Hab dich lieb, Joel von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Du bist so stark und du bist so still, dass niemand sieht, wie sehr du wirklich leidest. - Wenn ich dich beobachte, ist dein Gesicht ständig so hart und du siehst immer nur noch vorn, gerade aus. Und doch kann ich erkennen, wie sehr du dich am liebsten umdrehen würdest, zurück blicken möchtest. In deinen Augen kann ich so viel sehen, aber du verschließt dich derart, dass ich die Emotionen nicht von einander trennen kann. Obwohl ich hier direkt hinter dir sitze, mich an dir festhalte, fühlst du dich so distanziert an, als wärst du ganz weit weg. Obwohl du dich umentschieden hast, fühlt es sich an, als wäre das die falsche Entscheidung für dich gewesen. Bereust du, dass du diese Entscheidung gefällt hast? Wie oft habe ich mir vorgenommen, dir diese Frage zu stellen, aber ich möchte einfach, dass die Dinge bleiben, wie sie sind. Ich freue mich, dass du bei mir bist, weil ich mich sicher in deiner Nähe fühle. Das alles tust du für dich, für Tess, für die Menschen, die noch hoffen, auch, wenn es nicht mehr die meisten sind. Du bist nicht Riley, aber du bist im Moment der einzige Halt, den ich noch habe. Ich sehe auf zu dir, auch, wenn es nicht immer so bei dir ankommt. Ich würde am liebsten so sein, wie du. Du wirkst immer so gefasst und furchtlos, obwohl ich weiß, dass du vor diesen Dingern genauso viel Angst hast, wie alle anderen auch. Wir haben alle Angst vor dem Tod, aber noch viel mehr haben wir Angst davor, so zu werden, wie sie. Als Monster abgestempelt, nicht mehr in der Lage, zu fühlen, nach eigenem Willen zu handeln. Wir wären nur noch vom Instinkt getrieben, zu überleben. Und gerade das, haben wir mit ihnen gemeinsam, aber wie heißt es so schön: Nur die Stärksten werden überleben. Sind wir denn stärker als sie? Sind wir wirklich dazu geschaffen, sie zu überleben, sie zu vernichten? Was, wenn es so bestimmt ist? Was, wenn es so sein soll? Was, wenn die Welt, die du kanntest, dazu bestimmt war, unter zu gehen und von vorn zu beginnen? Denkst du nicht auch manchmal, dass es so kommen musste? Ich nehme den Blick von dir und lehne meinen Kopf gegen deinen Rücksack. Ich merke, wie du dich bewegst und vermutlich zu mir siehst. Du sagst nichts. Wie immer. Du redest sowieso viel zu wenig. Wobei, wenn ich ehrlich bin, ist mir das sogar lieber. Du gibst mir Zeit, zum Nachdenken und die nehme ich gerne an. Es gibt Dinge, die ich gerne noch lernen würde, aber ich weiß, dass mir dazu die Zeit fehlt. Ich möchte, dass du mir das Schwimmen beibringst, ich würde dich gerne singen hören, schon seit du mir erzählt hast, dass du gerne Sänger werden möchtest. Und ich würde noch viel weiter auf diesem Pferd reiten. Bist du gerade glücklich? Wieder sehe ich zu dir auf, beantworte mir die Frage selbst. Ich zumindest, bin glücklich. Du hast Recht, ich kenne das Ausmaß deines Verlusts nicht. Es gibt ein paar Menschen, die ich verloren habe, die mir fehlen, aber das ist nichts, im Vergleich zu dem, was du verloren hast. Deine Familie, bis auf deinen Bruder, dein Heim, all dein Hab und Gut. Dein ganzes Leben. Und das musstest du, um zu überleben, eintauschen, gegen ein modriges Zimmer in einer Quarantäne Zone. Aber war es das denn nicht wert? Ist das Leben nicht so viel und noch mehr wert, dass du eigentlich sagen solltest, dass es das wert war? Ich kenne diese Dinge nicht, vermisse sie also auch nicht, aber ich habe genügend Phantasie, um es mir vorstellen zu können. Und ich wünschte, ich könnte all diesen und noch mehr Dingen nachgehen. Am liebsten würde ich auch irgendwann auf mein Leben zurück blicken und sagen: Das war es wirklich wert. Aber ich werde die Gelegnheit dazu wohl nie haben. Anders als du. Du hast eine Menge geleistet und das macht dich zu einem starken Menschen. Was dich aber viel stärker macht, ist die Tatsache, dass du dich nicht beschwerst. Du jammerst nicht über vergangene Zeiten und du jammerst nicht über die ungewisse Zukunft. Du bist ein guter Anführer und die kümmerst dich. Ich fühl mich sicher bei dir, weil ich dir vertraue. Du versuchst, kalt zu sein, aber du bist voller Wärme. Du schimpfst mit mir, aber ich weiß, dass du das tust, weil du dir Sorgen um mich machst. Würdest du dich also jetzt umdrehen, würdest du mich lächeln sehen. Mir ist klar, dass das meine letzte Reise sein wird, aber ich bin bereit. Weil ich weiß, dass es nicht umsonst ist. Weil ich weiß, dass du überleben wirst und das ist das Mindeste, nachdem du all das aufgenommen hast, um mich wohlbehalten von A nach B und nach C zu bringen. Du hast immer auf mich aufgepasst und dich schützend über mich gebeugt. Auf deinem Schoß durfte ich schlafen, damit ich es bequem hatte und du hast mich in den Arm genommen, als ich mich gefürchtet hab. Du hast mir zu gehört und auch, wenn du klangst, als würde es dich nicht interessieren, hast du reagiert. Du hast mich über all die Zeit doch wie ein Kind behandelt, trotz der Tatsache, dass ich nicht bin, wie andere Kinder. Ich weiß, dass es mit Sarah zu tun hatte, aber trotzdem habe ich es genossen. Schließlich bin ich ein Kind. Auch, wenn ich stets versucht hab, cool zu bleiben. Ich bin ein Kind und ich fürchte mich wie eines. Und du bist nicht mein Vater, aber du hast dich bemüht wie einer und dafür danke ich dir. Wenn all das vorbei ist, bist du der Mensch, der immer in meinem Herzen sein wird. Ich hab dich lieb, Joel. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)