Von Tagen und Nächten von robin-chan ================================================================================ [01] - »Zweiundzwanzig.« ------------------------ Geistesabwesend, verloren im Flackern der Kerze, lag die Archäologin halb auf der langgezogenen Sitzgarnitur der Bibliothek, ein Bein bot Halt, gleichwohl der Fußballen unruhig wippte. Der Raum eröffnete Spekulationen, glich dem Resultat eines tobenden Sturmes. Bücher, Papier, achtlos verteilt, unsanft auf die Dielen befördert. Stühle lagen am Rücken. Der Tisch war leer gefegt, einzig ein Kalender behielt seinen Platz. Eine fast leere Flasche Wein stand neben ihrem Bein, wartete eine Unachtsamkeit ab um den Boden mit der roten Flüssigkeit zu tränken. Ein Akt, der sie jedes Jahr heimsuchte und wie gewohnt, würden jegliche Spuren zum Morgengrauen hin verschwunden sein. Zweiundzwanzig. Zweiundzwanzig. Abermals formten ihre Lippen die Zahl. Wisperten sie in die klare Nacht hinaus. Das Ereignis, das ihre Welt ins Verderben stürzte, jährte sich. Wie gewohnt, kroch die Trauer aus ihrem Versteck, sog die Frau in die dunkle, fesselnde Tiefe. Jede Sekunde des Leids, klar und deutlich vor ihrem Auge. Ihre Finger umspielten die kleine Kerzenflamme. Kein Vergleich zur damaligen Hitze, die ihr Körper bis heute nicht vergaß. Ein Datum, in den Gedächtnis der Menschen unlängst vergessen. Die einzige Nacht im Jahr, die ihre Fassade einstürzen ließ, die ihren Schmerz zu Tage bringen durfte. Sie war geprägt worden, nie endete die Trauer um das Verlorene. Ein Knarzen, der Laut von scharf eingesogener Luft. Für einen Augenblick, kaum mehr als ein Blinzeln, war die Stille der Bibliothek durchbrochen. Dieser Ort, der von Robin unter allen Umständen in Ordnung gehalten wurde, glich dem reinsten Chaos. In einem albernen Wettstreit verlor die Navigatorin gegen den Schwertkämpfer, musste somit die Nachtwache halten und bei ihrem gewohnten Rundgang, der gegen die einsetzende, bleierne Müdigkeit anfochten sollte und andererseits den Beinen wohltuende Abwechslung verschaffte, erhoffte Nami Ablenkung. Das Dargebotene jedoch ließ sie starr werden, die Luft anhalten. Unentschlossen sank ihr Kopf, das Kinn traf auf Widerstand. Gehen oder verharren? Eine Entscheidung, die rasch getroffen war. Nami schluckte die Bedenken, obwohl ihr bewusst war, dass Robin, sobald ein schwacher Moment sie überkam, den Rückzug ins Einsame suchte. Alleine blieb, den Kampf mit sich austrug und am nächste Tag tat als war er nie vorgefallen. Sie mochte den Grund erfahren, ihr helfen, denn das hier war gewiss keine Kleinigkeit. Auf leisen Sohlen trat die Navigatorin an den Tisch, packte den Stuhl, stellte ihn an seinen gewohnten Platz. „Lass. Ich räum später auf.“ Die Stimme, rauer als sonst, der Blick unverändert auf die Kerze gerichtet. „Du hast Kummer. Weswegen?“, sprach Nami gedämpft, betrachtete erneut das Fiasko. Schweigen. Vorsichtig trat sie näher, sank auf die Bank, zum Reden nahe genug, aber vorerst bedacht auf den nötigen Abstand. Minuten verblieben sie wortlos, Nami behielt ihre Freundin im Auge, obgleich sie bloß den Rücken erspähte, versuchte zu erahnen, wie die Antwort ausfiel. „Zweiundzwanzig“, hörte sie das Flüstern der Archäologin. Unweigerlich zog Nami nachdenklich die Brauen zusammen. Die Gedanken ratterten und am Ende blieb einer übrig, der ihr eine unangenehme Gänsehaut bescherte. „Heute?“ Schwer aber doch erkannte sie ein Nicken. „Hast du nie erwähnt.“ „Macht das einen Unterschied?“ Nami verstand augenblicklich. Solche markanten Einstiche ins Leben waren unvergesslich. Dasselbe, jedenfalls auf Gefühlsebene, machte sie an Bellemeres Todestag durch. Die Emotionen kehrten zurück und wie ein Film erlebte sie den Tag nochmals. Jeder hatte eben eine spezielle Art mit Erlebnissen umzugehen. „Punkt ein Jahr, nachdem Arlong Bellemere erschoss, habe ich alle Karten, die ich in diesen Monaten fertiggestellt habe, zerrissen. Jede einzelne. Die Schnipsel warf ich auf einen Haufen und den zündete ich an. Die Folge? Die Trachtprügel meines Lebens, aber sie und die vielen Extrastunden… ja, sie waren es wert.“ Verklärt lächelte Nami. Arlong hatte ihr wahrlich den Hintern versohlt. Über die Jahre hatte sich diese Wut, die die Trauer auslöste, auf andere Weise entladen und trotz allem hatte sie die Hilfe, die Schulter ihrer Schwester. Heute gab es einen anderen Weg, sie trauerte zwar um ihre verlorene Mutter, aber die Wut war weniger geworden. Doch ein Ritual blieb, die ruhigen Minuten bei den Orangenbäumen. „Machst du das jedes Jahr?“ „Variiert.“ „Heißt?“ Robin stieß hörbar Luft aus. Die Kerze war fast abgebrannt und Robin wandte sich, zum ersten Mal seit Nami den Raum betreten hatte, von dieser ab. „Dass du nicht näher nachfragen solltest.“ Manche verliefen ähnlich, an anderen jedoch, da hatte sie Auseinandersetzungen gesucht, die durchaus mit dem Tod hätten enden können. „Verstehe. Du glaubst deine Erzählungen schrecken mich ab.“ „Vielleicht möchte ich nicht darüber reden.“ Tonlos seufzte Nami auf. Darauf dürfte sie wohl so schnell keine Antwort mehr erhalten, aber hielt es Nami nicht davon ab, näher auf das eigentliche Problem einzugehen. „Erzähl mir von ihnen. Den Menschen, denen du bis heute nachtrauerst“, wagte Nami einen neuen Versuch. Worte, die Robins Muskeln schmerzhaft anspannten. Darüber hatte sie nie gesprochen. Unweigerlich schüttelte sie den Kopf. „Du kennst die Geschichte und ich sollte aufräumen.“ Bevor Robin jedoch mit ihren Fußsohlen den Boden berührte, rutschte Nami näher, schlang die Arme um den Bauch der Archäologin, drückten sie somit an den eigenen Körper. Das Kinn bettete sie an der Schulter. „Dein Ernst? Mit Enies Lobby ziehst du dich zurück?“, kommentierte Nami, hörbar empört, das Erstarren der anderen ignorierte sie vollkommen. Körperkontakt gehörte wahrlich nicht zu ihren Stärken. „Wenn ich eine Sache gelernt habe, dann die: Reden hilft! Ich höre dir zu, egal wie lange wir hier sitzen. Ich möchte auch endlich verstehen, wer die Menschen waren, die dich bis heute prägen“, setzte sie sanft nach. Eisern schwieg Robin und als ob die Anspannung nicht bereits merklich spürbar war, schien diese nochmals zuzunehmen. Nami verzog das Gesicht, wurde regelrecht unsicher, denn als sie Robin in den Arm nahm, zurückzog, hatte ihr Körper schnellere reagiert als ihr Verstand. Es war eine Sache die andere zum Reden zu bringen. Sie festhalten eine vollkommen anderen, gefährlichere. Nami beschlich das dumpfe Gefühl, dass ihre Kameradin bereits an etliche Möglichkeiten dachte, wie sie die Navigatorin unsanft auf Abstand brachte, wenn nicht gar ihr für das frevelhafte Verhalten das Genick brach. Just als Nami den Griff lockerte, abbrechen wollte, hörte sie die Stimme der anderen, spürte eine Handfläche auf ihrem Arm. „Ich lasse dir die Wahl. Von wem möchtest du die Geschichte zuerst hören?“ [02] - »Sehnsucht.« ------------------- Die Türklingel schrillte. Automatisch suchten die rehbraunen Augen die Digitaluhr – 23:49. Recht ungewöhnliche Zeit, sie erwartete niemanden. Die Stirn lag in Falten, ein erneutes Klingeln. Misstrauisch glitt das Buch aufs Sofa. Energisch schritt Nami den Flur entlang. Jemand schien nicht aufzugeben. Entnervt von der Ungeduld, riss sie die Türe förmlich auf, doch eine schnippische Bemerkung blieb im Halse stecken. „Hey.“ Kaum hörbar. Knapp, einfach. Irritiert blinzelte Nami. Hatte sie das Datum falsch in Erinnerung? Robin lächelte ihr entgegen. „Die Arbeit ist fertig. Da dachte ich, ich nehme den früheren Flug.“ Drei Wochen waren lange genug gewesen. Die Sehnsucht hatte gewonnen. [03] - »Bitterer Abgang.« ------------------------- Eine Soldatin, gegen die Wand gerückt, suchte, lauschte nach feindlichen Spähern. Bei Dämmerung waren sie hierher geflüchtet, in ein kriegsgezeichnetes Einfamilienhaus. Die im Osten gelegene Kompanie war das Ziel. Der letzte Funken Hoffnung. Ihre schwarzhaarige Befehlshaberin stand dicht bei ihr, entsicherte das Gewehr. Sie mussten los. Die Atmosphäre knisterte bedrohlich. Der Tod klopfte an, Ansprachen waren deplatziert. Ein Blick in die Augen der jeweils anderen, ausreichend. Draußen wartete sie, die kugelsichere Nacht. Der Impuls gewann die Überhand. Der Rotschopf packte die andere am Hemdkragen, zog sie nahe, stahl den Kuss, den sie lange schon ersehnte. „Reue wäre ein bitterer Abgang.“ [04] - »Warten.« ---------------- Krankenhäuser mochte sie nie. Dasselbe galt für nächtliche Anrufe. In Kombination ergaben beide ihr persönliches Worst-Case-Szenario. Zweimal hatte es seinen Tribut eingefordert. Nun, mit 24, befand Nami sich neuerlich in ihrem Alptraum. Wartend in einem leeren, drückenden Wartesaal, der kleiner wurde je länger sie hier ausharrte. Im Ticken der Uhr wippten ihre Fußballen. Eine unkontrollierte Bewegung gegen die sie machtlos war. Die Angst stand hinter ihr, schloss sie in eine lieblose Umarmung. Sekunden lag ihre Handflache an ihrer Brust, nahm das stark schmerzende Herz wahr. Hoffend das Gefühl würde versiegen bohrten sich ihre Fingernägel in die Haut. Nichts half, nichts ließ sie aufwachen. Die letzte Zwischenmeldung erhielt so vor ungefähr einer Stunde. Keine Nachrichten galten aus gute, richtig? Der Tod durfte seine Trumpfkarte kein weiteres Mal ausspielen. Warum hatten sie diesen Streit angefangen? Eine Lappalie, grundlos hochgepusht. Was, wenn das die letzten Worte zueinander waren? Wie abermals zuvor verbarg Nami das Gesicht in den Handflächen, unterdrückte die Tränen, das Schluchzen. Seit sie hier war, gingen sie in Lauerstellung. Alle möglichen Szenarien schossen ihr durch den Kopf, die den Unfall gar verhindert hätten, aber am Ende brachten sie nichts. Es war geschehen. Wenn und Abers taten nichts zur Sache. Eine Hand legte sich auf ihren Rücken, strich sanfte Kreise. Mehrmals blinzelte Nami, erwachte aus ihrer Gedankenwelt, die sie allmählich zu ersticken drohte. Kaum merklich neigte sie den Kopf, fand das Augenpaar ihrer Begleitung. Nachdem sie den Anruf erhalten hatte, wusste sie, dass sie nicht in der Lage war alleine hierher zu kommen. Dafür war die Angst vor dem Verlust eines weiteren geliebten Menschen wahrlich groß. Wie in Trance hatten ihre Finger die Nummer des einzigen Menschen gewählt den sie in solch einer Situation an ihrer Seite wollte, akzeptierte: Robin. Vier Worte reichten aus und Robin brachte sie hierher, wartete mit ihr, wenngleich Nami die Anwesenheit der anderen oftmals ausblendete. Flehend suchte sie in den blauen Augen nach der einen, hilfreichen Antwort, die ihr die Angst nahm, ihr sagte, alles ginge gut aus. Doch blieb ihr diese verwehrt. Abwarten war die einzige Option. Kraftlos sackte sie gegen den Körper der Schwarzhaarigen. Die Nacht war noch lange nicht durchgestanden und der Ausgang ungewiss. [05] - »Spannend?« ------------------ Mitternacht. Schlaf blieb aus, die Langeweile stieg. Regentropfen prasselten unaufhörlich gegen das Bullauge. Tagsüber hatte der Regen die Crew bereits ins Innere gelockt. Das Verlangen nach einem Rundgang blieb aus. Laut seufzend rollte Nami auf ihren Rücken, streckte die Glieder aus. Eine Nacht wie diese hatte sie lange nicht mehr erlebt. „Ist das Buch spannend?“, fragte sie daher die Archäologin, die die Stunden auf gewohnte Weise verbrachte. Ein Buch, eine Kanne Kaffee, sie war somit gerüstet. Robin gab keinen Ton von sich, lediglich das Blättern der Seite war hörbar. Brummend hob Nami den Kopf, warf einen Blick in Robins Richtung, die es sich am anderen Ende des Zimmers, auf der Sitzgarnitur, bequem gemacht hatte. Bücher hatte Robin nie satt, stets gaben sie ihr eine willkommene Abwechslung. Nami war dahingehend ein wenig anders. Die eigenen Lektüren oder gar die Karten verschafften ihr nicht immer eine Beschäftigung. An manchen Tagen oder in Nächten, wie in dieser, zogen sie diese einfach nicht an. „Dieselbe Frage hast du bereits vor zehn Minuten gestellt“, entgegnete Robin schließlich, nachdem Nami schon gar nicht mehr mit einer Antwort gerechnet hatte, verzog jedoch keine Miene. Langeweile empfand Nami selten, umso mehr lechzte sie dann nach jedem noch so kleinen Strohhalm. Fühlte ihrer Freundin merklich auf den Zahn. Nach etlichen Versuchen erhielt sie eine Antwort, ein Anfang. Darauf konnte sie aufbauen. „An welcher Stelle bist du gerade?“ Mittlerweile hatte Nami sich an ihren Unterarmen abgestützt, musterte die andere akribisch. „Wird dir nicht sehr viel sagen.“ Die Stimmlage der Schwarzhaarigen blieb ruhig, gelassen, und doch glaubte Nami ein Seufzen gehört zu haben. „Du kannst es mir erklären.“ Da! Robin hob den Kopf, sah sie an. Die Skepsis stand ihr ins Gesicht geschrieben. Spärlich sprach Nami sie diesbezüglich an. Höchstens wenn ihr ein Buchtitel interessant erschien oder Robin länger an ihren Forschungen saß und vollkommen jegliches Zeitgefühl verlor. „Bist du dir sicher oder soll ich lediglich aufhören?“ Unschuldig lächelte Nami, zuckte mit den Schultern. „Musst du nicht.“ Bedächtig nickte Robin. Wieder senkte sie ihren Kopf, las daraufhin weiter. Für ein paar Minuten trat neuerlich Stille ein, in denen Nami Luftlöcher starrte. Nach und nach zeichnete sich ein breites, herausforderndes Grinsen auf ihren Lippen ab. „Spannend?“ Sacht schüttelte Robin den Kopf, gluckste. [06] - »Hoffnung stirbt zuletzt.« --------------------------------- Mürrisch verzog Franky das Gesicht. Der Hunger trieb ihn ans untere Deck. Sternenklar, kalt war die Nacht. Oben hatte er es gerade warm gehabt, doch das Knurren ließ nicht locker und so wollte er die restliche Nachtwache nicht verbringen. Einzig die Müdigkeit blieb aus, anscheinend zeigte das Nickerchen am Abend seine Wirkung. Die Nacht gehörte dieses Mal ihm alleine, nahm er jedenfalls an, und doch, aus der Kombüse drang Licht. Neugierig drückte er das Gesicht ans Bullauge, suchte nach dem Übeltäter, erhaschte einen kleinen Hinweis und staunte. „Dich habe ich heute nicht erwartet“, sprach er seinen Gedanken unverblümt aus, noch bevor er gänzlich im Raum stand. Hinter dem Tresen befand sie sich, Robin, alleine, öffnete gerade eine Weinflasche. Gut, dafür fand er mehr als eine Erklärung. Ein sachtes Lächeln schenkte sie ihm, griff nach einem einzigen Glas und füllte dieses mit der roten Flüssigkeit. Sein Bauchgefühl hatte ihn nicht betrogen. Unschlüssig schob sich Franky an ihr vorbei, tippte den vierstelligen Code, den auch er mittlerweile kannte, ein, lugte in den Kühlschrank. Eine Kleinigkeit, die kaum Aufwand brachte, musste er doch finden. Nebenbei riskierte er immer wieder einen Blick über die Schulter. Bisher blieb ihm eine Antwort verwehrt. „Sag mal“, versuchte er ins Gespräch zu kommen, brach ab, fand die passenden Worte nicht. Eigentlich konnte er direkt mit der Türe ins Haus fallen, aber war ihm diese Methode unpassend. Die Thematik gehörte gewiss nicht in Frankys Fachbereich. Robin horchte auf, lehnte mittlerweile gegen die Arbeitsplatte. „Das Gespräch hatte nicht den erhofften Ausgang. Das wolltest du fragen, nicht wahr?“, nahm sie ihm ab und lächelte schwach. Überführt sah Franky nach vorne. Wie er darauf reagieren sollte, konnte er schwer einschätzen. Zufällig waren sie deswegen ins Gespräch gekommen. Nie hatte er damit gerechnet, nie. Vielleicht, weil er generell nie geglaubt hatte, so ein Problem innerhalb der Besatzung vorzufinden. Woher auch? Der Großteil beschäftigte sich nicht für Gefühle dieser Art. Das am Ende ausgerechnet Robin verliebt war, ja, die Neuigkeit hatte ihn anfangs gar schockiert. Lag wohl vermehrt auch an der Person, für die Robin Gefühle hegte. „Dann hat sie an Frauen kein Interesse?“ „Ehrlich gesagt, ich habe keinen blassen Schimmer“, hörte Franky die Stimme der Frau nahe an seinem Ohr. Wann sie neben ihn heran getreten war, hatte er nicht mitbekommen. Sie griff an ihm vorbei, holte Lebensmittel hervor. „Schließt du ihn?“ Skeptisch tat er das Gesagte, lehnte gegen das Stahlgehäuse. Einen Moment lang beobachtete er Robin schweigend, sah wie sie in den Schränken hantierte. Kochte sie ihm tatsächlich einen Mitternachtsimbiss? Vielmehr, Robin konnte kochen? Ihm wurde bewusst, wie wenig er sie kannte. Kein Wunder, Jahre über lebte er ihm Glauben sie war der Feind, eine Bedrohung für die Welt. Auf Enies Lobby erkannte er bereits die Wahrheit und auf Thriller Bark standen sie ihr ersten richtig offizielles Abenteuer als Kameraden durch. Viel Zeit für tiefere Gespräche und Einblicke hatte es bisher kaum gegeben. „Was?“ Sacht schüttelte er den Kopf, lächelte sanft. „Nichts.“ Franky behielt den Blick aufrecht, dachte an jene Unterhaltung von vor ein paar Tagen nach. Bei dieser hatte er einige Nerven liegen gelassen, denn diese Frau schaffte es ziemlich lange um den heißen Brei zu reden, alles auszuschmücken, wodurch er anfangs keine Ahnung hatte, worauf sie überhaupt hinaus wollte. Ihre Verliebtheit hatte sie direkt sowieso nie ausgesprochen, er war derjenige, der die Worte in den Mund nehmen musste. Überraschend das sie sich die Gefühle tatsächlich eingestand. Neugierig kratzte er sein Kinn. „Hast du Nami verständlich gemacht, was in dir vor sich geht?“ Vorsichtig kamen die Worte über seine Lippen. Immerhin durfte er Robin nicht verstimmen, das Wohl seines Magens lag derzeit in ihren Händen. Stirnrunzelnd warf sie einen Blick zur Seite. Erkannte er ein gefährliches Funkeln? Sichtlich schluckte Franky. „Gewiss. Immerhin habe ich das Gespräch gesucht.“ Ihre Schultern zuckten. „Direkt?“, setzte er nach, öffnete nochmals den Kühlschrank, griff nach einer Flasche Cola. Ein Frösteln überkam seinen Körper, die Nackenhaare standen empor. Robin nahm ihn ins Visier und das behagte ihm nicht. „Franky, ich bitte dich. Ein richtiger Gefühlsmensch werde ich nie sein, aber ich weiß durchaus mein Problem in Worte zu fassen.“ Robin war bewusst, worauf er anspielte und sie verstand seine Nachfrage. Ein Gespräch mit Franky war ein anderes Kaliber als ein Geständnis und ihrer Meinung nach hatten sie es recht gut gemeistert. Sogar offen ausgesprochen, wie sie zur Navigatorin stand. Dieses Mal hatte sie auch die notwendige Zeit gehabt um sich sogar einen passenden Text auszudenken. „Schon gut“, murmelte er, setzte zu einem größeren Schluck an. Mittlerweile köchelte sein Imbiss in der Pfanne. Ein herrlicher Duft drang ihm in die Nase. „Und wie geht’s weiter?“ Darauf fand selbst Robin keine konkrete Antwort. Nachdenklich schwenkte sie ihr Glas. „Abwarten. Dem Ausdruck zu urteilen, habe ich sie ziemlich überrumpelt. Schätze sie braucht ein wenig Zeit.“ „Ist ein …, Anfang?“ „Bin ich mir nicht sicher, aber, solange sie mir nicht ins Gesicht sagt, ich habe gar keine Chance und wir ignorieren den Umstand, …“ Robin verzog das Gesicht. Ihr war diese Thematik wahrlich schleierhaft, „spüre ich einen Funken Hoffnung.“ Hoffnung. Kein Garant, aber bisher hatte sie die Hoffnung, trotz der Jahre des Wartens, nicht vollkommen enttäuscht. Ob sie in diesem Fall einen ähnlichen Ausgang erhielt? Oder war die Hoffnung tatsächlich unangebracht und sie machte sich somit etwas vor? „Hoffen. Das reicht dir?“ Sein Essen war angerichtet. Lächelnd schob sie ihm den Teller entgegen, machte sich bereits daran die Spuren zu beseitigen. „Vorerst.“ Was sollte sie anderes sagen? Grinsend sank Franky auf einen Hocker, schob sich den ersten Bissen in den Mund. „Lecker“, lachte er freudig. Das Gespräch hinsichtlich Nami war vorerst beendet. Jedenfalls wirkte Robin nicht in Stimmung länger ein Wort darüber zu verlieren. Sie beließ es dabei, hoffte einfach auf eine baldige Antwort. Irgendetwas, positiv oder negativ. Hauptsache sie wusste, wo sie stand. Seufzend leistete sie Franky Gesellschaft, setzte sich neben ihn, der schon bald erneut eine Unterhaltung suchte, die in eine vollkommen andere Richtung lenkte. Denn Gesprächsstoff hatten sie reichlich und so konnte er Robin wenigstens ein wenig ablenken. [07] - »Keine Chance.« ---------------------- „Vertrau mir!“ „Nein!“ „Dir passiert nichts“, wagte Nami einen neuerlichen Versuch. Eine warme, schwüle Vollmondnacht, eine unbekannte, verlassene Insel. Nach einem Spaziergang, der Ablenkung verschaffte, fanden sie eine kleine Bucht. Sofort hatte Nami die Gelegenheit genutzt, sich eine wohltuende Abkühlung gegönnt. „Ich pass auf dich auf, versprochen“, setzte die junge Frau nach, lächelte erwartungsvoll. Seit geschlagenen Minuten jedoch, da biss Nami auf Granit. Den Abstecher ins kühle Nass verweigerte ihre Freundin, unter allen Umständen, eröffnete ihr kaum einen Verhandlungsspielraum. „Komm morgen mit den Jungs hierher, die nehmen das Angebot sofort wahr“, kam die prompte Antwort. Robin behielt ihren Standpunkt bei, wehrte sich gegen das Vorhaben. „Will ich aber nicht.“ „Dein Pech“, säuselte die Archäologin, stützte sich mit den Armen nach hinten hin ab, während Nami, die hüfthoch im Wasser stand, sie keine Sekunde aus den Augen ließ. „Du hast kein Vertrauen in mich.“ Geknickt kamen ihr die Worte über die Lippen. Ein schlechtes Gewissen bekam Robin nicht, vielmehr griente sie auf die Aussage hin. „Die Masche funktioniert höchstens bei unseren Jungs, das weißt du. Dein Wunsch, sagen wir er geht eine Spur zu weit.“ Woher die plötzliche Hartnäckigkeit? Verständnislosigkeit breitete sich aus. Bisher hatte Nami lediglich hie und da versucht Überzeugungsarbeit zu leisten, aber lange darauf gepocht, hatte sie bisher nie. Ein Punkt, in dem sich Robin sehr von den restlichen Teufelskraftnutzern unterschied. Ruffy, Chopper und Brook, sofort waren sie Feuer und Flamme, keine Chance wurde ausgelassen. Im Meer planschen. Darin sah Robin keine Unterhaltung oder gar Entspannung. Dieses sogenannte Vergnügen überließ sie den anderen liebend gern. „Du tust als ob ich dich absaufen lasse“, riss die Stimme der Navigatorin sie aus den Gedanken. Sacht neigte Robin den Kopf, setzte ein einfaches Lächeln auf. Ein paar Minuten noch, dann dürfte der Geduldsfaden wohl reißen und das Thema würde bereinigt werden. Denn Nami wusste, sie konnte Robin nicht zwingen und doch gab sie vorerst nicht auf. Immerhin luden die Bedingungen förmlich ein, niemand sonst war anwesend, und lieber wagte sie hier, in Zweisamkeit, den Versuch. Neben der restlichen Crew brauchte sie so oder so nicht anfangen, da blockierte Robin erst recht. „Ich möchte diesen Umstand lieber vermeiden, aber um dich glücklich zu stimmen“, provokant streckte Robin die Beine aus, berührte mit den Füßen das Wasser, „siehst du, ich bin drin.“ Deutlich vernahm sie ein lautes Brummen, erkannte wie Nami die Hände in die Hüften stemmte. „Du bist unmöglich!“ „Ich liebe dich.“ [08] - »Sorgen halten wach.« ---------------------------- „Frische Luft schnappen?“, hörte Robin als sie aufgestanden, den Mantel um ihre Schulter gab und Richtung Tür gegangen war. Wie vermutet hatte Zorro leicht gedöst, selbst keine ordentliche Portion Schlaf gefunden. Im Schein der Lampe erkannte sie seine Gesichtszüge, er starrte sie an. Seitdem Sabo aufgebrochen war, Franky sich halbwegs zusammengeflickt hatte und einschlief, hatten sie kein Wort mehr gewechselt. Schwer schätzte sie sein Befinden ein. Obwohl sie alle einen erfreulichen Grund hatten, eigentlich feiern konnten, waren sie auf Abstand gegangen, ließen die Bewohner unter sich. Wieder hallten Sabos Worte in ihren Ohren. Die CP0 stand vor ihrer Rückkehr, sie mussten bald fort. Und doch, dieser Aspekt bereitete ihr kaum Kopfzerbrechen, hielt sie nicht wach und machte sie rastlos. Ihre Gedanken kreisten um die Sunny-Gruppe. Der letzte Kontakt war Stunden her, noch bevor der Kampf gegen den Joker richtig angefangen hatte. Seitdem herrschte absolute Funkstille, trotz mehrmaliger Versuche. Zorro zeigte große Zuversicht, Unbekümmertheit. Aufgesetzt, so dachte sie. Einen Moment betrachtete sie bloß ihre Kameraden, die ihren Schlaf nachholten, ramponiert aussahen, vernahm deren Schnarchen. „Ja“, sagte sie leise, ein merkwürdig beunruhigender Ton schwang in ihrer Stimme mit. Schweigend sahen sie sich an ehe es Zorro war, der kaum merklich nickte, den Kopf neuerlich gegen die Holzwand lehnte und das Auge schloss. Ein stummes Gespräch, das sie in der Vergangenheit oftmals geführt hatten, das ihnen mehr aufzeigte als wenn sie tatsächlich ein Wort verloren. Mehr brauchten sie nicht. Und so ging Robin endgültig ihrem Vorhaben nach, schloss beim Verlassen leise die Tür. Um den Verletzten die Möglichkeit auf Erholung zu geben, fanden sie Zuflucht in Kyros Haus, am höchsten Punkt der Insel. Vom Rand aus hatten sie einen guten Überblick auf die Stadt. Hier herrschte Stille und so schnell trieb es keinen Bewohner an diesen Ort. Tief atmete sie ein, setzte sich gemächlich in Bewegung und lauschte der Umgebung. Nichts, sogar der Wind blieb aus. Im Laufe der Nacht hatte die Luft abgekühlt, enger schlang sie den Mantel um ihren Körper. Wieder drehten sich ihre Gedanken im Kreis. Wie erging es der Sunny-Gruppe? Wo waren sie? Am Tage, so musste sie sich eingestehen, gab es kaum einen Zeitpunkt an dem sie an sie denken konnte. Sie wusste lediglich, dass sie den Befehl erhielten, mit Caesar zu verschwinden, den Trumpf in Sicherheit zu bringen. Dann brach neuerlich die Hölle über sie herein, der Kampf forderte die gesamte Aufmerksamkeit. Nun, da all die Last abgefallen war, konnte Robin ihre Nervosität nicht länger verbergen, weder vor Zorro noch vor sich. Sie machte sich Sorgen, große. Eine einfache, kleine Nachricht und sie würde beruhigt sein, dem Schrei nach Schlaf nachkommen, aber so? Unmöglich. Keine Nachrichten waren gute, hieß es, aber anscheinend hatte dieser jemand nie in ihrer Haut gesteckt. Ihre kleine Familie war unvollkommen, ohne Hinweis auf dem offenen Meer verschwunden. Hatte es einen Angriff gegeben? Ermüdet blieb sie stehen, umringt von Blumen. Vorsichtig bückte sie sich, strich einen Blumenkelch entlang. Ihr Rücken schien in Ordnung, wenigstens ein positiver Aspekt. Verträumt musterte sie die Blume. Von Minute zu Minute vergrößerte sich die Distanz zwischen den Dagebliebenen und der Sunny-Gruppe. Seit der Zusammenkunft auf dem Archipel waren sie nicht mehr auf solch eine Weise getrennt gewesen. Unwillkürlich stahl sich das Gesicht der Navigatorin in ihre Gedanken, ein Seufzen verließ die Lippen. Ob es ihr gut ging? Gewiss machte sie sich um alle Sorgen, aber bei Nami war es anders. Für jeden an Bord wusste sie ihre Gefühle zu benennen. Bei ihr hatte Robin gewisse Schwierigkeiten. Schwierigkeiten, die ihr der Verstand auferlegte, der sie die Empfindungen dem Rotschopf gegenüber nicht eingestehen ließ. Sobald sie den Versuch wagte und näher darauf einging, so rasch blockierte ihr Verstand. Sprach dagegen und vieles sprach nicht gerade für solche Gefühlsregungen. War Nami in der Nähe, schaffte sie diese zu umgehen, einen klareren Kopf zu bekommen, nicht einen waghalsigen Schritt zu tun. Kaum waren sie voneinander getrennt, schon fiel es ihr ungemein schwer. Die zwei Jahre waren somit in gewisser Weise ein Horror gewesen. Wie nun. Wieder setzte sich Robin in Bewegung. Ein kleiner Spaziergang sollte sie auf andere Gedanken bringen, bloß wie? War das womöglich eine falsche Entscheidung gewesen? Vielleicht sollte sie umdrehen. Zorro schlief nicht, sie könnte locker ein Gespräch anfangen, belanglose Dinge austauschen oder aber über das Kommende sprechen. Denn sie hatte es in seinem Auge gesehen, über den Verbleib der restlichen Crew wollte er diese Nacht nicht sprechen. Das hatten sie bereits getan und waren ohne Lösung verblieben. „Es hat keinen Sinn“, wisperte sie und setzte den Weg fort. Ganz gleich was sie auch tat, solange die Crew nicht wieder beisammen war, kein Feind ihnen das Leben schwer machte, würde sie keine Ablenkung finden. Immer wieder würde sie Namis Gesicht sehen, sich fragen, wie es ihr erging. Diesen merkwürdigen Schmerz spüren. Die Distanz würde erneut ihr bitterster Kontrahent sein. [09] - »Auf Achse.« ------------------- „Komm, nimm das Angebot wahr. Lass den tristen, eintönigen Alltag hinter dir, haben sie gesagt“, äffte Nami kaum hörbar, schlich auf leisen Sohlen die Mauer entlang. Trist und eintönig waren gewiss unpassende Worte für ihren Lebensstil. „Mit uns kannst du die Welt bereisen, Kulturen kennenlernen.“ Nach Anbruch der Nacht verschwand die hohe Temperatur; ein kühler, aber angenehmer Wind herrschte. Innerlich sehnte sie sich nach Gras. Grün, feucht. In den zwei Jahren, die sie mit diesem Trupp verbrachte, hatte Nami viele Orte gesehen. Manche standen bereits auf einer Liste, diese besuchte sie irgendwann nochmals. In Ruhe, mit viel Zeit, ohne einem Auftrag im Nacken, der sie jederzeit in große Schwierigkeiten bringen konnte. Dann existierten Orte, die sie abgehakt, gesehen hatte, sie jedoch wohl nie wieder von alleine betreten würde. Dieser hier stand weit oben auf jenem Teil der Liste. Besonders den Sand hatte sie satt. Ein Glück, dass das Abenteuer hier, bald schon sein Ende fand. Nami erreichte ihr Ziel, lehnte gegen die Wand, des gegenüberliegenden Hauses. Verborgen in einer kleinen Seitengasse, erkannte sie keine brennenden Lichter. Perfekt für ihre eigene, kleine Operation, während ihr Team dem Hauptauftrag nachging. Am Tag war sie hier gewesen, die Umgebung unter die Lupe genommen, dann in der vorigen Nacht. Kaum Wachpersonal, aber ein kleiner, feiner Nebenverdienst. „Ich verspreche dir, du wirst auf deine Kosten kommen und Spaß haben.“ Auf Kosten kommen, das entsprach der Wahrheit. Da sie hauptsächlich für Navigation und den Vorbereitungen an Bord geholt worden war, hatte sie ausreichend Möglichkeiten, ihr eigenes Konto aufzubessern. Hie und da schnappte sie Anderweitiges. Kleinigkeiten, die ihren Freunden gefiel; Informationen, die sie durchaus zu verkaufen wusste. Ihre Langfinger entdeckte sie bereits im Kindesalter, oft hatte es sie in Schwierigkeiten gebracht, aber damals gab es keine anderen Mittel, und heute waren diese Fertigkeiten unabdingbar. Der Spaß hingegen, den suchte sie ab und an, konträr zur ihren Freunden. Sie liebten, das stand außer Frage, den Nervenkitzel des Abenteuers. Während Nami die Hintertür suchte, begnügten sie sich oftmals mit der Vordertür. Ein Schusswechsel, eine Verfolgungsjagd folgte auf die nächste. Listig, wie sie war, stand Nami mittlerweile im gewünschten Raum. Fünfzehn Minuten, dann musste sie verschwunden sein. Fünfzehn Minuten, die vollkommen ausreichten. Ein rascher Rundgang, und ihre Mundwinkel formten ein wohliges Grinsen. Vor ihren Augen sah sie bereits die Geldzeichen. Obwohl sie für diese Arbeit ihr ansonsten angenehmes Leben und allen voran ihre Freiheit riskierte, war diese Arbeit wesentlich lukrativer als alle bisherigen. Und ja, ob sie sich die Wahrheit eingestand oder nicht, diese Art des Abenteuers, das liebte auch Nami. Ein Hauch des Nervenkitzels, der sie am Leben erhielt. Warum sonst hätte sie zugestimmt? Die Ausrüstung war ausgepackt, der Safe kein unüberwindbares Hindernis. Die Zeit spielte für sie. Leise summend besah sie nebenbei den Schreibtisch. Schelmisch schwang sich Nami in den Sessel, strich das Holz entlang. Automatisch suchten ihre Finger nach einem Hinweis. „Mach das Boot klar, wir müssen verschwinden. Du hast zehn Minuten“, verpuffte ihre Ruhe via Headset. Tonlos seufzte Nami. Nach all den gemeinsamen Abenteuern, kannte sie die Angewohnheit. Bevor sie eine Antwort gab, lauschte Nami den Hintergrundgeräuschen, wog die Gefahr ab. Auf Anhieb bloß der Motor. „Stress mich nicht“, erwiderte sie gelassen, warf einen Blick auf die Uhr. „Zwanzig Minuten ist das Maximum. Früher schaff ich’s nicht.“ Der Tisch erntete keine Aufmerksamkeit mehr. Gänzlich drehte Nami sich dem Safe zu, der mittlerweile offen war. „Bingo“, murmelte Nami und griff bereits nach dem ersten Geldscheinstapel. Ihre Hand jedoch hielt inne, neue Geräusche waren hörbar. Fluchen, das sich stark nach Franky anhörte und ein unverkennbares Lachen, Ruffy; gepaart mit … Schüssen? „Ernsthaft?!“, stieß Nami schrill aus, lauter als vorgehabt. „Kleine Fehlkalkulation“, erklärte Robin und Nami konnte förmlich sehen, wie diese ungerührt mit den Schultern zuckte. Entspannt wie eh und je. „Fahr eine Runde, irgendwas, ich brauche noch ein paar Minuten“, sprach Nami deutlich angesäuert, packte den Inhalt ungehalten in ihre Tasche. Vermehrt wanderte ihr Blick Richtung Türe. Hoffentlich hatten die Wachen sie nicht gehört. Die Probleme, die ihr Team angehäuft hatte, reichten. „Liebes, ab jetzt hast du zehn Minuten.“ Die Verbindung brach ab. Ihre Andern pochten, Abenteuerlust hin oder her, sie hasste Komplikationen jener Art. × × „Du scheinst leicht gestresst.“ Nami brummte lediglich, lag in ihrer Koje und hatte die Augen geschlossen. Knapp, so beschrieb sie diese Tour. Knapp entkommen, knapp am Hafen angekommen, knapp eingeladen. Knapp den Verfolgern entflohen. Knapp halt. „Nami, du hättest früher dorthin gehen können.“ Gereizt verzog sie das Gesicht, hievte sich auf. „Früher? Laut Abmachung hatte ich zwei Stunden. Ich war planmäßig unterwegs!“, verteidigte sie sich. „Schon gut. Hat dir das deine Laune so sehr verdorben?“ Robin, die die Magazine ihrer Pistolen gewechselt und sie sicher, aber greifbar, verwahrt hatte, richtete sich auf; blickte ihrer Freundin neckend entgegen. „Deine Tasche sieht voll aus.“ Das tat sie und dagegen konnte Nami nichts sagen. Ihr Spesenkonto durfte sich freuen. Neugierig auf die genaue Summe war sie allemal, doch brauchte Nami noch die eine oder andere Minute. Kugelhagel mochte sie nicht. „Dein Anruf … sagen wir, er kam unpassend.“ So wie ihre Reaktion. Entweder hatte sie die Zeit falsch eingesetzt oder aber, er hatte ihren kleinen Ausbruch gehört. Fakt war, der Wachmann stand plötzlich im Raum. Direkte Auseinandersetzungen vermied Nami. Im Gegensatz zu ihren Freunden trug sie ihre Waffe lediglich für den äußersten Notfall. Bisher ließ sich ihr Einsatz vermeiden und das wollte Nami beibehalten. „Musstest du auf jemanden schießen?“, hakte Robin nach, als hörte sie die Gedanken der anderen. „Fast.“ Das Schweigen, das eintrat, missfiel Nami und so griff sie nach ihrer Tasche und leerte den Inhalt auf den Boden, ließ sich selbst auf diesem nieder und lehnte gegen die Koje. Neben Geldscheinen stachen Juwelen hervor. Solche behielt sie nie, dafür hatte sie genügend Kontakte, die ihr recht gutes Geld einbrachten. „Urlaub“, hörte Nami während des Zählens. „Bitte?“ Robin lächelte sanft, gesellte sich zur anderen, beobachtete das gewohnte Bild. „Du hast mich verstanden. Sag mir wohin und wie lange, ich erledige den Rest. Bloß wir beide. Unsere Chaoten überleben schon irgendwie.“ Misstrauisch blickte Nami über die Scheine hinweg. „Kein Auftrag? Keine Artefakte, persönliche Schatzsuche?“ Glucksend verneinte Robin. „Du verstrickst mich in keine wilde Verfolgungsjagd? Oder eine Schießerei?“ Ein Kopfschütteln folgte. „Wie gesagt, wir machen Urlaub. Und sollten wir zwei Wochen am Strand liegen, dann … liegen wir halt am Strand.“ Die letzten Monate hatten kaum eine Pause enthalten. Von einem Ort zum nächsten. Unbeständigkeit, Chaos hatte regiert und dieses Mal wollte sogar Robin eine kleine Pause. „Ich stelle lediglich eine Bedingung: Kein Sandstrand.“ Robin nahm die Worte zur Kenntnis, vermied jedoch einen neckenden Kommentar. Der Vorschlag traf genau ins Schwarze. Ein wenig Erholung, die sie allesamt brauchten und die, so wie Robin das einschätzte, nie ein Dauerzustand werden würde. Schon bald, das wusste auch Nami, egal wie oft sie sich gerne gegen den Gedanken wehrte, kam das Verlangen zurück. Das Verlangen nach einem neuen Abenteuer, dem resultierendem Nervenkitzel und das Spiel begann, wie stets, von vorne. [10] - »Freut mich für euch!« ----------------------------- Drei Monate waren seit dem Abstecher nach Alabasta und Vivis Krönung vergangen. Die Strohhutbande hatte erneut in der Neuen Welt Fuß gefasst. Eine Zeit, geprägt von Kämpfen gegen die Marine, aufschlussreichen Abenteuern, die nach einer redlich verdienten Pause schrie. Der Zwischenstopp auf einer kleinen recht überschaubaren Insel, die lediglich eine Stadt und eine Unmenge an Piraten, die dem Suff nachgingen, beherbergte, kam für die Crew wie gerufen. Nico Robin galt endgültig als fester Bestandteil der Strohhutbande. All die damit verbundenen Strapazen waren abgehakt und nach den vielen Gesprächen der ersten Tage, hatten sie und Nami endlich eine Einigung erzielt: Ein Neubeginn, der Aufbau ihrer früheren Freundschaft, des notwendigen Vertrauens ineinander. Die lange Auszeit hatte ihnen neue Kraft gegeben, die Wogen geglättet und jede gab ihr Bestmögliches. Im Grunde genommen lernten sie die jeweilig andere besser kennen als jemals zuvor. Nun war die Nacht weit voran geschritten und der Abstecher in die Bar, der mehr einer Feier glich, neigte sich dem Ende entgegen. Während Zorro und Franky noch einen halbwegs klaren Kopf aufwiesen, zeichnete sich der hohe Alkoholpegel bei der restlichen männlichen Besatzung deutlich ab. Chopper döste bereits auf einem der Tische, Lysop behielt die Augen kaum offen, Ruffy döste, obwohl er noch das eine oder andere Essen, das er auf wundersame Weise fand, sich in den Mund schob. Sanji hatte sich von den freizügigen Damen bezirzen lassen, befand sich in seinem persönlichen Himmel, und zeigte als einziger keine Anstalt den Abend zu beenden. Robin beobachtete ihre Freunde, streifte nebenbei den Mantel über. Zeit aufzubrechen. Während sie jenen der Navigatorin schnappte, beglich diese die Rechnung, die sich sehen ließ und feilschte mit dem Wirt, der seinem Standpunkt treu blieb. Als sie zu Nami aufschließen wollte, kam ihr ein junger Mann entgegen, hielt einen Augenblick lang verstört inne. Eingeschüchtert so wirkte er, scheute vehement den Blickkontakt. Verräterisch zitterte der Krug in den Händen, die Flüssigkeit schwappte fast über. Losgelöst aus der Starre schob er sich panisch an der doch größeren Frau vorbei. Marschierte schnurstracks zu einem der hinteren Tische, wo eine Gruppe bereits auf ihn wartete und Robin mit gemischten Gesichtsausdrücken musterte. Skeptisch zog diese die Augenbrauen zusammen. „Ich habe das dumpfe Gefühl, du hast eine Erklärung für dieses Verhalten“, sprach sie schließlich an Nami gewandt, hatte sich zu dieser gesellt, die sofort leise in sich hinein lachte. „Ertappt“, entgegnete sie belustigt, warf einen Blick über die Schulter der anderen, die wartend eine Antwort einforderte, „sagen wir, er hat nicht locker und mich in Ruhe gelassen. Um ihn abzuwimmeln, habe ich ihm dezent mitgeteilt, wir seien ein Paar und du seist äußerst eifersüchtig. Eventuell habe ich dem eins drauf gesetzt und gesagt, dass der letzte Mann, der nicht aufgehört hat, am nächsten Morgen mit gebrochenem Genick aufgefunden wurde?“ Scheinheilig grinste sie, zuckte mit den Schultern. „Du hast was?“ Entsetzt hielt Robin den Mantel hoch, half Nami beim Anziehen. „Dein Name, die kleine Notlüge …, du hast einen einschüchternden Ruf. Sofort hat sich der Macho als Weichei entpuppt. Du hättest sein Gesicht sehen müssen.“ Das Grinsen verebbte nicht, wurde sogar größer. Da Robin keine Anstalt machte sich in Bewegung zu setzen, lehnte Nami seitlich gegen die Theke und sah zur anderen hoch. „Komm, das war lustig. Nimm ‘s mir nicht übel.“ „Stufst du mich als eifersüchtig ein?“, kam die Antwort seitens der Archäologin, mit der Nami ganz und gar nicht gerechnet hatte. Ihr Grinsen verschwand. „Du zerbrichst dir jetzt ernsthaft darüber den Kopf? Wirklich?“ Akribisch musterte sie die Züge der älteren Frau, und je länger sie das tat desto klarer wurde Nami dass das tatsächlich der Fall war. „Robin“, sprach sie sanft den Namen aus, doch schwieg diese, spürte lediglich die Blicke der Gruppe im Nacken. Tief atmete sie durch und grinste schließlich. Wenn schon, denn schon. Ein einfacher Gedanke, der Ausschlag gebend war, der Nami an jedem neuerlichen Versuch hinderte. Ein lange unterdrückter Impuls, der jede mögliche daraus resultierende Konsequenz in den tiefsten Abgrund ihres Herzen und Verstandes schob. Intuitiv umfassten ihre Hände die Hüfte der Navigatorin, zogen den Körper der anderen eng an den eigenen. Überrumpelt blieb Nami chancenlos, handlungslos, erhaschte lediglich noch einen kurzen Blickkontakt ehe sie bereits die Lippen der anderen spürte. Ein Kuss, entstanden aus einer kleinen, feinen und doch spielerischen Notlüge, den sich beide insgeheim seit jeher gewünscht, erhofft hatten. Ein kurzweiliges Vergnügen, das doch so viele verdrängte Gefühle ans Licht krochen ließ. „Damit dürften die Zweifel seiner Kumpanen wohl vom Tisch sein“, raunte Robin süffisant, zwinkerte der Navigatorin zu. Bevor sie jedoch den Weg Richtung Schiff antrat, lachte sie auf. „Und wären wir beide ein Paar, dann müsste ich mich vermehrt vor deiner Eifersucht in Acht nehmen“, feixte sie und verschwand aus der Bar. Mit pochendem Herz verharrte Nami an Ort und Stelle, nahm tiefe Atemzüge. Ein sachtes Glucksen war hörbar. Zaghaft streiften ihre Fingerspitzen ihre Lippen. Schallendes Lachen und Händeklatschen holte sie schließlich aus den Gedanken. Verstohlen warf sie den Kopf zur Seite, erkannte wer dahinter steckte: Zorro. Neben ihm stand Franky, der lediglich die Daumen in die Höhe hielt und verdächtig quiekte. Unbeeindruckt schüttelte sie den Kopf. „Abmarsch Jungs!“ × × „Warum die Geheimniskrämerei?“ Robin, die sich in der Aquarium-Lounge zurückgezogen hatte, sah über den Rand des Buches hinweg Richtung Tür. Um diese Zeit hatte sie hier niemanden mehr erwartet und so zeichnete sich ein fragender Gesichtsausdruck ab. Franky stand lächelnd in nächster Nähe. Nach all den langen Jahren und Strapazen stimmte ihn der Anblick, der sich ihm bot, glücklich. Ein aus alten Tagen gewohntes Bild. Statt dem Schlaf nachzugehen, vergrub sich Robin mit einem Buch unter Deck und der Geruch nach Kaffee, der ihm in die Nase stieg, rundete das Gesamtbild gänzlich ab. Das verlorene Crewmitglied hatte den Weg nach Hause gefunden. „Darf ich erfahren, wovon du sprichst?“, hinterfragte Robin schlussendlich, da Franky keine weitere Erläuterung gab und sie mehr oder weniger anstarrte. Es schien als müsste sie haargenau wissen, welche Antwort er sich erhoffte. Schelmisch grinste er und sank neben der Archäologin auf die Bank. Robin hingegen starrte weiterhin gerade aus und versuchte wahrlich nach dem Grund seiner Frage. Hatte sie etwas verpasst? Da ihr nichts einfiel, lächelte sie ihn kurz an und blätterte schließlich auf die nächste Seite. „Komm, Robin. Ich rede von letzter Woche und dem Abstecher in die Bar. Mach mir nichts vor“, erwiderte Franky amüsiert. Wieder hielt sie im Lesen inne. An diese Nacht erinnerte sie sich in der Tat, aber weiterhin fiel der Groschen nicht. Was glaubte er, würde sie verheimlichen? „Genau das meine ich! Wir wissen eh was los ist. Find ‘s übrigens super!“ Seit Robins Rückkehr und den deutlichen Signalen, hatte er darauf gewartet. Die Differenzen waren beigelegt und endlich hatten sie das Ziel erreicht. Warum sie ihnen jedoch nichts sagten, das empfand er als merkwürdig. Zumal jeder an Bord über die Gefühlswelt der beiden Bescheid wusste und unlängst rätselten. Ein Geheimnis brauchten sie also nicht daraus machen. „Okay…“, hörte er Robin und das Buch wurde zugeschlagen, „hilf mir auf die Sprünge. Was genau ist dein Anliegen?“ Ein ernster Tonfall lag in ihrer Stimme und prüfend betrachtete sie den Cyborg, der daraufhin ungläubig blinzelte. „Na, eure Beziehung!“, entgegnete er entrüstet. Entweder liebten sie die Geheimniskrämerei und wollte vorerst abwarten, wie sich die Beziehung entwickelte oder… oder… Franky stand der Mund offen. Hatte sich etwa nichts zwischen ihnen entwickelt? Warum hatten sie es dann getan? Direkt vor ihren Freunden? Zorro konnte sich ebenfalls daran erinnern. „Nami und du… ihr habt euch geküsst, vergessen?“ Und da dämmerte es Robin. Darauf spielte Franky an. An den kleinen Schönheitsfehler hatte Robin nicht mehr gedacht. Er und Zorro waren noch recht fit gewesen und standen gar nicht weit abseits. Ehrlich gesagt, da der Alkohol in reichen Mengen geflossen war, hatte sie nicht daran geglaubt, dass sie sich noch an diese Kleinigkeit erinnern konnten und Gedanken, die hatte sie sich daher erst recht nicht gemacht. „Ah, das… verstehe.“ Seufzend griff Robin nach ihrer Tasse, nahm einen Schluck. Anscheinend brachte der Kuss ihre Freunde auf interessante Gedanken. „Ja, DAS.“ „Franky, ich muss dich leider enttäuschen. Zwischen uns ist nichts.“ „Und warum küsst ihr euch?“ Forschend betrachtete er seine Freundin, die dem Blick ungerührt standhielt. Die Situation hatte wohl durchaus eine Erklärung verdient, denn Robin wollte gewiss keine falschen Eindrücke schaffen, die eventuell ein wahrhaft falsches Bild gaben und zu etwaigen Vermutungen oder gar Sorgen führten. „Was soll ich sagen. Ein kleines Späßchen? Da war so ein aufdringliches Bürschchen und Nami hatte ihm einen Bären aufgebunden. Eine Notlüge um ihn auf Abstand zu bringen. Sie meinte eben, ich sei ihre Freundin und er solle lieber schnell die Beine in die Hände nehmen und verschwinden. Er und seine Freunde behielten uns im Auge, manche wirkten nicht gerade überzeugt und ja… ich spielte das Spielchen mit. Mehr ist nicht vorgefallen“, erklärte Robin nüchtern. Eine einfache Erklärung, die das Gespräch rund um eine mögliche Beziehung beendete. Jedenfalls sah sie es als beendet an und so schlug sie das Buch wieder auf. Franky schwieg und verdaute das Gehörte. Irgendwie konnte er die Geschichte so nicht glauben. Ausgerechnet die beiden küssen sich und das war ‘s? Nichts? „Ernsthaft? Das soll ich dir abkaufen? Robin… hatten wir das nicht?“ „Mach dir keine Gedanken. Die Fronten sind geklärt. Wir reden normal miteinander, nichts hat sich negativ verändert, glaube mir. Wo liegt also dein Problem?“ „Das war die Chance für euch!“ „Franky“, sprach sie ermahnend, „akzeptier den Umstand. Du solltest froh sein, dass wir wieder eine Basis haben und uns eine Kleinigkeit nicht aus der Bahn wirft.“ „Akzeptieren? Sagen wir, ich empfinde Verständnis für eure brillante Art und Weise, wie ihr das Offensichtliche ignoriert und lieber eine Scheinwelt vorzieht. Macht endlich den entscheidenden Schritt. Vier verschwendete Jahre reichen, oder?“ × × „Eine Karte?“ Nami stand an der Arbeitsplatte, warf auf die Frage hin den Kopf seitlich in den Nacken und nickte schließlich. Stundenlang hatte sie bereits daran gearbeitet und insbesondere ihre Nackenmuskulatur schrie förmlich nach einer erholsamen Pause, die sie nutzte und sich Tee aufsetzte. „Du?“, fragte sie höflich nach, aber legte sie keinen Wert auf eine längere Unterhaltung. Immerhin hatte sie sich vorgenommen die Arbeit an der Karte innerhalb der nächsten Stunden zu beenden. „Durst.“ Zorro schob sich an ihr vorbei und Nami nickte wieder. Überflüssige Frage, warum sonst sollte er hier sein. „Freut mich übrigens. Nach diesem steilen Weg habt ihr euch das redlich verdient“, meinte er just in dem Moment als Nami bereits nach dem Tablett griff um wieder in der Bibliothek zu verschwinden. Noch in der Bewegung hielt sie inne, runzelte die Stirn. „Danke?“, sprach sie überrascht, aber hatte er Recht. Die Probleme wurden ad acta gelegt und sie hatten sich zusammengerauft und ein neues Band untereinander geschaffen. Eine freundschaftliche Beziehung war entstanden, die sie an alte Tage erinnerte. Seicht lächelte Nami, hob das Tablett endgültig auf. „Nacht.“ „Kann ich dir noch eine Frage stellen?“, wandte Zorro sich nochmals an die Navigatorin, die kaum ein paar Schritte weit gekommen war und sich seufzend umdrehte. „Schieß los.“ Neugierig war sie schon. Was lag dem Schwertkämpfer auf der Zunge? Sie erkannte ein breites Grinsen und wie Zorro sich gegen die Arbeitsplatte lehnte. „Ihr müsst uns nichts verheimlichen. Warum also macht ihr eure Beziehung nicht offiziell?“ Beinahe wäre ihr das Tablett aus den Händen gefallen. Wie kam Zorro auf diese Behauptung? Konnte es sein, dass seine vorige Aussage sogar darauf bezogen war? Allem Anschein nach hatte sie irgendetwas verpasst, denn sie müsste doch wissen, wenn sie eine Beziehung führte. Hatte Robin etwas angedeutet oder griff er die Vermutung einfach so auf? „Zorro … wie kommst du auf den Gedanken?“ „Die Bar. Der Kuss. Bei eurer Vorgeschichte hätte ich mir eher gedacht, ihr posaunt es sofort in die Welt hinaus. Allein damit wir uns nicht wieder den Kopf zerbrechen und uns Fragen stellen.“ Bei der Geschichte hatte er bloß zwei Lösungen gesehen. Entweder verblichen die Gefühle über die Jahre und sie standen darüber, lebten als gute Freundinnen weiter miteinander oder aber sie trotzten der Zeit und knüpften doch noch mal an ihren damaligen Gefühlen an und starteten endlich den Versuch. Einen Mittelweg fand Zorro nicht. Den wollte er nach all den Strapazen gar nicht erst. Nami biss sich einen Moment auf die Unterlippe ehe sie ein Kichern nicht unterdrücken konnte. Irgendwie ließ dieses Gespräch keine andere Reaktion zu und Zorro verstand. Er hatte die Lage missverstanden. „Aber… ihr redet miteinander?“, musste er dennoch nachfragen. „Noch so ein Theater und ich hau ab. Das ist euch klar, oder?“ Nami lachte nun erst recht herzhaft auf. Nein, wie schon Robin, hatte auch sie auf den Alkoholkonsum gehofft, der ihnen jegliche Erinnerungen an diese Szene nahm. Das war nicht der Fall, aber wenigstens erkannte sie nun, warum er extra nachgefragt hatte. Wären die Rollen vertauscht, hätte sie vermutlich sogar dasselbe getan. „Entspann dich. Wir sind zwar weiterhin kein Paar, aber auf einem guten Weg. Sieh uns an, wir haben eine gewisse Stabilität zurückerhalten und verbringen mehr Zeit denn je miteinander. Vielleicht kommt der Tag und wir sind zusammen. Vielleicht verbleiben wir als gute Freundinnen. Ich habe keine Antwort darauf, aber dieses Mal laufen wir beide nicht davon. Ein Kuss, der aus meiner nicht durchdachten Lüge entstand, hat nichts verändert. Wir haben keinen weiteren Rückschritt gemacht und das ist mir momentan wichtiger. Macht euch bitte keine Sorgen, Zorro. Versteht einfach, dass wir nicht direkt dort weitermachen, wo wir damals gescheitert sind.“ Sanft lächelte sie und erhoffte sich tatsächlich ein wenig Verständnis, obgleich sie verstand, wie die Art, die sie untereinander an den Tag legten und vor allem dieser eine Kuss, auf die restliche Crew wirkte und sobald der Zeitpunkt gekommen war, da würde ihre Freunde davon erfahren. Denn nach all den bereiteten Strapazen hatten diese die Wahrheit verdient. „Gute Nacht, Zorro.“ × × „Sag mal, hast du das mitbekommen? Die sind gar kein Paar!“ Fassungslos strich Franky durch seine Mähne. Welche Enttäuschung, denn er hatte sich sichtlich mehr erwartet. Klar, die Atmosphäre an Bord war gelöster, entspannter denn je und die Crew war wieder komplett und eigentlich sollte genau das ausreichen, aber das tat es nicht. „Wir haben die Anzeichen wohl falsch gedeutet“, erwiderte Zorro und schaute durchs Fenster des Trainingsraumes. Verstehen würde er diese Frauen wohl nie, aber das musste er in gewissem Maße auch nicht. Wenigstens änderte sich nichts in ihrem neugeformten Verhältnis. „Der Geizhals hat mich ausgelacht“, murrte er leise. Da zeigte er Interesse und erhielt prompt diese Quittung. Nicht gerade nett, aber auch dagegen konnte er nichts tun. „Die Reaktion hätte ich gerne gehabt. Robin hat mir am Ende sogar eine Predigt gehalten. Wundern brauchen sie sich nicht, wirkt beinahe als hätten sie nichts gelernt.“ Schnaufend sank Franky auf den Boden. Nun gut, er hatte sich gegen Schluss hin selbst in diese Predigt manövriert, aber dennoch, er hatte es ja nicht böse gemeint und wollte lediglich seine Neugierde stillen. „Gelernt schon. Wir haben keine neue Eiszeit. Sieht aus, als nehmen sie den Kuss mit Humor und das ist ein gewaltiger Fortschritt. Besser, wir zeigen Verständnis und belassen es. Jedenfalls solange bis sich ein Rückschritt abzeichnet.“ „Verständnis. Kommt mir bekannt vor. Vielleicht, aber seien wir ehrlich, so wie sie sich geben… da liegt etwas in der Luft, du siehst es ihnen an. Die Gefühle haben die Trennung überdauert und das ist…“ „Wahrlich keine Selbstverständlichkeit und braucht wohl Zeit. Ich muss gestehen, daran hatte ich gezweifelt“, beendete Zorro und warf den Kopf in den Nacken. Gefühle über solch lange Zeit und das obwohl die beiden inzwischen mehr Zeit ohneeinander als miteinander verbracht hatten, das sprach wahrhaft für die beiden. Franky nickte und holte eine Flasche Cola hervor. Umso mehr erhoffte er sich endlich diesen Schritt, denn in ihm, ging es um solche Themen, schlummerte ein kleiner Romantiker, der endlich das verdiente Happy End miterleben wollte und das blieb eben weiterhin verwehrt. „Vielleicht ist das gerade der richtige Weg. Keine überstürzte Handlung, sondern von einem Tag in den nächsten leben und irgendwann ergibt es sich.“ Zorro gähnte und starrte wieder nach draußen. Erneut deutete alles auf eine ruhige und somit langweilige Nachtwache hin. „Eines muss ich dir lassen. Ich hätte nie gedacht, dass ich ausgerechnet mit dir darüber rede und wir uns den Kopf zerbrechen, ob sie nun zusammen sind oder nicht“, gestand Franky grinsend und nippte an seiner gekühlten Stärkung. Zorro gab ein hörbares Brummen von sich. Als großer Redner galt er nicht unter seinen Freunden und wirkte oftmals desinteressiert, aber Gedanken machte er sich durchaus und so, wenn es sich bot, sprach selbst er schon mal über solche Themen. Allein Robin und Nami gegenüber hatte er es in der Vergangenheit bewiesen, dass er durchaus anders konnte, wenn er bloß wollte. „Wir sind gar nicht so verschieden.“ Der Bogen war überspannt. „Halt die Klappe, du Weichei.“ × × „Fertig“, stieß Nami grinsend aus und streckte sich ausgiebig. Über Nacht konnte die Karte ordentlich trocknen und sie hatte wieder einen Teil geschafft, aber ob sie im Laufe des kommenden Tages sofort mit der nächsten weitermachte, war eine andere Sache. „Da habe ich dich wohl mit ordentlicher Arbeit eingedeckt“, hörte sie Robin, die gerade das fertiggelesene Buch ins Regal einordnete. „Ich hatte auch nicht erwartet, dass du mir so viele Unterlagen mitbringst. Auf jeden Fall bringen sie mich in meiner Arbeit ein gutes Stück voran.“ Der lange Aufenthalt bei den Revolutionären hatte gewisse Vorzüge und so hatte sie, kurz bevor sie wieder zur Strohhutbande stieß, auch daran gedacht. Niemand konnte vorhersagen, ob sie jemals selbst auf eine dieser Insel kamen und die Revolutionäre hatten auf diesem Gebiet selbst begabte Mitarbeiter. „Ich konnte dich schlecht erneut mit Juwelen bezirzen und von den Materialien hast du auf Dauer weitaus mehr.“ „Darf ich dich daran erinnern, dass am Schluss nicht die Juwelen ausschlaggebend waren?“, neckte sie die Archäologin. Mittlerweile war sie aufgestanden, hatte ihre Utensilien verstaut und freute sich förmlich aufs Bett. „Übrigens, ich hatte eine nette Unterhaltung mit Zorro. Hat mich gefragt, warum wir uns verstecken.“ Überrascht hob Robin die Augenbrauen. „Dasselbe ist mir passiert, aber mit Franky.“ Nami stutzte und überbrückte den Abstand zu Robin, die bereits an der Türe auf sie wartete. „Zufall oder abgesprochen?“ Merkwürdig auf jeden Fall. Zu Franky passte die Neugierde, aber Zorros Nachfrage, brach schon eher aus dem sonstigen Konzept aus. Wundern brauchten sie sich jedoch nicht. Bei solch einer Aktion kamen eben Fragen auf und irgendwie war es sogar überraschend, dass sie überhaupt eine Woche brauchten. „Auf jeden Fall sind sie gerade zusammen dort oben und ich wette mit dir, wir gehören zum Gesprächsstoff.“ Beide warfen, nachdem sie sich Richtung Kajüte aufgemacht hatten, einen Blick hoch und sahen, dass das Licht brannte. Nami schüttelte den Kopf. Damit hatte sie nicht gerechnet. Lieber sollten sie froh darüber sein, dass es untereinander nun passte und keine Ausschreitungen mehr drohten. „In zwei, drei Tagen müssten wir unser Ziel erreichen“, lenkte Nami von den Jungs ab und blieb auf der letzten Stufe stehen, sah Robin, die leicht irritiert wirkte, spitzbübisch entgegen. „Wie wär’s?“ Leicht neigte Robin den Kopf zur Seite. „Wie wäre was?“ „Der Archipel liegt geschlagene vier Jahre zurück. Soweit ich mich erinnere, haben wir uns dort auf eine Verabredung geeinigt und die steht seitdem aus. Also?“ „Das Gerede hat dich angesteckt“, feixte Robin und ja, sie konnte sich durchaus daran erinnern. Kurz darauf nahm alles seinen Anfang und doch standen sie nun hier. „Habe ich nie gesagt, aber ich finde die Vorstellung verlockend einfach einen entspannten Abend ohne Jungs im Schlepptau zu verbringen.“ Vielleicht half die kleine Unterhaltung doch, aber vielmehr folgte Nami bloß einem Gedanken, den sie sich öfter in letzter Zeit gemacht hatte und es würde zum bisherigen Verlauf passen. Einfach alleine und sehen was geschah. „Einverstanden.“ [11] - »Irgendwann.« -------------------- Nami, die Navigatorin der Strohhutpiraten und Mitglied der Rettungseinheit Sanjis, packte missmutig ihre Sachen und stopfte sie regelrecht in ihren Rucksack. Freiwillig hatte sie sich gemeldet, sie wollte Luffy begleiten um ihren liebestollen Smutje zurückzuholen. Die Schuld, die sie seit seinem Verschwinden empfand, tilgen. Draußen, neben ihrer Crew und den neugewonnen Freunden, machte sie auf gute Laune, aber nun, wo sie alleine war, schlichen sich Gedanken ein, die nichts an der aktuellen Situation änderten. Sie vielmehr komplizierter gestalteten. Brummend über ihre gespaltenen Gefühle glitt ihr Blick durch den Raum. Hatte sie alles beisammen? Auf Zou herrschte reges Treiben. Vorkehrungen wurden getroffen. Die Trupps waren neu gebildet. Jeder nahm eine Aufgabe an, schlug einen anderen Weg ein. Und darin lag ihre Misere. Erneut spaltete sich die Strohhutbande. Ein Teil reiste Sanji hinterher, der andere setzte Kurs auf Wano-Kuni. Wie lange die Trennung dieses Mal andauerte, blieb offen und etwas in Nami wehrte sich dagegen, obwohl ihr bewusst war, dass sie das nicht durfte. Ein Freund brauchte Hilfe und im Angesicht der Feinde, die sie sich anhäuften und aus allen Ecken auf sie zu krochen, war dieser Schritt notwendig. Aber, und darin lag der springende Punkt, hieß es eben Abschied nehmen. Zwei Arme schlagen sich um ihre Taille, ein Kinn bettete sich auf ihrer linken Schulter. Tief ausatmend sank sie gegen den Körper, der hinter ihr stand. Sogleich spürte sie die davon ausgehende, wohlige Wärme, die sie nicht wieder missen wollte. Abschiednehmen auf Zeit, erneut. Während sie sich in Kürze auf den Weg machen würde, blieb Nico Robin als Teil der Wano-Kuni-Truppe – Sofern keine unvorhergesehene Wendung eintrat. »Ist nicht das erste Mal«, wisperte Robin ihr ins Ohr, das Nami eine Gänsehaut bescherte. Ja, oft teilten sie sich in mehrere Gruppen auf, aber normalerweise hielten sie sich dennoch auf derselben Insel auf. Darin sah Nami den markanten Unterschied. Nach den zwei Jahren, die ihr an manchen Tagen alles abverlangten, hatte sie sich mehr Zeit miteinander erhofft – Luffys Abenteuerlust und dem Hang nach Gefahren brachte schon immer viel durcheinander, keine Frage – aber mittlerweile hatte Nami das Gefühl, sie verbrachten mehr Zeit getrennt als beisammen. Von einem Kampf in den nächsten, noch extremer als zwei Jahre zuvor, denn damals hatten sie wenigstens die Tage auf See. »Hast du so gar keine Probleme damit?« Der Hauch eines Vorwurfes schwang mit. Vielleicht hatte sich Robin tatsächlich damit abgefunden oder machte sie sich etwa zu viele Gedanken? Natürlich stand das Wohl der Crew im Vordergrund und ihre Beziehung musste dementsprechend einstecken, nur zerrte es sehr an den Nerven. Besonders nach den Monaten ohne die andere. »Glaub mir, die derzeitigen Umstände liegen nicht in meinem Interesse.« Der Griff wurde fester, das Gesicht in ihrem Nacken vergraben. Ein nie enden wollender Kreislauf, denn der Mannschaft stand noch ein langer Weg bevor. Punk Hazard, Dressrosa und Zou; alle drei läuteten den Beginn des eigentlichen Abenteuers ein und Nami spürte das verräterische Gefühl in ihrer Magengrube. Im schlimmsten Fall konnte daraus sehr wohl ein Dauerzustand werden. »Wir haben immer gewusst, worauf wir uns einlassen. Außerdem … Zeiten ändern sich und irgendwann, da hört auch das auf.« »Irgendwann«, wiederholte die Diebin sarkastisch und schloss kurzweilig die Augen. Lieber nicht in den Wünschen und Sehnsüchten träumen, das erleichterte das Kommende nicht. »Wir holen Sanji und reisen nach Wano-Kuni“, begann Nami leise und biss sich einen Moment auf die Unterlippe, „und du wartest dort auf mich, richtig?« »Tue ich immer«, raunte Robin gegen ihren Nacken, »aber beeil dich.« Kommentarlos drehte Nami sich um, umfasste das Gesicht ihrer Liebsten und sehnsüchtig suchten ihre Lippen das Pendant; zum letzten Mal bevor sich ihre Wege erneut trennten. [12] - »Sind sie oder sind sie nicht?« -------------------------------------- »Nacht«, gähnte Lysop und hob Chopper hoch, der seit geraumer Zeit dem Schlaf verfallen war. Um den Käpt’n, der es dem Rentier gleich gemacht hatte, kümmerte sich Brook. Mit einem Ruck warf er Ruffy über seine Schulter, der – sobald er schlief – kaum geweckt werden konnte. Übrig blieben die gewohnten Verdächtigen – Abgesehen von Robin, die ein Bad nahm und Nami, die sich überraschenderweise als erste der Crew verabschiedet hatte. Teller klirrten als Sanji sie verstaute und endlich seinen persönlichen Feierabend startete. Ein erleichtertes Ausatmen folgte und seine Hand fasste in die Brusttasche seines Hemdes. Sein Nikotinpegel musste aufgefrischt werden. »Bei euch beiden haben wir kaum einen Unterschied gemerkt«, kicherte der Cyborg guter Laune und klopfte Zorro begeistert auf die Schulter, der sogleich entfernt stöhnte. »Halt die Klappe«, zischte er daraufhin und wich zur Seite. »Wir haben nie gesagt, dass wir uns vollkommen hassen oder anderweitiges«, murmelte der Smutje. Das Abenteuer, das ihnen die Erschöpfung ins Gesicht schrieb, hatte ihnen enorm zu gesetzt. Drei Tage lang hatten sie alle Hände zu tun gehabt, um sich diese Frau vom Hals zu schaffen. Sie zwang sie regelrecht in die Knie, denn ihre Kräfte lagen nicht in physischer Natur. Sie hatte ihre Psyche angegriffen, besser gesagt, ihre Gefühle manipuliert. »Wir sind eine Mannschaft; kein Wunder, dass wir uns gegenseitig an die Gurgel wollten!«, fügte Sanji hinzu und stieß Rauch aus. Die Freundschaft, die sie ausmachte, hatte sich ins Gegenteil gewandelt und sie anfangs in enorme Schwierigkeiten gebracht. Erst nach und nach, als ihnen klar geworden war, dass sie so alle verloren, rauften sie sich zusammen. In der Not wird jeder zum Verbündeten. »Apropos an die Gurgel gehen … zwei hatten sich besonders gern«, griente Franky verschmitzt. Sie alle hatten sich das Leben schwer gemacht, aber zwei Crewmitglieder stachen besonders hervor. »Oh!«, realisierte Zorro, griff nach der Flasche Sake, »Die beiden! Hätten sich beinah abgeschlachtet!« »Ist mir aufgefallen«, kommentierte Sanji. Seine Hand fuhr durchs blonde Haar ehe er den Kopf schüttelte. »Meint ihr, die haben etwas am Laufen?« »Bestimmt, warum sonst ist der Geizhals so schnell abgehauen? Ist immerhin peinlich, dass wir das auf diese Weise erfahren haben!« »Und Robin bleibt sich treu und tut so als wäre nichts«, fügte Franky an. Sie alle hatten sich mächtig am Kicker, aber bei den beiden war es tatsächlich anders, sehr viel schlimmer. »Sprechen wir sie darauf an?« »Worauf ansprechen?« Ertappt zuckten die drei Männer zusammen; zu ihrem Verdruss erblickten sie die Archäologin des Schiffes. »Ah … eh … Kaffee?«, fragte der Smutje verlegen und wandte sich sogleich um, holte eine Tasse aus dem Schrank hervor. Den Kaffee hatte er bereits aufgesetzt und noch war dieser warm, hatte er geahnt, dass sie sich nochmals hier blicken ließ. Zu ihrem Pech tat sie das natürlich in einem ungünstigeren Augenblick. Franky ließ den Kopf sinken, tat als ob er das Holz des Tisches unter die Lupe nahm und um keine Antwort geben zu müssen, nuckelte er bedächtig an seiner Cola. Einzig Zorro verblieb starrend, als ob er dadurch eine stille Bestätigung erhielt. Ein Tritt gegen sein Schienbein folgte und brummend suchten seine Augen den Schuldigen. »Danke.« Robin hatte sich zur Theke gestellt und nahm die Tasse entgegen. Das merkwürdige Verhalten ihrer Freunde registrierte sie recht unbeeindruckt. Natürlich zog sie dementsprechende Schlüsse, aber wenn diese sie nicht darauf ansprachen, würde sie wohl kaum den ersten Schritt machen. »Nami ist ins Bett gegangen«, beendete der Schwertkämpfer das Schweigen; er hatte sich zurückgelehnt und die Arme vor der Brust verschränkt und fügte ein deutlich leiseres »Allein.« hinzu. Ein zweiter Tritt gegen das Schienbein. Sein Blick verfinsterte sich, den Franky allzu gern erwiderte. »Weiß ich«, blieb Robin gelassen und trank einen Schluck, »Nami war noch bei mir im Bad.« »Ja … waren anstrengende Tage …«, meinte Sanji räuspernd während sich seine Gedanken verselbstständigten. Nach der vorangegangenen Unterhaltung hinterfragte er diese lieber nicht, aber dass machte sein Gehirn auch an sonstigen Tagen oftmals ohne sein Zutun. Die Archäologin lächelte ihm süßlich entgegen, er jedoch blickte hinter diese. Zorro und Franky deuteten ihm – in recht peinlicher Manier, als ob Robin nichts mitbekommen würde – er war derjenige, der die Frage stellen sollte um das etwaige Geheimnis zu lüften. Unschlüssig stützte sich der Smutje an der Arbeitsfläche ab. »Sag mal, Robin … die hat uns ziemlich in Schach gehalten … also mit ihren Kräften.« »War eine durchaus interessante Erfahrung.« »Ja … wie wir uns alle gezankt haben. Kaum zu glauben.« »Oder wie sich manche regelrecht umbringen wollten«, räumte Zorro grölend ein und ein breites Grinsen stahl sich auf seine Lippen, das vielmehr dem Cyborg galt, der dieses Mal ins Leere trat. »So in etwa«, übernahm Sanji gereizter das Wort und warf dem anderen einen vernichtenden Blick zu, »deshalb … nun ja, Robin … wie soll ich sagen?« »Ich freu mich für euch«, erwiderte Robin sogleich und blickte zwischen dem Smutje und Schwertkämpfer hin und her, »Hat gedauert, aber anscheinend habt ihr euch eure Gefühle endgültig eingestanden. Da wünsche ich euch nur das Beste.« Die Tasse war geleert und das Bett wartete. »Gute Nacht«, säuselte die Archäologin noch beim Hinausgehen und ein raues Kichern drang über ihre Lippen. Zurück blieben die beiden Streithähne, deren Gesichtszüge nach und nach entglitten und ein Cyborg, der lauthals los lachte. [13] - »Ein unerwarteter Gast.« ------------------------------- Nami raufte sich die Haare. Ob sie ihre Entscheidung schon bald bereute? Vorsichtig lugte sie zum Durchgang, der in das kleine, beschauliche Wohnzimmer führte. Dort lag sie, die schwarzhaarige Unbekannte, deren Namen sie nicht in Erfahrung gebracht hatte. Ihre Hand zitterte; das Gesehene hatte sich in ihr Gedächtnis gebrannt. Natürlich – Nami hatte von ihnen gehört, diesen Menschen mit übernatürlichen Kräften. Ein Vorfall, der vor zwei Jahren großes Aufsehen erregte, hatte die Nachricht sogar in den entlegensten Teil des Landes, das sie ihre Heimat nannte, verbreitet. Manche sprachen von Mistgeburten; Schädlingen, die bekämpft werden mussten; Gerüchte kochten über. In den Medien hießen sie Mutanten. Bislang hatte niemand einen dieser Menschen gesehen; warum auch? Hier gab es nichts. Unbekannte fielen auf; Unbekannte machten höchstens eine Rast, ehe sie die Landstraße weiter fuhren. Nami wartete nur auf die nächstbeste Gelegenheit, um den Ort hinter sich zu lassen. Zusammen mit ihrer Schwester lebten sie in einem kleinen, beschaulichen Haus, das sie von ihrer verstorbenen Mutter erbten. Das Geld reichte zum Überleben, aber nicht für mehr, und selbst wenn. Sie belog sie gern; selbst mit Geld war sie gefangen. Nun stand sie also da, stellte Kanne und zwei Tassen auf ein Tablett, ermahnte ihren Körper zur Ruhe. Das Zittern hörte nicht auf. Nami empfand Angst. Nicht nur der Unbekannten wegen; Arlong, ein Tyrann, der ihr das Leben zur Hölle machte, hatte seine Leute auf sie angesetzt. Ob sie nun wenig auf der Seite hatten oder nicht, sie musste Nojiko weismachen, das sie hier keine Zukunft hatten. Sie mussten fort; Arlong würde nicht aufhören. Die Unbekannte war ihr zur Hilfe geeilt, warum auch immer. Hatte seine Handlanger gewarnt, als diese nicht hörten, hatte Namis Atem gestockt. Hände sprossen, zwangen die Männer, denen der eigene Schock ins Gesicht geschrieben stand, in die Knie. »Danke«, hörte Nami das Flüstern, als sie endlich den Mut gewann und den Tee zu ihrem Gast brachte. »Das Mindeste, was ich tun kann«, erwiderte die jüngere Frau. Nervös trat sie vom Holztisch, der bereits viele Einkerbungen aufwies, zurück; unentschlossen wandelte Nami zum Fenster. Konnte sie so einfach ihre unzähligen Fragen stellen? Was würde überhaupt ihre Schwester meinen, wenn diese nach Hause kam? Aufmerksam lugte sie zur Straße. Kam Arlong persönlich? Seine Männer waren tot. Glaubte er, sie hatte das getan? Würde er Rache nehmen? »Robin. Mein Name ist Robin.« Nami wandte sich um. Robin also. Ein zögerndes Lächeln; ein schwach erkennbares Nicken. »Ist es üblich, vier Mann auf eine Frau zu hetzen?« Sie hatte sich langsam aufgesetzt; Nami erhaschte jede ihrer Bewegungen. Unter anderen Umständen hätte Nami sie einzig und allein ihrer Schönheit wegen betrachtet. Beim ersten Blickkontakt war das sogar ihr Gedanke gewesen, aber nun, fragte sie sich eher, was diese Frau hierher bewog. Wie lange sie unterwegs war; wie sie das machte – Körperteile wachsen lassen. Da bemerkte Nami den fragenden, durchdringenden Blick. Eine längere Pause war eingetreten; Nami hatte schweigsam gestarrt. Ruckartig suchten ihre Augen erneut die Straße auf, die längst bessere Zeiten hinter sich hatte, die dringend neu asphaltiert werden musste. »Arlong sieht sich als Herr der Stadt. Lässt Geld eintreiben, ein Art Schutzgeld. Zahlst du nicht, kommen seine Männer.« Aber nicht nur. Sie hatten bezahlt; er war auf anderes aus. »Warum hast du mir geholfen? Du kennst mich nicht, und du scheinst am Ende deiner Kräfte.« Dann schwieg die andere länger. Nami verschränkte ihre Arme; Fingerspitzen krallten sacht in ihre Haut. »Vier gegen eine. Darum.« »Wie hast du … ich hab davon gehört, aber …« Nami drehte dem Fenster gänzlich den Rücken zu; sie schluckte. Aus dem Holz sprossen zwei Arme; schenkten in beide Tasse Tee ein. So schnell sie erschienen waren, so schnell waren sie verschwunden. »Kann das seit ich mich erinnere. Schnell stellte ich fest, ich war die einzige. Niemand in meinem Dorf hatte solche … Fähigkeiten. Leute fürchten sich, nicht der Ausreißer wegen; es gibt auch so gute und schlechte Menschen. Sie fürchten das Unbekannte, weil sie es nicht verstehen.« Robin führte die Tasse an ihre Lippen. »So wie du.« Ertappt blickte Nami zur Seite. »Ich verstehe dich, mir geht’s an manchen Tagen genauso.« Motordröhnen endete den Moment; Namis Hände sanken. Erschrocken fuhr sie herum; nur um ihr hart schlagendes Herz zu verteufeln. Nojiko. »Ich sollte gehen.« »Bleib und ruh dich aus. Ist bloß meine Schwester.« Aus einer Nacht waren drei Wochen geworden. Nojiko hatte nichts dagegen; Namis Erzählungen reichten und sie empfand Dankbarkeit. Ohne Robins Zutun, sie wusste nicht, was dann gewesen wäre. Die Kräfte, die die andere hatte, nahm sie mit einem kurzen Moment der Verblüffung hin. Was Robin konnte, war nicht relevant, es zählte das Ergebnis. Ihrer Schwester war kein Haar gekrümmt worden. Sorgen machten sie sich Arlong wegen. Seine Männer wurden am nächsten Tag tot aufgefunden; seither herrschte spürbar Panik; Arlong ließ nach dem Schuldigen suchen. Niemand dachte an eine Frau. Niemand dachte an Robin. Arlong fahndete nach einem Mann, wenn nicht gar nach mehreren. Denn wie konnte jemand anderes seinen Männern sowohl das Genick als auch das Rückgrat brechen? Bei der Abendschicht im Wirtshaus hatte Nami das Gerede verfolgt (Das Interesse an ihr war vorerst erloschen). Lautstark hatte Arlong gebrüllt, er wollte diese Brut; wer ihn den oder die Schuldigen brachte, sollte eine beachtliche Belohnung erhalten. Wenn er bloß wüsste, hatte sie sich dabei gedacht. Die Schuldige schlief bei ihnen auf dem Sofa. »Warum wehrt ihr euch nicht? Oder verschwindet?«, fragte Robin eines Tages. Weder Nami noch Nojiko musste überlegen. Gründe existierten. Geld allein spielte nicht die große Rolle; auch, wenn sie sich ohne ihn weitaus mehr ansparen konnten. Das war ihre Heimat, hier lebte sie, seit sie Bellemere einst aufnahm. Nicht nur jenes Vermächtnis wollten sie wahren; sie hatten Freunde, eine neue Familie und viele von ihnen waren alt; wo sollten sie hin? Grad und grad bezahlten sie das Schweigegeld, lebten ansonsten halbwegs sorglos; wie sollten sie eine neue Existenz aufbauen? Und sie vollkommen der Tyrannei überlassen? Nein, das brachte vor allem Nojiko nicht über ihr Herz. »Für Nami erhoffe ich mir ein besseres Leben«, unterbreitete sie Robin eines nachts als besagte arbeitete. »Sie ist ein Sturkopf, aber hat das Herz am rechten Fleck. Egal, wie oft sie sagt, sie packt und verschwindet … sie bleibt. Von den Raubzügen abgesehen.« Robin horchte auf, reckte fragend eine Augenbraue in die Höhe. »Diese diebische Ader hat sie von klein auf. Das große Geld haben wir nie besessen, oft musste zurückgesteckt werden und so ist eines zum anderen gekommen. Manchmal stiehl sie für sich, aber meist für andere, denen sie aus der Patsche hilft. – Wird sie allerdings nie zugeben, hab’s selbst durch Zufall mitbekommen.« »Vielleicht kann ich euch die Last abnehmen. Ihr könnt nicht ewig so leben.« »Seit einem Jahrzehnt schon halten wir ihn aus. Ist schwierig, wenn er am längeren Hebel sitzt und selbst Schmiergeld zahlt. Sie lassen ihn.« Nojiko überging die Bemerkung gekonnt, ahnte sie worauf Robin anspielte. »Nojiko, ich kann nicht ewig bleiben. Ich sorge dafür, dass er euch nichts mehr tun kann und bin ich fort, gespickt mit den richtigen Hinweisen, kommt nichts auf euch zurück.« Rasch schüttelte Nojiko den Kopf. So sehr ihr der Gedanke gefiel, endlich in Ruhe leben zu können, durfte sie dem nicht nachgeben. Das war nicht der richtige Weg. »Musst du denn fort?« Robin blickte zur Seite; fing das Bücherregal auf. Neben neueren, stachen ältere hervor, an denen deutlich die Zeichen der Zeit nagte. Verschlissen; manche hatten bereits lose Seiten. Manche hatte Robin bereits gelesen. »Ihr habt mehr getan, als ich es gewohnt bin … ich bringe euch irgendwann in Gefahr, Nojiko. Drei geschlagene Wochen verstecke ich mich; ich falle auf, ich bin ein Eindringling in dieser Gegend. Du hast selbst gesagt, niemand lässt sich nieder. Und erfährt jemand von … lass mich euch als Dank helfen.« »Nami möchte nicht, dass du gehst«, war alles, das Nojiko erwiderte. Als ihr der betroffene Ausdruck der anderen ins Auge stach, seufzte sie. »Ihr seid euch recht schnell, recht nahe gekommen.« »Zwischen uns ist nichts vorgefallen.« »Aber ich sehe eure Blicke und Gesten.« Nojiko erhob sich und deutete zur Küche. Wortlos folgte Robin, blieb jedoch an der Wand stehen und lehnte dagegen, während Nojiko frischen Kaffee aufsetzte. »Sie akzeptiert dich, wie du bist. Ich auch. Du bist nicht daran gewöhnt, oder?« Robin blickte zu Boden. Erwartete ihre Gesprächspartnerin eine Antwort? »Durch die vielen Vorfälle ist die Angst allgegenwärtig. Solange ich nichts tue, kann ich untertauchen. Leider wird das Knüpfen von Kontakten erschwert. Um ehrlich zu sein, habe ich in den letzten Tagen besser geschlafen, als in den vergangenen Jahren.« Sie hatte etliche getroffen, die wie sie waren, aber meistens suchten diese nach einer Form der Gerechtigkeit, der sie nichts abgewann. Sie kämpften für Rechte, gingen dabei Wege, die alles schlimmer machten. Gerne würde sie irgendwann ihren Platz finden, aber sah Robin allmählich ein, dass das Wunschdenken war, dass er nicht existierte. Irgendjemand würde ihr, aufgrund der angeborenen Gabe, immer nach dem Leben trachten. »Leb bei uns, sag, du bist eine Aussteigerin. Wir finden die passende Lösung.« »Unter diesem Tyrann?« Da zog Robin lieber eine schnelle Bereinigung vor; das konnte auf Dauer nicht gut gehen. »Da musst selbst du lachen.« »Du bist wach?« Spät kam Nami nach Hause. Geschafft sank sie neben Robin. Eine kleine Lampe stand am Holztisch, spendete ausreichend Licht, das sich zum Lesen eignete. Neugierig huschten ihre Augen über den Titel. »Ewig nicht gelesen«, nuschelte sie vergnügt. »Irgendwelche Neuigkeiten?« Ungerührt blätterte Robin auf die nächste Seite. »Geht. In ein paar Tagen kommen sie zum Geldeintreiben. Heißt aufpassen.« »Bis dahin bin ich fort.« Nami stockte. »Was? Niemand zwingt dich!« Bestimmend drückte Nami das Buch nach unten; wie konnte Robin getrost lesen, während sie ihr von ihrem Verschwinden erzählte? »Ich weiß, für dich ist das eine verzwickte Situation, aber bitte … geh nicht.« Wie schnell man sich an die Nähe eines Menschen gewöhnte, hatte Nami am eigenen Leib erfahren. Die anfängliche Angst hatte sich binnen kürzester Zeit in Luft aufgelöst; sie hatte Robin näher kennen gelernt, Stunde um Stunde mit ihr verbracht, tiefgehende Einblicke erhalten. Robin brachte einen Schwung mit sich; immer öfter freute sie sich auf das nach Hause kommen. »Nami«, begann sie sanft, legte das Buch auf den Tisch, »es geht mir nicht nur um das Verstecken. Der Grund, warum ich nie lange an einem Ort bleibe ist … ich werde gesucht. Ich bin lange genug geblieben, ich darf mir eine Rast nicht erlauben. Was, wenn ich gesehen werde? Dann kommen sie und ich bringe euch beide in Gefahr.« »Wer sucht dich?« Vorsichtig und zögerlich, als ob Robin Angst davor hatte, zurückgestoßen zu werden, umfasste ihre Hand Namis. »Ich schaff euch Arlong vom Hals, dann können alle aufatmen und neu beginnen. Und du kannst endlich deinen Träumen nachjagen.« »Nojiko hat’s dir gesteckt.« Robin nickte; sie schnaufte. »Ich hab geahnt, sie weiß Bescheid.« Wie ihre Schwester das kleine Geheimnis aufgedeckt hatte, konnte Nami nicht sagen. Eigentlich hatte sie gedacht, sie verheimlichte es geschickt und jene, denen sie unter die Arme griff, hatten ihr ein Versprechen gegeben. »Du kannst ihnen vertrauen. Niemand plaudert.« »Die Wahrheit kommt immer ans Licht. Ein dummer Zufall reicht vollkommen.« »Lass mich dich begleiten.« »Und dich in Gefahr bringen? Nein.« »Dann bleib einfach. Wenn Arlong nicht wäre, wer sollte dir Ärger machen? Hier musst du dich vor niemanden fürchten, sie sind alles gute Menschen. Du ken-« Robin unterband den jede weiteren Worte; der Abstand war rasch überbrückt, ihre Lippen auf jenen der jüngeren. Ein kurzer Moment des Nichtstuns, des Realisierens, ehe sich zwei Arme um ihren Nacken legten, der Körper sich den Kuss erwidernd an ihren drängte. »Nojiko! Nami!«, schrie der Mann, klopfte wild an die Tür. Nami schreckte aus dem Schlaf, blickte desorientiert umher. Sie war in ihrem Zimmer, auf ihrem Bett. Wann? Nur langsam kehrte die Erinnerung zurück. Ihre Hand strich über das Laken, den freien Platz neben sich. Die Rufe, das Schlagen hielt an. Fluchend sprang sie von der Matratze; rasch hatte sie sich etwas übergezogen. »Was soll der Wirbel, Genzo?!«, hörte sie von unten die strenge Stimme ihrer Schwester. Nami nahm mehrere Stufen, blickte flehend zum Sofa, Richtung Küche. Nirgends fand sie Robin. Wild überschlug sich ihr Herzschlag. Sie konnte doch nicht … »Was ist los?« Nami trat vor die Türe, wo sie sich beide leise unterhielten. »Was tust du hier?« Betrübt blickte Nojiko zu ihr. Ein Blick, der nichts Gutes bedeutete. »Arlong ist tot! Jemand hat ihm und seinen Männern den Gar ausgemacht!«, erklärte Genzo und Nami spürte, wie sich der Boden drehte. Sie wusste, was das hieß. Die Tyrannei war vorüber, aber Robin war fort. [14] - »Nachtwache.« -------------------- Distanziert. Das prägte die ersten Nächte der gemeinsamen Fahrt. Tagsüber, ob unter sich oder im Beisammensein mit den Jungs, sprachen sie miteinander. Zumeist Belangloses, dann über das Wetter oder welche Insel angesteuert wurde. Nachts allerdings, wenn sich die Mannschaft zum Schlaf zurückzog, wurde eine merkwürdige, fast unüberbrückbare Distanz bemerkbar. Nami hatte den Versuch gewagt. Von unscheinbaren Themen fand sie stets einen passenden Übergang, gab mehr preis von sich; hoffend, Robin würde es gleichtun. Zwecklos; jedes Mal beendete ihre neue Zimmergenossin das Gespräch. Rasch, vielleicht zu rasch, hatte Nami aufgegeben und ließ die andere. Als diese ihre erste Nachtwache hielt, nutzte Nami die Gunst der Stunde. Sorglos führte sie den Federkiel. Nachts, während die Jungs schliefen und der Schlaf ausblieb, bot sich das Kartenzeichnen an. Niemand würde sie stören. Besser gesagt, keiner der Jungs. Vivis Anwesenheit hatte ihr nie etwas ausgemacht. Robin war anders. Abends, wenn sie beisammen waren, beschlich Nami stets das dumpfe Gefühl beobachtet zu werden, bei all ihren Handgriffen, bei jeder noch so erdenklichen Bewegung. Stets spürte sie das wachsame und so unergründliche Augenpaar im Nacken sitzend, das ihr schon den einen oder anderen Schauer über den Rücken gejagt hatte. Vielleicht, so sagte sie sich dann, lag’s an der merkwürdigen Beziehung zueinander. Vollkommen konträr zur Prinzessin. Vergleiche waren deplatziert, aber nach einer offenen und gefühlsbetonen Frau, wie Vivi war, die nachts liebend gerne in Erzählungen verfiel, die immer wieder die Nähe suchte, waren Nico Robins distanzierte Charakterzüge plötzlich ungewohnt fremd. Denn all die tiefergehenden Gespräche blieben einseitig. Als ob niemand näher kommen durfte. Streng wurde eine Linie gezogen und diese Linie wurde streng eingehalten. Zufrieden lehnte Nami zurück. Für die Nacht sollte die Arbeit nun ruhen. Das Aufhören schuldete sie nicht der Müdigkeit, denn bis auf eine überschaubare Mattheit, spürte sie nicht den Drang sich endlich ins Bett zu legen. Prüfend schielte sie zur Uhr, suchte nach einer kurzen Orientierung. Weit nach zwei Uhr. Nur einen Wimpernschlag lang überlegte Nami, ehe sie aufstand, sich eine Jacke überstreifte und sich nach oben an Deck begab. Frische Luft, die Beine vertreten dürfte bestimmt helfen. Die kühle Brise schlug ihr entgegen. Bereits in den frühen Abendstunden waren die Temperaturen gesunken, die Nacht über hielt es natürlich an, aber nicht länger. Das spürte sie. Es herrschte eine angenehme Ruhe, die zumeist nur in der Nacht, höchstens noch den frühen Morgenstunden vorhanden war, und tief atmete sie durch, lauschte dem beruhigenden Schlagen der Wellen, sanft nicht aufbrausend. Der Mond spendete spärlich Sicht, aber an Bord dieses Schiffes bewegte sich Nami blind fort (Abgesehen vom Schlafbereich der Jungs, den sie liebend gern vermied; wenngleich sie hie und da ihre Stimmen hörte). Inmitten der Treppe, schließlich wollte Nami auf einen Sprung zu ihren Orangenbäumen, blieb sie stehen. Bedacht glitt der Kopf in den Nacken, sie spähte konzentriert gen Ausguck. Oben harrte Robin die Nacht aus, die weder gehört noch irgendwie gesehen wurde. Bei den Jungs war es anders. Ob sie schliefen oder wach waren, erkannte die Frau sofort; sie alle wiesen eine besondere Eigenheit auf, was den Wachdienst anbelangte. Da war Chopper, der kaum still ausharrte und lieber ewig auf und ab tapste. Sanji zog gern Runden an Deck oder stand oben. Der Rauch war unverkennbar. Zoro blieb selten wach, er döste oder schlief und schnarchte. Hie und da trainierte er. Usopp und Luffy waren sich recht ähnlich. Der eine brabbelte von seinen tapferen Taten, der andere träumte von seinen schlemmerhaften Fantasien. Und Robin? Ihre Eigenheit musste Nami erst herausfinden. Vermutlich unterschied sie sich nicht vom Bild, das sie tagsüber bot. Wach, ein Buch lesend. Nachdenklich neigte Nami den Kopf. Wann schlief die andere überhaupt? Bislang, so musste sie feststellen, hatte sie Robin noch nicht schlafend gesehen. Durchatmend wandte sie sich den Orangebäumen zu. Robin war anders. Vorsichtig schälte Nami eine Orange und sie erinnerte sich an alte Tage zurück. An die Standpauken ihrer Schwester, wenn sie das Obst zu früh pflückte. Bellemere hatte lieber gelacht und erklärt, worauf sie denn zu achten hatte. In der Früh, so dachte Nami, würde sie Sanji darum bitten die reifen Früchte zu verarbeiten, bestimmt machte er zum Mittagessen sogar ihre Lieblingssoße. Während sie die ersten Stücke verzerrte, blieb ihr Blick an einer Orange hängen. Einen Gedanken später spähte sie bereits zum Mast. Sie könnte diese nehmen und nach oben bringen. Ein Art Eisbrecher. Denn eine musste wach bleiben, die andere konnte nicht schlafen und mit jedem anderen hätte Nami vermutlich längst ein Gespräch angefangen. Da es sich um Nico Robin handelte und Nami bislang noch nicht herausgefunden hatte, wann sie diese störte, blieb sie sitzen, aß ihre Orange und wartete auf das Anklopfen der Müdigkeit. ×× Der Ausflug zur Himmelsinsel wirkte manchmal wie ein Traum, wenn Robin nachts nach oben starrte. So fern. Für sie war das Abenteuer weitaus mehr gewesen, als ein Nervenkitzel. Das gefundene Ponegplyph hatte ihr einen kleinen Fortschritt erbracht, aber in erster Linie brachte es ihr diese Mannschaft näher. Sie war anders als alle, in denen sie zuvor untergetaucht war. Robin lernte, und das schürte eine tiefliegende Angst, dass das Reisen Freude machte, dass sie das Beisammensein mit anderen in vollsten Zügen genoss. Die Strohhutbande hatte sich in ihr Herz eingenistet. Ein Anzeichen war, dass sie nachts vermehrt durchschlief. Diese Nacht hatte sie ein Buch um den Schlaf gebracht. Ausgiebig streckte Robin ihre starr gewordenen Glieder. Ein Blick zur Uhr ließ die Frage aufkommen, ob sich drei Stunden auszahlten, um sich ins Bett zu begeben. So entschied sie vorerst sich ans Deck zu begeben, frische Nachtluft zu atmen. Es hatte etwas Befreiendes an sich. Besonders nach dem Trubel der Tage und dem Fakt, dass das Schiff tagsüber wenig stille Rückzugsorte bot. Die Navigatorin hielt Wache und Robin brauchte nur einen kurzen Blick zu riskieren, der sie süßlich lächeln ließ, ehe sie auf leisen Sohlen die Kombüse aufsuchte. Summend setzte Robin Kaffee auf. Rascher als erwartet, aber wie sie es spekuliert hatte, hatte sie sich in diese Mannschaft eingefügt. Ruffy, der Koch und der Arzt waren die kleinste Sorge gewesen, mit ihnen auf der Seite, fiel auch die Skepsis des Schützen. Dem Schwertkämpfer musste sie länger beweisen, dass sie keine direkte Gefahr darstellte und die Himmelsinsel hatte das gezeigt. Und dann war da die Navigatorin. Nicht, dass sie sich nicht ausstehen konnten, aber bemerkte Robin anfangs – trotz ihres Friedenangebots – hie und da eine Skepsis. Diese wich einer offensichtlichen Neugierde, die Robin nicht behagte. Die jüngere Frau versuchte in regelmäßigen Abständen, um immer wieder Freiraum zu geben, Informationen zu erlangen. Und wie sich Robin dagegen sträubte. An manchen Tagen wurde sie beobachtet, als ob Robin die verstohlenen Blicke entgingen. Jedes Mal schien es als lag der Navigatorin etwas auf der Zunge, aber behielt sie die Worte lieber für sich. Ein Umstand, der sich besserte. Robin behielt sich zwar das Recht, auszuweichen, doch ließ sie die Navigatorin näher. »Hier, hält dich munter.« Den Kaffee hatte Robin nicht direkt für sich zubereitet. Das kurze Nachsehen hatte gezeigt, dass die jüngere Frau gegen die Müdigkeit kämpfte. Und neben der Kanne gab’s noch eine Kleinigkeit gegen etwaigen Hunger. Ertappt hob die Navigatorin den Kopf an und auf das Tablett hin, erkannte Robin den überraschten Blick, den sie mit einem süßlichen Lächeln quittierte. »Danke, hättest du nicht tun müssen.« »Ich weiß.« Die Überraschung wich, freudig zuckten die Mundwinkel und schon griffen ihre Hände nach Kanne und Tasse. »Du wärst nicht so müde, hättest du dich tagsüber geschont.« »Als ob. In anderen Nächten bin ich putzmunter, aber irgendwie hat die Nachtwache eine einschläfernde Wirkung auf mich.« Nachdem sie einen Schluck getrunken hatte, umfasste sie die Tasse mit beiden Händen. »Die Wärme tut gut.« Robin hatte ihre Unterarme am Holz abgestützt, blickte hoch zum sternenklaren Himmel. »Was ist?«, fragte sie nebenbei, spürte sie doch den auf sich ruhenden Blick. »Bleibst du eine Weile? Oder hast du lediglich eine Pause gebraucht?« »Ich hab Zeit«, antwortete Robin knapp und sank auf den Boden. »Wir machen Fortschritte«, murmelte die Navigatorin. »Inwiefern?« »Vor Wochen wärst du nie und nimmer rauf gekommen.« »So wie du es nicht getan hast.« Dann lächelte sie verschmitzt, griff nach der zweiten Tasse, die am Tablett stand. »Ich habe deine Anwesenheit durchaus mitbekommen und gesehen, wie du hie und da überlegt hast, mir Gesellschaft zu leisten.« »Wundert dich mein Nichtstun? Du hast mir eher das Gefühl gegeben, ich würde dich stören.« »Deine Neugierde.« »Bitte?« »Deine Neugierde«, wiederholte sie und nippte am Heißgetränk. »Anders als der Rest bist du neugierig und möchtest mehr erfahren.« »Weil ich nichts von dir weiß, aber du?« Seufzend schloss die Navigatorin ihre Augen. »Du gibt’s mir das Gefühl, du durchschaust alles und dafür brauchst du lediglich das Nötigste. Ich will wissen, wer du bist.« »Die, die vor dir sitzt.« »Du bist unmöglich.« ×× »Sanji übertreibt!« Nami raufte sich die Haare. Seit sie Water Seven verlassen hatten und ein neues Schiff besaßen, hielten zwei Crewmitglieder Nachtwache. Seither sprachen sich Nami und Robin manchmal ab, teilten sich die Schicht. »Er ist um unser Wohl besorgt«, gluckste Robin vergnügt und blieb vorerst bei einer Tasse Kaffee. Sanji hatte ihnen ein Nachtmahl zubereitet, das selbst für sie beide zu viel war. »Vielleicht hat unser Käpt’n eine nächtliche Hungerattacke.« »Und? Was siehst du?« »Gähnende Leere.« Die Beziehung zueinander hatte sich schlagartig geändert. Schon nach der Stadt des Wassers hatte Nami die Veränderung bemerkt, seit Thriller Bark umso mehr. Robin wirkte entspannter, allen voran offener. Mittlerweile durfte Nami Fragen stellen, die früher unweigerlich zur Abschottung geführt hätten. Was ein Ereignis auslöste. Oder wohl eher Vertrauen? »Wenigstens passt das Wetter.« Die vorangegangene Nacht hatte ihnen ordentlich den Schlaf geraubt. In ihrer Schicht wollte Nami lieber die Ruhe genießen, was zwar die Müdigkeit anlockte, aber ihre Nerven schonte. »Kommst du mit hoch oder machst du es dir anderweitig gemütlich?« »Möchte noch ein paar Dokumente durchgehen. Gesell mich später zu dir, einverstanden?« »Hab ich schon erwähnt, wie sehr ich dich um deine Kräfte beneide?« Das tat Nami in der Tat. Denn während sie umher schaute und ständig ihr Tun unterbrechen musste, konnte Robin alles nebenbei erledigen. »Ich weiß«, zwinkerte die ältere und nahm ihre Tasse zusammen mit einem Teller, den ihr Nami gerichtet hatte. »Bis nachher, und keine Sorge, ich hab dich im Auge, solltest du einschlafen.« »Ha. Ha. Hat dir jemand gesagt, dass du andere nicht ausspionieren sollst?« »Ich spioniere nicht, ich kontrolliere lediglich, ob du deine Aufgabe erfüllst.« »Beeil dich, alleine ist langweilig«, rief Nami noch hinterher, als Robin längst zur Bibliothek aufgebrochen war. Kopfschüttelnd wandte sie sich ab. ×× »Ihr habt mir gefehlt. Das hat mir gefehlt«, durchbrach Nami das Schweigen. Regen prasselte gegen die Scheiben, es entspannte ungemein. Robin ließ das Buch sinken, skeptisch hob sich eine Augenbraue. »Das Wacheschieben?« »Sogar das ja, aber ich meinte, mit dir hier zu sein.« Robin lächelte, verstand durchaus. Nach all den Startschwierigkeiten hatte sich eine Freundschaft entwickelt und allein die gemeinsamen Stunden miteinander, ob sie nun sprachen oder jede ihren eigenen Vorlieben nachgingen, hatte auch sie vermisst. Koala und all die anderen waren ihr durchaus ans Herz gewachsen, aber hatten sie nicht dieselben Abenteuer miteinander erlebt. »Ich hoffe, es bleibt bei diesem einmaligen Erlebnis. Schließlich war’s nicht immer leicht ohne dich Dampf abzulassen.« Das Buch wurde geschlossen und zur Seite gelegt. »Wer hat dich dann auf den Boden zurückgeholt?«, fragte Robin neugierig. Obwohl bereits eine Woche vergangen war, hatten sie bislang kaum die nötige Zeit gefunden um länger über alles zu reden. Generell sprachen sie wenig über die Monate, als ob es lediglich ausreichte, dass sie zurück zueinander gefunden hatten. »Ein alter Mann, der gerne ‚Hallo‘ sagte? Er ist ein netter Kerl, aber … du kannst das besser.« »Oha.« Robin griff nach ihrer Tasse, schlug ein Bein über das andere. »Erzähl mir mehr. Über diese Insel. Was du dort getrieben hast.« »Wenn du von deinem Aufenthalt erzählst.« »Du meinst von einer winterlichen Brücke, auf der ich in Gefangenschaft geraten bin? Davon, wie mich die Revolutionäre zufällig befreiten und mich bei sich aufgenommen haben? Oder das Treffen mit Dragon?« Nami beugte sich vor, stützte den Kopf an einer Hand ab. »Alles.« »Alles«, wiederholte Robin vergnügt, und das würde sie auch. Geheimnisse brauchte es nicht länger. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)