Bloody Mary von Anemia (Ghoulish F*ckdolls) ================================================================================ Prolog: Prolog -------------- Prolog     Licorice. Lakritz. Eine Süßigkeit, der selbst ein Fleischfresser nicht widerstehen kann. Nicht nur aufgrund ihres unverwechselbaren Geschmacks nach Anis, sondern vor allen Dingen wegen ihrer sonderbaren Farbe. Schwarz. Schwarz wie die tiefe, dunkle Nacht und im Englischen so ungemein klangvoll, dass ich prompt wusste, wo ich meinen ersten Abend verbringen wollte. Denn bei der Lakritze, mit der ich es zu tun bekommen sollte, handelte es sich nicht um ein edles Süßholz, sondern vielmehr um eine schicke, kleine und bereits von außen verrucht aussehende Bar. Naturgemäß besaß ich für die Dunkelheit ein ausgeprägtes Faible, ebenso für einen edlen Tropfen, weswegen ich es mir gar nicht erst lang in meiner neuen Wohnung gemütlich machte, sondern mich, kaum in den zukünftigen vier Wänden angekommen, erneut in den Wagen setzte und an jenen Ort zurückfuhr, welcher mich bei der Vorbeireise bereits anzuziehen gewusst hatte. Inzwischen war auch die Dämmerung über der Stadt hereingebrochen und ein großer, fast voller Mond zeigte sich am Himmel. Zum Glück ging von ihm heute noch keinerlei Gefahr für mich aus. Wahrscheinlich würde sich erst übermorgen die andere Hälfte meines Ichs zeigen, in dieser Nacht konnte ich mich in warmer Sicherheit wiegen und die Zeit für mich genießen. Natürlich mit einem leckeren Willkommensdrink, den ich mir nach dem gestrigen Handgemenge redlich verdient hatte.   Die Neonreklame über der Tür lieferte bereits einen ersten Eindruck, was mich im Inneren des Clubs erwarten würde. So war das Licht im O sowie im zweiten C ausgefallen, im R flackerte es gerade noch müde vor sich hin, wie ein sterbendes Glühwürmchen im Schutze der Nacht. Dafür, dass sich niemand um die Beleuchtung zu kümmern schien, wirkte der Schuppen allerdings reichlich gepflegt; die Fassade war offensichtlich frisch poliert und der schnieke Plüschabtreter vor der Tür konnte ebenfalls noch nicht allzu viele Jahre auf dem Buckel haben. Die Tür dafür umso mehr, aber die sonnte sich womöglich in der auf sie zutreffenden Bezeichnung 'antik'. Wen kümmerte es schon, ob das schwarze Holz marode und das Blattgold des Griffs - ob echt oder unecht erschloss sich mir als Laie nicht - stellenweise abgebröckelt war. Auf die inneren Werte kam es an, meist sogar im wahrsten Sinne des Wortes. Deshalb stieß ich kurzerhand die Tür auf und trat ohne große Erwartungen hinein in die gute Stube, mich derweil freuend, dass es sich hierbei um eine Kneipe handelte, die Raucher nicht vorsätzlich diskriminierte. Die glühende Zigarette zwischen den Lippen haltend fand ich mich Augenblicke später in einer ganz annehmlichen Bar wieder, die um diese Uhrzeit wahrlich noch nicht sonderlich gut besucht war. Für gewöhnlich zog es die Kinder der Nacht erst wesentlich später nach draußen, mich eingeschlossen, aber was wollte man machen, wenn einem der Sinn nach etwas Alkoholischem stand, man aber zu faul war, sich als erstes in einer neuen Stadt auf die Suche nach dem nächsten Supermarkt zu begeben. Zudem fühlte man sich in Anwesenheit des Barkeepers längst nicht so einsam wie mit einem Flaschenbier vor der Flimmerkiste inmitten von Bergen brauner Umzugskartons, die fürs erste als Möbel herhalten mussten. Man gewöhnte sich an alles, wenn man von ein wenig robusterer Natur war und auch schon die ein oder andere Narbe den Körper zierte. Wölfe mochten als Gewohnheitstiere verrufen sein, aber einige Exemplare waren anpassungsfähiger, als man meinen mochte. Hauptsache, ihre Triebe wurden befriedigt. Dann war alles in Butter.   Der Kerl an der Bar polierte mit einem Geschirrtuch die Gläser, so wie ich meinen Arsch auf einen der mit recht bequemen Lederpolstern ausgestatteten Hocker schob und ihm einen knappen Gruß zuwarf. Die Blicke aus seinen eisblauen Augen kollidierten kurz mit meinen, seine Lippen deuteten ein Lächeln an, und dies war der Moment, in dem ich zum ersten Mal glaubte, etwas zu wittern. Zunächst wusste ich nicht, um was für eine Duftnote es sich dabei handeln sollte. Oder von wem sie ausging. Der Barkeeper schien mir auf den ersten Blick keine zwielichtige Gestalt zu sein, trotz seiner ungewöhnlichen Augenfarbe, aber es roch hier ganz unverkennbar nach irgendwelchen Biestern, womöglich sogar nach Köter. In mir begehrte ein dumpfes Grollen auf, welches ich jedoch nicht an die Oberfläche dringen ließ. Die Kunst, mich zu beherrschen, hatte ich über all die Jahre beinahe perfektioniert, was mir jedoch unglücklicherweise erst vor kurzem zum Verhängnis geworden war. Aber hin und wieder stand man eben vor der Wahl zwischen Pest und Cholera. Zwischen einem Blutsauer und einem Artgenossen. Einem Konkurrenten. Ich beruhigte mich schnell wieder, schließlich war ich ein erwachsener Mann und kein Teenager mehr, welcher sich von seinen Gefühlsregungen leiten ließ. Das Nikotin half mir dabei ungemein, genau wie die Gewissheit, dass von meinem Gegenüber keinerlei Gefahr ausging. Ein Mensch. Ich roch den Schweiß, der aus seinen Poren kroch und wusste, dass dieser Duft nicht von einem Tier stammen konnte. Männliche Wölfe stanken meist wie die Pest - Ausnahmen bestätigen die Regel. Vampire hingegen kamen absolut geruchsneutral daher - hin und wieder haftete ihn jedoch ein erdiger Duft an, der von einem speziellen Parfüm stammte, der mit dem Körper einer Leiche wunderbar zu harmonieren wusste. Und Dämonen wiederum rochen entweder unwiderstehlich gut oder aber schlimmer als der ekelhafteste Rüde. Diese stellten die schwierigsten Kandidaten dar, wenn es um ihre Entlarvung ging, vermochten sie doch all ihre körperlichen sowie seelischen Attribute zu switchen, wie es ihnen beliebte. Man munkelte, dass sie sogar in der Lage waren, zwischen den Geschlechtern hin und her zu springen. Wie dies allerdings funktionieren sollte, konnte ich mir weiß Gott nicht erklären. Und der Barkeeper würde es erst recht nicht wissen. Er mochte selbst aussehen wie ein kleiner Dämon, ein Inkubus, mit seinen geschminkten Augen, dem jugendlichen Gesicht und den langen, nussbraunen Haaren - aber er schien keine Notiz von meinem inneren Tier genommen zu haben. Was ein weiteres Indiz dafür darstellte, dass er ein unschuldiges Menschlein war.   "So früh schon auf den Beinen, um sich die Kante zu geben?" Oh, der Junge war forsch, das gefiel mir. Ich schenkte ihm für seine Worte ein keckes Grinsen und vergaß darüber fast meine Zigarette, die unbeirrt ihren Qualm in die Luft steigen ließ. "Ja", nickte ich ihm zu. "Später hätte ich den hübschen Knaben hinter der Bar schließlich mit einem Haufen besoffener Typen teilen müssen. So gehört mir der Anblick ganz allein..." Er verstand das Kompliment, welches meinen Worten zugrunde lag und lächelte etwas verschämt in sich hinein, was ihm fast etwas Mädchenhaftes verlieh, passend zu seinem doch ziemlich hinreißenden Aussehen. "Sie sind die erste Person, der ich in dieser Stadt begegne, und womöglich sogar die entzückendste, die mir je unter die Augen gekommen ist", umschmeichelte ich das Kerlchen weiter, auch wenn ich mir keine ernsthaften Hoffnungen bei ihm einräumte. Viel mehr baggerte ich ein wenig zum Spaß und nicht, um ihn ins Bett zu kriegen. Zumal ich noch nicht einmal ein Bett besaß, sondern lediglich eine Matratze... "Sie sind nicht von hier?" Oh Wunder, er hatte seine Sprache trotz meiner Schleimerei wiedererlangt. Und zudem nicht nur das Süßholz vernommen, welches in meinen Worten gelegen hatte. "Korrekt." Ich nickte. Dies sollte an Information genügen. Wildfremden, auch wenn sie noch so ansehnlich sein mochten, wollte ich nicht meine Lebensgeschichte auftischen. Diese ging niemanden etwas an. Außerdem hätte der Kleine mir es auch nie und nimmer abgenommen, hätte ich zu erzählen begonnen, dass mich mein eigener, kleiner Bruder aus dem Revier vertrieben hatte. Bei dem Wort 'Revier' hätte es schon angefangen. Dann hätte ich erst lang und breit erklären müssen, dass es sich dabei nicht um das Polizeipräsidium handelte, sondern um etwas ganz anderes, das die Vorstellungskraft eines jeden Menschen überstieg...   Zu meinem (und auch seinem) Glück fragte der Kerl nicht weiter nach, sondern schaute mich lediglich fest und komplett ohne Angst an. "Was möchten Sie denn eigentlich trinken?" Ich klimperte mit den Fingern gespannt auf dem Tresen herum. "Was können wir denn empfehlen?" Daraufhin nahm er seine Finger zu Hilfe, um die verschiedenen Cocktails und Schnäpse aus dem Gedächtnis aufzuzählen. "Wir haben die üblichen Sachen da, Tequila, Jack Daniel's, Whiskey...aber wir haben auch Longdrinks, zum Beispiel Sex on the Beach", er musste grinsen, "Gin Tonic oder Mixgetränke wie Bloody Mary..." "Ja, den nehm' ich", unterbrach ich ihn jäh, auch wenn sich das nicht gehörte, aber schließlich war der Kunde auch in solchen Läden König. "Bloody Mary ist gut. Aber bitte nicht so lasch, ich bin ein Kerl und kein Weichei." Erneut schmunzelte er mir zu und machte sich anschließend an die Arbeit. Ja, ich ließ an diesem Abend ganz schön den Macho heraushängen, das gebe ich zu. Was wahrscheinlich daran lag, dass mein verdammtes Ego mächtig angekratzt worden war und ich wusste, dass ich nicht mehr als ein erbärmlicher Loser war, der trotz regelmäßigem Muskeltraining einem Duell mit einem pubertären Jungwolf erlegen war. Irgendwie musste ich ja wieder zu alter Kraft und Stärke kommen. Und das Meiste kam nun einmal von innen. Vom Geist. Das war es auch, was uns von normalen Wölfen unterschied. Dies sowie ihre unbeherrschbare Triebhaftigkeit und Wildheit. So ein Schuss Menschlichkeit tat uns eben doch ganz gut. Auch wenn er hin und wieder seine Nachteile hatte. Bloody Mary hatte ich früher übrigens nie ausstehen können. Nicht, weil er mir nicht geschmeckt hatte, nein. Es hatte schlichtweg an dem Tomatensaft gelegen, und ich war lange Zeit davon überzeugt gewesen, dass ein echter Wolf mit Gemüse nicht das Geringste am Hut haben durfte. Ähnlich war es mir mit dem in unseren Kreisen üblichen Unterwerfungsritual ergangen. Selbstverständlich konnte es niemand sonderlich leiden, wartete es doch immer mit einer Demütigung einer der beiden Parteien auf, aber Macht, Dominanz und das Einhalten der Rangfolge wird bei Wölfen nun einmal großgeschrieben. Dennoch hielt ich es immer für ziemlich schwul, wenn ein Rüde einen anderen bestieg, egal aus welchen Gründen, aber inzwischen war es um meine Sexualität ohnehin ein wenig anders bestellt als noch zu meinen frühen Teenagerzeiten. Mit dreizehn, vierzehn, also mit Beginn der Geschlechtsreife, hatte ich zwar schon geahnt, dass meine Triebe durch ein paar ungewöhnliche Dinge und Personen entfacht wurden, aber wie das eben oft so ist, hatte ich versucht, es zu verdrängen. Bis es irgendwann doch die Oberhand über mich gewonnen hatte. Und ich nun hier hockte und dieses androgyne Luder von Barkeeper anbaggerte, das mir endlich mein Getränk rüberreichte. Wunderbar. Rot wie Blut war das Gesöff, meine seit langem unbefriedigten Triebe freute dies selbstverständlich. Die Selleriestaude, die in dem Wässerchen steckte, konnte die Honigschnute (ja, der Kerl besaß wirklich schnuckelige, volle Lippen, perfekt geschaffen für gewisse Praktiken) sich allerdings getrost in den Arsch schieben. Mit so manchem Gemüse war ich nämlich bis heute nicht warm geworden. Sellerie gehörte auf jeden Fall dazu.   Wie immer beschnupperte ich den Glasinhalt, bevor ich ihn mir einflößte. Es gab Menschen, die handhabten dies ebenfalls so, auch ohne lykanthropische Veranlagung. Doch bei Wölfen war der Sinn für das Olfaktorische besonders ausgeprägt, besaßen sie doch die wesentlich bessere Nase. Bereits beim Einatmen des Duftes, der von dem Getränk ausging, spürte ich, wie es mich leicht zu berauschen wusste und zog irritiert die Augenbrauen empor. Dem Jungchen hinter der Bar entlockte meine Reaktion jedoch kein einziges, erklärendes Wort, aber ich hatte das Gefühl, als würde es etwas wissen, von dem ich nichts ahnte. Dieses kleine Biest hatte es auf jeden Fall faustdick hinter den Ohren, das sah ich ihm an der Nasenspitze an...schlimm nur, dass mir das gerade die liebsten waren. Achtsam nahm ich erst einen, dann noch einen Schluck von meiner holden Blutmarie, bis ich das Glas absetzen musste, weil sich prompt ein Flimmern in meinem Kopf einstellte. "Oh, Scheiße, was machst du mit mir", ächzte ich, vollkommen vergessend, dass der Junge und ich noch längst nicht beim Du angelangt waren. Aber ihn schien das nicht zu kümmern. Er warf lediglich seinen Lappen auf die Theke, stützte sich auf dieselbe und grinste wie ein Honigkuchenpferd. "Du wolltest es scharf", erinnerte er mich mit einem gefährlichen Unterton in der Stimme an meinen Wunsch. "Bitte, da hast du scharf." "Das ist es nicht", rechtfertigte ich mich, und es stimmte sogar. "So ein paar Scoville bringen mich nicht so schnell an meine Grenzen. Ich bin da hartgesotten." Der unverkennbare, mich schwindelig machende Geschmack hallte in meiner Mundhöhle nach, klebte an meinem Gaumen, an meiner Zunge. In meiner Erregung biss ich nun sogar in den Selleriestrunk wie ein naives Karnickel und kaute angespannt darauf herum. "Was stimmt denn da nicht damit?" Der Kerl war ernstlich besorgt, und ich konnte das sogar nachvollziehen. Ich wäre dies auch gewesen, wenn jemand an meinen Tattoos genörgelt hätte. "Eisen", warf ich knapp in den Raum und schob das meine Sinne erbeben lassende Glas von mir, denn sonst hätte ich riskiert, eine Katastrophe geschehen zu lassen. Anschließend ließ ich meine Blicke das hübsche Gesichtchen meines Gegenübers durchdringen. Denn ich war auf der Suche nach einer Erklärung. "Das ist nie im Leben Tomatensaft. Was zur Hölle servierst du mir hier?" Der Kleine hüllte sich in Schweigen. Und schmunzelte dabei wissend in sich hinein. Er wusste ganz genau, dass er umwerfend aussah mit seinen langen Weiberhaaren und dem blütenreinen Teint. Aber das half ihm nun auch nicht weiter. Auch ich mochte nur ein Mann sein, aber mir dürstete es nach Antworten! Ich mochte zwar ein Loser sein, aber ich konnte noch immer ein Pflanzenextrakt von einer durch und durch humanen Materie unterscheiden. Ja, ich vermochte sogar die Blutgruppe zu bestimmen. Null, Rhesus negativ. Eine seltene Konstellation, die mich selbstverständlich ziemlich wuschig machte. Der Wolf in mir bleckte längst die Zähne. Er witterte Beute!   "Nicht schlecht", bemerkte der Barkeeper endlich und stocherte nun selbst mit dem Strohhalm in dem verführerischen Gebräu herum. "Du hast es also bemerkt. Du weißt eigentlich schon, was das ist, oder?" "Natürlich", schmetterte ich ihm entgegen und knallte mit meiner großen Pranke auf den Tisch. "Blut. Frisch gezapft, aus einem jungen Körper stammend, wahrscheinlich männlichen Geschlechts. Gemischt mit Wodka, Pfeffer, Tabasco und Worcestershire-Sauce die Hölle auf Erden für einen Kerl wie mich. Nimm's weg, bevor hier ein großes Unglück passiert." "Respekt." Den Typen hatten meine Worte offensichtlich zu beeindrucken gewusst. Natürlich gefiel es ihm gar nicht, dass er den Drink in das Spülbecken kippen durfte. Was für eine Verschwendung. Menschen konnten so sparsam sein. "Darf ich fragen, was für eine Art Dunkler du bist?" "Wolf", erwiderte ich. Der Junge zeigte sich daraufhin zwar erstaunt, aber nicht etwa verängstigt oder dergleichen. Dabei stellte das Wort 'Wolf' für viele Leute einen Grund zur Panik dar. Anscheinend waren ihm die Kreaturen der Nacht nicht fremd. Aber wie hätte es auch anders sein können, wenn es hier doch nach einem männlichen Raubtier stank? Von der Seite des Jungchens her schien das Gespräch sein Ende gefunden zu haben. Von meiner allerdings nicht. Als er bereits wieder mit seiner Gläserpoliererei beschäftigt war und dabei den Blick gesenkt hielt, lehnte ich mich diskret zu ihm vor. "Wer ist der Spender?", wollte ich wissen, woraufhin er mich erneut ansah. "Ich muss den Kerl finden, damit-" "-du ihn zerfleischen kannst?" Er guckte, als wäre er die Unschuld persönlich gewesen. "Nein." Ich schüttelte den Kopf, obwohl ich dieses Mal etwas log. Aber nicht vollkommen. "Wir sind doch hier nicht bei den Gebrüdern Grimm, bei Rotkäppchen und diesem einfältigen Wolfsidioten. Nein, nein, das Blut weckt nicht nur den Hunger in mir. Sondern auch noch einen ganz anderen Trieb." Ob er nun das Animalische in meinen gelblich schimmernden Augen sah? Falls nicht, dann war er wahrscheinlich blind. Oder einfach nur ignorant. "Ach so", erkannte das Kerlchen nun und grinste süffisant. "Euch Wölfe macht Blut geil, ich vergaß. Ein ziemlich perverser Fetisch, aber es gibt für alles Liebhaber. Und zu jedem ein Gegenstück. Wie gut, dass du hier an der richtigen Adresse bist." Nun verstand ich Bahnhof. Den 'perversen Fetisch' übersah ich beflissen, denn darüber wollte ich mich nicht mit ihm streiten. "An welcher Adresse bin ich denn?" Daraufhin warf der Tresenjunge einen kurzen Blick auf sein Handy. "Du bist wie gesagt zu früh dran, die Jungs empfangen erst ab zehn Kunden und machen Shows." Entnervt rollte ich mit den Augen. Ich hasste es, wenn man mich hinhielt. Da wurden mir selbst niedliche Gesichter vollends egal. "Sag schon, was geht hier ab?", forderte ich, und da endlich begann das Bürschchen Klartext zu reden. "Du weißt es echt nicht", amüsierte er  sich unverhohlen und schüttelte lächelnd den Kopf. "Der Club hier ist nicht nur eine einfache Bar, wenn du das geglaubt hast." In seinen Augen blitzte etwas auf, und er flüsterte: "Er ist eigentlich so was wie ein Bordell für die alternative Szene. Für alle, die sich dem Dunkel zugehörig fühlen, aus welchem Grund auch immer. Allerdings wirst du hier kaum eine Frauen finden." "Ah, verstehe." Ich nickte und rieb mir das Kinn. "Ein Schwuchtel-Schuppen, mh?" Der Barkeeper sah mich direkt an. "Stehst du da drauf?" "Auf was? Auf Schwänze?", hakte ich nach und lachte. "Darauf kannst du Gift nehmen, Mäuschen. Falls du es wissen willst, ich ficke alles, was-" Er hob abwehrend die Hände und drehte sich leicht weg. "Ist gut, ist gut, ich habs kapiert", versicherte er mir, griff im selben Zug wieder nach seinem karierten Geschirrtuch und redete weiter, ohne mich anzusehen. "Um wieder auf deine eigentliche Frage zurückzukommen: Einer von den hier arbeitenden Jungs ist der Spender. Er lässt sich freiwillig anzapfen, krank, oder?" "Find ich nicht. Ich finds geil." Nun war es an ihm, die Augen zu verdrehen. "Dann wird es dir ja auch nichts ausmachen, selbst herauszufinden, wessen Blut du da gekostet hast." "Aber nicht doch, nicht im Geringsten!" Ich war ganz verzückt. Und erwartungsfroh. Und auch ein wenig gierig. "Wie soll ich das anstellen?" Daraufhin sah der Junge mich verständnislos an. "Na wie wohl? Komm ihnen näher, unterhalte dich mit ihnen, mach mit ihnen von mir aus, was du willst, Hauptsache, du bezahlst ordentlich. Hast du Knete?" Ich klopfte auf meine Brieftasche. Zum Glück führte ich genügend Ersparnisse mit mir, die mich so lange versorgen würden, bis ich in dieser verdammten Stadt einen neuen Job an Land gezogen hatte. "Gut." Der Kerl nickte. "Hier wird's gleich mächtig zur Sache gehen, zieh dich schon mal warm an und versuch dein Glück. Vielleicht gewinnst du ja dann gleich dein erstes Testobjekt." Mann, wie war er doch abgebrüht! So ein kleines, unschuldig aussehendes Menschlein mit solchen hübschen, großen Augen und dann bezeichnete es seine Geschlechtsgenossen als Objekte. War das nicht eher mein Part? Sah ich denn sonst nicht eigentlich nur den heißen Body und das willige Fleisch, aber nicht das, was sich darunter verbarg? Aber auch menschliche Jungs vermochten ziemlich oft nur mit den Eiern zu denken. Deshalb fühlte ich mich häufig auch so sehr zu ihnen hingezogen. Weil ich zwischen ihnen und mir Parallelen entdecken konnte, saftiges Fleisch hin oder her. Apropos saftiges Fleisch: Seit einer gefühlten Ewigkeit hatte ich keine ordentliche Nahrung mehr zwischen die Reißer bekommen. Einmal durch diese süßen Bluttropfen ausgelöst, machte mein Hunger sich umso mehr bemerkbar. Und kein rohes Steak von einem Schwein würde ihn zu stillen vermögen. Ein Mensch, insbesondere ein zarter Mann oder ein junges Mädchen, stellten eine ganz exquisite Delikatesse für einen unserer Art dar. Wir waren erschaffen worden, um Menschen zu töten. Und hinterher genüsslich zu verspeisen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)