Mädchen mit der Gitarre von Melange (~ギターを持った少女~) ================================================================================ Kapitel 7: Sieben ----------------- Draußen warten Sawako, Jiro und die anderen mit Glückwünschen. Izumi bekommt nicht viel Zeit, ihnen böse zu sein, bevor sie und Koi zur Afterparty geschleppt werden. Sie landet auf seinem Schoß, dem einzig freien Platz am Ende der Bank. Grinsend schlingt er die Arme um ihre Hüften, sodass sie sich auf seine Schulter stützen muss. Als er sich unter ihr bewegt, erstarrt sie. Zwischen ihren Beinen steigt pulsierende Wärme auf. Koi bietet ihr seine Bierflasche an. "Ich hätte nicht gedacht, dass du in so kurzer Zeit so gut wirst." Sie nimmt einen großen Schluck und gibt die Flasche grinsend zurück. "Überrascht?" Er zuckt mit den Schultern. "Sieht aus als bräuchtest du keinen Lehrer mehr." Izumi protestiert. "Du singst viel besser! Außerdem bin ich nicht diejenige, die einen Song nach dem anderen schreibt." "Nicht?" Sein Lachen ist ansteckend. Wie immer reißt sie die Wärme in seiner ganzen Art mit. Seine Aufmerksamkeit prickelt auf ihrer Haut. Danach entsteht eine Pause, die sich immer weiter in die Länge zieht. Izumi spürt, wie die ungesagten Wörter sich zwischen ihnen aufblähen und sie trennen. Schließlich erträgt sie das Gefühl nicht mehr und schlingt die Arme um ihn. "Ich hab dich vermisst", murmelt sie in sein Haar. Seine Hand streichelt ihren Rücken und gibt ihr die Kraft, weiterzureden. "Ich musste auch ständig an dich denken. Deshalb hab ich jeden freien Moment mit Ariana verbracht. Die Musik hat mich an dich erinnert, aber gleichzeitig davor bewahrt, in Erinnerungen zu ertrinken. Musik zu machen war eine nützliche Tätigkeit. Verstehst du?" "Ich verstehe dich sehr gut." "Du weißt, was ich mit dem Song sagen wollte, oder?" "Ja." "Was denn?" Ihr Misstrauen verlockt ihn zu leisem Lachen. "Wer sich verliebt, wird zum Dummkopf, aber dagegen können wir nichts tun. Wir geben nur unser Bestes, damit es klappt." Lachend fährt sie mit der Hand durch sein Haar. "Du hast nichts verstanden!" Beide wissen, was sie meint. Wieder finden ihre Lippen zueinander, bis laute Pfiffe der anderen sie trennen. "He, ihr Turteltauben, wir sind hier in der Öffentlichkeit! Geht in ein Love Hotel[1]!" Izumi ist froh, dass Koi nicht sieht, wie flammende Röte ihre Wangen überzieht.       Nachdem sie sich von Sawako verabschiedet hat, die mit ihrer Tanz-AG probt, verlässt Izumi die Schule. Am Tor erspäht sie eine bekannte Gestalt und muss lächeln. Koi. Er lehnt lässig gegen den Stein, Hände in den Taschen der dunklen Jeans, die ewige Sonnenbrille auf der Nase. Unter einem grauen Pulli blitzen Kragen und Saum eines blütenweißen Hemdes hervor. Mit der prall gefüllten Schultertasche wirkt er fast wie ein wohlhabender Student. Als sie näherkommt, neigt er erwartungsvoll den Kopf. "Koi? Was machst du hier?" Vor freudiger Überraschung läuft sie ihm die letzten Schritte entgegen. Er fängt sie auf und zieht sie in einen Kuss, der viel zu intensiv für eine Begrüßung ist. Zuerst erstarrt Izumi, aber dann lässt sie sich fallen. Am hellichten Tag auf der Straße ihren Freund zu küssen erfüllt sie mit sprudelnder Begeisterung. In dem Moment merkt sie, dass die lange Zeit der Trennung endgültig vorbei ist. Ihr Auftritt im Club war kein Traum. Schließlich gibt er ihr ein wenig Luft. "Ich dachte, ich überrasche dich. Wir könnten zu mir gehen und feiern, dass wir wieder zusammen sind." Izumi strahlt ihn an. "Geniale Idee!" Er lächelt und lässt sie los, um in seiner Tasche zu kramen. Nach einer Weile zieht er einen beigen Wollschal heraus, dessen Enden in einem niedlichen Bärenkopf und einer Tatze enden. "Der ist für dich." Izumi reibt die weiche Wolle zwischen den Händen. "Der ist ja süß! Danke." "Langsam wird es kalt. Pass auf, dass du dich nicht erkältest, ja?" Etwas ungeschickt, aber mit unendlicher Vorsicht legt er ihr den Schal um und zupft die Enden zurecht. Izumi fängt seine Hand ein und drückt sie. In die Geste legt sie all die Dankbarkeit, die Worte nicht ausdrücken können. "Ich passe auf." Ihre Finger verflechten sich. Er pflückt den Blindenstock von seinem Gürtel, schüttelt ihn auseinander und übernimmt die Führung. Bis zu seiner Wohnung brauchen sie knappe zehn Minuten, in denen Izumi von ihrem Schultag und alltäglichen Kleinigkeiten erzählt. Kois ruhige Aufmerksamkeit ist wie Balsam für sie, etwas, das nur er ihr geben kann und das sie lange vermisst hat. Koi hat Pizza besorgt. In der Wohnung angekommen, deponiert er sie am niedrigen Tisch und setzt Teewasser auf. Bis er mit zwei großen Tassen zurückkehrt, hat Izumi die schwarze E-Gitarre aus ihrem Ständer geholt und es sich auf seinem duftenden Ledersofa gemütlich gemacht. Kopfschüttelnd gesellt er sich zu ihr. "Du kannst einfach nicht die Finger von ihr lassen." Izumi schlägt den Song an, den sie im Club für ihn gespielt hat. Wie beim letzten Mal fliegen ihre Finger über das Griffbrett, dass ihr schwindelt. "Warum kann ich auf ihr schneller spielen? Liegt es an der Marke?" Lachend schüttelt er den Kopf. "Carmen ist eine Fender Telecaster, aber die Marke ist in dem Fall egal. Elektrische Gitarren haben dünnere Saiten als akustische." Izumi sieht ihn blinzelnd an, aber was er sagt, ergibt Sinn. Ihre Finger bestätigen, dass er Recht hat. Er neigt den Kopf. "Welches Lied hast du an dem Abend für mich gespielt?" "Boy von Nina Nesbitt. Eine schottische Sängerin, die auch ihre eigenen Songs schreibt." "Würdest du es nochmal spielen?" Izumi gehorcht bereitwillig. Während er grünen Tee schlürft, bearbeiten ihre Finger die Saiten und ihre Stimme hangelt sich von Ton zu Ton. Am Ende applaudiert er und bietet ihr Tee an. Während sie trinkt, spielt er YUIs Good-bye Days. Izumi schließt die Augen und genießt den sanften Klang seiner Stimme, die dem Original überraschend nahe kommt. Danach werfen sie eine ihrer Konzert-DVDs, die er besorgt hat, in seinen Laptop und wenden sich der lauwarmen Pizza zu. Zu YUIs schmelzender Stimme reden sie über Essen. Izumi schwärmt von Schokolade und Koi verrät, dass er Besteck meidet, weil er nicht gut damit zurechtkommt. Als die Pizza zu Krümeln geschrumpft ist, sitzen sie am Sofa wie zwei perfekt ineinander passende Schachteln. Izumi lehnt mit dem Rücken an seiner Brust, Koi hat beide Arme um sie geschlungen und ihre Hände liegen auf seinen. Das Leder, warm unter ihren Füßen, und die Musik, die sie umspült, verwandeln den Ort in ein gemütliches Nest, das Izumi um nichts in der Welt verlassen würde. Irgendwann dreht sie sich halb in seiner Umarmung, um sein Gesicht zu sehen und sich in den harmonischen Linien zu verlieren. "Was ist?" Sie hebt eine Hand, zieht ihm die Brille von der Nase und legt sie am Tisch ab. "Nichts." Mit einem leisen Lächeln beugt er sich zu ihr hinab und sie schließt die Augen. Auf einmal schmeckt er hungriger, fordernder. Seine Hände wandern tiefer und ziehen den Saum ihrer Bluse aus dem Rock. Vor Schreck setzt Izumis Herz einen Schlag aus. Er weicht zurück und verharrt in einer unausgesprochenen Frage. Izumi schluckt. Solange er es ist, der sie berührt, kann sie beruhigt sein. Er würde sie nie verletzen. Sie neigt sich vor und nimmt wieder auf, was sie unterbrochen hat. Eine zitternde Hand wandert hinab und zerrt an seinem Gürtel. Nach einer Weile drückt er sie sanft auf den Rücken und öffnet ihre Bluse einen Knopf nach dem anderen. Seine Finger streifen ihre Haut wie Federn, als er sich nach unten arbeitet, und selbst, als er am Reißverschluss zieht und den Rock über ihre Beine schiebt. Izumi kommt dem Abgrund bereits gefährlich nahe, obwohl er noch beim Ausziehen ist! Zwischendurch erinnert sie sich an Sawakos Worte. Ihre Freundin hat sie gleich beglückwünscht, als Izumi ihr von dem blinden Jungen im Musikzimmer erzählt hat. Die Worte verblassen neben den Dingen, die er mit ihr macht. Im nächsten Moment hat Izumi sie wieder vergessen, aber wie er sie bis zum Zerspringen reizt und mit unendlicher Zärtlichkeit zum Höhepunkt bringt, lässt nicht den geringsten Zweifel an seinen Fähigkeiten zu. Später liegen sie eng umschlungen da und lauschen dem Abkühlen ihrer Körper. Als Izumi sich bewegt, spürt sie etwas Klebriges zwischen den Beinen. Einer Ahnung folgend setzt sie sich auf. Ein dunkler Fleck ziert den Rücken der weißen Bluse, die unter sie gerutscht ist. Sie seufzt. "Die werde ich gut waschen müssen." Koi richtet sich halb auf. "Deine Bluse?" Nachdenklich betrachtet sie den Fleck, bevor sie über das Leder darunter streicht. "Wenigstens ist nichts in dein Sofa gesickert." "Das war dein erstes Mal?" "Ja." Auf einmal wird er ruhig und seine Miene verdüstert sich. Izumi streckt die Hand aus und streichelt seine Wange. "Es war perfekt. Ich hätte es mir nicht schöner vorstellen können." Erleichtert schmiegt er das Gesicht in ihre Berührung. Wie jedes Mal, wenn er sich ihr so hingibt, erinnert er Izumi an einen besonders anhänglichen Kater. Schwarzes Fell und leuchtende Augen.       "Du kannst was von mir anziehen, wenn du willst." Begeistert kommt Izumi dem Vorschlag nach und schlendert hinüber in Kois winziges Schlafzimmer, um den Kleiderschrank zu inspizieren. Seine Kleider sind ordentlich gefaltet und sortiert. Zwischen den monochromen Stücken blitzt hier und da ein Farbklecks auf: Dunkelrot, Violett. Als sie die T-Shirts durchsieht, ertastet sie an jedem Kragen ein kleines Schildchen mit ein paar Punkten, die Löcher in das Papier stechen. Er hat sie in Braille beschriftet. Unten im Stapel springen ihr weiße Buchstaben ins Auge. Sie zieht das T-Shirt heraus, auf dem 'The Sleepwalkers' steht. Darunter sind fünf Männchen im Profil zu sehen, die Augen geschlossen und Speichelfäden in den Mundwinkeln. Izumi grinst und schließt die Schranktür. "Ich wusste nicht, dass ihr ein Bandshirt habt!" Koi, aufrecht am Sofa, wendet ihr das Gesicht zu. "Das hast du gefunden? Masa hat es entworfen." Sie hält es hoch, um es in besserem Licht zu betrachten. "Gut gelungen." "Willst du es behalten?" "Darf ich?!" Er grinst. "Ich zieh es sowieso nie an." Glücklich drückt Izumi das T-Shirt an sich und atmet seinen fruchtigen, etwas herben Duft ein. Sie weiß, dass ihr eigener Geruch ihn bald überlagern wird, aber für den Moment schiebt sie den Gedanken beiseite. Nachdem sie es übergestreift hat, kehrt sie auf das Sofa zurück. Koi heißt sie mit offenen Armen willkommen und zieht sie in seinen Schoß. "Sag mal, würde es dich stören, wenn ich etwas ausprobiere?" Sie runzelt die Stirn. "Was denn?" Anstatt einer Antwort hebt er die Hände und betastet ihr Gesicht. Langsam wandern seine sanften Finger über ihre Wangen und Stirn, ziehen ihre Augenbrauen nach und ihre Nase bis zu den Lippen. Dort angelangt, lächelt er. "Ich hab es ja gewusst ... Izumi, du bist wunderschön." Ihr Herz droht zu zerspringen. "Im Ernst?" Ein Schatten huscht über seine Züge. "Ich würde alles dafür geben, dich sehen zu können." Da streckt sie sich und streicht mit zwei Fingern über seine unglaublichen Augen, damit er sie schließt. Vorsichtig haucht sie einen Kuss auf das eine, dann auf das andere Lid. "Du bist perfekt so wie du bist." Das Lächeln kehrt zurück. "Danke." Sein Ton verrät, dass er ihr nicht ganz glaubt, aber Izumi reicht der kleine Sieg. Sie kuschelt sich an ihn und genießt seine Nähe. Nach diesen Worten, die so viel Bitterkeit angedeutet haben, ist sie entschlossen, nicht von seiner Seite zu weichen. Sie wird alles für ihn tun, damit er seine Sorgen vergisst. Mehr als jeder andere verdient er es, glücklich zu sein.       "Irgendwie hab ich das Gefühl, das zwischen uns wird mehr. Immer mehr." Sawako gibt Izumi einen neckischen Stoß in die Seite. "Da ist sie wieder, die kleine Rebellin! Als du gestern bei ihm warst, ist was passiert, oder?" Izumi senkt den Kopf, um ihre roten Wangen zu verbergen. Sawako, die Erfahrung mit Männern hat, entgeht nichts. Eine Weile lang widmen sie sich ihren Bentos. Nur das Klackern der Essstäbchen und die kleinen Geräusche einer Mittagspause sind zu hören, bis Kozue sich leise räuspert. "Ich wusste nicht, dass du einen Freund hast." Sawako grinst immer noch. "Sie ist mit einem blinden Musiker zusammen, der sie unglaublich glücklich macht." Durch die Brillengläser starrt Kozue Izumi an. "Wirklich?" "Da wird man neidisch, oder?" Izumi protestiert. "Hör schön auf damit! Du hast doch Jiro." Da tritt ein verträumter Ausdruck auf Sawakos Gesicht. Wenn sein Name erwähnt wird, streift sie ihr cooles Image ab. Izumi ist erleichtert, sie abgelenkt zu haben, und fragt nach ihrem letzten Date in Shibuya. "Am Ende hat er mich zwei Stunden lang durch dieses Musikgeschäft gezerrt! Aber wenigstens hat er alle meine Einkaufstüten getragen ohne sich zu beschweren." Izumi muss lachen und hat fast Mitleid mit Jiro. Beim Shopping gerät Sawako in eine Art Rausch und vergisst alles andere. Nach einer Weile hört sie Sawakos Erzählungen nur mehr mit einem Ohr zu und ihre Gedanken schweifen ab. "He, Dornröschen! Hast du gehört?" Unter Kozues leisem Gelächter zuckt Izumi zusammen. Blinzelnd versucht sie, sich an Sawakos letzte Worte zu erinnern. "Was?" Diese seufzt theatralisch. "Ich hab gesagt, dass du mit deinem diese Probleme wohl nicht hast." Izumi starrt sie immer noch verwirrt an. "Sawako ist eifersüchtig auf seine Musik", erklärt Kozue grinsend. "Überall schleppt er dieses Aufnahmegerät mit sich herum! Behauptet, dass er die Sounds der Großstadt einfangen will. Einmal hat er mich aufgenommen ohne mir was zu sagen!" Da muss auch Izumi lachen. "Zeigt das nicht, dass er dich mag?" Sawako runzelt nur zweifelnd die Stirn. "Na, ich weiß nicht." Izumi schiebt sich ein Stück Lachs in den Mund und kaut nachdenklich. "Du hast Recht, bei Koi habe ich nie das Gefühl, dass er mich vernachlässigt. Er konzentriert sich immer auf mich." Er ist der erste, der sie als schön bezeichnet hat. Die Erinnerung bringt ein verlegenes Lächeln auf ihre Lippen. "Wir singen uns ständig Lieder vor." Sawako lacht auf. "Das sieht euch ähnlich! Habt ihr schon Songs zusammen geschrieben?" Izumi starrt sie an. "Nein." Auf die Idee ist sie noch nicht gekommen. "Das wäre eine gute Gelegenheit, oder? Er singt sehr gut und die Songs, die er für die Sleepwalkers geschrieben hat, klingen richtig professionell. Seine Melodien bleiben im Gedächtnis hängen." Izumi füllt ihren Mund mit Reis und kaut, bevor sie antwortet. "Aber ich weiß überhaupt nicht, worüber ich schreiben könnte ..."       Der Winter kündigt sich mit Frost und weißen Atemwölkchen an. Trotz der Kälte geht Izumi fast jeden Tag in den Yoyogi-Park, kuschelt sich in den Wollschal, den Koi ihr geschenkt hat, und spielt Ariana. Die alte Schulgitarre ist oft verstimmt, aber das Stimmen wärmt ihre steifen Finger soweit auf, dass sie den ersten Song ohne Zögern in Angriff nehmen kann. Manchmal kommen Sawako oder Kozue mit, aber Izumi bekommt immer stärker das Gefühl, dass Yorizu keine Tänzer braucht, um ihre Musik auszudrücken. Ihre Videos bekommen tausende Hits und so viele Kommentare, dass sie es aufgegeben hat, zurückzuschreiben. Das Geld, das sie vom Publikum im Park bekommt, kann sie ebenfalls nicht mehr zurückweisen. Schließlich betrachtet sie es als Investition und kauft damit Gitarrensaiten und später bessere Aufnahmegeräte. Wenn Koi Zeit hat, setzen sie sich mit ihren Gitarren auf die Tatami-Matten seines Wohnzimmers. Er gibt Tipps, um ihren Gesang und ihre Spieltechnik zu verbessern. Unter seiner Anleitung wagt sie sich an schwierige Songs der schottischen Musikerin Nina Nesbitt, deren Synkopen und arhythmische Zwischenspiele sie zur Verzweiflung bringen. Eines Tages fragt sie Koi, warum er so viel über Gesang und Atemtechnik weiß. Er zuckt mit den Schultern. "Als Kind hatte ich mehrere Jahre lang Unterricht bei einem ehemaligen Opernsänger. Als meine Eltern merkten, dass ich nicht daran dachte, zur Oper zu gehen, haben sie ihn rausgeworfen." Izumi muss ein wenig lachen. Gleichzeitig hat sie Mitleid mit dem kleinen Koi. "Sind sie so streng?" "Sie ehren die Familientradition und achten auf ihren guten Ruf", meint er sarkastisch, bevor er sich wieder ihren Griffen zuwendet. Izumi bleibt nichts anderes übrig, als das Thema aufzugeben. Mit seiner Unterstützung schreibt Izumi drei eigene Songs. Einen nennt sie nach seinem früheren Vorschlag Kareshi ga dekita hi[2]. Als sie es ihm zum ersten Mal vorspielt, bekommt er einen Lachanfall. Eine Woche später nimmt er sie in das winzige Studio mit, das die Sleepwalkers regelmäßig mieten. Jiro zeigt ihr, wie die vielen Schalter und Knöpfe funktionieren, und zu dritt nehmen sie Yorizus allererste Demo-CD auf. Izumi ist der Meinung, dass sie immer noch wie eine blutige Anfängerin klingt. Trotzdem macht sie es sich zur Gewohnheit, immer und überall ein paar CDs mit sich herumzutragen. Die ersten Kopien verteilt sie im Yoyogi-Park. Als der erste Schnee fällt, muss sie Koi versprechen, bis zum Frühjahr nicht mehr im Freien zu spielen. Izumi denkt an die Handvoll Gesichter, die ihr über viele Wochen hinweg immer wieder aufgefallen sind, aber sie tröstet sich mit ihren Videos auf Youtube. Anstatt im Park nimmt sie weitere Cover in ihrem Zimmer oder Kois Wohnung auf. Nebenbei lernt sie einiges über Sound-Equipment. An einem frühen Abend spaziert sie mit Koi durch die Straßen und bewundert den frisch gefallenen Schnee, der in der Dämmerung weiß aufleuchtet. "Wie schön." Koi drückt ihre behandschuhte Hand. "Überall riecht es nach Schnee, Äpfeln und Zimt." "Bald ist Weihnachten." "Ja." Er lächelt leise. Izumi zweifelt nicht daran, dass er bereits Pläne für ihren Geburtstag am 20. 12. schmiedet. Ihr erstes Weihnachtsfest mit ihm muss unvergesslich werden! In den Pausen zwischen Schulstunden berät sie mit Sawako, was sie ihm schenken soll.   [1] 24-Stundenhotels in japanischen Städten, die auf Liebespaare zugeschnitten sind, oft mit thematisch eingerichteten Zimmern und kitschigen Dekorationen. [2] Jap. Der Tag, an dem ich mit meinem Freund zusammenkam. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)