Schicksalswege von Saph_ira ================================================================================ Kapitel 32: Es gibt immer ein erstes Mal ---------------------------------------- André hätte nie gedacht, dass es jemals zu so etwas kommen würde! Er kannte ihr hitziges Temperament zu genüge und sie konnte schnell launisch werden, aber er wusste stets damit umzugehen. Diesmal wusste er nicht, was er getan hatte und war zu tiefst gekränkt, dass sie ihm etwas unterstellte, was gar nicht stimmte! Als er sie von Rosalie zu den Pferden geleitete, bat sie ihn mitten auf dem Weg anzuhalten. „Ich muss mit dir reden. Aber nicht hier“, sagte sie trocken und ging weiter. „Ich mit dir auch.“ André ahnte noch nichts davon, was auf ihn zukommen würde und folgte ihr. Draußen vor der Tür blieben sie erneut stehen. Erstaunt starrte Oscar ihren Schimmel an. Wie kam er hierher?! Sie hatte ihn doch in der Nacht verloren! „Wie hast du ihn gefunden?“, fragte sie ihren Geliebten, ohne ihn anzusehen. Sie ging auf ihr Pferd zu, band ihn vom Pfosten los und nahm es kürzer bei den Zügeln. Dieser rieb sein maßigen Kopf an ihr und schnaubte leise, als wolle er sie auf diese Art begrüßen. Oscar strich ihm daraufhin über die Nüstern. „Ist ja gut, ich freue mich auch dich zu sehen...“ Dann richtete sie ihren strengen Blick auf André, der bereits seinen Braunen auch abband und sie betrachtete. „Und was nun? Du hast meine Frage noch immer nicht beantwortet.“ Die leichte Schroffheit in ihrer Stimme versetzte André einen kleinen Stich im Brustkorb und verursachte ihm ein mulmiges Gefühl. Was war denn schon wieder los mit ihr?! Normalerweise sollte er in diesem Ton von ihr eine Antwort auf seine Frage verlangen! Aber nein, er war doch der Vernünftigere von beiden und so antwortete er ganz normal: „Als Rosalie mich heute früh holte, habe ich deinen Schimmel im Hinterhof meines Hauses entdeckt, grasend. Anscheinend ist er zu seinem Gefährden gegangen, nach dem du ihn bei der Jagd aus welchen Gründen auch immer zurückgelassen hast.“ „Ich habe ihn nicht zurückgelassen“, erwiderte Oscar spitz und schob ein Fuß in den Steigbügel. „Der schwarze Ritter hat in seine Richtung geschossen und ihn aufgeschreckt. Er hat mich abgeworfen und ist weggelaufen.“ Galant stieg sie in den Sattel und hielt die Zügel fester. „Es blieb mir nichts anderes übrig, als sein Pferd abzuschießen und ihn zu Fuß zu verfolgen.“ André machte ihr gleich und stieg in den Sattel seines Braunen. „Das war leichtsinnig“, meinte er dabei vorwurfsvoll. „Wie konntest du nur ohne mich auf die Jagd gehen?!“ „Was sagst du?“ Oscar war empört! Ihr Pferd spürte die Aufregung und begann unter ihr zu tänzeln. Oscar klopfte ihm beiläufig an dem kräftigen Hals, um ihn zu beruhigen und ließ dabei André nicht aus den Augen. Wie konnte er ihr Vorwürfe machen, wo er womöglich der Verantwortliche war?! Ihr Blut kochte, die Weißglut stieg in ihr hoch, die sie nicht mehr zügeln konnte. „Und was ist mir dir?!“, warf sie ihm erbost vor: „Was treibst du Nachts, wenn du dein Dienstfrei hast?!“ Das stieß André vor den Kopf. „Wovon sprichst du?!“ „Das weißt du nicht?“ Oscar merkte nicht, wie sie mehr und mehr in Rage geriet. Die Kopfschmerzen und die Platzwunde unter dem Verband, trieben sie zusätzlich noch mehr dazu. Oscar konnte es nicht mehr aushalten. „Ich will wissen, ob du der schwarze Ritter bist! Sag mir bitte die Wahrheit! Ich kann alles ertragen, aber keine Lügen und das weißt du! Das ist unseren Freundschaft und Liebe nicht würdig!“ Vorerst konnte André nichts sagen und starrte sie nur perplex an. Er musste ihre Worte verdauen. „Glaubst du wirklich, ich würde das sein?“, brachte er empört von sich heraus. Nun platzte auch ihm der Kragen. „Denkst du, ich würde es zulassen, dass man dich schlägt und dann um dich umsorgt sein? Für wie niederträchtig hältst du mich denn?!“ Oscar wollte ihm glauben, vom ganzen Herzen, aber der drückende Zweifel stand im Vordergrund. „Ich weiß nicht, was ich glauben soll! Er sah dir ähnlich!“ An dieser Stelle ging bei André ein Licht auf: Bernard! Er hatte es ja geahnt und nun bekam er die Bestätigung. „Ich kenne nur einen Mann, der mir ähnelt und der ist Journalist.“ „Wer ist das?!“ verlangte Oscar auf der Stelle zu wissen und machte schon den Eindruck, als wollte sie diesen Mann sofort aufsuchen und verhaften. Und vielleicht stimmte das ja auch. André merkte es schon an ihrem aufgebrachten Verhalten und vereitelte ihr den Vorhaben. Er bewog seinen Braunen näher an sie heran und griff an den Zügeln ihres Schimmels. „Bitte, Oscar, lass das sein...“ „Lass mein Pferd sofort los, André!“ Oscar zog an den Zügeln, aber ihr Geliebter ließ nicht los. Das machte sie noch reizbarer! „André!“, ermahnte sie ihn. „Nein, Oscar! Solange du dich nicht beruhigt hast, werde ich nicht loslassen!“ „Ich werde mich erst dann beruhigen, wenn du mir sagst, wer dieser Mann ist!“ „Tut mir leid, aber ich kann dir nicht verraten, wer er ist...“ André lockerte seinen Griff von den Zügeln ihres Schimmels und sah förmlich wie sich Oscars Gesicht mehr und mehr verfinsterte. „Du verteidigst das Verbrechen?“, schnaufte sie zornig und hätte ihn am liebsten geohrfeigt. Wie sie sich noch beherrschen konnte, wusste sie selbst nicht. „Das weniger.“ André ließ ihren Ausbruch auch nicht mehr auf sich sitzen und erhöhte seine Stimme: „Er ist aber auf der Seite des Volkes. Wir können nichts gegen die Armut unternehmen, aber er dagegen schon! Er hilft den Ärmsten der Armen im ihrer Not und deswegen soll er nicht verhaftet werden!“ „André...“ Oscar war wie versteinert. Sie versuchte zu begreifen, aber konnte nicht. Zu aufgewühlt war ihr Gemüt in diesem Moment, dass es beinahe schmerzte. Sie wendete abrupt ihr Pferd, stieß ihm heftig in die Seiten und preschte davon. Fort von ihm! Wie konnte er?! Das schmerzte zutiefst und überdeckte sogar die Kopfschmerzen ihrer Platzwunde. Wie konnte es nur zu diesem Streit kommen?! Nur wegen diesem schwarzen Ritter? Das war absurd! Aber dennoch war es geschehen. War jetzt etwa alles zwischen ihnen für immer und ewig vorbei? Warum nur? Oscar entstand ein erdrückender Kloß im Hals wie schon seit langem nicht mehr. Natürlich, André war selbst aus dem Volk und deswegen war er auf der Seite des schwarzen Ritters! Aber war ihm der Dieb und dessen Verbrechen mehr Wert als die Liebe zu ihr? Nein, das wollte und konnte Oscar nicht begreifen! Aber eins stand für sie fest: Sie würde den schwarzen Ritter schnappen, koste es was es wolle! Er würde nicht nur für sein Verbrechen bezahlen, sondern auch für ihre zerbrochene Liebe! - - - Auf dem Anwesen suchte Oscar sofort ihr einstiges Kindermädchen in der Küche auf. „Sophie!“ Diese eilte sogleich erschrocken und umsorgt zu ihrem Schützling, als sie den Verband entdeckte. „Was ist mit Euch geschehen, Lady Oscar!“ Oscar überhörte sie und zog eine schiefe Grimasse. André hatte die gleiche fürsorgliche Art wie seine Großmutter und gerade an ihn wollte sie nicht denken. Kaum dass Sophie sie erreichte, trug sie ihr schon eine Aufgabe auf: „Besorge mir ein schwarzes Kostüm und eine Maske!“ „Aber was habt ihr vor?!“ Sophie blieb vor ihr mit weit aufgerissenen Augen stehen und schlug sich die Hand vor den Mund. Ihr Schützling sollte sich lieber verarzten lassen! „Nun...“ Oscar grinste hämisch: „Wenn man einen Verbrecher fangen will, muss man selbst einen spielen können...“ Dann wandte sie sich ab und marschierte auf ihr Zimmer. - - - André stand da und sah dem wehenden Schweif des Schimmels und Oscars blonden Mähne ungläubig nach. Sie hatten sich gestritten und Oscar war wie ein Wüterich davon geritten! Weg von ihm! Sie war gekränkt, weil er nicht auf ihre Seite stand! Aber warum konnte sie nicht verstehen, was er eigentlich meinte? Ihr Herz schlug doch mehr für das Volk, als für ihresgleichen! Das war ihm unbegreiflich. Vielleicht würde sie das einsehen, wenn ihr hitziges Gemüt sich wieder legen würde? Ja, vielleicht... Wer das glaubt, wird selig... André wusste nicht, was er machen sollte. Er befürchtete, dass Oscar etwas Unüberlegtes tun würde - aber da sie sich gestritten hatten, würde sie höchstwahrscheinlich nicht mehr so schnell zu ihm zurückkommen. Dafür war sie zu Dickköpfig und zu stolz. Er musste sich etwas einfallen lassen solange er noch dienstfreie Tage hatte! Aber was genau sollte er tun, ohne dabei weder Bernard noch Oscar zu schaden? Seinen Freund Alain wollte er nicht miteinbeziehen, das stand schon mal fest. Es blieb nur eine Möglichkeit übrig: die beiden im Auge zu behalten. Und das auch noch gleichzeitig! Wie er das allerdings anstellen sollte, vor allem wenn er in wenigen Tagen wieder in der Kaserne sein würde, wusste er auch noch nicht. Da würde er sich noch etwas einfallen lassen müssen. Aber zuerst wollte er Bernard aufsuchen und von ihm eine Erklärung verlangen! So gesehen, trug er auch einen kleines Anteil zu dem Streit zwischen ihm und Oscar bei. Bernard war von seinem Besuch überrascht, aber ließ ihn erfreut in seine Wohnung herein. Er merkte nichts vom aufgewühlten Gemüt seines Freundes. „Nimm schon mal Platz. Ich mache für uns einen Tee.“ „Das ist nicht nötig“, brummte André missmutig. Er blieb gleich an der geschlossenen Tür stehen und gab Bernard somit zu verstehen, dass er gleich wieder zu Gehen beabsichtigte. „Ist etwas passiert?“ Erst jetzt bemerkte Bernard, dass etwas mit André nicht stimmte und kehrte zu ihm zurück. André musterte seine entspannte Gesichtszüge und dachte immer wieder daran, was ihm Oscar seinetwegen vorgeworfen hatte. „Du bist also der schwarzer Ritter!“, kam er seinem Freund sogleich auf die Schliche. „Ich habe es geahnt!“ „Und?“ Bernard zuckte unbeeindruckt die Schulter. „Ich habe dir doch schon mal gesagt, dass dem Volk geholfen werden muss!“ „Aber doch nicht mit stehlen!“ André war empört. Der Streit mit Oscar war der Ansporn für seinen Missmut. „Weißt du eigentlich, dass das königliche Garderegiment auf der Suche nach dir ist?“ „Aber klar doch...“ André ließ ihn nicht weitersprechen. „Und warum musstest du Oscar gestern schlagen?!“ „Ach daher weht also der Wind...“ Bernard ging ein Licht auf, aber das brachte ihn keineswegs aus der Fassung. „Das war ich nicht. Das war einer meiner Männer. Ich habe deinen Kommandanten gerettet, denn sonst hätte einer von ihnen sie getötet. Ich habe ihr die Möglichkeit zu Flucht gegeben und das hat sie ausgenutzt.“ „Dafür soll ich dir auch noch dankbar sein? Sie ist bewusstlos in einer Wohnung zusammengefallen und trug eine Platzwunde am Kopf!“ André wurde immer grimmiger und seine Stimme rau: „Zum Glück hat Rosalie sie zufällig gefunden, sie versorgt und mich dann geholt!“ „Rosalie?“ Bernard war sofort hellhörig. „Du weißt wo sie wohnt?“ André verstummte prompt. Ihm fiel sogleich ein, dass er sich verraten hatte. „Ja, seit heute Nacht weiß ich es“, gab er zu und gleichzeitig schwebte ihm eine hinterlistige Gedanke. „Aber ich werde dir nichts davon verraten!“ „Warum denn das nicht?!“ „Weil du nicht mit dem schwarzen Ritter aufhören willst, weil meine Oscar dir nachjagt und weil...“ Und weil sie sich deswegen gestritten hatten. André biss sich auf der Zunge. Ihm wurde klar, dass Oscar womöglich nicht mehr die seine war. Nach diesem Streit würde sie höchstwahrscheinlich einen Bogen um ihn machen und ihn nicht mehr sehen wollen. Bedeutete das etwa das Ende ihrer Liebe? Oder war das eher eine vorübergehende Laune ihrerseits, bis der Ärger sich gelegt hatte? „Verstehe...“, Bernard seufzte schwer, aber auch er ließ sich nicht von seinem Vorhaben abbringen. „Dann werde ich es selbst herausfinden müssen.“ „Dann viel Glück dabei“, murrte André und verließ seine Wohnung auf der Stelle. Das gab es doch nicht! Wozu war er bei Bernard, wenn das sowieso nichts gebracht hatte?! André war frustrierend und hätte am liebsten laut geschrien! Aber hätte das etwas geändert? Nein. Das Problem wäre dadurch nicht gelöst. Und Oscar würde ihm weiterhin fern bleiben! Verdammt! Er musste unbedingt eine Lösung finden, sonst würde er sich noch lange mit diesem Zwist herumschlagen können! Und dann traf ihn ein Geistesblitz. Natürlich! Warum kam er nicht gleich darauf! Es gab doch noch einen Freund, der nicht in allzu langer Zeit versprochen hatte, durch seine Anhänger in Versailles auf Oscar unauffällig acht zu geben... André, beseelt mit einer neuen Hoffnung, gab seinem Braunen die Sporen und ritt geschwind bis ans andere Ende der Stadt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)