Geständnisse von JCZoldyck ================================================================================ Kapitel 1: Die Wette -------------------- Hoch oben auf einem Baum, wo man den besten Blick auf das Meer und den weißen Strand hatte, saß ein kleiner Dämon mit strubbeligen Haaren, eingehüllt in einen schwarzen Umhang. Obwohl seine Heimat immer die Dämonenwelt blieb, in welche er geboren wurde, gab es etwas, das er vermisste. Etwas, das er nur unter Menschen fand, wenngleich er es niemals eingestehen würde. Er hatte gefunden, was man Freundschaft nennen konnte. Oder Familie. Ja, hier gab es Leute, die er in sein Herz geschlossen hatte und wiedersehen wollte. Obwohl Dämonen der höheren Klassen die Barriere zwischen beiden Welten nicht durchbrechen konnten, so war es ihm als Grenzarbeiter gestattet, das Land der Menschen zu betreten, sollte er wieder den Auftrag erhalten, einen jener, der im Reich der Dämonen gestrandet war, in seine rechtmäßige Welt zurückzubringen. Er mochte diesen Job. Eben deshalb – trotz der Barriere, die ihn aufgrund seiner Kräfte abhielt, war es ihm möglich, jemanden zu besuchen, der ihm am Herz lag, wenn auch nur heimlich. In sich gekehrt betrachtete er denn hellblau leuchtenden Stein, den er wie einen Talisman stets bei sich trug. Er besaß dieselbe Farbe wie ihre Haare und glitzerte so klar wie ihre Tränen. Dass ein so unschuldiges Wesen ihn als Bruder hatte, wollte er sich ausreden, und dennoch hatte er seit Jahren nach ihr gesucht und eben dieses Wesen stets vor Augen gehabt, wenn er sie sich vorstellte. Wie gerne hätte er ihr die Wahrheit gesagt. Eine Pflanze rankte sich um seine Hand, nachdem er den Stein unter seinem Umhang versteckte. Der sonst so gelassene Dämon zuckte erschrocken. Obwohl er auf einem starken Ast saß, gab es kaum Ausweichmöglichkeiten, weshalb er beinahe gefallen wäre, wenn die Rankelpflanze ihn nicht zurück auf den Baum gesetzt hätte. Es gab nur einen, der ihn jemals so aus der Fassung locken könnte. „Kurama!“, rief er angespannt. Der Unruhestifter setzte sich mit einem neckischen Grinsen zu ihm auf den Baum, thronend auf einem von Ranken geschaffenen Sitz. Triumphierend verschränkte er die Arme vor der Brust. Seine wuscheligen Hare fielen ihm wild über die Schultern und schimmerten feurig wie Sommerblumen aus dem Pflanzenmeer hervor. Das Grinsen verwandelte sich in ein mildes Lächeln, welches nun viel besser zu seinen weichen Gesichtszügen passte. „Na, wer lässt sich hier wieder blicken?“, fragte er keck. Hiei zischte. „Ich wollte gerade wieder gehen.“ „Ich hab eine bessere Idee: Sag es ihr endlich.“ Verlegen blickte er weg. „Ich weiß nicht, wovon du redest.“ „Von deiner Schwester“, gähnte Kurama. „Komm, jeder weiß es bereits. Selbst sie.“ Das war genug. Wieder trieb dieser vorlaute Fuchsjunge es zu weit. Beleidigt sprang Hiei vom Baum, die Hände tief in den Taschen vergraben. Wieso kam er überhaupt zurück in die Menschenwelt? Ach ja, wegen seiner Schwester, der er endlich die Wahrheit gestehen wollte. Jetzt, da Kurama in der Wunde herumstocherte, konnte er es wieder nicht tun. „Vergiss es“, murmelte er. „Ich muss zurück.“ „Warte!“ Elegant rutschte er an einer der Ranken herunter zu seinem Freund. „Ich hab mich so gefreut, dass du sich wieder blicken lässt.“ Hiei schwieg. „Die anderen würden dich sicher auch gern wiedersehen.“ Nach einer längeren Pause murmelte der Feuerdämon: „In so einer lahmen Welt hält mich nichts.“ „Wie wär’s denn mit einer Wette?“, warf Kurama schnell ein, bevor Hiei abhaute. Tatsächlich weckte er das Interesse seines Freundes. „Wetten wir darum, dass du Yukina endlich gestehst, dass du ihr Bruder bist.“ Dieser hinterlistige Fuchs! Hieis Augen funkelten finster, doch aus unerklärlichen Gründen ging er das Angebot ein. Er wollte sowieso mit ihr reden. Sollte er so eine läppische Wette gewinnen, hätte er obendrein etwas bei Kurama gut. „Was wäre, wenn?“ „Such du es dir aus.“ Eigentlich gab es nichts, was er brauchte. Er wollte nur seine Schwester sehen, mehr nicht. Das einzige, was ihm einfiel, war Kurama zu zeigen, wie schwer es war, jemandem ein Geheimnis zu verraten. „Wenn ich es ihr gestehe und somit die Wette gewinne, erzählst du deiner Menschenmutter, dass du in Wirklichkeit Kurama, der Fuchsdämon, bist.“ Verlegen lächelnd legte er eine Hand in den Nacken. „Sie würde mir sowieso nicht glauben. Aber wenn es bedeutet, dass du dafür hierbleibst und endlich mit Yukina redest, gehe ich die Wette natürlich ein.“ Ein Grinsen huschte über Hieis Lippen. Wie Kurama sich schlug, wollte er nur zu gern sehen. Ein bisschen Spaß sollte auch ihm nicht vergönnt sein. „Abgemacht“, antwortete er. Kurama streckte ihm die Hand entgegen, wurde jedoch nur angestarrt. „Was soll das bedeuten?“ „Na ja, das soll ein Händedruck sein als Zeichen, dass wir beide die Wette eingehen. Ist bei vielen so üblich, etwa wie ein kleines Ritual.“ Widerwillig und verwirrt legte Hiei seine Hand in Kuramas, nichtsahnend, dass er aussah wie eine Dame, die auf einen Handkuss wartete. „So etwa?“ Kurama verkniff sich nur schwer das Lachen. „Ja, genau so.“ Kapitel 2: Kuramas Kampf ------------------------ Es war alles einfacher gesagt als getan. Vor dem Haus der Alten saß ein junges Mädchen auf der Terrasse, wo sie, nichtsahnend dass sie beobachtet wurde, die Blaumeisen und Rotkehlchen fütterte. Als sie aufsah, war ihr Bruder, der sie von einem Baum aus gemustert hatte, bereits verschwunden, dabei stand er kurz davor, mit ihr zu reden. Wahrscheinlich hätte er Yukina dieselbe Story wie zuvor erzählt, dass ihr Bruder vermutlich tot sein musste, obwohl sie dies nicht glauben wollte. So gutmütig, wie Yukina war, hätte sie ihn gleich in seine Arme geschlossen. Und genau diese Vorstellung machte Hiei zu verlegen, als dass er es jetzt beichten konnte. Viel lieber wollte er jetzt sehen, wie Kurama sich schlug, wenn er in die Stadt zurückkehrte. Jugendliche tummelten sich auf dem Schulhof, tauschten sich untereinander aus, vergnügten sich mit ihren Freunden oder erledigten schnell die Hausaufgaben für die nächste Stunde. Manchmal wenn ihm langweilig war, beobachtete Kurama gern seine ehemalige Schule und dachte an seine Zeit als Schüler zurück, die er vor wenigen Monaten hinter sich gelassen hatte. Ein wenig vermisste er diesen Alltag, doch auf der anderen Seite war er wie jeder andere froh, wenn das Schulgrauen endete. Ein letzter Blick blieb an einem jungen Mädchen mit Schuluniform und Kapuzenjacke hängen, bevor er den Ort verlassen wollte. Ein stechendgelbes Augenpaar, von ihr ausgehend, fixierte den Fuchsdämon, was ihm einen unangenehmen Schauer über den Rücken laufen ließ. Irgendwoher kannte er diese zierliche Gestalt. „Endlich habe ich dich gefunden, Kurama!“ Leuchtendweiße Haare und buschige Wolfsohren kamen zum Vorschein, als sie ihre Jacke gen Himmel warf. Schnell wie ein Raubtier raste sie auf ihre Beute zu, die im letzten Moment auswich. Kurama musterte die Angreiferin argwöhnisch, bis er zu einer überraschenden Erkenntnis kam. „Okami?“, stieß er überrascht aus. „Du hast richtig gehört“, antwortete die zornige Wolfsdämonin. „Wahrscheinlich hast du gedacht, du kannst dich hier in der Menschenwelt verstecken, Yoko Kurama! Aber da hast du die Rechnung ohne mich gemacht.“ Er seufzte. Schüler und vor allem Schülerinnen, die sich auf dem Hof versammelten, begannen zu tuscheln. Immer wieder fiel Shuichi Minaminos Name sowie der seiner früheren Gestalt. Die Mädchen begannen zu schwärmen, was Kurama ein wenig unangenehm wurde. „Muss das wirklich jetzt sein?“, fragte er nach, während Okami eine leuchtende Energiekugel zwischen ihren Händen formte. „Was ist?“, entgegnete sie abtrünnig. „Willst du dich etwa bei mir entschuldigen, dass du mir damals das Herz gebrochen hattest? Damit kommst du etwas zu spät.“ Mit ganzer Kraft feuerte sie aus eigener Aura geformte Waffe ab, welche direkt auf Kurama zielte, der dieser Attacke knapp entkam. Vorsichtig stieg er über den Zaun, der den Schulhof abgrenzte, um seine Gegnerin näher zu betrachten. „Dir das Herz gebrochen?“ Er kratzte sich ratlos am Kopf und setzte ein verlegenes Lächeln auf. „Davon weiß ich nichts.“ „Tu nicht so scheinheilig, Yoko Kurama! Du weißt genau, dass ich dir mein Herz verschrieben habe und du nur darauf rumgetrampelt bist.“ Mädchen seufzten auf. Nichts war spannender als eine zerflossene Liebesbeziehung. Eine erneute Energiekugel aus Aura, diesmal stärker als die vorige, raste auf den Fuchsdämon zu, welcher ohne zu zögern seine Rose Whip zückte und den Angriff mit einem Peitschenhieb gekonnt abwehrte. Ein Mädchen kreischte aufgeregt und musste von ihrer Freundin aufgefangen werden, als sie in Ohnmacht fiel. Er erinnerte sich schwach an Okami, die kleine Wolfsdämonin, die vor hunderten von Jahren darum gebettelt hatte, an seiner Seite zu kämpfen. Kalt wie er war, hatte er sie abblitzen lassen. Dass für sie damals Gefühle im Spiel waren, hatte Kurama gar nicht bemerkt. Ein wenig tat ihm die Dämonin leid, jetzt da er darüber nachdachte. „Wie wär’s, wenn wir in Ruhe darüber reden?“, schlug er vor und ging einen vorsichtigen Schritt auf sie zu, die Peitsche über den Boden hinter sich her schleifend. „Wie wär’s, wenn du einfach stirbst! Hier, nimm das!“ Es blieb ihm wohl nicht erspart. Eine riesige Pistole zückend, schoss sie leuchtendgelbe Kugeln in der Größe von Tennisbällen ab. Kurama, der Okamis Techniken gut kannte, parierte ihre Angriffe gekonnt. „Glaub nicht, das ist alles, was ich drauf hab!“, warnte die Wolfsdämonin und beschleunigte ihre Angriffe enorm. Ihre Ohren zuckten gefährlich. Haarscharf streiften die Geschosse Kuramas Kleidung, welche wie von Rasiermessern geschnitten wurden. Okamis Aura brannte auf seiner Haut, als er am Oberarm getroffen wurde. Mädchen riefen erschrocken, Jungs feuerten ihn an. Wenigstens hatte er das Publikum auf seiner Seite. Doch auch Stimmen, die Okami anfeuerten, befanden sich zwischen den Rufen. Bevor er ein weiteres Mal verletzt wurde, zückte Kurama eine Rose, die er hinter seinem Haar versteckt hatte. Blütenblätter fielen wie Regen durch die Luft und wurden sanft vom Wind getragen, als er die Blume nach oben warf. Ein Rosenduft breitete sich über den Schulhof aus, der alle in Erstaunen versetzte, bis auf eine. Okami lachte unsicher auf. „Glaubst du wirklich, du kannst meine Aura mit deinen Rosenblättern aufhalten?“ Doch dann geschah es schon. Die Geschosse, die Kurama angreifen sollten, wurden von den rasiermesserscharfen Blättern glatt durchtrennt und lösten sich in Luft auf. Die Wolfsdämonin hatte keine andere Chance, gegen den hinterlistigen Fuchs zu gewinnen. All ihre Energie gebündelt, formte sie ein wolfsartiges Geschöpf. Seine Augen leuchteten gefährlich gelb wie ihre eigenen, im fletschenden Maul befanden sich spitze Reißzähne. Hell strahlend tränkte der aus Aura erschaffene Wolf den Schulhof in weißgelbes Licht, welches die umherstehenden Schüler blendete. Ängstlich schreckten einige zurück, die Mutigsten unter ihnen jedoch blieben standhaft, um den Kampf beobachten zu können. Kurama, der mit solch einer starken Attacke nicht gerechnet hatte, staunte. Mit der Peitsche hielt der Fuchs das Monster auf, während er einen Blumensamen, den er aus seinem Haar hervorholte, unbemerkt nach vorn schleuderte. Der immer näher rückende Wolf ließ sich nur schwer zähmen, dennoch bewahrte Kurama seine Ruhe, denn er wusste, dass bald er am Zug war. Okami lachte kalt auf, während sie das Spektakel beobachtete. Mit ihr stieß auch die Kreatur aus Aura einen jaulenden Ruf aus. „Ein letztes Wort zu sagen, bevor du stirbst?“ Direkt vor Kurama öffnete sich das Maul weit. Vorsichtig trat er einen Schritt zurück, den linken Arm schützend vor sein Gesicht haltend. Wurzeln brachen den Boden und erschütterten die Erde. Schüler hielten sich aneinander fest, fielen vereinzelt um. Mädchen begannen zu kreischen. Auch Okami hielt sich nur schwer auf den Beinen. Das Bild des aus Aura geschaffenen Wolfs verwischte, als die Dämonin von Schlingpflanzen gepackt wurde und verschwand schließlich ganz, als Kurama ihn mit der Rosenpeitsche angriff. „Das kann nicht sein!“, rief die Gefangene verzweifelt, während sie sich aus dem Griff der Pflanzen zu befreien versuchte. Vergeblich. Sie wurde in einem grünen Käfig gefangen gehalten, den nur Kurama fähig war, zu steuern. Seine Waffe verschwand. Mit langsamen Schritten ging der Fuchsdämon auf seine Gegnerin zu, die nicht aufgab, zu kämpfen. „Ich nehme an, du bist mindestens obere B-Klasse, deswegen kannst du auch nicht in die Dämonenwelt zurückkehren.“ Kurama lächelte. „Aber keine Sorge, ich kenne jemanden, der dir helfen kann. Nicht wahr, Hiei?“ Den letzten Satz, welchen er besonders laut aussprach, richtete er an seinen versteckten Freund. Ein Busch raschelte. Plötzlich trat ein kleiner Dämon in schwarzem Umhang hervor, den Schal bis über das Kinn gezogen und die Hände in den Taschen vergraben. „War nur zufällig in der Nähe“, nuschelte er. „Da sagt das Gras, auf dem du stehst, etwas anderes“, schmunzelte der Fuchsdämon. Hiei zischte, den Kopf zur Seite gedreht. „Um auf das eigentliche Thema zu kommen“, bemerkte er. „Wer von uns beiden muss jetzt etwas gestehen?“ Überfordert blickte der Fuchsdämon in die Gesichter der verwirrten Schüler, die den Kampf beobachtet hatten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)