Die Wahrheit von Platan ================================================================================ Schönheit --------- Ich sehe dich jeden Tag. Mehrmals. Viel zu oft. So oft, dass ich mir manchmal wünsche, es würde mich nicht geben. Manchmal verfluche ich meine Existenz. Warum ich so denke? Möchtest du das wirklich wissen? Denk gut darüber nach, vielleicht kannst du die Wahrheit nämlich nicht ertragen. Vielleicht ertrinkst du danach in einem Meer aus Verzweiflung oder stürzt in den Abgrund des Wahnsinns. Willst du es nach wie vor erfahren, trotz aller Risiken, die dich erwarten können? Soll ich dir ernsthaft den Grund für diesen Wunsch nach meinem eigenen Untergang verraten? Ganz sicher? Dein Blick sagt mir: Ja, tue es. Also gut, dann tue ich es. Dafür muss ich dir allerdings auch etwas offenbaren: die Wahrheit. Eine Wahrheit, die inzwischen tagtäglich in mir den Wunsch weckt, ich würde einfach verschwinden und nicht mehr zurückkommen. Erinnerst du dich noch daran, wie der heutige Tag verlaufen ist? Nein? Wundert mich nicht. Deine Interessen konzentrieren sich ja auch nur auf einen einzigen Punkt. Wie sollst du dich da an andere Dinge erinnern, wenn du sie nicht mal wahrgenommen hast? Aber dafür bin ich ja da. Ich erinnere mich an alles. Leider. Ich erinnere mich immer an alles. An jeden einzelnen Tag. Auch an heute. *** Morgens. Dein Handywecker klingelt und reißt dich mit irgendeiner Melodie, die du nach dem Zufallsprinzip ausgewählt hast, aus dem Schlaf. Du hast sie dir niemals angehört, nicht bewusst. Sonst würdest du merken, dass die Melodie an sich schön ist. Sie lädt zum Träumen ein, stimmt einen froh, so schön klingt sie. Interessiert dich nicht. Genervt schaltest du das Handy aus und stehst auf. Draußen scheint bereits die Sonne. Ihre wärmenden Strahlen versuchen sich erfolglos durch die dunklen Vorhänge vor deinem Fenster zu kämpfen, die du zugezogen hast. Die du durchgehend zugezogen lässt. Du schaust morgens niemals nach draußen. Niemals. Sonst würdest du merken, was für ein schöner, warmer Frühlingstag auf dich wartet. Vögel sitzen im Baum vor deinem verschlossenen Fenster und zwitschern vergnügt. Interessiert dich nicht. Hastig läufst du geradewegs zu mir, dem zentralen Punkt in deinem riesigen Zimmer. Wie sehe ich aus?, fragst du mich mit deinem Blick. Und ich antworte: Verschlafen. Schnell verschwindest du ins Badezimmer, wo du eine ganze Weile nicht mehr herauskommst. Die ganze Zeit wirfst du mir wieder und wieder einen fragenden Blick zu, während du dich für den Tag zurechtmachst: Und jetzt? Wie sehe ich jetzt aus? Besser, antworte ich. Aber noch nicht perfekt. In deiner Eile lässt du hin und wieder einiges aus der Hand fallen oder stößt sogar was um. Du benimmst dich wie eine panische Mutter, die ihr Kind in einer Menschenmenge verloren hat und setzt dich so stark unter Druck, dass du die ersten Kopfschmerzen bekommst. Kein Wunder, wenn du dich Ewigkeiten in diesem kleinen Raum aufhaltest und die Luft stickig wird, weil du weder die Tür noch das Fenster im Bad aufmachst. Du denkst einfach nicht daran. Am Ende schaust du mich nochmal eindringlich an. Wieder fragst du: Wie sehe ich aus? Und ich antworte: Wunderschön. In der Schule. Noch immer scheint draußen die Sonne und eine angenehm kühle Brise weht durch ein geöffnetes Fenster in den Klassenraum hinein, genau wie ein Schmetterling. Ein Schmetterling, dessen Farbenpracht jeden deiner Mitschüler von Anfang an in den Bann zieht. Nur dich nicht. Interessiert dich nicht. Fasziniert beobachten alle das kleine Wunder der Natur, sogar der Lehrer, der kurzerhand von Mathe zu Biologie übergeht und deinen aufgeregten Mitschülern erklärt, wie aus einer Raupe ein Schmetterling wird. Interessiert dich nicht. Lieber nutzt du die Gelegenheit dafür, um mich anzusehen. Wie sehe ich aus?, fragst du mich mit deinem Blick. Und ich antworte: Wunderschön. Trotzdem zupfst du an deinen Haaren herum, weil einige Strähnen nicht mehr dort sitzen, wo sie hingehören. Nach der Schule. Auf dem Heimweg wirst du von einem Regenschauer überrascht. Wie ein aufgescheuchtes Huhn stößt du einen Schrei aus und suchst nach Schutz, den du auch bei einer überdachten Bushaltestelle findest. Zwar bist du nicht allzu nass geworden, weil du schnell reagiert hast, doch du willst natürlich lieber direkt mich fragen. Hättest du auch nur einen kurzen Blick in den Himmel geworfen, wäre dir der wundervolle Regenbogen aufgefallen, der dort zu sehen war. Immerhin schien noch weiterhin die Sonne, die sich tapfer zwischen ein paar Regenwolken hervor kämpfte. Interessiert dich nicht. Stattdessen fixierst du deinen Blick auf mich, wie üblich. Und wie üblich fragst du mich mit deinem Blick: Wie sehe ich aus? Und ich antworte: Der Regen hat deine Frisur ein wenig ruiniert. Rasch holst du einige Dinge aus deinem Rucksack, damit du diesen Makel beheben kannst. Für solche Fälle hast du immer und überall alles nötige dabei, um sie beseitigen zu können. Inzwischen hat der kurze Schauer schon nachgelassen und der Regenbogen ist verschwunden, ohne dass du ihn bemerkt hast. Bestimmt hätte es dich sowieso nicht interessiert. Wie sehe ich aus?, fragst du mich abermals mit deinem Blick. Und ich antworte: Wunderschön. Erleichtert setzt du deinen Weg nach Hause fort und hast den Regenschauer schon vollkommen vergessen. Mittags. Es klingelt an der Haustür. Da niemand anderes im Hause ist, außer dir selbst, öffnest du sie. Einer deiner Mitschüler steht vor dir, wirkt sehr verlegen. Er fragt dich, ob du Lust hättest etwas zu unternehmen. Kein Interesse, antwortest du. Morgen?, versucht er zu dir durchzudringen. Auch dann nicht, lehnst du sein Angebot ab und schließt daraufhin die Tür. Dieser Junge mag dich. Anscheinend sogar sehr, sonst würde er es nicht jeden Tag erneut versuchen. Hast du überhaupt jemals realisiert, dass er täglich zu dir kommt und etwas mit dir unternehmen will? Nein, natürlich nicht. Wieso frage ich eigentlich? Interessiert dich nicht, richtig? Meine Vermutung wird bestätigt, denn du kehrst in dein Zimmer zurück und schaust mich an. Wie sehe ich aus?, fragst du mich mit deinem Blick. Und ich antworte: Wunderschön. Reicht dir nicht. Wunderschön zu sein reicht dir nicht, also ziehst du dich ins Badezimmer zurück, wo du lange Zeit nicht mehr herauskommst. Zum zweiten Mal an diesem Tag. Dabei wartet draußen der Frühling, in vielerlei Hinsicht. Doch er wartet vergeblich auf dich, weil er dich nicht interessiert. Weil dich nichts anderes interessiert. Abends. Eine wichtige Veranstaltung findet heute statt. Von diesem Tag sprechen deine Eltern schon seit Ewigkeiten und haben dir mehrmals gesagt, wie wichtig es für sie ist, dort einen guten Eindruck zu hinterlassen. Diese Worte nimmst du ernst, denn du willst sie nicht enttäuschen. Du willst sie niemals enttäuschen. Niemals. Also machst du dich zurecht und hältst dich zum dritten Mal heute Ewigkeiten im Badezimmer auf. Diesmal sogar viel länger als zuvor. Zwischendurch kommt deine Mutter ins Zimmer und klopft an der Tür zum Bad, um sich zu erkundigen, wie es bei dir vorangeht. Alles bestens, versicherst du ihr. Ich bin bald fertig. Sorge dafür, dass du wie eine kleine Prinzessin aussiehst, bittet sie dich. Mütterliche Fürsorge liegt zwar in ihrer Stimme, doch versteckt sich in ihrer Tonlage auch ein gewisser Druck, der dich noch etwas mehr antreiben soll. Alle Blicke sollen auf uns gerichtet sein. Ich weiß, bestätigst du ihr. Ich werde wunderschön aussehen, Mama. Wie immer. So kenne ich mein Mädchen, lobt sie dich. Zufrieden mit dir verlässt sie das Zimmer. Mehr Zeit verstreicht. Zeit, die du damit verbringst, an deinem Aussehen zu arbeiten. Erst viel später kommst du endlich aus dem Bad heraus und gehst als erstes zu mir. Unsicher siehst du mich an. Du siehst wunderschön aus. Deine langen, braunen Haare fallen dir gewellt über deinen gesamten Rücken und die Farben deines Kleides harmonieren nahezu perfekt mit ihnen. Ja, du trägst ein Kleid. Ein Kleid, das dir geradezu auf den Leib geschneidert sein muss. Alles sitzt einwandfrei. Es verleiht dir die Eleganz und Schönheit einer Prinzessin. Sogar geschminkt hast du dich, wodurch deine Augen äußerst gut zur Geltung kommen, nur gibt es dennoch einen Störfaktor: Ihnen fehlt etwas. Das Leben. Sie waren ausdruckslos. Nicht mal als ich dir bestätigte, wie wunderschön du aussiehst, regte sich etwas in ihnen. Leer. Deine Augen blieben von dieser leblosen Leere eingenommen. So wie immer. Immer wenn du mich ansiehst, schau ich in ein Gesicht zurück, in dem es kein Leben gibt. Ich sehe jemanden an, der genauso gut nur eine Puppe sein kann, die wie eine Prinzessin eingekleidet worden ist. Eine Puppe, die sich für nichts anderes außer ihr Aussehen interessieren kann, weil sie allein dafür geschaffen worden ist. *** Ich sehe dich jeden Tag. Mehrmals. Und weißt du was? Ich habe niemals auch nur im Ansatz erlebt, dass es mehr zu sehen gibt, außer deiner Schönheit. Tag für Tag warte ich darauf, mehr von dir zu sehen. Umsonst. Solange du nur mich ansiehst, werde ich bis in alle Ewigkeit umsonst warten. Darum ertrage ich es nicht mehr, wenn du mich ansiehst. Aus diesem Grund wünsche ich mir, nicht mehr zu existieren, um dieses Elend nicht länger mit ansehen zu müssen. Plötzlich fangen deinen Augen an zu glänzen. Eine Träne. Eine einzige Träne wandert langsam über deine Wange. Zögernd berührst du mich mit der rechten Hand, die leicht zittert, und tretest näher an mich heran. Ist das die Wahrheit?, fragst du mich mit deinem Blick. Zum ersten Mal hat es nichts mit deinem Aussehen zu tun. Ja, antworte ich. Du siehst nichts, weil du nur mich ansiehst. Weil du immer nur mich ansiehst. Nicht dich. Du siehst nichts, richtig? Du schaust mich an und siehst nichts. Du kannst dein Gesicht nicht sehen, solange du mich ansiehst. Solange du nur mich ansiehst, wirst du niemals erfahren, wie du in Wirklichkeit aussiehst. Wie dein wahres Ich aussieht. Das ist die Wahrheit, nach der du verlangt hast. Die Wahrheit, die mich wünschen lässt, es gäbe mich nicht. Diese Erkenntnis befreit ein Gefühl in dir, das du bisher in Ketten gelegt hast: Verzweiflung. Sie überfällt dich so überraschend, dass eine zweite Träne über deine Wange gleitet. Und eine dritte. Eine vierte. Mehr und mehr. Dein gesamter Körper zittert. Wer bist du?, willst du von mir wissen. Weißt du das nicht?, antworte ich. Stumm schüttelst du den Kopf. Aber das solltest du. Du solltest wissen wer ich bin, schließlich siehst du mich ständig an. Ständig. Manchmal kannst du sogar an nichts anderes denken, außer an mich. Egal, was um dich herum geschieht. Tausend Sternschnuppen könnten in einer Nacht vom Himmel regnen und du würdest deinen Blick nur mir allein schenken. Und doch weißt du nicht, wer ich bin? Auf einmal wendest du dich von mir ab. Nervös läufst du im Zimmer hin und her, raufst dir dabei unbewusst die Haare. Zerstörst deine Frisur, in die du so viel Zeit investiert hast. Noch mehr Tränen, wegen denen die Schminke längst verlaufen ist. Unruhig murmelst du irgendwelche zusammenhanglose Wörter aneinander. Von der hübschen Prinzessin ist nichts mehr zu sehen. Ich weiß, was in dir vorgeht. Du würdest dich gerne sehen, habe ich recht? In all den vergangenen Jahren hast du stets darauf gehofft, dich zu sehen. Die Hoffnung liegt tief in dir vergraben, aber sie ist dabei zu zerbrechen. Deshalb verlässt dich jetzt die Kraft. Du hast keine Kraft mehr dafür, eine wunderschöne Prinzessin zu sein, wie deine Mutter es gerne will. Was dich daran hindert, dass du nicht dazu in der Lage bist, dich zu sehen? Der Grund dafür bin ich. Wie sollst du jemals dich sehen können, wenn es mich gibt? Wenn du bloß mich sehen kannst? Es gibt nur eine einzige Lösung für dieses Problem: Ich muss verschwinden. Und ich will verschwinden, damit du endlich dich sehen kannst. Nicht mich. Nicht mehr nur mich. Töte mich, sage ich. Diese Worte lassen dich kurzzeitig mitten in deiner Bewegung erstarren. Fassungslos wirfst du mir einen Blick zu, der mir zu verstehen gibt: Ich kann nicht. Du kannst, dränge ich. Nein, widersprichst du mir. Ich brauche dich. Tust du nicht. Du brauchst mich wirklich nicht. Nur aus Gewohnheit glaubst du, ohne mich nicht mehr zurechtzukommen, doch das stimmt nicht. Warum sollte ich bleiben? Weil andere das sagen? Weil deine Eltern sagen, du sollst mich so oft wie möglich ansehen? Weil es dem Ruf deiner Familie schadet, wenn du mich nicht oft genug ansiehst? Weil dich nichts anderes interessiert, außer für deine Mutter eine wunderschöne Prinzessin zu sein? Weil du willst, dass sie dich liebt? Es ist schwer, ich weiß, aber du musst dich von mir verabschieden, wenn du dich sehen willst. Dich. Nicht mich. Bevor es zu spät dafür ist. Du kannst so viel mehr sein, als nur wunderschön, wenn du dich traust. Für eine Weile starrst du mich schweigend an. Eine lange Weile. So viel Zeit haben wir miteinander verbracht. Viel zu viel Zeit, denkst du nicht auch? Ja, du denkst auch so. Aus heiterem Himmel packst du dir eine von den Blumenvasen auf dem Fensterbrett und schleuderst sie mir mit einem lauten Schrei entgegen. Meine Welt wird schwarz. *** „Schatz? Was ist passiert? Was war das für ein Lärm?“, höre ich die Stimme meiner Mutter sagen. Nicht besorgt, eher gehetzt. „Bist du fertig? Wir müssen jetzt los.“ Meine Zimmertür gleitet auf und sie kommt rein, hält aber sofort inne. Ihre Augen weiten sich, als sie die unzähligen Splitter sieht, die überall auf dem Boden verstreut liegen. Als sie mich erblickt, stößt sie noch dazu einen entsetzten Laut aus. „Oh Gott, was hast du angestellt?!“ Ich sitze auf dem Boden, zwischen den ganzen Splittern, und hebe den Kopf. „Ich habe mich von einem Freund getrennt.“ „Was?“, kann sie darauf nur verwirrt sagen. Der Anblick meines Gesichtes sorgt dafür, dass ihre Verständnislosigkeit schwindelerregende Höhen erreicht. „Kannst du mir mal sagen, was du daran lustig findest?“ „Lustig?“, wiederhole ich überrascht. „Egal, für so was haben wir gar keine Zeit.“ Röte steigt ihr ins Gesicht, was normal bei ihr ist, wenn sie sich aufregt. „So wie du aussiehst, kannst du auf keinen Fall mitkommen! Schämst du dich nicht? Hast du mal in den Spiegel geschaut? Was, wenn dich jemand so sieht? Stellst du dir so eine wunderschöne Prinzessin vor?“ Das waren ganz schön viele Fragen. Ratlos lass ich mich von ihrem enttäuschten Blick durchbohren und sage nichts dazu, wodurch sich ihr Stress nur noch weiter erhöht. In ihren Augen sehe ich, wie ein Gedanke den anderen ablöst und sie nicht so recht weiß, wie sie jetzt reagieren soll. So etwas ist noch nie vorgekommen, ihre Tochter hat sich verändert. Ob sie mich noch liebt, auch ohne meinen alten Freund? „Ist dir was passiert?“, fragt sie schließlich unsicher. „Hast du dich verletzt?“ „Nein“, beruhige ich sie sofort. „In Ordnung, dann räum das bitte auf. Wir reden später darüber.“ Ohne ein weiteres Wort wendet sie sich nach diesen Worten von mir ab, dreht sich um und verlässt mein Zimmer, wobei sie die Tür überraschend leise hinter sich schließt. Wenige Augenblicke danach höre ich, wie der Motor eines Autos aufheult. Kurze Zeit später kehrt Stille ein. Sie fahren ohne mich zu dieser Veranstaltung, deren Verlauf sich unter Umständen positiv für ihre Arbeit auswirken kann. Interessiert mich nicht. Stattdessen nehme ich einen der größeren Splitter in die Hand, der in meiner Nähe liegt. Natürlich achte ich darauf, mich nicht an den scharfen Kanten zu schneiden. Ich halte dieses Bruchstück meines alten Freundes so, dass ich mich anschauen kann. Mich. Nicht das Spiegelbild, das ich sonst immerzu angesehen habe. Nun verstehe ich, warum meine Mutter so geschockt über mein Aussehen gewesen ist. Man kann tatsächlich meinen, ich hätte ewig nicht in den Spiegel gesehen. Meine Haare sind völlig durcheinander. Meine Schminke ist verschmiert. Mein teures Kleid ist verschmutzt mit Erde aus der Blumenvase. Mich interessiert aber nur ein Detail: ein Lächeln. Ich lächle. Sowohl mit dem Mund als auch mit den Augen. Meine Augen leben. Etwas prallt gegen meine Fensterscheibe und zieht meine Aufmerksamkeit auf sich. Sofort lasse ich den Splitter fallen, stehe auf und sehe hinaus. Vor unserem Haus steht ein Junge, der mir von unten winkt. Kenne ich ihn? Etwas in mir sagt, dass ich ihn kenne. Irgendwoher. Es will mir nicht einfallen. Freundlich lächelt er mir zu, scheint sich an meinem Anblick nicht zu stören. Ich lächle zurück. Draußen ist es dunkel. Das Licht des Vollmonds erleuchtet die Dunkelheit. Noch nie ist mir aufgefallen, wie romantisch so eine Vollmondnacht ist. Mehr als romantisch: wunderschön. Der Junge winkt mich nach draußen. Warum nicht? Da meine Eltern ohne mich fahren, habe ich Zeit. Auf meinem Weg aus dem Zimmer werfe ich einen letzten Blick auf die Glassplitter des Spiegels, den ich zerbrochen habe. Der Spiegel, der lange mein einziger Freund gewesen ist. Mein alter Freund, dessen Stimme ein letztes Mal in meinem Kopf ertönt, ehe sie danach für immer verstummt: Du bist wunderschön. Du hast nie schöner ausgesehen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)