Wicked Games von VelvetBlossom ================================================================================ Kapitel 5: Die Traufe --------------------- Ich wache auf und habe keine Ahnung, wie viele Tribute noch leben. Ich weiß einen Moment lang nicht mal, wieso Kiba nicht neben mir sitzt, wo ich liege und was da über meinem Kopf rumtrommelt. Dann kommt die Erinnerung zurück und ich muss schlucken. Meine Gelenke fühlen sich merkwürdig an, als ich sie nutze und meine linke Schulter schmerzt noch immer, auch wenn die Schwellung weg ist und die Färbung ebenfalls verschwindet. Ich schiebe mich schwerfällig aus dem hohlen Baum und merke, wie ungewohnt die Bewegung ist. Mein Mund ist trocken und ich brauche Wasser, zumindest das merke ich, sodass ich mich einem Blatt nähere, auf dem sich das Wasser sammelt und es in meinen Mund laufen lasse. Ich erkenne einige Brombeeren und Pfefferminze. Nachdem ich mich an den Brombeeren satt gegessen habe, kaue ich Pfefferminze. Ich fülle die Taschen meiner Hosen mit den Brombeeren und nehme noch einige Minzblätter mit. Kiba ist tot. Weg. Ich kann mich nicht mehr auf ihn verlassen. Keiner mehr, der mir den Rücken deckt. Was in drei Teufels Namen hat er sich gedacht, zurück zu bleiben? Er hatte die letzte Wache, bevor die Sonne aufging. Wusste er, dass sie hinter uns waren? Dass sie schneller waren? Dass er mich nur ausbremste? Er hatte eigentlich gewollt, dass ich den Rucksack nehme. Ich spüre, wie mir die Tränen hochkommen. Wollte er mich wirklich retten? Verhindern, dass ich ebenfalls draufgehe? Mühsam verdränge ich die Tränen. Mein Mentor wird mir bereits den Kopf abreißen wollen. Ich habe keine Ahnung, wie lange ich durch den Wald streife. Ich fühle mich sicherer hier als in den offenen Gebieten. Wenn ich am Abend in die Bäume klettere und mich so klein wie möglich mache, werde ich trotzdem nass und fühle mich einsamer als jemals zuvor. Entgegen meiner Erwartung, dass ich mir Naruto wünschen würde, mich in den Arm zu nehmen, mir zu sagen, dass ich nicht aufgeben soll, wünscht mein Herz sich meinen Mentor. Er wüsste, was zu tun wäre. Er würde mich antreiben, ohne mich zu verletzen. Er würde mich nachts festhalten, wenn die Tränen kommen. Ich habe keine Ahnung, wie es momentan aussieht. Ich weiß, dass wir zuletzt noch 11 waren. 10. Kiba war tot. Ich bin unter den letzten 10, das ist ein Lichtblick. Mir ist übler als bisher und schlafe nicht viel, ehe ich aufwache und wieder vom Baum klettere. Als ich ein schmerzhaftes Stöhnen höre, bin ich einen Moment panisch. Wer zur Hölle ist hier draußen? Ein Karriero? Beinahe unmöglich. Dennoch, während ich mich vorsichtig dem Tribut nähere erkenne ich den Jungen aus 4. Sora. Er hat Kiba verletzt und dafür gesorgt, dass er tot ist. Ich hätte jeden Grund, ihn zu töten, selbst wenn es nicht eh darauf hinaus liefe. Und ich höre beinahe Sasuke, wie er mich dazu beschwört, genau das zu tun. Dem Jungen ein schnelles Ende zu bereiten. Es vergehen Sekunden, in denen ich unschlüssig bin. Er sieht mich, aber er ist zu schwer verletzt, etwas zu tun. Ein Pfeil steckt einige Meter von mir weg und ich könnte ihn damit ohne Probleme erledigen. Aber will ich das? Kann ich das? Er ist hilflos. "Wo sind deine Freunde?", frage ich ein wenig zögerlich und er hebt die Schultern. "Weg. Als ich mir das Bein gebrochen hab, haben sie beschlossen, mich zurück zu lassen." Einen Bruch kann ich heilen. Es ist schmerzhaft, für ihn, und anstrengend für mich, aber ich wäre dazu in der Lage. "Ihr habt Kiba getötet." "Darius. Ja, hat er. Darum geht es hier." "Hilf mir." Ich sehe die Überraschung und sehe sie ebenfalls in allen Gesichtern vor den Fernsehern. "Du bist bekloppt." "Ich will wissen, was die anderen Karrieros können. Und die anderen, von denen du weißt." "Es gibt keine anderen mehr, du dumme Kuh. Darius und Hannah. Der Idiot aus 2. Wir beide." Ich bin verwirrt und mir wird übel. Wir sind nur noch zu fünft? 19 andere Kinder sind tot? "Was sind ihre Stärken?" "Darius ist wohl keine Frage.", erwidert er pampig und ich zögere. Darius ist groß, kräftig, arrogant und flink mit einem Messer. Mit einem Langen sogar sehr sehr gut. "Hannah.", fordere ich und er stöhnt entnervt. "Sie schwimmt. Und ist gut mit nem Strick." Ich nicke kurz und trete zu ihm. "Der aus 2?" "Keine Ahnung. Er ist völlig bekloppt. Während wir uns geschlagen haben ist er zum Füllhorn spaziert und hat sich bedient. Dann ist er ab euch hinterher. Keine Ahnung, wo er sich rumtrieb." Ein kurzes Nicken meinerseits und ich knie mich neben ihn. "Das wird weh tun." Bevor er protestieren kann habe ich sein Bein wieder gerichtet und fange auch an, es zu heilen. Er ist perplex und schielt verblüfft in mein Gesicht. Er scheint den Schmerz zu ignorieren oder die Überraschung ist zu groß. Dem Kapitol geht es sicher ähnlich. "Wie.…Was… Warum?" "Weil ich deine Hilfe brauche. Du wirst mir helfen, mir die anderen Drei zu holen. Und dann knobeln wir aus, wer von uns nach Hause fährt." Er zögert, schätzt seine Chancen ab. Ich bin zu müde, mich mit ihm zu schlagen. Ich will nicht mehr allein sein. Und bin erleichtert, als er nickt. "Wohin?" "Nicht zurück in das Wüstengebiet. Weiter.", murmele ich und er nickt verstehend, ehe wir beide uns erheben. Das Messer an seiner Seite habe ich nicht gesehen, bis er stand. Und einen kurzen Augenblick sind wir beide uns nicht sicher, ob dem anderen zu trauen ist. "Ich hab Darius die Nase gebrochen?" "Er hat geschimpft wie sonst was.", grinst er und ich muss erschöpft lächeln. Sora hat nur noch seinen Vater daheim. Seine Mutter kennt er nicht. Ich erzähle ihm von daheim, wenn er still wird. Dass meine Eltern Händler sind. Wir verdienen nicht viel mit dem Krimskrams, den meine Eltern verkaufen, aber es reicht zum Leben und ich habe nie wirklich gehungert. Das Heilen habe ich mir zwar von Tsunade zeigen lassen, aber ich behaupte, ich habe es aus einem Buch gelernt, dass ich irgendwo gefunden hätte. Ich wisse nicht mehr wo genau. Es könnte Tsunade sonst den Kopf kosten. Es bleibt bei solchen Erzählungen, bis wir das nächste Gebiet erreichen. Felsen, überall. Wir haben ein paar Tiere erlegt und die Felle als Beutel zusammengeflickt. Es hält nicht gut für sonstige Verhältnisse, aber die Brombeeren bleiben drin und wir hatten einige Tage Fleisch zum Essen. Das gibt es meistens nicht mal daheim. Ich habe ein schlechtes Gefühl, als wir vor uns hin stapfen, nur mit Brombeeren, die nicht ewig halten werden und ohne Wasser. Es war die letzten Tage allgegenwärtig und ich fühle mich nackt ohne es. Die Ruinen, die wir entdecken, lassen mich zögern. "Willst du da wirklich rein?", hake ich nach und er greift nach meinem Oberarm. "Sakura, vielleicht finden wir irgendwas nützliches.", meint er und ich bin weiter unsicher. "Wir teilen uns auf, ich-" "Nein! Wir trennen uns nicht." Wir sind zu nah am Wassergebiet, um uns aufzuteilen und eventuell getrennt aufgegriffen zu werden. Ich weiß nicht wie, aber er überredet mich doch. Sicherlich von wegen, es würde ja nur einige Minuten dauern und da könne niemand uns erwischen. Ich höre sein Fluchen, als ich im zweiten Haus im Obergeschoss bin. Ein Schrank und ein schmales Bett sind drin, aber der Schrank ist leer. Schnauben, Fluchen, Gerangel, dann fliegt unten die Türe auf und ich höre hektische Schritte die Treppe hinauf. Ich verschwinde im Schrank und presse meine Hand auf den Mund. Die Kanone geht und ich presse die Augen zu. Sora ist tot und ich bin wieder allein. Ich versuche nicht zu hyperventiliere, als die Tür in das Zimmer auffliegt und ich Soras Stimme höre, die leise nach mir fragt. Ich reiße die Tür auf und da steht er, verstaubt, dreckig und Blut an seiner Schulter, aber er lebt. Ich bin keine Sekunde froh, ihn zu sehen. Sein Kopf ruckt in einem unnatürlichen Winkel herum und ich schreie auf, als die Kanone geht und er zusammenbricht. Sora ist tot und ich bin vollkommen paralysiert. Der Kerl mit der Brille und den grauen Haaren. Aus 2. Meine Kehle ist trocken und ich sehe, wie er amüsiert grinst. Ich drehe mich abrupt um und mache einen gewagten Sprung aus dem schmalen Fenster. Die obere Etage ist nicht allzu hoch und ich kann unten abrollen. Dabei rolle ich dummerweise nur gegen die andere Wand und reiße mir den linken Oberarm auf. Mitten in der Straße liegt Darius, die Kehle durchgeschnitten, von Hannah keine Spur. Ich warte nicht auf sie oder auf den Jungen namens Kabuto, der mir meinen Weggefährten weggenommen hat. Ich renne in wilder Panik davon, weiter Richtung Wasser, weg von den Leichen und dem Mistkerl. Mir ist übel und ich bin froh, offensichtlich eine bessere Sprinterin zu sein als mein Verfolger. Ich laufe irgendwann langsamer, aber ich höre ihn nicht mehr. Ich fühle mich taub und müde. Ich habe keine Motivation mehr, besondere Vorsicht walten zu lassen. Ich igle mich in Nischen ein und laufe langsam weiter. Dieses Mal habe ich nicht die Kraft, zu weinen. Sora war mir ans Herz gewachsen und ich bin zu geschockt, um irgendwas zu verstehen. Als ich eines der kleinen grauen Boote in der Ferne glitzern sehe, kommen mir die Tränen. Ich habe es geschafft. Ich habe es bis ans Wasser geschafft. Nicht, dass ich einen Plan habe. Ich weiß nicht, was ich tun werde. Dennoch beschleunige ich mein Tempo und erreiche das Boot. Ich schiele hinein und sehe einen Rucksack, gigantisch, schwarz und als ich ihn öffne voller nützlicher Gegenstände. Zwei Rucksäcke. Der andere liegt am anderen Ende. Endlich erlaubt sich mein Körper, die Tränen zu vergießen. Sora ist tot. Ich habe zwei Freunde in dieser Arena gehabt und sie sind beide tot. Die Tränen, die jetzt kommen sind nicht um ihretwillen sondern um meinetwillen. Ich bin vollkommen erschöpft. Ich bin alleine, ich habe keine Chance mehr und einen Plan habe ich auch nicht. Ich werde sterben, ob jetzt oder später ist doch egal. Ich höre ein Piepsen und wage kaum, den Blick zu heben, als der Fallschirm vor mir landet. Ich hebe den Blick und erkenne ein Fischernetz und ein Stück Papier, eng zusammengefaltet. Ich nehme das Papier und falte es zittrig und weinend auseinander. Was könnte mich jetzt noch antreiben? Was würde mich jetzt noch vorwärts treiben? Ich brauche einige Sekunden um klar sehen zu können. Klare, saubere Linien, ohne viele Umschweife, dann viele andere Schriften. Wir zählen noch auf dich. Naruto Ino Hinata Shino Tsunade Shizune Mama und Papa Shikamaru Sasuke Erst beim vierten Lesen wird mir der Sinn dahinter klar. Das war der Grund, den ich noch brauchte. Der Grund, nicht aufzugeben. Das muss er so unterzeichnen haben lassen, als ich mich von allen verabschiedet habe. Ich schlucke schwer und stecke mir das Blatt in den Gürtel. Die anderen vertrauen auf mich. Ich muss mich zusammenreißen, sonst lasse ich sie hängen. Und das tue ich sicherlich nicht. Die Genugtuung gönne ich Kabuto nicht. Mein Groll ist noch nicht groß genug, dass ich ihm hinterher jagen will, aber möglicherweise braucht das noch Zeit. Ich schiebe das Boot ins Wasser und paddle mit einigem an Mühe los. Es dauert anderthalb Tage, bis ich an einer Insel ankomme. Ich ziehe das Boot ein Stück an Land und werfe die Rucksäcke auf den Boden neben mich. Das Wasser in der Nähe zu haben beruhigt mich. Distrikt 2 kann ebenso wenig schwimmen wir 12. Und ich sah kein anderes Boot da mehr. Dass ich aber nicht nur Kabuto habe, um mich zu Sorgen, merke ich erst, als ich eines morgens aufwache und sich große Hände um meinen Hals schlingen und zudrücken. Ich schnappe nach Luft und meine Augenlider fliegen auf. Hannah kniet über mir und grinst hämisch. Bevor mein Gehirn reagiert, reagiert mein Körper und meine Beine fliegen hoch. Sie kniet oberhalb meines Kopfs und würgt mich heftig genug, dass ich schwarz Punkte vor meinen Augen tanzen sehe. Meine Oberschenkel liegen an ihrem Hals und in dem Moment, indem sie ihren Griff überrascht lockert, rucke ich herum und höre das gleiche Krachen, dass auch Soras Leben beendet hat. Sie knallt auf mich und ich keuche vor Schmerz auf. Ich schaffe es, sie von mir runter zu schieben und erbreche mich beschämender Weise neben sie. Die erste, die ich töte. Die erste, deren Leben ich beendet habe. Es hieß sie oder ich, aber ich kann nicht ignorieren, dass sie ein Mensch war, der auch nur heim wollte. Die anderen Tribute flimmern mir vor Augen und ich denke an all die beendeten Leben. Kiba, Sora, Darius, Hannah, all die, deren Namen mir nicht kommen wollen. Ich spüre, wie mein Körper sich verkrampft und mit einem Mal sammelt sich in mir eine solche Menge Determination, dass ich beginne zu zittern. Kabuto wird sicher nicht heim kommen. Hosted by Animexx e.V. 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