Schicksalswege von Saph_ira ================================================================================ Kapitel 29: Majestätsbeleidigung -------------------------------- Seit einem Monat befand sich André wieder in der Kaserne, aber die Aussicht auf freie Tage waren vergebens. Oscar kam nicht zu Besuch. Es gab da ein Gerücht über Majestätsbeleidigung und André konnte sich schon denken, dass sie daher alle Hände voll zu tun hatte. Es ging um eine sehr kostspielige Kette, die die Königin gekauft hatte, aber nicht zahlen wollte. Das erwies sich als Schwindel und es wurden die Übeltäter verhaftet. Darunter eine gewisse Jeanne de Valois. Der Name sagte niemanden etwas, aber ihre Standhaftigkeit vor Gericht und die Behauptungen gegen die Königin, imponierte den Bürger größtenteils. Und auch manchen Adligen. Der Prozess zog sich in die Länge und in der Stadt kursierte immer mehr Gerede über diese, zu unrecht verurteilte Frau. In den Augen der einfachen Menschen, war die Königin die Schuldige und nicht Jeanne. André seufzte auf seinem Posten. Wann würde es endlich freie Tage geben?! Der Herbst brach schon langsam an und er hatte Oscar kein einziges Mal mehr gesehen. Immer wieder dachte er an die Worte von Alains Mutter und machte sich  Sorgen um sie. Ob ihr Bauch schon zu wachsen begann? Oder hatten sie beim ersten Mal Glück gehabt und Oscar war nicht schwanger geworden? Das alles hätte er gerne gewusst, aber leider war er in der Kaserne verpflichtet und sie in Versailles. „Wie lange müssen wir noch hier die Wache schieben?“, fragte er seinen Freund, um von den Gedanken abzukommen. „Bis zum Morgengrauen“, brummte dieser verstimmt. André konnte seine miese Laune verstehen, denn es war kurz nach Mitternacht und zum allen Überdruss, regnete es noch in Strömen. Obwohl sie wasserfeste Umhänge an hatten und der Regen ihnen in der kleinen Bude vor dem Eingangstor so gut wie nichts anhaben konnte, trotzdem war die Nachtwache nicht gerade erheiternd. Sie Patrouillierten am geschlossenen Tor und vernahmen urplötzlich gedämpfte Hufschläge eines Pferdes. Jemand musste entweder nicht bei Sinnen sein, oder war genauso bei diesem miserablen Wetter arm dran wie sie. Die Hufschläge wurden Lauter und es hörte sich danach an, als würde das Pferd auf die Kaserne zu reiten. „Bestimmt irgendein Bote für unseren Oberst aus Versailles“, vermutete André und spitzte seine Ohren noch mehr auf. Er spähte mit Alain aufmerksam durch die verregnete Finsternis der Nacht. Gut, dass am Torpfosten zwei Laternen befestigt waren. Zwar half das nicht für die Ferne, aber für die nähere Sicht immerhin. Das Pferd kam immer näher und schon bald zeichnete sich dessen grauer Umriss ab. Es müsste bestimmt ein weißes Schimmel sein. Auch ebenfalls eine in einen Regenumhang gehülte Gestalt wurde deutlicher. Das Pferd wurde langsamer und blieb direkt vor dem Tor stehen. „Lasst mich passieren! Ich bin Kommandant der Königlichen Garde!“, verlautete die Gestalt mit hohen Stimme und versuchte das tänzelte Tier unter sich zu beruhigen. „Oscar?“ André war baff. Aber eigentlich sollte er nicht überrascht sein. Das war nicht das erste Mal, dass sie mitten im Regen irgendwo hin ritt. „André?“ Auch sie erkannte ihn an der Stimme und stieg behände aus dem Sattel. „Das ist aber ein Zufall. Ich wollte dich gerade besuchen.“ „Mitten im Regen?“ André öffnete einen Torflügel und kam zu ihr hinaus. „Ist etwas passiert?“ „Nein, es ist nichts passiert. Rosalie hat mich gebeten, ein Ring von ihrer Verstorbenen Mutter in Gefängnis zu ihrer Schwester zu bringen.“ Oscars Augen glänzten etwas, zumindest glaubte André das gesehen zu haben, ihre Haarpracht war unter einer Kapuze versteckt und nur ihre langen Strähnen lugten vorne heraus. „Das habe ich auch getan und auf dem Rückweg dachte ich mir, ich schaue hier vorbei.“ „Ein Ring für Rosalies Schwester im Gefängnis?“ Das war Alains Frage hinter Andrés Rücken, auf der anderen Seite des Tores. Oscar bemerkte erst jetzt seine Anwesenheit hinter André und biss sich zu spät auf der Zunge. Solche diskreten Sachen vertraute sie nur André an. Aber es war nun raus und nebenbei erinnerte sie sich, dass Alain ebenfalls Rosalies Freund war, wie André. „Ja“, erwiderte Oscar ganz kühl. „Jeanne Valois ist Rosalies ältere Schwester. Das hat sie mir heute erst offenbart, als sie von der Majestätsbeleidigung gehört hatte.“ Das verblüffte André und Alain gleichermaßen. „Jeanne Valois ist Rosalies Schwester? Im Ernst?“, fragte der letztere mit geweiteten Augen. „Ja, im Ernst“, bestätigte Oscar und warf einen messerscharfen Blick auf Alain, der sich schon zu André stellte. „Aber das bleibt unter uns! Ich will nicht, dass Rosalie deswegen in Schwierigkeiten gerät!“ „Von mir wird niemand etwas erfahren!“ Alain tippte an seiner Mütze und grinste verschwörerisch. Als würde er jemals seinesgleichen verraten! „Von mir auch nicht“, versprach André gleich nach ihm. Oscar sah wieder zu ihm. „Das weiß ich.“ Ihr Ton wurde weicher. „Ich vertraue dir doch voll und ganz.“ „Ach, Oscar...“ André lächelte sie an und dann sah er sich über die Schulter zu Alain. „Könntest du kurz auf ihr Pferd aufpassen? Ich muss mit ihr etwas besprechen.“ „Aber macht nicht so lange.“ Alain zwinkerte ihm zu und kam auch aus dem Tor, um Oscars Pferd an den Zügel zu nehmen. Er ahnte bereits, was André mit ihr so besprechen wollte. Oscar wusste zwar nicht, was André ihr sagen wollte, aber sie war auch einverstanden. Sie gingen etwas an der Mauer entlang, nicht so weit weg vom Tor, aber auch aus der Sicht und Hörweite von Alain. Ein paar Meter davon entfernt, blieben sie stehen und sahen sich nur an. Der Regen ließ langsam nach und ihre Gesichter bewegten sich zu einander. Langsam und Hauchzart berührten sich ihre Lippen. Oscar schälte ihre Hände aus dem Umhang und legte sie André um den Nacken. Die Zungen kamen in Einsatz und der Kuss wurde leidenschaftlicher. André schob seine Hände ihr unter den Umhang und umfasste ihre Hüfte. Sie Trug ihre Uniform, das fühlte er schon an dem dichten Stoff. Seine Finger schlüpften darunter und betasteten ihren Bauch. Es war flach! Etwas Erleichterung breitete sich in André aus, aber besorgt war er noch trotzdem. Oscar spürte seine Hände an ihrem Bauch unter der Uniform und unterbrach abrupt den Kuss. „André...“, hauchte sie atemlos. „Du willst doch nicht etwa hier...“ „Nein, keine Sorge. Ich habe nur etwas nachgeschaut.“ „Nachgeschaut?“ Oscar klang leicht verwirrt. André atmete tief ein und aus. „Oscar... Ich möchte etwas von dir wissen, aber bitte verstehe das nicht falsch...“ „Keine Sorge, das werde ich nicht. Also was hast du aufm Herzen?“ „Ich hatte Bedenken, dass du vielleicht nach unserem ersten Mal guter Hoffnung sein könntest...“ Er wurde dabei immer verlegener. „Nicht, das ich gegen Kinder etwas habe, mit dir würde ich liebend gerne eine Familie gründen, aber gerade jetzt wäre das bestimmt unpassend...“ Oscar staunte sichtlich. Soviel Fürsorge und Nachsicht hätte sie nie von einem Mann erwartet. Aber André war ein besonderer Mann und das machte schon für sie einiges aus. Sie überlegte kurz und schüttelte gleich verneinend den Kopf. „Ich denke nicht, dass ich guter Hoffnung bin.“ „Bist du dir sicher?“ André war nicht ganz überzeugt. „Wann hattest du deinen letzten Monatsfluss?“, fragte er noch verlegener – so etwas zu fragen war ihm irgendwie nicht geheuer. Seine Fragen bescherten Oscar ein unwohles Gefühl und machten sie zum Teil reizbar, aber ihm zu liebe beherrschte sie sich und rechnete schnell zurück. Immerhin hatten sie sich schon eine Weile nicht gesehen. „Vor ein paar Wochen.“ „Dann ist alles gut...“ André atmete jetzt ganz erleichtert auf. Auch Oscar atmete auf. Einerseits weil sie für sich selbst eine Gewissheit verschafft hatte und andererseits weil André nun von seinen Fragen abließ. „Beim nächsten Mal werden wir besser aufpassen.“ „Ja, das werden wir.“ André zog sie noch näher an sich und schenkte ihr einen langen, innigen und langersehnten Kuss mitten im nachlassenden Regen. Woche für Woche zog sich der Prozess im Pariser Gerichtshof. Im Mai des nächsten Jahres wurden nun die Angeklagten verurteilt. André war kein einziges Mal in dem Gerichtsaal anwesend, aber dafür Oscar. Sie erzählte ihm den Ablauf, wenn sie ihn ab und zu bei seiner Nachtwache besuchte. Auch so kursierten immer mehr Gerüchte darüber in der Umgebung und immer mehr Menschen stellten sich auf die Seite von Jeanne Vallois. Sogar einige Adligen. Leider half ihr das nicht. Das Gericht verurteilte sie zu einer lebenslangen Zwangsarbeit und ließ ihr ein V-Förmiges Hufeisen auf die Schulter brennen. Man hörte fast in jeder Ecke, welch ein tiefempfundenes Mitgefühl die Menschen zu ihr empfanden und mit welchem Hass sie die Königin dafür verantwortlich machten. Dann passierte plötzlich etwas Unerwartetes: Jeanne brach aus dem Gefängnis aus! Bestimmt hatte sie das nicht ohne fremde Hilfe geschafft - allerdings war die Frage nach einem Komplizen, ein Rätsel. Außer Vermutungen und Spekulationen aufzustellen, konnte man nichts machen. Jeanne war wie vom Erdboden verschluckt, was die meisten Bürger freute. Und als wäre das nicht schon genug, tauchten schon bald von ihr Bücher auf. Nach dem ersten Band kam der zweite und nach diesem folgten drei weitere. Jeanne berichtete in ihren Büchern über alle Affären und Fehltritten der Königin – ob das jedoch der Wahrheit entsprach, interessierte die Mehrheit der Menschen kaum. Sie verspotteten Marie Antoinette mehr den je und glaubten den Memoiren von Jeanne Vallois mit Begeisterung. In der Kaserne bei Paris schwärmten die meisten der Söldner auch nur so von diesen Büchern und manche von ihnen hatten schon einen Blick in sie geworfen. André war das alles nicht wirklich wichtig. Er fragte sich ständig, was Oscar dagegen unternahm oder unternehmen musste, wie es ihre Pflicht von ihr verlangte. Er hatte schon davon gehört, dass das königliche Garderegiment für die Fahndung von Jeanne eingesetzt wurde. Es hieß, dass die königliche Soldaten mit ihrem Kommandanten kreuz und quer nach ihr suchten, um sie dingfest zu machen und falls nötig zu töten. André bezweifelte, dass Oscar das tun würde – immerhin war Jeanne Rosalies Schwester. Er hätte gerne gewusst, was dort genau ablief, aber hier in der Kaserne musste er vorerst mit den Gerüchten sich zufrieden geben. Bald würde es dienstfreie Tage geben und er würde dann mehr erfahren können. Oscar hatte ihn schon lange nicht mehr besucht, was bedeutete, dass sie anderweitig im Einsatz war und keine Zeit für Besuche fand. Das konnte André verstehen und doch vermisste er sie sehr. Einer seiner Kameraden platzte unverhofft in sein Quartier ein, als er sein Gewehr überprüfte. „Hey, André! Du hast Besuch!“ „Wer ist das?!“, verlangte er überrascht zu wissen und stand von seiner Schlafstätte auf. War das etwa Oscar? Aber sie würde ihn doch niemals am Tage besuchen! Oder doch? „Es ist nicht deine eiskalte Schönheit.“ Sein Kamerad grinste, als hätte er seine Gedanken gelesen. „Oscar ist nicht eiskalt!“, stellte André klar und ging auf seinen Kameraden zu. Es war nichts neues, dass seine Kameraden ihn damit ständig aufzogen. Mittlerweile hatten sie Oscar durch ihn schätzen gelernt, ohne sie jedoch persönlich zu kennen. Bis auf Alain und die Brüder Jérôme und Léon. „Aber klar doch, André...“, neckte ihn der Kamerad und erntete von ihm scherzhaft einen Kopfnuss. Er rieb sich die Stelle und beendete den Satz anders als gedacht: „...das ist ein Journalist, Bernard Châtelet...“ Diesen Mann hatte André erst recht nicht erwartet zu sehen. „Bist du dir sicher?“ „So hat er sich zumindest vorgestellt.“ André verließ die Baracke und ging nach draußen zum Haupttor, denn heute war eigentlich kein Besuchstag. Bernard reichte ihm zum Gruß freundlich die Hand und André schüttelte sie. Er hatte ihn und Alain schon ein paar Male besucht und mittlerweile hatten die drei sich angefreundet. Bernard hatte ein Buch mitgebracht und zeigte es ihm. Das war einer der Bänder, die Jeanne Vallouis verfasst hatte. „Hast du das schon gelesen?“ „Nein, habe ich nicht.“ André beachtete das Buch nicht einmal. „Und um ehrlich zu sein, interessiert es mich auch nicht.“ „Das sollte es aber.“ Bernard schlug das Buch auf und blätterte einige Seiten vor. „Hier, ich habe es die Stelle gefunden.“ Er drehte das Buch um und hielt es André hin. Mit einem Finger zeigte er auf eine markierte Stelle. „Es sind alle Affären der Königin und dein Kommandant der königlichen Garde steht auch mittendrin.“ „Oscar soll auch eine Affäre mit der Königin gehabt haben?“ Das wollte André keineswegs glauben und warf doch noch einen Blick auf die aufgeschlagene Seite. Genau dort wo Bernards Zeigefinger war, stand ihr Name geschrieben: „Oscar Francois de Jarjayes, Kommandant des Königlichen Garderegiments war eine der ersten Liebschaften ihrer Majestät. Die Königin liebt Frauen in Männerkleidern....“ Weiter las André nicht. Er rümpfte seine Nase abwertend und richtete seinen Blick wieder auf Bernard. „...das ist eine bodenlose Unverschämtheit und eine grenzenlose Lüge!“ „Ich habe auch nie behauptet, dass es der Wahrheit entspricht.“ Bernard schlug das Buch wieder zu und steckte es unter seine Achsel. „Ich fand es nur richtig, dass du darüber auch Bescheid weißt. Denn die Menschen glauben, was darin steht und werden somit auch über sie nicht gerade nett reden. Verstehst du was ich meine?“ „Nicht ganz, aber dass ist mir auch gleich.“ André verschränkte seine Arme vor der Brust. „Ich kenne Oscar besser als jeder anderer und weiß, dass sie so etwas nie machen würde!“ „Dann solltest du auf sie mehr Acht geben.“ Bernard schmunzelte flüchtig, aber blieb wie immer ernst. „Was denkst du, wer als erster ins Gerede kommt? Das Volk wird erst die verpönen und verhöhnen, die die Königin beschützen. Dein Kommandant jagt Jeanne nach und die Menschen stehen auf der Seite von Jeanne. Wenn sie sie findet und verhaftet, dann werden die Menschen noch wütender sein. Sowohl auf die Königin, wie auch auf Oscar. Und ich glaube nicht, dass sie etwas ausrichten würde können, wenn das Volk die Unterdrückung nicht mehr aushält und sich erhebt. Wenn Oscar so ein herzensguter Mensch ist, wie du immer behauptest, dann sollte sie sich schon bald entscheiden, auf wessen Seite sie wirklich stehen will. Ich möchte dich nur vorwarnen, André.“ „Und deswegen bist du zu mir gekommen?“ Insgeheim gab André Bernard allerdings recht. In allen Punkten. Er gab das nur nicht zu. „Ja“, sagte Bernard schlicht und fügte noch hinzu: „Ich wollte heute endlich Rosalie auf dem Anwesen de Jarjayes besuchen und erfahren, ob es ihr wirklich gut geht. Aber sie war nicht mehr anzutreffen. Eine alte Haushälterin sagte mir, dass sie das Anwesen schon längst verlassen hatte und ich frage mich, was dort wirklich vorgefallen ist.“ „Rosalie wohnt nicht mehr bei Oscar?“ Das überraschte André sehr und ihn beschlich eine mulmige Vorahnung. Rosalie würde niemals Oscar aus heiterem Himmel verlassen, da musste in der Tat etwas vorgefallen sein! Aber was genau? Es hatte ganz bestimmt mit ihrer Schwester zu tun! „Nein, schon seit Wochen nicht mehr“, meinte Bernard und holte ihn in die Wirklichkeit zurück. „Ich dachte, du weißt etwas darüber. Aber wie ich sehe, erfährst du es auch gerade zum ersten mal.“ „Ich habe in wenigen Tagen dienstfrei und werde mich darüber erkundigen“, versprach ihm André und verabschiedete sich dann von ihm. An seinem sogenannten, dienstfreien Tag, ritt er gleich geschwind aus der Kaserne zu dem Anwesen de Jarjayes. Seine Großmutter empfing ihn schniefend und in einer Hand hielte sie einen zerknüllten Brief. Anscheinend hatte sie es eben noch gelesen. Sie war äußerst besorgt und niedergeschlagen, das sah André ihr an. „Was ist passiert?“ Eigentlich wollte er fragen, wo Oscar sich zu dem Zeitpunkt befand, aber das wäre dann sein Kommen umso auffälliger. „Erst verlässt uns Rosalie, weil sie angeblich zu ihrer leiblichen Mutter muss und dann hinterlässt sie Lady Oscar diesen Brief!“ Sophie tupfte mit einem Taschentuch die Augen unter der Brille und mit der anderen Hand reichte sie den Brief ihrem Enkel. Eigentlich wollte sie es ihm nicht geben, aber vielleicht würde er doch noch irgendwie nützlich sein. „Lady Oscar hat heute ein Befehl vom Orden bekommen und ist jetzt mit ihren Soldaten zu Jeannes Versteck geritten...“ André las flüchtig die wenigen Zeilen und drückte den Brief zurück in die Hand seiner Großmutter. „Ich ahne nichts gutes...“, murmelte er und eilte zurück zu seinem Pferd. In dem Brief stand Jeannes wahres Versteck, von Jeanne selbst geschrieben. André ritt dorthin unverzüglich. Jetzt leuchtete ihm so einiges ein: Jeanne hatte ihrer Schwester geschrieben, aber nicht Rosalie hatte ihr Versteck verraten. Denn sonst wäre Oscar nicht mit ihren Soldaten hin geritten. Rosalie bedeutete ihr viel und sie würde ihr niemals Unannehmlichkeiten bereiten wollen. Jemand mächtigeres, einflussreicheres musste dahinter stecken! André fiel ein, was seine Großmutter noch gesagt hatte: Oscar hatte vom Orden den Befehl bekommen, Jeanne in ihrem Versteck zu verhaften. Also wusste der Orden schon vorher darüber Bescheid und Oscar hatte keine andre Wahl, als dem Befehl Folge zu leisten! André trieb noch schneller sein Pferd in Richtung der Kirche an und bekam immer mehr das ungute Gefühl, dass etwas unheilvolles passieren würde. Die Kirche war mit den Soldaten aus der königlichen Garde umzingelt, dass sah er schon aus der Ferne. Jedoch deren blondgelockter Kommandant in roten Uniform befand sich nicht darunter. War etwa Oscar schon in der Kirche? Etwa ganz alleine? War sie denn so leichtsinnig? Oder hatte sie doch ein paar Soldaten mitgenommen? Das wusste André nicht, aber er spürte ganz genau, dass es dort etwas faul im Gange war. Er umrundete die Reihen von Soldaten, fand am Rande eine Lücke und preschte auf seinem Pferd hindurch. Er hörte die ungläubige Stimmen der Männer und Beschimpfungen in seine Richtung, aber hielt nicht an. Ganz beiläufig fragte er sich, warum sie kein Feuer auf ihn eröffneten und schollt sich sogleich zusammen, dass ihn das überhaupt interessierte. Seine Hauptsorge galt Oscar und er hoffte, er käme nicht zu spät. Er erreichte in Hast die Kirche und bemerkte eine Gestalt an der Pforte. Sie konnte kaum stehen und schleppte sich an die Wand gestützt zu ihrer Kompanie zurück. Eine Hand hielt sie an ihrem Hals, als wäre sie gewürgt worden und hüstelte mit Abständen verhallend. „Oscar!“ Sie hob schlagartig den Kopf. „Andre...“ Ihre Augen glitzerten für einen Wimpernschlag erfreut und gleich darauf wurden sie eisig. „Wir müssen hier weg... Sie wollen sich in die Luft sprengen...“ André verstand halb so viel von ihren Worten, aber reichte ihr schon seine Hand. Er hievte sie hinter sich auf den Rücken des Pferdes und trieb es im schnellen Galopp an. Gerade rechtzeitig erreichten sie die königlichen Soldaten und dann hörten sie eine ohrenbetäubende Explosion hinter sich. Die Kirche flog in die Luft und das war nun das Ende von Jeanne. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)