Er liebt mich, er liebt mich nicht von Hoellenhund ([Secret Love]) ================================================================================ Kapitel 8: ----------- In der Sporthalle war das Training bereits in vollem Gange. Die Schüler hatten sich paarweise zusammengefunden und schienen mit ihren Bambusschwertern eine bestimmte Abfolge von Schlägen einzustudieren. Sie alle trugen die traditionell in Dunkelblau gehaltene Kendô-Uniform und, obwohl es sich offensichtlich nur um Trainingskämpfe handelte, auch die dazugehörige Rüstung mit Kapuze und Gesichtsgitter, was es Takeda unmöglich machte, die einzelnen Schüler voneinander zu unterscheiden. Nur einer von ihnen war nicht in das Training vertieft und trug auch keine Rüstung. Stattdessen schlenderte er zwischen den Kämpfenden hindurch und rief ihnen hier und da eine Anweisung zu, die Hände auf dem Rücken verschränkt. Seine dominante Art verriet Takeda, dass es sich um den Vorsitzenden des Clubs handeln musste. Er war kräftig, fast ein bisschen stämmig gebaut und trug sein schwarzes Haar beinahe schulterlang. Als sein Blick Takeda traf, kam er mit weiten, zielstrebigen Schritten auf ihn zu. »Hast du dich verlaufen?« Im selben Augenblick hielten alle Schüler im Kampf inne. Erst, als die damit verbundene plötzliche Stille Takeda auf die Ohren drückte, wurde ihm bewusst, wie laut die sich kreuzenden Schwerter bis eben die Luft der Halle erfüllt hatten. Takeda blickte dem Vorsitzenden direkt in die Augen und bemühte sich, nicht zu blinzeln. Mit fester Stimme sagte er: »Mein Name ist Aki Takeda. Ich möchte in den Club eintreten.« »Weitermachen!« Die Stimme des Vorsitzenden schallte wie ein nahendes Unwetter durch die Halle und sofort nahmen die Schüler ihr Training wieder auf, war die Luft erneut erfüllt von Rufen und Schritten und dem Donnern der Schwerter. Nur eine Gruppe, gar nicht weit entfernt, allerdings hinter dem Rücken des Vorsitzenden vor seinen Blicken geschützt, blieb weiterhin wie angewurzelt stehen, schien das Gespräch zu verfolgen. »Du bist Anfänger, oder?«, fragte der Vorsitzende mit prüfendem, aber nicht unfreundlichem Blick. »Ja«, gestand Takeda leicht zögerlich. Er fühlte sich plötzlich ein wenig deplatziert. »Na gut. Mein Name ist Yamato Kuroi, ich bin der Club-Vorsitzende.« Damit reichte er Takeda auf europäische Art die Hand. Er hatte einen ungewöhnlich festen Griff, den Takeda zu erwidern versuchte. Vielleicht war sein Vater ein Geschäftsmann. Aus dem Augenwinkel bemerkte Takeda, wie sich einer der beiden Schüler, die ihr Training weiterhin unterbrachen, aus der Gruppe löste und mit energischen Schritten auf sie zu kam. Erst als er sie beinahe erreicht hatte, riss er sich die Maske vom Gesicht. Takedas Herz setzte einen Schlag lang aus. Es war Ryo Hirakawa und seine zu schmalen Schlitzen verengten Augen zeugten von unterdrückter Wut. »Was machst du da, Kuroi?« Takeda wurde bewusst, dass er beinahe vergessen hatte, wie Hirakawas Stimme klang. Sie war weder hoch noch tief, aber so schneidend wie zerbrochenes Glas. Angestrengt bemühte sich Takeda, nicht vor dieser Stimme zurückzuweichen, standhaft zu bleiben, die Fassade der Gleichgültigkeit zu wahren. Nie hatte ihn das so viel Kraft gekostet. Kuroi drehte sich nicht einmal um. »Kennst du den Jungen, Ryo?« Einige Sekunden, die Takeda wie eine Ewigkeit vorkamen, antwortete Hirakawa nicht. Seine Augen schlossen sich, öffneten sich wieder. Erst dann begannen seine Lippen, ein Wort zu formen: »Nein.« Takedas Hände fingen an zu zittern, er musste sie zu Fäusten ballen, um es zu verbergen. Inständig hoffte er, dass weder Hirakawa noch Kuroi bemerkt hatten, wie sehr ihn dieses kleine Wort getroffen hatte, diese Gewissheit, die seine schlimmsten Befürchtungen wahr werden ließ. Aber vielleicht war Hirakawas distanzierte Haltung im Grunde gar nicht so falsch: Ihre Freundschaft oder Nicht-Freundschaft ging nur sie beide etwas an. Nicht Kuroi und auch sonst niemanden. Er musste Hirakawa zur Rede stellen. Nicht hier, irgendwo allein. »Na, dann gibt es hier jawohl kein Problem«, schloss Kuroi, die Augenbrauen leicht hochgezogen, als wäre ihm durchaus bewusst, dass es hier sehr wohl ein Problem gab. »Solange ich hier noch der Vorsitzende bin, ist es allein meine Entscheidung, wen ich in den Club aufnehme und wen nicht. Und ich sage, der Junge bleibt.« Hirakawas Blick verfinsterte sich, doch so sehr sich Protest in seinen Augen spiegelte, so viel Respekt lag nun in seiner Stimme: »Ganz wie du willst.« Plötzlich wurde Takeda bewusst, dass aus Hirakawa ein Lügner, ein Schauspieler, geworden war. Vielleicht genauso ein Lügner wie er selbst. Abrupt wandte sich Hirakawa ab und machte sich auf den Weg zu seinem Trainingspartner zurück, der, in der großen Halle etwas verloren, bereits auf ihn wartete. Erst, als er seine Maske wieder aufsetzte und das Bambusschwert zur Ausgangsposition erhob, wandte Kuroi sich wieder an Takeda: »Lass dir von dem nichts gefallen. Es bekommt kleinen Jungs nicht, wenn sie gerade mal in der Oberstufe angekommen sind und schon einen Club übernehmen sollen.« »Hirakawa wird Vorsitzender des Kendô-Clubs?« Takeda war ehrlich überrascht. Natürlich, Ishida hatte ihm bereits von Hirakawas Talent erzählt, aber die Tatsachen hatten lautere Stimmen, als sie jede Geschichte je hätte haben können. Ein schiefes Grinsen zerschnitt Kurois Gesicht: »Ich wusste doch, dass ihr euch kennt.« »Was?« »Erzähl mir keine Märchen, woher kennst du sonst Ryos Nachnamen? Er hat schließlich nicht die Höflichkeit besessen, sich vorzustellen.« Takeda wollte gerade den Mund öffnen, um etwas zu sagen, da winkte Kuroi bereits ab: »Schon gut, dafür haben wir später noch Zeit. Jetzt ist erstmal das Training dran. Komm am besten in einer halben Stunde noch mal her, dann suchen wir dir ein paar Klamotten aus dem Fundus zusammen.« Als Takeda keine Anstalten machte, zu gehen, fügte er hinzu: »Von mir aus kannst du auch solange zugucken.« Takeda nickte und ließ sich auf eine Bank am Rande der Halle sinken, von der aus er einen guten Blick auf den Trainingskampf von Hirakawa und seinem Partner hatte. Er studierte jede der Bewegungen des alten Freundes. Wie er bei Angriffen leichtfüßig zurückwich, ohne dabei jedoch die Offensive zu verlieren. Wie er seinem Gegner das Bambusschwert kraftvoll entgegen stieß und wie beiläufig parierte. Jeder dieser Bewegungsabläufe wirkte einstudiert, zu perfekt, um natürlich zu sein, aber mit einer solchen Selbstverständlichkeit ausgeführt, dass Takeda das Gefühl hatte, Hirakawas Körper und das Schwert seien eins. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)