Let´s Play in the Dark von Toru-Jung ================================================================================ Kapitel 1: Let´s Play in the Dark --------------------------------- Hakyeon kam allmählich zu sich. War er nach dem Training eingeschlafen? Er erinnerte sich nicht sich hingelegt zu haben. Er wusste es nicht mehr. Seine Sinne wurden stetig klarer. Er bewegte seine Finger, sie fühlten sich taub an. Es war kalt. Er bewegte einen Fuß und spürte es kaum. Zögerlich öffnete er die Augen. Es blieb stockfinster. Wo war er? Die Kälte wurde lähmend. Nichts kam ihm vertraut vor. Wo waren der Tisch, der Schrank und die Betten der anderen? Es kribbelte unangenehm in seinem Arm, als er ihn unter sich hervorzog. Er atmete schwer. Die Beine zog er ein Stück an. Mit der Hand strich er über den Boden. Er spürte kein Bettlacken unter seinen Fingerspitzen. Der Untergrund war rau, grob, körnig und eiskalt. Panik stieg in ihm auf. Hatte er einen Albtraum? Ihm wurde übel. Plötzlich hörte er Schritte hinter sich. Sie näherten sich ihm. Sein Atem stockte. Wer war da bei ihm? Die Übelkeit wurde stärker. Wie ein Toter blieb er regungslos liegen. Die Schritte verstummten vor ihm. Jemand berührte seine Schulter, rüttelte leicht an ihm. Zögerlich schaute er denjenigen an und erkannte erleichtert im schwachen Licht ein vertrautes Gesicht vor sich. „Hakyeon?“ Leos Stimme klang schwach. "Geht es dir gut?" Leo half seinem Freund auf als er sich schwerfällig aufrichtete. Kurz schien sich alles um ihn herum zu drehen. Er umfasste fest Leos Arm und hielt sich an ihm fest. Mit weitaufgerissen Augen fragte er: „Wo sind wir?“ Leo sah ihn eindringlich an und schüttelte den Kopf. „Ich weiß es nicht“. Er griff nach Hakyeons Hand und löste sie sanft von sich. Den schwarzen Sweater den er über seinen Freund gelegt hatte zog er wieder über dessen Schultern. Hakyeon atmete tief ein und aus. Die Luft war durchzogen von dem schwermütigen Geruch von Benzin und Rost. Er schaute sich verwundert um. Unter dem einzigen Fenster, einem schmalen, blinden Oberlicht das an einen Keller erinnerte, stand Ravi auf einem Stuhl und schaute hinaus, dabei hielt er sich am Fenstersims fest. Doch so sehr man sich auch anstrengte, man konnte nicht mehr als den dunklen Nachthimmel sehen. „Bist du okay?“, fragte Hongbin, der sich gerade auf dem Boden hockte und sich die Handflächen aneinander rieb. Staubkörner glänzten im Mondlicht und rieselten hinunter. „Wir müssen hier weg“; murmelte er. Seine Stimme klang zerbrechlich. Sein ohnehin blasses Gesicht wirkte wie eine Geistermaske, sein Lächeln aufgesetzt und gezwungen. Hakyeon nickte. „Bist du auch okay?“ „Nur ein bisschen schwindelig im Kopf“. Eine Haarsträhne die ihm über die Augen hing strich er unsicher zur Seite. Mit dem gleichen Unbehagen klopfte er seinen Arm ab. Dreckspuren zeichneten sich auf dem weißen Stoff seines Pullovers ab. „Ganz schön dreckig hier“. Hyuk saß ein Stück entfernt von Hakyeon. Den Kopf schwermütig gesenkt, die Arme um die angezogenen Beine gelegt, sah er hilflos und verloren aus. Hakyeon rückte zu ihm rüber und legte ihm tröstend den Arm um die Schultern. Hyuks Winterjacke raschelte leicht als er Hakyeon mit geröteten Augen ansah. Er wollte etwas sagen. Seine Lippen bebten leicht. Doch er wand sich seufzend ab und zog die Beine fester an. „Es geht ihm gut“, sagt Leo „Aber er hat Angst und denkt er würde träumen“. „Wäre mir auch lieber wenn das ein Traum ist“, sagte Ravi, sprang vom Stuhl und stellte sich zu ihnen. „Wenn ihr mich fragt, sieht das hier aus wie eine Werkstatt“, sagte er, „Vielleicht in einer Tiefgarage oder einer Autowerkstatt“. "Wie kommst du darauf?", fragte Leo. Ravi zuckte mit den Schultern. "Naja, hier liegt viel Werkzeug rum, Schraubenschlüssel und sowas". In dem Moment schallte ein lautes metallisches Klirren durch den Raum. Alle blickten schnellten zu Ken. Der stand vor einem Regal und schaute erschrocken auf die kleine Kiste mit rostigen Schrauben, die er fallengelassen hatte. Die rollten wie Murmeln in alle Richtungen. „Entschuldigt“, wisperte Ken. „War keine Absicht“. Mit einem großen Schritt stieg er über die Stahlschrauben hinweg und hockte sich lässig neben Hyuk. „Mach dir keine Sorgen. Wir sind bald wieder zuhause“, versprach er und steckte die Hände in die Taschen seines roten Kapuzenpullovers. „Finds nicht so wichtig wo wir hier sind. Ich bin froh, dass wir anscheinend von einem kompletten Vollidioten gekidnappt wurden. Also ich mein wegen der Tür und so“. Er grinste breit und wippte sachte vor und zurück. „Ganz genau. So ist es“, pflichtete Ravi bei. „Ein totaler Vollidiot. Der hätte sich mal besser nicht mit uns anlegen sollen. Nicht wahr? Was meinst du Hyuk?“ Hyuk rührte sich nicht. Er schien sich als einziger von ihnen der blanken, grausamen Realität gegenüber zu stellen. Hakyeon wäre wahrscheinlich genau wie er fassungslos und vor Angst gelähmt, wären seine Freunde nicht hier und würden sie ihm keinen Mut mit ihrer scheinbaren Zuversicht machen. Sie schienen anscheinend alles auf die leichte Schulter zu nehmen, dass sie entführt wurden, dass sie hierhergeschleppt wurden und dass sie nicht wusste was sie erwartete. Hakyeon wusste das wenn er es Hyuk gleichtun würde, das es weder ihm noch den anderen was bringen würde. Sie mussten alle die Nerven behalten, nur so würde sie hier wieder heraus kommen. Und genau das hatten die andern schon längst erkannt. „Ken hat Recht, wir kommen hier schnell wieder raus“. Er tastete nach seinem Handy in seiner Hosentasche. „Vielleicht können wir…“. Fragend schaute er zu Leo. „Wo…?“ Dieser schüttelte den Kopf. „Unsere Handys sind alle weg“. „Hat der Vollidiot wenigstens eine Sache richtig gemacht“, lachte Ravi. Und erntetet dafür einen mahnenden Blick von Leo. „Hier steht zwar ein Telefon, aber das funktioniert nicht mehr“, stellte Hongbin fest. „Die Leitung ist tot“. „Genauso wie die Lampen. Keine brennt mehr“, fügte Leo hinzu. „Aber dafür haben wir alle diese komischen Ketten um“, meinte Ravi und hielt eine Kette mit einem kleinen Anhänger hoch. "Ich versteh nicht was wir damit sollen“. „Dann sind wir hier eingesperrt?“, fragte Hakyeon aufgebracht. „Die Tür ist nicht verschlossen“, Ravi deutete zu einer Stelle hinter einem Regal. „Wir gehen einfach raus“. „"Das sagst du so einfach", murrte Hongbin. „Die Tür ist offen?“ fragte Hakyeon an Ravi gewandt. „Hab ich das nicht schon gesagt?“. Er zeigte zu einer Stelle hinter einem der vier Eisenregale die hier wie in einer Bibliothek einander gereiht standen. „Da hinten geht’s raus“. „Warst du schon draußen“. Leo antwortete: „Nein, niemand hat den Raum verlassen. Wir wollten warten bis alle aufgewacht sind“. „Genau“, sagte Ken, „in null Komma nix sind wir hier weg“. Was war nur passiert? Das Ganze war einfach so unwirklich, das es sich für ihn fast anfühlte als wäre er in einem Videospiel gefangen. Auch wenn von Minute zu Minute die Angst und die Panik realistischer wurden, er wollte es nicht wahr haben. Hakyeon stand auf und reichte Hyuk die Hand um ihm auf zu helfen. „Hyuk, kommst du? Wir gehen“. Vehement schüttelte Hyuk den Kopf. „Ich kann nicht. Ich will nicht raus“. „Hyuk, ich hab doch gesagt das du dir keine Sorgen machen musst“, wiederholte Ken. „Wie könnt ihr nur so ruhig bleiben?“, wisperte Hyuk. Ken grinste und klopfte Leo kräftig auf den Rücken und sagte voller Zuversicht. „Keine Angst, Leo wird uns alle wie Rambo hier rausbringen“. Hakyeon griff nach Hyuks Hand und wollte ihn hochziehen „Komm schon“, doch dieser schlug seine Hand weg und schaute ihn böse an. „Nein, ich bleibe hier“, sagte Hyuk. „Es ist besser so. Bald wird Hilfe kommen. Ganz bestimmt“. . „Wie kommst darauf? Die Polizei weiß wahrscheinlich nicht mal dass wir hier sind. Auf die können wir lange warten“, sagte Ravi energisch und trat auf Hyuk zu. „Was willst du hier noch länger herumsitzen und warten? Wir können raus, die Tür ist offen. Wo ist da dein Problem?“ „Hast du dich mal gefragt warum sie offen ist?“ „Was interessiert mich das? Mich interessiert einfach nur, dass wir raus können. Es wäre vollkommen blöde hier noch herumzusitzen und Däumchen zu drehen“. „Ravi es reicht?“, mischte sich Leo ein. Ravi schaute ihn überrascht an und sagte: „Wenn wir hier bleiben erreichen wir gar nichts“. Keiner antwortete ihm. „Gut, dann bleibt Hyuk hier“. Hakyeon sah ihn entsetzt an. „Was?“ „Er kann nicht hier bleiben“, warf Hongbin ein. „Wir müssen alle zusammenbleiben“. „Ich und Leo gehen zuerst raus und sehen nach wo wir sind“, sprach Ravi weiter. „Abgemacht?“ Leise murmelte Hyuk: „Bleibt hier“. Doch einzig Hakyeon hörte seine Worte. „Gleich wachen wir auf“. „Ich bleibe bei ihm“, sagte Hakyeon und setzte sich wieder neben den jüngeren. „Dann bleib ich auch“, sagte Ken und ging wieder in die Hocke. „Jemand muss doch auf die beiden aufpassen“. „Das ist keine gute Idee“, Hongbin stand hektisch auf und ging angespannt auf Ravi zu. „Es ist doch völlig egal was da draußen ist. Es nützt nichts wenn ihr zuerst geht“. „Beruhig dich mal!“, erwiderte Ravi und grinste. „Wir schauen ja nur kurz nach und sind gleich wieder da. Dauert nur einen Moment“. „Das muss nicht sein“, sagte Hongbin. Hakyeon dachte kurz nach. Was er tun sollte. War es besser das Ravi und Leo erst einmal nachschauten, oder war es sinnlos und sie sollten sofort alle auf einmal hinaus? Er fand keine sichere Antwort und sagte schließlich: „Bleibt nicht länger als nötig“, bat Hakyeon. „Und seid vorsichtig“. Ravi hielt den Daumen hoch. „Wird schon nichts passieren. Versprochen“. Er rückte seine Mütze zurecht und sagte zu Leo: „Gehen wir!“ „Warte“, rief Hakyeon, nahm die Jacke die Leo ihm gegeben hatte und reichte sie ihm. „Nein, behalte sie“, antwortet er. „Mir ist nicht kalt“. Obwohl er genau wie Hakyeon nur ein T-Shirt trug. „Wir sind gleich wieder da“, versicherte er ihnen und folgte Ravi. Hakyeon hatte den Drang ihnen zu folgen als sie um das Regal herumgingen, das neben der Türe stand. Doch er musste bei Hyuk bleiben, später mussten sie ohnehin alle hier raus. Egal ob Hyuk dann wollte oder nicht. Man hörte ein leises, schrilles Quietschen, als die Tür sachte geöffnet wurde. Plötzlich spürte Hakyeon einen so starken Druck im Magen, dass ihm das Atmen schwer fiel. Ein verschwommenes Bild sah er vor sich. Er blickte hinunter auf zwei schwere Stiefel die vor ihm her liefen. Eine tiefe raue Stimme sagte etwas Unverständliches. Kurz danach fiel sie wieder ins Schloss und die beiden waren weg. Hakyeon biss sich auf die Unterlippe. „Alles okay mit dir, Hakyeon?“, fragte Ken. „War es richtig sie gehen zu lassen?“ Hongbin sah ihn entgeistert an. „Das fragst du dich erst jetzt?“ Wie vom Blitz getroffen rannte er zur Tür. „Bleib hier, Hongbin!“, rief Hakyeon, doch da war er schon längst hinausgerannt. „Soll ich ihm nach?“, fragte Ken und wollte gerade aufstehen. Er biss sich abermals auf die Unterlippe. Wie gebannt schaute er in die Richtung in der Hongbin gelaufen war und hoffte, dass er jede Sekunde wieder zurückkam. Doch das tat er nicht. „Nein, lass ihn“, antwortete er schließlich. „Die kommen schon wieder. Leo ist ja dabei, die sind in Sicherheit“, sagte Ken. „Ich wäre ja auch gerne mitgegangen und hätte mir angesehen wo wir sind, aber einer muss ja hier aufpassen“. Brüderlich klopfte er Hyuk auf den Rücken. „Kopf hoch, Hyukie!“ Hakyeon zog sich den Sweater an und zog den Reisverschluss bis zum Hals zu. Bedrohliche Stille herrschte nun im Raum. Auch wenn Hakyeon nur das erkannte was vom Licht erfasst wurde, vermutete er, dass der Raum viel größer war als es den Anschein hatte. Er schaute zum schmalen Fenster. Ravi hatte den Dreck an einer Stelle weggewischt. Dahinter sah man ein paar einzelne Sterne leuchten. Würde nur sie Sonne bald aufgehen. Dann würde dieser Ort viel weniger angsteinflößend wirkten. Hakyeon musste aufpassen das seine Fantasie nicht mit ihm durchging. Er wusste genau, dass in den dunklen Ecken nichts Gefährliches lauern konnte. Geister, Monster und Ghule existierten nicht. Hier war nichts, dass man fürchten musste. Doch die ununterbrochene Dunkelheit machte es ihm nicht leicht, Realität von Albtraumerscheinungen zu unterscheiden. Noch einmal tastete er nach seinem Handy. Er wusste nicht einmal wie spät es war. War es bereits Mitternacht? „Wenn die Sonne nur bald aufgehen würde“, murmelte er. Jetzt wären ihre Handys eine große Hilfe gewesen. Auch im Falle, dass sie keinen Empfang hatten, so konnte sie diese wenigstens als Taschenlampe benutzen. Doch so mussten sie praktisch blind und orientierungslos herumirren. Die Kälte war ein weiteres Problem. Hakyeon legte seine Hand auf Hyuks, sie war genauso kalt wie seine. Zumindest trug Hyuk über seiner Schuluniform eine dicke Winterjacke, die ihn warm hielt, genauso wie Ravi. Ken rieb die Hände kräftig einengender, hauchte sie an und steckte sie zurück in die Bauchtasche. „Ich wette wenn wir draußen sind stehen wir mitten in Seoul. Dann nehmen wir uns ein Taxi und sind schnell wieder zuhause“. Hakyeon ging eine Frage nicht aus dem Kopf. Warum war die Tür nicht verschlossen? Überhaupt ergab es keinen Sinn, dass sie hier alle in diesen unverschlossenen Raum, nicht gefesselt und alleine aufgewacht sind. In Filmen war die Antwort darauf, dass der Entführer wollte, dass sie den Raum verließen. Weil draußen etwas auf sie lauerte. Oder etwa... ? Erschrocken schaute er zur Zimmerdecke, in den Ecken und auch auf den Regalen erkannte er kein Anzeichen für eine Kamera. Auch kein kleines rotes Licht oder merkwürdige Einbuchtungen an der Decke. Im Moment schien die Tatsache, dass irgendwo Kameras sein mussten, für ihn allerdings die logischste Antwort zu sein, warum sie sich hier freibewegen konnten. Hakyeon schüttelte den Kopf. „Das kann doch alles nicht wahr sein“, flüsterte er und fuhr sich mit einer Hand durch die Haare. Ken schaute seinen Freund besorgt an. „Wo bleiben die solange?“, fragte er sich und schaute zur Tür. „Soll ich mal nachsehen?“ Er erhob sich. „Nein, bleib hier“, bat Hakyeon. „Sie kommen bestimmt gleich“. Seine Augen verengten sich. „Es reicht schon das Hongbin mit Leo und Ravi gegangen ist. Das musste nicht sein. Er hätte hier bleiben sollen“. „Drei Leute sehen mehr als zwei“, lachte er halbherzig. „Macht dir keine Sorgen. Ich glaube nicht, dass da draußen irgendwas ist was ihnen gefährlich werden könnte. Was denn auch?“ Hakyeon zog die Augenbrauen hoch als er Ken ansah. Er öffnete den Mund und wollte etwas erwidern, doch er blieb still. „Nein, da draußen ist nichts. Du wirst schon sehen“, dieses Mal lächelte Ken nicht. Einen Moment sahen sich die beiden schweigend an. Ken stand auf: „Brrr! Es ist wirklich etwas kühl hier“. Er tappte von einem Fuß auf den andern, schaute zu Hyuk und sagte: „Hyuk, steh doch mal auf. Der Fußboden ist zu kalt“. Er griff nach dessen Arm, doch Hyuk zog ihn gleich wieder energisch zurück. Hyuk machte sich noch kleiner und zog seine Beine enger an sich. Fröstelnd rieb Hakyeon sich mit den Händen über die Arme. Die Luft schien mit jeder Minute kälter zu werden. Er war froh das zumindest Ravi und Hyuk eine warme Jacke trugen. Mit schwachen Beinen stand er auf. Er spürte seine Zehen kaum mehr und ging ein paar Schritte. Dabei spähte er hinter eines der Regale an der Wand. Ein Spalt, gerade breit genug zum Hineingehen, klaffte zwischen Regal und Wand. „Was machst du?“, fragte Ken. „Ich will mich hier ein bisschen umsehen“. „Was willst hier sehen? Ist doch alles dunkel. Ich habe mir die Regale vorhin schon angesehen, da liegt nichts Brauchbares. Alles nur alter Schrott“. Ohne Ken zu antworten ging er an der Wand entlang und schaute zur Decke hinauf, die höher war als im Dorm. Weit ging er nicht, denn hier konnte er noch gut erkennen, dass sich in der Ecke nichts befand, bis auf ein paar Spinnweben, die sich unter der Last des angesammelten Staubes beinahe von der Decke lösten. Er ging rückwärts und trat dabei auf etwas Hartes und Spitzes. Er schätzte, dass es eine von den Schrauben war, die Ken vorhin fallengelassen hatte, denn es rollte weg als er seinen Fuß wegnahm. Wieder aus dem Spalt heraus, nahm er gleich die nächste Zimmerdecke ins Visier. Dazu ging er an einem Metallschreibtische vorbei und warf dabei einen kurzen Blick auf die Arbeitsfläche. Sie war unaufgeräumt, so als habe derjenige der hier gearbeitet hat seinen Arbeitsplatz in Eile verlassen. Eine dickverstaubte Kaffeetasse lag umgekippt dort auf dem Papier, unter ihr zeichnete sich ein dunkler unförmiger Fleck ab. Er sah genauer hin, auf dem Papier war eine Zeichnung die aussah wie ein Maschinenbaumplan. Zahlen und englische Wörter waren unterstrichen. Neben der Tasse stand ein silberner, glanzloser Bilderrahmen. Undeutlich erkannte man darauf zwei Personen nebeneinanderstehen, zwischen ihnen ein Kind. Neben dem Bild, stand ein altmodisches Telefon, der Staub auf dem Hörer und auf den Tasten war verwischt. „Die anderen Telefone funktionieren auch nicht“, sagte Ken. „Entweder ist die Leitung tot oder die Dinger sind einfach zu alt“. Wieder wünschte er sich das sie ihre Handys noch hätten. Anders wie das mit der Tür, ergab es Sinn dass der Entführer ihnen diese weggenommen hatte. Deshalb dachte Hakyeon auch, dass die Leitungen eher durchgeschnitten wurden, als das die Telefone kaputt waren. Er ging weiter. Hinter den Schreibtischen befand sich noch eine Reihe von Eisenregalen. Ihrer Umrisse zeichneten sich deutlich ab. Auch sah man hier und da einzelne Kisten und kleine Päckchen stehen. Mit jedem Schritt wurde es dunkler. Deshalb ersparte er es sich weiter zu gehen als es nötig war. Doch ob er nun näher an die Ecke gegangen wäre oder nicht, er konnte unmöglich sehen ob sich dort eine Kamera befand oder nicht. Denn so weit entfernt vom Fenster lagen die Ecken in tiefer Dunkelheit. Für einen Moment starrte er in die Schwärze und versuchte etwas zu erkennen. Ein beklemmendes Gefühl beschlich ihn dabei, so als lauerte etwas Böses dort oben an der Zimmerdecke, das ihn jeden Augenblick krallen konnte. Er schüttelte den Gedanken ab. Da ist nichts, sagte er sich. Er drehte sich wieder um und lief um die Schreibtische herum und zur gegenüberliegenden Wand. Dort sah es genauso aus. Doch hier konnte man ein wenig mehr erkennen, da das Fenster nicht so weit entfernt war. Neben ihm im Regal standen kleine Kästchen mit Schrauben, Muttern, Gewinden und anderem Handwerksgegenständen, hier war der Rostgeruch stärker. Nach ein paar weiteren Schritten sah er zur Decke hoch und entdeckte auch hier keine Anzeichen für eine Überwachung. Er war erleichtert, doch andererseits warf das wiederrum mehr Fragen in seinem Kopf auf. Er wand sich herum und stieß dabei mit dem Arm an Etwas das ihm Regal stand. Er sah genauer hin und erkannte eine Art Motor, daneben ein aufgerolltes Verlängerungskabel. Im Fach darunter noch zwei weitere Maschinen dieser Art und einige Metallrohre in verschiedenen Längen, sowie schwarze Gummischläuche. Er konnte nur raten wozu diese Gegenstände gebracht wurden. Vielleicht waren sie hier wirklich in einer Autowerkstatt. „Keine Sorge, Hyuk“, hörte er Ken sagen. „Wir gehen einfach zur Tür raus und weg sind wir. Wirst schon sehen. Und wenn wir Glück haben steht sogar irgendwo ein Auto rum, das ich kurzschließen kann“. „Wie kannst du von Glück reden?“, hörte man Hyuk murmeln. Fürs Erste beruhigte es Hakyeon, dass er keine Kameras gefunden hatte. Doch dies warf sofort weitere Fragen auf. Ehe er aus dem engen Gang heraustrat, bemerkte er eine Kiste, hinter einem der schweren Schreibtische. Er bückte sich um einen genaueren Blick darauf zu werfen. Wie Katzenaugen leuchtete in der Mitte ein gelbes Schild. Darauf waren drei große schwarze Kreise gezeichnet, die sich in der Mitte berührten und an einer Stelle offen waren. Deutlich stand darunter in Großbuchstaben das Wort: WARNUNG. Plötzlich ging die Tür jaulend auf. Hakyeon blieb fast das Herz stehen. Eilig lief zu den drei Personen die gerade herein gekommen waren. Hyuk und Ken blickten ebenfalls erwartungsvoll an. Besorgt vergewisserte er sich das die drei unversehrt waren. Hongbin stand wie ein scheues Kind hinter Leo. Mit dem Ärmel wischte er sich über die Augen als Hakyeon auf sie zukam und drehte sich weg. „Was habt ihr gesehen?“, fragte Ken als erstes und sprang auf. Leo Gesichtsausdruck sah verbissen aus, die Unterlippe leicht eingezogen und die Hände zu Fäusten geballt, seine Körperhaltung angespannt. Ravi dagegen wirkte eher verwirrt und unsicher, er vermied es Ken direkt anzusehen und zog seine Kappe über die Augen. „Jetzt sagt schon, was habt ihr gesehen?“, wiederholte Ken. „Nicht viel“, eröffnete Leo. „Man sieht nicht viel. Es ist einfach zu dunkel überall. Und wir wussten auch nicht wo wir langgehen sollten. Wir mussten vorsichtig sein wo wir hintraten, Ravi wäre beinahe…“. „Wieso?“, fragte Ken geschockt. „Was ist da draußen? Wohl kaum ein Labyrinth“, scherzte er. Alle blieben ernst. „Nein, das nicht aber…“, sagte Leo, „wir konnten den Ausgang nicht finden“. Zuerst dachte Hakyeon Leo würde scherzen, doch er sah todernst aus. Für eine Sekunde musste er innerlich lachen. Das konnte doch alles nur ein gemeiner Scherz sein. Das musste es sein. Das Ganze war einfach zu irreal um wahr sein zu können. „Was soll das heißen?“, fragte er ungläubig. Was war das für ein Ort an dem man keinen Ausgang fand? „Der Weg den wir zuerst gegangen sind war auf einmal versperrt“, sprach Ravi weiter. Von seinem Übermut schien nun nicht mehr viel übrig gewesen zu sein. „Wir konnten nicht weitergehen. Es ging nicht“. Er ballte die Hände. „Wären da nur nicht diese verdammten…“. „Dann kommen wir hier nicht raus?“ In Hyuks gerötteten Augen lagen Angst und Verzweiflung. Verzweiflung die in jedem von ihnen langsam hervorkroch und den Rest Hoffnung unter sich begrub und sie allmählich begreifen ließ, dass die Situation ernster war als sie es jetzt noch wahr haben wollten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)