Schicksalsschläge von lunalinn (OS-Sammlung) ================================================================================ Kapitel 5: Vorwände ------------------- „Was willst du?“ Es war nicht so, dass Remus Lupin mit sonderlicher Freundlichkeit gerechnet hätte. So etwas konnte gerade er bei seinem Gegenüber nicht verlangen, hatten sie doch eine längere, nicht besonders positive Vorgeschichte. Remus seufzte innerlich, während er die Tür hinter ihnen schloss und kurz den Blick durch das verstaubte Zimmer gleiten ließ. Anscheinend hatte noch niemand versucht, den Raum bewohnbar zu machen, wenn man die unzähligen Spinnenweben über den Bücherregalen betrachtete. Es roch unangenehm muffig, doch immerhin waren sie hier einigermaßen ungestört. „Schickt Black dich, damit du mir sagst, wie unfair ich ihm gegenüber bin?“, spottete der andere wie gewohnt. „Wenn dies der Fall ist, können wir das Gespräch direkt beenden.“ „Nein. Deswegen bin ich nicht hier.“ „Sondern?“, wurde er angeraunzt und schaffte es nur mit Mühe, keinen genervten Laut von sich zu geben. Sie hatten gerade erst eine Besprechung des Ordens hinter sich gebracht und aufgrund solcher Feindseligkeiten war es wie immer sehr anstrengend gewesen. Sirius fuhr schnell aus der Haut, das wusste er ja selbst, doch Severus Snape provozierte ihn jedes Mal absichtlich mit seiner Lage. Sei es drum, er war wirklich nicht deswegen hier. „Es ist mir…zugegeben ein wenig unangenehm“, begann er nach einem tiefen Atemzug und er sah, wie Severus eine Braue hob. „Nun…das wäre nichts Neues. Weiter“, erwiderte er dann trocken. „Ich habe nicht so viel Freizeit, wie andere Ordensmitglieder.“ Remus wich dem Blick der durchdringenden, schwarzen Augen aus, indem er eine Spinne beobachtete, wie sie sich langsam an einem Faden abseilte. Dieses Haus war wirklich unbewohnbar…und er selbst war wirklich einiges gewohnt. Der Orangeton der untergehenden Sonne tauchte den Raum in ein warmes Licht, doch als er Severus wieder ansah, merkte er nicht mehr viel davon. „Tonks äußerte mir gegenüber…hm…was du zu ihr gesagt hast…“ In Severus‘ Miene regte sich nichts. „Wegen ihrem Patronus, der…nun ja…seit einer Weile die Gestalt eines-“ „Ich weiß, wie ihr Patronus aussieht!“, schnappte Severus und ließ ihn damit kurzzeitig verstummen. „Und ich weiß, was ich gesagt habe, also komm zum Punkt!“   Remus fühlte sich aus der Bahn geworfen, als der andere ihn so anfuhr. Er selbst war eigentlich der festen Überzeugung, dass man eine unangenehme Angelegenheit auch diplomatisch besprechen konnte, doch…damit kam er hier wohl nicht weiter. Die Feindseligkeit überraschte ihn mehr, als sie es wohl hätte tun sollen, aber er konnte sich nicht helfen. „…warum hast du es gesagt?“, wollte er wissen und blickte ihn ernst an. „Ich meine…warum…?“ Er geriet ins Stammeln und ärgerte sich selbst darüber, dass er nicht so sachlich bleiben konnte, wie er wollte. Severus‘ aalglattes Gesicht jedoch ließ nicht erkennen, ob die Frage etwas in ihm rührte. Seine Augen spiegelten nur die gewohnte Kälte wieder. „Ich denke nicht, dass ich einem von euch Rechenschaft ablegen muss…weder dir noch Nymphadora“, gab Severus zurück. „Wenn das alles ist-“ „Antworte mir!“, fiel er dem anderen nun nachdrücklicher ins Wort und funkelte ihn an. Für einen Moment schien der Tränkemeister ganz perplex von seinem Ausbruch zu sein – denn für Remus‘ sonst eher friedliches Verhalten war es das. Allerdings wollte er hier auch nicht einfach stehen gelassen werden. Das verräterische Zucken der dünnen Lippen verhieß nichts Gutes, dennoch wartete Remus. „Eine unbedeutende Aussage über einen noch unbedeutenderen Patronus und du machst so einen lächerlichen Aufriss darum? Sag, Remus, schämst du dich nicht für dich selbst? Ich meine, noch mehr als sonst…?“ Die Worte trieben ihm die Röte in die Wangen, so sehr er es auch zu unterdrücken versuchte. Severus‘ scharfe Worte trafen leider immer genau die wunden Punkte seiner Mitmenschen. „Ich frage mich lediglich, was du dir von meiner Antwort erhoffst“, sinnierte der schwarzhaarige Zauberer vor sich hin. „Nur zu…erleuchte mich, vielleicht offenbare ich mich dann…?“   Remus wünschte sich beinahe, er hätte das Thema niemals angefangen. Vermutlich hätte er auf so viel Gift vorbereitet sein sollen, doch wie immer war er es nicht. Es mochte daran liegen, dass er nach wie vor…Zuneigung für den anderen verspürte. Bei allem, was in der Zwischenzeit passiert war, sah er immer noch den jungen Severus vor sich, wie er einsam auf dem Gelände saß. Im Schatten der Bäume, mit Büchern bepackt und die Nase zwischen den Seiten vergraben. Ein Außenseiter wie er, mit einem unerklärlichen Interesse für die dunklen Künste und der später die falschen Freunde gehabt hatte. Der sich zu der größten Dummheit seines Lebens hatte hinreißen lassen, indem er die falsche Seite gewählt und dadurch viel verloren hatte. Noch heute fragte sich Remus, was gewesen wäre, wenn Lily ihm nicht den Rücken gekehrt und er selbst nicht weggesehen hätte. Was wäre heute, wenn er nicht zu feige gewesen wäre, dem anderen seine Gefühle zu gestehen? Wenn sie sich nicht nur die wenigen Male heimlich getroffen hätten? Auch später…als er als Lehrer eingestellt worden war, hatte er nie den Mut gehabt, es ihm offen ins Gesicht zu sagen. Immer schwebte es unausgesprochen zwischen ihnen…die wenigen Berührungen…Blicke...nicht ausdrücklich genug, um irgendetwas zu beweisen. Und als er Sirius zur Flucht verholfen hatte, schien das dünne Band endgültig gekappt worden zu sein. „Ich warte.“ Die schnarrende Stimme riss ihn aus seinen Gedanken und er schluckte leicht. „Ist es Eifersucht?“, wagte er zu fragen und spürte erneut, wie ihm das Blut in die Wangen schoss. Dabei sollte man meinen, dass er in seinem Alter darüber hinaus wäre, sich wie ein Teenager zu verhalten. Aber nun…es ging ja auch um Severus Snape, da war wohl niemand gelassen.   Eben jener sah plötzlich aus, als hätte er auf eine Zitrone gebissen. Nur kurz währte dieser Anblick, dann verzogen sich seine Lippen abschätzig und Häme war in den dunklen Augen zu erkennen. „Eifersucht?“, wiederholte er ganz langsam, was es für Remus nur noch schlimmer machte. „Du denkst ernsthaft, ich hätte ein solches Motiv? Deinetwegen? Fast würde es mich amüsieren…“ Remus schnaubte nur. „Ein Nein hätte gereicht…du musst dich nicht darüber lustig machen.“ Allerdings zweifelte er an den Worten seines Gegenübers. „Oh nein, glaub mir…das muss ich“, widersprach Severus und man merkte ihm an, dass er es genoss. „Wenn du dich hören würdest, würdest du vermutlich vor Scham im Boden versinken.“ Der Werwolf versuchte Haltung zu bewahren, doch als Severus ein paar Schritte näher kam, fiel es ihm nicht leicht. „Das tue ich bereits…danke…“, gab  er knapp zurück und brachte den anderen zum Lächeln. Ein Lächeln, das vor Spott nur so triefte. „Zurecht“, meinte Severus kühl und blieb nur wenige Schritte vor ihm stehen. „Denk nicht, dass mir nicht bewusst ist, was das Ganze hier soll. Bei deiner Feigheit wundert es mich, dass du hier vor mir stehen und mich solche Dinge fragen kannst.“ Ein Schlag ins Gesicht hätte nicht so sehr geschmerzt, doch er wusste, dass Severus noch nicht fertig war.   „Ich wollte nicht-“ „Was wolltest du nicht?!“, ließ ihn der andere nicht ausreden. „Mich auf diese unangemessen pubertäre Art und Weise fragen, ob ich noch irgendetwas für dich übrig habe? Nach all den Jahren, in denen es dir stets egal war? Du hattest ein verdammtes Jahr die Zeit, mich danach zu fragen, wenn es dich wirklich interessiert hätte…ein Jahr, um dich zu entscheiden und du hast dich für Black entschieden!“ Die Worte glichen nun eher einem Schlag unter die Gürtellinie und Remus wusste zunächst nicht, was er sagen sollte. „Severus, ich-“ „Und nun interessiert sich die kleine Nymphadora für dich und du bekommst Panik, nicht wahr? Vermutlich genießt du es, dich in deinem Selbstmitleid zu suhlen und dir einzureden, dass der große, böse Werwolf ihr Leben ruinieren wird…“ „Das stimmt nicht!“, versuchte er zu protestieren, doch eine leise Stimme in seinem Kopf sagte ihm, dass es genauso war. Tonks war ihm nicht egal und er fürchtete sich davor, was eine Beziehung mit ihr nach sich ziehen würde. Er war viel älter als sie, er war nicht gutaussehend und, was am Schlimmsten war, er war ein Werwolf. „…belüg dich nicht selbst, Remus. Das ist kindisch“, versetzte Severus mitleidslos. „Und es ist widerlich, dass du gerade jetzt zu mir kommst, um deine angeblichen Gefühle für mich als Grund vorzuschieben, sie von dir fernzuhalten!“ Remus blickte ihn matt an, nicht mehr wissend, was er hiermit eigentlich hatte bezwecken wollen. Das, was Severus ihm vorwarf, konnte unmöglich wahr sein. Oder doch? „Ich habe Gefühle für dich“, widersprach er leise. „Und ich muss wissen, ob da noch irgendetwas ist…bitte, Severus…“   Für ein paar Sekunden herrschte Schweigen. Über ihnen ertönte gedämpft Mollys Stimme, die die Zwillinge für irgendetwas zusammenzustauchen schien. Remus konnte sie nicht verstehen, wartete angespannt auf die Antwort, suchte nach einer Regung in dem blassen Gesicht seines Gegenübers – er fand nichts. „Nein. Da ist nichts. Nicht mehr.“ Es fühlte sich nicht so befreiend an wie erhofft, viel mehr glich es einem stechenden Schmerz in der Brust. Plötzlich fragte er sich, ob es nicht besser gewesen wäre, es dabei zu belassen. Er ertappte sich dabei, nicken und gehen zu wollen. Eine Abfuhr erhalten und verschwinden, ohne noch ein Wort zu verlieren. Feige sein. Nicht weiter zu hinterfragen, sondern es zu akzeptieren. Aus einem anderen Blickwinkel betrachtet, war es Severus‘ Art, sich abzuschirmen…ihn nicht näher an sich heran zu lassen. Nur einmal wollte er den Mut haben und sich dagegen stellen – sich möglicherweise auch beweisen, dass er den anderen nicht nur als Ausrede benutzen wollte.   Innerlich wappnete er sich für einen Cruciatus und tatsächlich zuckten Severus Hände zu seinen Seiten, als er einen Schritt vormachte und ihn harsch am Kragen packte. Der Protest blieb ihm jedoch im Halse stecken, als Remus ihm untypisch forsch die Lippen aufdrückte. In der ersten Sekunde schien der andere wie festgefroren, reagierte nur, indem er sich fast schmerzhaft in seine Oberarme krallte. Remus konnte sein Gesicht nicht sehen, da er die Augen geschlossen hatte, um sich von einem eventuellen Todesblick nicht einschüchtern zu lassen. Der Griff wurde noch schmerzhafter, doch…dann wurde ganz vorsichtig erwidert. Es war wie damals zu Schulzeiten…Severus‘ Lippen waren kalt, ein wenig rau, bewegten sich zaghaft gegen die seinen. Ein heftiger Kontrast zu seinem sonstigen Wesen. Remus‘ Puls schoss in die Höhe und er konnte nicht fassen, was hier gerade passierte…und dass er noch nicht zusammengekrümmt auf dem Boden lag. Umso plötzlicher kam der Stoß gegen seine Brust, der ihn zurücktaumeln ließ. Perplex sah er den anderen Mann an, der schwer atmend da stand und ihn mit einer Mischung aus Wut und Entsetzen anblickte. Der seichte Rotschimmer auf seinen blassen Wangen entging Remus jedoch nicht und das heftige Klopfen in seiner Brust wollte sich nicht einstellen.   „Bilde dir nichts darauf ein!“, wurde er angezischt, doch selbst das konnte seine aufkeimende Freude nicht ersticken. Ein warmes Lächeln legte sich auf seine Lippen und er konnte nur erahnen, wie sehr Severus diesen Ausdruck auf seinem Gesicht soeben hassen musste. Bevor er noch etwas sagen konnte, wurde er grob zur Seite gestoßen und Severus rauschte mit gebauschtem Umhang an ihm vorbei. Verdutzt sah er ihm nach, hörte das Knallen der Tür…vermutlich würde Severus appariert sein, bevor er ihn einholen konnte. Nun gut, dann würden sie eben ein andern Mal darüber reden. Zumindest musste er nun nicht mehr darüber nachdenken, ob er Tonks und sich eine Chance geben sollte. Es war ohnehin eine dumme Idee aus bereits genannten Gründen…auch wenn er sie mochte. Sehr mochte…mehr als gut für sie war.   Remus würde erst wieder über sie nachdenken, wenn Severus Snape Albus Dumbledores Leben mit einem Avada Kedavra beenden und damit alles infrage stellen würde, was er je für ihn gefühlt hatte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)