Tod im Turm von Hotepneith (Der28. Fall Lord Sesshoumarus) ================================================================================ Kapitel 9: Sakura ----------------- „Wie konnte Kameko an einen Brief gelangen, den Yuudai vor Jahren an eine Frau hier im Haus schrieb?“ Sakura dachte hastig nach, wohl wissend, dass der Hundeprinz nicht die Geduld gepachtet hatte. Wenn diese Frau, die Adressatin, offenkundig hier im Schloss gelebt hatte – sonst hätte Yuudai sie kaum gekannt – musste Kameko in den letzten beiden Monaten an diesen Brief gekommen sein. Entweder, sie hatte alle Zimmer durchsucht in der Hoffnung etwas zu finden – sehr risikoreich, denn Diebstähle innerhalb eines Hauses wurden stets hart bestraft, und die Chance, dass jemand, gleich ob Mensch oder Dämon sie erblickte war enorm. Hatte sie nicht anders gekonnt? Es gab Menschen, denen war Diebstahl zu einer zweiten Natur geworden, sie hatte davon gehört. Oder aber, der Brief war Kameko bei ihrem Amt als Hausmeisterin in die Hände gefallen. Hm. Yuudai....„Anzu, Lord Sesshoumaru?“ Nein, das war keine direkte Antwort auf seine Frage und sie zuckte instinktiv zusammen als er sich umdrehte. Fast drei Meter Distanz boten bei einem Dämon seiner Kraft keinerlei Schutz. Was um alles in der Welt wusste sie, dass er nicht wusste? Hielt sie ihn für einen Hellseher? Oder, schlimmer, war das einfach Allgemeinwissen unter allen weiblichen Wesen dieser minderen Art und er stände als töricht da, wüsste er das nicht? „Ich kenne den Namen nicht,“ gab er dennoch zu. Natürlich nicht. Es handelte sich um menschliche Frauen. Sie musste ja froh sein, dass Seine Eisigkeit geruhte sich ihren Namen zu merken, ja, zu verwenden. „Äh, soweit ich weiß, Euer Lordschaft, ist Anzu die einzige Frau in Yuudais Alter, die in den vergangenen Wochen verstarb.“ Und die sie für die Beerdigung hergerichtet hatte. Ihr Lehrer war froh ihr diese Arbeit bei Menschen überlassen zu können. Und jetzt? Der Hundeprinz hob die Rechte und betrachtete angelegentlich seine Krallen. Nein, Geduld war seine Sache nicht. Und sie sollte aufpassen, wollte sie nicht wieder an der Wand landen oder Ärgeres: „Äh...ich bitte um Vergebung, ich nahm als selbstverständlich an, dass Euer Lordschaft die Regel im Schloss bekannt ist. - Wenn eine alleinstehende Frau stirbt, ordnet die jeweilige Hausmeisterin ihre Sachen, schickt sie unter Umständen an eine noch bekannte Verwandtschaft und räumt ansonsten das Zimmer frei. Dabei sichtet sie natürlich auch die Papiere.“ Damit war klar, wie Kameko an den Brief gekommen war, ihn gelesen hatte – und ihre letzte Chance erkannt hatte, koste es, was es wolle, und sei es auch durch ein Verbrechen wie Erpressung, doch noch an einen Ehemann zu gelangen. Hm. So wandte er sich wieder um und blickte aus dem Fenster. Er musste noch einmal gründlich seine Gedanken ordnen, die Aussagen aller durchgehen. Moment. „Die Yamamotos kamen in keinem Clan unter. Warum?“ Ach du je. Sie blickte lieber zu Boden: „Ich....das kann ich wiederum nur vermuten, Euer Lordschaft.“ Und Mutmaßungen wollte er eigentlich nicht, schon gleich nicht in dieser Gemütsverfassung. Ihre Vermutungen waren aller Voraussicht nach näher an der Realität als seine, war sie doch ebenfalls ein Exemplar dieser enervierenden Spezies: „Ich höre.“ „Wenn Menschen ihren Clan verloren haben suchen sie nach einem anderen, der sie aufnimmt. Natürlich bemüht man sich dann sich in die neue Familie einzufügen, keine Fehler zu begehen und so dort auch bleiben zu können. Darum wunderte es mich auch...“ Halt, Sakura, keine persönliche Meinung, schön sachlich bleiben: „Ich meine, es fällt daher auf, dass es den beiden Yamamotos in all den Jahren nicht gelang irgendwo aufgenommen zu werden, sondern sie fortgesetzt weiter von Schloss zu Schloss zogen. Das kann nur bedeuten, dass es entweder zu wie auch immer gearteten Zwischenfällen kam oder Taro Yamamoto seine Schreibarbeiten nicht zur Zufriedenheit der Herren ausführte.“ Immerhin hatte der ja nur BEGONNEN Schreiber zu lernen, bei all den Schriftzeichen war das schwer. Und sie hatte bereits als Sechsjährige damit begonnen, ehe er Überfall auf ihr Dorf mit zehn alles ausgelöscht hatte, was sie bis dahin als Heimat kannte. Nun lernte sie bei Neigi. Selbst Akimaru Mawashi, den er als mehr als weichherzigen Grundherrn kennengelernt hatte, war etwas aufgefallen und er hatte die beiden vermeintlichen Geschwister zur Überprüfung an Vater geschickt, ja. Aber laut Myouga machte Taro keinen Fehler, bislang zumindest. Logischerweise konnten die Zwischenfälle dann nur auf Kamekos Konto gehen. Vielleicht war sie mit ihrer Art nicht nur in diesem Schloss angeeckt, vielleicht hatte sie zu aufdringlich nach einem Ehemann gesucht, so dass sich der Eine oder die Andere beim jeweiligen Herrn beschwert hatten. Und da galt im Zweifel des Wort eines Clanmitglieds mehr als das eines Fremden. Er unterbrach seine Gedanken, als er ein leises Knurren hörte. In der Tat. Sakura hatte den gesamten Tag seine Anweisungen befolgt und wohl seit dem Frühstück nichts mehr zu sich genommen. Immerhin fiel es ihm jetzt noch auf. Vater würde bei seiner Rückkehr sicher merken, dass sie Hunger oder Durst hatte, und ihm selbst das übel anrechnen. Zusätzlich zu Kamekos Tod. Nein, das brauchte er wirklich nicht. Ihm reichten noch seine letzten Bestrafungen oder eher natürlich Sonderaufgaben: „Du darfst gehen.“ „Danke, Euer Lordschaft.“ Sie verneigte sich höflich, ehe sie aufstand und das Arbeitszimmer des Fürsten verließ. Schade, dass sie heute keine Aufklärungsrede erhalten würde, was passiert war – aber immerhin konnte sie sich jetzt in der Küche versorgen und zu ihrem Lehrer gehen, der sicher auf sie wartete. Vielleicht erfuhr sie morgen, was los war, wenn der Herr zurückkehrte. Oder auch nie. Seine Lordschaft oder gar der Fürst war ihr schließlich keine Rechenschaft schuldig. Sesshoumaru wandte sich erneut zum Fenster um. Fakt war, dass Vater offenbar auf Mawashis Bitte hin diese beiden verdächtigen Yamamotos eingestellt hatte, um sie zu überprüfen. Tatsache war auch, dass Taro laut Myouga seine Aufgabe erledigte, unauffällig war, und in einem persönlichen Gespräch auch weder besonders intelligent noch mit krimineller Energie gesegnet wirkte. Da hatte seine Schwester mehr davon zu bieten. Die Idee mit dem angeblichen Ehepaar stammte ebenso von ihr wie der Versuch sich in Schlössern einen möglichst reichen Ehemann zu angeln. Sie hatte überdies einen nicht an sie gerichteten Brief unterschlagen und versucht Yuudai zu einer Heirat zu erpressen, in der sie offenkundig ihre letzte Chance sah doch noch zu einem Clan zu gehören. Mit fortschreitendem Alter war sie wohl immer nachdrücklicher und verzweifelter geworden. Nachdem Yuudai den Brief gegessen hatte, hatte sie nichts in der Hand, und sie musste begriffen haben, dass sie nicht nur keinen anderen Mann hier finden würde, sondern auch in ihrem an sich angesehenen Amt als Hausmeisterin nicht unbedingt erfolgreich war. Allein, verzweifelt im alten Turm beging sie Selbstmord. Soweit so gut. Nach Neigis Aussage war ein Selbstmord mit diesem Stichkanal bei Frauen selten - aber nicht unmöglich. Die Frage war nur, wollte ein Mörder, dass die Sache so gesehen wurde? Yuudai, zum Beispiel, der als Erpressungsopfer sie ganz sicher nicht mochte? Eine der anderen menschlichen Frauen, die sie verärgert hatte? Nicht zuletzt Chiyoko Ito? Nein, suche nicht das Warum, suche das WIE. Wenn ein Mord, gleich auf welche Art auch immer, unmöglich war, musste es Selbstmord gewesen sein. Er selbst wäre soweit aus der Sache heraus und höchstens die Krieger, die das Opfer nicht durchsucht hatten, hatten einen Tadel des Herrn aller Hunde zu befürchten. Der alte Turm war immer verschlossen. Yuudai, aber auch Shinichi und Yoshiku hatten in getrennten Verhören versichert, dass der Riegel vorlag und das Schloss zu war, als sie mit Kameko ankamen. Der Hausmeister schloss auf und der Riegel wurde weggenommen. Unmöglich, dass sich jemand zuvor darin verstecken konnte. Dann ging Yuudai zurück zum Schloss, nachdem er das Licht angezündet hatte und die beiden Krieger legten den Riegel vor und hielten Wache. Als sie erneut den Riegel wegnahmen, fanden sie die Tote. Es gab keinen anderen Weg hinein in den Turm, selbst der unbequeme Weg durch die Latrine war mit Spitzen und Bannkreisen abgesichert. Ein Geheimgang war auszuschließen, schon, weil Vater dort Geiseln unterbrachte und denen ganz sicher keine Gelegenheit zum Verschwinden liefern wollte. Nun, wie er es drehte und wendete: alles sprach für Selbstmord, inklusive der Tatsache, dass die Krieger sie nicht durchsucht hatten und es schon in ihrer Eigenschaft als Hausmeisterin möglich war, dass sie stets wie ein Beamter solch ein Messer zum Öffnen von Briefen bei sich trug. Zu allem Überfluss hatte ER ja das Urteil über Kameko gesprochen und das hatte niemand vorhersehen können, geschweige denn, dass er sie in den alten Turm schickte. Nun gut. Niemand, und schon gar nicht sein verehrter Vater, sollte ihm Nachlässigkeit unterstellen können. Er musste alles noch einmal durchgehen, dann konnte er morgen früh Vater Bericht erstatten und alles war in Ordnung. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)