Schicksalswege von Saph_ira ================================================================================ Kapitel 34: Glückgehabt ----------------------- Wie sollte er denn Oscar und Bernard aufhalten? Wenn er sie aufsuchen würde, würden sie ganz sicherlich nicht auf ihn hören. Vor allem Oscar nicht! Diese wollte höchstwahrscheinlich nichts mehr von ihm wissen, denn sonst hätte sie ihn im Winter in der Kaserne besucht. So, wie sie es ab und zu getan hatte, als sie noch zusammen waren... Aber jetzt war es höchstwahrscheinlich aus und vorbei mit ihnen... Diese Gedanke zerschnitt ihm das Herz in kleinste Stücke und ließ es elendig verbluten... Nein, lieber an etwas anderes denken! Aber an was? An die vergangene, schöne Zeit mit ihr? Oder an die Zukunft, die er sich immer nach ihrem Treffen ausgemalt hatte? Aber halt! Vielleicht war doch noch nicht alles verloren und sie würden wieder zusammenkommen? André gab jedoch diese Hoffnung nicht auf. Ob Oscar ihn noch liebte, wusste er nicht - er hatte sie ja lange nicht mehr gesehen, aber er würde sie trotzdem vor Gefahren bewahren, denn er liebte sie noch immer! Die Frage war nur, wie könnte er das verwirklichen, ohne dass sie es bemerkte? Am einfachsten wäre, sich in Bernards Nähe aufzuhalten und den günstigsten Moment abzuwarten. Das hieß, er müsste ihm auf die Schliche kommen. Wenn Bernard als schwarze Ritter fungierte, dann würde er bestimmt irgendwann auf Oscar treffen und dann wäre es besser die zwei nicht aufeinander losgehen zu lassen und das nahm sich André fest vor! - - - Nacht – kühl und dank dem grell leuchtenden Vollmond und silbernen Sternen auch nicht so finster wie die andere Male zuvor. André legte seinem vierbeinigen Gefährten die Hand auf das lange Maul und mit der andern hielt er ihn kürzer an den Zügel, als dieser ein leises Schnauben vor sich gab. Zum Glück für ihn verschwand der schwarze Ritter bereits hinter den Mauern des Anwesens eines angesehenen Grafen, dessen Namen er nicht einmal kannte und konnte ihn nicht hören. Dessen eigenes Pferd stand fluchtbereit nicht weit entfernt und André fragte sich, wie lange er diesmal warten würde, bis dieser mit seiner Beute zurück war. Vor zwei Tagen begannen Gerüchte zu kursieren, dass es angeblich zwei schwarzen Ritter geben sollte: Der eine war dunkelhaarig und der andere blond. Das war für André noch ein Grund mehr, sein Vorhaben endlich in die Tat umzusetzen! Noch mehr als sonst ließ er Bernard nicht mehr aus den Augen und folgte ihm bei seinen nächtlichen Raubzügen stets mit Abstand, so dass dieser kein einziges Mal einen Verdacht schöpfen konnte. Das war nicht das erste Mal, dass er ihm auflauerte und ihn bei seinen Machenschaften ertappte. Und jedes Mal verlief es nach dem gleichen Muster: Der schwarze Ritter suchte das Anwesen oder ein wohlhabendes Haus der Aristokraten heim, kehrte unbeschadet mit der Beute zu seinem Pferd zurück und ritt geschwind nach Paris, um sie unter den Ärmsten der Armen zu verteilen. André unterdrückte ein Gähnen und ihm wurde in seinem dünnen Mantel etwas frisch. Wo blieb nur Bernard? Oder hatte man ihn diesmal geschnappt? Seine Augen wurden schwer, sein Körper lehnte am Pferd und dessen Wärme machte ihn schläfriger. Wie schön wäre es jetzt in seinem Bett zu liegen und von Oscar zu träumen... Oscar... Was sie jetzt wohl machte? „Meinen Namen zu missbrauchen, um deine elende Habgier zu befriedigen hat ein Ende!“, verlautete jemand grollend in nicht allzu weitere Ferne und André war sofort hellwach. Was war das? Aufgeschreckt sah er sich um und hörte schon ein metallisches Geräusch – als würde eine Klinge aus der Schaft gezogen werden! In seiner Nähe war niemand zu sehen, wie auch an den hohen Mauern des Anwesens, welches er aus seinem sicheren Versteck zwischen den Bäumen und Dickicht beobachtet hatte. Und das Pferd des schwarzen Ritters fehlte auch! War er etwa eingenickt? „Ich habe nichts gegen einen fairen Kampf, aber dann seid Ihr verhaftet und werdet dem Richter übergeben!“, konterte eine energische und hohe Stimme. Oscar? André stieg rasch in den Sattel und folgte den beiden Stimmen und Geräuschen – immer tiefer in das kleine Wäldchen hinein. Bernard war anscheinend auf seinen Doppelgänger getroffen! Oder hatte dieser ihn abgepasst? Egal! Hauptsache war, dass es zwischen den beiden nicht zum Kampf kommen durfte! André ritt auf eine Lichtung hinaus und zügelte abrupt sein Pferd. Zwei schwarzen Ritter standen sich gegenüber und hatten bereits ihre Klingen gezogen! André war baff! Obwohl er es geahnt und seinem Freund Jean geglaubt hatte, hatte er sich trotzdem eingeredet, dass es vielleicht doch ein Irrtum sein könnte! Nun, wurde er eines Besseren belehrt: Einer der beiden Kontrahenten war Oscar! Er erkannte sie schon alleine an ihrer zierlichen Gestalt, ihren blonden Haaransätzen und sein Herz schlug dabei immer aufgebrachter! Schnell stieg er aus dem Sattel und bevor es noch zum Kampf kam, eilte er zu ihnen. „Nein, halt!“, rief er dabei und beschleunigte sein Schritt. Beide schwarze Ritter fuhren erschrocken mit ihren Köpfen herum und starrten ungläubig in seine Richtung. „André?“, brachten alle beide fassungslos von sich. Sie hatten definitiv nicht mit ihm gerechnet! Dieser erreichte sie und stellte sich zwischen ihnen. „Bitte hört auf, alle beide!“ „Geh mir aus dem Weg!“, fauchte Oscar aufbrausend und richtete drohend ihren Degen gegen ihn. Sie fand ihre Fassung schneller zurück als Bernard. „Ich muss das tun!“ „Nein, das musst du nicht!“, konterte André und schritt langsam auf sie zu. Er hatte vor ihr keine Angst. Er appellierte auf ihr gutes, weiches Herz, das in ihr noch definitiv schlagen müsste! Egal ob sie nun miteinander zerstritten waren oder nicht, aber so etwas Kostbares konnte nicht einfach so verschwinden. Nicht bei Oscar! André glaubte fest daran und schaute ihr eindringlich in die Augen, aus denen er sogar in der spärlichen Dunkelheit ihren Zorn funkeln sah. „Begreifst du es denn nicht?! Die Verhältnisse in unserem Land schreien zum Himmel! Der König und die Königin gewähren dem Adel alles und kümmern sich nicht um das Volk! Die Menschen sind verzweifelt, sie leiden und der schwarze Ritter ist ihre letzte Hoffnung!“ „Aber was er macht ist ein Verbrechen und das muss bestraft werden! Ich kann das nicht durchgehen lassen!“ Oscars Stimme wurde heiser. Seine Einmischung passte ihr nicht. Und woher bitteschön wusste er von ihrem Vorhaben?! Hatte er sie etwa ständig verfolgt? Aber wie hatte er das denn schaffen können, wenn er den ganzen Winter in der Kaserne war?! Oder steckte er mit dem schwarzen Ritter womöglich doch noch unter einer Decke? Was auch immer das alles zu bedeuten hatte, aber sie würde nicht nachgeben! „Ich will dir nicht widersprechen, Oscar. Und du hast Recht, aber bedenke doch, welche Auswirkungen es haben könnte, wenn du ihn verhaftest und dem Richter übergibst! Es könnte zu einem Aufstand kommen, weil das Volk auf seiner Seite ist. Willst du das?“ Aber auch André blieb standhaft und redete auf sie ein, ohne natürlich ihre Entscheidung in Frage zu stellen. Er wollte sie doch nur vor ihren eigenen Fehltritten bewahren, die sie dann ganz bestimmt bereuen würde. „Nein, das will ich nicht...“ Oscar verspürte plötzlich allzu bekanntes Sehnen in ihrem Körper: Ein Sehnen nach ihm - ihrem André und seiner Liebe. Nein! Sie durfte nicht klein beigeben und ihm verfallen! Sie verdrängte krampfhaft ihre Empfindungen und sah an ihm vorbei, zu dem schwarzen Ritter. „...er ist doch an allem schuld! Wenn er nicht wäre, dann wären wir...“ Sie biss sich heftig auf der Zunge. Das was sie sagen wollte, ging nur sie und André etwas an! Dieser merkte sofort, dass sie in Zwiespalt geriet und mit ihren Gefühlen rang. Er erfand augenblicklich eine Alternative, mit der so gesehen alle Mitbeteiligten leben können würden. „Wenn er mit dem schwarzen Ritter sein aufhört, wirst du ihn dann gehen lassen?“ Oscar warf schlagartig ihren eisigen Blick auf ihn zu. Wie konnte er?! „Ich verhandle nicht!“ André seufzte schwer. Er hatte diese Antwort von ihr vorausgesehen. Daher drehte er sich zu Bernard um. „Und was ist mit dir? Wirst du auf einen Handeln eingehen?“ Bernard war die ganze Zeit wie festgefroren. Ungläubig beobachtete er das Szenarium, das sich vor seinen Augen abspielte. Seine Gedanken überschlugen sich. Nicht nur, weil André hier unverhofft auftauchte, sondern auch, dass sein Doppelgänger der berüchtigte Kommandant Oscar Francois de Jarjayes war! Eigentlich wäre er schon längst auf und davon, aber irgendwie konnte er sich nicht von der Stelle rühren. „Es hängt davon ab, was für Handel das ist! Ohne Gegenleistung tue ich nichts!“ André kam ein glänzender Einfall. Da würde Bernard einfach anbeißen müssen! Natürlich, wenn seine Absichten ernstgemeint waren. „Und wenn ich dir verrate, wo Rosalie wohnt, wirst du mit dem schwarzen Ritter aufhören und Oscar die Rechnung für gestohlene Gewehre ihres Vaters aufbringen?“ Woher wusste er denn auch darüber?!, stand es wie bei Oscar, so auch bei Bernard im Gesicht geschrieben. „Nun...“ Bernard überlegte angestrengt und krauste seine Stirn. „Das ist ein sehr verlockendes Angebot...“ „Wie bitte?“ Oscar stürzte wie eine Furie auf André los. Es war ihr egal, dass ihre Tarnung vor dem echten schwarzen Ritter aufflog und sie sich immer mehr verriet. „Was hat denn Rosalie mit diesem gemeinen Dieb zu tun?!“ Der Degen fiel ihr aus der Hand und kaum dass André sich versah, donnerten schon ihre Fäuste gegen seinen Brustkorb. „Wieso tust du das?!“ André taumelte zurück und schnappte nach Luft. Diesen Schlag hatte er von ihr nicht erwartet. Oscar stürzte wieder auf ihn los, aber diesmal war er vorbereitet. Er packte sie an Handgelenken und vereitelte ihr den Vorhaben – das erinnerte ihn kurzzeitig an jene Vorfall in jenem Winter, aber das blendete er gleich aus – hier war eine vollkommen andere Situation! „Beruhige dich!“, schnaufte er, als wäre er gerannt. „Rosalie kennt ihn so gut wie ich, aber ihre Wege hatten sich leider vor Jahren getrennt und seit dem sucht er nach ihr, weil er sie liebt!“ Auch Oscar erinnerte sich für kurzen Moment an diese verhängnisvolle Szene aus der Vergangenheit und hielt inne. Ihre Gefühle überschlugen sich - wieder einmal! Sie starrte André mit weit aufgerissenen Augen an und brachte kein Wort mehr heraus. Dieser ließ ihre Handgelenke los und brachte etwas Abstand zwischen sie – er wollte diesen schrecklichen Fehler nicht noch einmal begehen, wie damals. Oscar schienen die gleichen Gedanken durch den Kopf zu gehen. Und da war noch das beispiellose Handeln wegen Rosalie zwischen André und diesem schwarzen Ritter. Wer war er überhaupt?! Bernard dachte dabei an Rosalie und merkte, wie dieser Kommandant Oscar in Zwiespalt geriet und  mit sich selbst haderte. Sie hatte ganz bestimmt tiefere Gefühle für André, als sie es zugab. Er räusperte sich - wenigstens André schaute fragend zu ihm. „Ich werde über dein Angebot nachdenken und eine Nacht drüber schlafen. Du weißt, wo du mich findest, mein Freund.“ André nickte einvernehmlich. „Ich werde dich morgen aufsuchen.“ „Gut.“ Bernard wandte sich ab – er war hier jetzt fehl am Platz. „Dann sehen wir uns morgen.“ „Halt!“ Oscar war sofort wie wachgerüttelt, kaum dass Bernard in den Sattel stieg. Sie stürmte los, aber wurde von André festgehalten. „Lass ihn gehen. Wir sehen ihn doch morgen“, waren seine Worte. Bernard nutzte das aus und nach einem kurzen Dankeswort an André, gab er seinem Pferd die Sporen. „Ihr seid selbstverständlich auch eingeladen, Lady Oscar!“, meinte er etwas lauter beim vorbeireiten und dann verschlang ihn die Dunkelheit der Nacht. Nur das Klappern der Hufen seines Pferdes hörte man mit immer leiser werdenden Nachhall. „Bleibt stehen!“, rief ihm Oscar außer sich nach und sträubte sich noch mehr in Andrés Armen. Dieser ließ sie erneut los und Oscar verpasste ihm eine schallende Ohrfeige, die noch gewaltiger war als bei ihrer allerersten Begegnung vor einer halben Ewigkeit. „Wie kannst du mir das antun?!“ Ihre Stimme stockte. „...uns antun?!“ Sie schnappte nach Luft und drückte sich eine geballte Faust gegen den Brustkorb. „...ich habe dir vertraut! ...ich habe dir mein Herz, meine Liebe geschenkt!“ „Oscar...“ André hielt an der schmerzender Wange und bewegte sich nicht, als hätte er Wurzeln geschlagen. Seine Geliebte schien die Besinnung verloren zu haben und da war es gefährlich, sich in ihrer Nähe aufzuhalten. Sie war aufgelöst und wütend, es war alles zu viel für sie. „Warum tust du das?!“, wiederholte sie heiser: „Warum arbeitest du mit dem schwarzen Ritter zusammen? Ich kann dich zu nichts zwingen, das weißt du! Und deine Entscheidung kann ich dir auch nicht nehmen... aber warum kannst du mich nicht verstehen?! Ich... ich möchte nur das richtige tun... für uns... für die gerechte Sache...“ Das musste bestimmt ein einsamer, bitterer und verzweifelnder Winter für Oscar gewesen zu sein, ohne ihn, begriff André augenblicklich. Sie liebte ihn, das spürte er und sie tat ihm vom Herzen leid - weil er für ihren Zustand auf eine gewisse Art und Weise verantwortlich war. „Du hast bisher noch nichts falsches gemacht, Oscar...“, erklärte er ihr entschuldigend: „Und ich verstehe dich sehr gut... Aber Bernard ist mir auch ein Freund...“ Er hatte mit Absicht den Namen verraten, damit Oscar seine Lage besser verstehen konnte. „Bernard?“ Oscar wusste nicht, was sie von dieser Offenbarung halten sollte. „Ja.“ André wagte doch noch seine Füße in Bewegung zu setzen und sich Oscar mit kleinen Schritten zu nähern. „Er heißt Bernard Châtelet mit vollen Namen und ist oft mit Robespierre zusammen.“ Oscar leuchtete sogleich einiges ein. „Ich glaube, ich weiß wem du meinst... Ich habe von ihm und Robespierre schon genug gehört... Aber das rechtfertigt dein Handeln trotzdem nicht! Du hättest es mir früher verraten sollen, dann hätte ich vielleicht anders reagiert und wir hätten uns deswegen nicht streiten müssen...“  „Du hast Recht...“, André merkte, dass ihre Wut allmählich nachließ und gab noch mehr zu, um sie ganz milde zustimmen. „Verzeih mir, ich hätte dir von Anfang an alles sagen sollen...“ „Ja, das hättest du!“ Oscar hielt wieder inne. Aber diesmal, weil André direkt vor ihr stand und sie glaubte schon die Wärme seines Körpers zu spüren. Sie hatte ihn vermisst, dass konnte sie nicht leugnen, aber gleich in seinen Armen zu versinken, konnte sie auch nicht. „Ich schwöre dir, ich werde vor dir nichts mehr verheimlichen. Du bist doch mein Leben, mein Sein, meine Liebe...“ „André...“ Oscar schluckte einen Kloß in ihrem Hals herunter. Zaghaft berührte sie mit ihren Spinnenfingern seine angeschwollene Wange. „Auch du verzeih mir... Ich meine es ehrlich...“ „Das glaube ich dir gerne.“ André umfasste sachte ihre Hand und hauchte einen Kuss auf die Innenfläche. „Wollen wir uns nicht lieber bei mir in der Wohnung aussprechen? Ich schwöre dir, ich werde mich sittlich verhalten.“ „Wenn das so ist...“ Oscar verkniff sich gerade krampfhaft ein Grinsen. „Aber wehe, du hältst dich nicht daran!“ „Soll ich vor dir in die Knie gehen?“, schlug André vor und versuchte einen sehr ernsten Gesichtsausdruck zu ziehen, obwohl ihm wie Oscar eher nach Lachen zu Mute war. „Übertreib es nicht!“, schollt ihn diese, nahm ihren Degen vom grasbewachsenen Erdboden auf und marschierte erhobenen Hauptes zu ihrem Pferd. „Wie du wünschst...“ André tat unbeeindruckt und folgte ihr unverzüglich nach. Insgeheim jedoch triumphierte er - er hatte so gut wie gewonnen: Oscar war ihm nicht mehr böse und obwohl sie nichts davon sagte, spürte er es ganz deutlich in sich und das machte ihn glücklich. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)