Der Prinz . . . und die Diebin von irish_shamrock (Es war einmal . . . [Nami & Sanji]) ================================================================================ Kapitel 4: IV ------------- Der Prinz und die Diebin ────────────────── Es war einmal . . . IV Hoffnungsfroh und munter begannen die ersten Vögel ihre zarten Stimmen zu heben. Sie begrüßten den Morgen, der langsam und stetig über das Land wanderte, in seinem Schlepptau leichte Nebelschwaden, die ihm sanft nachfolgten. Ein Ächzen ertönte, während das Mädchen, von dessen Lippen jene Laute gekommen waren, mit hastigen Schritten versuchte, den beschwerlichen Weg auf sich zu nehmen. Die rutschige und mit leichtem Schnee bedeckte Böschung hatte sie erklommen, als ihr Blick gen Himmel ging. Hell und leuchtend schickte die Sonne ihre ersten Strahlen und ließ jene weißen Flecken glitzern. Kalt war es, eisig gar, doch das junge Fräulein zwang sich voran. Befreit war sie von den Ketten, erlöst von der kargen, nackten Mauer in ihrem Rücken. Noch immer schmerzten Hände und Füße. Sie war frei, sie lebte, doch wie hoch war der Preis, den sie und andere zu zahlen hatten? Eiligst scheuchte sie sich weiter, verdrängte jene Gestalten, die ihr zur Flucht verholfen hatten. Und wer auch immer die Fremden waren, sie würden hängen für ihre Taten. »Mein Prinz.« Den drängenden Worten Duvals wusste der junge Königssohn nur zu entgehen, in dem er sich das volle, weiche Kissen auf die Ohren drückte. Viel zu lang war er auf den Beinen gewesen, zu viel hatte er gehört und zu viel erlebt in den letzten Stunden. Ruhe und Stille waren die einzigen Freuden, nach denen er sich ehnte. Murrend, und mit den Zähnen knirschend, riss er das mit Daunen gefüllte Polster von sich, warf es durch sein Gemach und setzte sich, die Hände hinter sich auf das Laken stützend, auf. Den Blick verhangen, die Strähnen seines blonden Haares hingen ihm wirr ins knabenhafte Gesicht. Ein lautes, unfeines Gähnen erfüllte die Kammer, ehe Sanji seine Aufmerksamkeit dem Diener zukommen ließ. Dieser wirkte sichtlich nervös, gar angespannt. Die Augen Duvals huschten eilig über das Antlitz des Jungen. Betreten senkte der Bedienstete das Haupt. »Mein Prinz«, murmelte er, »es ist ... jemand hat ... die Gefangene.« Skeptisch wanderte eine Braue zum hellen Haaransatz. Müde rieb sich der Prinz die Augen und versuchte aus den holperigen Silben seines Kammerdieners etwas Nützliches herauszuhören. Tiefe Falten rutschten ihm in die Stirn und verliehen seinem Argwohn Ausdruck. Duval lechzte nach Luft. Seine Stimme drohte sich zu überschlagen, während das Gemüt des jungen Prinzen mit jedem weiteren Wort mehr ins Wanken geriet. Stumm lauschte Sanji den Ausführungen seines Dieners, doch blieb ihm der Kern des Ganzen versagt. Mehr als einmal musste sich der Herr erklären. Ein schnaubender Laut entkam seinen Lippen, ehe sich der Prinz aus den Laken wühlte und Anstalten machte, sich aus dem Bett zu erheben. Eiligst rückte Duval von ihm ab, gab dem Thronfolger den nötigen Raum um sich zu strecken. Knurrend schnippte der junge Mann nach seinen Zofen, um ihm beim Ankleiden behilflich zu sein. Der Stoff seines langen Hemds wurde empor geschoben, als ershrocken Duval nach Luft gierte. »Mein Prinz«, hob sein Bediensteter an, »verzeiht mir, doch was ist mit Euch geschehen?« Verdutzt kniff Sanji die Augen zusammen. Duval deutete auf seinen Leib. Endlich hatte ihn die alte Dame von dem lästigen Kleid befreit, doch diese rang, ebenso wie der Diener nur wenige Wimpernschläge zuvor, hastig nach Atem. »Was habt ihr?«, fauchte Sanji allmählich von Wut gepackt und blickte an sich herab. Bläuliche Flecken zierten die linke Flanke seines Körpers und weitere verweilten in Brustmitte. Je näher er sich jene wunden Stellen besah, desto mehr bemerkte er ein Kribbeln, das sich pochend auszubreiten schien. Sie hatte ihm in die Rippen gestoßen, bereits zum zweiten Male, der Gedanke kam ihm schnell und unbarmherzig in den Sinn, als Zofen und Diener in Hast ausbrachen. Atemwolken entwichen ihrer Kehle, während sich das Mädchen weiter zwang. Vielleicht hätte sie sich dem Reich nicht nähern dürfen, hätte fortgehen und nie mehr einen Blick riskieren sollen. Doch etwas trieb sie wieder zurück in die Stadt. Zurück zu jenem Ort, der ihr Heimat und Zuhause war. Im Schatten der Stadtmauern huschte sie durch Gassen und Straßen. Die patrouillierenden Stadtwächter erschienen ihr noch verschlafen, als dass sie jene Gestalt bemerkten, die sich katzengleich vor ihnen verbarg. Die letzten Kräfte zusammennehmend, schleppte sich die junge Frau bis zur Pforte jenes Gebäudes, das sie als ihr Heim beschrieb. Leise schlugen ihr die Finger gegen das Holz, ehe sie Geräusche hinter der Tür vernahm. Langsam wurde die Pforte geöffnet, ehe man ihr gänzlich Eintritt gewährte. »Nami?« Die Verwunderung in der zarten Stimme vermochte das Mädchen gut zu kennen. »Es tut mir leid, Nojiko«, sprach sie und atmete vor Erleichterung auf, als die Tür ins Schloss fiel. »Aber ...« »Wo warst du?« Mit verschränkten Armen verlangte die junge Frau nach Erklärung. Das Haupt gesenkt, trottete die Diebin auf den kleinen Tisch zu, der vor der Feuerstelle verweilte, und ließ sich auf einen der beiden Stühle sinken. »Die Soldaten ...«, begann das Mädchen und vernahm, wie ihre Schwester schwer nach Luft rang. »Bitte verzeih mir, aber ...« »Nein!« Das Fräulein erhob die Hände. »Ich verstehe.« »Aber ...«, versuchte die Maid ihr Abenteuer darzubringen und blickte von dem schäbigen Holz des Tisches zu der Frau auf. »Nein«, sprach die Schwester und wandte ihr Haupt von einer Seite zur anderen, »ich wusste, dass es irgendwann geschehen würde. Ich habe dir immer schon gesagt, dass du nicht zu stehlen brauchst!« »Ich weiß, und doch ...« Noch immer war es an dem Mädchen, sich zu erklären, doch die Verwandte schenkte ihr nur ein trauriges Lächeln. »Nami«, meinte diese und griff nach den klammen, kalten Händen der jüngeren Frau. Jedes weitere Wort verlor sich in der Stille. »Nojiko, hör mich an, bitte!«, verlangte das Fräulein beharrlich und begann von den Geschehnissen zu berichten. »Sie haben dich frei gelassen?« Die Stimme der Älteren war leise, schien beinahe nur ein Flüstern. »Du brauchst das nicht zu tun, Nami. Sie wollten dich hängen!« »Ja, aber sie haben ihre Chance vertan.« Zu mutig sprangen ihr plötzlich die Silben von den Lippen. »Nami.« Ein seufzender Laut entstieg ihrer Kehle, ehe die Älteste erneut das Wort ergriff: »Hör mir zu!« Trotz zeigte sich auf dem Gesicht des Mädchens. Offenbar war ihr der Wert ihres Lebens durch all das Durcheinander abhanden gekommen. Zu Euphorisch erschien sie ihrer Schwester, zu aufsässig. »Beim nächsten Mal, Nami, wirst du gehängt. Dass du entkommen bist, hast du nur der Hilfe jener Leute zu verdanken. Bitte Nami ...« Bei den Worten Nojikos schüttelte das Kind nur den Kopf. »Kein Stehlen mehr. Ich will dich nicht auch noch verlieren.« Nami hob den Blick. Das Gesagte zeigte Wirkung. Schmerzlich hatte Nojiko sie an den Mord an ihrer Mutter zu erinnern gewusst. Betrübt ließ die junge Frau ihr Haupt sinken. Jenes Haupt, das ihr zur Mittagsstunde vom Halse geschlagen werden sollte. »Sei es drum. Dich zu belehren ist seit jeher ein erfolgloses Unterfangen. Und nun komm«, erhob ihre Schwester abermals, »wir müssen in ein paar Stunden auf dem Markt sein. Unser Obst verkauft sich nicht von allein.« Lang hatte das Mädchen noch auf dem Stuhl verharrt und in die glimmende Glut geblickt. Sie war den Fängen dieser todbringenden Männer entkommen. Ihr Hals hatte sich beinahe schon der Schlinge gefügt, die man für sie bereithielt. Ein Schauer troff ihr über den Rücken, als die Gedanken zu dem Galgen schweiften, der innerhalb der Stadtmitte als Mal für Untaten errichtet worden war. Neben diesem fristete der Pranger ein eher armseliges Dasein. Dass man sie nicht erst an diesen zu stellen versuchte, hatte die junge Diebin nicht minder schockiert. Doch auf Diebstahl stand der Tod, so war es seit je her, auch wenn ihre Finger tatenlos geblieben waren. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)