The Curse of Pure Blood von Silver22 ================================================================================ Kapitel 6: It's only arrogance if you are wrong. ------------------------------------------------ Orion hat inzwischen alles aufgeräumt und sieht mir gespannt entgegen, während ich grinsend das Reagenzglas schwenke. „Das war eine Punktlandung.“ teile ich ihm zufrieden mit und ernte dafür ein Grinsen, das mir die Knie schwach werden lässt. „Da waren wir wohl ein gutes Team, würde ich sagen.“ entgegnet Orion zwinkernd und greift nach einer meiner Locken, um sie sich durch die Finger gleiten zu lassen. Rasch entwinde ich mich seiner Hand und frage gespielt empört. „Hast du denn etwas anderes erwartet?“ Orions Grinsen wird noch eine Spur breiter und er zuckt elegant mit den Schultern. „Irgendwie schon, ja. Aber scheinbar hab ich dich unterschätzt. Vielleicht bist du ja doch nicht einfach nur hübsch.“ So langsam wird meine gespielte Empörung echt und ich greife wortlos nach meiner Schultasche, um mit Druella zu unserer nächsten Stunde zu gehen. „Willst du gar nichts dazu sagen?“ höre ich Orion hinter mir rufen und drehe mich lächelnd um. „Ich habe leider feststellen müssen, dass du tatsächlich einfach nur hübsch bist. Tut mir leid.“ Orions Mund klappt auf, doch er bleibt sprachlos, während Druella mich stirnrunzelnd ansieht. „Treib es nur nicht zu weit, Luce. Du willst ihn doch nicht verjagen. Außerdem solltest du dich vielleicht daran erinnern, dass Orion nicht gerade zimperlich mit Leuten umgeht, die ihn nicht respektieren.“ gibt sie leise zu bedenken. Ihr Blick ist ängstlich und sie schaut ständig über ihre Schulter nach hinten, als ob sie erwarten würde, dass uns jeden Moment ein Fluch treffen könnte. „Du machst dir zu viele Gedanken, Ella.“ erwidere ich leichthin, als wir die Eingangshalle betreten. „Er könnte mir niemals etwas antun.“ Druella scheint meine Überzeugung allerdings nicht zu teilen und murmelt etwas Unverständliches, während ich angestrengt versuche, mein verworrenes Haar zu ordnen. Beim Abendbrot rühre ich gelangweilt in meiner Kürbissuppe und beobachte die Schüler in der Großen Halle. Am Gryffindortisch sitzt die kleine McGonagall und unterhält sich mit einem anderen Erstklässler, am Ravenclawtisch scheint überhaupt niemand zu sprechen und die Hufflepuffs schnattern so laut, dass alle anderen Gespräche übertönt werden. „Hallo Schönheit.“ begrüßt mich eine leise Stimme und ich drehe mich nach links, um in Malfoys blasses Gesicht zu sehen. Versteht mich nicht falsch, alle Reinblüter sind blass, aber Abraxas Malfoy ist mit seinen hellen Haaren und den kalten, eisblauen Augen beinahe durchscheinend. „Hey.“ entgegne ich kurz angebunden und wende mich wieder ab, während Malfoy sich neben mir auf die Bank gleiten lässt und Salazar sei Dank den Mund hält. Eigentlich habe ich nichts gegen ihn, aber er hat irgendetwas an sich, das mich immer wieder schaudern lässt, wenn sich unsere Blicke treffen. Und damit meine ich nicht nur den grausamen Zug um seinen Mund, der sein normalerweise recht hübsches Lächeln nicht selten zu einer verzerrten Grimasse verkommen lässt. Druella zu meiner Rechten schiebt ihren kaum angerührten Teller beiseite und versucht angestrengt die Massen an köstlichen Speisen auf dem langen Tisch zu ignorieren. Auf meinen mitfühlenden Blick hin zuckt sie nur betreten die Achseln und spielt mit einer ihrer goldenen Strähnen. Seit sie verlobt ist, isst sie so gut wie nichts mehr und sieht dünner aus denn je. Ihr Gesicht ist hohlwangig und ihre Taille so schmal, dass ich sie mit meinen Händen umfassen könnte. Cygnus Blacks Mutter, ihre zukünftige Schwiegermutter, legt sehr viel Wert auf eine schlanke Figur, woran natürlich nichts Verwerfliches zu finden ist. Allerdings scheint sie es zu übertreiben und eher zu einem Schwiegermonster zu mutieren, was ich der recht liebendwürdig wirkenden Dame gar nicht zugetraut hätte. Ella hat mir gestern Abend einige Geschichten erzählt, bei denen mir die Haare zu Berge standen. Also wenn meine Schwiegermutter in spe von mir verlangen würde den ganzen Tag lang Bücher auf dem Kopf zu balancieren und mit einem viel zu eng geschnürten Korsett zu schlafen, würde ich ihr einen Flederwichtfluch auf den Hals hetzen, dass ihr Hören und Sehen vergehen. Wir sind schließlich keine dahergelaufenen Halbblüter, die nicht wissen, wie man sich benimmt. Andererseits wäre es ziemlich unklug, es sich mit der Schwiegermutter zu verderben. Vor allem, weil eigentlich alle reinblütigen Männer ihren Eltern hörig sind. Plötzlich reißt Professor Dippet mich aus meinen Gedanken, indem er sich erhebt und der Lärm in der Großen Halle langsam abebbt. Mit schleppender und vom Alter gekennzeichneter Stimme sagt er: „Nun da wir alle gesättigt sind, möchte ich noch eine Ankündigung machen, bevor wir auseinander gehen. Das Kollegium hat beschlossen, in diesem Jahr einen Halloweenball zu veranstalten.“ Bei diesen Worten bricht in der Halle augenblicklich lautes, aufgeregtes Getuschel und Gekicher los und selbst an unserem Haustisch sind die sonst so ausdruckslosen oder höhnischen Mienen nun überrascht und gespannt. Noch nie während meiner ganzen Hogwartszeit, hat hier ein Ball stattgefunden. Natürlich ist es für die Reinblüter unter uns nichts Neues auf solche Veranstaltungen zu gehen, aber hier in der Schule ist es doch etwas ganz anderes. Druellas blaue Augen glänzen voller Vorfreude und sie beugt sich begierig nach vorn, um Dippet ihre ganze Aufmerksamkeit zu schenken. Dieser sieht indes so aus, als würde er nicht zu dem Teil des Kollegiums zu gehören, der eine solche Festlichkeit vorgeschlagen hatte. Verstimmt hebt er seine faltigen Hände und das Stimmengewirr wird leiser. „Der Ball wird natürlich am Halloweenabend nach dem üblichen Festessen stattfinden und soll so eine Art…Nun ja, wie heißt das Wort nach dem ich suche…Albus, wie haben Sie es beschrieben?“ Hilfesuchend wendet sich der alte Direktor an Professor Dumbledore, der sich rasch erhebt, woraufhin Dippet sich dankbar auf seinen Stuhl sinken lässt. Nun verstummen erstaunlicherweise auch die letzten Quasselstrippen und sehen gespannt zu unserem Lehrer für Verwandlung, der sich kurz über seinen langen, kastanienbraunen Bart streicht. „Wir haben beschlossen, dass es in diesem Jahr in Hogwarts einen Maskenball geben wird." verkündet er mit lauter Stimme und sofort geht das Getuschel wieder los, doch er braucht nur die Hand zu heben, um sich wieder Gehör zu verschaffen. „Alle Schüler ab der vierten Klasse, dürfen daran teilnehmen.“ fährt Dumbledore fort und ignoriert das Stöhnen und Murren der damit ausgeschlossenen Schüler. „Allerdings können auch jüngere Schüler als Begleitung eines älteren Schülers oder einer älteren Schülerin auf den Ball gehen.“ Er blickt vielsagend über seine Halbmondbrille hinweg zu einer Gruppe von Drittklässlerinnen am Gryffindortisch, die nun schon glücklicher aussehen, als eine Minute zuvor. Pff, als ob irgendjemand so blöd wäre und solche Pickelgesichter zum Ball einladen würde. Abschätzig mustere ich die Mädchen, die nun kichernd die Köpfe zusammenstecken und aufgeregt miteinander flüstern. Aber gut, was soll man von Blutsverrätern und Schlammblütern auch anderes erwarten. „Ihre Eltern wurden selbstverständlich bereits über unser Vorhaben hier informiert und haben uns Ihre Einverständniserklärung per Eule geschickt. Ihre Kostüme, ja Mr. Flint, Sie brauchen Kostüme, können Sie in Hogsmeade, während der Besuchswochenenden erwerben.“ Dumbledore nickt bei diesen Worten Angus Flint zu, der gerade eine hitzige Diskussion mit Yaxley darüber geführt hatte, ob ein Maskenball Kostüme beinhalte. Grinsend sehen Ella und ich uns an und ich weiß genau, dass sie sich ebenso auf den Halloweenabend freut wie ich. Das Essen ist mittlerweile von den Tischen verschwunden und die verzauberte Decke ist voller Sterne. Allerdings sieht keiner der Anwesenden, mit Ausnahme der Lehrer, auch nur im Entferntesten so aus, als würde er jetzt Schlaf brauchen. „Nun, nach dieser aufregenden Ankündigung haben Sie sicher noch einigen Gesprächsbedarf. Das Datum für das erste Hogsmeade-Wochenende wird am Schwarzen Brett bekannt gegeben.“ Fragend wendet sich Dumbledore an Dippet, der jedoch nur müde abwinkt, woraufhin Dumbledore sich schwungvoll zu uns herumdreht. „Schön, dann haben wir alles geklärt, was es zu klären gab. Ich wünsche Ihnen eine gute Nacht und bedenken Sie, dass trotz der spannenden Neuigkeiten, morgen wieder Unterricht ist. Und nun, husch ins Bett.“ Mit diesen Worten und einem zwinkernden Lächeln, entlässt er uns. Überall erheben sich Schüler und laufen tuschelnd und lachend aus der Halle und auch Druella und ich machen uns auf den Weg zu unserem Gemeinschaftsraum. „Hast du schon eine Ahnung, was für ein Kostüm du anziehen wirst?“ fragt Ella mit für ihre Verhältnisse ziemlich aufgedrehter Stimme. Lächelnd zucke ich mit den Schultern und antworte: „Nein, noch nicht. Mal sehen, was Hogsmeade so alles hergibt.“ Ella nickt zustimmend und fängt an, mir von ihrem Traumkleid vorzuschwärmen. Doch ich höre ihr nur mit einem halben Ohr zu. Orion ist einige Meter vor uns stehen geblieben und hat sich zu uns umgedreht. Sein selbstsicheres Grinsen lässt mir beinahe den Atem stocken und ich würde viel dafür geben, ihm die schwarze Strähne aus der Stirn zu streichen, die sich sicherlich so weich anfühlt, wie der Flaum eines Phönix-Kükens. „Hey, Lestrange!“ ruft er mir zu und ich zucke ertappt zusammen. Ich kann nichts anderes mehr wahrnehmen, als Orions perfektes Gesicht und wie so oft in seiner Gegenwart, fällt es mir schwer, ich selbst zu sein. „Black.“ krächze ich mit heiserer Stimme und bleibe mit einem kleinen Sicherheitsabstand vor ihm stehen. Ella tut es mir gleich und sieht neugierig von mir zu ihm. „Ich dachte mir, dass wir zusammen auf den Ball gehen könnten.“ schlägt Orion mir mit einem gewinnenden Lächeln vor. „Was meinst du?“ fügt er hinzu und seine ganze Haltung zeugt von seiner aristokratischen Herkunft. Ich räuspere mich rasch und unauffällig und entgegne fein lächelnd: „Ich weiß nicht. Ich werde darüber nachdenken.“ Orions schiefes Grinsen bröckelt und weicht einem fassungslosen Blick, während ich mit Ella im Schlepptau an ihm vorbeigehe, um zum Kerkereingang zu kommen. „Hast du jetzt völlig den Verstand verloren?!“ zischt Ella mir zu und eilt neben mir durch die Korridore. „Ich dachte, das ist genau das, was du wolltest? Er will mit dir zum Ball und du sagst du musst darüber nachdenken? Was bei Merlins Bart stimmt nicht mit dir?!“ Ihr zartes Gesicht ist ein einziges Fragezeichen und mein diabolisches Lächeln scheint sie noch mehr zu irritieren. „Süße, wenn ich es ihm zu leicht mache, hat er mich schneller fallen gelassen als ich ‚Hochzeit‘ sagen kann.“ erkläre ich ungeduldig, aber Druella schüttelt nur resignierend den Kopf. „Vielleicht machst du so auch nur alles komplizierter, als es sein müsste.“ grummelt sie vor sich hin und ich überhöre ihren pessimistischen Kommentar geflissentlich. Ich weiß überhaupt nicht, was sie für ein Problem hat. Es könnte schließlich nicht besser laufen. Mein Plan funktioniert tadellos und wenn ich Orion morgen früh sage, dass ich seine Einladung annehme, wird er verdammt erleichtert sein. Wieso sollte ich ihn nicht ein wenig schmoren lassen? Es ist ja auch nicht so, als ob ich keinen anderen Begleiter als ihn finden könnte. Ich will nur einfach keinen anderen. Aber gut, das weiß er ja nicht. Und ich würde mir eher die Zunge abbeißen, als mich ihm an den Hals zu werfen, wie es all die anderen dummen Puten tun. Im Gemeinschaftsraum herrscht eine nie gekannte Aufregung. Überall sitzen Mädchengruppen, die kichern und den anwesenden Jungs, die sich ziemlich unwohl zu fühlen scheinen, kokette Blicke zuwerfen. Ella und ich scheuchen ein paar Erstklässler von unseren Stammplätzen vor dem marmornen Kamin und machen es uns in den dunklen Ledersesseln bequem. Mit gerunzelter Stirn sehe ich mich um und muss feststellen, dass der Gemeinschaftsraum viel voller ist als sonst und überdurchschnittlich viele Mädchen überall herumlungern. Wahrscheinlich hoffen sie alle darauf, schon heute eingeladen zu werden, damit sie sich entspannt zurücklehnen und sich auf den Ball freuen können. Vollkommen verständlich natürlich. Aber auch ein wenig armselig. Abschätzig lasse ich meinen Blick über den weiblichen Teil der Slytherins gleiten. Er bleibt an einer großen Siebtklässlerin hängen, die unweit von mir mit zwei anderen Mädchen auf einem der schweren Sofas sitzt und wild mit den unförmigen Händen gestikuliert. Mit ihren meerblauen Augen und den sinnlich geschwungenen Lippen könnte Arcadia Goyle hübsch sein, wenn sie nicht die Statur eines Knallrümpfigen Kröters hätte. Wie angestochen redet sie auf ihre Freundin Rosalia Malfoy ein, die mit säuerlicher Miene ihren rotblonden Zopf befingert. Abraxas‘ ältere Cousine ist wohl das, was man eine natürliche Schönheit nennt und kann sich vor Verehrern kaum retten. Allerdings erinnere ich mich nur zu gern und nicht ohne Genugtuung an die letzte Dinnerparty der Rosiers, bei der sie mal wieder unter Beweis gestellt hat, dass sie keinerlei Stilgefühl besitzt. Sie hatte sich in eine orangefarbene Robe gehüllt, die vielleicht aus Indien stammen könnte und sich fürchterlich mit ihrem Haar biss, weshalb ich stets darauf gewartet hatte, dass sie sich in eine überdimensionale Karotte verwandeln würde. Eine Karotte mit roten Stilettos, in denen sie so wenig Halt hatte, dass sie jede Einladung zum Tanz ausschlug und den ganzen Abend im Sitzen verbrachte. Obwohl es auch sein könnte, dass nur keiner der Männer, die sie aufgefordert hatten, gut genug für sie gewesen war. Naja, für einige von uns ist es tatsächlich von Vorteil, dass wir auf dieser Schule gezwungen sind, biedere Uniformen zu tragen. Aber trotz ihrer momentan makellosen Erscheinung, kann sie mir nicht das Wasser reichen; ich bin einfach außer Konkurrenz. Zufrieden fahre ich mir durch meine tiefschwarzen Locken und betrachte Rosalia eingehend. Mittlerweile soll sie sich mit einem ehemaligen Durmstrang-Schüler verlobt haben, doch ob das stimmt bleibt abzuwarten. Zumindest sehe ich keinen Verlobungsring an ihren schlanken Fingern aufblitzen. Angestrengt kneife ich die Augen zusammen, aber nein, dort ist kein Ring. Das dritte Mädchen ist die Unscheinbarste der kleinen Gruppe. Ihre Augen sind wässrig blau und ihre Haarfarbe lässt sich gut mit dem Wort ‚schmutzig‘ beschreiben. Wie sie heißt fällt mir beim besten Willen nicht ein und ich wende mich schulterzuckend ab. Ava Greengrass rückt in mein Blickfeld und meine Lippen kräuseln sich. Diese Frau hat es in Rekordgeschwindigkeit auf die Liste meiner Todesfluch-Anwärter geschafft und starrt jetzt mit glühendem Blick zum Eingang des Gemeinschaftsraumes. Rasch drehe ich mich herum, um den Grund für ihr plötzliches Interesse zu ermitteln und sehe direkt in Orions abweisendes Gesicht. Ich könnte mich täuschen, aber ich glaube, dass seine sonst so blassen Wangen vor Zorn etwas gerötet sind. Seine Lippen sind zu einem schmalen Strich zusammengepresst und Damien, der mit ihm zusammen hereingekommen ist, wirft ihm ständig unbehagliche Seitenblicke zu. Sein Misserfolg scheint ihn wirklich fertig zu machen, den Armen. Mit einem leichten Grinsen schaue ich wieder zu Druella, deren Gesichtsausdruck schwer zu deuten ist und frage: „Mit wem möchtest du eigentlich zum Ball gehen?“ Schnaubend winkt sie ab, rollt mit den Augen und fuchtelt mit ihrer linken Hand herum, an der ihr Verlobungsring funkelt. „Ich werde wohl allein hingehen. Niemand wird eine verlobte Frau einladen wollen.“ Ihre Miene ist etwas betrübt und leider fällt mir nichts ein, um ihre Aussage zu entkräften. Sie hat schließlich Recht. Männer, die einen zum Ball einladen hoffen doch eigentlich, dass sich daraus etwas entwickeln könnte. Ob es nun nur für eine Nacht, für eine längere Zeit oder gar für immer ist. Trotzdem lächle ich sie aufmunternd an und sage mit fester Stimme: „Du wirst so hübsch aussehen, dass du keinen Begleiter brauchst. Wirst schon sehen.“ Sofort erhellt sich ihr Gesicht etwas und sie nickt mir dankbar zu, als sich jemand neben mir räuspert. Unwillig wende ich mich dem Neuankömmling zu und mustere ihn spöttisch. Es ist ein ziemlich kleiner, schmächtiger Fünftklässler, mit Hornbrille und mehr als fraglichem Hautbild. Bevor er auch nur den Mund aufmachen kann, blaffe ich schon: „Nein, ich gehe natürlich nicht mit dir auf den Ball!“ Erschrocken reißt er die Augen auf, die durch die Brille sowieso schon übermäßig groß aussehen, und läuft knallrot an. Was denkt der sich eigentlich? Als würde ich mit so einem Flubberwurm irgendwo hingehen. Angewidert bemerke ich einen Senffleck auf seinem Umhang und ziehe zischend Luft ein. Wie kann so jemand es wagen, mich anzusprechen? Mich?! „M-Miss Lestrange, i-ich soll Ihnen das hier von Professor Slughorn geben.“ stammelt er, während er mir bebend eine kleine Schriftrolle hinhält. Oh, na gut. Dann ist ihm also klar, dass er mich gar nicht erst wegen des Balles fragen muss. Wortlos und mit spitzen Fingern nehme ich ihm die Rolle ab und löse das goldene Band, das um sie gewickelt ist. „Und die hier ist für Miss Rosier.“ fügt der Knirps schon etwas sicherer hinzu und reicht Ella eine identische Pergamentrolle. Gerade als ich anfangen will mein Schriftstück zu lesen, bemerke ich, dass der Junge sich nicht bewegt hat. „Ist noch was?“ frage ich mürrisch und er schüttelt hektisch den Kopf, während er sich rückwärts gehend von uns entfernt, so als würde er uns sicherheitshalber nicht aus den Augen lassen wollen. Cleveres Bürschchen. „Ist nur wieder eine Einladung für ein Treffen vom Slug-Club, Luce.“ informiert mich Ella, die ihr Pergament scheinbar bereits gelesen hat und ich überfliege den mit golden schimmernder Tinte geschriebenen Text. Langsam nicke ich und rolle die Einladung wieder zusammen. „Dann dürfen wir uns also wieder ein paar Stunden langweilen. Sicher fragt er mich über Raban aus und will alles wissen, was ich von Riddle so mitbekomme.“ schnarre ich mit gerunzelter Stirn und habe nicht übel Lust, die Einladung ins Feuer zu schmeißen. Aber das wäre vielleicht etwas kindisch. Ella nickt zustimmend und steckt die Rolle in ihren Umhang. „Mit mir redet er nie. Ich weiß gar nicht, was ich da eigentlich soll.“ beschwert sie sich und lässt sich tiefer in den Sessel sinken. Den restlichen Abend verbringen wir damit, Vermutungen über mögliche Paarkonstellationen für den Ball anzustellen und uns über unsere Kostümvorstellungen auszutauschen. Währenddessen wandert mein Blick immer wieder hinüber zu Orion, der mit Damien, Abraxas und Nott am anderen Ende des mittlerweile deutlich leereren Raumes sitzt und nicht gerade glücklich aussieht. Plötzlich sieht Nott mir direkt in die Augen und sein Mund verzerrt sich zu einem unheilbringenden Grinsen. Verdammt, was hat der sich denn jetzt wieder ausgedacht? Kurz lodert Angst in mir auf, doch ich kämpfe sie nieder und konzentriere mich wieder auf Orion, dessen dunkles Haar ganz verwuschelt ist, weil er sich ständig hindurchfährt. Allein diese Geste zeigt mir, dass einiges in ihm vorzugehen scheint, denn normalerweise legt er großen Wert auf eine tadellose Frisur, bei der kein Haar in die falsche Richtung abstehen darf. Seine grauen Augen ruhen auf einem Punkt an der steinernen Wand und mit seinen Gedanken ist er wohl ganz woanders. „Luce?“ dringt plötzlich Ellas Stimme in mein Bewusstsein und mein Kopf ruckt zu ihr herum. „Hörst du mir überhaupt zu?“ Schmollend schiebt sie die Unterlippe vor, was sie mindestens zwei Jahre jünger aussehen lässt, und sieht mich vorwurfsvoll aus ihren kristallklaren Augen an. Peinlicherweise habe ich wirklich nichts von dem mitbekommen, was sie gesagt hat und täusche schnell ein Gähnen vor. „Tut mir leid, Ella. Ich bin total fertig und kann mich einfach nicht mehr konzentrieren. Willst du es mir auf dem Weg in den Schlafsaal nochmal erzählen?“ frage ich gutmütig und erhebe mich mit einer fließenden Bewegung, bevor ich auch sie aus ihrem Sessel ziehe. Besonders zufrieden sieht sie trotz meiner Entschuldigung nicht aus, aber sie lässt sich dazu herab, ihre Geschichte über ein Paar Schuhe aus einem Laden in der Nokturngasse zu wiederholen. Erst als wir beide im Bett liegen und Ava ein paar unwirsche Bemerkungen in unsere Richtung gemacht hat, hält Ella den Mund und ich schlafe sofort ein. Natürlich nicht, ohne dabei wieder Orions gewittergraue Augen zu sehen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)