Die Dinge, die wir immer wollten... von Sakuran (Taichi & Mimi) ================================================================================ Kapitel 7: Die Tage mit dir - Teil IV: Sehnsucht ------------------------------------------------ 02. Juli 2015, Tateyama, Präfektur Chiba Seine warme Haut, die sich wohlig an ihren Rücken schmiegte. Seine Finger, die ihre Hände fest umschlossen hielten. Sein heißer gleichmäßiger Atem, den sie in ihrem Nacken spürte. Mit geschlossenen Augen nahm sie seinen verführerischen Duft in sich auf. Die letzten Reste seines samtig süßen Parfums vermischten sich mit seinem eigenen Geruch. Es war eine Mischung aus Sandelholz und Mandel. Mit einer routinierten Kopfbewegung beförderte sie ihre langen hellbraunen Haare zur Seite und presste sich fester gegen seinen muskulösen Körper. Über so viele Jahre war es ihr sehnlichster Wunsch, in seinen Armen einzuschlafen und schließlich aufzuwachen. Er war die gesamte Nacht hinweg ein absoluter Gentleman gewesen. Zu keinem Zeitpunkt versuchte er die Situation auszunutzen und widerstand ihren bezirzenden Verführungsversuchen. Zunächst war Mimi darüber verwundert und dachte, dass er möglicherweise das Interesse an ihr verloren hätte. Doch Taichi begründete ihr eindrucksvoll, dass er mehr als nur ihr Liebhaber sein wollte. Noch immer hallten seine lieblichen Worten in ihren Gedanken und Träumen wieder. Das beständige Trommeln der Regentropfen ließ die junge Frau nur schwerlich durchschlafen. Immer wieder erwachte sie und wälzte sich unruhig umher. Letztlich war es seine starke Umarmung, welche ihr die Nötige Ruhe schenkte und Mimi endlich in den erlösenden Schlaf sinken ließ. Unerwartet spürte sie seine behaglichen Lippen auf ihrem Hals und seine zarten Küsse bescherten ihr eine wohlige Gänsehaut. „Guten Morgen...“ seine kratzige Stimme zauberte ein sanftmütiges Lächeln auf ihre Lippen. Der Tag war bereits angebrochen, doch die dichten Regenwolken hüllten die Welt in einen mausgrauen Mantel. Sanft löste sie sich aus seinen Armen und drehte sich gänzlich zu ihm um. Zärtlich versiegelte sie ihre Lippen mit seinen und fuhr ihm durch sein zerzaustes Haar. „Ich hoffe, du konntest dennoch gut schlafen, obwohl du dein Bett mit einem ungebetenen Gast teilen musstest?“ „Du bist niemals ungebeten. Aber ich hatte einige Probleme mit dem Schlafen.“ sagte er grinsend und öffnete seine dunklen Augen. Ihr fragender Blick veranlasste Taichi, seine Antwort etwas auszuschmücken. „Sagen wir es so, es ist verdammt schwierig neben dir zu schlafen und deine weiblichen Vorzüge gänzlich zu ignorieren...“ „Nun, dieses Leid hast du selbst gewählt...“ ihre Hände glitten tiefer hinab über seinen nackten Rücken. „...wir könnten es gerne nachholen.“ Ihre glänzenden haselnussbraunen Augen forderten ihn verführerisch heraus und ihr verschmitztes Grinsen machte es für den jungen Mann nicht einfacher, ihr zu widerstehen. Zart bohrten sich ihre Fingernägel in seine Haut. Er zuckte kurz zusammen und seufzte genüsslich. Mit einem sanften aber nachdrücklichen Stoß beförderte er seine Freundin auf den Rücken und beugte sich über sie. „Du hast es nicht anders gewollt...“ raunte er lustvoll. Sie quälte ihn damit und Taichi wollte überhaupt nicht länger gegen sein Verlangen ankämpfen. Er hatte es lange genug versucht und Mimi signalisierte ihm deutlich, dass sie mehr wollte. Ein erschreckend lautes Donnern durchbrach die sinnliche Stille der beiden. Vollkommen angsterfüllt fuhr Mimi zusammen und zog ihre Beine intuitiv an ihren Körper heran. Dabei traf sie den jungen Mann unglücklicherweise direkt in seiner Körpermitte. Mit einem gedämpften schmerzerfüllten Aufschrei ließ er sich neben ihr nieder und rang nach Atem. Sofort richtete sich Mimi auf und blickte ihn besorgt an. „Oh Gott, das wollte ich nicht! Ich habe mich vor dem Gewitter erschrocken...“ stammelte sie verunsichert und fuhr ihm über die Stirn. Der Schmerz ließ ziemlich schnell nach und Taichi zwinkerte ihr lächelnd zu. „Jetzt brauche ich erstmal eine Stärkung. Zeit fürs Frühstück...“ Sie konnte sich ihr Kichern nicht verkneifen und nickte stumm. Irgendwie sollte es wohl einfach nicht sein, dass die beiden einen Schritt weiter gingen. Während Taichi bereits in der Küche nach etwas essbarem suchte, öffnete Mimi alle Fenster, um die schwüle Hitze aus dem Haus zu bekommen. Kimiko schien noch immer in ihrem Zimmer zu sein. Sie mochte diese regnerischen grauen Tage nicht und zog sich lieber zurück. „Das klappt nicht...wie soll ich das Ei aufschlagen, ohne dass die Schale reinfällt?“ jammerte die Brünette und fischte erneut einige Bruchstücke der Eierschale aus der Rührschüssel. Er stellte sich hinter sie und griff mit beiden Händen um ihre. Sanft schmiegte er seinen Kopf auf ihre Schulter. Ungewollt zeichnete sich ein rötlicher Schimmer auf ihren Wangen ab und Mimi spürte, dass ihre Knie sofort weich wurden, wenn sie seinen kräftigen Körper an ihrem spürte. Geduldig zeigte ihr Taichi, wie man ein Ei richtig aufschlug und das Gemüse ordentlich zerkleinerte. „Mimi, du bist die Frau. Du musst kochen, nicht ich.“ frech drückte er ihr einen Kuss auf die Wange. Noch bevor die junge Frau etwas entgegensetzen konnte, klopfte es an der Tür. Verwundert sahen sich die beiden an. Mimi trocknete sich die Hände ab und ließ ihren Freund alleine in der Küche zurück, um die Haustür zu öffnen. Aus Rücksicht auf Kimiko schien diese Person nicht geklingelt zu haben, was wiederum bedeutete, dass es jemand sein musste, der ihre Großmutter gut kannte. Mit einem ächzenden Geräusch schob Mimi die große hölzerne Tür auf und blickte direkt in ihre eigenen Augen. Noch immer bestürzt über die Ähnlichkeit zwischen ihr und dieser fremden Frau, trat Mimi zunächst einige Schritte zurück. Unfähig ein Wort über die Lippen zu bringen, starrte sie fassungslos in diese goldbraunen Augen. Einzelne Regentropen perlten über den Stoff ihres dunkelgrünen Regenschirms und prallten mit einem gedämpften Geräusch auf dem hölzernen Boden der Terrasse auf. Ein sanftes Lächeln umspielte diese vertraut erscheinenden kirschroten Lippen und einige Haarsträhnen ihres graphitschwarzen Haares fielen über ihre Schulter. „Guten Morgen, mein Name ist Sae Watanabe, ich würde dich gerne kennenlernen.“ ihre Stimme klang zerbrechlich und die junge Frau verbeugte sich höflich vor Mimi. Im selben Moment teilte ein greller Blitz den Himmel entzwei und das bedrohliche Grollen des Donners ließ die beiden Frauen ängstlich zusammenzucken. Im Affekt griff Mimi nach dem Arm der jungen Frau und presste ihre Finger fest um die schmalen Knöchel ihres Handgelenks. Mimi spürte, dass ihr Hals mit einem Mal so unbeschreiblich trocken wurde, dass sie kaum ein Wort über ihre Lippen brachte. Verschämt sah sie in die nussbraunen Augen ihrer Halbschwester und ließ umgehend von ihr ab. „Ich glaube, dass du die Ältere bist und deswegen musst du dich gewiss nicht verbeugen.“ Sofort biss sich Mimi auf ihre Unterlippe und bereute diesen dämlichen Satz. Angespannt holte sie Luft und setzte zu einem neuen Versuch an. „Ich bin Mimi Tachikawa und würde mich sehr darüber freuen, dich endlich kennenzulernen.“ Ein merkwürdig vertrautes Gefühl breitete sich zwischen den beiden aus und es kam ihnen so vor, als hätten sie endlich ein fehlendes Stück von sich selbst gefunden. Ein fehlendes Stück des Puzzles, nach dem sie bereits ihr gesamtes Leben gesucht hatten. Auch in den darauffolgenden Tagen vertiefte sich dieses innige Gefühl der Verbundenheit zwischen den zwei Schwestern. Trotz der verregneten Tage verbrachten Mimi und Sae sehr viel Zeit miteinander. Sie war elf Monate älter als Mimi und befand sich mitten in ihrer Ausbildung zur Krankenschwester. Sae wuchs als uneheliche Tochter auf und hatte es deswegen immer wahnsinnig schwer gehabt. Als ihre Mutter dann endlich heiratete und aus dieser Ehe auch noch zwei Söhne hervorgingen, kehrte endlich etwas Ruhe in das Leben des Mädchens ein. Jedoch hielt die Ehe zwischen ihrer Mutter und ihres Stiefvaters gerade mal wenige Jahre. Es musste eine schmerzliche Trennung gewesen sein, da er seine Frau noch immer zutiefst liebte und nicht verstand, dass sie seine Gefühle einfach nicht erwidern konnte. Letztlich hielt er es nicht mehr aus und die beiden einigten sich, dass er mit den Söhnen nach Tokyo umziehen sollte. Seitdem lebten ihre jüngeren Brüder mit dem Ex-Ehemann ihrer Mutter in Tokyo. Sae hatte selbstverständlich sehr viele Fragen zu ihrem leiblichen Vater und quetschte Mimi förmlich aus. Beide Frauen fanden sehr schnell zahlreiche Gemeinsamkeiten und verstanden sich auf Anhieb gut. Es schien, als hätten sie sich bereits ihr gesamtes Leben gekannt. Taichi erlebte währenddessen eine völlig andere Mimi und konnte deutlich erkennen, dass es ihr seit wirklich langer Zeit zum ersten Mal richtig gut ging. Auch Kimiko fühlte sich erleichtert, dass die beiden Frauen endlich zueinander gefunden hatten. Trotz der schier endlosen regnerischen Tage schaffte Mimi im Haus ihrer Großmutter etwas Ordnung. In den kurzen und heißen Unterbrechungen der heftigen Schauer, kam Taichi seiner Aufgabe nach und verrichtete erforderliche Arbeiten im Garten. Trotz des zeitweise immer schlechter werdenden gesundheitlichen Zustandes von Kimiko, genoss sie das gemeinsame Leben mit ihrer Enkeltochter und deren charmantem Begleiter. Alle waren sehr bemüht, die ältere Dame zu versorgen und ihren Zustand zu verbessern. Jedoch verweigerte sie sich gewohnt dickköpfig und widmete sich dem Stricken. Die Nächte verbrachten Mimi und Taichi stets gemeinsam, jedoch hielt der junge Mann sein Versprechen ein. Zunächst fühlte es sich für beide befremdlich an, sich so nahe zu sein und dennoch nicht miteinander zu schlafen. Aber das, was sie stattdessen miteinander teilten, war viel intensiver und tiefgreifender als alles andere. Nachdem es mittlerweile den dritten Tag in Folge regnete beschlossen die beiden Frauen einen Tag in der Therme zu verbringen. Mimi packte gerade einige Handtücher in ihre Tasche und seufzte laut. „Was ist denn Prinzessin? Möchtest du mich doch dabei haben? Wir könnten so schön im heißen Wasser unsere feuchten Körper aneinander reiben...“ er wackelte dummfrech mit seinem Hinter. „Nein, lieber nicht. Ich wollte mir heute den Appetit nicht verderben...“ sagte sie grinsend und verpasste ihm einen Klaps auf der Stirn. Der junge Mann kniete sich neben sie auf den Fußboden. „Damals hast du genau das Selbe zu mir gesagt...“ Zärtlich musterte sie sein Gesicht und streichelte über seine Wange. „Damals habe ich dir noch viel mehr gesagt als das...“ ~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~* Es war ein schwül heißer Sommertag im August 2013. Die Regenzeit war etwas zeitiger vorüber gegangen als gewöhnlich. Wie jedes Jahr trafen sich die acht Freunde und verbrachten einige Tage miteinander. In diesem Jahr waren sie nach Okinawa gereist und besuchten einige traditionelle japanische Bäder. „Warum besucht man denn im Hochsommer ein Sentō? Es ist total heiß draußen, warum soll ich mich noch in eine heiße Quelle setzen?“ Taichi fuhr sich durch sein zerzaustes Haar und lehnte sich an den Bartresen. „Weil es hier in Okinawa nicht nur heiße Bäder gibt, sondern auch kühle...“ die Antwort seines rothaarigen Freundes stimmte ihn nicht gnädiger. „Außerdem wollten die Weiber unbedingt Wellness und diesen ganzen Mädchenkram...“ fügte Yamato hinzu und nahm einen großen Schluck von seinem Eistee. „Ja die Weiber...“ murmelte Taichi und blickte zu der brünetten jungen Frau am gegenüberliegenden Tisch, die sich gerade angeregt mit ihrer rothaarigen Freundin unterhielt. Alle waren lediglich mit einem Yukata bekleidet und nahmen eine Auszeit vom Baden. Während sich die beiden Frauen unterhielten trat Joe an deren Tisch und legte Mimi sachte seine Hand auf die Schulter. Mit Argwohn fixierte Taichi jede einzelne Bewegung seines älteren Freundes. Er konnte es überhaupt nicht ertragen, dass Mimi immer wieder freudig lächelte und Joe's Berührungen zuließ. „Ich geh noch ne' Runde ins Bad...hält ja keiner aus hier!“ schimpfte er wütend und stieß beinahe einen Stuhl um. „Tai warte....jetzt ist kein regulärer Badebetrieb mehr....Was hat er denn bloß?“ doch die Worte seines blonden Freundes erreichten ihn nicht mehr. Beim Vorbeigehen stieß Tai mit seiner Schulter heftig gegen Joe, sodass dieser ins Schwanken geriet. „Hey! Was soll das Tai?“ fragte dieser und blickte seinem Freund fragend nach. Die brünette junge Frau hingegen schwieg und leerte den letzten Rest ihres Glases. „Mach dir nichts draus Joe. Er ist ein dämlicher Vollidiot...“ sagte sie und erhob sich langsam von ihrem Stuhl. „Ich gehe schon mal nach oben. Wir sehen uns beim Abendessen...“ fügte sie lächelnd hinzu und verließ die Lobby des Hotels. Selbstverständlich ging Mimi nicht auf ihr Zimmer, sondern folgte Tai. Jetzt war sie nach einem Jahr endlich wieder in Japan und er spielte sich erneut wie das letzte Arschloch auf. Das Maß war voll und sie wollte dieses Benehmen nicht länger hinnehmen. Auch wenn sie bis jetzt noch kein einziges Wort miteinander gewechselt hatten, so duldete Mimi es keine Sekunde länger, dass er sich Joe gegenüber so verhielt. Nach einem kurzen Fußmarsch durch den Garten des Hotels erreichte man das rustikale Bad. Taichi betrat den Vorraum und entledigte sich seiner Kleidung. Wie es beim Besuch in einem Sentō üblich war, begab man sich unbekleidet ins Thermalwasser. Der Bereich für Männer und Frauen war in diesem Bad nicht getrennt, sondern in spezielle Uhrzeiten unterteilt. Im Vorraum befanden sich keine anderen Schuhe oder Hinweise darauf, dass sich andere Gäste im Bad befanden. Verwundert folgte die junge Frau ihm unauffällig und schlang ihr Handtuch fest um ihren Körper. Der heiße Wasserdampf ließ Mimi kurzzeitig die Orientierung verlieren, doch dann spürte sie eine kräftige Hand auf ihrer Schulter. „Was willst du denn hier? Jetzt ist Badezeit für die Männer! Du traust dir was...“ sagte er schroff und fixierte sein Handtuch an seiner Hüfte. „Ich sehe hier keine Männer, nur dämliche Idioten, die sich ihren Freunden gegenüber unmöglich verhalten. Bist du jetzt eigentlich bald mal fertig mit deinem kindischen Theater? Wie lange soll das noch so weiter gehen?“ entgegnete sie scharfzüngig und wedelte mit ihrer Hand den Dampf weg. „Was ist denn dein Problem? Hat die Prinzessin heute Nacht etwa auf einer Erbse geschlafen oder hat es dir dein Prinz nicht gut besorgt?“ „Achso, das ist also dein Problem.“ sie grinste süffisant und verschränkte ihre Arme vor der Brust. „Nein sei versichert, dass es mir mein Prinz stets gut besorgt, besser als du es jemals getan hast...“ Er spürte wie die Wut in ihm hoch kroch und sich Eifersucht in seiner Brust breit machte. „Wenn du uns alle durch hast, kannst du mir am Ende ja eine Auswertung geben, welcher von uns der Beste gewesen ist...“ sein Tonfall wirkte plötzlich sehr scharf und bedrohlich. Unbeherrscht holte Mimi plötzlich aus und verpasste ihm eine heftige Ohrfeige. „Was bildest du dir ein? Du solltest nicht von dir auf andere schließen. Ich würde das einem Freund niemals antun. Erst mit ihm schlafen und ihn dann fallen lassen! Und zur Krönung schmeißt du dich an die Freundin deines besten Freundes ran, du bist so armselig Taichi Yagami!“ Erschrocken zuckte er zusammen und rieb sich seine pulsierende Wange. Ihre Worte waren verletzend und provokant zugleich. „Und warum kommst du immer wieder angekrochen, wenn du nicht mit mir schlafen willst? Lassen wir diese Streiterei doch einfach und kommen lieber gleich zur Sache...“ mit einem niederträchtigen Grinsen sah er sie an. „Das glaube ich, dass du mich gerne auf den Knien sehen würdest. Aber ich wollte mir heute nicht den Appetit verderben.“ ihr bissiger Blick durchbohrte ihn förmlich. „Schon gut, ich habe keine Kondome dabei und bei dir weiß man nicht, wer da vorher schon dran war. Nachher drehst du mir noch ein Baby an oder viel schlimmeres als das...“ seine Worte waren so bösartig und er konnte selbst nicht fassen, dass er das gerade sagte. Noch bevor ihm eine Entschuldigung über die Lippen kam, traf ihn ihre flache Hand erneut ins Gesicht. Als Mimi zum nächsten Schlag ausholte, packte er ihr Handgelenk und hielt sie davon ab. Sein gesamtes Gesicht schmerzte unerträglich und wütend starrte er sie an. Mimi biss sich so heftig auf ihre Lippen, dass sie bereits ganz weiß wurden. Plötzlich tat es ihm so unendlich leid, dass er solch heftigen Worte zu ihr sagte. Doch es war geschehen und ließ sich nicht rückgängig machen. „Du Schwein! Lass mich los!“ schrie sie tränenerstickt und löste sich aus seinem Griff. Sie wollte nur noch weg von ihm. Verzweifelt riss sie an der Tür, doch sie ließ sich einfach nicht öffnen. „Was zum...ich will hier raus!“ rief sie und schlug mit ihren Fäusten gegen das massive Holz. Doch die Tür bewegte sich keinen Millimeter. Offenbar wurden sie eingeschlossen. Er folgte ihr und packte sie am Arm. „Mimi...bitte....es tut mir leid...“ stammelte er. Doch Mimi wehrte sich so heftig, dass er sie kaum bändigen konnte. Immer wieder schlug sie ihm kraftvoll ins Gesicht. „Verschwinde!“ schrie sie hysterisch und er wusste sich nicht anders zu helfen, als sie festzuhalten und gegen das Waschbecken zu drücken. Dabei drehte er sie um und presste ihren Rücken gegen seine Brust. Angestrengt hielt er mit seinen Armen ihre umschlossen, damit sie nicht mehr nach ihm schlagen konnte. „Warum tust du das? Lass mich los! Lass mich doch endlich gehen...“ stotterte sie verzweifelt. Tai schwieg und lehnte seinen Kopf keuchend gegen ihren nackten Rücken. Ihr Herz raste, aber dennoch spürte er, wie sich ihre Muskulatur nach und nach entspannte. Sachte ließ er ihre Arme los und Mimi stützte beide Hände erschöpft gegen den beschlagenen Spiegel. „Ich kann dich nicht los lassen...“ flüsterte er. „Das hast du doch schon längst. Du willst mich überhaupt nicht. Dein Herz gehört einer anderen Frau...“ erwiderte sie leise und versuchte ihn durch den Spiegel anzusehen, indem sie mit ihrer Hand die Feuchtigkeit wegwischte. „Sora hat es mir erzählt. Nach deinem Motorradunfall bist du zu ihr gegangen und hast ihr gesagt, dass sie immer noch mehr als eine Freundin für dich ist...“ Taichi erhob seinen Kopf nicht von ihrem Rücken. Er bewegte lediglich seine tiefbraunen Augen und suchte nach irgendwas in diesem Raum, irgendwas, das ihm Halt geben könnte. Nach seinem tragischen Unfall im vergangenen Herbst und den Tagen im Koma, wollte er einen Neuanfang starten. Er zog aus der Wohnung seiner Eltern aus und beschloss, sich ein für alle Mal zu entscheiden. Was waren das für Gefühle in seiner Brust? Er wollte nicht ständig an eine Frau denken, die er sowieso niemals erreichen würde. Taichi wusste damals genau, dass er niemals hätte mit Mimi zusammen sein können. Es gab für ihn und sie keinen gemeinsamen Weg. Doch die Verbindung zu Sora war schon immer so tief, dass er davon überzeugt war, dass es mehr sein musste als bloße Freundschaft. In einer der vielen Beziehungspausen zwischen Yamato und Sora nutzte Taichi seine Chance. Im Grunde wusste er selbst nicht, mit welcher Reaktion er tatsächlich gerechnet hatte. Denn es war eigentlich vollkommen klar, dass Sora's Herz längst einem anderen Mann gehörte. Dementsprechend wies sie Taichi auch zurück. Doch die Worte, die Sora damals zu ihm sagte, würde er wohl nie vergessen. Plötzlich strich er mit seinen Fingern über ihre makellose Haut und seine Lippe bedeckten ihren Rücken mit zarten Küssen. Er spürte, dass Mimi sofort Gänsehaut bekam und verunsichert zusammenzuckte. Kein Wort verließ ihre Lippen, schweigend starrte sie in den Spiegel und versuchte seine Augen auszumachen. Obwohl sich ihr Kopf vehement dagegen sträubte, verlangte ihr Herz umso mehr nach seinen Berührungen. Seine rauen Fingerkuppen fuhren unter ihr Handtuch und lösten problemlos den Knoten. Geräuschlos sank es zu Boden und entblößte die junge Frau in ihrer ganzen Schönheit. Beide Blicke trafen sich im Spiegel und Taichi legte sofort seine Lippen an ihren Hals. Keuchend beugte sich Mimi nach vorne und stützte sich umso stärker an der glatten Oberfläche des Spiegels ab. Sie spürte den Stoff seines Handtuchs, welches ebenso zu Boden glitt. Was hatte er jetzt vor? Wollte er in dieser Position, hier und jetzt, mit ihr schlafen? Unerwartet spürte sie seine Finger zwischen ihren. Überrascht beobachtete sie, wie er ihre Hand mit seiner bewegte und mit ihrem Zeigefinger etwas an den beschlagenen Spiegel schrieb. »Ich vermisse dich.« Ihr gesamter Körper fing an zu zittern. Obwohl sie versuchte standhaft zu bleiben, überkam sie ein tiefes Gefühl von Traurigkeit. Schluchzend betrachtete sie die Schriftzeichen im Spiegel und presste ihre Finger um seine. Im selben Moment vergrub er sein Gesicht an ihrer Schulter und Mimi hätte schwören können, seine heißen Tränen auf ihrer Haut zu spüren. Taichi richtete seinen Blick wieder auf, als er bemerkte, dass sie ihre Hand nun selbstständig mit seiner eigenen bewegte. Mimi veränderte lediglich eines der Zeichen und somit den gesamten Satz. »Ich vermisse dich so sehr.« Keine Sekunde länger hätte er jetzt noch an sich halten können. Hingebungsvoll drehte er sie um und legte seine Lippen fordernd auf ihre. Mimi zögerte keinen Moment und erwiderte seinen Kuss sehnsüchtig. Hastig schlang sie ihre Arme um ihn und spürte, wie er sie anhob und auf dem Waschtisch platzierte. Er wollte sie jetzt nur noch spüren, ihr nahe sein, sie berühren, sie schmecken und ihren bezaubernden Duft nie wieder missen. Als sie ihre Beine um seine Hüften schlang, signalisierte sie ihm deutlich, dass sie bereit für ihn war. „Willst du jetzt doch ein Baby mit mir?“ fragte sie frech und strich ihm zärtlich durchs Haar. Verdutzt sah er sie an und hielt inne. „Ich....hab nichts dabei...“ murmelte er und wurde etwas verlegen. „Schon gut. Diesbezüglich kann nichts passieren, ich nehme die....“ sie konnte ihren Satz nicht beenden, da Taichi sie leidenschaftliche küsste. Der temperamentvolle junge Mann hatte den unvollständigen Satz seiner Freundin sehr wohl verstanden. Doch selbst wenn sie nicht verhütet hätte, es wäre ihm egal gewesen. Er war 21 Jahre alt und seines Erachtens alt genug, um Vater zu werden. Außerdem wäre es vielleicht eine Möglichkeit gewesen endlich zueinander zu finden und zusammen zu sein. Über diesen plötzlich aufkommenden Wunsch verwundert, mit ihr eine Familie gründen zu wollen, stürzte er sich in diesen innigen Kuss. Doch zu mehr als heißen Küssen kam es an diesem Abend nicht, denn die beiden wurden durch zwei Stimmen jäh in ihrer Zweisamkeit unterbrochen. „Tai?! Bist du da drinnen?“ Koushiro hämmerte mit seinen Fäusten gegen die massive Holztür und Joe kam gerade mit einem Schlüssel herbei geeilt. Enttäuscht und etwas wütend sah Tai in die goldbraunen Augen seiner Freundin. „Das kann doch nicht wahr sein...“ flüsterte er und reichte ihr das Handtuch. Mit einem breiten Grinsen schlang sich die junge Frau den weißen Baumwollstoff um ihren Körper und rutschte vom Waschtisch runter. Taichi hingegen blieb nackt und bewegte sich zum Wasserbecken. „Wo gehst du hin?“ flüsterte sie kichernd. „Was glaubst du? Ich brauche jetzt erstmal 15 Minuten im eiskalten Außenbecken, bevor ich mir überhaupt irgendwas anziehen kann...“ Als sich die schwere Tür endlich öffnete, starrten die beiden Freunde errötend auf Mimi. Graziös strich sie sich ihre langen Haarsträhnen hinter die Schulter. „Was glotzt ihr denn wie zwei Affen?“ fragte sie und schritt an den beiden perplexen Männern vorbei. „Äh...warum bist du hier und warum trägst du nur ein Handtuch? Wo ist Tai?“ stotterte Joe und folgte ihr. „Sollte ich lieber kein Handtuch tragen?“ fragte sie herausfordernd und wollte gerade den Knoten lösen, als Joe nervös mit seinen Händen wedelte. „Nein so meinte ich das nicht! Wir sind hier mitten auf dem Hotelflur.....“ stotterte er völlig aufgeregt. „Ach jetzt stell dich doch nicht so an! Ich habe schon viel mehr von dir gesehen! Dann wären wir endlich quitt, oder?“ Als sie sein vor Schamesröte glühendes Gesicht sah, fürchtete Mimi, dass ihr Freund gleich einen Herzinfarkt bekommen könnte. Koushiro hingegen wusste genau, wie er seine ehemalige Klassenkameradin nehmen musste und belächelte das Schauspiel der beiden nur. Es war einfach typisch für die junge Frau, dass sie provokant mit ihren Vorzügen spielte und den Männern so den Kopf verdrehen konnte. Sie zwinkerte unverschämt und streckte ihrem älteren Freund die Zunge raus. Joe konnte keine weiteren Fragen stellen, denn er erinnerte sich voller Verlegenheit an die Situation zurück, als Mimi im letzten Jahr einfach das Hotelzimmer betreten und ihn nackt gesehen hatte. Dabei hätte es ihn wahnsinnig interessiert, warum Taichi und Mimi gemeinsam im Bad gewesen waren. Die weiteren Tage waren merkwürdig für Taichi und Mimi. Beide gingen sehr wertschätzend und höflich miteinander um, was ihre Freunde zutiefst verwunderte. Am Tag ihrer Abreise brachte Taichi sie tatsächlich zum Flughafen. Soweit sich Mimi erinnern konnte, war es das aller erste Mal, dass er sich offiziell von ihr verabschiedete. Sie erlebte ihn als vollkommen anderen Mann. Er trug sogar ihren Koffer und hielt ihre Hand. Die letzten Minuten verbrachten sie wartend am Terminal und Mimi schmiegte sich an seine Schulter. Irgendwie waren sie plötzlich weder Freunde noch ein Paar. Sie konnten beide keine Worte dafür finden. „Schreibst du mir eine Mail, wenn du angekommen bist?“ fragte er leise. Mimi hob ihren Kopf von seiner Schulter und setzte sich aufrecht hin. „Tai, warum sollten wir dieses Spielchen immer weiter spielen? Vielleicht sollten wir es einfach dabei belassen, genauso wie es jetzt ist. Du willst sowieso immer das haben, was du nicht kriegen kannst. Wenn ich in deiner Nähe bin, sehnst du dich nach Sora und wenn ich fort bin, dann vermisst du mich. Du kannst dich nicht entscheiden...“ Ihre Worte klangen überhaupt nicht vorwurfsvoll aber dennoch verletzten sie ihn. Zögerlich schob er seine Hand zwischen ihre Finger. Mit einem sanften Lächeln sah Mimi ihm direkt in seine dunkelbraunen Augen. In diesem Moment dachte sie tatsächlich, dass es für sie kein Problem gewesen wäre, wenn sie sich auf diese Art von Freundschaft geeinigt hätten. Eine Freundschaft mit gewissen Vorzügen. Ohne Verpflichtungen und mit jeder Menge Spaß im Bett. Doch tief in ihrem Herzen wünschte sie sich viel mehr als das. Aber letztlich wäre es für die junge Frau schlimmer gewesen, ihn überhaupt nicht mehr in ihrem Leben zu haben. Die letzten Jahre waren furchtbar und es hatte sie beinahe in Stücke gerissen, dass sie keinen Kontakt hatten, keine Freunde mehr waren und kein einziges nettes Wort miteinander sprechen konnten. Die Stimme einer freundlichen Frau erklang durch den gesamten Terminal und rief Mimi's Flug auf. Die beiden erhoben sich von ihren Plätzen, doch Taichi blieb vor ihr stehen. Mutlos sah er zu Boden und hatte seine Hände tief in den Hosentaschen vergraben. „Das was wir uns am meisten wünschen, wonach wir ein Leben lang suchen, die Dinge, die wir immer wollten.....sie liegen oftmals direkt vor unseren Füßen. Wir müssen uns nur entscheiden, welchen Weg wir gehen wollen und wer uns dabei begleiten soll...“ Liebevoll legte er seine Hand auf ihre Wange. Es kostete viel Überwindung, dass Taichi ihr direkt in die Augen sehen konnte. Seine Knie waren weich und sein Puls raste. Es stimmte was Mimi sagte. Sehr lange ist er tatsächlich hin und her gerissen gewesen zwischen zwei Frauen. Doch umso tiefer die Sehnsucht in seinem Herzen wurde, desto sicherer wurde er sich seiner Gefühle. „Ich will es nicht so belassen wie es jetzt ist. Ich will und brauche dich in meinem Leben, als Freundin oder vielleicht sogar mehr als das. Am Ende entscheiden doch sowieso nicht wir, sondern unser Herz. Wäre es nicht einen Versuch wert?“ „Wenn du das möchtest.“ antwortete sie karg und zupfte nervös an ihren Haarsträhnen. Damit hatte sie überhaupt nicht gerechnet. Wie sollte sie das verstehen? Eine Fernbeziehung? Keine Beziehung? Eine Beziehung auf Probe? Als er die ganzen Fragezeichen in ihren Augen sah packte er sie im Nacken und zog sie zu sich. „Warum so nervös?“ flüsterte er und küsste ihre Stirn. „Ich weiß nicht...“ stotterte sie verlegen und schmiegte sich ein letztes Mal in seine Arme. „.Dann lass es uns einfach herausfinden.“ seine Finger schoben ihr Kinn nach oben und zärtlich legte er seine Lippen auf ihre. „Denn ich vermisse dich jetzt schon...“ Als sie diese Worte von ihm hörte, schien es, als würde etwas in ihr zerbrechen. Sehnsüchtig schlang sie ihre Arme um ihn und unterdrückte ihre Tränen. Noch nie mussten die beiden auf diese Weise voneinander Abschied nehmen. Der Schmerz des Abschieds war nicht wie gewöhnlich von Wut und Verzweiflung beseelt, vielmehr erwuchs ein tiefes Gefühl von Sehnsucht. Es gab soviel, was sich die beiden gerne noch gesagt hätten. Doch sie wussten, dass es einfach nicht genügend Zeit gab, um all das, was ihre Herzen begehrten, miteinander zuteilen. ~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~* Nach dem Abendessen mit Kimiko machte es sich Taichi im Wohnzimmer vor dem Fernseher gemütlich. Seitdem Mimi mit Sae das Haus verlassen hatte, hingen seine Gedanken noch immer der Vergangenheit nach. Nach diesem Abschied am Flughafen vor zwei Jahren, hatte er mit Mimi ein sehr gutes Verhältnis. Trotz der immensen Entfernung und dem Zeitunterschied gelang es beiden, jeden Abend miteinander zu sprechen. Das bloße Schreiben von Mails reichte ihnen bald nicht mehr aus und sie mussten sich jeden Abend per Videochat sehen. Damals fühlte er sich ihr sehr nahe und musste täglich mit seiner Eifersucht kämpfen. Er dachte darüber nach, mit wem sie sich in der Uni unterhielt, wer sie zu Hause besuchte oder mit wem sie am Wochenende unterwegs war. Es wurde Stück für Stück immer ernster zwischen ihnen. Taichi hatte sich fest vorgenommen seine Gefühle für Mimi endlich zuzulassen. Auch Mimi konnte sich damals eine ernste Beziehung zu ihm vorstellen, war jedoch viel zurückhaltender. Zu oft hatte er ihr Vertrauen erschüttert und sie enttäuscht. Schließlich vereinbarten beide, dass sie die Semesterferien gemeinsam in den USA verbringen wollten. Er wollte ihr beweisen, dass er seine Entscheidung längst getroffen hatte und sein Herz einzig und allein ihr gehörte. Nach dem alljährlichen Treffen in Japan, sollte Taichi für drei Monate mit nach New York fliegen. Zumindest war das ihr Plan. Die Realität gestaltete sich jedoch ganz anders. Plötzlich kamen ihm die Bilder von diesem furchtbaren Abend in diesem Restaurant zurück in den Kopf. Ihr weinendes Gesicht. Sein blutüberströmtes weißes Hemd. Der stechende Schmerz in seiner Brust als sie ihm sagte, dass sie nicht erneut sein Trostpflaster sein wolle. Warum war es schief gegangen? Warum konnten sie nicht einfach miteinander glücklich sein? All diese Gedanken quälten sich durch seinen Kopf. Irgendwann ergab sich der junge Mann seiner Müdigkeit und schlief erschöpft auf der Couch ein. Der Regen prasselte gegen die zahlreichen Fenster und die kalten Hände einer vertrauten Person streichelten ihm zärtlich über die Stirn. Zwei wohlig warme Lippen vereinigten sich mit seinen und Taichi schlug benommen seine Augen auf. In der Dunkelheit konnte er ihre leuchtenden goldbraunen Augen erkennen und sofort fuhren seine Hände sehnsüchtig durch ihr langes Haar. „Warum liegst du hier unten auf der Couch?“ flüsterte Mimi besorgt und schaltete den Fernseher aus. „Ich bin nach dem Abendessen hier unten geblieben und scheinbar eingeschlafen...“ murmelte er und setzte sich aufrecht hin. Mit einem verschmitzten Grinsen platzierte sich Mimi auf seinem Schoß und legte ihre Hände um seinen Nacken. Zärtlich strich sie ihm einige Haarsträhnen aus dem Gesicht und küsste seine Schläfe. „Hattet ihr einen schönen Tag in der Therme?“ fragte er matt und legte seine Hände auf ihren Rücken. Mimi nickte stumm und schmiegte ihren Kopf an seine Brust. Diese Nähe zu ihm war einfach wundervoll. „Tai...“ ihre Stimme durchbrach die Stille der Nacht. „Ja?“ fragte er verwundert. „Warum hat es damals nicht geklappt zwischen uns? Warum ist es im Restaurant so eskaliert? Ich dachte damals wirklich, dass du dich von Sora gelöst hättest und plötzlich war alles anders. Die beiden gaben ihre Verlobung bekannt und du bist aus dem Raum gestürmt und warst stundenlang weg. Ich habe dich dann stockbesoffen gefunden und alles ging schief.“ Sie sah ihn nicht an. Ihre Atmung war gleichmäßig und ihr Tonfall vollkommen entspannt. Die letzten Tage mit ihm hatten ihr dabei geholfen, etwas Abstand zu diesem furchtbaren Abend zu gewinnen. Doch sie konnte bis heute nicht verstehen, warum sich Tai so verhalten hatte und sich bis heute nicht für seine Freunde und seine Schwester freuen kann. „Du hast mir gesagt, ich sei nie die andere Frau gewesen. Aber was war es dann an diesem Abend? Warum hast du alles aufgegeben? Warum bist du nicht mit mir gekommen?“ Er sog die Luft scharf durch seine Lippen und kniff seine Augen verzweifelt zusammen. „Ich kann versuchen es dir zu erklären...“ flüsterte er schließlich und fuhr sich mit einer Hand durchs Haar. „Ich hatte so unwahrscheinlich große Sehnsucht nach dir. Wenn wir nicht miteinander schreiben oder sprechen konnten, ging es mir entsetzlich schlecht und die Eifersucht war kaum auszuhalten. An diesem Abend im Restaurant hat mich der Neid gepackt. Plötzlich fanden meine beiden besten Freunde, nach langem Hin und Her, endlich zusammen und wollten ihr Leben miteinander verbringen. Mit einem Mal verstand ich, dass ich selbst keinen Schritt weiter war. Trotz unseres intensiven Kontaktes zueinander, hatten wir weder eine feste Beziehung, noch wusste ich überhaupt irgendwas aus deinem Leben. Ich war kein fester Bestandteil in deinem Leben und ich würde es auch nur temporär sein können. Denn du lebtest 11.000 Kilometer weit weg, das wäre nicht mal eine Wochenendbeziehung gewesen. Ich wusste einfach nicht, wie ich das jemals hätte schaffen sollen. Wie wir hätten jemals zusammen sein können.“ Taichi unterbrach seinen Satz kurz und seufzte leise. Mimi hatte sich inzwischen aufgerichtet und sah ihn direkt an. Ihre Finger graulten seinen Nacken. „An diesem Abend wollte ich meinen Schmerz und den Neid einfach nur im Alkohol ertränken. Irgendwie kam es dann zum Streit zwischen uns, weil du es falsch verstanden haben musst. Du dachtest, ich sei noch immer in Sora verliebt und könne mich deswegen nicht für die beiden freuen. Du dachtest, ich wolle mich mit dir darüber hinweg trösten. Doch so ist es nicht gewesen...“ Zum Ende hin wurde seine Stimme brüchig und er lehnte seinen Kopf gegen ihre Brust. Ihren zierlichen Körper drückte er fester an sich und nahm ihren süßlichen Duft tief in sich auf. „...Ich habe dich einfach so sehr vermisst, dass ich nicht anders konnte. Doch meine Verzweiflung ließ alles derart eskalieren und führte dazu, dass alles zwischen uns zerbrach.“ Ihr Blick wurde sanft und sie streichelte über seinen Kopf. Sein gesamter Körper verkrampfte und sie spürte, wie er versuchte seine Fassung zu wahren. „Mimi, das was du mir bedeutest, habe ich stets versucht bei einer anderen zu finden. Aber so was funktioniert einfach nicht. Das Herz will, was es begehrt und daran kann der Kopf nichts ändern. Es tut mir so leid. Ich bin so schwach gewesen und habe dich nicht halten können...“ Seine Worte lösten in ihr ein Gefühlschaos aus. Ihre Finger fingen an zu zittern und sie drückte seinen Oberkörper nach hinten. Verdutzt starrte er sie an. Hätte sie ihm jetzt sagen sollen, was danach passierte? Hätte sie ihm jetzt sagen sollen, wer an seiner statt mit ihr nach New York geflogen ist? Hätte sie ihm jetzt davon erzählen sollen, wer ihr in dieser schweren Zeit Trost spendete? Mutlos biss sie sich auf die Unterlippe und neigte ihren Kopf. Sie konnte es einfach nicht. Sie brachte es nicht über sich ihn derart zu verletzen, denn ihr war bewusst, dass Taichi die Wahrheit nicht verkraftet hätte. Es war einfach nicht an der Zeit es ihm zu sagen und vielleicht war es auch besser so. „Hey, was ist los? Ich wollte es nicht schlimmer machen...“ murmelte er besorgt und legte seinen Zeigefinger und Daumen an ihr Kinn. „Nein, das hast du nicht. Ich bin so froh, dass ich heute weiß, warum alles so gekommen ist.“ Mimi versuchte sich zu entspannen und küsste seine Wange. „Heute hat mir meine Schwester gesagt, dass sie ihr ganzes Leben etwas vermisste. Sie hatte nach irgendwas Sehnsucht, doch sie wusste einfach nicht wonach. Sie sagte mir, dass sie jetzt das Gefühl habe, als hätte sie den fehlenden Teil von sich selbst wiedergefunden. Ihre unendliche Sehnsucht sei nun verschwunden.“ Langsam lehnte sie ihre Stirn gegen seine und sprach weiter. „Zwischen uns ist vieles schief gelaufen. Aber zerbrochen ist es nie, sonst wären wir jetzt nicht miteinander hier. Vielleicht ist es wirklich so wie man sagt. Nicht weil es schwer ist, wagen wir es nicht, sondern weil wir es nicht wagen ist es schwer. Es fühlt sich so unendlich schmerzvoll an, dass wir letztlich davon laufen. Aber unsere Sehnsucht nacheinander wird uns niemals los lassen. Das was wir verloren und zurückgelassen haben, werden wir unser gesamtes Leben hinweg suchen.“ Tai schenkte ihr ein zufriedenes Lächeln und nickte verstehend. „Ich will dich aber nie wieder vermissen...“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)