Brüder von Traumschreiberin (Brother Hood (Robin Hood (BBC))) ================================================================================ Kapitel 1: ----------- .o°O°o. _____________________________ .o°O°o..O.o° °o.O¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯ O.o° °o.O. Brother Hood - Brüder Teil 01 Autor: TwilightDeviant Übersetzer: Lady Gisborne P16 Inhalt: Guy und Robin haben den Kampf gegen den Sheriff und die Zerstörung von Nottingham Castle überlebt, aber die Wunden, die sie davongetragen haben, bleiben dennoch nicht ohne Folgen… Warnung: [AU] [H/C] Disclaimer: Bei dieser Geschichte handelt es sich um eine autorisierte Übersetzung von TwilightDeviants englischer Originalstory Brother Hood. Alle bekannten Charaktere und Orte in dieser Geschichte gehören selbstverständlich der BBC bzw. Tigeraspect und der Inhalt ist frei erfunden. Ich verdiene mit dieser Story kein Geld, sondern schreibe nur aus Spaß an der Freude. ^^ Link zur Originalstory: (http://www.archiveofourown.org/works/1369813/chapters/2864251) http://www.archiveofourown.org/works/1369813/chapters/2864251 (http://www.archiveofourown.org/works/1369813/chapters/2864251) Anmerkung: Wie einige von euch vielleicht bemerken werden, habe ich mich bei der Übersetzung dieser Story ausdruckstechnisch etwas vom Original entfernt, was in diesem Fall aber beabsichtigt war. Zwar bemühe ich mich, wenn ich Geschichten übersetze, so nah wie möglich am Original zu bleiben, aber mir ist auch und vor allem wichtig, einen flüssigen und sinnvollen deutschen Text zu schreiben und die erwähnten Abweichungen habe ich in diesem Fall vorgenommen, weil ich hoffe, dass die Geschichte für euch dann „flüssiger“ ist und ihr mehr Spaß beim Lesen habt. ^^ .o°O°o. _____________________________ .o°O°o..O.o° °o.O¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯ O.o° °o.O. Die Luft im Raum war beinah erdrückend schwül und so wenig Freude herrschte dort, dass er den Leichnam eines Verstorbenen hätte beherbergen können. Doch der Mann, der bleich und reglos auf dem Bett lag, war nicht tot – noch nicht. Archer ging in dem Raum auf und ab, lief von einer Wand zur anderen und manchmal auch Kreis. Immer wieder ließ er seine Fingerspitzen über wertvolle Gegenstände gleiten und unterdrückte jedes Mal den Wunsch, sie an sich zu nehmen, auch nur den kleinsten davon in seine Tasche gleiten zu lassen, denn tief im Innersten wusste er, dass er, wenn er das tun würde, seinen Bruder, den einen oder den anderen, bestehlen würde. Zu einem anderen Zeitpunkt hätte ihn dieser Gedanke nicht weiter berührt, aber nun versetzte die Vorstellung, Männer auf dem Sterbebett zu bestehlen und bereits mit einem, vielleicht sogar beiden Füßen im Grab standen, selbst seinem schelmischen Wesen einen Dämpfer. Vielleicht war er schon zu oft auf und ab gelaufen, denn im Laufe des Tages, den er in diesem Raum verbracht hatte, hatte er sich bereits gemerkt, wo genau sich das lockere Dielenbrett im Boden befand und wich ihm nun ohne Probleme aus. Außer dem Geräusch seiner Stiefel war nur Muchs Schnarchen zu hören, das von ruhigen, tiefen Atemzügen zu einem Krächzen wechselte, das laut genug war, um Tote zu wecken – was aber nicht ganz der Wahrheit entsprach, konnte es doch nicht einmal die Halbtoten aufwecken. Much saß in einem Stuhl in der Ecke, wo er erst vor einer Stunde unfreiwillig eingeschlafen war. Er war erschöpft, was nach der Schlacht am vorherigen Tag und den Stunden, die er unablässig an der Seite seines Masters gewacht hatte, nicht weiter verwunderlich war. Archer achtete diesen Mann, den er kaum kannte, für seine Treue, wenn gleich ihm dieser Begriff längst nicht so vertraut war, denn gegenseitige Treue hatte es in seinem Leben nicht gegeben. Er war niemals jemandem treu gewesen und daher war auch niemand ihm treu gewesen. Ein Messer im Rücken war ihm so vertraut wie anderen Menschen eine Umarmung. Much schien jedoch so treu wie ein Hund und doppelt so freundlich zu sein – natürlich von seinem ständigen Jammern und Klagen abgesehen. Mit der unguten Vorahnung, dass der Tod an diesem Ort der Krankheit kein unerwarteter Gast wäre, ging Archer zum Bett hinüber. Darin lag Robin, bis zum Kinn mit einem dünnen weißen Laken zugedeckt und zeigte keinerlei Regung, die ihn von einem Leichnam unterschieden hätte. Alles andere wäre auch nur ein weiterer Grund zur Besorgnis gewesen, denn er hatte hohes Fieber und selbst die kalten Tücher, die Much ununterbrochen gewechselt hatte, halfen nur wenig, es zu senken. Alles sah danach aus, als würde ihn das Gift tatsächlich das Leben kosten. „Marian“, rief Archers Bruder mit einer Stimme, die so trocken und rau wie sprödes Herbstlaub klang. „Marian.“ Robin hob eine Hand, bis sie ungefähr einen Zoll über dem Bett in der Luft schwebte und insgeheim fragte Archer sich, ob das, was er gerade sah, ein Zeichen dafür war, dass sein Bruder wieder zu Bewusstsein kam oder nur ein Fiebertraum. „Marian.“ Die Hand fiel wieder hinunter auf die Decke. Nur ein Albtraum. Tuck hatte ihnen allen gesagt, dass Robins Zustand zu den schlimmsten Befürchtungen Anlass gab und Archer hatte seine Worte bereits in dem Moment akzeptiert, in dem sie den Mund des anderen Mannes verlassen hatten. Laut Tuck grenzte es an ein Wunder, dass er überhaupt so lange durchgehalten hatte und auch der Arzt hatte dem zugestimmt. Wie Arzneimittel, so hatten beide erklärt, hatten Gifte auf jeden Menschen eine andere Wirkung. Robin hätte innerhalb einer Stunde oder auch eines Tages sterben können, doch er war nicht gestorben. Aber er konnte immer noch sterben, bevor diese Woche vorüber war und es war sehr wahrscheinlich, dass genau das geschehen würde, dass Archer seinen Bruder verlieren würde – und Robin war derjenige von beiden, der die besseren Überlebenschancen hatte. Guy lag unten neben der Treppe auf einem schmalen Bett und nur er hätte Robin retten können, denn nur er wusste, was für ein Gift er Isabella gegeben hatte und hätte es ihnen ermöglichen können, ein primitives – und wahrscheinlich wirkungsloses – Gegengift herzustellen.  Aber er schwieg wie ein Grab – wie das Grab, in dem er bereits mit einem Fuß stand. Tuck und der Arzt waren zu dem Schluss gekommen, dass es nichts mehr gab, das sie für die beiden tun konnten. Ihre Körper hatten sie einen Tag lang am Leben erhalten und würden sie, so Gott wollte, auch weiterhin durchhalten lassen. Für alle Beteiligten (die übrigen Mitglieder von Robins Gang oder auch dankbare Männer und Frauen, die Essen und Gebete vorbeibrachten), bedeutete dies eine lange Zeit des Wartens und Archer hasste es ,warten zu müssen. Es weckte ein Gefühl der Nutzlosigkeit in ihm, dass er niemals zuvor gekannt hatte, ein neues und ohne jeden Zweifel unangenehmes Gefühl. „Marian“, rief Robin ein weiteres Mal aus, worauf Archer den Raum verließ. Obwohl  es bereits spät in der Nacht war, wartete einer der Diener am Fuß der Treppe und fragte ihn, ob er einen Wunsch hätte. Archer gefiel die Vorstellung einer Dienerschaft und hatte sich schon immer vorgestellt, wie es wäre, wenn er eines Tages reich genug wäre, um eigene Diener zu haben, doch diese Menschen betrachtete er mehr als Gefährten und fühlte sich schlecht, wenn er ihnen Befehle erteilte. Wahrscheinlich lag es an der Robin-Hood-Mentalität – eine weitere Sache, die ihm missfiel. Obwohl es nur einer einzigen Person zugute kam, knisterte ein Feuer im Kamin. Robins Männer hatten sich bereits zu Bett begeben und Kate hatte Locksley Manor verlassen, um nach Hause zurückzukehren. Aus diesem Grund war nur Guy in der Nähe und konnte die Wärme des Feuers spüren und  da seine kalte Haut sie bitter nötig zu haben schien, warf Archer noch ein paar zusätzliche Holzscheite in die Flammen. „Ist dir kalt, Bruder?“ fragte er sanft, sprach jedoch mehr mit sich selbst, um das Gefühl der Hilflosigkeit von sich abzuschütteln. „Dann komm doch näher ans Feuer.“ Archer packte eine Kante des Bettes, das er gleich darauf mit einem langgezogenen Knarren über den Boden zog. „Besser?“ Nah am Feuer setzte er sich in einen Stuhl und tat so, als würden die Flammen ihn in ihren Bann ziehen, während er in Wahrheit seinen Bruder aus dem Augenwinkel beobachtete. „Du hältst dich für etwas besseres“, murmelte er nach einem Augenblick des Schweigens, verflocht seine Finger ineinander und sank tiefer in seinen Stuhl. „Ein Adliger. Ein Ritter. Warum sollte es mich kümmern, ob du lebst oder stirbst?“ Sein stechender Blick richtete sich auf Guy, als könnte er von diesem eine Antwort erwarten. „Glaub nicht, ich wüsste nicht, was Leute von dir denken, Sir Guy of Gisborne. Irgendjemand hat einen Stein nach mir geworfen, nur, weil ich dich getragen habe.“ Gedankenverloren berührte er mit seinem Finger eine kleine Schnittwunde an seiner Stirn. „Weißt du, dass das wirklich wehgetan hat?“ Archer wandte sich wieder ab und war für einen Moment fast selbst davon überzeugt, dass das Feuer interessanter war als ein bewusstloser Mann, der im Sterben lag. „Was hast du eigentlich, für das es sich zu leben lohnt? Gar nichts.“ Sofort bereute er seine Worte jedoch wieder. Zwar trafen sie auf taube Ohren, aber er fühlte sich dennoch, als hätte er ein unberechtigtes Urteil gefällt. „Ich sollte mir weder um dich noch um Robin  Hoffnungen machen und ich habe beschlossen, das auch nicht zu tun.“ Einige endlos erscheinende Minuten verstrichen und die Stille wurde immer unerträglicher. Fast schien es, als wäre eine Seuche in dieses Haus eingefallen, die ihn jeden Winkel drang und das Leben in jeder Ecke erstickte. Nur um die Stille zu durchbrechen, fing Archer erneut zu sprechen an und nahm den Faden dort wieder auf, wo er ihn zuvor fallen gelassen hatte. „Aber wenn du…“ Mit einem Mal kam er sich so lächerlich vor, dass er innehielt. „Nun, wenn ihr beide am Leben bleiben könntet, wäre ich euch nicht böse.“ Tatsächlich schien dieser winzige Funken Hoffnung seine Nerven auf wundersame Weise zu beruhigen und ein winziger, unbedeutender Teil seiner Last fiel von ihm ab. Es war nicht viel, aber wenigstens etwas. Eine weitere halbe Stunde blickte er in die Flammen, bis er merkte, dass es bereits kurz vor Sonnenaufgang war. Um wenigstens etwas Schlaf zu bekommen, stand er auf, doch bevor er ging, legte er Guy prüfend eine Hand auf die Stirn und als er spürte, wie kalt sie noch immer war, holte er eine weitere Decke aus einer der Truhen und breitete sie über den daliegenden Mann. Er war die Treppe schon zur Hälfte hinaufgestiegen, als ein leise gehauchtes Wort an sein Ohr drang: „Marian.“ O°O°O°O°O°O°O°O°O„Wer ist Marian?“ Am liebsten hatte Archer laut aufgelacht, als auf seine Frage hin erst ein, dann ein weiteres Besteckstück überrascht fallen gelassen wurde, erschien ihm das doch als eine recht heftige Reaktion von den Männern, mit denen er gerade gemeinsam am Tisch saß. „Woher weißt du…?“ begann Little John, um sofort von Much unterbrochen zu werden, der seine Wache an Robins Bett für kurze Zeit unterbrochen hatte, um ein paar Bissen zu essen. „Die Frau deines Bruders“, sagte er und schlug die Augen nieder. „Welches Bruders?“ schnaubte Archer, konnte sich aber ein Grinsen nicht verkneifen. „Beide rufen immer wieder ihren Namen.“ Abwartend schaute er die beiden an, doch weder John noch Much schienen gewillt, auch nur seinen Blick zu erwidern. Daraufhin wandte Archer sich Tuck zu, aber der Mönch schüttelte nur den Kopf und gab so zu erkennen, dass er die Wahrheit entweder nicht sagen wollte oder sie überhaupt nicht kannte. Vielleicht wusste er auch etwas, aber längst nicht genug, um Archer aufzuklären. „Was ist geschehen?“ wollte dieser grimmig wissen. „Sie war Robins Frau“, erklärte John schließlich mit einem tiefen Knurren, in dem mehr als nur ein wenig unterschwellige Aggression mitschwang. „Gisborne hat sie umgebracht.“ Daraufhin sagte niemand mehr ein Wort und Archer stellte keine weiteren Fragen, denn glücklicherweise fiel es ihm nicht schwer, sich in Geduld zu üben und er war sich sicher, dass er mit der Zeit die ganze Wahrheit erfahren würde. Nicht nur das, er würde sicher auch vieles über seine beiden Brüder erfahren, sei es von den Männern, mit denen er nun am Tisch saß und aß oder von den beiden selbst, die noch immer um ihr Leben kämpften. Im Stillen verfluchte er sich jedoch selbst dafür, dass er sich Hoffnung auf ihr Überleben machte. O°O°O°O°O°O°O°O°OAn diesem Abend kam Guy für einen kurzen Augenblick zu sich. Als ihm ein gequältes Stöhnen entfuhr, sprang Archer aus seinem Stuhl auf, wobei er sowohl sein Schwert als auch den Wetzstein, mit dem er es geschärft hatte, fallen ließ. Sofort lief er, zwei Stufen auf einmal nehmend, die Treppe hinauf, um Tuck zu holen, der gerade an Robins Bett saß. Als die beiden wieder nach unten kamen, wand sich Guy schmerzgepeinigt auf seinem Bett und krallte beide Hände in seine Wunde, als wäre er ein kleines Kind, das glaubte, eine Wunde einfach von seinem Leib ziehen, wie fortwerfen und so den Schmerz, den sie verursachte, beenden zu können. Als Archer seine Hände festhielt, schrie Guy erneut gequält und zugleich kummervoll auf. „Tuck!“ schrie Archer den Mann neben sich daraufhin an, der seiner Meinung nach viel zu gemächlich gerade eine kleine Flasche entkorkte. „Moment, bitte“, entgegnete dieser mit überraschend ruhiger Stimme und klarem Kopf, bevor er sich zu dem Verletzten hinunterbeugte. „Trinkt das, Gisborne. Trinkt.“ Er hielt ihm die Flasche an den Mund, doch Guy schüttelte nur den Kopf, während ein ungewolltes, gebrochenes Schluchzen seinen spröden Lippen entkam. „Guy, trinkt das. Es hilft gegen die Schmerzen, mein Sohn.“ Eine von Archers Händen löste ihren Griff um die Hände seines Bruders und bemühte sich stattdessen, Guy Mund zu öffnen. Gemeinsam zwangen Tuck und er ihren unwilligen Patienten, den Trank, der sich in der Flasche befand, zu schlucken. Danach blieb Guy nur noch für einige kurze Augenblicke wach, bevor er unter unverständlichem Murmeln, das aus Worten hätte bestehen können, sich aber mehr nach bedeutungslosem Wimmern anhörte, in die Bewusstlosigkeit flüchtete. Erschöpft trotz der geringen Kraft, die er hatte aufbringen müssen, ließ sich Archer zurück in seinen Stuhl sinken. Krankenpfleger zu spielen fand er mehr als anstrengend, weshalb er diese Aufgabe auch nur ungern übernahm. „Bekommst du viele schwierige Fälle wie ihn?“ fragte er teilnahmslos und nur, um irgendetwas zu sagen. „Ich bekomme so gut wie gar keine Krankenfälle“, gab Tuck zurück. „Schließlich bin ich kein Arzt.“ Er suchte sich einen anderen Stuhl, und setzte sich zwischen die beiden Brüder, wobei er Guy die ganze Zeit wachsam im Auge behielt. „Nein, du bist einfach nur ein Tausendsassa, nicht wahr?“ „Ich versuche das zu sein, was immer die Situation erfordert“, antwortete Tuck, während er die kleine Flasche wieder verschloss, die er vor kurzem benutzt hatte und sich bereithielt, seinem Patienten auch die andere Hälfte des Trankes zu verabreichen, wenn die Zeit dafür gekommen war. „Aber Gisborne vertraut niemandem leichtfertig und bevor das alles hier vorbei ist, werde ich ihn wahrscheinlich zu meinen…größeren Herausforderungen zählen.“ Archer nickte, während er gleichzeitig leise vor sich hin summte. O°O°O°O°O°O°O°O°OAm nächsten Tag verließ Archer Locksley Manor, aber nicht für immer, noch nicht einmal für einen ganzen Tag. Doch das Herrenhaus erschien ihm so drückend wie eine Hinrichtung und so beengend, wie die dazugehörige Schlinge um seinen Hals. Deshalb meldete er sich freiwillig, die Vorräte und Habseligkeiten zu holen, die in Robins Camp zurückgeblieben waren und während keiner der anderen diese Aufgabe übernehmen wollte, konnte Archer an nichts anderes denken. Der Tag neigte sich bereits dem Ende zu, als er das Camp endlich fand und seinen Füßen gestattete, ihn zurück in Richtung des Herrenhauses zu tragen, doch selbst jetzt verschwendete er absichtlich Zeit, indem er sich mit einigen der Dorfbewohner unterhielt und sogar mit ein paar von ihnen wettete, dass er ein ebenso guter Bogenschütze war, wie Robin Hood. Er fühlte sich jedoch fast ein wenig schlecht dabei, ihr Geld, das er gewonnen hatte, zu nehmen. Als er sich endlich zwang, nach Locksley Manor zurückzukehren, kam ihm Much mit schnellen Schritten entgegengelaufen. Im ersten Moment machte sich Archer auf die schlimmstmöglichen Neuigkeiten gefasst, bis er auf dem Gesicht des herankommenden Mannes keine Trauer, sondern ein Lächeln sah. „Das Fieber“, keuchte Much, während er, auf seine Knie gestützt, versuchte, wieder zu Atem zu kommen, „das Fieber ist gebrochen.“ Erschöpft ließ er den Kopf sinken und atmete tief durch. „Gut“, war das einzige, das Archer daraufhin einfiel. Was hätte er auch sonst sagen sollen? O°O°O°O°O°O°O°O°OAm darauffolgenden Tag öffnete Robin endlich seine Augen, schaute sich um und nahm den Anblick von Archer, Much und John in sich auf. Verwirrt schaute er sie an, doch als er den Mund öffnete, um ihnen eine Frage zu stellen, brachte er nur ein heiseres Krächzen heraus, worauf ihm Much sofort ein Glas Wasser brachte. Voller Anspannung warteten alle darauf, dass Robin etwas sagte, doch er schloss nur die Augen und schlief sofort wieder ein. O°O°O°O°O°O°O°O°OAuch Guy zeigte erste Anzeichen, dass er bald aufwachen würde, aber da Archer fort gewesen war, hatte er die meisten verpasst. Als er zurückkam, saß Tuck dicht bei seinem Bruder und beobachtete ihn aufmerksam. Mit Ausnahme von Archer selbst sowie einiger Diener war Tuck der Einzige, der sich um Guy kümmerte, denn wenn die anderen ihm auch nicht zwangsläufig Schlechtes wünschten, so war ihnen Robin dennoch unverkennbar wichtiger. Archer ließ sich neben dem Mönch in einen Stuhl fallen und betrachtete nachdenklich Guys daliegende Gestalt, während diesem gelegentlich ein gequältes Stöhnen entkam, das sich manchmal sogar zu heiseren Schreien steigerte. Seine Hände zuckten und seine Augen wurden beinah widerwillig zusammengekniffen und im nächsten Moment wieder entspannt, doch ob er sie öffnen wollte oder darum kämpfte, sie geschlossen zu halten, ließ sich nicht einmal erahnen. Eine weitere Minute verstrich quälend langsam, bevor sich Guys Augen ruckartig öffneten, was den Anschein erweckte, dass er den Kampf, den er bis vor kurzem ausgefochten hatte, endlich gewonnen - oder verloren – hatte und nun entschlossen war, der Wahrheit ins Auge zu sehen. Im dem dunklen Raum wurde das Blau seiner Iris nur von der Schwärze seiner vergrößerten Pupillen übertroffen, die träge umher schweiften, während er soviel von seiner Umgebung aufnahm, wie er nur konnte. Er blinzelte, als er Tuck sah, doch als sein Blick auf Archer fiel, lächelte er. „Bruder“, hauchte Guy und versuchte, seinen Kopf zu heben, doch der scharfe Schmerz, der ihn selbst bei dieser geringen Anstrengung durchfuhr, ließ ihn aufkeuchen. „Shh, Sir Guy“, murmelte Tuck mit gedämpfter Stimme, während er versuchte, ihn zurück auf das Kissen zu drücken. „Versucht noch nicht, aufzustehen.“ „Aufstehen?“ Krächzend kam das Wort aus seinem wunden Hals. „Dafür bin ich viel zu müde. Ich kann ja noch nicht einmal meine Beine bewegen.“ Mit zu Schlitzen verengten Augen musterte er den Mönch. „Was hast du mir gegeben?“ fragte er misstrauisch. „Nur etwas gegen Eure Schmerzen, nichts weiter“, erwiderte Tuck, bevor er seine Aufmerksamkeit von dem Verletzten abwandte und sich in seinen eigenen Gedanken verlor. Er klopfte Guy auf die Schulter und erhob sich von seinem Stuhl, als wollte er den Anschein erwecken, dass er sich ausgiebig mit den Dingen beschäftige, die auf einem nahen Tisch standen. Archer stand ebenfalls auf, doch tat er dies nur, um Tucks Platz am Kopfende von Guys Bett einzunehmen. „Also hast du endlich beschlossen, aufzuwachen?“ „Wie lange war ich bewusstlos?“ fragte Guy drängend, nachdem ein Blick aus dem Fenster ihm verraten hatte, dass es spät am Nachmittag war. „Vier…Tage, glaube ich“, antwortete Archer und seine Stimme klang nachdenklich, als er sich jeden zurückliegenden, eintönigen Tag in Erinnerung rief. Irgendetwas schien Guy Sorgen zu bereiten, doch es war offensichtlich, dass er nicht die Absicht hatte,  seinem Bruder den Grund seiner Besorgnis anzuvertrauen und da er nicht sprechen wollte, blieb er einfach nur reglos auf seinem Bett liegen, sein Augenmerk unbeirrbar auf die hölzernen Balken an der Decke gerichtet und das einzige Geräusch, das er von sich gab, waren seine keuchenden Atemzüge, von denen jeder einzelne so scherzerfüllt klang, wie der vorherige. Vorsichtig streckte Archer eine Hand nach seinem Bruder aus, um sie jedoch schon im nächsten Moment wieder zurückzuziehen und mit ihr durch sein verfilztes Haar zu streichen. „Ruh dich aus“, ordnete er an, „dann geht es dir bald besser.“ Als er Anstalten machte, aufzustehen, griff Guy nach seinem Handgelenk und hielt es mit einem schwachen Griff umklammert, der das Geringste von der Kraft erahnen ließ, die dieser Mann noch vor wenigen Tagen besessen hatte. „Robin“, flüsterte er kaum hörbar und sagte mit diesem einen Wort ebenso viel wie mit jeder frage, die er hätte stellen können. „Er ist oben“, antwortete Archer und deutete mit einem Finger auf das über ihnen liegende Stockwerk. „Es geht ihm nicht sonderlich gut, aber auch nicht allzu schlecht.“ Mit dieser Antwort zufrieden nickte Guy leicht und blinzelte kaum merklich. Nach seinem eigenen Zustand fragte er jedoch nicht, denn für den Augenblick genügte es ihm, wach und am Leben zu sein. Wenig später ging Archer zu Tuck hinüber und nickte, sobald er neben ihm stand, mit einem Grinsen in Guys Richtung. „Er ist rege und munter. Das ist doch ein gutes Zeichen, nicht wahr?“ Doch Tuck sah bei weitem nicht so zufrieden aus wie der junge Mann. Ernst schüttelte er den Kopf, bevor er Archer ein Stück weiter von Guys Krankenlager fortzog. „Du musst ihn irgendwie ablenken“, verlangte er. „Warum?“ Verwundert warf dieser einen Blick zum anderen Ende des Raumes hinüber, wo Guy gerade erfolgreich darum kämpfte, seine Augen offenzuhalten. Aber Tuck schüttelte als Erwiderung nur den Kopf. „Nein, ich möchte mir lieber selbst erst sicher sein, als einen bloßen Verdacht auszusprechen. Sorg du nur dafür, dass er dich die ganze Zeit anschaut und sein Blick nicht auf mich fällt. Ich gebe dir mein Wort, dass ich ihm nichts Böses antun werde.“ „Also gut“, willigte Archer daraufhin mit einem halbherzigen Nicken ein, „dann werde ich es tun.“ Normalerweise fühlte er sich wie ein Fisch im Wasser, wenn er seine Mitmenschen beschwindelte, aber bei dem Ablenkungsmanöver, das ihm nun bevorstand, fühlte er sich mehr als unbehaglich. Mit einem unguten Gefühl schlendert zu Guy zurück, setzte sich wieder an sein Bett und begann, mit seinen Fingern unbehaglich auf dem hölzernen Bettgestell herumzutrommeln, woraufhin Guy leicht verärgert eine Augenbraue hob, aber weiterhin schwieg. Aus dem Augenwinkel sah Archer, wie nun auch Tuck dem Bett näherte und wusste, dass es höchste Zeit war, seinen Bruder mit einem Gespräch abzulenken. „Ich war draußen im Dorf“, begann er deshalb zu erzählen, wobei redlich bemühte seine Worte so unbedeutend und so wenig besorgniserregend klingen zu lassen, wie er nur konnte. „Die Leute hier sind nett, wenn auch nicht allzu gut wenn es darum geht, eine Wette zu gewinnen.“ Gedankenverloren tätschelte er bei diesem Worten den mit Münzen gefüllten Beutel, den er an seinem Gürtel trug. Guy schnaubte nur spöttisch, wobei jedoch gleichzeitig ein leichtes Lächeln seine Mundwinkel umspielte, das seine Belustigung verriet. „Für diese Jahreszeit war das Wetter während der letzten Tage ungewöhnlich schön. Natürlich hat es etwas geregnet, aber ich glaube, du hast die letzten warmen Tage vor dem Einbruch des Winters verpasst.“ Bei diesen Worten wandte Guy gemächlich – oder vielleicht auch so schnell, wie er konnte – seinen Kopf zur Seite, um Archer ansehen zu können. „Willst du…?“ Fast sofort wurde er von einem Hustenanfall unterbrochen. „Willst du allen Ernstes hier sitzen und mit mir über das Wetter reden?“ fragte er ungläubig. Archer spürte deutlich, dass seinem Bruder die Banalität dieses Gesprächs nicht entgangen war und hob deshalb mit einem leisen Auflachen seine Hand, um ihm zu zeigen, dass er aufgab. „Worüber willst du dann reden?“ „Jedenfalls nicht über das Wetter“, gab Guy zurück, bevor er für einen kurzen Moment seine Augen schloss. Während er versuchte, seinen Bruder abzulenken, behielt Archer Tuck verstohlen im Auge und auch wenn er nicht annähernd genug erkennen konnte, um auch nur zu erahnen, was der Mönch gerade tat, wagte er es dennoch nicht, diesem noch mehr seiner Aufmerksamkeit zu widmen, da er nicht das Risiko eingehen wollte, von Guy dabei ertappt zu werden. „Robin geht es scheinbar besser, als wir zunächst erwartet hatten.“ Archer vermutete zu Recht, dass sich Guy weitaus mehr Sorgen um seinen ehemaligen Feind machte, als er zugegeben wollte und ein Nicken von ihm war genug, um den jüngeren Mann zu ermutigen, weiterzusprechen. „Es stand nicht gut um ihn, vor allem, da du als einziger wusstest, um welches Gift es sich handelte, aber er hat sich auch ohne das richtige Gegengift tapfer geschlagen. Gestern ist sein Fieber endlich gebrochen und der Arzt meint, dass er wohl durchkommen wird.“ „Zum Sterben ist er zu stur“, murmelte Guy mit einem Hauch von Freude in der Stimme. „Das sagt der Richtige“, hielt Archer dagegen, was ihm ein aufrichtiges Lächeln von Guy einbrachte. Als er im nächsten Moment bemerkte , dass Tuck den Raum verlassen hatte, verspürte er sofort den Drang, ihm zu folgen, um endlich Antworten auf die Fragen zu erhalten, die ihn quälten. „Ich werde dich jetzt in Ruhe lassen“, sagte er deshalb, bevor er Guy auf die Schulter klopfte und sich erhob. „Wenn du irgendetwas brauchst, ruf einfach, klopf an die Wand oder etwas in der Richtung und auch, wenn ich nicht komme, wird sich jemand anders um dich kümmern, da bin ich mir fast sicher.“ O°O°O°O°O°O°O°O°OAn der Vordertür des Herrenhauses holte er Tuck ein, doch der Mönch schien seine Fragen nicht einmal anhören zu wollen. „Nicht hier“, flüsterte er knapp. „Draußen.“ Die beiden Männer gingen hinaus in den Bereich, der schmeichelhaft als Hof hätte bezeichnet werden können. Dort lehnte sich Archer an eine Leiter und sah sein Gegenüber mit verschränkten Armen an. „Nun?“ fragte er drängend. Als Antwort holte Tuck eine holte, stumpfe Nadel aus seinem Ärmel hervor. „Damit“, erklärte er, habe ich in beide seiner Füße gestochen.“ Ein solches Vorgehen kam Archer zwar seltsam vor, doch er versuchte, dieses Gefühl zu verdrängen. „Und?“ „Er hat nichts gespürt“, gab der Mönch ernst zurück. „Was willst du damit sagen?“ fragte Archer und stieß sich von der Leiter ab, um wieder gerade zu stehen, denn ihm war deutlich bewusst, wie ernst die Angelegenheit war, die sie hier besprachen. „Wie ist das möglich?“ „Es handelt sich zweifellos nicht um Lepra oder eine andere Krankheit. Ich befürchte, das Schwert, das ihn verletzt hat, ist dafür verantwortlich“, erklärte Tuck und ihm war deutlich anzumerken, wie ungern er diese Wahrheit eingestand. Müde fuhr er sich mit einer Hand über das Gesicht. „Es ist möglich, dass er seine Beine nicht mehr bewegen kann.“ Angesichts dieser Eröffnung seufzte Archer schwer. „Du meinst, es ist möglich, dass er ein Krüppel ist.“ „Ja.“ Tucks Stiefel wirbelten den Schmutz auf und eine dünne Staubwolke folgte seinen Schritten, während er auf und ab ging und dabei laut nachdachte. „Es könnte bereits passiert sein, als der Schwerthieb ihn traf oder auch dadurch, dass er mit diese Verletzung so oft bewegt wurde. So oder so…“ Er unterbrach sich und verfiel in ein tiefes Schweigen. Die Ursache war nicht wichtig, denn selbst, wenn er den ganzen Tag über mögliche Gründe sprach, würde das nichts an der Tatsache ändern. „Was sollen wir ihm sagen?“ fragte Archer unsicher. Mitgefühl war noch nie seine Stärke gewesen und selbst dieser Moment war keine Ausnahme. Der bloße Gedanke, an Guys Stelle zu sein und solch eine schreckliche Nachricht zu erhalten, ließ Übelkeit in ihm aufsteigen und er versuchte, diesen Gedanken mit aller Macht zu verdrängen. „Die Wahrheit“, erwiderte Tuck schlicht und nickte entschlossen, um seine eigene Unsicherheit zu überspielen. „Es wird ihm nicht helfen, wenn wir sie ihm verheimlichen.“ O°O°O°O°O°O°O°O°OArcher kam sich wie ein Feigling vor, als er dem Mönch zurück in das Innere des Herrenhauses folgte, während die hinter ihnen stehende Sonne ihre Schatten auf den Boden und an die Wand warf. Doch obwohl sein eigener, großer Schatten auf Tuck fiel, fühlte sich Archer klein und ängstlich und fragte sich im Stillen, ob es wirklich nötig war, Guy die niederschmetternde Nachricht sofort zu überbringen. Zwar wusste er nur zu gut, dass es notwendig war und dass niemandem damit geholfen wäre, es aufzuschieben, aber trotzdem würde Archer sich dann vielleicht besser fühlen. Nur zu gern wollte er fliehen, den bevorstehenden Unannehmlichkeiten aus dem Weg gehen, aber er war sich sicher, dass Guy ihn dabeihaben wollte. Wollte er das wirklich? Archer kannte diesen Mann so gut wie überhaupt nicht und das wenige, das er über ihn wusste, ließ ihn vermuten, dass er keinerlei Zuschauer dabeihaben wollte, die sein Unglück hautnah miterlebten. Mit diesem Gedanken im Hinterkopf trat Archer unbewusst einen Schritt zurück, doch dadurch zog er letztendlich erst Guys Aufmerksamkeit auf sich. Ein bittersüßes Lächeln lag auf seinen Lippen, als er sich fast den Hals verrenkte, um seinen Bruder hinter Tucks hochgewachsener Gestalt erkennen zu können. Hätte Archer nicht gewusst, dass es vollkommen unmöglich war, wäre er überzeugt gewesen, dass sein Bruder die Wahrheit bereits kannte. Vielleicht war es auch ein versuch von Guy, ihn zu beruhigen, weil ihm sein Unbehagen deutlicher anzusehen war, als er zunächst gedacht hatte. Nein, auf keinen Fall würde er seinen Bruder im Stich lassen. Mit diesem Gedanken stellte er sich erneut an das Kopfende des Bettes, wobei er sich an das Treppengeländer lehnte und seine Hand auf eine der Stufen legte. Zwar konnte Guy ihn dort nicht sehen, ohne sich den Hals zu verrenken, aber er wusste trotzdem, dass sein Brüder in der Nähe war und Archer würde ihm zur Seite stehen, sobald Guy ihn brauchte, ganz gleich, ob dieser Fall eintrat oder nicht. „Sir Guy“, begann Tuck schließlich, nachdem er sich in einen Stuhl neben dem Bett gesetzt hatte. Guy schaute den Mönch mit trübem Blick und schweren Lidern an, denn die kurze Zeit, die er nun wieder bei Bewusstsein war, schien bereits ihren Tribut zu fordern. „Was gibt es?“ fragte er mit kurzangebunden, wobei er die Müdigkeit in seiner Stimme nicht verbergen konnte. „Ich fürchte, es betrifft Eure Verletzung.“ Bei diesen Worten weiteten sich Guys Augen nahezu unmerklich. „Ich werde sterben“, riet er, wobei die Worte jedoch mehr wie eine Feststellung und nicht wie eine Frage klangen. Ganz der Mann, der dem Tod schon so oft ins Auge gesehen und bereit gewesen war, sich ihm zu ergeben, schien ihm sein Schicksal auch jetzt vollkommen gleichgültig zu sein. „Nein, mein Sohn“, entgegnete Tuck und wollte in einer beruhigenden Geste nach Guys Hand greifen, überlegte es sich im nächsten Moment anders und drückte seine Handfläche stattdessen nur gegen den Stoff, der sein eigenes Knie bedeckte. „Ich bin zuversichtlich, dass Ihr überleben werdet, aber dennoch könnte es Euch sehr schwerfallen, das zu akzeptieren, was die beiden Klingen angerichtet oder vielmehr zerstört haben.“ „Nun spuckt es schon aus!“ verlangte Guy mit merklich schwindender Geduld. „Guy, Ihr habt eine schwere innere Verletzung erlitten und ich glaube…“ Für einen Moment verfiel er in Schweigen und musste tief durchatmen, bevor er mit knappen, klaren Worten fortfuhr. „Ihr könnt Eure Beine nicht mehr bewegen.“ Obwohl er zu erwarten gewesen und auch kaum zu bemerken war, war der fassungslose Ausdruck, der nach diesen Worten den Weg in Guys sonst so stoisches Gesicht fand, einzigartig. Seine Augenbrauen zuckten und hatten Ähnlichkeit mit Wellen am Strand, als sie sich zuerst in konzentriertem Nachdenken senken, um gleich darauf in Erkenntnis wieder gehoben zu werden. Zwar hörte er die Worte, die der Mönch ihm sagte und dachte über sie nach, drehte jede einzelne Silbe in Gedanken so lange hin und her, bis von ihnen nur noch leeren, brüchige Hüllen geblieben waren, doch er akzeptierte sie nicht. Gleich darauf verzerrte sich Guys Gesicht beinah mitleiderregend, als er vergeblich versuchte, sich darauf zu konzentrieren, eben jene Gliedmaßen zu bewegen, die ihn verraten hatten. „Ich habe einen Sinnestest an Euren Beinen durchgeführt. Ihr könnt sie weder spüren noch bewegen, Sir Guy“, wiederholte Tuck, während er seine Hände über Guy hielt, um ihn zu beruhigen und festzuhalten, falls er außer Kontrolle geraten sollte. „Es besteht…“ „Sei still!“ knurrte Guy gereizt, während er seine Finger in die Decke grub und sie schließlich fortwarf, wobei er seine mit einem Verband umwickelte Brust und Taille enthüllte. Mit einem gequälten Ächzen hob er den Kopf und schaute verzweifelt auf seine Beine hinunter als könnte er dadurch, dass er sie sah, auch die Kontrolle über sie zurückgewinnen, als würde das die verräterischen Gliedmaßen wieder seiner Kontrolle unterwerfen. Aber das war leider nicht der Fall. Schwer ließ Guy seinen Kopf wieder zurück auf das Kissen sinken und blieb einfach nur reglos und tief durchatmend liegen. Entweder war er selbst von dieser kleinen Anstrengung erschöpft oder er plante gerade sein weiteres Vorgehen. Ein weiteres Mal versuchte Tuck, das Wort zu ergreifen, doch Guy wollte nicht hören, was er zu sagen hatte und gebot ihm deshalb Schweigen, bevor er sich erneut nach vorne lehnte, doch sein Körper war gerade so weit zu bewegen, dass er das Kinn gegen seine Brust drücken konnte. Um dem trotzigen Misstrauen seines Bruders ein Ende zu bereiten, beugte sich Archer zu ihm hinunter, um ihm zu helfen. Indem er eine Hand auf Guys Arm und die andere auf seine Schulter legte, half er ihm in dem wohl qualvollsten Akt des Aufsetzens, den er jemals hatte miterleben müssen, in eine sitzende Position. Wäre Guy ein schwächerer Mann, hätte er geweint, davon war Archer überzeugt. Sich so weit vorlehnend, wie es seine Wunde zuließ, betrachtete Guy seine Beine nun genauer, wollte sie mit aller Macht dazu zwingen, sich zu bewegen und bettelte geradezu darum, dass sie wenigstens zuckten, doch nichts dergleichen geschah. Grob stieß er daraufhin eines seiner Beine mit dem Zeigefinger an, aber das verzweifelte Aufschluchzen, das ihm gleich darauf ungewollt entkam, sagte den beiden Männern nur zu deutlich, dass er die Berührung nicht gespürt hatte. „Leg mich wieder hin.“ Guys Stimme klang bei diesen Worten so hart und glatt wie ein geschliffener Stein. „Leg mich wieder hin!“ schrie er im nächsten Moment, als Archer ihn nicht schnell genug fallen ließ. Gleich darauf lag er wieder reglos auf seinem Bett und starrte an die Decke, doch obwohl sich der Rest seines Körpers nicht bewegte, huschten seine Augen so schnell hin und her, wie zweifellos auch die Gedanken in seinem Kopf durcheinanderwirbelten. „Wir wissen nicht, wie schlimm der Schaden wirklich ist“, stellte Tuck ruhig fest, als er endlich die Gelegenheit bekam, zu sprechen, ohne von Guy unterbrochen zu werden. „Solche Verletzungen habe ich schon vorher gesehen und ihre Folgen dauern nicht zwangsläufig ein Leben lang an. Es ist durchaus möglich, dass Ihr eines Tages aufwacht und Euch wieder vollkommen normal fühlt.“ Für einen kurzen Augenblick unterbrach er sich und als er weitersprach, klang seine Stimme nicht nur tiefer, sondern auch sehr viel ernster. „Aber trotzdem muss ich Euch ausdrücklich davor warnen, dass Ihr Euch zu große Hoffnungen macht und Euch raten, Euer Schicksal so zu akzeptieren, wie es jetzt ist.“ Nach der Eröffnung des Mönches schwieg Guy lange, so lange, dass ein außenstehender Beobachter hätte meinen können, er wäre mit offenen Augen eingeschlafen. „Lasst mich allein“, verlangte er schließlich. Tuck war Archer einen flehenden Blick zu, doch dieser zuckte nur mit den Schultern. Der Mönch ahnte jedoch, dass Guy wahrscheinlich für eine Weile alleine sein und in Ruhe nachdenken musste. Deshalb ging er auf seine Forderung ein und verließ den Raum, um zu sehen, ob er sich im Herrenhaus irgendwo anders nützlich machen konnte. Auch Archer erhob sich zögernd, doch er wusste nicht mit Bestimmtheit, ob der Befehl seines Bruders, ihn alleine zu lassen, auch ihn miteinschloss. Nur zu gerne wollte er diesen Raum, dieses Haus und vielleicht sogar dieses Dorf verlassen, denn diese Umgebung erdrückte ihn regelrecht, als wäre er ein zuvor freier Vogel, der plötzlich unter Wasser gedrückt wurde. Trotzdem kniet sich Archer gegen seinen Willen und wider besseres Wissen neben das Bett, doch Guy weigerte sich, ihn auch nur anzusehen und als er eine beruhigende Hand ausstreckte, der zweifellos gleich darauf impulsive Worte des Trostes gefolgt wären, schlug Guy sie mit unerwarteter Kraft beiseite. „Ich habe gesagt, du sollst mich alleine lassen!“ schnauzte er seinen Bruder mit vor Zorn verzerrtem Gesicht an, während er weiterhin zur Decke hinaufblickte. Zwar mochte in den Zügen des Verletzten auch ein klein wenig Angst und Sorge zu erkennen sein, aber das hätte Archer nicht mit Sicherheit sagen können, doch es war unnötig, ihn ein drittes Mal zum Gehen aufzufordern, daher machte er auf dem Absatz kehrt und verließ den Raum. .o°O°o. _____________________________ .o°O°o..O.o° °o.O¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯ O.o° °o.O. Kapitel 2: ----------- .o°O°o. _____________________________ .o°O°o..O.o° °o.O¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯ O.o° °o.O. Brother Hood - Brüder Teil 02 Autor: TwilightDeviant Übersetzer: Lady Gisborne P16 Inhalt: Guy und Robin haben den Kampf gegen den Sheriff und die Zerstörung von Nottingham Castle überlebt, aber die Wunden, die sie davongetragen haben, bleiben dennoch nicht ohne Folgen… Warnung: [AU] [H/C] Disclaimer: Bei dieser Geschichte handelt es sich um eine autorisierte Übersetzung von TwilightDeviants englischer Originalstory Brother Hood. Alle bekannten Charaktere und Orte in dieser Geschichte gehören selbstverständlich der BBC bzw. Tigeraspect und der Inhalt ist frei erfunden. Ich verdiene mit dieser Story kein Geld, sondern schreibe nur aus Spaß an der Freude. ^^ Link zur Originalstory: (http://archiveofourown.org/works/1369813/chapters/2864251) http://archiveofourown.org/works/1369813/chapters/2864251 (http://archiveofourown.org/works/1369813/chapters/2864251) Anmerkung: Wie einige von euch vielleicht bemerken werden, habe ich mich bei der Übersetzung dieser Story ausdruckstechnisch etwas vom Original entfernt, was in diesem Fall aber beabsichtigt war. Zwar bemühe ich mich, wenn ich Geschichten übersetze, so nah wie möglich am Original zu bleiben, aber mir ist auch und vor allem wichtig, einen flüssigen und sinnvollen deutschen Text zu schreiben und die erwähnten Abweichungen habe ich in diesem Fall vorgenommen, weil ich hoffe, dass die Geschichte für euch dann „flüssiger“ ist und ihr mehr Spaß beim Lesen habt. ^^ .o°O°o. _____________________________ .o°O°o..O.o °°o.O¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯ O.o° °o.O. Spät in der Nacht, als er bereits tief und fest in dem Gästezimmer schlief, das er bereits bei seiner Ankunft in Locksley Manor bezogen hatte, wurde Archer von Much geweckt. Allem Anschein nach kam Robin erneut wieder zu Bewusstsein, doch obgleich diese Nachricht zweifellos wundervoll sein musste, sah Archer die Dringlichkeit dieser Angelegenheit dennoch nicht ein und verstand auch nicht, warum all das ihm persönlich berichtet werden musste, denn sicher würde Robin immer noch da sein, wenn der Morgen anbrach. Much bestand jedoch weiterhin unnachgiebig darauf, dass Archer dabei sein sollte, wenn sein Bruder aufwachte. Aus diesem Grund folgte er Much missmutig den Flur hinunter, doch in dem stillen, dunklen Gemach dauerte es nicht lange, bis Archer erneut, auf einem Stuhl in einer Ecke des Raumes sitzend, wieder einschlief, nur um etwa eine oder zwei Stunden später wurde er von zwei gedämpften Stimmen geweckt zu werden. „Bitte, trink noch etwas“, drängte Much der mit einer Hand Robins Kopf stützte und mit der anderen einen metallenen Becher an dessen trockene, spröde Lippen hielt, den er erst, als er leer war, wieder zurückzog. Ein trockenes und geradezu jämmerlich klingendes Husten entfuhr Robin, bevor er zu sprechen anfing. „Locksley?“ Mit trübem Blick und Augenlidern, die immer noch schwer vor Erschöpfung waren, schaute er sich in dem Raum um. „Was mache ich hier? Much, ich wollte in Sherwood sterben.“ „Nun“, entgegnete Much, wobei er nervös die Falten in Robins Decke mit seinen Fingern glattstrich, „du hast es jedenfalls versucht. Du bist bewusstlos zusammengebrochen, während du Gisborne getragen hast. Ich habe versucht, dich davon abzuhalten, aber ihr beide, du und Archer, habt darauf beiden, auch wenn ich nicht weiß, warum. Wahrscheinlich, weil ihr Brüder seid.“ Sichtlich gereizt stand er auf und verschränkte seine Arme. „Ich finde, das war sehr leichtsinnig von dir. Schließlich haben wir dich hierher gebracht, anstatt mit dir im Wald zu bleiben.“ Der Anflug eines traurigen Lächelns umspielte Robins Lippen, als er daraufhin nickte, denn er war über Muchs Entscheidung gleichermaßen erfreut und enttäuscht, war glücklich und traurig zugleich, dass er noch am Leben war. „Danke, Much“, waren die einzigen Worte, die er über diese Angelegenheit verlor. Als Robin wenig später nach seinem Bruder fragte, verspürte auch Archer schließlich das Bedürfnis, aufzustehen und an das Bett zu treten, worauf Much sichtlich war, ihn wach zu sehen. „Du bist spät dran“, sagte er und beugte sich über ihn, wobei er sich am Himmel des Bettes abstützte und sich streckte. „Guy ist vor dir aufgewacht.“ „Dann geht es ihm gut?“ fragte Robin und hustete erneut. Obwohl seine Haut bleich und trocken und seine Augenlider schwer vor Müdigkeit waren, fragte er nach dem Wohlergehen eines anderen. „Das kommt darauf an, was du als „gut“ bezeichnest“, antwortete Archer und hob die Schultern, doch die Wirkung dieser Geste ging weitgehend dadurch verloren, dass er seine Arme nach wie vor gestreckt hielt. „Er ist von der Taille abwärts und nimmt diese Tatsache in etwa so gut auf, wie zu erwarten war – vielleicht sogar schlimmer.“ Diese Neuigkeit schien Robin kaum zu überraschen, denn er nahm sie lediglich mit einem ernsten Nicken zur Kenntnis, während Much, der neben ihm stand und Tucks Bericht offenbar noch nicht gehört hatte, um einiges heftiger reagierte. Möglicherweise versuchte der Mönch, Guys Ansehen zu wahren, indem er die Nachricht über sein Schicksal nicht verbreitete und ihn auf diese Weise auch nicht dem Mitleid der Leute aussetzte, sollten diese überhaupt so etwas wie Mitleid für ihn empfinden können. „Nun“, sagte Much schließlich mit nachdenklich verzogenem Gesicht, „es ist nicht so, als hätte ausgerechnet er das nicht verdient.“ „Nein, Much“, rügte Robin ihn und seine schwachen Hände ballten sich um die Decke zu Fäusten. „Gisborne hat für seine bösen Taten gebüßt. Sogar Gott selbst würde ihm vergeben, wenn er darum bitten würde und wir sollten uns nicht über Ihn stellen. Vielleicht kann ich ihm seine Sünden niemals vergeben, aber ich kann versuchen, sie zu vergessen.“ Er verfiel in Schweigen und atmete tief ein, nur um gleich darauf ein weiteres Mal trocken und schmererfüllt zu husten. „Guy hat mir das Leben gerettet und aus diesem Grund ist er…so wie jetzt.“ Robin schüttelte den Kopf und brachte es nicht über sich, „verkrüppelt“ zu sagen, ganz gleich, wie nah es der Wahrheit auch gekommen wäre. Dieses Wort, das für ihn einer Beleidigung gleichkam, würde er nicht in den Mund nehmen. Während er seine nächsten Worte aussprach, warf er Archer einen ernsten Blick zu, als er wollte er seinem jüngeren Bruder auf diese Weise ein Versprechen geben. „Ich verdanke ihm mein Leben und deshalb werde ich mich um ihn kümmern.“ Archer nickte mit einem Anflug von Dankbarkeit und war erleichtert, dass Robin diese Aufgabe übernehmen würde, während Much nur verächtlich schnaubte und Robins Becher mit frischem Wasser füllte. „Das ist alles schön und gut, aber solltest du dich nicht zuerst einmal um dich selbst kümmern?“ schalt er ihn. „Mir geht es gut“, winkte Robin ab. „Kopfschmerzen, etwas schwindlig, ein scheinbar unstillbarer Durst, aber nichts Schlimmes.“ „Der Arzt war sich sicher, dass du das sagen würdest. Du“, eröffnete Much ihm, „bist dehy… dehydrie…“ „Dehydriert?“ half ihm Robin mit einem schiefen Lächeln weiter. „Ja, genau.“ Er nickte und stütze Robin, damit dieser noch etwas trinken konnte. „Er hat gesagt, das wäre eine Folge davon, dass du jede Mahlzeit wieder erbrochen hast, die du jemals zu dir genommen hast.“ „Daran erinnere ich mich gar nicht.“ Obwohl er schrecklichen Durst hatte, nahm Robin nur kleine und langsame Schlucke. „Das überrascht mich nicht“, gab Much zurück. „Na ja, ich meine, du warst wirklich nicht ganz bei dir.“ „Er hat sich Sorgen um dich gemacht“, stellte Archer fest und ließ seine Arme endlich wieder sinken. Wehmütig dachte er an das von ihm beanspruchte Bett und fragte sich, ob es ihn wohl vermisste. Er klopfte Robin noch einmal tröstend auf die Schulter und ging dann hinaus, während Much versuchte sich für seine nur allzu verständliche Sorge um seinen Master zu rechtfertigen. O°O°O°O°O°O°O°O°OZwei Tage später verließ Archer Robins Gemach, um in das untere Stockwerk hinunterzugehen. Am Fuß der Treppe blieb er stehen und warf einen Blick auf Guy, der nach wie vor au seinem schmalen Bett in dem großen Raum lag. Anfangs hatten sie ihn dorthin gelegt, um ihn einfach behandeln zu können und damit er in der immer kälter werdenden Jahreszeit näher am Feuer liegen konnte, doch inzwischen war er kaum mehr als ein mutloser Schatten seines früheren Selbst, den die meisten, die an ihm vorübergingen, zu ignorieren versuchten. Die wenigen, die ihm überhaupt Beachtung schenkten, verloren jegliche Freude, sobald sie in sein teilnahmsloses, beinah totenstilles Gesicht sahen, das unaufhörlich die Decke oder die gegenüberliegende Wand anstarrte. Doch Archer war gefeit gegen Guys maßlose Schwermut und durchquerte den Raum, ohne das Bedürfnis zu verspüren, seinen Blick abzuwenden. Der Anblick der mürrischen Gestalt, deren Depression so ansteckend war, wie die Flöhe eines Hundes, berührte ihn nicht, denn wenn Archer Guy anschaute, sah er lediglich einen Mann, der etwas verloren hatte und nicht gut damit zurechtkam. Als er auf seinen Bruder hinuntersah, bemerkte er den Teller mit frischem Essen, der neben ihm stand und ebenso unberührt geblieben war, wie alle Teller zuvor. Während er Guy anschaute, verspürte er nicht den geringsten Wunsch, noch einen Moment länger in der Gegenwart eines Mannes zu verweilen, der sich selbst im Bett zurücklassen würde, wenn er dazu in der Lage wäre. O°O°O°O°O°O°O°O°OArcher schritt so kraftvoll aus wie immer, als er durch den weitläufigen Raum und hinaus vor die Tür ging, wo die Sonne so hell vom Himmel strahlte, dass das kalte Wetter fälschlicherweise  für warm und frühlingshaft hätte gehalten werden können. Aus dem Augenwinkel sah er den Kopf einer Axt auf sich zukommen und konnte sich gerade noch rechtzeitig ducken, um dem Schlag auszuweichen. Geschickt wich er Little Johns mächtigem Schwinger aus, bevor er den unaufmerksamen Mann leicht an der Schulter berührte. Sofort wandte John sich um und verzog sein Gesicht zu einem reumütigen Grinsen, als er sein gegenüber erkannte. „Fast hätte ich dich am Kopf erwischt“, lachte er verlegen und ließ die Axt neben sich zu Boden sinken. „Ich weiß“, stimmte Archer ihm mit einem erleichterten Aufatmen zu. „Noch einen oder zwei Zoll näher…“ Er hielt einen Moment inne, bevor er fortfuhr. „Aber wahrscheinlich haben wir jetzt ohnehin genug Feuerholz.“ Bei diesen Worten warf er einen Blick auf die Holzscheite, die an der Wand aufgestapelt waren und deutlich zeigten, auf welche Art John versucht hatte, das Gefühl, nutzlos zu sein, zu bekämpfen, denn dort lag genug Feuerholz für mindestens zwei Monate. Zögernd streckte Archer seine Hand aus, um Little John die Axt, die er noch immer umklammert hielt, vorsichtig aus der Hand zu nehmen. „Robin möchte dich sprechen.“ „Warum?“ fragte John, überließ Archer jedoch bereitwillig das Werkzeug. „Das hat er mir nicht gesagt.“ Archer lehnte die Axt gegen die Wand und gab John ein Zeichen, ins Haus zu gehen. Als er dem anderen Mann folgte, war er nicht überrascht, als dieser Guy nicht einmal anschaute, als sie beide an ihm vorbeigingen. Schließlich war nur einer von vielen, die es vorzogen, dem in der Ecke liegenden Gespenst, das in Körper und Geist mehr und mehr dahinschwand, keinerlei Beachtung zu schenken. O°O°O°O°O°O°O°O°ONachdem sie die Treppe hinaufgestiegen waren, klopfte John an die Tür zu Robins Gemach und trat  auf dessen Aufforderung hin ein. Robin saß aufrecht in seinem Bett und sah allein durch ein wenig Essen und Trinken, das er zu sich genommen hatte, bereits wie ein neuer Mann aus. Archer nah erneut seinen Platz in der Ecke ein, während Robin den hochgewachsenen Mann von Kopf bis Fuß betrachtete. „Was machst du hier, John?“ fragte er dann geradeheraus. Little John konnte ihn angesichts dieser Frage nur verständnislos anstarren. „Du…wolltest…“ „Was machst du in Locksley?“ drückte sich Robin daraufhin klarer aus. „Ich wollte natürlich sichergehen, dass es dir gut geht.“ Er sah noch immer verwirrt aus und fragte sich im Stillen, wie Robin auf eine solch einfache Antwort nicht kommen konnte. „Ich danke dir, mein Freund“, erwiderte Robin glücklich, „aber deine Aufgabe hier ist jetzt beendet. Ich und auch das Volk von Nottinghamshire stehen tief in deiner Schuld und werden diese wohl niemals wirklich zurückzahlen können.“ Diese Worte ließen John verlegen mit den Füßen scharren und hin und wieder mit den Spitzen seiner Stiefel leicht auf den hölzernen Boden klopfen. „Du weißt, dass ich das alles nicht deshalb…“ „Da das nun geklärt ist“, fiel ihm Robin ins Wort, „verlasse mein Haus. Ich will dein Gesicht für eine ganze Weile nicht mehr in Locksley sehen.“ Nun schaute John ihn niedergeschlagen an, doch Robin hielt seinem Blick mit einem strengen Gesichtsausdruck stand, so lange er konnte, bis er es schließlich nicht mehr aushielt und leise auflachte. John, der sein Spiel erst in diesem Moment durchschaute, stimmte in sein Lachen ein und sogar Archer brachte der unbeschwerte Klang ihres Gelächters zum Grinsen. „Geh!“ befahl Robin schließlich und scheuchte John so energisch er konnte zur Tür hinaus. „Besuche deine Familie, John. Du hast es dir verdient.“ „Robin“, versuchte dieser zu widersprechen, denn er wollte seinen Freund nicht verlassen, aber Robin wollte keine Widerworte hören. „Es wäre besser für mein Herz, dass du deine Familie wiedersiehst, als es für meine Ohren ist, dass ich dir den ganzen Tag beim Holzhacken zuhören muss.“ Nun schaute Little John verlegen drein, doch Robin hatte nicht die Geduld für solche Dinge. „Geh!“ wiederholte er bestimmt. „Ich will, dass du im Morgengrauen von hier verschwunden bist.“ Eilig verließ John das Gemach, um seine Sachen zu packen, kam jedoch schon im nächsten Moment wieder hereingerannt, um Robin zu danken und war gleich darauf erneut verschwunden. „Willst du sie alle entlassen?“ wollte Archer wenig später wissen, während er aus dem Fenster schaute und seinen Blick auf die draußen stehende Baumreihe gerichtet hielt. „Sie alle von hier fortschicken?“ „Das ist mein Plan“, bestätigte Robin und setzte sich etwas weiter auf, bevor er sich zurück in die Kissen sinken ließ. „Sie sollen ihr Leben, aus dem sie herausgerissen wurden, wieder aufnehmen.“ „Und was ist mit unserem Leben?“ entgegnete Archer sofort und schaute Robin dabei missbilligend an. „Wie sollen wir uns gegen Prince John verteidigen, wenn er sich entschließt, seinen Rachefeldzug gegen dich fortzusetzen?“ „Ich rechne fest damit, dass er genau das tut“, antwortete Robin mit scheinbarer Gleichgültigkeit, als würde ihn diese Angelegenheit nicht im Mindesten berühren. „Und genau aus diesem Grund schicke ich all die anderen so weit wie möglich fort von mir.“ Für einen kurzen Moment verfiel er in Schweigen. „Auch dir steht es frei, zu gehen, wenn du so sehr um deine eigene Sicherheit besorgt bist.“ Einen Augenblick lang dachte Archer über diese Möglichkeit nach. „Ich werde hier bleiben“, erwiderte er dann. „Zumindest vorläufig, aber sei nicht überrascht, falls ich eines Tages auf dein Angebot zurückkommen sollte.“ „Das würde mir nicht einmal im Traum einfallen“, gab Robin zurück, bevor er sich mit einem tiefen Atemzug in seinem Bett zurücklehnte. O°O°O°O°O°O°O°O°OAls die Sonne am folgenden Morgen aufging, stand nicht nur Little John, sondern auch Tuck auf der Türschwelle von Locksley Manor und verkündete, dass er nun zwar auf schnellstem Weg verschwinden würde, aber fest entschlossen war, irgendwann zurückzukehren. Er hatte bereits mehrere Tage mit dem Gedanken gespielt, fortzugehen und nun hatte ihm Johns Abschied die perfekte Gelegenheit dazu gegeben. „Ich möchte den Menschen nach wie vor helfen, wo immer ich kann“, hatte er erklärt. „Und wenn ich etwas über Prince Johns Pläne oder King Richards Gefangenschaft in Erfahrung bringen kann, dann ist das umso besser.“ Dafür war Robin nicht nur dankbar, sondern er fühlte sich aufgrund beider Absichten des Mönches bereits tief in seiner Schuld. Archer stützte Robin, als sie gemeinsam mit Much hinausgingen, um ihre Freunde auf zwei der besten Pferde zu verabschieden, die Locksley ihnen zu bieten hatte. Sobald sie jedoch zurück ins Haus gingen, verlor Robin augenblicklich all seine gewohnte Fröhlichkeit und ein ernster Ausdruck fand den Weg in sein Gesicht, denn er wusste, dass die Zeit gekommen war, sich einer Sache anzunehmen, um die er sich bis zu diesem Moment nicht hatte kümmern können. Eine Angelegenheit, die er stattdessen ignoriert hatte und an der er wortlos vorübergegangen war. „Gisborne“, begann er in einem geschäftsmäßigen Tonfall, als er an Guys Bett trat und beinah zornig auf den reglosen Mann, der darin lag hinunterblickte. Fast erweckte er den Eindruck, als würde er fest schlafen, wären die Bewegungen seiner Augen hinter den geschlossenen Lidern nicht deutlich sichtbar gewesen. „Wie ich gehört habe, weigerst du dich, zu essen?“ Archer hatte nicht geringste Ahnung, wer Robin davon erzählt haben könnte, sondern wusste lediglich, dass diese Information nicht von ihm stammte. „Sobald deine Meinung dazu irgendeine Rolle spielt“, entgegnete Guy leise, „werde ich deine Frage beantworten.“ Der heisere, kratzige Klang seiner Stimme bei diesen Worten zeigte allzu deutlich, dass er seit Tagen nicht mehr gesprochen hatte. „Hast du keinen Hunger“ fragte Robin, während er gleichzeitig einem Diener, der gerade an ihm vorbeiging, einen mit Essen gefüllten Teller aus der Hand nahm. „Nein“, erwiderte Guy schlicht und diese Antwort mochte sogar der Wahrheit entsprechen, war es für einen Menschen, der eine so niederschmetternde Nachricht erhalten hatte, doch nicht ungewöhnlich, dass er jeglichen Appetit verlor. Da dies natürlich dennoch keine sonderlich gesunde Entscheidung war, beugte sich Robin schließlich zu ihm, um seinen Kopf so gut er es vermochte vom Kissen hochzuziehen, während sich Guy verzweifelt dagegen wehrte. „Riech doch mal“, verlangte er dann unnachgiebig, während dem Dunkelhaarigen den Teller unter die Nase hielt. „Es ist gut.“ Zunächst sträubte sich Guy beharrlich dagegen, doch als er nicht länger wie ein trotziges Kind den Atem anhalten konnte, gab er gezwungenermaßen nach. Sobald ihm der Geruch von Eiern, Schinken und frischem Brot in die Nase stieg, drehte sich ihm der Magen um und sein Gesicht wurde blass, als würde allein der Geruch des Essens nach so vielen Tagen des Fastens Übelkeit in ihm aufsteigen lassen. Grob stieß er Robin mitsamt dem Teller von sich, wobei des Essen darauf beinah verschwendet zu Boden fiel. Sobald Robin wieder sicher auf den Füßen stand, drückte er den Teller dem erstbesten in die Hand, der ihn ihm abnehmen wollte und das war zufälligerweise Archer. „In der Armee hatten wir einen Soldaten“, begann Robin den übrigen Anwesenden zu erzählen, worauf Guy jedoch lediglich die Augen verdrehte, „der zuviel gesehen und dadurch einen schweren Schock erlitten hatte. Er wollte einfach nichts essen.“ Während er sprach, begann Robin, die locker herunterhängenden weißen Ärmel seines Hemdes hochzukrempeln. „Nun ja, zuerst haben wir ihn gebeten irgendetwas, ganz gleich was, zu essen, anschließend haben wir ihn sogar angefleht und als auch das nicht half, haben wir es ihm befohlen.“ Mit einem schweren Seufzen schüttelte Robin den Kopf. „Doch er wollte noch immer nichts essen und ihr könnt euch sicher vorstellen, dass die eine Hälfte unserer kleinen Gruppe inzwischen etwas ungehalten war, während die andere Hälfte sich Sorgen um ihn machte. „Aber für uns alle schien es eine gute Idee zu sein“, fuhr Robin fort, während er sich neben Guy auf das Bett kniete und sich über ihn beugte, „ihn dazu zu zwingen.“ Kaum hatte er diese Worte ausgesprochen, als er sich auch schon auf Guy stürzte und dessen Arme so festhielt, dass sie über dem Kopfende des schmalen Bettes über dem Boden hingen. Zwar zuckte Guy kurz zusammen und ein schmerzerfülltes Zischen entfuhr ihm, als bei dieser abrupten Bewegung ein heftiges Ziehen und Stechen seine Brust und besonders die Wunde darauf durchfuhr, doch Robin entschuldigte sich nicht dafür, dass er den Älteren so grob behandelte. Als er jedoch gleich darauf seinen Griff nur ein wenig lockerte, nutze Guy diese winzige Gelegenheit sofort und hielt den Bogenschützen so hoch und weit von sich fort, wie es ihm irgend möglich war, doch seine Bemühungen waren alles andere als erfolgreich, da er von Schmerzen gepeinigt wurde und außerdem selbst sehr geschwächt war. Erneut drückte Robin seine Arme nieder und die entkräfteten Muskeln darin vermochten es nicht, ihm Widerstand zu leisten. Tief im Innersten empfand es Guy als große Demütigung, von Robin überwältigt zu werden, spürte er doch deutlich, dass dieser ebenfalls noch recht schwach war. Was war nur aus ihm geworden? Guy schrie seinem Gegner wüste Beschimpfungen und leere Drohungen ins Gesicht, während er keuchte und sich wand, als wäre er ein verwundetes Tier in einer Falle. Die beiden boten Archer das wahrscheinlich unreifste Schauspiel, das er in…nun ja, nicht allzu langer Zeit gesehen hatte, denn die beiden Brüder, mit denen ihn das Schicksal zu vereinen beschlossen hatte, schienen sich einander gegenüber recht häufig derart kleinlich und sogar kindisch zu benehmen. Wortlos reichte er den Teller an Much weiter, der die Geschehnisse wie erwartet zwar schweigend, aber mit offenstehendem Mund und voller innerlicher Zerrissenheit verfolgte und ließ sich dann erschöpft in einen Stuhl neben dem bereits erlöschenden Feuer fallen. Teilnahmslos und beinah gleichgültig beobachtete Archer aus dem Augenwinkel, wie die Auseinandersetzung immer kindischere Züge annahm, die unter anderem beinhalteten, dass Robin Gus so lange die Nase zuhielt, bis dieser schließlich seinen Mund öffnete, sodass Robin ein kleines Stück Brot hineinschieben konnte. Scheinbar brachte dieser Schritt sie endlich ein Stück weiter, denn Guy konnte zwar zappeln und schreien bis die Sonne auf- und wieder unterging, aber seine Manieren hätten es ihm niemals erlaubt, im Beisein anderer auch nur einen einzigen Bissen auszuspucken. Langsam und mit boshaften Blicken kaute er das Brot und da er ahnte, dass ihm bei dem nächsten Bissen und allen anderen, die noch folgten,  eine ähnliche Behandlung bevorstand, versprach er Robin widerwillig, dass er versuchen würde, etwas zu essen, wenn dieser sehr, sehr weit von ihm wegblieb. Auf diese Forderung ging Robin nur zu gerne ein, obwohl er nach wie vor etwas misstrauisch war. Mit einem kurzen Nicken, das Archer als Aufforderung verstand, Guy im Auge zu behalten, ging er schließlich hinaus und sein Bruder, worum ihn Robin wortlos gebeten hatte, wenngleich nur müßig, denn immerhin war er der gerade erst wiedergefundene Bruder dieses Mannes und nicht seine Mutter. Tatsächlich aß Guy von allem, das auf seinem Teller lag, ein paar Bissen und als er fertig war, half Archer ihm, sich wieder hinzulegen. Sowohl er selbst als auch Robin machten sich darauf gefasst, diesen Vorgang beim Mittag- und auch beim Abendessen wiederholen zu müssen, doch von nun an aß Guy wortlos, wenn auch nur kleine Mengen, von dem Essen, das ihm gereicht wurde. Ob ihm lediglich davor graute, erneut festgehalten und zwangsweise gefüttert zu werden oder ob er nur einen kleinen Anstoß gebraucht hatte, um sich an den Geschmack und die Wichtigkeit des Essens zu erinnern, ließ sich nicht erahnen, doch er aß sowohl an diesem Tag als auch an allen darauffolgenden. Trotzdem wollte er sein Bett nach wie vor nicht verlassen und sprach nur dann, wenn es zwingend notwendig war. O°O°O°O°O°O°O°O°OIn der folgenden Zeit musste Robin viele Briefe schreiben, in denen er um Hilfe für die Einwohner von Nottingham bat, um sie alle den Winter über durchfüttern zu können. Zwar war ein Großteil an Vieh und Getreide nach der Zerstörung der Burg aus den Trümmern gerettet worden, doch einiges war auch ihrem letzten Kampf gegen den Sheriff zum Opfer gefallen und was übrig war, würde kaum ausreichen, aber wenn er die Bewohner der umliegenden Dörfer davon überzeugen konnte, ihre überzähligen Erträge mit den notleidenden Menschen zu teilen, konnte er diese seinen eigenen Vorräten aus dem Wald hinzufügen und au diese Weise hoffentlich alle bis zum nächsten Frühling durchbringen. Als er sein Schlafgemach betrat, fand er Much dort vor, der rastlos im ganzen Raum herumlief. Ein Stapel Kleidung, der wahrscheinlich erst kurz zuvor gefaltet worden waren, lag auf seinem Schreibtisch, da Much mit ihrem vorherigen Zustand offensichtlich nicht zufrieden gewesen war und sie deshalb selbst neu gefaltet hatte. Seine innere Unruhe und Anspannung wurden schon im nächsten Moment schmerzhaft deutlich, als er ein erst zur Hälfte gefaltetes Hemd regelrecht fallen ließ und zum Bett hinübereilte, um die bereits ordentlich gemachten Decken zurückzuziehen und alles noch einmal nach seinen Ansprüchen herzurichten. „Much“, sprach Robin ihn mit zwar besorgter Stimme, aber gleichzeitig auch mit einem belustigten Lächeln auf den Lippen an. „Nein“, war jedoch alles, was er von seinem Freund als Antwort bekam. Daraufhin verschränkte Robin die Arme und schnaubte. „Ich habe doch noch gar nichts gesagt.“ „Nein, aber das wolltest du“, erwiderte Much hartnäckig. „Nun ja, natürlich wollte ich früher oder später irgendetwas sagen“, rief Robin aus und hob die Arme. „Erwarte keine Anerkennung dafür, dass du das Unvermeidliche bemerkst.“ „Master…“ Much hielt inne und schüttelte den Kopf. „Robin, schick mich nicht fort.“ „Was?“ Verwirrt schaute der Angesprochene seinen Freund an. „Wie kommst du auf so etwas?“ „Du hast Little John fortgeschickt“, erläuterte ihm Much seinen Gedankengang. „Und Tuck auch.“ „Ich habe sie nicht fortgeschickt“, entgegnete Robin sofort. „Ich habe sie nur von ihrer Pflicht entbunden, hierzubleiben.“ „Ja, nun… hmm.“ Er schnalzte mit der Zunge, bevor er einen anklagenden Finger auf sein Gegenüber richtete. „Und mich willst du auch davon…entbinden, nicht wahr?“ „Ja, das will ich“, seufzte Robin, wobei er sich auf das Bett fall ließ und Much die Decke, die dieser noch immer umklammert hielt, aus der Hand nahm. „Das dachte ich mir“, gab Much mit rauer Stimme zurück. „Und meine Antwort lautet: nein, danke.“ „Much“, flehte Robin. „Nein.“ Stur schüttelte sein gegenüber dein Kopf. „Nein, nein und nochmals nein.“ „Also gut!“ Robin  entwand Much die Decke, die dieser erneut umklammert hatte und ließ sie wieder herunterfallen, bevor er sich mit einer Hand glattstrich und sich anschließend gegen das Kopfende lehnte, wobei er versuchte, so ungezwungen und gleichmütig wie möglich auszusehen. „Wenn du lieber hierbleiben willst um Decken zu falten und mir jederzeit zur Verfügung zu stehen, wie alle anderen Bediensteten…“ „Alle anderen Bediensteten?!“ widersprach Much entrüstet. „Dann, denke ich“, fuhr Robin unbeirrt fort, „muss ich jemand anderen finden, den ich zum Lord über dieses kleine Stück Land von mir wird.“ Nun konnte Much nur noch begriffsstutzig blinzeln. „Eine kleines Stück…“ „Es heißt Bonchurch.“ „Bonchu… Mein Bonchurch?“ hauchte Much wie betäubt. „Ja, mein Freund.“ Robin erhob sich vom Bett und legte Much in einer freundschaftlichen Geste seine Hand auf die Schulter. „Oder hast du das vergessen?“ fragte er mit einem leisen Lachen. „Nachdem du drei Jahre lang nicht aufhören konntest, davon zu sprechen, fällt es mir schwer, das zu glauben.“ „Bonchurch. Ich hatte es wirklich fast vergessen…“ Fahrig griff er sich mit einer Hand an die Stirn, um sich damit über den Kopf zu streichen, wobei er seine alte, zerfetzte Mütze  herunterriss und sein ohnehin schon verknotetes Haar noch mehr durcheinanderbrachte. Im nächsten Moment fiel er wie ein Stein, wobei ihn glücklicherweise ein hinter ihm stehender Stuhl auffing, doch selbst wenn er zu Boden gefallen wäre, hätte er es in diesem Augenblick wohl kaum bemerkt. „Es ist so viel passiert, dass ich… Nun ja, es gab so viele wichtigere Dinge.“ „Ich weiß.“ Robins Lächeln strahlte vor Glück, Zufriedenheit und Stolz. „Und für alles, was du getan hast, werde ich dir ewig dankbar sein, Much.“ Bei diesen Worten kniete er in einer Geste der Unterwürfigkeit, die es zwischen einem Master und seinem Diener selten gab, vor seinem Freund nieder. „Ich habe und ich werde niemals deine Hingabe vergessen oder all die Opfer, die du gebracht hast, deshalb habe ich dein Bonchurch, während du es bereits vergessen hattest, für dich vorbereiten lassen.“ „Für mich vorbereiten lassen?“ echote Much sichtlich verwirrt. „Ja!“ Mit einem erneuten Grinsen versetzte Robins Muchs Knie einen leichten Klaps. „Die Menschen dort warten schon auf dich und du kannst zu ihnen gehen, wann immer du willst.“ „Oh Robin, ich…“ Er schwieg einen Moment und schüttelte heftig den Kopf. „Trotzdem lautet meine Antwort nein. Ich kann dich nicht alleine lassen.“ „Du meinst, nicht mit dem gefährlichen Gisborne dort unten?“ Ein kurzes, leicht überhebliches Lachen entfuhr ihm. „Nein, ich kann dich überhaupt nicht verlassen, du Holzkopf“, entgegnete Much und reckte stolz das Kinn. „Alleine machst du nur Unsinn, nichts als Unsinn, das weiß ich genauso wie du und ganz England.“ „Dann habe ich ja großes Glück“, gab Robin zurück, „einen so anhänglichen und treuen Freund ganz in meiner Nähe zu haben.“ „Genau“, brummte Much überheblich, konnte sich jedoch ein Grinsen nicht verkneifen. „Du hast wirklich großes Glück, nicht wahr?“ Robin erhob sich wieder und richtete sich zu seiner vollen Größe auf. “Anscheinend lächelt Gott auf mich herab.“ „Und wird Er auch auf eine vereinsamte Gestalt herablächeln?“ fragte Much geradezu feierlich. „Wirst du uns alle fortschicken?“ „Much…“, begann Robin erneut, um jedoch gleich darauf wieder verunsichert zu schweigen, da er nicht genau wusste, was er sagen sollte. „Ich will dich nicht verlassen, Robin. Wir haben so viel Zeit miteinander verbracht…“ In der Hoffnung, das ausdrücken zu können, was er nicht in Worte fassen konnte, hob er fast verzweifelt die Arme, ließ sich schon im nächsten Moment wieder sinken. „Wie fange ich wieder an, selbst zu denken, meine…meine eigene Luft zu atmen? Du gibst mir zwar Land und einen Adelstitel, aber jetzt fühlt es sich… Nun, es fühlt sich an als ob du mich kaufen und für eine Aufgabe bezahlen willst, die ich ohnehin übernommen hätte.“ „Ich halte lediglich ein Versprechen ein, das ich einem Freund gegeben habe und nichts weiter“, entgegnete Robin in dem Versuch, seinen Freund jeglichen Gedanken an bloße Pflichterfüllung vergessen zu lassen. „Komm her.“ Er öffnete die Arme und gab Much so zu verstehen, dass er zu ihm herüberkommen sollte. „Komm her.“ Gehorsam stand Much auf und wurde gleich darauf von Robin in einer feste, beinah erdrückende Umarmung gezogen, in der mehr Freundschaft, Vertrauen und Liebe lag, als Worte auszudrücken vermocht hätten. Das leise Schniefen, das an sein Ohr drang, verriet Robin deutlich, dass Much weinte, worauf er seine Hände über den vom übermäßigen Tragen dünn gewordenen und zerlumpten Stoff seines Hemdes gleiten ließ, als er ihm beruhigend über den Rücken strich. „Ich wünsche mir nichts mehr, als dass du glücklich wirst, mein Freund.“ Bei diesen Worten schob Robin Much ein Stück von sich fort, um ihn mit einer Mischung aus einem Seufzen und einem Lachen anzusehen. „Lass mich dir das Glück schenken, das du verdienst.“ Geistesabwesend und überwältigt zugleich konnte Much nur nicken und willigte schließlich ein. „Wann, ähm“, stammelte er und musste erneut schniefen, „wann, meinst du, soll ich gehen?“ „Wann immer du willst, Much“, gab Robin ermutigend zurück. „Und nicht einen Augenblick früher.“ O°O°O°O°O°O°O°O°OMuch blieb noch zwei Wochen in Locksley Manor, wobei er Robin fast ständig wie ein Schatten folgte oder ihm über den Weg lief, wann immer sich die Gelegenheit bot. Manch einer fand sein Verhalten lästig, doch Robin lachte nur darüber und klopfte Much aufmunternd auf den Rücken, denn er verstand dessen Gefühle und auch ihm gefiel die Vorstellung nicht sonderlich, diesen Mann, seinen unerschütterlichen Fels in der Brandung, bald nicht mehr in seiner unmittelbaren Nähe zu haben, auch wenn sie zu Pferd nur eine kurze Entfernung voneinander trennen würde. Als der Moment des Abschieds schließlich gekommen war reichten die Gefühle der beiden von bittersüß über stolz bis zu vollkommenem Elend. Mit Ausnahme der Dienerschaft blieben nur Guy und Archer in Locksley Manor  und an Tag, an dem Much ging, gab Archer Robin den Freiraum, den dieser deutlich spürbar brauchte. .o°O°o. _____________________________ .o°O°o..O.o° °o.O¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯ O.o° °o.O. Kapitel 3: ----------- .o°O°o. _____________________________ .o°O°o..O.o° °o.O¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯ O.o° °o.O. Brother Hood - Brüder Teil 03 Autor: TwilightDeviant Übersetzer: Lady Gisborne P16 Inhalt: Guy und Robin haben den Kampf gegen den Sheriff und die Zerstörung von Nottingham Castle überlebt, aber die Wunden, die sie davongetragen haben, bleiben dennoch nicht ohne Folgen… Warnung: [AU] [H/C] Disclaimer: Bei dieser Geschichte handelt es sich um eine autorisierte Übersetzung von TwilightDeviants englischer Originalstory Brother Hood. Alle bekannten Charaktere und Orte in dieser Geschichte gehören selbstverständlich der BBC bzw. Tigeraspect und der Inhalt ist frei erfunden. Ich verdiene mit dieser Story kein Geld, sondern schreibe nur aus Spaß an der Freude. ^^ Link zur Originalstory: (http://archiveofourown.org/works/1369813/chapters/2864251) http://archiveofourown.org/works/1369813/chapters/2864251 (http://archiveofourown.org/works/1369813/chapters/2864251) Anmerkung: Wie einige von euch vielleicht bemerken werden, habe ich mich bei der Übersetzung dieser Story ausdruckstechnisch etwas vom Original entfernt, was in diesem Fall aber beabsichtigt war. Zwar bemühe ich mich, wenn ich Geschichten übersetze, so nah wie möglich am Original zu bleiben, aber mir ist auch und vor allem wichtig, einen flüssigen und sinnvollen deutschen Text zu schreiben und die erwähnten Abweichungen habe ich in diesem Fall vorgenommen, weil ich hoffe, dass die Geschichte für euch dann „flüssiger“ ist und ihr mehr Spaß beim Lesen habt. ^^ .o°O°o. _____________________________ .o°O°o..O.o° °o.O¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯ O.o° °o.O. Eines Morgens, als gerade die ersten Sonnenstrahlen durch den Nebel und die kahlen Wipfel der Bäume krochen, wurde Archer von dem leichten Kitzeln einer Feder geweckt, die seine Ohrmuschel streifte. Mit einem Ruck saß er aufrecht im Bett und das ihn so lästig ärgernde Ding, an dessen anderem Ende Robin hing und ihn frech angrinste. „Zieh dich an“, sagte er und ließ die Feder los. Archer, der insgeheim dachte, dass es noch viele andere Möglichkeiten gegeben hätte, um ihn zu wecken, warf die Feder fort, die sie langsam zu Boden fiel, während sich Robins Lächeln bei diesem Anblick vertiefte. „Wir machen unseren Rundgang.“ „Ich würde lieber hierbleiben, wenn es dir nichts ausmacht“, gab Archer zurück und ließ sich beinah ebenso heftig, wie er sich zuvor aufgerichtet hatte, zurück in die Laken fallen. „Das macht mir sehr wohl etwas aus“, entgegnete Robin, während er durch den Raum ging und begann die verschiedensten Dinge aufzuheben, unter denen sich ein Hemd, Archers Weste und sein Schwert befanden. „Ich möchte, dass du die Gegend hier kennenlernst und außerdem“, bei diesen Worten warf er Archer seine Hose zu, „was würdest du sonst den ganzen Tag lang tun?“ „Zuerst einmal weiterschlafen.“ Archer schimpfte und knurrte zwar, quälte sich jedoch aller Widerworte zum Trotz aus dem Bett und begann, sich anzuziehen, denn im Gegensatz zu der Eintönigkeit und Langeweile, die ihm das Herrenhaus zu bieten hatte,  versprach ein Tag an der frischen Luft wenigstens etwas Abwechslung. Gleich darauf sank seine Stimmung jedoch wieder spürbar, als Robin ihm eröffnete, dass sie sich nicht zu Pferd auf den Weg machen würden, was an der Unwegsamkeit des Geländes an einigen Stellen liegen mochte oder auch daran, dass es auf diese Weise einfacher war, die Menschen zu grüßen, denen sie begegneten. Was der wirklich Grund für seine Entscheidung war, konnte Archer nicht mit Sicherheit sagen, denn er schlief nach wie vor halb und hörte seinem Bruder daher kaum zu, als er diesem müde folgte. Beide trugen jeweils ein Schwert und einen Bogen bei sich, hofften aber im Stillen, dass sie ihre Waffen nicht brauchen würden. Archer war überrascht zu sehen, dass sie beide nicht als einzige unterwegs waren, denn auf ihrem Weg durch das Dorf trafen sie mehrere Leute, von denen sich die meisten damit zufriedengaben, ihnen lediglich zuzuwinken, doch eine Frau, die mit ihren Kindern unterwegs war, hielt die beiden an. „Robin“, rief sie ihnen zu. „Robin Hood.“ Abrupt bliebe Robin stehen und seine zuckenden Finger verrieten seine innere Anspannung, aber als er sich zu der Frau umwandte, bemühte er sich um ein aufrichtiges Lächeln. „Bitte“, entgegnete er, „kein Wort mehr von dieser ganzen Hood-Geschichte. Nun bin ich Robin, einfach nur Robin. Oder Robin of Locksley, wenn Euch das lieber ist.“ Die Frau entschuldigte sich vielmals, doch Archer hörte es kaum, denn seine ganze Aufmerksamkeit galt seinem Bruder und dem verkrampften Lächeln, dass dieser verzweifelt aufrecht zu erhalten versuchte. Es war ein aufgesetztes Lächeln, das aus ebendiesem Grund nicht zu ihm passte. Sie gab den beiden zwei Stücke Wurst, die vom Frühstück ihrer Familie übriggeblieben waren und ihnen mehr zusagten als das Stück Brot, mit dem sie das Haus verlassen hatten. Als sie weitergingen und das Dorf schließlich hinter sich ließen, machte sich Archer sofort gierig über seinen Anteil her, während Robin von seinem Stück nur kleine Bissen nahm. Nachdem die beiden den Waldrand erreicht und dort mit ihren Füßen eine Weile in dem toten, spröden Laub gewühlt hatten, zog Robin eine Karte von Sherwood aus seiner Tasche, um Archer zu zeigen, wo sie waren und wo sich die wichtigsten Dörfer befanden. Gerade folgten sie einem langen Pfad, der nach Clun führte und erreichten das Dorf kurz vor Mittag. Dort wurden sie einmal mehr mit lautem Jubel und aller sonstigen Pracht begrüßt, die die Bauern nur aufbringen konnten. Sie rühmten Robin Hood, den es jedoch, wie sie gleich darauf erfuhren, überhaupt nicht mehr gab. Erneut bestand Robin darauf, einfach nur Robin oder Robin of Locksley genannt zu werden und berichtigte jeden einzelnen der Dorfbewohner darin, wie sie ihn ansprachen. Obwohl sie nicht ganz verstanden, was er damit meinte, gingen sie auf seine Forderung ein, doch einfältig, wie sie waren, würden sie diese ohnehin bald wieder vergessen haben und ihn versehentlich Robin Hood nennen. Archer wusste, dass sie es nicht absichtlich, sondern nur aus Gewohnheit taten, doch irgendetwas an dieser Anrede schien seinen Bruder furchtbar zu ärgern. Die Menschen erzählten ihnen wie glücklich sie seit einem Monat waren und wie fröhlich ihr Leben ohne Gesetze zur Regelung der Steuern geworden war. Robin brachte es nicht über sich, ihre Freude zu zerstören indem er ihnen sagte, dass die Dinge nicht für immer so bleiben würden. Als Clun schließlich wieder verließen, waren sie mit einem schweren Paket beladen, das ihr Mittagessen enthielt und Archer konnte sich einen Scherz darüber, dass die Dorfbewohner anscheinend entschlossen waren, sie zu mästen, nicht verkneifen. Robin lachte daraufhin leise und führte ihn zurück in den Wald. Die beiden Brüder waren unverkennbar auf dem Weg zum früheren Camp der Outlaws, doch bevor sie auch nur in dessen Nähe gelangten wurde Robin merklich langsamer, stolperte immer wieder über seine eigenen Füße und seine tiefen, keuchenden Atemzüge verrieten, dass er schon eine ganze Weile darum kämpfte, weiterzugehen. „Ich weiß einfach nicht, was mit mir los ist“, japste er und stützte sich an einem Baum ab. „Früher habe ich dieselbe Entfernung jeden Tag zurückgelegt, ohne müde zu werden und manchmal sogar mehrmals an einem Tag.“ Archer erwiderte nichts, reichte ihm jedoch einen Wasserschlauch, aus dem Robin einen langen Schluck nahm, bevor er erneut kurze, schnaufende Atemzüge ausstieß und schließlich einen Hustenanfall bekam. Es war ein trockener Husten ohne jeden Auswurf, der ihn innerlich zerriss, bis seine Kehle wund war und seine Brust schmerzte. „Ich glaube, du hast dich einfach nur übernommen“, entgegnete Archer und gab ihm ein Zeichen, dass er sich hinsetzen und ausruhen sollte. „Vergiss nicht, dass du fast gestorben wärst.“ Robin ließ sich zu Boden sinken und fuhr mit einer Hand durch sein Haar, bevor er sie zu einer schmerzhaften Faust ballte, als der Husten zurückkehrte, der tief aus seiner Brust kam und so laut durch den Wald hallte, wie das Jaulen eines sterbenden Hundes. Da er nicht wusste, was er sonst tun konnte, gab Archer ihm noch mehr Wasser und etwas Brot. Kurz darauf ließ der Husten wieder nach und als sich beide sicher waren, dass er endgültig vorüber war, schlug Archer vor, dass sie einfach dort sitzenbleiben und zu Mittag essen sollten. „Also gibt es nun keinen Robin Hood mehr?“ fragte er seinen Bruder wenig später gleichgültig, während er auf einem Stück Schweinefleisch herumkaute. „Nein“, antwortete Robin und warf einen abgekauten Knochen fort, an dem noch ein paar Fleischreste hingen, über die sich bald hungrige Tiere hermachen würden. „Robin Hood gibt es nicht mehr. Er starb vor einem Jahr im Heiligen Land und wurde von einem Mönch aus der Leere des Todes zurückgeholt, wenn gleich er niemals wieder ganz derselbe war. Im vergangenen Monat hat ihn eine einstürzende Burg endgültig zerstört, ihn und alles, das er jemals war, alles wogegen er jemals gekämpft hat.“ Er atmete tief durch und war erleichtert, als er nicht sofort wieder in einen bellenden Hustenanfall ausbrach. „Robin Hood ruht endlich in Frieden.“ Archer, der ihn aufmerksam beobachtete, bemerkte den entrückten Blick seines Bruders und auch einen Ausdruck unendlicher Müdigkeit, die sich nach wirklicher Erlösung sehnte, auf seinem Gesicht. Seine Gedanken zu erraten, stellte für Archer keine Herausforderung dar. „Du wünscht dir, dass dich das Gift umgebracht hätte“, vermutete er. „Ich bin müde“, erwiderte Robin und ebendieses Gefühl schwang auch in seiner Stimme mit. Er streckte eine Hand aus und krümmte seine Finger, als könnte er es in seiner Faust zerdrücken und auf diese Weise für immer loswerden. „Ich habe so viel gegeben und sogar noch mehr verloren, mehr als ein Mensch jemals verlieren sollte. Wann wird das aufhören? Wann kann ich mein Schicksal in die Hände eines anderen legen, der an meiner Stelle diese Bürde und dieses Elend trägt? Wo ist mein Lohn für alle guten Taten? Wo ist…?“ Seine Stimme versagte und er ballte seine Faust noch fester zusammen, als ihm eine Mischung aus Schluchzen und bitterem Lachen entfuhr. „Wo ist meine Begnadigung?“ Archer fielen keine weisen Worte ein, kein kluger Rat, den er ihm hätte geben können, um seinen Blickwinkel zu verändern und ihn seine Leben wieder als freundlich, gütig und unbeschadet sehen zu lassen. Langsam streckte er seine Hand aus und klopfte Robin auf die Schulter. Du bist genauso schlimm wie er, wie Guy, nicht wahr? Du verbirgst es nur besser.“ Erneut lachte Robin auf, ein leises, durch die Nase ausgeatmetes Geräusch, das von dem Anflug eines Grinsens begleitet wurde. „Wie fühlst du dich dabei“, fragte er, „zu wissen, dass deine Brüder derartig erschöpft davon sind, einfach nur zu leben?“ „Ich fühle gar nichts dabei“, antwortete Archer aufrichtig und hob die Schultern. „Sollte ich das?“ „Nein“, erwiderte Robin mit einem zögerlichen Kopfschütteln. „Nein, du musst überhaupt nichts fühlen oder tun, das du nicht willst.“ Archer nickte und war dankbar für die Antwort, dankbar dafür, dass Robin ihn verstand und wusste es ihm nicht leichtfiel, Mitgefühl für seine Mitmenschen aufzubringen. „Komm schon“ sagte Archer, stand auf und hielt ihm seine Hand in einer stummen Aufforderung entgegen. „Du brauchst jetzt vor allem Ruhe und machst heute ganz bestimmt keinen Rundgang mehr.“ Robin schaute zuerst auf die Hand seines Bruders, dann in sein Gesicht und schien für einen Moment widersprechen zu wollen, bevor er schließlich zustimmend nickte und die dargebotene Hand ergriff. Sobald er wieder aufrecht stand, legte er seinem jüngeren Bruder einen Arm um die Schultern, zog ihn an sich und drückte einen kurzen Kuss auf sein verfilztes Haar. Archer schob ihn gutmütig von sich, ließ seinen Arm jedoch für eine Weile auf der Schulter seines Bruders liegen, während sie zurück nach Hause gingen. O°O°O°O°O°O°O°O°OEines Abends, als die in den Wintermonaten für gewöhnlich sehr schnell anbrechende Dämmerung längst hereingebrochen brach, stiegen Archer und Robin von ihren Pferden und führten sie anschließend auf einen Pfad, der an der Außenwand des Herrenhauses entlangführte. Robin hatte an diesem Tag beschlossen, einen letzten Jagdausflug  zu unternehmen, bevor das Jahr zu Ende ging, um die Menschen auf seinen Ländereien mit so viel frischem Fleisch, wie er nur finden konnte, zu versorgen und indem er seine Einladung mit der Herausforderung, zu sehen, wer das meiste Wild erlegen konnte verwob, hatte er auch Archer überreden können, ihn zu begleiten. Zwar hatte Robin die Anzahl der erlegten Tiere nicht wirklich mitgezählt, doch gerade deshalb widersprach er Archer auch nicht, als dieser felsenfest behauptete, dass Robin ihren kleinen Wettstreit verloren hatte. Aller Anstrengung und des allumfassenden Todes von Tieren und auch Pflanzen, der sie in den vergangen Stunden umgeben hatte, zum Trotz, fühlten sich beide seltsam rastlos, als hätte ihnen dieser Ausflug neues Leben eingehaucht. Archer, der sich nur noch darauf freute, sich im Haus an das warme Feuer setzen zu können, war dankbar, als ein junger Stallbursche ihnen beiden die Pferde abnahm und ihn so vor dieser Aufgabe bewahrte. Der große Kamin stand so wunderbar einnehmend in dem großen Raum, dass die elende Gestalt, die in seiner Nähe lag und den Schein des Feuers entweder förmlich aufzusaugen oder ihren eigenen dunklen Schatten zu erschaffen schien, um das Licht zu vertreiben, beinah hätte übersehen werden können. Wie immer lag Guy auf seinem schmalen Bett, wobei er seinen Blick der Treppe zugewandte hatte, sodass der Schatten, der in diesem Winkel auf sein Gesicht fiel, den dichten Stoppelbart, der dort inzwischen gewachsen war, fast vollkommen verbarg. Aus einem ihm unerklärlichen Pflichtgefühl heraus hatte Archer ihn nicht nur überredet, sich gelegentlich zu rasieren, sondern ihn auch dabei geholfen, wenn er die Zeit dazu hatte und Guy in der richtigen Stimmung war, doch es kam allzu selten vor, dass diese beiden Voraussetzungen gegeben waren. „Gisborne“, grüßte ihn Robin matt, während er sich mühsam durch den Raum schleppte und sich auf seinem Weg seiner Stiefel und seines Umhangs entledigte, doch er bekam keine Antwort. „Was hast du heute gemacht?“ Guy blieb weiterhin stumm, woraufhin Robins Augen verschmitzt oder auch voller Ungeduld aufblitzten und Archer verrieten, dass sein Bruder irgendetwas im Schilde führte, da er vielleicht mit ihrer Jagd an diesem Tag unzufrieden war oder gerade von diesem Erlebnis getrieben wurde. Hätte er sich etwas wünschen können, so hätte Archer lediglich darum gebeten, dass die friedliche Gleichgültigkeit, die sich zwischen den dreien eingestellt hatte, auch weiterhin andauern möge, doch augenscheinlich teilte Robin diesen Wunsch nicht. „Was hast du heute getan?“ fragte Robin noch einmal langsam, wobei er sich dem schweigsamen Mann noch weiter näherte, bis er dicht neben dem Bett stand. „Lass ihn in Ruhe“, mischte sich Archer beinah flehend ein, denn wenn Guy damit zufrieden war, langsam dahinzuschwinden, dann war er durchaus damit zufrieden, es geschehen zu lassen. Schließlich konnte er seinen Bruder nicht zwingen, sich dem Leben, seinem Leben wieder zuzuwenden. „Robin, komm hierher und wärme dich am Feuer.“ Robin wandte sich von Guy ab, wobei sein Kopf und sein kalter, zorniger Blick der Bewegung seines Körpers nur zögerlich folgten und ging zum Kamin hinüber. Dort angekommen hielt er seine Hände nah an die Flammen und rieb die flackernde, knisternde Wärme des Feuers in seine vor Kälte fast tauben Finger. Archer tat für kurze Zeit dasselbe, bevor sich beide in die Stühle sinken ließen, die in nächster Nähe standen. „Willst du nicht etwas näher herankommen, Gisborne?“ Fragte Robin in einem erneuten Versuch, Guy mit seinem Spott zum Sprechen zu bewegen, doch dieser zog lediglich einer der vielen Decken, mit denen er zugedeckt war, fester um seine Schultern. „Das Abendessen müsste bald fertig sein“, fuhr Robin ungerührt fort, als würde zwischen ihnen tatsächlich eine alltägliche, belanglose Unterhaltung stattfinden. Als hätten die Bediensteten nur auf ihr Stichwort gewartet, erklang in diesem Moment ein leises Klappern und Klirren, als Teller und Besteck auf dem hölzernen Tisch abgestellt wurden. Archer stand auf, um Guy seinen Teller wie üblich an sein Bett zu bringen, wurde jedoch sofort zurückgehalten, als Robin grob seinen Arm ergriff. „Setzt du dich zu uns an den Tisch, Guy?“ Als erste wirkliche Antwort an diesem Abend knurrte der Angesprochene jedoch nur abweisend, woraufhin Robin so abrupt aufstand, dass er beinah seinen Stuhl umstieß und auf das schmale Bett zuging. „Ich denke, ich habe dir nun lange genug erlaubt, in Selbstmitleid zu versinken.“ „Du hast mir überhaupt nichts zu erlauben“, entgegnete Guy, endlich sein Schweigen brechend. „Und ich schulde dir sogar noch weniger als das.“ Diese Worte schien Robin alles andere als gerne zu hören, denn sofort verzogen sich seine Lippen zu einer schmalen Linie, während er sichtlich verärgert die Stirn in alten legte. „Am liebsten würde ich jetzt sagen dass du, wenn du nicht am Tisch isst, überhaupt nichts zu essen bekommst, aber das wäre dir wahrscheinlich sogar lieber, nicht wahr?“ Bei diesen Worten klang seine Stimme hart und streng. „Also komm schon.“ Bevor einer der Anwesenden die Gelegenheit hatte, seine Absicht zu durchschauen, beugte sich Robin hinunter, schlug die Decken zurück, die den bettlägerigen Mann umhüllten und warf sie fort. „Was machst du da?“ knurrte Guy, erhielt auf seine Frage jedoch keine Antwort. Stattdessen ergriff Robin einen seiner Arme und legte ihn sich um die Schultern. „Robin!“ So gut er es vermochte, hob er Guy vom Bett auf, wobei sich seine Finger und seine Schulter in den Bauch und die Brust des Dunkelhaarigen gruben, sodass Robin insgeheim erleichtert war, dass inzwischen genügend Zeit vergangen war und er sich keine Sorgen mehr um Guys Wunden machen musste. „Lass mich los!“ schrie Guy empört. „Lass ich runter!“ Zornig schlug er nach Robin, was in Verbindung mit seinem Gewicht beinah dazu führte, dass sie beide, einer auf dem anderen, zu Boden fielen. Wild entschlossen zog Robin den anderen Mann trotz seiner wild um sich schlagenden Arme und seiner nutzlosen Beine durch den Raum und weder Guys Schreie noch Archers Flehen um einen ruhigen, entspannten Abend konnte ihn von seinem Vorhaben abbringen. Als er den hochgewachsenen Mann schließlich in einen Stuhl am Tisch sinken ließ, musste er einige Male tief durchatmen, bevor er den Stuhl mit einem lauten Knarren nach vorne schob, denn er fühlte sich von der ihm abverlangten Anstrengung seltsam außer Atem. Nachdem er wieder zu Atem gekommen war, beugte er sich vor, bis sein Gesicht nur noch ungefähr eine Handbreit von Guys Gesicht entfernt war, doch dieser starrte weiterhin mit ausdruckslosem Gesicht geradeaus und nur seine Blicken verrieten, welch heftiger Sturm in ihm tobte. „Iss“, befahl Robin, „lies oder schreib irgendetwas, zünde das Haus an, es ist mir egal!“ Sein Zorn war in diesem Moment so greifbar wie ein Dämon, der wutentbrannt hinter ihm aufragte, ihn antrieb und ihn ermutigte, dieses Leben, dem er das seine verdankte, zu retten und zu bewahren. „Tu einfach…irgendetwas!" rief er aus. „Bring mich zurück in mein Bett“, grollte Guy mit fest zusammengebissenen Zähnen. „Nein“, lehnte Robin trotzig ab. „Robin!“ schrie er zornig, bevor er seine Faust mit einemlauten Krachen auf dem Tisch aufschlagen ließ. „Bring mich zurück!“ Seine Worte hätten flehend geklungen, wären sie nicht von ungezügelter Wut durchtränkt gewesen. Wütend und verzweifelt zugleich richtete sich Robin wieder auf und betrachtete Guy von Kopf bis Fuß. All sein Wohlwollen und alle seine Versuche, einem Mann zu helfen, der keine Hilfe annehmen wollte und einen Mann zu retten, der sich nur den eigenen Tod wünschte, waren kaltherzig zurück gewiesen worden und bald war er am Ende seiner Geduld angelangt. „Du willst in dein Bett zurück?“ fragte er langsam, mit einem drohenden Unterton in der Stimme. „Also gut.“ Er zog den Stuhl ein Stück vom Tisch zurück und stellte seinen Fuß auf die Sitzfläche, bevor er gleich darauf sowohl ihn als auch den darin sitzenden Mann mit einem groben Tritt zu Boden stieß, wo Guy gleich einem reglosen Haufen liegenblieb. „Dann kriech doch zurück. Wenigstens hast du dann irgendetwas vollbracht.“ Archer ging Robin so schnell er konnte aus dem Weg, als dieser an ihm vorbei und die Treppe hinaufstürmte und als kurz darauf die Tür seines Schlafgemachs zugeschlagen wurde, musste er einsehen, dass der Abend nicht mehr zu retten war. Die Dienerschaft, die weder Robins Grausamkeit mitansehen noch Guy zuliebe in das Geschehen eingreifen wollte, hatte bereits die Flucht ergriffen, als das erste schroffe Wort fiel, sodass Archer nun allein im Raum war. Eine Weile beobachtete er seinen Bruder, der jämmerlich auf dem Boden ausgestreckt lag und wartete mit einem Anflug von Hoffnung darauf, dass er sich bewegte. Zwar war er mit Robins liebevoller Strenge nicht unbedingt einverstanden, aber ein deutlich spürbarer Teil von ihm hegte den starken Wunsch, dass Guy sich aufrichtete und den Versuch unternahm, über den Boden zu kriechen, dass er auf diese Weise wenigstens versuchte, zu seinem Bett zu gelangen. Doch Guy tat nichts dergleichen. Eine gefühlte Ewigkeit lag er vollkommen reglos auf dem Boden, bis sich Archer schließlich bückte, um ihm aufzuhelfen. Als hätte er die ganze Zeit auf eine solche Geste gewartet, schlang sein Bruder sofort die Arme um ihn und nahm die Hilfe, von der er gewusst hatte, dass sie ihm angeboten werden würde, nur allzu bereitwillig an. Archer zog Guy zurück zu seinem Bett, das noch immer warm war und legte ihn darauf ab, bevor er ihm seine Decken zurückgab. Als Guy sich damit zudeckte, sah er einmal mehr traurig und gebrechlich aus. „Danke“, hauchte er leise. Ein Gefühl der Enttäuschung und Abscheu erwachte mit einem Mal in Archer und ergriff ihn wie ein zu fest gespanntes Seil. Das sollten seine Brüder sein? Ein elender Schatten von einem Mann und ein anderer, der den ersten wie ein Heuchler dafür schalt, wenn er sich nicht gerade demütig um die Bauern kümmerte? Erbärmlich. O°O°O°O°O°O°O°O°OAuf leisen, nackten Sohlen schlich Archer durch die Flure und Gemächer des Herrenhauses, die nur vom Licht des Mondes erhellt wurden. Den größten Teil des Hauses hatte er bereits durchquert und herausgefunden, dass es nicht sonderlich viele Wertgegenstände enthielt. Als er schließlich vor der Tür stand, die zu Robins Schlafgemach führte, hielt er den Atem an, denn er wusste, wenn es irgendetwas von Wert gab, würde es im Gemach des Hausherren zu finden sein, doch gleichzeitig konnte er sich eines starken, bedrückenden Gefühls nicht erwehren. Ihm war bewusst, dass Robins Gehör von einem jahrelangen Leben im Wald sicher ebenso ausgeprägt war, wie die Listigkeit, die Archer selbst zu Eigen war. Deshalb wog er alle Risiken gegen den möglichen Nutzen seines Vorhabens ab, doch sein innerer Zwist dauerte nur kurze Zeit an, denn wenn er fortgehen wollte, würde er auch die notwendigen Mittel brauchen, um für sich selbst zu sorgen. Zwar war die Tür schwer, aber die Angeln, in denen sie hing, waren stark genug, um sie vollkommen geräuschlos aufschwingen zu lassen. Gleich darauf streckte Archer den Kopf in den Raum und schaute sich wachsam um. Robin lag mit dem Gesicht nach unten auf der Seite, als hätte er sich einfach auf sein Bett fallen lassen und überhaupt nicht vorgehabt einzuschlafen, sondern regelrecht das Bewusstsein verloren. Archer wusste, dass sein Kampf gegen Guys Sturheit an diesem Abend sowohl von seinem Körper als auch von seinem Gewissen seinen Tribut gefordert hatte und konnte sich beinah bildlich vorstellen, wie Robin, von dieser Auseinandersetzung aufgewühlt, unaufhörlich in seinem gemach auf und ab gelaufen war,  bis er schließlich auf sein Bett gefallen und dort vor Erschöpfung fest eingeschlafen war. Diese Tatsache war für Archers Vorhaben nur von Vorteil, da er sich nun so unbemerkt wie ein Geist durch den Raum bewegen konnte. Er entdeckte mehrere Truhen, zu denen er ohne zu zögern hinüberging, doch ihr Inhalt war alles andere als wertvoll, denn wenn sie nicht gänzlich leer waren, enthielten sie nur Dokumente oder Kleidung. Jegliches Gold oder Silber, das sie einmal enthalten haben mochten, war ohne Zweifel längst in die Hände irgendwelcher Bauern geflossen, die es nicht verdienten. Schließlich näherte er sich einer kleinen Truhe, die auf einem Regalbrett stand, doch als er sie öffnete, quietsche sie leise aber vernehmlich in den Angeln. Sofort warf er einen wachsamen Blick auf Robin, doch dieser hatte sich nicht einmal im Schlaf bewegt und augenscheinlich auch nichts gehört. Erneut öffnete Archer vorsichtig den Deckel und dieses Mal wurden ihm seine Mühen endlich mit dem Anblick von Schmuck gelohnt. Die Kiste war randvoll mit Silber, in dem sich das Mondlicht spiegelte und Edelsteinen, die in dem bleichen Licht hell glitzerten. Funkelndes Gold führte ihn mit seiner Schönheit in Versuchung, sodass er schließlich einen Beutel hervorholte und begann, sein Fund dort hineinzufüllen. Obwohl die Zeit drängte, konnte Archer nicht widerstehen und hielt die meisten Stücke ins Licht des Mondes, um sie näher betrachten zu können. Die Mehrheit von ihnen war noch so neu und sah so rein aus, dass er beinah meinte, noch die Hitze der Schmiede an den einzelnen Schmuckstücken  fühlen zu können. Beinah gleichgültig fragte Archer sich, welcher seiner beiden Brüder wohl eine Vorliebe dafür haben mochte, Frauenschmuck wie Halsketten, Ohrringe Ringe und Haarnadeln zu sammeln. Die Sorge, wie er sich auf seiner Reise versorgen sollte, quälte ihn nicht länger, denn die jedes einzelne Stück war nicht nur schön, sondern auch wertvoll.  Solche fein gearbeiteten Kunststücke waren sicher für eine wunderschöne Frau bestimmt gewesen und tief im Innersten kam Archer nicht umhin, sich zu fragen, warum sie niemals in die Hände dieser besagten Frau gelangt waren. Sobald er den gesamten Schmuck in seinem Beutel verstaut hatte, schloss Archer die Truhe wieder und stellte sie auf das Regalbrett zurück, von dem er sie heruntergenommen hatte. Als er sich noch einmal flüchtig in dem Gemach umschaute, entdeckte er einige weitere Stücke, für die nur wohlhabende Menschen eine Verwendung hatten und die sowohl klein genug waren, um in seinen Beutel zu passen, als auch wertvoll genug, um die Mühe, sie mitzunehmen, zu rechtfertigen. Als er das Gemach verließ, stellte Archer erleichtert fest, dass sich die Tür ebenso lautlos schließen wie öffnen ließ. Zielstrebig ging er die Treppe hinunter und setzte sich schließlich auf die unterste Stufe, um sich seine Stiefel anzuziehen. Als er kurz darauf wieder aufstand, er griff er sein Schwert, das an die Seite der Treppe gelehnt worden war, legte es sich um und warf sich anschließend sein Bündel über die Schulter. Auf dem Weg in die Freiheit, die ihm so lange verwehrt geblieben war, durchquerte Archer den Raum und ging hinüber zu der Tür, die nach draußen führte, doch war diese bei weitem nicht so entgegenkommend wie die Tür zu Robins Schlafgemach. Laut quietschend schwang sie auf, aber trotz des Lärms, den er verursacht hatte, war Archer anmaßend genug zu glauben, dass er möglicherweise noch immer unbemerkt geblieben war. Als er schon mit einem Fuß vor der Tür stand, ließ ihn jedoch ein Ruf, der an sein Ohr drang, unvermittelt innehalten. „Wohin willst du zu dieser späten Stunde?“ Archer hätte schwören mögen, dass Guy die ganze Zeit wach gewesen war, so geistesgegenwärtig klang dessen Stimme. „Ich will nur einen Spaziergang machen, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen“, log er. „Was geht es dich an?“ Obwohl das Licht den Raum nur spärlich erhellte, konnte Archer erkennen dass sich Guys Augen misstrauisch verengt hatten und ihn nun voller Argwohn musterten. Vielleicht hatte das Mondlicht, das hinter ihm zur Tür hereinfiel, die Umrisse des Schwertes, das an seiner Seite hing und auch die des Bündels, das er trug, beleuchtet und ihn auf diese Weise verraten haben. Guy seufzte schwer. „Als wir herausfanden, dass du möglicherweise zu Unrecht im Kerker sitzt“, begann er leise und nickte in Richtung der Treppe, „hatte ich gehofft, dass du unschuldig warst. Ich wollte daran glauben, dass du ihm ähnlicher bist als mir, auch wenn er ein solches Ärgernis ist.“ Sichtlich verstimmt wandte sich Archer nach diesen Worten von der Tür ab und ging einige Schritte auf Guys Bett zu. „Lass mich eines klarstellen: ich bin nicht du und ich bin nicht Robin!“ Am helllichten Tag, wenn laute Stimmen durch das Haus hallen durften, hätte er seinem Bruder diese Tatsache so laut er konnte ins Gesicht geschrien. „Ich bin Archer, Sohn von was-weiß-ich-wem und ich bin mein eigener Herr.“ „Aber zu welchem Preis?“ hielt Guy eine zweideutige Frage dagegen. „Wie bitte?“ Sichtlich verwirrt trat Archer noch etwas näher zu seinem Bruder. „Anscheinend bist du ein Sklave deines eigenen Wunsches, eine Art Gauner zu sein“, erwiderte Guy spöttisch, doch da er lang ausgestreckt auf dem Bett lag und sich somit in einer sehr verwundbaren Position befand, schwang keine Härte in seiner Stimme mit. „Dafür und natürlich für einen Beutel voller Münzen würdest du jegliche Bindung, die du vielleicht zu anderen Menschen hast, aufgeben.“ „Und wenn es so ist?“ hielt Archer dagegen und versuchte nicht einmal zu leugnen, dass er fortging und somit seine Brüder betrog. „Die Mitglieder meiner sogenannten…Familie beherrschen nicht einmal ihr eigenes, erbärmliches Leben. Warum also sollte ich bei euch bleiben?“ Auf diese Frage fiel Guy keine Antwort ein und diese Tatsache bestärkte Archer lediglich in dem Gefühl, dass er mit allem, was er sagte, Recht hatte. „Willst du, dass ich bleibe?“ fragte er verächtlich. „Und auf was würde ich mich in diesem Fall einlassen? Soll ich zusammen mit Robin Wache halten und Menschen beschützen, die niemals auch nur irgendetwas für mich getan haben? Oder soll ich dich immer und immer wieder vom Boden aufheben? Was für ein Leben erwartet mich hier?“ Guy blieb stumm und Archer war davon überzeugt, aus diesem Streit als Sieger hervorgegangen zu sein, doch aus einem ihm unbekannten Grund ärgerte ihn das nur noch mehr. „Ich gehe jetzt.“ Mit diesen Worten wandte er sich von dem bettlägerigen Mann ab. „Leb wohl, Bruder“, zischte er. Gerade, als er die Tür beinah erreicht hatte, brach Guy jedoch mit harter, kräftiger Stimme sein Schweigen. "Lass den Schmuck hier.“ „Was?“ fragte Archer in dem Bemühen, seinem Bruder bezüglich dieser Angelegenheit Ahnungslosigkeit vorzutäuschen. „Ich sagte, dass du ihn hierlassen sollst“, wiederholte Guy streng. „Du würdest doch unter keinen Umständen ohne einen letzten unverschämten Betrug von hier verschwinden und sonst gibt es im ganzen Haus wenig wertvolles, das in dieses Bündel passen würde. Lass“, befahl er ein weiteres Mal, „den Schmuck hier.“ „Warum?“ „Er gehört dir nicht“, erwiderte der Dunkelhaarige, worauf Archer lediglich ein spöttisches Schnauben ausstieß. „Und ich nehme an, du hast das schöne dazugehörige Kleid. Ist es das?“ „Halt den Mund!“ zischte Guy ihm drohend zu und setzte sich in seinem Bett auf, doch seine veränderte Position trug nur wenig dazu bei, das schwache, unbeeindruckende Bild, das er abgab, zu zerstreuen. „Der Schmuck gehörte…“ „Wem?“ fragte Archer höhnisch in die darauffolgende Stille. „Der legendären Marian?“ Bei der Erwähnung ihres Namens fuhr Guy zusammen, was Archer jedoch nicht im Geringsten kümmerte. „Wenn ich die Tatsache außer Acht lasse, dass sich Schmuck in deinem Besitz befindet, der Robins verstorbener Gemahlin gehört hat, sage ich dir als nächstes, dass sie ihn nicht vermissen wird.“ Verärgert und nicht in der Stimmung für weitere Abschiedsworte wandte sich Archer erneut zum Gehen und sah deshalb nicht, wie sich Guy hinunterbeugte, um ein kurzes Messer unter seinem Bett hervorzuziehen. Geschickt warf er die Waffe, die in Archers Bündel steckenblieb und ein tiefes Loch hineinschnitt. Das Seufzen, das dem jüngeren Mann entkam, während er das Bündel von seinen Schultern auf den Boden gleiten ließ, klang mehr wie ein leises, freudloses Lachen. Er zog das Messer aus dem Stoff, wodurch er den Riss darin jedoch nur noch mehr vergrößerte und ein Loch hinterließ, das gerade groß genug war, um ein ernstliches Hindernis darzustellen. „Gratuliere“, rief er aus. „Du hast es geschafft, mich aufzuhalten. Jetzt muss ich mich nach einem neuen Bündel umsehen.“ „Mit diesem Schmuck wirst du das Haus nicht verlassen“, entgegnete Guy streng. „Und was willst du dagegen tun?“ fragte Archer, wobei er dem anderen kaum Beachtung schenkte, sondern lediglich sein Bündel auf dem Tisch ablegte. „Willst du nach Robin rufen?“ Guy zögerte kurz, bevor er zustimmend nickte. „Wenn es sein muss.“ „Ich warte“, gab Archer daraufhin zurück und hielt in seiner Tätigkeit inne, um den Täuschungsversuch seines Bruders auffliegen zu lassen und wie von ihm erwartet, gab Guy keinen Laut von sich. Da er sich von seinem Bruder nicht im Geringsten bedroht fühlte, ging Archer unbeirrt durch den Raum und schaute leise in verschiedene Truhen und Schränke, bis er schließlich ein brauchbares Bündel fand, mit dem er an den Tisch zurückkehrte, Als er gerade dabei war, seine Habseligkeiten hineinzupacken, ergriff Guy erneut das Wort. „Der Schmuck war für Marian.“ Archer gab nur ein bestätigendes Brummen von sich, wodurch sich Guy jedoch nicht beirren ließ. „Manche Stücke habe ich ihr geschenkt, doch meine Geschenke wurde fast jedes Mal abgewiesen. Andere wiederum habe ich lediglich in der Absicht gekauft, sie ihr zu schenken, doch ich bekam nie die Gelegenheit dazu. Wieder andere…“ Er hielt für einen kurzen Moment inne und als er fortfuhr, war seine Stimme wenig mehr als ein kaum hörbares Flüstern. „Wieder andere habe ich nach meiner Rückkehr aus dem Heiligen Land gekauft.“ „Nachdem du sie getötet hattest?“ fragte Archer kaltherzig und ohne einen Funken Mitgefühl. Guys einzige Antwort auf diese Frage war ein langsames, träges Nicken. „Ich weiß nicht, ob es für mich inzwischen zur Gewohnheit geworden ist, aber…ich kann nicht damit aufhören und sehe auf den Marktständen immer wieder Dinge, die mich an sie erinnern.“ Bei diesen Worten blickte er auf die Decken hinab, die um seine Taille geschlungen waren und auf seine Hände, die diese schmerzhaft umklammert hatten. „Du hast sie wirklich geliebt.“ Dieses Mal war es keine Frage, denn Archer hatte in dieser Angelegenheit nicht den geringsten Zweifel mehr. Dennoch nickte Guy, als hätte ihm sein Bruder tatsächlich eine Frage gestellt, woraufhin Archer seinen Bruder einen endlos erscheinenden Moment lang abschätzend anschaute. „Hier“, sagte er schließlich und ging mit dem Bündel voller Schmuck auf ihn zu. Mit einem geschickten Griff löste er die Schnur darum und zog sie auseinander, bis die Öffnung groß genug war, um selbst in dem dunklen Raum den größten Teil des Inhaltes preiszugeben. „Ich denke, ich kann dir wenigstens dein Lieblingsstück lassen.“ „Du bist zu gütig“, erwiderte Guy in sarkastischem Tonfall, „wenn du mir zurückgibst, was mir ohnehin bereits gehört.“ Seinen höhnischen Worten und seinem spöttischen Tonfall zum Trotz griff er aber dennoch mit einer Hand in das Bündel und wusste augenscheinlich genau, wonach er suchte. „Dieser hier.“ Er hielt einen Ring mit einem schmalen Band hoch, in dessen silberne Blätter grüne und purpurrote Edelsteine eingearbeitet waren. „Gut“, erwiderte Archer und schloss das Bündel wieder, indem er die Schnur fest zusammenzog. „Als Gegenleistung verlange ich nur, dass du mir Robin so lange wie möglich vom Leib hältst.“ Guy schüttelte den Kopf. „Er wird dich nicht verfolgen.“ „Nicht?“ „Immerhin hat er das bisher auch nicht getan, oder?“ „Das ist wahr“, stimmte Archer zu, bevor er den gerade erworbenen Schmuck in das Bündel gleiten, das er sich anschließend wieder über die Schulter warf. „Leb wohl, Bruder. Wenn du am Leben bleibst, sehen wir uns vielleicht eines Tages wieder.“ „Es ist sehr viel wahrscheinlicher, dass du stirbst“, entgegnete Guy. „Ganz besonders, wenn ich an deine Vorgeschichte denke.“ Auf diese durchaus nicht von der Hand zu weisende Behauptung hin nickte Archer zustimmend. „Nun ja, sollte ich eines Tages zurückkehren und dich an demselben Fleck vorfinden, an dem ich dich zurückgelassen habe, dann bin ich schwer enttäuscht.“ Guy rollte seine Schultern, um die verkrampften Muskeln zu lockern und ließ sich dann wieder zurück auf das Bett sinken und zeigte so deutlich, dass die Meinung, die Archer von ihm hatte, nur wenig Einfluss auf seine Taten oder seine Motivation hatte. Er hielt einfach nur den kleinen Ring zwischen seinem Daumen und seinem Zeigefinger fest und betrachtete ihn eingehend, bevor er Archer eine sichere Reise wünschte. O°O°O°O°O°O°O°O°OBeim Frühstück am folgenden Morgen saß Robin allein am Tisch, da Guy auch diese Mahlzeit wie üblich in seinem Bett zu sich nahm. Als er sein Frühstück gerade beendet hatte, kam Robin zu ihm herübergeschlendert, wobei er sich nebenbei immer wieder kleine Kartoffelstücke in den Mund warf. „Archer schläft heute lange“, sagte er, als würden sie sich ungezwungen miteinander unterhalten. Guy hingegen hatte Robin nich nicht vergeben, wie empörend ihn dieser am vergangenen Abend behandelt hatte und war deshalb der Meinung, dass er nicht verpflichtet war, ihm das späte Erscheinen ihres Bruders zu erklären. Was ihn betraf, sollte Robin den Grund dafür ruhig selbst herausfinden. Drei weitere Stunden vergingen, in denen Robin mehr als einmal damit drohte, ihren verschollenen Bruder zu wecken, aber es blieb jedes Mal bei einer Drohung, denn er blieb ging nicht hinauf in das obere Stockwerk, sondern setzte sich stattdessen in einen Stuhl, der sowohl in Guys Nähe als auch nah am Feuer stand, um sich die Berichte über die Situation auf seinen Ländereien anzusehen. Obwohl es für ihm sehr schwer fallen würde, wusste er nur zu gut, dass er die Menschen am besten auf Prince Johns unvermeidliche Rückforderung des Landes vorbereiten konnte, wenn er möglichst bald begann, Steuern zu erheben. Er würde milde sein und ihnen nicht mehr abverlangen, als sie entbehren konnten, aber nachdem er ihnen so viele Jahre lang immer etwas gegeben hatte, fühlte es sich für ihn dennoch falsch an, ihnen nun etwas zu nehmen. Als er gerade die geringste Summe berechnet hatte, mit der die Menschen auf seinen Ländereien auskommen konnten, flog unvermittelt die Tür weit auf. Robin und Guy schauten auf, verfluchten den kalten Winde, der hereinwehte und verlangten laut danach, dass die Tür sofort geschlossen wurde. Die hereingekommene Gestalt gehorchte und als sie sich umwandte, stand unerwartet Archer dort und kündigte sich selbst mit dem königlichen Fanfarenstoß an, den er zu verdienen glaubte. Auch wenn Guy es niemals zugegeben hätte, durchströmte ihn beim Anblick seines Bruders ein warmes Gefühl der Erleichterung und Zufriedenheit. Zwar war er nicht wenig überrascht, Archer zu sehen, doch es war eine angenehme Überraschung, wie er sie seit langer Zeit nicht mehr erfahren hatte. Fröstelnd wischte sich Archer einige verirrte Schneeflocken von den Schultern und schaute Guy mit gespielter Strenge an. „Was, habe ich gesagt, wird passieren, wenn ich zurückkomme und du noch immer am selben Fleck bist?“ „Was ist denn?“ entgegnete Guy spöttisch. „Habe ich dich enttäuscht?“ „In vielerlei Hinsicht“, gab Archer zurück und nahm seinen Umhang ab, den er zusammen mit seinem Bündel zu Boden fallen ließ. „Aber vergiss das jetzt. Ich bin am verhungern.“ „Und wo genau bist du gewesen?“ verlangte Robin zu wissen. Er stand auf und schaute zwischen Archer und Guy hin und her, denn er spürte nur zu deutlich, dass ihm gerade etwas sehr Wichtiges entging. „Ich bin spazieren gegangen“, antwortete Archer, worauf Robin sich Guy zuwandte, in der Hoffnung, von ihm eine bessere Antwort zu erhalten, doch der Dunkelhaarige zuckte nur mit den Schultern, denn streng genommen hatte sein Bruder die Wahrheit gesagt. „Ach, ich gebe es auf“, brummte Robin daraufhin gereizt. „Ihr und eure kleinen Geheimnisse. Annie“, rief er, während in Richtung der Küche ging. „Bringst du unserem jungen Master Archer bitte etwas zum Mittagessen?“ Sobald er den Raum verlassen hatte, schaute Guy seinen Bruder fragend an. Archer schien zwar fest entschlossen so zu tun, als wäre nichts geschehen, aber Guy teilte seinen Wunsch nicht. „Warum bist du zurückgekommen?“ wollte er wissen. „Ich habe nachgedacht“, begann Archer, bevor einen wachsamen Blick hinter einen Pfeiler warf, um sich davon zu überzeugen, dass Robin sie nicht belauschte. Dennoch trat er sicherheitshalber näher zu seinem Bruder. „Zwar möchte ich die Welt entdecken, aber mir ist bewusst geworden, dass ich dafür noch den Rest meines Lebens Zeit habe und einstweilen wäre es töricht von mir, Schutz, Essen und ein Dach über dem Kopf abzulehnen, selbst wenn ich im Gegenzug dafür mit euch beiden fertigwerden muss.“ „Bist du wirklich so einfach zu bestechen?“ fragte Guy mit einem leisen, freudlosen Lachen, worauf sich Archers Gesichtszüge plötzlich verhärteten. „Soweit ich weiß, läufst du erst seit kurzem mit einer großen Zielscheibe auf dem Rücken herum“, entgegnete er ernst. „Wenn du dein ganzes Leben in Armut verbracht hast und ständig auf der Hut sein musstest, reden wir noch einmal darüber, wie billig ein sicheres Heim ist.“ Guy wollte Archer in dieser Angelegenheit nicht widersprechen und sagte deshalb nichts, denn wenn das Gefühl, einen Sieg errungen zu haben, seinen Bruder zum Bleiben bewog, sollte es ihm Recht sein. Außerdem verwunderte es ihn weitaus mehr, dass Archer Locksley sein Heim genannt hatte. Er selbst hatte sieben lange Jahre hier gelebt, doch obwohl es nun wieder Robin gehörte, betrachtete er es nach wie vor als sein Heim und ein winziger, unerwünschter und unbeachteter Teil von ihm war vielleicht sogar dankbar dafür, dass Robin ihm erlaubte zu bleiben. Aber zu hören, wie Archer es ein Zuhause, sein Zuhause nannte, gab ihm das Gefühl, eine Familie zu haben, zu der er gehörte. Seit zwanzig Jahren hatte er nicht mehr so empfunden und nach Marians Tod war er davon überzeugt gewesen,  niemals wieder so etwas zu erfahren, aber dieses Gefühl war ihm mehr als willkommen. Als Guy an diesem Abend beim Essen mit am Tisch saß, wurde nicht ein Wort darüber verloren, da die anderen beiden Männer mit Recht vermuteten, dass Guy wahrscheinlich sofort zurück in sein Bett flüchten würde, wenn sie eine falsche Bemerkung machten. Da es auch darüber hinaus nicht viel zu sagen gab, verlief  diese Mahlzeit sehr ruhig und Robin hielt sogar den Mund, als sein Blick auf einen vertrauten Ring am kleinen Finger von Guys linker Hand fiel. Diesen Ringe kannte er nur allzu gut, schließlich hatte er ihn einst von dem benachbarten Finger an Marians Hand genommen. Mit einem Mal stieg ein starkes Verlangen in ihm auf, den Ring an sich zu nehmen und er wollte nichts mehr, als ihn so weit er nur konnte hinaus in den Schnee zu werfen, doch irgendwie gelang es ihm, sich zurückzuhalten. .o°O°o. _____________________________ .o°O°o..O.o° °o.O¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯ O.o° °o.O. Kapitel 4: ----------- .o°O°o. _____________________________ .o°O°o..O.o° °o.O¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯ O.o° °o.O. Brother Hood - Brüder Teil 04 Autor: TwilightDeviant Übersetzer: Lady Gisborne P16 Inhalt: Guy und Robin haben den Kampf gegen den Sheriff und die Zerstörung von Nottingham Castle überlebt, aber die Wunden, die sie davongetragen haben, bleiben dennoch nicht ohne Folgen… Warnung: [AU] [H/C] Disclaimer: Bei dieser Geschichte handelt es sich um eine autorisierte Übersetzung von TwilightDeviants englischer Originalstory Brother Hood. Alle bekannten Charaktere und Orte in dieser Geschichte gehören selbstverständlich der BBC bzw. Tigeraspect und der Inhalt ist frei erfunden. Ich verdiene mit dieser Story kein Geld, sondern schreibe nur aus Spaß an der Freude. ^^ Link zur Originalstory: (http://archiveofourown.org/works/1369813/chapters/2864251) http://archiveofourown.org/works/1369813/chapters/2864251 (http://archiveofourown.org/works/1369813/chapters/2864251) Anmerkung: Wie einige von euch vielleicht bemerken werden, habe ich mich bei der Übersetzung dieser Story ausdruckstechnisch etwas vom Original entfernt, was in diesem Fall aber beabsichtigt war. Zwar bemühe ich mich, wenn ich Geschichten übersetze, so nah wie möglich am Original zu bleiben, aber mir ist auch und vor allem wichtig, einen flüssigen und sinnvollen deutschen Text zu schreiben und die erwähnten Abweichungen habe ich in diesem Fall vorgenommen, weil ich hoffe, dass die Geschichte für euch dann „flüssiger“ ist und ihr mehr Spaß beim Lesen habt. ^^ .o°O°o. _____________________________ .o°O°o..O.o° °o.O¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯ O.o° °o.O. „Hört auf! Ihr hört sofort damit auf!“ Niemand schenkte Guys Befehlen auch nur die geringste Beachtung. Ebenso gut hätte er nahezu unsichtbar sein können, wie ein Geist, der vergeblich die Diener anschrie, die die verschiedensten Gegenstände aus dem Gästezimmer hinaustrugen, dass bis vor kurzem gelegentlich als Unterkunft für seine Wachen gedient hatte. Immerhin gelang es ihm, einem der Bediensteten mit seinem Kissen einen  Schlag gegen den Kopf zu versetzen, wodurch seine Wut beträchtlich gelindert wurde. „Hey! Diese Dokumente bringt ihr sofort zurück! Diese Sachen gehören mir.“ Natürlich wusste er, dass ihm niemand mehr zur Treue verpflichtet war, aber die unverhohlene Nichtachtung, die sie ihm und jeder seiner Anweisungen entgegenbrachten, zeigte ihm deutlich, dass nur ein einziger Mann für ihr Handeln verantwortlich sein konnte. „Robin!“ rief er. Gleich darauf kam der Blondschopf mit seinem wie gewohnt unerträglich frechen Grinsen die Treppe hinunter. „Ja, Gisborne?“ fragte er so unschuldig, als würde er den Tisch nicht sehen, der gerade an ihm vorbeigetragen wurde. „Ich verlange zu wissen, was das alles hier zu bedeuten hat“, befahl Guy und da Robin scheinbar nicht die Absicht hatte, sich umzusehen, deutete er auf den Aufwand, der um sie herum betrieben wurde. „Ach“, erwiderte dieser und warf nur einen flüchtigen Blick in den Raum, bevor er sich wieder dem Dunkelhaarigen zuwandte. „Nun, um dir die Wahrheit zu sagen, ich bin es leid, jedes Mal, wenn ich hier herunterkomme, dein hässliches Gesicht zu sehen.“ Guy beschloss, die Stichelei nicht weiter zu beachten. „Deshalb dachte ich, wir richten dir wohl besser ein richtiges Schlafzimmer ein. Wenn ich jedoch an deinen Zustand denke…“ „Was? Willst du damit sagen, weil ich ein Krüppel bin?“ unterbrach ihn Guy mit einem spöttischen Lächeln. „Ich dachte, es wäre einfacher, ein Zimmer hier unten auszuräumen, in Ordnung?“ Anscheinend war Robin stolz auf sich und die Anstrengungen, um Guys Leben im Herrenhaus bequemer zu machen und ihn nicht länger wie auf dem Präsentierteller liegen zu lassen. Guy hingegen schien das eine wie das andere recht wenig zu kümmern. „Und?“ fragte er mit einem boshaften Grinsen. „Schließt du mich alleine in einem Raum ein, damit du mich länger sehen musst?“ „Nein, ich…“ Für einen kurzen Moment wandte Robin sich ab, um sich mit einem verärgerten Knurren die Haare zu raufen. „Ich versuche nicht, dich loszuwerden, aber wenn du kein eigenes Zimmer mit einem schönen, weichen Bett haben willst, dann werde ich all der Aufregung hier sofort ein Ende setzen.“ „Tu, was du nicht lassen kannst“, erwiderte Guy, bevor er sich wieder auf das Bett zurücksinken ließ. „Aber meine Sachen bleiben in diesem Zimmer.“ Robin stieß einen Pfiff aus, um die Aufmerksamkeit der Arbeiter auf sich zu ziehen. „Ihr habt ihn gehört, Jungs. Lasst die Dokumente, den Schreibtisch und was ihr sonst noch habt dort drin. Mit dem Rest könnt ihr machen, was ihr wollt.“ Der Gedanke, dass die Entscheidung, was wichtig genug war, um in seinem neuen Zimmer zu bleiben und was nicht, den Bediensteten überlassen wurde, behagte Guy nicht und ganz besonders nicht, da sie alles, was übrig blieb, behalten durften. Trotzdem sagte er nichts, da er dem Gefallen, den Robin ihm erwies, kein allzu großes Interesse entgegenbringen. An diesem Abend trug ihn Archer nach dem Essen in sein neues Zimmer, das bequem am Fuß der Treppe lag. Angesehen von seinem Schreibtisch, seiner Kleidung und einem Bett befand sich nicht viel darin, aber für das Leben, dass er nun zu führen gezwungen war, brauchte er ohnehin nicht mehr viel. Archer half ihm dabei, sich auf das Bett zu legen, dessen Federmatratze sich nach den zwei Monaten, die er auf seinem schmalen Lager verbracht hatte, wundervoll in seinem Rücken anfühlte, sodass er ein zufriedenes Seufzen nicht unterdrücken konnte. Daraufhin lachte Archer belustigt auf, doch Guy konnte nicht einmal erahnen, was ihn so sehr amüsierte. „Was hast du? Was ist so lustig?“ „Du, würde ich sagen“, erwiderte sein Bruder. „Obwohl du der Älteste bist, benimmst du dich wie ein großes Baby.“ „Wie meinst du das?“ knurrte Guy. „Ich nehme nicht an, dass du dich bei Robin für dein neues Zimmer bedanken willst?“ wollte Archer wissen. „Warum sollte ich?“ entgegnete der Dunkelhaarige. „Schließlich habe ich ihn nicht darum gebeten.“ „Und genau das ist das Lustige daran“, erklärte Archer und klopfte ihm noch einmal auf die Schulter, bevor er ihn alleine ließ, damit er etwas schlafen konnte. O°O°O°O°O°O°O°O°OGuy saß lesend an seinem Schreibtisch, doch seine Lektüre war nicht von besonderem Interesse. Robin hatte lediglich geschätzt wie viele Steuern die Bewohner Locksley zahlen konnten und Guy sah es als seine Pflicht an, ihn für die bei weitem zu niedrigen Steuern, die er seinen Bauern abverlangte, zu kritisieren – obwohl er selbst es in Gedanken freundlich als ihn darauf aufmerksam machen bezeichnete, denn wenn dieser Wohltäter weiterhin tat, was er wollte, würden sie noch vor dem nächsten Sommer selbst am Hungertuch nagen. Zwar lebte er nun bereits seit einem Monat in seinem neuen Zimmer, aber noch immer war es ihm zuwider, sich selbst einzugestehen, welchen zahlreichen und nützlichen Vorteile es ihm einbrachte. So stand sein Schreibtisch nah genug neben seinem Bett, dass er sich ohne Hilfe in den Stuhl setzen konnte. Wieder zurück in sein Bett zu gelangen oder sich durch das Haus zu bewegen, war hingegen eine vollkommen andere Angelegenheit, für die er nach wie vor Hilfe brauchte, um die er jedoch nur äußerst ungern bat. Da er ohnehin seine eigene Gesellschaft bevorzugte und es sich für ihn nicht lohnte, darum zu bitten, hinausgetragen zu werden, verbrachte er die meisten Tage allein in seinem Zimmer. Außerdem ließ er Robin nur allzu gerne darunter leiden, dass dieser ihn mit seinem gefallen, den er ihm erwiesen hatte, gleichzeitig nur noch mehr von dem Leben im übrigen Haus abgeschottet hatte. Guy war nach wie vor in seine Berechnungen vertieft, als Archer ohne anzuklopfen in sein Zimmer platzte. „Tuck ist wieder da“, verkündete er. „Ich dachte, es würde dich vielleicht interessieren.“ An diesem Abend hatten sie beim Essen Gesellschaft. Robin nahm wie gewohnt seinen Platz am Kopf der Tafel ein, während Tuck ihm gegenüber am anderen Ende saß und zu seiner linken, direkt neben Archer saß ein fremder Mann, den Tuck als Priester vorstellte, der, nachdem sein Vorgänger Locksley überstürzt verlassen hatte, nun die heiligen Pflichten der Kirche übernehmen würde. Robin war über seine Ankunft mehr als erfreut und berichtete, wie er persönlich dabei geholfen hatte, den Wiederaufbau ihrer Kirche zu vollenden- Die neue war sogar noch schöner geworden als die vorherige und alles war bereit zum Gottesdienst. Das einzige, was ihr noch fehlte, war ein geistliches Oberhaupt. Sobald alle Höflichkeiten ausgetauscht waren, fragte Robin eindringlich nach Neuigkeiten aus der Welt jenseits seiner Ländereien. „Es gibt sowohl Gutes als auch Schlechtes zu berichten“, antwortete Tuck. „Da sich die Nachricht von King Richards Gefangenschaft mittlerweile in ganz England verbreitet hat, hat Prince nur die Wahl, entweder das Lösegeld zu zahlen oder sein Gesicht zu verlieren.“ „Er wird mehr als nur sein Gesicht verlieren, wenn der König nach Hause kommt“, stellte Robin fest. Und den Gerüchten zufolge, die ich gehörte habe, hat er aus diesem Grund vor, den größten Teil des eingetriebenen Geldes als Bestechungsmittel zu verwenden, damit der König weiterhin in Gefangenschaft bleibt. Aber das wird ihm nicht gelingen“, fügte Tuck hinzu. „Queen Eleanor persönlich sammelt für das Lösegeld und sorgt  dafür, dass auch Prince Johns Geld in die richtigen Hände gelangt.“ „Und ich wette, dass diese Lösegeldsammlung das Land inzwischen ausbluten lässt, nicht wahr?“ Diese Angelegenheit ärgerte und kränkte Robin gleichermaßen, doch es gelang ihm, seine Gefühle in Zaum zu halten. „Aber warum ist ausgerechnet Nottingham von dieser Besteuerung ausgenommen? Was hat der Prinz vor?“ „Ich denke, unsere Vorstellung in der Burg hat ihn das Fürchten gelehrt“, lachte Tuck. „Immerhin hast du auf einen Schlag Hunderte seiner Männer vernichtet und somit auch einen großen Teil seiner Truppen zerschlagen. Deshalb hat er das ganze Gebiet zu einem von Outlaws beherrschten Niemandsland erklärt und falls er einen Schlag gegen uns plant, so ist das ein wohlgehütetes Geheimnis.“ „Es besteht wohl keine allzu große Hoffnung, dass es lediglich wichtigere Aufgaben gibt, die seine Aufmerksamkeit erfordern, oder?“ fragte Archer grinsend, wobei er seinen Blick zwischen Robin und Tuck hin- und herschweifen ließ. „Ich würde niemals einen Mann davon abhalten, sich Hoffnungen zu machen“, erwiderte der Mönch, schien von diesem Gedanken jedoch selbst alles andere als überzeugt zu sein. „Mit etwas Glück wird der König bald freikommen.“ „Vielleicht ist er sogar bereits frei und wir haben es bislang nur noch nicht erfahren“, entgegnete Archer fröhlich. „Darauf trinke ich“, sagte Robin und hob seinen Kelch. Mit Ausnahme von Guy taten es ihm all Anwesenden gleich. „Warum seht ihr mich so an?“ fragte dieser unwirsch, denn ihm behagten die erwartungsvollen Blicke nicht, die sich mit einem Mal auf ihn richteten. „Erwartet ihr wirklich von mir, dass ich mich auf die Rückkehr eines Mannes freue, der sein Volk im Stich gelassen hat, um in einem Krieg, der nicht der unsere ist, sinnlos Blut zu vergießen?“ „Also wirklich, Gisborne“, seufzte Robin und trank einen Schluck, „wenn du dich jetzt ändern würdest, wäre ich zutiefst enttäuscht.“ „Nur durch die Gier dieses Mannes nach Ruhm war es Männern wie dem Sheriff erst möglich, die Macht an sich zu reißen.“ „Oh, und natürlich auch Männern wie dir, hmm?“ entgegnete Robin aufgebracht, setzte seinen Kelch ab und schaute Guy eindringlich an. „Na, na, Kinder“, rief Archer in dem Versuch aus, den drohenden Streit im Keim zu ersticken, denn solange es keine Konflikte gab, die sein Leben nur unnötig schwerer machten, fand er das Zusammenleben mit seinen Brüdern eigentlich recht erträglich. „Warum einigen wir uns nicht darauf, dass wir uns nicht einig sind, in Ordnung?“  Mit einem missmutigen Brummen stimmten ihm beide zu, die Angelegenheit ruhen zu lassen. „Tuck“, ergriff Robin nach einer Weile erneut das Wort, als das Essen bereits größtenteils verzehrt worden war, „du und dein Freund seid mehr als herzlich willkommen, hierzu bleiben, während ihr die Kirche herrichtet.“ „Ich danke dir für das Angebot, mein Freund“, entgegnete dieser. „Aber wenn der Bau tatsächlich bereits vollendet ist, bleiben wir, denke ich, lieber dort und geben ihr…den letzten Schliff.“ „Ganz wie du willst. Jedenfalls freue ich mich schon auf die Predigten.“ O°O°O°O°O°O°O°O°OWenn nur Robin, Archer und Guy am Tisch saßen, sprachen sie meistens über zwanglose, unbedeutende Dinge, wie zum Beispiel, wo sie während des letzten Wintermonats weitere Nahrungsmittel hernehmen konnten, denn alles, was darüber hinausging, zerstörte das zerbrechliche Gleichgewicht zwischen ihnen. Inzwischen war Archer bereits mehr als deutlich bewusst geworden, dass die Beziehung zwischen Robin und Guy noch niemals die beste gewesen war, wie er bei ihrer ersten Begegnung fälschlicherweise hätte glauben können. Anfangs waren die Auseinandersetzungen, die er zwischen den beiden miterlebte, nicht mehr als kleinliche Unstimmigkeiten zu sein, doch im Laufe der Zeit entpuppten sie sich als tiefe Risse in einem dünnen, aus Höflichkeit gewebten Schleier, unter dem ein alter, schwelender Hass verborgen lag. Kameradschaft war für die beiden etwas vollkommen neues und sie stellten sich in dieser Hinsicht so unbeholfen an, wie ein kleines Kind, das laufen lernt. Darüber hinaus hatten sie einander nicht viel zu sagen, da der Frieden, der nun zwischen ihnen herrschte, nach wie vor schwach und verwundbar war. In der einen Woche, die seit Tucks Rückkehr vergangen war, hatte Robin jedoch genug für sie alle drei geredet und mit jedem Tag, der verging, festigte sich auch seine Überzeugung, dass King Richard schon bald nach Hause zurückkehren würde. „Eigentlich gehört Locksley ohnehin bereits wieder mir“ sagte er eines Abends. „Wenn der König zurückkehrt, wird er mir meinen Titel zurückgeben und meinen Anspruch auf diese Ländereien in vollem Umfang bestätigen.“ Die anderen beiden Männer, besonders Guy, nahmen ihre Mahlzeit schweigend zu sich und ließen ihn wortlos fortfahren. „Und wenn dieser Tag kommt, wird mich nichts davon abhalten, die notwendigen Dokumente zu schreiben, um dir deine eigenen Ländereien zu geben, Archer.“ „Ländereien?“ fragte dieser mit skeptischem Gesichtsausdruck. „Für mich? Aber warum?“ „Weil sie ohnehin dir gehört hätten“, erklärte Robin und zerzauste ausgelassen das Haar seines Bruders, „wenn das Schicksal uns etwas freundlicher gesonnen gewesen wäre. Ich bin davon überzeugt, dass mein Vater…unser Vater dir eines der schönsten Flecken Erde in der ganzen Gegend gegeben hätte.“ „Ich werde darüber nachdenken“, antwortete Archer, der sowohl den materiellen Wert eigener Ländereien erkannte, als auch die Fesseln, die sie für ihn bedeuteten. „Das gilt auch für dich, Gisborne“, fuhr Robin fort, nachdem er sich einen Bissen Fleisch in den Mund geschoben hatte und deutete mit seiner Gabel auf den Dunkelhaarigen. „Wenn du deine Karten geschickt ausspielst, werde ich sogar die alten Gisborne-Ländereien wieder auf deinen Namen überschreiben.“ Mit einem grausamen Auflachen legte Guy sein Messer beiseite und schaute Robin mit dunklen Schatten unter den Augen und einem kalten, höhnischen Lächeln auf den Lippen an. „Warum?“ fragte er kaltherzig. „Bist du meine Gegenwart schon leid? Hast du genug davon, auf mich achtgeben zu müssen?“ „Nein“, seufzte Robin und schaute müde hinauf zur Decke. „Wie sehr du dich jetzt freuen musst“, fuhr Guy fort und deutete mit dem Finger auf seine beiden Brüder. „Bald werde ich nur noch das Problem der Dienerschaft sein und ihr seid mich endlich los.“ „Das habe ich damit überhaupt nicht sagen wollen“, widersprach Robin, der es hasste, wie Guy jede seiner guten Absichten verdrehte und ins Schlechte verkehrte. „Oh, du musst wissen, dass ich dir keinen Vorwurf mache“, sagte der Dunkelhaarige mit gespielter Freundlichkeit. „Ich an deiner Stelle würde mich selbst auch loswerden wollen.“ „Siehst du, genau das ist der große Unterschied zwischen uns, Gisborne“, rief Robin verbittert aus. „Ich lasse niemanden im Stich.“ „Vielleicht wäre es besser gewesen, wenn du das getan hättest!“ schrie Guy ihn daraufhin an und fuhr wutentbrannt mit einem Arm über den Tisch, wobei er sowohl die Teller und Kelche als auch die Speisen zu Boden warf. „Du hättest mich sterben lassen sollen.“ Seine Worten waren voller Elend und Selbstmitleid, doch gleichzeitig schwang in ihnen auch all die ungebändigte Wut mit, die er dreieinhalb Monate lang unterdrückt hatte, während er auf diese Gelegenheit gewartet hatte. „Welchen Sinn hat mein Leben nun noch, da meine Rache vollendet ist und meine Beine mir ihren Dienst versagen? Was für ein Leben soll ich von nun an führen? Du“, brüllte er zornig, „hättest mich in dieser gottverlassenen Gruft zurücklassen sollen.“ Ein dumpfer, hohler Knall ertönte, als Robin mit einer Hand hart auf den Tisch schlug und seiner Handfläche dabei sicherlich einigen Schaden zufügte, doch er war nicht in der Stimmung, dergleichen zu bemerken, sondern stand auf und gab Archer ein Zeichen, dasselbe zu tun. „Greif dir seine Beine“, sagte er schlicht, woraufhin ihn die beiden anderen Männer nur verständnislos anstarrten, bis er seinen Befehl noch einmal deutlich lauter wiederholte. Im nächsten Moment zog er Guys Stuhl so heftig vom Tisch fort, dass der Dunkelhaarige beinah zu Boden fiel. Ohne zu zögern umschlang Robin ihn unterhalb der Schultern mit seinen Armen und hob ihn soweit hoch, wie es ihm bei einem so hochgewachsenen Mann möglich war. Als er sah, wie sehr sein Bruder sich abmühte, kam Archer ihm schließlich, nach wie vor verwirrt, zur Hilfe und ergriff Guys Beine. „Lasst mich los!“ brüllte der Dunkelhaarige. „Geht weg von mir!“ Gleich darauf holte er aus und traf Robins Auge mit seiner geballten Faust. Bedingt durch den ungünstigen Winkel war der Schlag zwar nicht sehr kraftvoll, führte aber dennoch dazu, dass Robin ihn beinah fallen ließ. Robin rief einem der Diener zu, dass er die Tür öffnen sollte und trug Guy gemeinsam mit seinem Bruder hinaus, während sich der Dunkelhaarige unaufhörlich gegen die beiden wehrte. Robin führte sie den schmalen Dorfpfad entlang und über die Brücke, bis sie schließlich das steile Ufer erreichten, an dem die tiefste Stelle des Teiches lag. „Robin“, fragte Archer sichtlich beunruhigt, „was hast du vor?“ „Wir werfen ihn hinein“, befahl Robin, wobei er Guys auf einmal panisch klingendem Flehen keine Beachtung schenkte. „Das Wasser muss eiskalt sein“, widersprach Archer. Liebevolle Strenge war eine Sache, aber einen Mann der seine Beine nicht bewegen konnte, in eisiges Wasser zu werfen, kam einem Mord gleich. „Dann ist das ein Grund mehr für ihn, das Ufer so schnell wie möglich zu erreichen, nicht wahr?“ fuhr ihn Robin daraufhin in einem Tonfall an, der keinen Widerspruch duldete. Seine Augen waren zu Schlitzen verengt, sein Blick ließ keinen Einwand zu und seinen Ohren schienen vor der Stimme der Vernunft verschlossen zu sein. Archer zweifelte ernsthaft daran, dass er den Mut aufbringen konnte, mit seinem Bruder über diese Angelegenheit zu streiten. „Wirf ihn hinein!“ In dem Wissen, dass er diese Tat bereuen würde, dass er es sogar bereits tat, schwang Archer Guy zwischen ihnen beiden vor und zurück, bevor sie ihn zusammen hinaus in das Wasser schleuderten. Wie ein Stein ging er unter, kämpfte sich jedoch schnell und nach Luft ringend zurück an die Oberfläche, wobei er seine ganze Kraft aufwenden musste, um über Wasser zu bleiben und selbst diesen Kampf schien er zu verlieren. „Robin!“ rief Guy verzweifelt. „Robin, bitte!“ „Auf dieser Seite ist das Ufer für dich zu steil, um hinaufzuklettern“, war alles, was Robin daraufhin zu sagen hatte. „Du wirst zur anderen Seite hinüberschwimmen müssen.“ „Das kann ich nicht!“ schrie Guy wasserspuckend zurück. „Archer! Bruder, bitte!“ Archer lief zum Ufer in der Absicht, ebenfalls hineinzuspringen, doch Robin holte ihn ein und hielt mit der Drohung zurück, dass er ihn niederschlagen würde, wenn er noch einmal so etwas versuchte. „Du hast zwei Möglichkeiten“, rief er Guy zu. Entweder gestehst du dir deine Niederlage ein wie ein Feigling und gehst unter oder du siehst hier und jetzt ein, dass dir noch zwei brauchbare Arme geblieben sind, dass du nicht nutzlos bist und schwimmst in Sicherheit. Das ist der einzige Weg, auf dem du aus dem Teich herauskommst.“ Erneut verschwand Guys Kopf unter Wasser, während er wild mit den Armen ruderte, um wieder an die Oberfläche zu gelangen. „Bitte!“ flehte er. Doch Robin weigerte sich noch immer, sich von der Stelle zu rühren. Ein weiteres Mal ging Guy unter und dieses Mal blieb er so lange verschwunden, dass sogar Robin begann, sich Sorgen zu machen. Weit und breit war keine Spur von ihm zu sehen, weder seine Arme noch sein Kopf oder auch aufsteigende Luftblasen. Robin war kurz davor, Archer zu erlauben, ihm nachzuspringen, als Guys Kopf ein ganzes Stück näher am gegenüberliegenden Ufer auftauchte und der Dunkelhaarige begann, langsam dorthin zu schwimmen. Ein noch immer etwas zittriges Lachen entfuhr Robin und er klopfte Archer hocherfreut auf den Rücken. So schnell sie konnten liefen sie über die Brück und machten sich bereit, Guy dort in Empfang zu nehmen. Als der Dunkelhaarige schließlich das Ufer erreichte, kamen ihm Robin und Archer entgegen und zogen ihn aus dem Wasser, wobei sie selbst bis auf die Haut nass wurden. Kurz darauf lagen alle drei auf dem trockenen Gras, mit einem heftig keuchenden Guy in der Mitte. Der Dunkelhaarige zitterte am ganzen Leib und seine Zähne klapperten, als er sich Robin zuwandte. „I-Ich hasse dich s-so sehr, Locksley“, brachte er mühsam hervor. Doch in diesem Moment konnten diese barschen Worte Robin nicht treffen. Er beugte sich einfach nur hinunter und drückte ihm einen freudigen Kuss auf das kalte, tropfnasse Haar des anderen Mannes. „Ja, aber wenigsten bist du einen Schritt weitergekommen auf dem Weg, dich selbst wieder zu lieben.“ Er ließ sich zurück ins Gras sinken und jauchzte laut hinauf in den Nachthimmel. „Kommt jetzt“, sagte Archer, als er sich schließlich erhob. „Wir sind all vollkommen durchnässt und du am schlimmsten von uns.“ Bei diesen Worten zeigte er auf Guy. „Ich denke, wir brauchen jetzt ein Feuer und ein heißes Bad.“ „Aber wir haben nur zwei Badezuber“, merkte Robin an. „Robin ist zuletzt an der Reihe“, sagte Guy daraufhin schnell. O°O°O°O°O°O°O°O°OEinige Tage später weigerte sich Guy zwar immer noch, Robin zu verzeihen, erlaubt ihm jedoch, sich wieder in einem Raum mit ihm aufzuhalten. Es war ein verregneter Tag, aber die Tatsache, dass kein Schnee fiel, zeigte deutlich, dass der Frühling in diesem Jahr sehr früh anbrechen würde. Guy sah aus dem Fenster und beobachtete die fallenden Regentropfen, von denen er sehr angetan zu sein schien, doch ein näherer Blick verriet, dass er tief in seine eigenen Gedanken versunken war. „Du solltest Französisch lernen“, sagte er schließlich langsam und fuhr fort, aus dem Fenster zu schauen, ohne jedoch wirklich wahrzunehmen, was dort draußen vor sich ging. „Ähm“, gab Archer gedehnt zurück und schaute von ihm zu Robin und wieder zurück. „Ich?“ Guy nickte stumm. „Warum sollte ich Französisch lernen wollen?“ fragte er mit einem belustigten Schnauben. „Um das Andenken an deine Mutter zu ehren“, antwortete Guy schlicht und wandte sich endlich seinem Bruder zu, um ihn anzusehen. „Fällt dir kein besserer Grund ein?“ Guy schwieg, während ihm tausend Gedanken auf einmal durch den Kopf schossen und er sich aufrichtig bemühte, sich eine Begründung einfallen zu lassen, die das Interesse seines Bruders weckte. „Es…wirkt sehr anziehend auf Frauen“, wagte er schließlich einen neuen Versuch. „Jede fremde Sprache wirkt anziehend auf Frauen“, mischte sich Robin nun ein, was ihm einen wütenden Blick von Guy einbrachte. „Hör nicht auf Robin“, entgegnete er mit einem spöttischen Lachen. „Er würde wollen, dass du die Sprache der Sarazenen lernst.“ „Und wer soll mir dieses Französisch beibringen?“ fragte Archer leise lachend, während er bereits mit dem Gedanken spielte. „Du etwa?“ Guy blinzelte und senkte verlegen den Blick. „So…hatte ich mir das jedenfalls gedacht.“ „Oh“, war alles, das Archer darauf erwidern konnte, denn der bloße Gedanke, dass Guy etwas sinnvolles tat, war ihm vollkommen unbekannt. Ein Teil von ihm wollte einwilligen, nur um zu sehen, wie sich Bruder bemühte, irgendetwas zu tun. Bei dieser Vorstellung fand ein auf richtiges Lächeln den Weg in sein Gesicht. „Also gut“, sagt er. „Ich werde darüber nachdenken.“ „Gut“, erwiderte Guy und nickte einige Male, während er so angestrengt nachzudenken und zu planen schien, als hätte Archer sein Angebot bereits angenommen. „Gut“, wiederholte er, bevor er seinen Blick erneut zum Fenster hinaus richtete. O°O°O°O°O°O°O°O°OLetztendlich hatte Archer keine Möglichkeit, dem Französischunterricht zu entkommen, denn die Aussicht auf eine neue Aufgabe, so klein sie auch sein mochte, schien Guy zuversichtlich zu stimmen und diese Zuversicht konnte Archer ihm nicht verwehren. Als die beiden Brüder gerade während einer ihrer Lehrstunden an dem großen Esstisch saßen, kam Robin mit schnellen Schritten die Treppen herunter. „Kommt mit“, rief er und verpasste Archer einen leichten Klaps auf den Hinterkopf, „wir müssen gehen.“ Archer ließ seine Schreibfeder fallen und griff nach seinem Schwert, das am anderen Ende des Tisches lag. „Nein“, hielt ihn Robin zurück, „das wirst du nicht brauchen.“ „Wohin gehen wir?“ fragte Archer misstrauisch. „In die Kirche natürlich“, gab Robin zurück, als wäre dies die offensichtlichste Antwort der Welt. „Komm schon, Gisborne. Du begleitest uns.“ Unübersehbar angewidert verzog Guy das Gesicht. „Dort will ich nicht hingehen“ lehnte er ab. „In der Kirche bin ich nicht mehr gewesen, seit ich ein kleiner Junge war.“ „Ich auch nicht“, stimmte Archer ihm zu und lehnte sich behaglich in seinem Stuhl zurück. „Und ich kann nicht behaupten, dass ich es vermisse.“ Robin schrak förmlich zurück und schaute die beiden mit vor Fassungslosigkeit offenstehendem Mund an. „Er Grund mehr, warum ihr beide mitkommen solltet. Also komm, steh schon auf, Bruder.“ Zögernd und offenkundig nachdenklich gehorchte Archer, worauf Robin seinen äußeren Gürtel öffnete, um ihm seine verwegen aussehende Weste über die Schultern zu streifen. Anschließend richtete er auch die Kleidung seines Bruders, damit dieser ein wenig ordentlicher aussah. „Warum ist das überhaupt so wichtig?“ stöhnte Archer, als Robin mit den Finger durch sein zerzaustes Haar fuhr. „Tuck hält eine Predigt für uns, bevor er wieder abreist“, eröffnete Robin den beiden. „Ein weiterer Grund, warum ich nicht mitkommen will“, ergriff Guy das Wort. „Dieser Mann verkündet nicht das Wort Gottes, sondern das Wort Robin Hoods.“ „Nun, heute ist es das Wort Gottes“, entgegnete Robin, sobald er mit Archers Aussehen ansatzweise zufrieden war. „Ich werde nicht zulassen, dass mein Name in der Kirche gepriesen wird, weil ich zuviel Angst davor habe, wegen Gotteslästerung bestraft zu werden.“ Bei diesen Worten konnte Archer ein Lachen nicht unterdrücken, während Guy lediglich die Augen verdrehte. „Dann unterhaltet euch gut“, sagte er nur. Robin stieß Archer einen Ellenbogen in die Seite, worauf diesem ein Stöhnen entfuhr, erriet er die Absicht des anderen doch allzu genau. Jeder der beiden näherte sich Guys Stuhl von einer anderen Seite und gemeinsam hoben sie ihn hoch, während Guy noch darin saß. „Was macht ihr da?“ schrie der Dunkelhaarige. „Lasst mich runter!“ Natürlich taten die Brüder nichts dergleichen trugen ihn wortlos durch den Raum und vor das Haus. Als sie die Brücke schon fast erreicht hatten. Lenkte Guy schließlich ein. „Also gut!“ willigte er ein. „Ich komme mit.“ Seine Einwilligung war zwar willkommen, gleichzeitig aber auch unnötig da alle drei zu diesem Zeitpunkt bereits wussten, dass er mitkommen würde, ganz gleich, was er sagte. „Lasst mich nur aus diesem Stuhl heraus.“ Daraufhin setzten die beiden ihn ab und schlangen jeweils einen Arm um seine Taille, während Robin den Stuhl zurück in die Richtung des Herrenhauses stieß. Dann legten sich beide jeweils einen von Guys Armen um die Schultern und legten so den Rest des Weges zurück. O°O°O°O°O°O°O°O°OVor den Türen der Kirche hatte sich bereits eine ansehnliche Menschenmenge versammelt, doch die Freude, die sich bei Robins Anblick aus ihren Gesichtern widerspiegelte, wandelte sich bald zu Unmut, sobald sie Guy neben ihm bemerkten. Der Dunkelhaarige hielt die ganze Zeit über den Kopf gesenkt, um ihren zornigen Blicken nicht begegnen zu müssen. Kurz darauf saß Robin stolz in der vordersten Kirchenbank, während Guy einen Platz zwischen ihm und Archer erhielt. Noch immer strömten die Menschen hinter ihnen in die Kirche, sodass schon bald der ganze Raum von ihrem unaufhörlichen, eintönigen Murmeln erfüllt war. Von ihren geflüsterten Gesprächen war kaum etwas zu verstehen, doch es wäre eine Lüge gewesen, hätten die drei behauptet, dass sie nicht von Zeit zu Zeit ein boshaftes Wort gehört hätten, das Guy galt. Als die Situation für ihn schließlich nicht länger zu ertragen war, klatschte Robin laut in die Hände und begab sich zur Kanzel hinüber, denn er fest entschlossen, den Anwesenden seine Meinung zu sagen, bevor Tuck bereit war, mit seiner Predigt zu beginnen. „Bürger von Locksley“, rief er, worauf sich ihm viele Blicke zuwandten, jedoch weitaus mehr weiterhin unbeirrt auf Guy gerichtet blieben. „Sicherlich habt ihr bereits bemerkt, dass Sir Guy of Gisborne dort vorne neben mir sitzt und dies ist weder ein Versehen noch ein Irrtum. Dieser Mann“, bei diesen Worten deutete er fast stolz in die Richtung des Dunkelhaarigen, „ist mein Freund. Er hat sein Leben riskiert, um meines zu retten und weil er das getan hat, kann er nun seine Beine nicht mehr bewegen. Ihm gehört, mein Vertrauen, mein Respekt und meine Liebe. Wenn ich auch nicht von euch verlange, freundlich zu ihm sein, da ich die Vorgeschichte kenne, die viele von euch mit ihm haben, erwarte ich dennoch von euch, ihn mit Höflichkeit zu behandeln, besonders hier, im Hause Gottes.“ „Schön gesagt, mein Freund“, grüßte ihn Tuck, der in diesem Moment den Mittelgang hinaufkam und klopfte Robin auf die Schulter, bevor dieser auf seinen Platz zurückkehrte. „Und ist nicht die Liebe eine schönere Botschaft als der Hass? Ist der Weg zur Vergebung nicht der schwerere, aber dafür auch lohnendere Weg?“ In dieser Weise fuhr er fort und begann, eine Predigt zu halten, die sorgfältig geplant oder ebenso gut frei aus dem Herzen hätte kommen können. Seine Worte waren so ergreifend und voller Leidenschaft, dass die Anwesenden bald jegliche Aufmerksamkeit von Guy abwandten. Guy selbst war hingegen nicht in die Worte vertieft, sondern durchdachte sie sorgfältig und versuchte, ihre Bedeutung und die Botschaft, die in ihnen mitschwang, zu ergründen. Was er nun erlebt, war vollkommen anders als die Gottesdienste, die er als kleiner Junge miterlebt hatte. Der Priester damals war ein außerordentlich freundlicher Mann gewesen, doch in dem Augenblick, in dem er vor seiner Herde gestanden hatte, hatte er nur noch von Feuer und Schwefel gepredigt und war mehr darauf bedacht gewesen, Angst und Schrecken unter den Anwesenden zu verbreiten, indem er ihnen Vergeltung für ihre Sünden androhte, als ihnen Hoffnung auf Erlösung und Vergebung zu machen. Aus diesem Grund hatte Guy die Kirche nie wirklich gemocht, doch nun bewirkten Tucks Worte, dass sich sowohl seine Gefühle als auch seine Sichtweise änderten. Mit einem Mal konnte er, wie er dachte vielleicht fälschlicherweise, daran glauben, dass auch seiner Sünden bereuen und Vergebung erlangen konnte, ohne die reine Seele eines anderen Menschen zu brauchen, die seine Vergehen hinfort wusch und das Böse in ihm verbarg. O°O°O°O°O°O°O°O°ONachdem Tuck seine Predigt beendet hatte und die Leute hinausströmten, um sich den restlichen Sonntag über zu amüsieren, blieb Guy regungslos sitzen und blickte starr geradeaus, während er darauf wartete, dass all anderen die Kirche verließen. „Komm“, sagte Archer schließlich und streckte Guy seine Hand entgegen, damit dieser sie ergreifen und Robin und Archer ihn zurück nach Locksley Manor bringen konnten. „Nein, ich…“ Guy verstummte und räusperte sich. „Ich möchte noch hierbleiben und mit Bruder Tuck sprechen. Allein“, zischte er, als die beiden sich nicht rührten und ihn nur verwirrt anstarrten. Robin nickte unsicher und hatte einige Mühe, seine Verwunderung zu überwinden. Kurz darauf schnippte er mit den Fingern, um Tuck auf sich aufmerksam zu machen und der Mönch kam zu ihnen herüber. „Tuck“, begann Robin zögernd, „wie es scheint…möchte Guy mit dir unter vier Augen sprechen.“ Tuck schien über diese nicht im Mindesten überrascht, sondern vielmehr erfreut zu sein., denn er erwiderte lächelnd: „Natürlich. Gebt mir nur einen kurzen Moment Zeit.“ Archer warf seinem Bruder noch einen fragenden Blick zu, bevor er schließlich mit den Schultern zuckte. „Dann…warten wir draußen auf dich.“ Guy bemerkte kaum, dass die beiden die Kirche verließen. „Nun“, begann Tuck, sobald er die Tür hinter ihnen geschlossen hatte und seine Stimme hallte in der stillen Kirche wider, wie Donner in den Bergen, „wie kann ich Euch helfen, Sir Guy?“ „Ich will die Beichte ablegen.“ Bei diesen Worten schaute Guy so beharrlich hinunter auf seine Füße, als würde er sich schämen. Tuck nickte ernst. „Und ich würde sie Euch abnehmen. Aber diese kleine Kirche“, er deutete auf den Raum, der sie beide umgab, „hat keinen richtigen Beichtstuhl. Wollt Ihr trotzdem fortfahren?“ „Das will ich.“ Daraufhin setzte sich Tuck auf die Kirchenbank genau hinter ihm, doch als er dessen Blicke im Rücken spürte, wurde Guy bald unbehaglich zumute. „Bitte“, sagte er kannst du nicht irgendwo anders sitzen?“ „Ihr meint, ich sollte besser neben Euch sitzen oder vielleicht auch, dass wir unsere Plätze tauschen und Ihr hinter mir sitzt?“ Guy, dem beide Möglichkeiten mehr zusagten, als ihre momentane Sitzordnung, nickt stumm. „Das Gefühl, beobachtet zu werden, behagt Euch nicht.“ Guy schüttelte als Antwort nur den Kopf. „Dann sagt mir, wie Ihr es fertigbringt, den allgegenwärtigen Blick des Herrn zu ignorieren.“ „Das…das weiß ich nicht. I-Ich“, stotterte Guy hilflos, als ihm keine Antwort auf diese Frage einfiel. „Wenn Ihr mich hinter Euch sitzen lasst, bedeutet das, dass Ihr mir vertraut und für den Herrn sollt Ihr dasselbe tun, Sir Guy, denn ohne dieses Vertrauen nützt es keinem von uns, hier zu sein. Und nun frage ich Euch noch einmal: wollt Ihr fortfahren?“ Guy nickte unterwürfig. „Sehr gut. Ist viel Zeit seit Eurer letzten Beichte vergangen, mein Sohn?“ „Viele Jahre“, antwortete Guy gedehnt und seine Worte klangen schwach und müde. „Zu viele, um sie zu zählen.“ Ein nahezu ewig anmutendes Schweigen senkte sich über die beiden und erst, als der Mönch es brach, wurde Guy bewusst, dass er vielleicht noch etwas anderes hätte sagen sollen. „Wollt Ihr, dass ich den hiesigen Priester hole?“ fragte Tuck freundlich. „Vielleicht ist es einfacher für Euch, mit einem Fremden zu sprechen.“ „Nein, ich wollte gerade aus dem Grund mit Euch sprechen, weil Ihr für mich kein Fremder seid“, lehnte Guy ab. „Ihr kennt mich und Ihr wisst, was ich…was ich getan habe.“ Er stockte und hielt für einen Moment inne. „Jedes unaussprechliche Unheil, das ein Mensch nur anrichten kann, habe ich unzählige Male und voller Stolz über andere Menschen gebracht.“ Erneut verfiel er in Schweigen, als jedes schreckliche Vergehen, dass er sich hatte zuschulden kommen lassen, sich erneut vor seinem geistigen Auge abspielte und entsetzliche Schreie in seinen Ohren widerhallten. „Ich habe gelogen, gestohlen, das Andenken an meine Eltern beschmutzt, ich bin stolz, selbstsüchtig und ich habe…getötet. Durch meine Hände, diese Hände, sind viele Menschen gestorben“, fuhr er fort und streckte eben jene verfluchten Gliedmaßen von sich. „Ich bin ein Ungeheuer, das Leben zerstört und Familien ins Verderben stürzt.“ „Das ist wahr“, bestätigte Tuck einen Moment, nachdem Guy geendet hatte. „Ihr habt schreckliche Dinge getan, mein Sohn, aber im Gegensatz zu vielen anderen Männern, deren Hände mit so viel Blut und Tränen befleckt sind wie die deinen, bereust du deine Taten und daran musst du immer denken, denn das ist der erste Schritt.“ „Der erste Schritt wohin?“ fragte Guy verzweifelt. „Der erste Schritt, Vergebung zu erlangen, natürlich. Ist es nicht das, was du suchst?“ „Ich weiß nicht, was ich suche.“ Noch immer starrte Guy hinunter auf seine Füße und wünschte sich sehnlichst, sie bewegen zu können. Außerdem wollte diese Diskussion, dieses Gespräch, das nur böse Erinnerungen in ihm wachrief, so schnell wie möglich beenden. Die Beichte abzulegen, war eine furchtbare Idee gewesen und er konnte nicht mit Bestimmtheit sagen, was er sich eigentlich dabei gedacht hatte. „Wisst Ihr, wo Euer Problem liegt, Sir Guy?“ Als Antwort hob Guy lediglich die Schultern, denn Probleme hatte er beinah zu viele. „Ihr seid, Eurer körperlichen Stärke zum Trotz, ein schwacher Mann.“ Während Tuck sprach, schlich sich zu Recht ein Anflug von Enttäuschung in seine Stimme. „Allzu leicht lasst Ihr Euch von dem Willen anderer Menschen leiten. Sagt mir, was so schrecklich daran ist, Euer eigener Herr zu sein.“ Guys müdes Seufzen zeugte deutlich von den grüblerischen Gedanken, die ihm durch den Kopf gingen. „Ich besitze weder die Stärke, mir ein eigenes Leben aufbauen, noch die Weisheit, dieses Leben zu führen.“ „Deshalb seid Ihr lieber ein Bauer im Spiel anderer Menschen?“ schrie Tuck ihn an. „Wenn Ihr wissen wollt, was Euer größter Fehler ist, Sir Guy, so ist es Eure Schwäche.“ „Wenn ich meinem eigenen Willen folge“, verteidigte der Dunkelhaarige sich, „geschehen furchtbare Dinge. Ich habe meine Schwester an einen jungen Mann verkauft, dem ich erst kurz zuvor zum ersten Mal begegnet war. Ich habe…Marian getötet, die Frau, die ich geliebt habe… Nein, die Frau, die ich liebe.“ „Und wollt Ihr für all diese Taten um Vergebung bitten?“ fragte Tuck, wobei er sein Gegenüber in Gedanken beschwor, er möge zustimmen. „Das will ich“, flüsterte Guy. „Aber…“ „Verdammt sei Euer Stolz!“ fluchte der Mönch. „Was hat er Euch jemals Gutes eingebracht? Nennt mir nur eines.“ Guy schwieg und schien aufrichtig bemüht, auch nur ein einziges Beispiel zu finden, flüsterte nur einen Moment später jedoch resigniert: „Das kann ich nicht.“ „Und aus genau diesem Grund ist Euer Stolz eine Sünde“ erklärte Tuck ihm daraufhin. „Ihr solltet einigem abschwören, mein Sohn, aber zuerst und vor allem Euren Stolz.“ „Wie könnte ich?“ wollte Guy wissen, der sich noch nicht sicher war, ob er es tun würde oder nicht, doch sollte er sich wirklich dazu entschließen, diesen Weg zu gehen, wollte er ihn wenigstens kennen. „Ihr könnt damit anfangen, dass Ihr zugebt, dass Ihr Unrecht getan habt und Eure Fehler soweit wiedergutmacht, wie Ihr nur könnt.“ Tuck beugte sich zu ihm hinüber und legte in einer aufmunternden Geste seine Hand auf Guys Schulter. Ihr musst zu den Menschen gehen, zu denen Ihr grausam gewesen seid und sie um Verzeihung bitten, wenn Ihr nichts anderes für sie tun könnt. Öffnet Euch diesen Menschen und gesteht vor ihnen und auch Euch selbst ein, dass Ihr im Unrecht wart.“ „Was geschehen ist, ist geschehen und niemand würde auch nur ein Wort der Entschuldigung von mir hören, geschweige denn annehmen wollen“, widersprach Guy höhnisch, denn der bloße Gedanke, dass Worte all das Leid auslöschen konnten, das er verursacht hatte, erschien ihm geradezu lächerlich. „Das werdet Ihr erst erfahren, wenn Ihr es versucht.“ Als Tuck sich erhob, wollte Guy ihn aufhalten und noch mehr von seiner Zeit und seiner Weisheit in Anspruch nehmen, doch gleich darauf wurde ihm bewusst, dass es nur noch wenig mehr gab, das er hätte sagen können. Der Mönch öffnete die Türen der Kirche wieder und erlaubte Robin und Archer, hereinzukommen, um den Dunkelhaarigen abzuholen. Als die beiden sich der Kirchenbank näherten, in der er saß, schien Guy seltsam erleichtert zu sein, obwohl er gerade eine ebenso große Last aufgebürdet bekommen hatte, wie ihm kurz zuvor genommen worden war. Ein gedankenverlorener Ausdruck lag auf seinem Gesicht, doch seine Schultern waren entspannt und er schien guter Dinge zu sein, als hätte sich dadurch, dass er seine Verfehlungen und seine Missetaten eingestanden hatte, etwas in seinem Innersten verändert. „Hast du dich gut unterhalten?“ fragte Robin grinsend. „Kommt jetzt“, entgegnete Archer. „Lasst uns gehen. Ich bin schon halb verhungert.“ „Wir sollten draußen zu Mittag essen“, Überlegte Guy laut, woraufhin ihm die beiden anderen Männer einen seltsamen Blick zuwarfen. „Wir sollten was?“ wollte Robin verunsichert wissen. Archer hob skeptisch eine Augenbraue. „Ein Picknick?“ fragte er nachdenklich. „Oder sehnst du dich nur nach einem weiteren Ausflug zum Teich?“ fragte Robin schelmisch. „Nein“, fuhr Guy ihn an, hatte sein Temperament jedoch sofort wieder unter Kontrolle. „Wir könnten die Pferde nehmen und irgendwohin reiten, wo es einsam und ruhig ist.“ Archer und Robin sahen einander fragend an. Zugegebenermaßen war dies ein seltsamer Wunsch, doch das Wetter, das im Vergleich zu dem Frost der vergangenen Monate angenehm warm war, schrie förmlich nach einem Ausflug und zufälligerweise kannte Robin genau den richtigen Ort, um die sanften Strahlen der Sonne zu genießen. „Warum nicht?“ willigte er mit einem Grinsen ein und klatschte in die Hände. O°O°O°O°O°O°O°O°OKeine halbe Stunde später waren die drei bereits unterwegs. Robin hatte ein Bündel mit Verpflegung darin am Sattel seines Pferdes befestigt, während Archer Guy auf seinem Pferd mitnahm. Da er seine Beine nicht an die Flanken des Pferdes drücken konnte, um sich auf diese Weise festzuhalten, schlang der hochgewachsene Mann seine Arme locker um die Taille seines Bruders. Als sie den kleinen Flecken des Paradieses gefunden hatten, der tief genug im Sherwood Forest verborgen lag, um ein Geheimnis geblieben zu sein, sprang Robin zuerst aus dem Sattel und begann, das hochgewachsenen, trockene umzuknicken und die hartnäckigeren Pflanzen mit seinem Schwert zu zerhacken. „Wenn meine Klinge davon stumpf wird“, rief er zu den beiden anderen hinüber, „dann wirst du sie schärfen, Gisborne.“ „Wenn dein Schwert von dieser Arbeit stumpf wird“, rief Guy zurück, „dann ist es deine eigene Schuld, denn schließlich warst du es, der diese überwucherte Lichtung ausgesucht hat.“ Nun sprang Archer ebenfalls vom Pferd und streckte seine Arme aus, um Guy auffangen zu können. Als er das Bild einer geretteten Maid und ihres Ritters sah, das die beiden abgaben, konnte Robin ein Lachen nicht unterdrücken, wofür er sich jedoch zwei einander überraschend ähnelnde erzürnte Blicke einfing. „Vorsicht“, sagte Robin in warnendem Tonfall und nickte Archer zu. „Wenn du das machst, dann siehst du wirklich wie er aus.“ Archer hob die Schultern, so gut es ihm mit zwei so schwer beladenen Armen möglich war. „So schlimm ist das doch gar nicht, oder? Immerhin ist er mein Bruder.“ „Nein“, stimmte ihm Robin kopfschüttelnd zu, „ überhaupt nicht so schlecht.“ Er atmete tief durch und fuhr mit seiner leichten Arbeit fort, die ihn so sehr erschöpfte und durch die er so sehr außer Atem geriet, wie es noch vor einem Jahr, vor seiner Vergiftung und der mit ihr einhergehenden Krankheit, die ihn schwächte, nicht der Fall gewesen wäre. Wenn Robin auch niemals ein Lob dafür zu hören bekommen würde, war es ein schöner Ort, den er ausgesucht hatte. Ganz in der Nähe lag ein schmaler Bach, der in seinem felsigen Bett gerade genug Wasser führte, um ein leises, plätscherndes Geräusch ertönen zu lassen. Noch waren an den Bäumen keine Blätter zu erkennen, doch sie standen so dicht beieinander, dass sie trotzdem ausreichend Schatten spendeten. Auch die Pferde waren inzwischen von ihren Lasten befreit worden und konnten frei auf der trockenen Wiese umherlaufen und grasen. Archer ließ Guy auf die kleine Lichtung sinken, die Robin geschlagen hatte und setzte sich dann ihm gegenüber auf einen flachen Felsen, von dem aus er den Bach überblicken konnte. Keiner von ihnen sprach ein Wort und das einzige Geräusch, das die Stille durchbrach, war das leise Summen der erwachenden Natur. Robin setzte sich mit ihrer Verpflegung ebenfalls hin und löste den Stoff, in den diese eingewickelt war. Er warf Guy ein Brötchen zu und dieser fing es sogar ohne vorherige Warnung auf. Sofort begannen die drei ihre Mahlzeit und blieben solange ungestört, bis einer von ihnen seine Znge nicht länger in Zaum halten konnte. „Du hättest das nicht tun müssen“, murmelte Guy. „Vorhin in der Kirche. Es war mir gleichgültig, dass mich alle angestarrt und über mich gesprochen haben. Du hättest nichts sagen müssen.“ „Selbst wenn es dich nicht gekümmert hat“, entgegnete Robin, „hat es mich dennoch geärgert. Aber mach dir keine Gedanken. Ich erwarte keinen Dank oder so etwas.“ Einen kurzen Moment lang herrschte Schweigen zwischen ihnen, bevor Guy ein zögerndes „Danke“ flüsterte und dies schien für ihn das schwierigste Wort zu sein, das er jemals ausgesprochen hatte, denn es klang schwer und geradezu ermüdend, als müsste es seiner Kehle mit großer Kraft entrungen werden. Die Fassungslosigkeit stand Robin deutlich ins Gesicht geschrieben, als er Archer einen fragenden Blick zuwarf, um sicherzugehen, dass er richtig gehört hatte und sein Bruder nickte. „Nun…gern geschehen“, erwiderte er unsicher. „Ganz gleich, was du denken magst, ich verspreche dir, dass ich stets nur versuche, das Beste für dich zu tun.“ „Ich weiß“, gab Guy schlicht zurück und dieses Eingeständnis war eine weitere Überraschung. Für Guy schien es beinah eine Demütigung zu sein, denn er weigerte sich beharrlich, vom Boden aufzuschauen. „Schließlich bist du Robin Hood, nicht wahr?“ „Oh, er möchte nicht länger als Hood bezeichnet werden“, mischte sich nun Archer an Robins Stelle ein. „Ich werde es mir merken“, bestätigte Guy mit einem Nicken, bevor er sich einen Bissen gepökeltes Rindfleisch in den Mund schob. „Da wir uns nun alle einig sind, dass meine guten Taten nichts weiter sind, als genau das“, fuhr Robin fort, wobei er sich aus Höflichkeit seine Hand vor den halbvollen Mund hielt, „würde ich gerne noch einmal auf die Verteilung der Ländereien zu sprechen kommen, wenn ihr erlaubt.“ Mit einem spöttischen, leicht überheblichen Lachen verdrehte Guy die Augen und schaute hinauf in den blauen, wolkenlosen Himmel. „Oh Gott“, stöhnte er, „nicht das schon wieder.“ „Warum sträubst du dich so dagegen, dass dir die Gisborne-Ländereien zurückgegeben werden?“ fragte Robin erschöpft. „Ist es nicht das, was du immer wolltest und dadurch auszugleichen versucht hast, dass du ganz Locksley an dich gerissen hast? Warum wehrst du dich nun so sehr gegen mich? Und komm mir nicht mit der Antwort, dass du ein Krüppel bist, der in seiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt ist. Wir wissen alle drei, dass du stark und stur genug bist, um diese Ländereien, wenn es sein muss, von einem Stuhl aus zu verwalten. Warum also…“ „Weil niemand unter meiner Herrschaft dort bleiben würde!“ schrie Guy ihm wütend und niedergeschlagen zugleich die trostlose Wahrheit ins Gesicht. „Nicht, wenn sie auch in die sichere und freundliche Umarmung ihres zurückgekehrten Lord of Locksley fliehen können. Sie würden meine Ländereien im Stich lassen und ich will nicht mitansehen müssen, wie der Stolz meines Vaters durch mich zerstört wird.“ Robin seufzte und schwieg lange, denn er wusste nur zu gut um die Wahrheit, die Guys Worten innewohnte. Solange es eine andere Möglichkeit gab, würden viele Menschen tatsächlich nicht bleiben wollen, wenn er ihr Lord war. Um ihrer beider Willen bemühte er sich jedoch um freundlichere und hoffnungsvollere Worte. „Sag doch so etwas nicht“, widersprach er mit so viel Zuversicht, wie er nur irgendwie aufbringen konnte, „einige werden mit Sicherheit bleiben, das schwöre ich dir. Immerhin haben sie ihr ganzes Leben lang auf diesen Ländereien gelebt und wenn du die Menschen gut behandelst und ihnen Respekt entgegenbringst, werden sich noch viele weitere um dich scharen.“ „Das glaube ich kaum“, höhnte Guy. „Marian“, fuhr Robin unbeirrt fort und sprach somit das verbotene Wort aus, das wie ein vorläufig ruhendes Schlachtfeld zwischen ihnen lag und das aus Furcht,  erneut Zorn und Blutdurst zu wecken, unausgesprochen geblieben war. Verständlicherweise unsicher zwang sich Robin, seinen angefangenen Gedankengang fortzuführen. „Sie hat immer gesagt“, gestand er stockend, „dass es in dir etwas Gutes gibt. Er hat ein Gewissen. Er hat gute Eigenschaften. Er handelt nur deshalb so, wie er handelt, weil ihm die Liebe versagt wurde.“ Robin hielt inne und kaute nachdenklich auf seiner Unterlippe herum. „Ich nahm immer an, dass sie sich Dinge einredete, die in Wahrheit nicht existierten,…aber jetzt sehe ich es auch, wirklich. Ich wünschte nur um ihretwillen, dass ich es früher erkannt hätte.“ Guy starrte den Jüngeren eindringlich und mit unverhohlener Verwunderung weit aufgerissenen Augen an und seine Lippen, durch die er unhörbar atmete, waren leicht geöffnet. Es war offensichtlich, dass ihn diese ermutigenden Worte, die obendrein von einem ehemaligen Feind kamen, unerwartet getroffen hatten und ihn zutiefst berührten. Mit einem Mal schien er nicht mehr fähig, Worte zu finden, geschweige denn zu formen und brachte bis auf ein unbeholfenes Stammeln keine Erwiderung zustande. Guy hätte nicht einmal sagen können, ob er ihm danken oder nur irgendetwas Schmeichelhaftes hatte sagen wollen und er würde es auch niemals herausfinden, da Robin ihm ins Wort fiel und neckend sagte: „Vielleicht hätte ich es früher erkannt, wenn du nicht so ein Dummkopf gewesen wärst, nicht wahr?“ Daraufhin stieß der Dunkelhaarige eine Mischung aus Knurren und Schnauben aus und stieß den anderen Mann zu Boden. Robin hörte nicht einen Moment auf zu lachen und rollte sich schließlich auf den Rücken, verschränkte sehnsüchtig seine Arme hinter dem Kopf und blickte sehnsüchtig zum Himmel hinauf. „Ich liebe dich, Guy of Gisborne“, sagte er mit einem Mal vollkommen ernst und aufrichtig. „Gott stehe mir bei, das tue ich wirklich.“ Auch Archer entfuhr nun ein leises, aber fröhliches Lachen, das tief aus seiner Brust kam. „Gott stehe uns beiden bei“, sagte er lächelnd. „Ich nehme an, ich liebe euch auch, sogar mit einem Schwert an meiner Kehle.“ Nun fand Guy endgültig keine Worte mehr, denn er war sich seiner eigenen Gefühle, was diese Angelegenheit betraf, noch nicht sicher. Er wusste, dass er für die beiden sterben würde und hatte seine Entschlossenheit in dieser Hinsicht auch bereits unter Beweis gestellt, doch er konnte nicht sagen, ob er aus Liebe tat oder um auf irgendeine Art Buße zu tun. Auf der anderen Seite wusste er, dass ihre Gegenwart beruhigend und deshalb auch keineswegs unerwünscht war. Der Gedanke, erneut allein auf der Welt zu sein und niemanden mehr zu haben, beunruhigte ihn zutiefst. „Und du?“ fragte er deshalb an Archer gewandt, wobei er Liebesbekundungen zugunsten von Treueversprechen beiseite warf. „Würdest du hierbleiben?“ „Oh, das weiß ich noch nicht“, antwortete sein Bruder und ließ seine Hände auf den warmen Felsen sinken, um sich mit ihnen abzustützen. „Locksley ist mir inzwischen irgendwie ans Herz gewachsen, obwohl ich es liebe, die Welt zu entdecken und ihre Geheimnisse zu erforschen. Vielleicht könntest du die Ländereien, von denen du gesprochen hast, für mich vormerken?“ Nun richtete sich auch Robin wieder auf und schaute seinen Bruder aufmerksam an. „Ich weiß nicht, ob mir der Gedanke gefällt, dass du irgendwo hingehst, wo ich dich nicht im Augen behalten kann“, erwiderte er. „Denn du hast ein Talent dafür, in Schwierigkeiten zu geraten.“ „Das sagt gerade der Richtige“, hielt Archer dagegen. „Ich würde sagen, das liegt in der Familie.“ Bei diesen Worten nickte er kurz in Guys Richtung. „In beiden Familien.“ „Weshalb du doppelt erblich belastet bist!“ rief Robin lachend aus. „Nur aus diesem Grund bin ich so gut darin geworden, aus einer misslichen Lage zu entkommen“, entgegnete Archer fast hochmütig, als wäre stolz auf diese Tatsache. „Ja“, stimmte Guy zu. „Unser Bruder, der Ausbruchskünstler.“ „Guy, du schmeichelst mir mit solchen Bezeichnungen“, grinste Archer. „Aber ein Künstler bin ich in der Tat.“ Schon im nächsten Moment wurde er jedoch wieder ein wenig ernster, als er sich an Robin wandte. „Und was wird aus dir? Was machst du, wenn du es endlich geschafft hast, uns alle loszuwerden? Wirst du dann ganz alleine und voller Stolz in deinem riesigen Anwesen sitzen?“ Robin lachte leise auf und hob seine Hände, als wäre er bei etwas Verbotenem ertappt worden. „Um ganz ehrlich zu sein, ich habe darüber noch nicht wirklich nachgedacht.“ Er ließ seine Hände wieder sinken und hob die Schultern. „Ich denke selten an etwas anderes als daran, für die Menschen zu sorgen, die mir wichtig sind.“ „Hier hast du deinen scheinheiligen Wohltäter, Archer“, spottete Guy. „Er gibt und gibt, bis für ihn selbst nichts mehr übrig ist.“ „Du denkst wahrscheinlich, dass ich lieber so selbstsüchtig sein sollte sie du, nicht wahr? Dass ich versuchen sollte, alles zu bekommen, denn das scheint immer ein gutes Ende zu nehmen.“ Sobald er spürte, dass sich eine Auseinandersetzung anbahnte, die den schönen Ausflug zu verderben drohte, mischte sich Archer ein, indem er ausrief: „Bitte, meine Damen.“ Herablassende Worte schienen immer der schnellste Weg zu sein ihre Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen und voneinander abzulenken und da beide interessanterweise unfähig zu sein schienen, ihm lange böse zu sein, war es außerdem die beste Möglichkeit, jeden Streit zwischen ihnen zu beendeten. „Es gibt doch keinen Grund, warum ihr nicht beide Recht haben könnt. Meiner Meinung nach wäre es die beste Möglichkeit uns alle zufriedenzustellen und vor allem würde es mir und meinen Plänen sehr entgegenkommen, wenn wir in Locksley Manor bleiben und von Robins Gastfreundschaft leben. Warum sollten wir das aufgeben?“ „Damit hat er nicht ganz Unrecht“, räumte Robin ein. „Vielleicht gefällt mir der Gedanke nicht, auf dein Mitleid und deine Nächstenliebe angewiesen zu sein“, fuhr Guy ihn an. „Dann nimm endlich die Ländereien an, die ich versuche, dir zurückzugeben“, rief Robin verzweifelt aus. „Entweder das eine oder das andere, Gisborne.“ „Ich werde es mir überlegen“, antwortete Guy gedehnt, wobei er bereits begann, eingehend über die Angelegenheit nachzudenken. Kurz darauf erhob sich Archer, um sich ausgiebig zu strecken. „Wenn ihr damit fertig seid, euch wie ein altes Ehepaar zu strecken“, sagte er, was ihm von beiden einen zornigen Blick einbrachte, „sollten wir uns jetzt auf den Heimweg machen.“ Wieder sprach er das Wort Heim aus, dem das Versprechen innewohnte, dass sowohl der Ort an dem sie lebten als auch die Menschen, mit denen sie diesen teilten, eine Stimmung schufen, die diesen liebevollen Kosenamen verdiente. „Wir haben keine Eile“, entgegnete Robin, stand jedoch ebenfalls auf. „Der Tag hier draußen ist schön und der Wind angenehm und die Pferde sind ganz in der Nähe. Es ist schon eine ganze Weile her, dass ich nur zum Vergnügen geritten bin.“ Archer zuckte lediglich mit den Schultern, denn ihm war es gleich und auch Guys Antwort fiel ähnlich. „Also gut. Gisborne“, erwiderte Robin scherzhaft, „bemüh dich nicht, aufzustehen. Wir satteln die Pferde.“ Guy lachte nur kurz und freudlos auf. Sobald die Pferde bereit waren und Guy auf eines von ihnen gehoben worden war, schwangen sich auch Archer und Robin in den Sattel. „Bruder“, sagte Robin schlicht und fragte so den anderen, ob er bereit war. „Bruder“, erwiderte Archer mit einem Nicken und verstärkte seinen Griff um die Zügel. Die Pferde stampften unruhig mit den Hufen auf den Boden und waren bereit loszutraben, als leise hinzufügte: „Brüder.“ Seine Äußerung war nicht ganz fehl am Platz, aber vor allem fiel den beiden auf, dass Guy die Mehrzahl gebraucht hatte und so auch Robin eingeschlossen hatte. Irgendeine Kraft, deren Namen er nicht kannte, hinderte Guy daran, dem Blondschopf zu sagen, dass er ihn liebte, selbst wenn er es nur tat, um das Geständnis des anderen zu erwidern, aber er konnte ihn seinen Bruder nennen. Diesen Titel konnte er ihm verleihen. Einen Moment lang schaute ihn Robin überrascht an, doch dann lächelte er. „Bruder“, antwortete er glücklich. Ende .o°O°o. _____________________________ .o°O°o..O.o° °o.O¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯¯ O.o° °o.O. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)