständige Einheit wirkten. Ebenso erschütterte sie die Musik bis tief ins Mark und sie hätte schwören können, dass der Text plötzlich bedeutungsvoller klang, als er in Wahrheit war. War dies der Zauber von Idolen? Hatte sie diesen Zauber wirklich all die Jahre übersehen, oder lag es einfach nur an dem Charisma dieser drei Mädchen, dass den Zauber erst wirksam machte? Wie gebannt sah Tsubasa auf die Bühne und absorbierte jeden Tanzschritt, jedes Wort, als würde es aus ihrem eigenen Herzen kommen. „Hört den Schrei aus der Asche steigt er auf erneut aus altem Brauch sein Leben ist nie vorbei.“ Ihre Bewegungen waren geschmeidig, während das Scheinwerferlicht auf sie schien und mit ihnen und der Bühne zu einer Einheit verschmolz. Ihre Stimme waren wie ein der Schrei eines kriegerischen Vogels, der auf ewig in ihren Herzen widerhallen würde. Zumindest spürte Tsubasa die Resonanz in ihrem eigenen Herz. „Tick Tack Tick Tack unser Puls ein Metronom unser Leben eine Melodie sie spielt und spielt und sie vergeht nie. Tack Tack Tack, jeder Schritt ein Takt Jede Drehung eine Bürde gespielt, gespielt mit großer Würde.“ Während PHOENIX ihren Text selbstsicher sangen und dazu die einstudierten Schritte performten, traten die Zehn Anwärterinnen auf die Bühne, setzten in den Gesang und die Choreographie ein. Doch anders als PHOENIX war an ihnen nichts glorreiches. Sie erschienen viel mehr wie Background Tänzer, die sich unterordneten und dafür sorgten, dass die eigentlichen Mitglieder erstrahlten. Zumindest hatte es auf Tsubasa den Eindruck, bis sie ein Mädchen an Hikos Seite erblickte. Ihr Blick wirkte erwachsene, ihre Ausstrahlung so reif und unnahbar. Und im Gegensatz zu den anderen Anwärterinnen, waren ihre Bewegungen genauso flüssig und professionell wie die von PHOENIX selbst. Selbst das Scheinwerferlicht schien ihr und ihren schwarzen langen Haaren zu schmeicheln, so als hätte es vergessen, dass es einzig dazu diente PHOENIX in das beste Licht zu rücken. „Wow, PHOENIX sind wirklich toll.“ Tsubasa hörte nur noch hauchzart die Stimmen der Schüler um sie herum. Alle schienen nur Augen für PHOENIX zu haben, doch Tsubasa hatte nur eine einzige Person im Blick. Dieses Mädchen mit den langen schwarzen Haaren. „Tsubasa-san?“ Sie zuckte zusammen, als Anju sie plötzlich angesprochen hatte. Noch wie in einer Trance wandte sie ihren Blick zu ihrer Klassenkameradin, die ihr ein strahlendes Lächeln schenkte und gleichzeitig etwas Sorge hinter diesem Lächeln verbarg. „Sind PHOENIX nicht großartig?“, wollte Anju wissen und Tsubasa spürte, wie sie nickte. Gleichzeitig gab es jedoch einen Gedanken, den sie nur für Anju hörbar aussprach. „Ja, aber dieses Mädchen ganz Links... Sie ist irgendwie viel beeindruckender.“ Tsubasas Blick folgend, wandte auch Anju ihre Aufmerksamkeit zu der ihr gewiesenen Person. Schweigend folgte sie ihren Bewegungen und erkannte, was Tsubasa meinte. Sie war beeindruckender und hatte sie schon innerhalb weniger Sekunden vergessen lassen, dass sie einzig und allein wegen PHOENIX hier saßen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)