The Curse of Pure Blood von Silver22 ================================================================================ Kapitel 1: It's a new dawn, it's a new day, it's...the same life as before -------------------------------------------------------------------------- „Luciana!“ kreischt meine Mutter im unteren Stockwerk und ich ziehe mir stöhnend die Decke über den Kopf, als plötzlich die Tür zu meinem Zimmer aufgerissen wird. „Aufstehen, Luce! Du kommst zu spät.“ mault mein Bruder und reißt mir die Decke weg. „Rabanus! Verschwinde hier!“ schreie ich ihn an und werfe ein Kissen in sein obszön grinsendes Gesicht. Mein Nachthemd verdeckt kaum etwas von meinem Körper und ich lege mir schnell mein Kopfkissen in den Schoß, während mir das Blut in die Wangen schießt. „Ich hab dir schon tausendmal gesagt, dass du nicht einfach in mein Zimmer platzen sollst.“ zische ich mit wütend zusammengekniffenen Augen. „Dann hättest du vor einer Stunde aufstehen sollen, Schwester.“ feixt Raban und beobachtet mich mit verschränkten Armen. „Übrigens haben wir Besuch. Tom ist da.“ Genervt rolle ich mit den Augen und drücke mein Gesicht ins Kissen. Das hat mir gerade noch gefehlt. Meine Mutter versucht nun schon seit Monaten, mich mit ihm zu verkuppeln und ignoriert vollständig, dass weder er noch ich an einer Verlobung interessiert sind. „Du solltest dich besser zurechtmachen und dir was Hübsches anziehen.“ Raban wackelt anzüglich mit den Augenbrauen und ich strecke ihm trotzig die Zunge raus. „Geh‘ jetzt raus hier. Ich verpasse sonst noch den Zug.“ grummle ich und atme erleichtert auf, als er sich lachend anschickt, das Zimmer zu verlassen. Mit der Hand an der Türklinke bleibt er stehen und dreht sich zu mir um. Seine dunklen Augen funkeln belustigt und er deutet vage in meine Richtung. „Mach‘ was mit deinen Haaren. Sieht aus, als hättest du ein Vogelnest auf dem Kopf.“ rät er mir mit einem diabolischen Grinsen und beeilt sich, durch die Tür zu verschwinden, als erneut ein Kissen auf ihn zu fliegt. In Windeseile springe ich auf und haste in das angrenzende Badezimmer, um mich fertig zu machen. Ein schneller Blick in den Spiegel bestätigt Rabans unverfrorene Behauptung: Meine langen, schwarzen Locken sind ein einziges Gestrüpp und von ihrem sonstigen Glanz, ist rein gar nichts zu sehen. Mit einem resignierten Seufzer lasse ich mir Badewasser ein und ziehe mir das Nachthemd über den Kopf. „LUCIANA“ keift meine Mutter wieder, doch ich ignoriere sie und tauche einen Zeh in das warme Wasser. Baden ist wichtig; so viel Zeit muss sein. Erfrischt und mit frisiertem Haar kehre ich in mein Zimmer zurück und öffne den riesigen Kleiderschrank, als auf einmal ein lauter Knall ertönt und ich ruckartig zusammenfahre. „Du hast mich fast zu Tode erschreckt!“ herrsche ich das kleine, hässliche Wesen an, das mit schlackernden Fledermausohren vor mir steht und mich aus schreckgeweiteten Augen ansieht. „Ver-…verzeihung, Miss. Aber die Herrin hat Tibby befohlen, nach Euch zu sehen.“ quiekt es und fingert an dem Geschirrtuch herum, das seinen knochigen Körper bedeckt. Mit einem verächtlichen Schnauben wende ich mich wieder meinen Kleidern zu und ziehe ein schlichtes, rotes Gewand hervor, von dem ich weiß, dass es gut mit meinem Haar kontrastiert. „Soll Tibby der Miss beim Ankleiden helfen?“ fragt die Elfe mit piepsiger Stimme und ich werfe ihr einen tödlichen Blick zu. Als ob ich mich von einem solch widerlichen Geschöpf berühren lassen würde. „Natürlich nicht.“ zische ich deshalb und wende mich rasch ab, um in das Kleid zu steigen und es über meine Schultern zu ziehen. „Richte meiner Mutter aus, dass ich in fünf Minuten im Salon sein werde.“ trage ich der Elfe mit kühler Stimme auf, woraufhin sie sich tief verneigt und mit einem erneuten Knall verschwindet. Abfällig schüttele ich den Kopf, als mir plötzlich klar wird, dass ich das Mieder dieses blöden Kleides gar nicht selbst schnüren kann. „Raban!“ rufe ich schrill und keinen Meter vor mir, taucht mein Bruder auf, was mich schockiert zurücktaumeln lässt. „Nur weil du volljährig bist, musst du nicht ständig überall hin apparieren!“ keife ich und blitze ihn zornig an, während ich mühsam das Kleid festhalte. „Was wünscht Ihr denn, holde Dame?“ fragt er mit spöttisch erhobener Augenbraue und macht einen vollendeten Diener, der mich beinahe zum Schmunzeln bringt. Eilig bemühe ich mich wieder um eine hochmütige Miene und drehe ihm den Rücken zu. „Ich brauche Hilfe mit dem Mieder.“ sage ich hoheitsvoll und halte meine Haare hoch, sodass er freien Zugang hat. Ich spüre förmlich sein Kopfschütteln, als er grinsend an mich herantritt und mein Kleid verschließt. Als er fertig ist, haucht er mir einen leichten Kuss auf den Nacken und fängt sich dafür eine saftige Ohrfeige ein. Mit hoch erhobenem Haupt marschiere ich aus dem Zimmer und schwebe die ausladende Marmortreppe hinunter, die in das Erdgeschoss unseres Anwesens führt. Die Wände sind mit Portraits meiner übellaunig schauenden Ahnen geschmückt, von denen hie und da mal einer ein herzhaftes Gähnen zu unterdrücken scheint. Nur gut, dass meine Sachen für Hogwarts bereits gepackt sind, sonst würde ich wohl tatsächlich den Zug verpassen, schießt es mir durch den Kopf, als ich hinüber in den Salon schreite. Meine Schuhe versinken in den dicken, dunkelgrünen Teppichen und ich kann das unangenehm schrille Lachen meiner Mutter hören. „Da bist du ja endlich.“ stellt sie ungehalten fest und deutet auf einen jungen Mann, der auf einem unserer bestickten Sofas sitzt. Er ist blass und dunkelhaarig und sieht beinahe verboten gut aus. Allerdings hat er dieses wahnhafte Glitzern in den Augen, das außer mir niemand zu bemerken scheint und das mir stets eine Gänsehaut verursacht. Als ich näher an ihn herantrete, steht er auf und verbeugt sich galant vor mir, während ich mich zu einem kleinen Knickser zwinge. „Mr. Riddle, nein, Tom –“ beginnt meine Mutter und wirft ihm einen glühenden Blick zu. „– hatte geschäftlich in der Nähe zu tun und wollte bei der Gelegenheit unbedingt bei uns vorbeischauen, ist es nicht so, Tom?“ Sie schenkt ihm einen koketten Augenaufschlag, der mir Übelkeit verursacht und spielt verträumt an ihren Korkenzieherlöckchen, die langsam ergrauen. Tom neigt zustimmend den Kopf und sagt mit leiser Stimme: „Gewiss doch. Die Gelegenheit lasse ich mir nicht entgehen. Alte Freundschaften muss man pflegen.“ Er wirft einen Seitenblick auf seinen langjährigen Schulkameraden Raban, der neben ihm sitzt und das übliche blasierte Grinsen zur Schau stellt. Meine Mutter kichert mädchenhaft und ich sehe ungeduldig auf die große Wanduhr mit den vier Zeigern. Drei davon deuten auf „Zu Hause“, während der vierte auf das Emaille-Schildchen mit der Aufschrift: „Bei der Arbeit“ zeigt. Vater ist also schon im Ministerium. Ich räuspere mich und handle mir dafür einen bösen Blick meiner Mutter ein. „Müssten wir nicht langsam los? Der Zug fährt bald ab.“ erinnere ich sie und lese leises Bedauern in ihrer Miene, als ihr klar wird, dass sie ihren Traumschwiegersohn (oder meiner Ansicht nach besser ihren Traum-Ehemann) sich selbst überlassen muss. „Wie wahr, wie wahr.“ seufzt sie theatralisch und hält Tom ihre Hand hin, der einen vornehmen Kuss darauf haucht. Den Widerwillen, der sich in seinem Gesicht spiegelt, sieht sie nicht. „Es hat mich gefreut, Miss Lestrange.“ wendet er sich mir zu und ich neige leicht den Kopf. Angestrengt ringe ich mich zu einem vollkommen gelogenen „Mich ebenfalls Mr. Riddle.“ durch und beeile mich dann, von ihm und der düsteren Stimmung, die er immer verbreitet, wegzukommen. Raban und meine Mutter folgen mir in die Eingangshalle, wo bereits meine Koffer stehen. Mit einer fließenden Bewegung zieht Raban mich in seine Arme und raunt an meinem Ohr: „Sei ein braves Mädchen. Und dass mir keine Klagen kommen. Ich hab Orion gesagt, er soll auf dich Acht geben.“ Beim Klang dieses Namens zieht sich alles in mir zusammen. Orion Black. Endlich würde ich ihn wieder sehen. Sofort hebt sich meine Stimmung etwas und ich vergesse sogar, Raban für seine Unverschämtheit zu rügen. „Nun ist es aber genug, Rabanus.“ ermahnt Mutter ihn und fügt mit einem sehnsüchtigem Blick zum Salon hinzu: „Geh besser wieder zurück zu Tom. Wir wollen doch nicht, dass er sich langweilt.“ Während ich die Augen verdrehe, haucht Raban einen Kuss auf Mutters Wange und entgegnet: „Natürlich, Mutter.“, bevor er in den Salon zurückkehrt. „Das Gepäck bringt Tibby mit.“ informiert mich meine Mutter und hält mir ihren Arm hin. Ich atme tief durch und ergreife ihn, woraufhin ich sofort das Gefühl habe, durch einen engen Schlauch gesaugt zu werden. Alles dreht sich und mir wird schwindelig, doch bevor es zu schlimm wird, hört es plötzlich auf und wir stehen am Bahnhof King‘s Cross. „Ich wünsche dir ein schönes Schuljahr, Liebes.“ sagt Mutter zerstreut und küsst mich rasch auf beide Wangen, ehe sie ohne ein weiteres Wort disappariert. Zweifellos um so schnell wie möglich wieder bei ihrem Angebeteten zu sein. Kopfschüttelnd gehe ich auf die steinerne Mauer zu, die mich zum Bahnsteig 9 ¾ bringen wird und schließe die Augen, als ich geradewegs durch sie hindurch marschiere. Der Hogwarts-Express ist schon voller Schüler, die sich mit strahlenden Gesichtern um den Hals fallen und sich ganz offensichtlich auf das neue Schuljahr freuen. Mit verächtlicher Miene bahne ich mir einen Weg durch die Massen und versuche dabei, niemanden zu berühren. Besonders schwierig ist das nicht, denn die meisten treten rasch beiseite, als sie mich kommen sehen und beginnen leise zu tuscheln. Ein kleines Mädchen, zweifellos eine Erstklässlerin, macht jedoch den Fehler mir genau vor die Füße zu laufen. Ich strauchele ein wenig und werde von einem starken Arm gestützt. Langsam sehe ich zu meinem Retter auf und schaue in die schönsten grauen Augen der Welt. „Orion.“ hauche ich und spüre, wie meine Wangen sich erhitzen. Er sieht einfach atemberaubend aus: Seine schwarzen Haare fallen ihm leicht in die Stirn, sein markantes Gesicht ist absolut ebenmäßig und seine Zähne strahlen in einem beinahe unnatürlichen weiß, als er mir ein breites Lächeln schenkt. „Findest du mich so umwerfend, Lestrange?“ fragt er großspurig und lässt mich zu meinem Bedauern wieder los. Ohne eine Antwort abzuwarten läuft er an mir vorbei und wirft mir über die Schulter einen anrüchigen Blick zu. „Kommst du? Wir sitzen dort vorne.“ Er deutet auf ein Abteil am Kopf des Zuges und geht zielstrebig darauf zu, während ich mich beeile, ihm zu folgen. Allerdings nicht, ohne die dämliche Erstklässlerin kräftig zur Seite zu schubsen. Zu meiner Überraschung fängt sie jedoch nicht an zu weinen, sondern sieht mich nur böse aus grünen Augen an und reckt kämpferisch ihr Kinn in die Höhe. Die wird garantiert nach Gryffindors kommen, so viel steht fest. Meine Lippen kräuseln sich angewidert und ich wende mich abrupt von ihr ab, um Orion hinterher zu gehen. Dieser ist inzwischen in dem Abteil verschwunden und hält mir die Tür auf. Schwungvoll werfe ich mir das Haar über die Schulter und genieße seinen verlangenden Blick. Meine beste Freundin Druella nickt mir lächelnd zu und rückt ein Stück zur Seite, sodass ich mich zwischen sie und ihren Zwillingsbruder Damien setzen kann. Beide haben strahlend blaue Augen und blondes Haar, doch während Druella ihres lang und gewellt trägt, ist Damiens kurz und stark gelockt. Als ich mich seufzend auf den freien Platz gleiten lasse, streift Damien wie zufällig meinen Arm und ich muss mich sehr zusammenreißen, um nicht genervt die Stirn zu runzeln. Schon seit der zweiten Klasse ist er in mich verliebt und macht noch immer keinen Hehl daraus, dass er alles daran setzen würde, mich einmal zu heiraten. Wenn es nach mir geht, kann er sich das aber getrost abschminken. Für mich steht fest, dass ich niemals einen anderen Mann heiraten werde als Orion Black, der mir gegenüber sitzt und Zaubererschach mit Abraxas Malfoy spielt. „Wie waren deine Ferien?“ fragt Druella unvermittelt und reißt mich damit aus meinem Tagtraum, in dem Orion und ich mit einem perfekten kleinen Jungen mit rabenschwarzem Haar und grauen Augen spazieren gegangen sind. Ich zwinkere rasch, um mich auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren und erzähle ihr einige lahme Geschichten aus meinen Sommerferien. „Es ist doch nicht zu fassen, dass meine Mutter mich mit diesem Riddle verkuppeln will.“ nörgele ich und warte gespannt auf Orions Reaktion, der mich jedoch überhaupt nicht beachtet und völlig in sein blödes Spiel vertieft ist. Schmollend lasse ich zu, dass Damien beginnt mir die Schultern zu massieren. „Ich finde ja, dass er wahnsinnig attraktiv aussieht. Und er ist so intelligent.“ schwärmt Druella und bekommt einen ähnlichen Glanz in den Augen wie meine Mutter, wenn sie über Tom Riddle spricht. Nun horcht Orion doch auf und sagt lächelnd: „Lass das bloß nicht deinen Verlobten hören, Ella.“ Das hatte ich ja ganz vergessen. Schnell richte ich mich auf und werfe Damien dabei beinahe um. „Zeig mal her.“ fordere ich meine Freundin auf und greife nach ihrer linken Hand, an der ein Ring mit einem ziemlich protzigen Diamanten steckt. „Der ist ja riesig!“ entfährt es mir und während Druella glücklich lächelt, raunt Damien in mein Ohr: „Warte nur, bis du mich mal nackt siehst. Dann weißt du was riesig ist.“ Mit hochgezogenen Brauen wende ich mich ihm zu und entgegne so kühl wie möglich: „Das wird niemals passieren, vertrau mir.“ Orion und Abraxas beobachten uns neugierig, doch ich beschließe, sie zu ignorieren. „Cygnus kann wirklich von Glück reden, dass er dich heiraten darf.“ erkläre ich und lächele die frisch verlobte Druella an, die mir dankbar zunickt und nervös an ihrem Ring herumspielt. Die Landschaft zieht schnell an uns vorbei und wird immer wilder. Es kann nicht mehr allzu lange dauern, bis wir in Hogsmeade ankommen. Druella ist irgendwann in der letzten Stunde eingeschlafen und lehnt mit dem Kopf an der Fensterscheibe. Abraxas ist vor einiger Zeit gegangen, um seinen Pflichten als Vertrauensschüler nachzukommen und Damien hat sich beleidigt in ein anderes Abteil verzogen, nachdem ich ihm keinerlei Aufmerksamkeit mehr geschenkt hatte. Mein Magen knurrt und ich versuche schnell, mich anders hinzusetzen, um das peinliche Geräusch mit dem Rascheln meines Kleides zu überdecken. Die Hexe mit dem Imbisswagen war bereits hier gewesen, doch ich hatte mir nichts gekauft. Es ist ja wohl mehr als unangebracht, vor dem Festmahl in Hogwarts noch herumzunaschen. Da könnten einige noch auf den absurden Gedanken kommen, dass ich mich ständig vollstopfen würde. Nicht dass meine Figur das bestätigen würde. Wieder beschwert sich mein Bauch über das fehlende Frühstück und ich starre sehnsüchtig auf die Schokofrösche neben Orion. „Willst du einen?“ fragt er, als er meinen Blick bemerkt und zeigt mit erhobener Braue auf die Süßigkeiten. Ich schüttele meinen Kopf so heftig, dass mein Nacken unangenehm zieht und sehe peinlich berührt aus dem Fenster. Seine Nähe macht mich schwindelig und die Tatsache, dass wir so gut wie allein sind, macht alles noch viel schlimmer. „Wirst du Tom Riddle heiraten?“ fragt er auf einmal und ich wende mich ihm überrascht zu. In seiner Miene ist rein gar nichts zu lesen und ich fühle, wie mein Herz schmerzhaft gegen meine Brust klopft, als ich sein perfektes Gesicht betrachte. Nur mit viel Anstrengung gelingt es mir, mich von seinem Anblick loszueisen und mit heiserer Stimme zu antworten: „Nein, ganz sicher nicht.“ Sein erleichtertes Ausatmen sorgt dafür, dass meine Laune sich schlagartig verbessert und als er dann auch noch grinsend sagt: „Das finde ich gut.“, verziehen sich meine Mundwinkel zu einem breiten Lächeln. „Darf ich fragen, warum du ihn nicht willst?" fragt Orion weiter und ich zucke elegant mit den Schultern. Darüber muss ich nun wirklich nicht nachdenken und entgegne prompt: „Meine Mutter kann sich ja gerne einreden, dass Riddle ein Reinblüter ist, aber sie weiß genau so gut wie wir beide, dass es keine Zaubererfamilie mit dem Namen 'Riddle' gibt. Es ist mir egal wie er aussieht oder was er erreicht hat. Ich heirate doch keinen Niemand, der vielleicht sogar ein Schlammblut ist." Ich schaudere bei dem Gedanken ein wenig und lasse die Tatsache, dass Tom Riddle mich ohnehin nicht will, komplett außen vor. Orion sieht mich amüsiert an und neigt leicht den Kopf, um mir zuzustimmen. „Das kann ich absolut nachvollziehen." erwidert er mit leuchtenden Augen und ich spüre, wie viele kleine Schmetterlinge in meinem Bauch herumflattern. Kapitel 2: How to win a man's heart ----------------------------------- Die Einteilungszeremonie hat bereits begonnen und ich starre gelangweilt auf die kleinen Erstklässler, die einer nach dem anderen den Sprechenden Hut aufsetzen. Gerade wird Ebony St.-irgendwas eine neue Hufflepuff und ich verdrehe stumm die Augen. Als ob es noch mehr von diesen jämmerlichen Waschlappen geben müsste. Salazar, das hier sollte besser gleich vorbei sein, sonst würde ich noch anfangen, meinen Teller zu essen. Vorsichtig beäuge ich das goldene Ding. Sieht doch eigentlich ganz lecker aus. Wie eine riesige Oblate. Das Wasser läuft mir im Mund zusammen und ich verpasse mir innerlich einen Fußtritt. Das kann doch wohl nicht dein Ernst sein, Lestrange. Ein Teller? Fassungslos schüttele ich den Kopf und zwinge mich der Auswahl zu folgen, bei der soeben eine Minerva McGonagall aufgerufen wird. Wieso kommt sie mir so bekannt vor mit ihren schulterlangen schwarzen Haaren? Achja, das ist diese Mistkröte aus dem Zug. Unbewusst richte ich mich etwas auf und verfolge gespannt, wie sie den alten Hut aufsetzt. Bestimmt würde sie nach Gryffindor kommen. Die Tapferkeit und der Stolz tropft ihr ja aus allen Poren. Angewidert erinnere ich mich an ihr kämpferisch gerecktes Kinn, nachdem ich sie umgestoßen hatte. Minute um Minute vergeht und der Hut macht keinen Mucks. Vielleicht ist sie ja eine Squib und es handelt sich um einen Irrtum. Bei diesem Gedanken muss ich leise kichern und Ella, die neben mir am Slytherin-Tisch sitzt, sieht mich neugierig an. Kurz überlege ich, ob ich ihr von meiner Vermutung erzählen soll, als ein lauter Ruf mich zusammen zucken lässt: „GRYFFINDOR!“ McGonagall zieht sich strahlend den Hut vom Kopf und eilt auf den rot-gold geschmückten Tisch zu, an dem jetzt laut geklatscht wird. Na wenn das mal nicht vorhersehbar gewesen ist. Dass der Hut dafür länger als fünf Minuten gebraucht hat, ist mir ein absolutes Rätsel. Mich hatte er damals kaum berührt und schon seine Wahl getroffen. Lächelnd denke ich an diesen Tag zurück und schaue am Slytherin-Tisch entlang. Ein paar Plätze weiter sitzen Orion und Mortimer Nott und diskutieren etwas zu laut über die besten Quidditch-Taktiken. Damien hat sich mir gegenüber gesetzt und spielt gelangweilt mit seiner Gabel, während Abraxas, der neben ihm sitzt, unaufhörlich in mein Gesicht starrt. „Ist was?“ blaffe ich ihn an und pfeife auf damenhaftes Benehmen. Er beginnt leicht zu lächeln, schüttelt amüsiert den Kopf und wendet sich schließlich Professor Dippet zu, der seine alljährliche, einschläfernde Rede begonnen hat. Mit den etwas längeren weißblonden Haaren und den hellblauen Augen, ist Abraxas wohl der am ungewöhnlichsten aussehende Schüler hier am Tisch. Manchmal erinnert er mich an einen Elben und die Vorstellung, wie er in einem langen Gewand durch den Wald schwebt, bringt mich beinahe zum Lachen. Wieder wirft Druella mir einen verwirrten Blick zu, doch ich winke lächelnd ab und stelle fest, dass Dippet sich endlich hinsetzt. Sofort füllen sich die Platten vor uns mit den köstlichsten Speisen und während ich genüsslich auf einem Stück Fasan herumkaue, schließe ich zufrieden die Augen. Gesättigt und hundemüde lasse ich mich auf mein Himmelbett fallen und verschränke die Finger hinter meinem Kopf. Druella legt sich neben mich und erzählt von ihrer Verlobungsfeier, die aus einem mir nicht ersichtlichen Grund kein Großereignis der Gesellschaft gewesen war, sondern im familiären Rahmen stattgefunden hatte. „Ich wäre gern dabei gewesen.“ seufze ich, als sie mir von den abgrundtief hässlichen Kleidern ihrer beiden Cousinen berichtet. Ella nickt bekümmert und sagt: „Und ich hätte dich gern dabei gehabt. Ich konnte mich dort mit niemandem richtig unterhalten.“ Ich greife nach ihrer zarten Hand und drücke sie verständnisvoll. „Jetzt sind wir ja hier und können uns so oft unterhalten wie du willst.“ muntere ich sie auf und sie erwidert den Druck meiner Finger dankbar. „Orion sieht wirklich gut aus, nicht wahr?“ fragt sie mit einem süffisanten Lächeln und ich grinse schamlos zurück. Plötzlich ist meine Müdigkeit verflogen und ich setze mich schwungvoll auf. Druella weiß, dass ich schon eine halbe Ewigkeit in Orion verknallt bin und hat mit ihrer Frage absichtlich mein Lieblingsthema aufgegriffen. Sofort denke ich an Orions imposante Statur, seine breiten Schultern, das scharf geschnittene Gesicht und die gerade, aristokratische Nase und seufze genießerisch. „Du hast ja keine Ahnung, was dieser Kerl mit mir anstellt, Ella.“ erkläre ich mit entrücktem Blick und meine Freundin kichert leise. „Meinst du denn, du hast eine Chance bei ihm?“ will sie neugierig wissen und richtet sich ebenfalls auf, um sich im Schneidersitz vor mir zu positionieren. Ich fahre mir selbstsicher durch meine Lockenpracht und mache einen Schmollmund. „Natürlich habe ich die oder denkst du etwa, er könnte mich nicht hübsch genug finden?“ Bei meiner vorwurfsvollen Miene zuckt Druella ein wenig zusammen und beeilt sich, mir zu versichern, dass sie das natürlich überhaupt nicht so gemeint habe. „Ich denke ja nur, dass du vorsichtig sein solltest, Luce. Er ist berüchtigt dafür, dass er die Mädchen verführt und dann fallen lässt wie eine heiße Kartoffel.“ gibt sie ernst zu bedenken und runzelt die Stirn. Genervt rolle ich mit den Augen und mache eine wegwerfende Handbewegung. „Pah, das waren alles dumme Gänse. Bei mir wird das anders sein.“ Geheimnisvoll zwinkere ich ihr zu und sie beugt sich mit einem begierigen Ausdruck in ihrem engelsgleichen Gesicht nach vorn. „Hast du denn einen Plan?“ fragt sie und ich nicke grinsend. Den ganzen Sommer über habe ich mir überlegt, wie ich Orion dazu bringen könnte, sich so richtig endgültig in mich zu verlieben. Dass er an mir interessiert ist, hat er mir bereits eindeutig zu verstehen gegeben. Wie könnte er mir denn auch lange widerstehen? Problematisch ist nur, dass ich bisher immer zu einem schüchternen Blümchen mutiert bin, wenn er mit mir gesprochen hat. Das muss jetzt wirklich aufhören. „Ich denke, der Trick besteht darin, eine Herausforderung für ihn zu sein. Sonst muss er doch nie einen Finger krumm machen und die Herzen fliegen ihm nur so zu, richtig?“ Ella nickt eifrig und ich fahre fort: „Wenn er jetzt merkt, dass ich nicht sofort auf ihn anspringe, wird er sich Mühe geben, um mich von sich zu überzeugen und dabei wird er nicht umhin kommen zu sehen, dass ich die perfekte Heiratskandidatin für ihn bin.“ Strahlend schaue ich Druella an und warte gespannt auf ihr Urteil, obwohl ich mich natürlich längst entschieden habe, die Sache durchzuziehen. „Weißt du was?“ beginnt sie nachdenklich und spielt mit einer ihrer Haarsträhnen. „Ich glaube, das könnte tatsächlich funktionieren.“ „Selbstverständlich wird es das.“ berichtige ich sie überheblich und sie sieht mich etwas pikiert an. Von uns beiden bin ich schon immer die Forschere gewesen und Ella hat sich damit abgefunden. Trotzdem ist sie nicht gerade begeistert davon, dass ich sie nicht so respektvoll behandle, wie sie es von anderen gewöhnt ist. Verständlich. Ich an ihrer Stelle hätte mir das niemals bieten lassen. „Komm! Ich flechte dir die Haare.“ sage ich versöhnlich und Ellas Miene wird wieder weich, während sie mir den Rücken zudreht und ich die sanften Wellen ihres Haares zu einem französischen Zopf flechte. Plötzlich geht die Tür zu unserem Schlafsaal auf und ich höre die mürrische Stimme von Ava Greengrass, der Vertrauensschülerin. „Wir sollen sofort alle in den Gemeinschaftsraum kommen.“ schnarrt sie uns wichtigtuerisch zu und rauscht wieder ab. Ella und ich sehen uns verwirrt an und zucken mit den Schultern. Was könnte denn um die Zeit noch so wichtig sein, dass eine Versammlung nötig ist? Eilig springe ich vom Bett und rufe aufgeregt: „Ich muss noch kurz ins Bad.“ „Wieso das denn jetzt?“ meckert Ella und lehnt sich mit verschränkten Armen an den Türrahmen, der unseren Schlafsaal vom Waschraum trennt. „Orion wird dort unten sein, du Nuss. Ich will so gut aussehen wie möglich.“ erkläre ich ungeduldig und werfe ihr einen verständnislosen Blick zu. „Ist gut.“ stöhnt Ella und verdreht die Augen. „Ich geh dann schon mal vor. Beeil dich.“ rät sie mir und ich wende mich meinem Spiegelbild zu. Zufrieden mustere ich mein ebenmäßiges, herzförmiges Gesicht und betupfe meine Lider mit ein wenig dunklem Puder. So kommen meine hellgrünen Augen besser zur Geltung. Mit einem letzten bewundernden Blick auf mich selbst, mache ich mich auf den Weg in den Gemeinschaftsraum, in dem schon alle Schüler der sechsten Klasse versammelt sind. Unser Hauslehrer, Professor Slughorn, bedeutet mir schneller näher zu kommen und sagt: „Ein bisschen Beeilung Miss Lestrange. Sie sind die Letzte.“ Ich schenke ihm ein entwaffnendes Lächeln, das ihn zumindest ein wenig zu besänftigen scheint und will mich zu Druella setzen. Nur leider ist neben ihr nichts mehr frei und sie wirft mir einen entschuldigenden Blick zu. Was soll’s, dann eben woanders. Suchend schaue ich mich um und steuere kurzentschlossen auf den leeren Platz neben Abraxas zu, als mich auf einmal zwei Hände packen und mich auf einen Schoß ziehen. Mir entfährt ein erschrockenes Quieken und ich drehe mich empört zu dem unverschämten Typen um, denn ein Typ ist es ganz ohne Frage. Wer würde mich sonst auf seinen Schoß zerren? Richtig, niemand. Doch wen ich da sehe, überrascht mich dann doch. Seine silber-grauen Augen funkeln belustigt und sein Lächeln ist gelinde gesagt verrucht. Sofort will ich mich von ihm losmachen und aufstehen, aber Sughorn unterbricht mein Vorhaben, indem er schnauft: „Gut, jetzt wo alle ein Plätzchen gefunden haben, kann ich ja endlich reden.“ Seinen beleidigten Seitenblick ignoriere ich geflissentlich und setze eine hochmütige Miene auf. So hochmütig wie man eben noch aussehen kann, wenn man wie ein Kind auf dem Schoß von jemandem sitzt. Verdammt, das hat ja nicht sonderlich gut funktioniert mit dem ‚Abstand halten‘ und ‚eine Herausforderung sein‘. Ich spüre Orions warmen Atem im Nacken und seine Hände, die an meiner Hüfte liegen. Die Luft in diesem Raum wird immer dünner und ich habe das dumme Gefühl, dass mein Kopf so rot ist wie eine Tomate. „Da Sie alle so rasch aus der Großen Halle verschwunden sind –“ beginnt Slughorn in tadelndem Tonfall und mit bebendem Schnurrbart „– konnte ich Ihnen Ihre Stundenpläne nicht geben und die werden Sie doch wohl brauchen. Also hier, Rosier, teilen Sie die bitte aus. Die Namen stehen im Kopf. Ich wünsche eine angenehme Nachtruhe.“ Unser dicker Professor reicht Damien die Stundenpläne, schüttelt ein letztes Mal den Kopf über unsere Ignoranz und watschelt aus dem Gemeinschaftraum. Ohne ein Wort reiße ich Damien meinen Plan aus der Hand und will mich aufrichten, doch Orions Griff verstärkt sich und hält mich, wo ich bin. Er ist mir viel zu nah und ich kann schon jetzt nicht mehr klar denken. Sein maskuliner Sandelholz-Duft vernebelt mir anscheinend das Hirn und die Stellen meines Körpers, an denen seine Hände liegen, drohen zu verbrennen. Abraxas grinst mich dreckig an und scheint ganz genau zu wissen, was gerade in meinem Kopf vorgeht, während ich mich schnell hinter meinem Stundenplan verstecke und so tue, als würde ich ihn angestrengt studieren. Im Grunde ist mir völlig egal, was ich wann für Fächer habe. Von mir wird schließlich nicht erwartet, gute Noten zu schreiben, sondern einen respektablen, reinblütigen Ehemann zu finden und mit ihm ein paar Kinder zu zeugen. Womit wir wieder bei Orion wären. Am liebsten würde ich gerade im Erdboden versinken und niemals wieder hervorkommen, denn diese Situation bringt mich wirklich an den Rand meiner Selbstbeherrschung. Mittlerweile haben meine Hände stark angefangen zu zittern und ich schwitze! Und damit das klar ist: Ich schwitze nie! Niemals! Und zittern tue ich normalerweise auch nicht, aber ich kann jetzt seine Erektion an meinem Hintern spüren und das bringt mich doch sehr aus der Fassung. Angestrengt versuche ich mich nicht zu bewegen, damit ich ihn nicht versehentlich noch mehr errege. Versteht mich nicht falsch, ich mag es begehrt zu werden. Aus der Ferne. Oder natürlich auch von Nahem, sobald ich mit dem Mann verheiratet bin. Aber so? Nein, das ist völlig inakzeptabel. Als Orion dann auch noch mein Haar beiseite schiebt und unauffällig beginnt, kleine zärtliche Küsse auf meinem Nacken zu verteilen, die mir eine viel zu angenehme Gänsehaut verursachen, reicht es mir endgültig. Wie von der Tarantel gestochen springe ich auf und klatsche meine Handfläche gegen seine Wange. „Was bildest du dir eigentlich ein, Orion Black?!“ zische ich wütend in sein erstarrtes Gesicht, auf dem sich langsam der rote Abdruck meiner Hand abzeichnet. Unter den teils verwunderten, teils hämischen Blicken der anderen Slytherins, rausche ich die Treppe zum Mädchenschlafsaal hoch und lasse einen völlig entgeisterten Orion zurück, der wahrscheinlich gerade die erste Abfuhr seines Lebens kassiert hat. Kapitel 3: Competition is good for business - but painful for hearts. --------------------------------------------------------------------- Was hat er sich dabei nur gedacht? So wie ich die Männer kenne, hat er wahrscheinlich überhaupt nicht gedacht. Rastlos gehe ich im Schlafsaal auf und ab und schnaube verächtlich. Ich bin doch kein billiges Flittchen, das sich ihm willig an den Hals wirft. Was sollen die anderen jetzt von mir halten? Vor unserem Ganzkörperspiegel bleibe ich stehen und sehe in mein erhitztes Gesicht. Meine hellen Augen funkeln mir zornig entgegen und wirken stechender denn je und meine Lippen sind zu einem schmalen Strich zusammengepresst. Tief Luft holen, Luciana. Du musst dich beruhigen. Für ein paar Sekunden schließe ich meine Augen und atme gleichmäßig ein und aus. Als mein Puls seinen gewöhnlichen Rhythmus wiedergefunden hat, hebe ich meine Lider und habe beinahe das Gefühl, einer anderen Person gegenüberzustehen. Ich stehe gerade und mit erhobenem Haupt; mein Blick ist kühl und stolz und meine Mundwinkel sind zu einem spöttischen Lächeln verzogen. Ich bin eine Lestrange. Und so hat man mich gefälligst auch zu behandeln. Selbst ein Orion Black sollte das lernen. Druella tritt vorsichtig in den Schlafsaal und wirkt sehr erleichtert, als sie bemerkt, dass ich kein Nervenbündel mehr bin. „Du und Orion seid gerade das Gesprächsthema Nummer Eins dort unten.“ informiert sie mich betreten und deutet zur Tür, während sie sich auf die samtene Tagesdecke ihres Himmelbettes setzt. Gleichgültig zucke ich mit den Schultern und streiche durch mein dickes Haar. „Sollen sie doch reden, wenn es sie glücklich macht.“ entgegne ich und fühle mich leider überhaupt nicht so selbstsicher, wie ich mich gerade gebe. Ella durchschaut mich sofort, hat aber den Anstand nicht weiter darauf einzugehen. „Ein Gutes hat es aber auf jeden Fall.“ sagt sie mit einem listigen Lächeln und jetzt widme ich ihr meine gesamte Aufmerksamkeit. Was soll an dieser peinlichen Begebenheit denn noch positiv sein?! „Orion will dich jetzt garantiert mehr als je zuvor. So eine Demütigung kann er schließlich nicht einfach auf sich sitzen lassen. Herzlichen Glückwunsch Luce: Du bist jetzt offiziell eine Herausforderung.“ Ihre Worte zaubern ein teuflisches Grinsen in mein Gesicht und plötzlich scheint es doch noch einen Hoffnungsschimmer zu geben. Sieh dich vor, Orion Black: Die Jagd ist eröffnet. Der erste offizielle Schultag beginnt miserabel und das Frühstück in der Großen Halle ist eine reine Farce. Das Getuschel und Gekicher der anderen Slytherins zerrt an meinen Nerven und es fällt mir nicht leicht, meine Maske aus Desinteresse aufrecht zu erhalten. Am Schlimmsten sind die lüsternen und irgendwie wissenden Blicke, die Abraxas mir stetig zuwirft. Sie verursachen mir eine Gänsehaut und wann immer ich seine Augen auf mir ruhen spüre, läuft mir ein kalter Schauer den Rücken hinunter. Mit meinem Aussehen habe ich mir heute natürlich besondere Mühe gegeben: Mein Haar ist kunstvoll hochgesteckt und mir fallen nur noch vereinzelte Locken ins Gesicht, sodass es noch zierlicher wirkt, als es ohnehin schon ist. Mit ein bisschen Rouge haben meine normalerweise sehr blassen Wangen ein frisches Rosa angenommen und das Schwarz meiner langen Wimpern sorgt für einen guten Kontrast zu meinen Augen. Mir entgeht nicht, dass Orion immer mal wieder in meine Richtung schaut und ich gebe mich betont gleichgültig. Doch auf einmal gleitet Ava neben ihn auf die Bank und kriecht beinahe auf ihn drauf, während ich mein Rührei mit Blicken erdolche. Mit zusammengezogenen Brauen beobachte ich, wie sie mit ihrer Hand durch sein dunkles Haar fährt, um einen imaginären Fussel zu entfernen und ihn dabei schmachtend anlächelt. Das Schlimmste daran ist, dass ihm ihre ekelhafte Fürsorge auch noch zu gefallen scheint, denn er streicht ihr einmal über die Wange, und ich verstärke den Griff um meine Gabel, sodass sie mir unangenehm ins Fleisch drückt. Ava schmiegt ihr Gesicht an seine Hand und erwidert Orions strahlendes Lächeln. Am liebsten würde ich mich übergeben. Das wütende Knurren, das mir beinahe herausgerutscht wäre, kann ich noch mit einem leichten Hüsteln tarnen und Ava sieht mich aus großen, topasfarbenen Augen an. „Oh Luciana, geht es dir nicht gut? Nicht, dass du dich noch erkältet hast.“ gibt sie gespielt besorgt zu bedenken und ich lächle sie lieblich an. Sie ist gut, aber ich bin besser. „Nein, es ist nichts Ava.“ erwidere ich und deute auf eine kleine Rötung an ihrer etwas zu großen Nase. „Vielleicht solltest du das besser im Auge behalten, Liebes. Das könnte ein Furunkel werden und der würde dir gewiss nicht gut stehen.“ sage ich zuckersüß und sehe zufrieden zu, wie sie sich beschämt an die Nase fasst, um das kleine Pustelchen darauf zu verstecken. Orion hat unserer Gespräch mit einem schiefen Grinsen verfolgt und wendet sich nun zu meinem Ärger der verunsicherten Ava zu. „Mach dir keine Gedanken, Ava. Du siehst gut aus und Luce ist nur neidisch.“ Prompt verschlucke ich mich an meinem Kürbissaft und muss dieses Mal tatsächlich husten, wobei ich die mir gegenübersitzende Patricia Parkinson versehentlich mit Saft besprühe. Angewidert säubert sie sich mit einer Serviette, doch ich habe momentan keine Zeit, mich mit ihr zu beschäftigen. Ava senkt keusch die Lider, nur um Orion dann einen perfekt unschuldigen Augenaufschlag zu schenken, dem ich unter normalen Umständen sicherlich applaudiert hätte. Jetzt allerdings, muss ich mich vielmehr stark zusammenreißen, um ihr nicht meine Gabel ins Auge zu rammen. Druella, die sich bisher angeregt mit dem Quidditch-Kapitän Joseph Yaxley unterhalten hat, bemerkt meine Misere, steht auf und zieht mich umstandslos mit sich. „Wir sollten jetzt besser zum Unterricht gehen.“ schlägt sie eilig vor und zerrt mich aus der Großen Halle, während ich noch immer finster zu Orion und Greengrass schaue, die sich nun ein Stück Kuchen teilen. Während Professor Dumbledore uns in Verwandlung irgendwelchen unwichtigen Schwachsinn erklärt, fixiere ich unaufhörlich Orions Hinterkopf, der zwei Reihen vor mir auf und ab wippt. Mein Objekt der Begierde hat sich entspannt zurückgelehnt und kippelt lässig mit seinem Stuhl, was ihm schon den einen oder anderen scharfen Blick von Dumbledore eingebracht hat. Doch Orion wäre kein Black, wenn er sich auch nur einen Deut darum scheren würde. Mit einem leisen Seufzer stütze ich das Kinn auf meine Hände und bei der Erinnerung an seine Berührung wird mir ganz warm. Ein Adonis wie er, verdient eine Frau wie mich. Daran besteht ja wohl keinerlei Zweifel. Nur muss ihm das jetzt noch klar werden. „Miss Lestrange“ ertönt plötzlich Dumbledores Stimme und ich zucke ertappt zusammen. „Wären Sie wohl so freundlich, meine Frage zu beantworten?“ Durch seine Halbmondbrille schaut er mich eindringlich an und ich habe das unangenehme Gefühl, dass er mir direkt in den Kopf hineinsehen kann. „Ich habe die Frage nicht mitbekommen, Sir.“ entgegne ich so selbstbewusst wie möglich und lege eine Extraportion Abwertung in das letzte Wort. „Nun, das habe ich mir gedacht. Sie sollten Ihre schulische Ausbildung wirklich ernster nehmen. Es könnte schließlich sein, dass Sie keinen geeigneten Ehemann finden.“ Mein Mund öffnet sich empört und ein leises Kichern und Raunen geht durch die Bankreihen, während sich alle Schüler nach mir umdrehen. Wie kann er es wagen?! Jeder, ausnahmslos jeder würde sich glücklich schätzen, mich seine Frau nennen zu können! Dumbledores blaue Augen, die sonst meist ein wenig amüsiert funkeln, blicken nun ernst und distanziert. Angestrengt ringe ich um Fassung und mein Kopf ist mit Sicherheit knallrot. Mortimer Nott dreht sich mit einem verschmitzten Grinsen zu mir um und sagt so laut, dass es alle hören können: „Keine Sorge Lestrange, du kannst mich heiraten.“ Obwohl ich eher Seifenlauge trinken würde, als Nott zu heiraten setze ich meine übliche blasierte Miene auf und schaue selbstsicher zu Dumbledore auf. „Na sehen Sie. Da habe ich doch schon einen Kandidaten.“ Der Professor wendet sich kopfschüttelnd ab, während die anderen Slytherins in verhaltenes Gelächter ausbrechen. Mit einem gezierten Lächeln lehne ich mich in meinem Stuhl zurück und mein Blick fällt auf Orion, der mich mit einem seltsamen Ausdruck im Gesicht anstarrt. Rasch sehe ich auf mein leeres Pergament und zwinge mich damit, nicht in seinen unergründlichen Augen zu versinken. Von der restlichen Stunde bekomme ich gar nichts mehr mit und als sie endlich vorbei ist, verlasse ich mit langen Schritten das Klassenzimmer. In einem der Korridore, die in die unteren Stockwerke führern, hält mich plötzlich jemand an der Schulter fest und ich bleibe mit einem ärgerlichen Zischen stehen. Meine Laune sinkt noch weiter, als ich geradewegs in Notts Gesicht blicke. „Was willst du?“ herrsche ich ihn genervt an und verschränke abweisend die Arme vor der Brust. Nott streicht vertraulich über meinen Oberarm und ich schüttle seine Hand ab, wie eine lästige Fliege. Wie kommt der denn dazu, mich einfach anzutatschen?! Für einen kurzen Moment blitzen seine Augen wütend auf, doch er hat sich sofort wieder im Griff und lächelt charmant. „Naja, jetzt wo wir doch heiraten werden, sollten wir vielleicht mal miteinander ausgehen, meinst du nicht?“ fragt er mit verschlagener Miene und ich lache kalt auf. „Natürlich. Als ob ich mit dir ausgehen oder dich gar heiraten würde.“ erwidere ich zynisch und wende mich ab, um zum Zaubertrank-Unterricht zu gehen. Doch erneut packt mich seine Hand, diesmal gröber, und wirbelt mich herum. „Oh nein, du lässt mich jetzt nicht hier stehen!“ Notts Gesicht ist eine zornige Maske und seine Lippen kräuseln sich unheilbringend. „Du solltest besser aufpassen, was du sagst, Lestrange! Vielleicht sollte ich dir mal Manieren beibringen.“ Ich spüre wie mir kalte Angst in die Knochen kriecht und schlucke schwer. Seine Hand umklammert meinen Arm wie ein Schraubstock und das boshafte Glitzern in seinen Augen gefällt mir ganz und gar nicht. Ich versuche es mit einem ausdruckslosen Blick, der mir normalerweise ganz hervorragend gelingt, doch irgendwie will das gerade nicht funktionieren. Notts Mundwinkel verziehen sich zu einem höhnischen Grinsen und ich frage mich, warum bei Salazars Spitzbart nicht ein einziger Schüler oder Lehrer in diesem verfluchten Gang ist. „Du hast Angst. Ich kann es in deinen Augen sehen.“ Grob zerrt er mich vor sich her, bis ich mit dem Rücken gegen eine Wand stoße. Mein Puls ist eindeutig zu hoch und meine Kehle ist wie zugeschnürt. „Glaub mir, Liebes: Du solltest auch Angst haben.“ raunt er mir ins Ohr, während er seinen Körper an mich presst. Panisch taste ich nach meinem Zauberstab, doch ich kann ihn nicht erreichen. Um Zeit zu gewinnen stottere ich: „Ich habe überhaupt keine Angst.“ Nott stößt ein kehliges Lachen aus und hebt mein Kinn an, sodass ich ihm direkt in die Augen sehe. „Oh, und ob du die hast.“ widerspricht er mit samtener Stimme, während sich meine Finger endlich um meinen Zauberstab schließen. Langsam ziehe ich ihn aus meiner Tasche und richte die Spitze auf den Umhang des Mannes vor mir, der mir gerade lächelnd eine Locke aus dem Gesicht streicht. Wieder setzt er an, um etwas zu sagen doch mein schrilles: „INCENDIO!“ lässt ihn verstummen und verwirrt an sich heruntergucken. Sofort lässt er von mir ab und stolpert mit schreckgeweiteten Augen zurück. Sein Umhang brennt inzwischen lichterloh und er versucht hektisch, ihn abzustreifen. Mir sitzt der Schreck noch in den Gliedern und ich lehne mich steif und schwer atmend an die Wand. „Was ist denn hier los?!“ kreischt plötzlich Druella, die gerade mit Damien um eine Ecke gebogen ist und nun ein paar Meter von mir entfernt stehen bleibt. Nott hat es inzwischen geschafft, den Umhang loszuwerden, der kaum noch mehr als ein glimmender Fetzen ist. Wutentbrannt tritt er auf ihn ein, bis er nur noch qualmt und schaut mich mit zornrotem Gesicht und angesengtem Haar an. „DU!“ brüllt er und kommt drohend auf mich zu, als sich Damien zwischen uns schiebt und seinen Zauberstab gegen Notts Wange presst. „Du wirst sie nicht anrühren. Hast du das verstanden?“ knurrt der Blonde, während ich spüre, wie ich langsam wieder ein Gefühl in meinen Beinen bekomme. Vorsichtig linse ich an Damiens Schulter vorbei und sehe, wie Nott sich zu einem knappen Nicken durchringt und einen Schritt zurücktritt. Damien geht zur Seite, ohne den Zauberstab zu senken und schaut mich mit zusammengezogenen Brauen an. „Ist alles in Ordnung?“ fragt er besorgt und ich befeuchte meine trockenen Lippen, bevor ich ihm zunicke und auf wackeligen Beinen von der Wand weg trete. „Du brauchst gar nicht denken, dass du etwas Besonderes wärst, du Schlampe.“ zischt Nott unvermittelt und bedenkt mich mit einem hasserfüllten Blick, während Druella und Damien ihn fassungslos anstarren. Mein Herz droht mir aus der Brust zu springen und meine Hände fühlen sich kalt und schwitzig an. Was war nur mit meinem Körper los? Vor diesem Schuljahr wusste ich nicht einmal, dass ich so etwas wie Schweißdrüsen besitze. „Hochmut kommt vor dem Fall, Lestrange. Du siehst nicht gut genug aus, um so hohe Ansprüche zu haben.“ Bitte was?! Bei Notts gehässigen Worten erstarre ich und richte mich dann zu meiner vollen Größe auf. In meinen Ohren rauscht es. Der Schock ist verschwunden und ich balle die Hände zu Fäusten. Ich sehe nicht gut genug aus?! Ich bin verdammt noch mal das schönste Mädchen auf der ganzen Schule! Meine Augen verengen sich zu Schlitzen und ohne dass ich es merke, habe ich wieder meinen Zauberstab erhoben. Ich höre nur noch Druellas leises „O-oh“, bevor es einen Lichtblitz gibt und Nott kopfüber in der Luft hängt. „Lass mich runter, du…du Schlampe!“ kreischt er wie besessen, während Druella stumm daneben steht und Damien sich kaputtlacht. Die Genugtuung, die sich in mir breit macht, lässt mich wieder klar denken und ich mustere Nott arrogant. „Ich würde dir raten, mich nicht noch einmal so zu nennen. Das nächste Mal wird es ein Unverzeihlicher.“ zische ich ihm ins Ohr und schnippe lässig mit dem Zauberstab, sodass Nott mit einem lauten Krachen auf dem Boden landet. Rasch hake ich mich bei Druella unter, die sich kopfschüttelnd von mir mitziehen lässt und etwas murmelt, das klingt wie: „Eindeutig zu viel Temperament.“ Ein Grinsen stiehlt sich auf mein Gesicht und kurzerhand schnappe ich mir auch Damiens Arm. Zwinkernd sieht er auf mich herab und zum ersten Mal in meinem Leben, erwidere ich sein Lächeln. Kapitel 4: Arrogance is in everything I do. ------------------------------------------- Zaubertränke verläuft zäh, weil es mich absolut nicht interessiert, was Slughorn dieses Jahr alles mit uns vorhat. Auch wenn es ihn selbst sehr zu begeistern scheint, so wie er strahlt. Er erinnert mich an ein wirklich glückliches Walross und ich halte rasch meine Hand vor den Mund, um nicht laut los zu prusten. Das würde noch meinen Ruf ruinieren. Nott versucht mich schon die ganze Zeit mit Blicken zu erdolchen und ich fürchte, dass er schon über eine besonders grausame Rache nachdenkt. Schaudernd schaue ich zu Druella herüber, die neben mir sitzt. Ihr Kopf ruht auf ihren Handgelenken und ihre Augen sind geschlossen, was sie wie einen schlafenden Engel aussehen lässt. Auf der anderen Seite des weitläufigen Raumes sitzt Orion neben Abraxas Malfoy und schreibt alles mit, was Slughorn erzählt. Ich glaube Zaubertränke ist das einzige Fach, das ihm so richtig Spaß macht. Obwohl das eigentlich egal ist, weil er auch so zu den besten Schülern unseres Jahrgangs gehört. Ein leises Lächeln stiehlt sich in mein Gesicht, als ich ihn ausgiebig mustere. Er hat die Ärmel seines weißen Hemdes hochgekrempelt, sodass seine kräftigen Unterarme entblößt sind. Sein schwarzes Haar fällt ihm verwegen in die Stirn und seine sonst immer arrogant in die Luft gereckte Nase, schwebt nur wenige Zentimeter über dem Pergament. „...- und Lestrange.“ ruft Slughorn plötzlich und ich schrecke beim Klang meines Namens aus meinen Gedanken auf. „Rosier und Malfoy. Yaxley und Bones. Potter und Bulstrode.“ fährt der beleibte Professor donnernd fort und ich blicke mich verwirrt um. Worum geht es denn gerade? Es werden ganz offensichtlich Teams eingeteilt. Aber wofür? Und wer ist mein Partner? Bitte keiner von diesen bescheuerten Gryffindors! Verärgert über meine Unaufmerksamkeit fahre ich mir durch die Haare und zerstöre dabei meine sorgfältig aufgesteckte Frisur. Fragend sehe ich zu Druella, die mich jedoch nur schläfrig anblinzelt und ebenfalls nichts mitbekommen zu haben scheint. „Setzen Sie sich jetzt bitte paarweise zusammen und beginnen Sie mit der Arbeit.“ weist Slughorn uns an und watschelt zu seinem Pult, um sich schnaufend in seinen schweren Lehnstuhl fallen zu lassen. „Wir können einfach die Plätze tauschen, Ella. Neben Abraxas ist dann frei.“ Beim Klang der tiefen und mir nur allzu vertrauten Stimme, wende ich mich von unserem Professor ab und sehe geradewegs in Orions lächelndes Gesicht, während dieser sich auf den Stuhl zu meiner Rechten fallen lässt. Er ist mein Arbeitspartner?! Sofort beginnen die Schmetterlinge in meinem Bauch zu tanzen und mein Plan eine Herausforderung für ihn zu sein, wird auf eine harte Probe gestellt. Ein hilfesuchender Blick zu Druella zeigt mir nur, dass sie auf einen breit grinsenden Malfoy zugeht und mir gerade absolut nicht beistehen kann. Auf Orions lässiges „Hey, Lestrange.“, nicke ich nur langsam und wie in Trance. Mein Kopf ist komplett leergefegt und ich erwische mich dabei, wie ich sein Lächeln dümmlich und mit glänzenden Augen erwidere. Rasch greife ich in meine Tasche und hole geschäftig Pergament und Feder heraus, um ihn nicht weiter anschauen zu müssen. Das ist wirklich nicht normal, was dieser Kerl aus mir macht. Ich bin doch kein dummes Hufflepuff-Gör! Und eigentlich bin ich noch immer wütend auf ihn. Nur ist das meinem Körper, diesem Verräter, völlig egal. Es ist ziemlich schwer ihn davon abzuhalten, näher an Orion heran zu rutschen, um mich noch einmal in seiner Wärme zu sonnen und nur zu gern würde ich seine Hände wieder an meiner Hüfte spüren. Aber: Ich habe mich im Griff. Ich bin eine Meisterin der Selbstbeherrschung. Tief durchatmen, Brust raus und Kinn hoch, Luciana. Während ich dieses Mantra stetig in Gedanken wiederhole, setze ich ein spöttisches Lächeln auf und begegne Orions belustigtem Blick. „Ich hab zwar keine Ahnung, was du jetzt mit deinem Schreibzeug willst, aber wenn es dir Sicherheit gibt, ist das wohl in Ordnung.“ Mit einem knappen Wink deutet er auf mein soeben ausgepacktes Pergament und das Schreibset und ich merke, wie mein Lächeln gefriert. Was, bei Merlins Bart, ist unsere Aufgabenstellung?! Ich hätte besser aufpassen sollen, verdammt! Jetzt hilft nur noch Charme. „Ich war wohl vorhin in Gedanken, was genau sollen wir machen?“ frage ich mit lieblicher Stimme und schenke ihm einen verunsicherten Augenaufschlag, der ihn garantiert dahinschmelzen lässt. Auch wenn ich nicht gedacht hätte, dass das möglich wäre, wird sein Grinsen noch breiter und er legt seine Aufzeichnungen in die Tischmitte. Einem Fräulein in Nöten kann man nicht böse sein und ich wette, er genießt seine Rolle als edelmütiger Retter. „Schau her.“ beginnt er und zeigt auf den ersten Anstrich einer relativ langen Liste. „Wir sollen in dieser Stunde den Trank der lebenden Toten brauen.“ Irritiert lese ich mir die restlichen Stichpunkte durch und frage mit gerunzelter Stirn: „Und was ist mit den ganzen anderen Tränken?“ Orion zieht spöttisch eine Braue hoch und stellt amüsiert fest: „Zuhören ist nicht deine Stärke oder?“ Ich spüre, wie meine Wangen sich erhitzen und presse verärgert die Lippen zusammen. So habe ich mir das jetzt nicht vorgestellt. Als ob er ein vollkommener Musterschüler wäre. Wenn es nicht gerade um Zaubertränke geht, ist er so gut wie nie aufmerksam, wobei er natürlich trotzdem nur gute Noten einheimst. Mphff. Die Welt ist einfach ungerecht. Als er merkt, dass ich auf seinen frechen Kommentar nicht reagiere, lässt er sich seufzend dazu herab mir zu erklären, was es mit der Liste auf sich hat. „Slughorn hat dieses Mal beschlossen, dass wir den gesamten Unterricht in festen Gruppen absolvieren sollen. Alle Tränke, die hier draufstehen, sollen wir beide bis zum Ende des Schuljahres brauen.“ Er spricht mit mir, als wäre ich ein besonders schwerfälliges Kind und ich knirsche verstimmt mit den Zähnen. Der wird sich schon noch wundern. Auch wenn man es mir vielleicht nicht zutrauen mag, bin ich recht gut in Zaubertränke. Es gefällt mir zwar absolut nicht, irgendwelche ekligen Zutaten zu zerstampfen, aber meine Ergebnisse sind meist tadellos. „Hast du verstanden?“ will Orion feixend wissen und gestikuliert wild mit den Händen, um mir seine Worte zu verdeutlichen. Der hat sie ja wohl nicht mehr alle. Rasch schlucke ich meinen Ärger herunter und nicke ihm hoheitsvoll zu. Nun gut, ich habe ja immer gewusst, dass Orion Black ein ziemliches Arschloch sein kann. Wenn man so unverschämt attraktiv aussieht, gehört das wohl irgendwie dazu. Ohne ein weiteres Wort hole ich mein Lehrbuch aus der Tasche und suche diesen lächerlichen Trank der schwebenden Boten heraus oder wie das Ding auch immer heißt. Wenigstens braucht man dafür nichts Widerliches zu schnippeln. Orion lehnt sich zu mir herüber, um ebenfalls in mein Buch zu schauen und ich ziehe fragend eine Augenbraue hoch. „Hast du kein eigenes Buch, Black?“ erkundige ich mich spitz und er sieht mir überrascht ins Gesicht, das viel zu nah an seinem ist, als für meine Selbstbeherrschung gut ist. Hastig bringe ich einen Sicherheitsabstand zwischen uns und ziehe ihm das Buch weg. Ich weiß, ich bin zickig, aber mal ehrlich: Nach allem, was er mir gerade an den Kopf geworfen hat, hat er es nicht besser verdient. „Ich hätte wetten können, dass es dir gefällt, wenn wir uns näher kommen.“ Sein laszives Grinsen werde ich jetzt einfach mal ignorieren. Auch wenn einige Regionen meines treulosen Körpers da nicht so recht mitziehen wollen. Allerdings bin ich mir sicher, dass Orion davon nichts mitbekommt. Meine Maske der Emotionslosigkeit ist vollkommen. „Tja, da hast du dich dann wohl geirrt. Wäre ja nicht das erste Mal.“ erwidere ich gedehnt und stehe auf, um hoch erhobenen Hauptes zum Zutatenschrank zu stolzieren. Kapitel 5: I live to succeedl, not to please you or anyone else. ---------------------------------------------------------------- Während ich die Affrodilwurzel hacke, um sie anschließend in den vor sich hin köchelnden Wermutsud zu geben, bemerke ich immer wieder Orions Blick auf mir. „Was ist los?“ frage ich genervt, obwohl ich seine Aufmerksamkeit eigentlich ziemlich genieße. „Warum hast du mir gestern eine Ohrfeige gegeben?“ will er unvermittelt wissen und ich hätte mir vor Überraschung beinahe in den Finger geschnitten. Sorgfältig lege ich das Messer beiseite und wende mich Orion mit einem höhnischen Lächeln zu. Seine silbergrauen Augen zeigen deutlich, dass ihn dieses Thema schon länger beschäftigt. Natürlich ist es für einen Frauenschwarm wie ihn nichts Alltägliches, dass ein so gezielter Annäherungsversuch scheitert. „Auch wenn es vielleicht das erste Mal in deinem Leben ist, dass du so etwas hörst: Ich bin nicht an dir interessiert, Black.“ lüge ich mit verschränkten Armen und einem herablassenden Blick. „Ist das so?“ erkundigt er sich mit einem wölfischen Grinsen und stützt sich mit einem Arm auf die Tischplatte. Mein Herz gerät ein wenig aus dem Takt, als ich bemerke, wie sich sein Hemd nun um seinen Bizeps spannt und ich befeuchte unbewusst meine plötzlich trockenen Lippen mit der Zungenspitze. Ruckartig reiße ich meinen Blick von seinem Arm los und räuspere mich sicherheitshalber, bevor ich mit glücklicherweise fester Stimme sage: „Natürlich ist das so Mr. Unwiderstehlich. Ich habe Besseres zu tun, als mich mit deinem aufgeblasenen Ego zu beschäftigen.“ Mit diesen Worten kümmere ich mich wieder um meine Affrodilwurzel, während Orion mich sprachlos anstarrt. Angestrengt versuche ich mein Gesicht zu entspannen und das triumphierende Lächeln zurückzudrängen, das um meine Mundwinkel zuckt. „Oh, und du bist die Bescheidenheit in Person, Lestrange.“ knurrt Orion giftig und ich kann mich nicht daran erinnern, ihn jemals so eindeutig beleidigt gesehen zu haben. Wir Slytherins beherrschen eines ganz außergewöhnlich gut: Unsere Mimik. Und doch kommt es ab und an vor, dass der ein oder andere aus der Rolle fällt. Ich gebe zu, dass mir das in letzter Zeit etwas öfter passiert ist, als normal sein sollte. Aber dass nun sogar Orion Black, der König der Selbstsicherheit, hinter seine Maske aus zerschmetternder Belustigung blicken lässt, ist wirklich ein Kreuz im Kalender wert. Um seine Verwirrung komplett zu machen, schenke ich ihm mein strahlendstes Lächeln, von dem ich weiß, das es meine Augen zum Funkeln bringt und kleine Grübchen in meinen Wangen erscheinen lässt. Ein entrückter Ausdruck tritt in seinen Blick und ich streiche mir grinsend eine Zierlocke aus dem Gesicht. Ich weiß: Ich bin anbetungswürdig. Aus den Augenwinkeln kann ich sehen, wie Orion leicht den Kopf schüttelt und stirnrunzelnd nach einer Schlafbohne greift, um sie zu zerschneiden. Gerade als er das Messer ansetzen will, unterbreche ich ihn: „Warte mal, es ist besser, wenn du die Bohne ausdrückst. Mit deinem Silbermesser.“ Abwartend sehe ich zu, wie seine Augenbrauen unter seinem Haaransatz zu verschwinden scheinen. „Im Buch steht, dass wir sie zerschneiden sollen, Lestrange. Ich weiß, dass es dir wahrscheinlich schwer fällt, so viele Wörter hintereinander zu lesen, aber du kannst mir vertrauen: Ich weiß, was ich tue.“ Die Häme tropft aus jeder Silbe, aber es ist mir egal. Er hat mich heute oft genug angegriffen und diesmal weiß ich, dass ich im Recht bin. „Wenn du sie zerdrückst, kommt mehr Saft heraus.“ beharre ich deshalb und er verdreht entnervt die Augen. „Kannst du dich nicht um deinen eigenen Kram kümmern?“ faucht er, aber ich begegne seinem wütenden Blick völlig unbeeindruckt. „Versuch es oder lass es bleiben.“ entgegne ich schulterzuckend und mache mich wieder an die Arbeit, während er kurz innehält und schließlich nach seinem Silbermesser greift. Amüsiert schaue ich dabei zu, wie die kleine, schrumpelige Bohne eine große Menge Saft abgibt, während Orion sie zerdrückt. Sein überraschtes Aufkeuchen ist Balsam für mein Ego und ich gestatte mir ein zufriedenes Lächeln. „Woher wusstest du das?“ fragt er erstaunt und mustert mich ein wenig misstrauisch. „Meine Mutter braucht jeden Abend ein Schlafmittel und diese Bohnen sind der Hauptbestandteil davon. Ich habe gehört, wie sie unserer Hauselfe das genaue Rezept gegeben hat.“ erkläre ich abwinkend. Es war ja auch nicht zu überhören gewesen. Meine Mutter hat ein außergewöhnlich lautes Organ. In seinen Augen glimmt etwas auf, das sich wohl als Respekt bezeichnen lässt und mir ein angenehmes Kribbeln in der Magengegend beschert. Slughorn schlendert durch den Raum und sieht neugierig in die Kessel. Bei Nott und Ava, die passenderweise zusammenarbeiten müssen, schüttelt er kurz resigniert den Kopf und steigert das Glücksgefühl in meinem Bauch damit noch. Als er bei uns ankommt und unseren mittlerweile fliederfarbenen Trank begutachtet, schenkt er uns ein erfreutes Lächeln und klatscht enthusiastisch in die Hände. „Sehr gut, sehr gut Sie beide. Jetzt müssen Sie nur noch rühren und dann ist es fertig.“ Ava bedenkt mich mit einem mörderischen Blick und Notts Gesichtsausdruck steht dem ihren in nichts nach. Sein Hemd weist einige Löcher auf, die wohl von dem missglückten Zaubertrank weggeätzt worden sind und Avas rostrotes Haar, steht wirr nach allen Seiten ab. Nachdem wir unseren Trank vorsichtig umgerührt haben, ist er noch immer leicht rosa und Orion sieht stirnrunzelnd in das Buch. „Eigentlich müsste er jetzt klar sein.“ stellt er verwirrt fest und liest die betreffende Stelle vor. Ratlos zucke ich die Achseln und frage: „Hast du noch eine Idee, was wir machen können?“ „Nein, keinen Schimmer.“ gibt er resigniert zu und fährt sich durch sein ohnehin schon etwas zerstrubbeltes Haar. „Gut, dann lassen wir es einfach so, einverstanden?“ will ich wissen und greife nach einem Reagenzglas. Auf Orions zustimmendes Nicken hin, fülle ich etwas von unserem Trank dort hinein und bringe es nach vorn zum Lehrerpult. Slughorn hält gerade Clara Abbotts und Damiens dunkelviolettes Ergebnis gegen das schummerige Licht einer Fackel und murmelt: „Ganz passabel, würde ich sagen. Sie haben das Umrühren vergessen, denke ich?“ Fragend sieht er die beiden an, die betreten nicken und dann peinlich berührt auf ihre Schuhspitzen schauen. Angewidert bemerke ich, dass sich die Augen des dicklichen, rotblonden Mädchens mit Tränen füllen. Auch Slughorn sieht es und tätschelt ihr tröstend die Schulter. „Aber, aber meine Liebe. Das kann jedem passieren. Beim nächsten Mal sind Sie einfach ein bisschen aufmerksamer.“ Ein wenig überfordert sieht er mir entgegen und scheint Hilfe zu erwarten, doch ich erwidere seinen Blick nur desinteressiert und halte ihm mein Reagenzglas hin. Während Slughorn es mir abnimmt, schlurft Abbott leise schluchzend davon und Damien folgt ihr in gebührendem Abstand, nicht ohne hinter ihrem Rücken eine Grimasse zu schneiden. Mit einem gehässigen Grinsen, wende ich mich wieder meinem Professor zu, der jetzt zufrieden nickt und mir das Gläschen zurückgibt. „Ganz hervorragend, Miss Lestrange.“ lobt er mich mit funkelnden Schweinsäuglein und ich blinzle verwundert. „Aber Sir, müsste der Trank nicht eigentlich klar sein?“ erkundige ich mich stirnrunzelnd, doch Slughorn winkt glucksend ab. „So ehrgeizig, die Gute. Nein, also Sie haben schon Recht. Wenn er vollkommen korrekt zubereitet wird, müsste dieser Trank in der Tat klar werden. Nur hat es noch nie ein Schüler in meinem Unterricht geschafft, ein solches Ergebnis zu erzielen und ich bezweifle, dass es jemals einer schaffen wird. Deshalb bin ich auch mit einem leichten Rosé vollkommen zufrieden. Sie und Mr. Black bekommen jeweils 10 Punkte, würde ich sagen.“ Mit einem letzten Zwinkern wendet er sich ab und nimmt den Trank von Druella und Malfoy entgegen, während ich mich mit stolzgeschwellter Brust zu meinem Platz begebe. Kapitel 6: It's only arrogance if you are wrong. ------------------------------------------------ Orion hat inzwischen alles aufgeräumt und sieht mir gespannt entgegen, während ich grinsend das Reagenzglas schwenke. „Das war eine Punktlandung.“ teile ich ihm zufrieden mit und ernte dafür ein Grinsen, das mir die Knie schwach werden lässt. „Da waren wir wohl ein gutes Team, würde ich sagen.“ entgegnet Orion zwinkernd und greift nach einer meiner Locken, um sie sich durch die Finger gleiten zu lassen. Rasch entwinde ich mich seiner Hand und frage gespielt empört. „Hast du denn etwas anderes erwartet?“ Orions Grinsen wird noch eine Spur breiter und er zuckt elegant mit den Schultern. „Irgendwie schon, ja. Aber scheinbar hab ich dich unterschätzt. Vielleicht bist du ja doch nicht einfach nur hübsch.“ So langsam wird meine gespielte Empörung echt und ich greife wortlos nach meiner Schultasche, um mit Druella zu unserer nächsten Stunde zu gehen. „Willst du gar nichts dazu sagen?“ höre ich Orion hinter mir rufen und drehe mich lächelnd um. „Ich habe leider feststellen müssen, dass du tatsächlich einfach nur hübsch bist. Tut mir leid.“ Orions Mund klappt auf, doch er bleibt sprachlos, während Druella mich stirnrunzelnd ansieht. „Treib es nur nicht zu weit, Luce. Du willst ihn doch nicht verjagen. Außerdem solltest du dich vielleicht daran erinnern, dass Orion nicht gerade zimperlich mit Leuten umgeht, die ihn nicht respektieren.“ gibt sie leise zu bedenken. Ihr Blick ist ängstlich und sie schaut ständig über ihre Schulter nach hinten, als ob sie erwarten würde, dass uns jeden Moment ein Fluch treffen könnte. „Du machst dir zu viele Gedanken, Ella.“ erwidere ich leichthin, als wir die Eingangshalle betreten. „Er könnte mir niemals etwas antun.“ Druella scheint meine Überzeugung allerdings nicht zu teilen und murmelt etwas Unverständliches, während ich angestrengt versuche, mein verworrenes Haar zu ordnen. Beim Abendbrot rühre ich gelangweilt in meiner Kürbissuppe und beobachte die Schüler in der Großen Halle. Am Gryffindortisch sitzt die kleine McGonagall und unterhält sich mit einem anderen Erstklässler, am Ravenclawtisch scheint überhaupt niemand zu sprechen und die Hufflepuffs schnattern so laut, dass alle anderen Gespräche übertönt werden. „Hallo Schönheit.“ begrüßt mich eine leise Stimme und ich drehe mich nach links, um in Malfoys blasses Gesicht zu sehen. Versteht mich nicht falsch, alle Reinblüter sind blass, aber Abraxas Malfoy ist mit seinen hellen Haaren und den kalten, eisblauen Augen beinahe durchscheinend. „Hey.“ entgegne ich kurz angebunden und wende mich wieder ab, während Malfoy sich neben mir auf die Bank gleiten lässt und Salazar sei Dank den Mund hält. Eigentlich habe ich nichts gegen ihn, aber er hat irgendetwas an sich, das mich immer wieder schaudern lässt, wenn sich unsere Blicke treffen. Und damit meine ich nicht nur den grausamen Zug um seinen Mund, der sein normalerweise recht hübsches Lächeln nicht selten zu einer verzerrten Grimasse verkommen lässt. Druella zu meiner Rechten schiebt ihren kaum angerührten Teller beiseite und versucht angestrengt die Massen an köstlichen Speisen auf dem langen Tisch zu ignorieren. Auf meinen mitfühlenden Blick hin zuckt sie nur betreten die Achseln und spielt mit einer ihrer goldenen Strähnen. Seit sie verlobt ist, isst sie so gut wie nichts mehr und sieht dünner aus denn je. Ihr Gesicht ist hohlwangig und ihre Taille so schmal, dass ich sie mit meinen Händen umfassen könnte. Cygnus Blacks Mutter, ihre zukünftige Schwiegermutter, legt sehr viel Wert auf eine schlanke Figur, woran natürlich nichts Verwerfliches zu finden ist. Allerdings scheint sie es zu übertreiben und eher zu einem Schwiegermonster zu mutieren, was ich der recht liebendwürdig wirkenden Dame gar nicht zugetraut hätte. Ella hat mir gestern Abend einige Geschichten erzählt, bei denen mir die Haare zu Berge standen. Also wenn meine Schwiegermutter in spe von mir verlangen würde den ganzen Tag lang Bücher auf dem Kopf zu balancieren und mit einem viel zu eng geschnürten Korsett zu schlafen, würde ich ihr einen Flederwichtfluch auf den Hals hetzen, dass ihr Hören und Sehen vergehen. Wir sind schließlich keine dahergelaufenen Halbblüter, die nicht wissen, wie man sich benimmt. Andererseits wäre es ziemlich unklug, es sich mit der Schwiegermutter zu verderben. Vor allem, weil eigentlich alle reinblütigen Männer ihren Eltern hörig sind. Plötzlich reißt Professor Dippet mich aus meinen Gedanken, indem er sich erhebt und der Lärm in der Großen Halle langsam abebbt. Mit schleppender und vom Alter gekennzeichneter Stimme sagt er: „Nun da wir alle gesättigt sind, möchte ich noch eine Ankündigung machen, bevor wir auseinander gehen. Das Kollegium hat beschlossen, in diesem Jahr einen Halloweenball zu veranstalten.“ Bei diesen Worten bricht in der Halle augenblicklich lautes, aufgeregtes Getuschel und Gekicher los und selbst an unserem Haustisch sind die sonst so ausdruckslosen oder höhnischen Mienen nun überrascht und gespannt. Noch nie während meiner ganzen Hogwartszeit, hat hier ein Ball stattgefunden. Natürlich ist es für die Reinblüter unter uns nichts Neues auf solche Veranstaltungen zu gehen, aber hier in der Schule ist es doch etwas ganz anderes. Druellas blaue Augen glänzen voller Vorfreude und sie beugt sich begierig nach vorn, um Dippet ihre ganze Aufmerksamkeit zu schenken. Dieser sieht indes so aus, als würde er nicht zu dem Teil des Kollegiums zu gehören, der eine solche Festlichkeit vorgeschlagen hatte. Verstimmt hebt er seine faltigen Hände und das Stimmengewirr wird leiser. „Der Ball wird natürlich am Halloweenabend nach dem üblichen Festessen stattfinden und soll so eine Art…Nun ja, wie heißt das Wort nach dem ich suche…Albus, wie haben Sie es beschrieben?“ Hilfesuchend wendet sich der alte Direktor an Professor Dumbledore, der sich rasch erhebt, woraufhin Dippet sich dankbar auf seinen Stuhl sinken lässt. Nun verstummen erstaunlicherweise auch die letzten Quasselstrippen und sehen gespannt zu unserem Lehrer für Verwandlung, der sich kurz über seinen langen, kastanienbraunen Bart streicht. „Wir haben beschlossen, dass es in diesem Jahr in Hogwarts einen Maskenball geben wird." verkündet er mit lauter Stimme und sofort geht das Getuschel wieder los, doch er braucht nur die Hand zu heben, um sich wieder Gehör zu verschaffen. „Alle Schüler ab der vierten Klasse, dürfen daran teilnehmen.“ fährt Dumbledore fort und ignoriert das Stöhnen und Murren der damit ausgeschlossenen Schüler. „Allerdings können auch jüngere Schüler als Begleitung eines älteren Schülers oder einer älteren Schülerin auf den Ball gehen.“ Er blickt vielsagend über seine Halbmondbrille hinweg zu einer Gruppe von Drittklässlerinnen am Gryffindortisch, die nun schon glücklicher aussehen, als eine Minute zuvor. Pff, als ob irgendjemand so blöd wäre und solche Pickelgesichter zum Ball einladen würde. Abschätzig mustere ich die Mädchen, die nun kichernd die Köpfe zusammenstecken und aufgeregt miteinander flüstern. Aber gut, was soll man von Blutsverrätern und Schlammblütern auch anderes erwarten. „Ihre Eltern wurden selbstverständlich bereits über unser Vorhaben hier informiert und haben uns Ihre Einverständniserklärung per Eule geschickt. Ihre Kostüme, ja Mr. Flint, Sie brauchen Kostüme, können Sie in Hogsmeade, während der Besuchswochenenden erwerben.“ Dumbledore nickt bei diesen Worten Angus Flint zu, der gerade eine hitzige Diskussion mit Yaxley darüber geführt hatte, ob ein Maskenball Kostüme beinhalte. Grinsend sehen Ella und ich uns an und ich weiß genau, dass sie sich ebenso auf den Halloweenabend freut wie ich. Das Essen ist mittlerweile von den Tischen verschwunden und die verzauberte Decke ist voller Sterne. Allerdings sieht keiner der Anwesenden, mit Ausnahme der Lehrer, auch nur im Entferntesten so aus, als würde er jetzt Schlaf brauchen. „Nun, nach dieser aufregenden Ankündigung haben Sie sicher noch einigen Gesprächsbedarf. Das Datum für das erste Hogsmeade-Wochenende wird am Schwarzen Brett bekannt gegeben.“ Fragend wendet sich Dumbledore an Dippet, der jedoch nur müde abwinkt, woraufhin Dumbledore sich schwungvoll zu uns herumdreht. „Schön, dann haben wir alles geklärt, was es zu klären gab. Ich wünsche Ihnen eine gute Nacht und bedenken Sie, dass trotz der spannenden Neuigkeiten, morgen wieder Unterricht ist. Und nun, husch ins Bett.“ Mit diesen Worten und einem zwinkernden Lächeln, entlässt er uns. Überall erheben sich Schüler und laufen tuschelnd und lachend aus der Halle und auch Druella und ich machen uns auf den Weg zu unserem Gemeinschaftsraum. „Hast du schon eine Ahnung, was für ein Kostüm du anziehen wirst?“ fragt Ella mit für ihre Verhältnisse ziemlich aufgedrehter Stimme. Lächelnd zucke ich mit den Schultern und antworte: „Nein, noch nicht. Mal sehen, was Hogsmeade so alles hergibt.“ Ella nickt zustimmend und fängt an, mir von ihrem Traumkleid vorzuschwärmen. Doch ich höre ihr nur mit einem halben Ohr zu. Orion ist einige Meter vor uns stehen geblieben und hat sich zu uns umgedreht. Sein selbstsicheres Grinsen lässt mir beinahe den Atem stocken und ich würde viel dafür geben, ihm die schwarze Strähne aus der Stirn zu streichen, die sich sicherlich so weich anfühlt, wie der Flaum eines Phönix-Kükens. „Hey, Lestrange!“ ruft er mir zu und ich zucke ertappt zusammen. Ich kann nichts anderes mehr wahrnehmen, als Orions perfektes Gesicht und wie so oft in seiner Gegenwart, fällt es mir schwer, ich selbst zu sein. „Black.“ krächze ich mit heiserer Stimme und bleibe mit einem kleinen Sicherheitsabstand vor ihm stehen. Ella tut es mir gleich und sieht neugierig von mir zu ihm. „Ich dachte mir, dass wir zusammen auf den Ball gehen könnten.“ schlägt Orion mir mit einem gewinnenden Lächeln vor. „Was meinst du?“ fügt er hinzu und seine ganze Haltung zeugt von seiner aristokratischen Herkunft. Ich räuspere mich rasch und unauffällig und entgegne fein lächelnd: „Ich weiß nicht. Ich werde darüber nachdenken.“ Orions schiefes Grinsen bröckelt und weicht einem fassungslosen Blick, während ich mit Ella im Schlepptau an ihm vorbeigehe, um zum Kerkereingang zu kommen. „Hast du jetzt völlig den Verstand verloren?!“ zischt Ella mir zu und eilt neben mir durch die Korridore. „Ich dachte, das ist genau das, was du wolltest? Er will mit dir zum Ball und du sagst du musst darüber nachdenken? Was bei Merlins Bart stimmt nicht mit dir?!“ Ihr zartes Gesicht ist ein einziges Fragezeichen und mein diabolisches Lächeln scheint sie noch mehr zu irritieren. „Süße, wenn ich es ihm zu leicht mache, hat er mich schneller fallen gelassen als ich ‚Hochzeit‘ sagen kann.“ erkläre ich ungeduldig, aber Druella schüttelt nur resignierend den Kopf. „Vielleicht machst du so auch nur alles komplizierter, als es sein müsste.“ grummelt sie vor sich hin und ich überhöre ihren pessimistischen Kommentar geflissentlich. Ich weiß überhaupt nicht, was sie für ein Problem hat. Es könnte schließlich nicht besser laufen. Mein Plan funktioniert tadellos und wenn ich Orion morgen früh sage, dass ich seine Einladung annehme, wird er verdammt erleichtert sein. Wieso sollte ich ihn nicht ein wenig schmoren lassen? Es ist ja auch nicht so, als ob ich keinen anderen Begleiter als ihn finden könnte. Ich will nur einfach keinen anderen. Aber gut, das weiß er ja nicht. Und ich würde mir eher die Zunge abbeißen, als mich ihm an den Hals zu werfen, wie es all die anderen dummen Puten tun. Im Gemeinschaftsraum herrscht eine nie gekannte Aufregung. Überall sitzen Mädchengruppen, die kichern und den anwesenden Jungs, die sich ziemlich unwohl zu fühlen scheinen, kokette Blicke zuwerfen. Ella und ich scheuchen ein paar Erstklässler von unseren Stammplätzen vor dem marmornen Kamin und machen es uns in den dunklen Ledersesseln bequem. Mit gerunzelter Stirn sehe ich mich um und muss feststellen, dass der Gemeinschaftsraum viel voller ist als sonst und überdurchschnittlich viele Mädchen überall herumlungern. Wahrscheinlich hoffen sie alle darauf, schon heute eingeladen zu werden, damit sie sich entspannt zurücklehnen und sich auf den Ball freuen können. Vollkommen verständlich natürlich. Aber auch ein wenig armselig. Abschätzig lasse ich meinen Blick über den weiblichen Teil der Slytherins gleiten. Er bleibt an einer großen Siebtklässlerin hängen, die unweit von mir mit zwei anderen Mädchen auf einem der schweren Sofas sitzt und wild mit den unförmigen Händen gestikuliert. Mit ihren meerblauen Augen und den sinnlich geschwungenen Lippen könnte Arcadia Goyle hübsch sein, wenn sie nicht die Statur eines Knallrümpfigen Kröters hätte. Wie angestochen redet sie auf ihre Freundin Rosalia Malfoy ein, die mit säuerlicher Miene ihren rotblonden Zopf befingert. Abraxas‘ ältere Cousine ist wohl das, was man eine natürliche Schönheit nennt und kann sich vor Verehrern kaum retten. Allerdings erinnere ich mich nur zu gern und nicht ohne Genugtuung an die letzte Dinnerparty der Rosiers, bei der sie mal wieder unter Beweis gestellt hat, dass sie keinerlei Stilgefühl besitzt. Sie hatte sich in eine orangefarbene Robe gehüllt, die vielleicht aus Indien stammen könnte und sich fürchterlich mit ihrem Haar biss, weshalb ich stets darauf gewartet hatte, dass sie sich in eine überdimensionale Karotte verwandeln würde. Eine Karotte mit roten Stilettos, in denen sie so wenig Halt hatte, dass sie jede Einladung zum Tanz ausschlug und den ganzen Abend im Sitzen verbrachte. Obwohl es auch sein könnte, dass nur keiner der Männer, die sie aufgefordert hatten, gut genug für sie gewesen war. Naja, für einige von uns ist es tatsächlich von Vorteil, dass wir auf dieser Schule gezwungen sind, biedere Uniformen zu tragen. Aber trotz ihrer momentan makellosen Erscheinung, kann sie mir nicht das Wasser reichen; ich bin einfach außer Konkurrenz. Zufrieden fahre ich mir durch meine tiefschwarzen Locken und betrachte Rosalia eingehend. Mittlerweile soll sie sich mit einem ehemaligen Durmstrang-Schüler verlobt haben, doch ob das stimmt bleibt abzuwarten. Zumindest sehe ich keinen Verlobungsring an ihren schlanken Fingern aufblitzen. Angestrengt kneife ich die Augen zusammen, aber nein, dort ist kein Ring. Das dritte Mädchen ist die Unscheinbarste der kleinen Gruppe. Ihre Augen sind wässrig blau und ihre Haarfarbe lässt sich gut mit dem Wort ‚schmutzig‘ beschreiben. Wie sie heißt fällt mir beim besten Willen nicht ein und ich wende mich schulterzuckend ab. Ava Greengrass rückt in mein Blickfeld und meine Lippen kräuseln sich. Diese Frau hat es in Rekordgeschwindigkeit auf die Liste meiner Todesfluch-Anwärter geschafft und starrt jetzt mit glühendem Blick zum Eingang des Gemeinschaftsraumes. Rasch drehe ich mich herum, um den Grund für ihr plötzliches Interesse zu ermitteln und sehe direkt in Orions abweisendes Gesicht. Ich könnte mich täuschen, aber ich glaube, dass seine sonst so blassen Wangen vor Zorn etwas gerötet sind. Seine Lippen sind zu einem schmalen Strich zusammengepresst und Damien, der mit ihm zusammen hereingekommen ist, wirft ihm ständig unbehagliche Seitenblicke zu. Sein Misserfolg scheint ihn wirklich fertig zu machen, den Armen. Mit einem leichten Grinsen schaue ich wieder zu Druella, deren Gesichtsausdruck schwer zu deuten ist und frage: „Mit wem möchtest du eigentlich zum Ball gehen?“ Schnaubend winkt sie ab, rollt mit den Augen und fuchtelt mit ihrer linken Hand herum, an der ihr Verlobungsring funkelt. „Ich werde wohl allein hingehen. Niemand wird eine verlobte Frau einladen wollen.“ Ihre Miene ist etwas betrübt und leider fällt mir nichts ein, um ihre Aussage zu entkräften. Sie hat schließlich Recht. Männer, die einen zum Ball einladen hoffen doch eigentlich, dass sich daraus etwas entwickeln könnte. Ob es nun nur für eine Nacht, für eine längere Zeit oder gar für immer ist. Trotzdem lächle ich sie aufmunternd an und sage mit fester Stimme: „Du wirst so hübsch aussehen, dass du keinen Begleiter brauchst. Wirst schon sehen.“ Sofort erhellt sich ihr Gesicht etwas und sie nickt mir dankbar zu, als sich jemand neben mir räuspert. Unwillig wende ich mich dem Neuankömmling zu und mustere ihn spöttisch. Es ist ein ziemlich kleiner, schmächtiger Fünftklässler, mit Hornbrille und mehr als fraglichem Hautbild. Bevor er auch nur den Mund aufmachen kann, blaffe ich schon: „Nein, ich gehe natürlich nicht mit dir auf den Ball!“ Erschrocken reißt er die Augen auf, die durch die Brille sowieso schon übermäßig groß aussehen, und läuft knallrot an. Was denkt der sich eigentlich? Als würde ich mit so einem Flubberwurm irgendwo hingehen. Angewidert bemerke ich einen Senffleck auf seinem Umhang und ziehe zischend Luft ein. Wie kann so jemand es wagen, mich anzusprechen? Mich?! „M-Miss Lestrange, i-ich soll Ihnen das hier von Professor Slughorn geben.“ stammelt er, während er mir bebend eine kleine Schriftrolle hinhält. Oh, na gut. Dann ist ihm also klar, dass er mich gar nicht erst wegen des Balles fragen muss. Wortlos und mit spitzen Fingern nehme ich ihm die Rolle ab und löse das goldene Band, das um sie gewickelt ist. „Und die hier ist für Miss Rosier.“ fügt der Knirps schon etwas sicherer hinzu und reicht Ella eine identische Pergamentrolle. Gerade als ich anfangen will mein Schriftstück zu lesen, bemerke ich, dass der Junge sich nicht bewegt hat. „Ist noch was?“ frage ich mürrisch und er schüttelt hektisch den Kopf, während er sich rückwärts gehend von uns entfernt, so als würde er uns sicherheitshalber nicht aus den Augen lassen wollen. Cleveres Bürschchen. „Ist nur wieder eine Einladung für ein Treffen vom Slug-Club, Luce.“ informiert mich Ella, die ihr Pergament scheinbar bereits gelesen hat und ich überfliege den mit golden schimmernder Tinte geschriebenen Text. Langsam nicke ich und rolle die Einladung wieder zusammen. „Dann dürfen wir uns also wieder ein paar Stunden langweilen. Sicher fragt er mich über Raban aus und will alles wissen, was ich von Riddle so mitbekomme.“ schnarre ich mit gerunzelter Stirn und habe nicht übel Lust, die Einladung ins Feuer zu schmeißen. Aber das wäre vielleicht etwas kindisch. Ella nickt zustimmend und steckt die Rolle in ihren Umhang. „Mit mir redet er nie. Ich weiß gar nicht, was ich da eigentlich soll.“ beschwert sie sich und lässt sich tiefer in den Sessel sinken. Den restlichen Abend verbringen wir damit, Vermutungen über mögliche Paarkonstellationen für den Ball anzustellen und uns über unsere Kostümvorstellungen auszutauschen. Währenddessen wandert mein Blick immer wieder hinüber zu Orion, der mit Damien, Abraxas und Nott am anderen Ende des mittlerweile deutlich leereren Raumes sitzt und nicht gerade glücklich aussieht. Plötzlich sieht Nott mir direkt in die Augen und sein Mund verzerrt sich zu einem unheilbringenden Grinsen. Verdammt, was hat der sich denn jetzt wieder ausgedacht? Kurz lodert Angst in mir auf, doch ich kämpfe sie nieder und konzentriere mich wieder auf Orion, dessen dunkles Haar ganz verwuschelt ist, weil er sich ständig hindurchfährt. Allein diese Geste zeigt mir, dass einiges in ihm vorzugehen scheint, denn normalerweise legt er großen Wert auf eine tadellose Frisur, bei der kein Haar in die falsche Richtung abstehen darf. Seine grauen Augen ruhen auf einem Punkt an der steinernen Wand und mit seinen Gedanken ist er wohl ganz woanders. „Luce?“ dringt plötzlich Ellas Stimme in mein Bewusstsein und mein Kopf ruckt zu ihr herum. „Hörst du mir überhaupt zu?“ Schmollend schiebt sie die Unterlippe vor, was sie mindestens zwei Jahre jünger aussehen lässt, und sieht mich vorwurfsvoll aus ihren kristallklaren Augen an. Peinlicherweise habe ich wirklich nichts von dem mitbekommen, was sie gesagt hat und täusche schnell ein Gähnen vor. „Tut mir leid, Ella. Ich bin total fertig und kann mich einfach nicht mehr konzentrieren. Willst du es mir auf dem Weg in den Schlafsaal nochmal erzählen?“ frage ich gutmütig und erhebe mich mit einer fließenden Bewegung, bevor ich auch sie aus ihrem Sessel ziehe. Besonders zufrieden sieht sie trotz meiner Entschuldigung nicht aus, aber sie lässt sich dazu herab, ihre Geschichte über ein Paar Schuhe aus einem Laden in der Nokturngasse zu wiederholen. Erst als wir beide im Bett liegen und Ava ein paar unwirsche Bemerkungen in unsere Richtung gemacht hat, hält Ella den Mund und ich schlafe sofort ein. Natürlich nicht, ohne dabei wieder Orions gewittergraue Augen zu sehen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)