A long Time ago von Linchen-86 ================================================================================ Kapitel 58: Die Beziehung zwischen Mutter und Sohn -------------------------------------------------- Noch zwölf Tage Taichi kam gerade vom Fußballtraining nach Hause, schlüpfte aus seinen Schuhen raus und legte seine Sporttasche in den Flur. „Hallo Taichi“, begrüßte ihn seine Mutter, die ihm aus der Küche entgegen rief. „Abend“, erwiderte der Brünette. Er sah, dass seine Mutter gerade mit dem Abwasch beschäftigt war und wollte ihr helfen. Er schnappte sich ein Spültuch und trocknete das nasse Geschirr ab. „Oh, danke für deine Hilfe“, entgegnete Yuuko freundlich. „Ist ja kein Problem und zu zweit geht es viel schneller.“ Die Beiden sprachen über den Tag und was sie gemacht hatten. Aufmerksam hörte Yuuko ihrem Sohn zu, wie er erzählte, was er mit Mimi heute gemacht hatte. Sie waren im Park, hatten gepicknickt und das gute Wetter genossen, bis Tai zum Fußballtraining musste und Mimi den Abend mit ihrer Großmutter verbringen wollte. „Wird sicher nicht so leicht, wenn ihr euch verabschieden müsst, oder?“, fragte sie neugierig aber auch besorgt nach. Tai schüttelte seinen Kopf leicht. „Nein, sicher nicht, aber noch ist es ja nicht so weit“, erwiderte er schnell und wollte das Thema wechseln, er sprach nicht gerne darüber. Yuuko nickte verstehend und versuchte ein anderes heikles Themas anzusprechen. „Hast du den Brief deines Vaters gelesen?“ Genervt legte der Brünette das Spültuch weg und legte seinen Kopf in den Nacken. „Ernsthaft? Fängst du schon wieder mit dem Thema an?“ „Mensch Taichi, es ist doch nur ein Brief. Warum stellst du dich so an und liest ihn nicht einfach?“, wollte Yuuko endlich eine Antwort auf ihre Frage. „Weil es mich nicht interessiert, was er zu sagen hat. Punkt.“ „Das ist nicht wahr, es interessiert dich sehr wohl was in dem Brief steht und so langsam wird es Zeit, dass du ihn liest“, versuchte sie erneut ihren Sohn zu ermutigen. Tai sah genervt zu seiner Mutter. „Lass es bitte einfach.“ „Nein.“ Taichi seufzte. „Ich glaub ich geh zu Mimi“, murmelte er und drehte sich um um weg zu gehen, doch seine Mutter hielt ihn an seinem Ärmel auf. „Ich muss mich noch bei dir entschuldigen. Es ist alles ganz alleine meine Schuld“, sagte sie traurig und ließ ihren Kopf hängen. Irritiert sah Taichi zu seiner Mutter. „Was meinst du?“ „Deine Meinung über deinen Vater, was du von ihm denkst und dass du so sauer auf ihn bist. Das ist meine Schuld“, erklärte sie sich weiter. „Aber das stimmt doch überhaupt nicht. Ich bin sauer, weil...weil er Feige ist“, rang der Brünette um Worte. „Ich hab meinen Kummer und meine Sorgen aber immer auf deinen Schultern ausgetragen und das hätte ich nicht machen dürfen. Ich hätte dich aus meinem Frust raushalten sollen, sowie Hikari, anstatt dich da mit reinzuziehen, das war nicht klug von mir und das tut mir leid.“ Tai schüttelte seinen Kopf. „Nein, du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Ich bin alt genug um mir selber eine Meinung zu bilden. Ich hab Augen im Kopf und...“ „Nein, das denkst du nur“, sprach Yuuko laut dazwischen. „Ich habe dich beeinflusst und du bildest dir eine Meinung über deinen Vater, weil ich verletzt war und dementsprechend viele Sachen gesagt habe, die ich nicht so gemeint habe, die du aber sehr ernst genommen hast. Du warst doch selber noch so jung Tai und ich... ich hätte wirklich nicht mit dir darüber reden sollen.“ „Mum, ich hab es dir angesehen und hätte eh keine Ruhe gelassen, bist du es mir gesagt hättest und ich habe ihm in Aoshima zugehört und sorry... aber was er zu sagen hatte, fand ich lächerlich“, wurde auch Tai zum Ende hin lauter. „Tai, dein Vater ist krank und er wird sterben“, erinnerte Yuuko ihren Sohn. „Ja und? Gibt ihm das ein Freifahrtschein sich wie ein Arsch zu verhalten? Darf man dann einfach ohne Erklärung gehen, Gelder veruntreuen und sich absetzen? Das bezweifle ich sehr. Man hat immer eine Wahl zu kämpfen und selbst wenn alles ausweglos ist, ist das auch kein Grund zu gehen“, schimpfte der Brünette seinen Ärger heraus. „Eine Sache weißt du nicht“, sprach es sanfter und bedachter aus Yuuko. Verwirrt sah der Brünette zu seiner Mutter. „Wie eine Sache weiß ich nicht? Was denn bitte noch? Reicht Krankheit und Veruntreuung nicht?“ Yuuko trocknete sich die Hände am Spültuch trocken, verließ die Küche, ging ins Schlafzimmer, kam kurze Zeit später wieder zurück und hielt Tai ihren Brief vor, den Susumo für sie verfasst hatte. „Ich will ihn nicht lesen“, brummte Taichi gleich los. „Weißt du eigentlich, dass du genauso dickköpfig und starrsinnig bist, wie dein Vater?“ „Hör bitte auf, mich mit dem zu vergleichen“, sprach es abfällig aus dem Brünetten. „Dann lies ihn. Wir haben so viel über deinen Vater geredet, ich hab dir viel aufgetragen, jetzt lass es uns auch abschließen, das geht aber nur, wenn du alles weißt.“ Tai sah schweigend zu seiner Mutter und überlegte. Irgendwie hatte sie ja Recht mit dem was sie sagte und es war ja nur ein Brief. Er hielt seine Hand auf und lächelnd übergab Yuuko ihrem Sohn den Brief. „Nicht zerreißen“, ermahnte sie ihn gleich. Tai lächelte matt. „Schon klar.“ Tai öffnete nervös den Brief, warum nur wollte sie unbedingt, dass er ihren Brief las? Er zog den Brief aus dem Umschlag und faltete ihn auseinander. Er erkannte seine Handschrift, und verwischte Spuren. Ihm war klar, dass es Tränen seiner Mutter waren, die sie vergoss, als sie den Brief gelesen haben muss. Ein Umstand der ihn ärgerte und erneut Groll gegen seinen Vater aufkeimte. Liebe Yuuko, ich weiß, dass es endlich an der Zeit ist, dir zu sagen warum ich euch vor 30 Monaten verlassen hatte, warum ich ohne eine wirklich Erklärung gegangen und nie zurückgekommen bin. Eines wollte ich dir vorher noch gesagt haben: Ich habe dich und unsere Kinder so sehr geliebt, ich konnte gar nicht stolzer sein. Zu sehen was aus ihnen geworden ist, war ein Geschenk. Sie sind großartig. Unser Nesthäkchen Hikari, sie ist wunderschön, so klug, smart, kreativ und lustig. Ich erkenne so viel von dir in ihr wieder, deine herzliche und verständnisvolle Art, dein Lachen und sogar dein Weinen. Sie ist die Perfektion von dir und ich wünsche mir nicht mehr, als dass sie ewig glücklich und gesund bleibt. Und unseren Erstgeborenen Taichi, es ist unglaublich wie groß und erwachsen er geworden ist. Er ist ein staatlicher junge Mann geworden. Stark, direkt, kämpferisch und ein wahrer Idealist. Sein Vergeben habe ich nicht verdient, das ist mir bewusst und dennoch wünsche ich mir auch für ihn, dass er sein Lebensglück findet. Du kannst stolz sein, denn dass die Beiden so geworden sind, ist dein Verdienst und ich bin so unsagbar dankbar, zu wissen, dass die Beiden eine so tolle Mutter haben. Wäre ich doch nur ein halb so guter Vater gewesen, wäre vieles anders gekommen, aber ich habe versagt, immer wieder. Ich habe dein Vertrauen nicht nur einmal missbraucht und dich nicht nur einmal enttäuscht. Das du mir damals, dass mit Oku verziehen hast, war wohl der größte Liebesbeweis den du mir je entgegen gebracht hast. Taichi hörte auf zu lesen und sah zu ernst zu seiner Mutter. „Wer ist Oku?“, wollte er gleich wissen. Yuuko lächelte ihren Sohn an, schüttelte aber dezent ihren Kopf. „Lies bitte weiter Taichi. Du musst wirklich lernen, erst mal eine Sache zu beenden und nicht immer so ungeduldig zu sein.“ Tai schnaufte, doch schließlich las er weiter. Damals dachte ich, nachdem du mir verziehen hast, dass alles wieder gut werden würde, dass wir wieder zueinander finden und als Familie weiter wachsen, aber natürlich blieb mein Handeln nicht ungesühnt, aber auch das weißt du ja bereits. Ich musste mir schnell etwas überlegen, wie ich euch finanziell helfen konnte, da es ganz alleine meine Schuld war, dass wir beinahe alles verloren hatten, so habe ich kurz vor Beendigung meines Arbeitsverhältnisse Firmengelder veruntreut und eine zusätzliche Lebensversicherung abgeschlossen, sowie alles in einem Testament hinterlassen, das eintreffen sollte, sobald ich das zeitige segnen würde. Ich war sicher, dass dies nicht lange dauern würde, denn zeitgleich bekam ich eine Diagnose die mein Leben auf den Kopf stellte: Eine Hirntumor der inoperabel sei, ich dachte wirklich, wenn das Leben einen umwirft, dann wohl so richtig. Ich musste mich absetzen, ich tat dies nicht aus Egoismus, ich tat es um euch zu beschütze, ich wollte einfach für euch das Beste und nicht für mich. Eine Operation habe ich gleich ausgeschlossen, aber einige Chemotherapien habe ich doch über mich ergehen lassen, bis ich schließlich auch das eingestellt hatte. Jetzt warte ich. Warte auf Erlösung - die ich wohl niemals erfahren werde, warte auf Vergebung - die ich gar nicht Verdient habe, warte auf den Tod - der mich von meinen Sünden befreit, warte darauf, dass meine Zeit abläuft, damit eure Zeit besser laufen kann. Ich weiß, nichts von all dem was ich getan habe, kann ich je wieder gut machen. Ich weiß, dass es zu spät ist, ich weiß, dass ich alles, einfach alles falsch gemacht habe. Aber das Schlimmste was ich weiß: Das ich alles hatte, was ich mir je von meinem Leben erträumt hatte, eine wunderschöne Frau, zwei tolle Kinder, einen guten Job und ein tolles Leben und ich habe all das verloren, weil ich es für einen kurzen Moment vergessen hatte. Für einen kurzen Moment mehr wollte und dabei alles verloren hatte. Wenn ich heute gehen muss, werde ich glücklich sein, weil ich dieses wundervolle Leben hatte, diese tolle Frau und diese wundervollen Kinder. Ich hoffe, auch du kannst mir irgendwann all meine Sünden vergeben. Ich hoffe, dass du glücklich wirst und irgendwann einen Mann an deiner Seite hast, der all das zu schätzen weiß, was ich für einen kurzen Moment vergessen hatte. Heute weiß ich, dass du meine Erlösung bist, du meine Vergebung und du mein ganzes Leben warst, aber ich möchte, dass du deines weiter lebst, dass unsere Kinder weiter leben und ihren Weg gehen und dass ihr immer daran denkt: Auch wenn ich gegangen bin, dass es nie nur einen Tag gab, an dem ich nicht an euch gedacht habe. In Liebe Susumo. Tai faltete den Brief zusammen, legte ihn zurück in den Briefumschlag und gab ihn seiner Mutter zurück. „Wer ist Oku? Der Brief hat für mich nichts geändert, außer mächtig viel blablabla und einer zusätzlichen Frage, also wer ist Oku?“, schoss es erneut aus dem Brünetten. „Taichi, ließ deinen Brief, ich bin sicher, dass du auf deine Frage dann eine Antwort bekommst.“ Der Brünette schüttelte ungläubig seinen Kopf. „Warum willst du unbedingt, dass ich deinen Brief lese, willst dass wir es hinter uns lassen, wenn du dann nicht die Fragen beantwortest die für mich wichtig sind. Das ist doch unfair“, sprudelte es aus dem Brünetten. „Oku war Sotas Frau, mehr sag ich nicht, aber ich verspreche dir alles zu sagen, wenn du deinen Brief gelesen hast.“ „Das ist mir echt zu blöd, ich hau ab“, erwiderte der Brünette verärgert, zog sich seine Schuhe und Jacke über und verließ die Wohnung. „Taichi?“ rief ihm Yuuko hinterher, doch Tai ging weiter. Er lief die gesamte Strecke und klingelte stürmisch bei Mimi. „Ich komme ja schon“, rief die Brünette, als das Klingeln immer drängender wurde und riss die Wohnungstür auf und schon drängte sich Tai an ihr vorbei. „Ähm hallo Schatz, wie geht es dir? Gut, danke und dir? Auch, ja herrlich komm doch rein“, erwiderte Mimi zynisch und machte die Türe wieder zu. Sie folgte dem Brünetten in ihr Zimmer und sah argwöhnisch dabei zu, wie Tai in ihrem Zimmer auf und ab lief. „Kannst du mir mal erklären, was los ist?“ Mimi verstand überhaupt nichts. Sie hatten so einen schönen Tag im Park verbracht, gepicknickt unter ihrer Lieblingseiche, wo sie vor Monaten schon war und auf Tai traf und jetzt war er mal wieder ein Idiot und ignorierte sie. Dieser Junge. „Ach ich hab diesen dämlichen Brief gelesen“, murmelte der Brünette. Mimi zog ihre Nase kraus und sah zu ihrer Kommode „Aber der Brief ist doch bei mir, oder nicht?“, fragte sie und zweifelte geraden an ihrem Verstand, hatte sie ihm den Brief gegeben? „Doch nicht der Brief“, widersprach Tai. Mimi wurde immer verwirrter. Welcher Brief konnte ihn denn noch so verwirren? „Ähm was?“ Der Brünetten ließ sich erschöpft auf ihrem Bett nieder und schloss seine Augen. „Den Brief den mein Vater an meine Mutter geschrieben hatte“, nuschelte der Yagami mürrisch. Mimi nickte verstehend, dieses Thema strapazierte ihre Nerven und sie wollte wirklich, dass er endlich aufhörte über diese Briefe zu schimpfen. „Und was stand drin?“ wollte sie wissen, ihr Neugier war einfach zu groß. Tai erzählte Mimi von dem Brief, was er davon hielt – nämlich gar nichts und seine Frage die ihn verwirrte. Die Brünette legte einen Arm um den Älteren und zog ihn zu sich runter. Sie gab einen Kuss auf die Wange und griff nach ihrer oberen Nachttischschublade, sie holte den Brief heraus und hielt ihn Tai vor. Verwirrt sah der Brünette zu seiner Freundin. „Ich bin nicht hier, um den Brief zu lesen“, brummte er gleich los. „Oh doch, es reicht mir so langsam. Lies diesen Brief, schließe dieses Kapitel ab und bitte Tai, lass nicht zu, dass diese dämlichen Briefe uns unsere Zeit rauben, du deshalb ständig schlechte Laune hast und ich mir unentwegt Sorgen mache. Lies diesen Brief und lass es bitte hinter dir“, sagte Mimi streng. Warum klangen ihre Worte, die seiner Mutter so ähnlich? Aber vielleicht hatten sie ja Recht, vielleicht sollte er es jetzt einmal hinter sich bringen. Der Tag war ohnehin am Arsch, was sollte jetzt noch passieren? Er zog Mimi den Brief auf der Hand, doch als er ihn auseinanderfalten und lesen wollte, hielt er in seiner Bewegung inne. Tai sah zu Mimi und hielt ihr den Brief entgegen. Mimi seufzte und rollte mit den Augen. „Och Tai.“ „Nein, du sollst ihn nicht wegpacken, lies du ihn vor. Laut.“ Überrascht sah die Brünette zu ihrem Freund. „Ähm...bist du sicher?“ Tai nickte „Ja... nachher verbrenne ich den Brief, bevor ich die Gelegenheit bekomme ihn bis zum Ende zu lesen und das wäre blöd“, grinste er. Mimi kicherte und konnte ihm nur zustimmen. Sie nahm mit klopfenden Herzen den Brief entgegen, wusste sie schließlich genau, was dieser Brief bedeutete und ihr bedeutete es eine Menge, dass er ihr so weit vertraute, dass sie ihn lesen sollte. Sie fühlte sich geschmeichelt und atmete tief ein und aus, ehe sie ihre Stimme hob und begann mit zittrigen Fingern den Brief vorzulesen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)