Schicksalswege von Saph_ira ================================================================================ Kapitel 26: Pläne ----------------- Lange lagen sie an einander gekuschelt unter der Decke und versuchten ihre rasenden Herzen, ihren schnellen Atem zu beruhigen. Oscar schmiegte sich voller Vertrauen an ihrem Geliebten und strich ihm dabei mit dem Handrücken liebevoll über die Wange. André stützte sich auf einen Ellbogen und bettete seinen Kopf seitlich auf seiner Hand. Den anderen Arm legte er um Oscar und seine Finger umwickelten spielerisch einer ihrer blonden Locken. Ihre Haut war von gestillten Gelüsten mit einer feinen Röte überzogen. Ihre Beine waren miteinander verflochten und jeder spürte die warme Haut des anderen. Es war eng in diesem Bett, aber das störte sie nicht, denn auf anderer Seite war es auch gemütlich. Die Enge brachte sie noch näher zusammen und ließ sie sich nicht von einander trennen. Sie erkundeten gespannt die Gesichtszüge des anderen und lächelten sich gegenseitig geschafft, aber zufrieden und glücklich an. „Oscar...“ André unterbrach als erster die angenehm knisternde Stille: „...lass uns heiraten. Lass uns Mann und Frau werden. Natürlich nur, wenn es auch dein Wunsch ist...“ „Wie stellst du dir das vor?“ Oscar schmunzelte angetan. Die Vorstellung, ihn zu heiraten und mit ihm zu leben, war zu schön um wahr zu sein. Sie würde zwar dadurch einiges aufgeben müssen: Ihren Adelstitel, ihren Posten als Kommandant der königlichen Garde und ihren Rang, aber André war das alles Wert. Für sie war es nicht wichtig, dass sie unterschiedlichen Ständen angehörten. Alles was zählte, war die Liebe zwischen ihnen. Dennoch gab es Gesetze, die so eine Heirat nicht zuließen und ihnen Steine in den Weg legten. „Um heiraten zu dürfen, brauchen wir die Zustimmung des Königs und das würde er nie erlauben, denn eine Heirat zwischen Adligen und Bürgerlichen ist gesetzlich verboten.“ André musste das mit Bedauern einsehen. Warum müsste es nur solch ein absurdes Gesetz geben? Die Menschen waren doch vor Gott alle gleich! Ein Gesetz sollte nicht über die Liebe zweier Menschen entscheiden! Diese Entscheidung sollte den beiden Liebenden vorbehalten bleiben! Diese Gedanken machten André wütend und hilflos zu gleich, aber er wollte nicht so schnell aufgeben. „Dann heiraten wir heimlich!“, schlug er vor und missverstand ihren leicht irritierenden Blick. „Oder möchtest du nicht meine Frau werden?“ „Doch, André!“, protestierte Oscar fast erschrocken. Sie strich ihm die gefallene Haarsträhne zaghaft mit ihren Fingern vom Gesicht und verweilte dann wieder auf seiner Wange. „Ich möchte von ganzem Herzen deine Frau werden und so gesehen, bin schon deine Frau – mit Leib und Seele... Ich will nur nicht, dass dir etwas zustößt...“ „Wie kommst du darauf, dass mir etwas zustoßen könnte?“ „Du kennst den Hofadel nicht, André... Sie lieben Intrigen und spielen gerne jeden übel mit, der ihnen im Wege ist... Sie scheuen sich nicht vor Mordattentaten und gehen über die Leichen, wenn sie das für nötig halten... Ich kann mich behaupten, denn ich habe Ansehen und die Königin vertraut mir... Aber du wirst ihnen ausgeliefert sein, sobald sie von unserer Beziehung erfahren... Ein Bürgerlicher ist unter ihren Würden und deswegen, mein André, möchte ich unsere Liebe vorerst geheim halten...“ Auch diese Tatsache musste André einsehen. „Du hast recht... Dann bleiben wir vorläufig ein heimliches Liebespaar...“ Er zog sie an sich und schenkte ihr einen zärtlichen Kuss auf den Mund. Nicht seinetwegen hatte er ihr zugestimmt, sondern ihretwillen. Ihm war es egal, wenn sein Leben in Gefahr sein würde, aber ihr nicht. Er wollte ihr keine Unannehmlichkeiten bereiten und erst recht nicht, wenn es um ihr Wohlergehen ging. Seine Hand strich ihr den Rücken hinauf, zu dem Schulter und Oberarm. Seine Finger ertasteten wieder die kleine Narbe und er erinnerte sich, worüber er sie eigentlich später ausfragen wollte. Er löste den Kuss und nahm die weiß glänzende Narbe auf ihrer Haut in Augenschein. „Wo hast du die her?“ „Das ist schon lange her...“, erwiderte Oscar schulterzuckend und beinahe gleichgültig: „Damals war ich etwa achtzehn Jahre... Ich habe Marie Antoinette von einem durchgegangenen Pferd gerettet und wurde dadurch von einem Ast verletzt... Stört dich die Narbe?“ Ganz schwach erinnerte sich André an eine Erzählung seiner Großmutter vor etlichen Jahren. Sie hatte von so einer ähnlichen Verletzung ihres Schützlings mit seiner Mutter gesprochen. Aber das lag ein knappes Jahrzehnt zurück. Seine Mutter gab es nicht mehr und auch sein Vater war schon lange tot. Andrés Brustkorb zog sich leicht bedrückend zusammen, als er an seine Eltern dachte und sich dabei an einen Schwur erinnerte... Er sah Oscar an und versuchte die letzte Worte seines Vaters zu verbannen. So gesehen, hatte er seinen Schwur nicht gebrochen. Er diente ja keinem Adligen und vor allem nicht Oscar. Er liebte sie nur vom ganzen Herzen und das war ein gewaltiger Unterschied. Und Oscar liebte ihn... André schüttelte kaum merklich sein Kopf, um ihr eine Antwort zu geben. „Nein. Ich finde es nur ungerecht, dass du dich so sehr für die Menschen aufopferst und dir dabei Schaden zufügst...“ Mit anderen Worten: Er fand es ungerecht, dass sie sich für die Personen opferte, die das eigentlich nicht verdient hatten. Das sagte er aber nicht. Er wusste wie Oscar zu Marie Antoinette stand und wollte sie daher nicht verstimmen. „Das ist aber schon längst verheilt...“, beruhigte Oscar und lächelte ihn verwegen an. Sie hatte noch andere Narben, aber damit würde sie ihn jetzt nicht belasten. Nicht jetzt, wo sie gerade erst frisch ihre gemeinsame Liebe Ausdruck verliehen hatten und sie diesen glücklichen Moment auskosten wollten. Doch schon tasteten sich Andrés Finger ihren Oberarm hinauf, schlüpften an ihrer Schulter unter ihrer Haarpracht und verharrten dann unter dem linken Schulterblatt. Er spürte die schmale, wulstige Wölbung und ihm wurde wieder mulmig. „Und diese Narbe hier?“, fragte er, als hätte er ihre Gedanken erahnt und wollte ihr deshalb widersprechen. Oscar seufzte genervt und verdrehte die Augen. Ihrem Geliebten schien nichts zu entgehen. „Weißt du noch, als ich mein Arm in der Schlinge getragen habe?“ André bejahte mit einem Laut und Oscar fuhr fort: „Ich hatte eine Nachricht erhalten, dass mich die Königin angeblich am späten Abend zu sich bestellt hatte. Aber dem war nicht so. Es war eine Falle und meine Kutsche wurde überfallen...“ „Ein Attentat...“ André ließ sie nicht weiter sprechen und seufzte schwer. „Ich erinnere mich, dass Großmutter so etwas erwähnt hatte... Das war die Zeit, als meine Mutter...“ Er verstummte abrupt und sprach nicht mehr weiter. Oscar erinnerte sich sofort an jenen Tag, als sie ihr einstiges Kindermädchen zur Beerdigung ihrer Tochter begleitet hatte und fühlte sich auf einmal schuldig. „Es tut mir leid, ich wollte dich nicht...“ „Schon gut, Liebes.“ André zog Oscar etwas enger an sich und lächelte matt. „Es ist schon lange her. Ich vermisse sie zwar noch immer, aber die Zeit hat längst die Wunden des Verlustes geheilt.“ „Aber es war bestimmt trotzdem schwer für dich... Immerhin warst du alleine...“ Oscar schmiegte sich an ihm. „Ich weiß noch, wie du damals das Angebot deiner Großmutter abgelehnt hast, bei mir auf dem Anwesen zu leben und zu arbeiten... Das hat mich tief bewogen und seit dem warst du immer ein Teil meiner Gedanken... Ich glaube, ich habe dich bereits an diesem Tag in mein Herz geschlossen... Ich wollte es nur nicht wahr haben... Vergibst du mir?“ Sie hob den Kopf und sah ihn erwartungsvoll an. André schmunzelte. Diese naive, unschuldige Oscar kannte er nicht, aber sie gefiel ihm genauso gut wie die temperamentvolle und selbstgerechte Oscar. Zwei Charakterzüge, die unterschiedlicher nicht sein könnten und die nur zu Oscar passten. „Natürlich vergebe ich dir.“ André vergrub seine Finger in ihrem Haar, zog sachte ihren Kopf zu sich und hauchte ihr einen Kuss auf die Stirn. „Dich trifft keine Schuld. Ich denke, wir sollten die Vergangenheit ruhen lassen und uns mit hier und jetzt beschäftigen... Ich meine, wir lieben uns und das ist für mich im Moment das wichtigste...“ „Für mich auch.“ Oscar musste ebenfalls schmunzeln, als hätte er sie angesteckt. Aber er hatte Recht. Was nützte es jetzt an vergangene Fehltritte oder nicht gerade erfreuliche Ereignisse zu denken, wenn ihnen gerade das Schicksal das größte Liebesglück beschert hatte?! Daran sollten sie jetzt festhalten und ihre Zweisamkeit genießen, solange es noch ging. Draußen begann es derweilen langsam zu dämmern. Gelbbräunliche, schwache Lichtschatten an den grauen Wänden deuteten darauf hin, dass der Tag sich dem Abend neigte und dass die Sonne schon am Horizont runterging. „Ich muss dann wieder los...“, meinte Oscar mit einem leisen Seufzer. André seufzte daraufhin auch schwer. „Ich würde sagen, bleib noch hier... am besten für immer... aber ich habe nicht das Recht, dich aufzuhalten...“ „Ich will auch noch nicht gehen, aber wir müssen den Schein wahren...“ Oscar verlor sich noch ein letztes Mal in seinen grünen Augen, ließ sich noch einmal von ihm innig küssen und dann stieg sie aus seinem Bett. Ohne jeglichen Schamgefühl, umrundete sie sein Bett und suchte ihre Sachen auf, als wäre sie ganz alleine im Raum. Zuerst kam das Hemd und André war kurz davor, sie aufzuhalten. Aber er beherrschte sich krampfhaft. Es würden sicherlich noch mehrere solcher Momente geben, wo er Oscar wieder ganz alleine für sich haben würde... Die Frage war nur: wann? Es war selbstsüchtig, das wusste er, aber wenn man eine verbotene Frucht, die süß und betörend schmeckte, gekostet hatte, dann wollte man bekanntlich mehr davon... Aber so einfach war das leider nicht... Oscar richtete den Kragen und die Manschetten ihres Hemdes, setzte sich dann auf die Bettkante und zog ihre Hose an. Danach kamen die Stiefel und Uniformjacke. André betrachtete seine Oscar beim Anziehen ihrer Kleider und prägte sich jede ihrer Bewegungen ein. Sie hatte wieder einmal recht: Der Schein musste gewahrt werden. Wie lange das allerdings gut gehen würde, wusste er nicht zu sagen. Die Heimlichkeit hatte auch einen gewissen Reiz an sich. Im Verborgenen die Liebe auszukosten und sie vor allen Augen der Welt geheim zu halten, verursachte ihm ein Prickeln in der Magengrube. Die Gefahren jedoch, die dahinter lauerten, waren erschreckender. André wollte sich nicht vorstellen, was Oscar blühen würde, wenn ihre Liaison mit einem einfachen Mann aus dem Volk ans Tageslicht käme. Er schwor sich insgeheim, dass niemand je davon erfahren würde! Auch nicht seine Großmutter, denn sie lebte und arbeitete auf dem Anwesen de Jarjayes. Das war die einzige Möglichkeit, Oscar zu schützen, wenn er schon selbst nicht bei ihr sein konnte. Oscar hatte sich derweilen völlig angekleidet und ordnete den Orden an ihrer Uniform. Nun glich sie wieder dem kühlen und beherrschten Kommandanten. Nichts an ihr verriet, dass sie gerade eben eine leidenschaftliches Liebesabenteuer verlebt hatte. Sie ging gemäßigten Schrittes an sein Bett zurück und setzte sich auf die Kante. „Kommst du morgen zur Fechtübung?“, fragte sie ihn im sachlichen Ton. „Bedauerlicher Weise nicht, denn morgen beginnt wieder mein Dienst in der Kaserne.“ André setzte sich auf und griff nach ihrer Hand, als wolle er sie nicht gehen lassen. Einerseits stimmte das ja auch, er wollte sie nicht gehen lassen. Allerdings hatten sie sich etwas vorgenommen und daran wollte er sich halten. Er führte ihre Hand an seine Lippen und hauchte einen Abschiedskuss auf ihren Handrücken. „Aber du kannst mich dort besuchen, wenn du Zeit hast. Du könntest vorgeben, mir eine Nachricht von meiner Großmutter übermitteln zu wollen oder so ähnlich. Sie ist ja nicht mehr die Jüngste und ein Weg nach Paris könnte sehr anstrengend für ihre alten Konchen sein.“ „Das ist klug gedacht von dir, André.“ Oscar lächelte für einen Wimpernschlag verschwörerisch und wurde gleich wieder ernst. „...und ich hätte mich vielleicht dazu wirklich hinreißen lassen, aber ich bin eine schlechte Lügnerin.“ „Du belügst doch niemanden. Vielleicht fragst du meine Großmutter wirklich, ob sie für mich etwas kochen oder backen kann und du bringst es dann zu mir, aus Rücksicht auf ihren hohen Alter, so zu sagen.“ „Die Idee ist gar nicht so übel.“ Oscars Mundwinkel zogen sich verstohlen nach oben und sie fuhr ihm mit ihrer freien Hand durch sein braunes Haar. „Aber würde dadurch nicht jemand Verdacht schöpfen?“ „Darüber mache dir keinen Kopf. In der Kaserne sind alle bürgerlich wie ich. Außer unserem Oberst, aber dieser ist meistens Unterwegs. Die Söldner sind nicht nur meine Kameraden, sondern auch meine Freunde und sie wissen eigentlich schon seit langem über meine Gefühle zu dir. Wir vertrauen uns und zählen aufeinander.“ „Nun gut, ich werde schauen, was sich machen lässt“, versprach ihm Oscar listig und schenkte ihm noch einen allerletzten Kuss, bevor sie seine Wohnung verließ. - - - Draußen versteckte sich die rotglühende Sonne bereits zur Hälfte hinter dem Horizont und verfärbte die Umgebung in ein rötliches Licht. Die Menschen schlossen ihre Läden, kehrten Heim oder gingen in eine billige Spelunke, um ihren Leid zu ertränken. Es war das erste Mal, dass Oscar ihr Pferd vor Glückseligkeit und Herzrasen antrieb. Sie verließ die große Stadt und lachte aus voller Inbrunst, bis ihr die Freudentränen die Sicht verschwammen. Sie spürte noch seine Hände an ihrem Körper, seine sanfte und gleichzeitig leidenschaftliche Küsse überall auf ihrer Haut und ihn selbst in ihr... Es war, als wäre sie neu erschaffen und durfte ein anderes Leben führen... Auf einer Hinsicht stimmte das ja auch. Ab heute würde sie ein Doppelleben führen müssen. Oscar dämpfte im schnellen Galopp ihre flatternde Gefühle, fuhr sich mit dem Ärmel über die Augen und wurde wieder ernst. Niemand, kein Mensch durfte etwas von ihrem André und ihrer Liebe zueinander wissen! Nur so konnte sie ihn vor den Machthungrigen und verschlagenen Aristokraten schützen! Und auch Rosalie und Sophie durften nichts von ihrer gemeinsamen Liebe erfahren. Obwohl die beiden sehr vertrauenswürdig waren, trotzdem wäre es für ihre eigene Sicherheit besser, wenn sie von nichts wissen würden. Oscar würde alles daran setzen, um ihren Liebsten zu beschützen! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)