Den Ärger wert von RedRidingHoodie ================================================================================ Kapitel 1: Foxtrott ------------------- Verschlafen starrte ich auf meinen Radiowecker. Die Zahlen darauf wollten einfach keinen Sinn ergeben, verschwammen immer wieder vor meinen Augen, und das Lied, das mich geweckt hatte, bereitete mir höchstens noch Kopfschmerzen, aber sicher kein waches Gefühl. Hinter dem Nachtkästchen malte das Morgenlicht, welches durch die Holzlamellen vorm Fenster hereindrang, Gold auf die schwebenden Staubpartikel in der Luft und alles hätte so friedlich sein können, wäre nicht ein Klopfen vom Boden zu hören gewesen. "Mach den Wecker aus, wenn du leben willst, Junge.", rief die tiefe Stimme meines Großvaters und er unterstrich die Warnung mit weiteren Schlägen des Besenstiels gegen die unschuldige Decke. "Er macht Tsunade wahnsinnig." Bei der Vorstellung einer wahnsinnigen Tsunade grunzte ich zuerst amüsiert, bevor ich mir den Ernst der Lage bewusst machte; Mit der Frau war nicht zu spaßen. Folgsam streckte ich den Arm, der bis dato träge über dem Bettrahmen gebaumelt hatte, nach dem Wecker aus und legte den Schalter auf ´Off`, sodass Chester und Mike von Linkin Park aufhörten, ´In the End` in mein Zimmer zu grölen. Seufzend stemmte ich mich in den Schneidersitz und ließ den Blick durch das große, unordentliche Zimmer wandern. Irgendwo auf dem Boden, versteckt zwischen leeren Chipstüten, getragenen Boxershorts und Staub musste ja wohl ein tragbares Shirt rumliegen. Zwei Wände des Raums waren verglast, die eine zeigte auf den Balkon, unter welchem sich die großzügige Küche meiner Großeltern befand, die andere wies zum offenen Wohnzimmer, in das ich über eine Treppe gelangen konnte. Zum Leidwesen von Tsunade waren die Gläser meist nicht gerade sauber, aber seit meinem achtzehnten Geburtstag weigerte sie sich, bei mir zu putzen und da es mich nicht störte blieben sie halt so. Die Wand hinter meinem Bett war mit Fotos von Freunden und mir und Postern von Bands, Stränden und nackten Frauen vollgehängt. Die dem Bett gegenüberliegende Seite teilte sich ein offen stehender Schrank mit einer Regalwand, auf der ein Flachbildfernseher sowie diverse Pokale und Urkunden, die mich als den Sieger irgendwelcher Sportveranstaltungen auswiesen, Platz gefunden hatten. Die einzige Pflanze des Hauses, eine Orchidee, stand auch dort; Tsunade hatte absolut keinen grünen Daumen und als sie durch einen Zufall herausgefunden hatte, dass mein mangelndes Interesse genau das war, was die Tropenblume brauchte, hatte sie sie wiederwillig bei mir zwischengelagert. "Stehst du jetzt endlich auf?", polterte dieses Mal eine Frauenstimme aus dem Erdgeschoss. "Bin ich doch schon, Oma.", antwortete ich, während ich in eine schwarze Jeans schlüpfte, die an den Knien schon zerschlissen war. Ich bemerkte, dass ich mein Shirt falschrum übergezogen hatte und drehte es gerade um, als Tsunade gleich einer Furie ins Zimmer stürmte. "Was hast du gesagt?!", fauchte sie, denn es gab nichts, was die zweite Frau meines Großvaters mehr hasste, als diesen Kosenamen. Ich schlüpfte nur vorne in ausgelatschte Turnschuhe und schnappte mir meine Tasche, wobei ich geschickt dem Pantoffel auswich, den die Frau nach mir warf. "Nur guten Morgen!", grinste ich süßlich, während ich den Rückzug zur Balkontür antrat. Tsunade verengte die Augen, dann wanderte ihr Blick durch das sie umgebende Chaos. Eine Gelegenheit, die ich nutzte, um nach draußen zu flüchten und die circa zwei Meter vom Balkon in den Garten zu springen. Ich hörte sie noch über meine Unordnung schimpfen, rappelte mich aber nur auf die Beine und sah zu meinem Großvater, der mich mit einem erschöpften Lächeln begrüßte. "Sie wird langsam zu alt für so was, Naruto. Reiß dich mal zusammen!", ermahnte er sanft und reichte mir eine Flasche Apfelsaft durchs Küchenfenster. Ich schnaubte nur, weil ich wusste, dass er es nicht ernst meinte. "Ach was, das hält sie jung.", lachte ich und rief beiden noch "Schönen Tag!" zu, während ich die Lederjacke überstreifte und in die Garage ging, wo mein Baby schon auf mich wartete. Meine Großeltern hatten mir das Motorrad, eine schwarze, nagelneue Honda Varadero 125, zum Geburtstag geschenkt und seither war ich Feuer und Flamme. Glaubt jetzt aber nicht, ich sei ein verwöhntes Kind, weil ich so ein teures Geschenk bekommen hatte; Normalerweise machten sie so etwas nicht, aber ich hatte schon seit Jahren von so einer Maschine geschwärmt und nach einer Probefahrt angefangen, darauf zu sparen. Da ich aber meine Unigebühren selbst bezahlen musste und auch sonst mit dem kleinen Gehalt aus dem Café, in dem ich arbeitete, auskommen wollte, hätte das ewig gedauert und so hatten sie sich entschieden, die Hälfte des Preises zu übernehmen. Tsunade sagte immer, dafür schuldete ich ihr ein Leben voller Sklavenarbeit, aber eigentlich hatten sie es gerne gemacht, weil sie wussten, dass ich nie nach so etwas gefragt hätte. Ich zog den schwarzen Helm über, betätigte die Zündung und genoss einen Moment, wie die Vibration meinen Körper erfasste, bevor ich losfuhr. Wie schon seit sechs Monaten täglich war ich eigentlich auf dem Weg zur Uni, aber davor würde ich noch einen Abstecher bei jemandem machen. Tsunade hätte nie gedacht, dass ich überhaupt irgendeinen Abschluss bekäme und jetzt war ich auf dem besten Wege, Sport- und Englischlehrer zu werde. Ok, ´auf dem besten Weg` war vielleicht etwas übertrieben; Ich würde bald meine ersten Klausuren schreiben und dann mal sehen. Aber es machte mir Spaß und ich gab mir Mühe, also würde das schon werden. Im Moment war ich aber erst mal auf dem besten Weg zu meinem besten Kumpel Kyubi Kurama. Er war ziemlich durchgeknallt und ich glaube, er hatte auch schon das eine oder andere auf dem Kerbholz, aber sein Humor war genau auf meiner Wellenlänge, er konnte auf sportlichem Niveau mit mir mithalten und man konnte, wenn es drauf ankam, das ganze Wochenende mit ihm Zocken, ohne dass er sich beklagte. Noch dazu ging er gerne feiern und verstand was von Mädels und dem Geschäft als Wingman, was mir schon die eine oder andere Bekanntschaft beschert hatte. Ich parkte das Motorrad vor einem Schild auf dem ´Fahrräder abstellen verboten!` stand - Hey, es war kein Fahrrad, oder? - Welches an der Wand eines Hochhauses angebracht war. Den Helm unter den Arm geklemmt klingelte ich im obersten, dem zehnten, Stockwerk. "Passwort?", fragte eine ernste Stimme und ich verdrehte die Augen. "Lass mich rein, Arsch." "Check... Was willst du´n so früh schon hier, Naruto?", wurde weiter gefragt als das Schloss surrend aufging. "Hatte Sehnsucht nach dir.", antwortete ich sarkastisch und ignorierte die angewiderten Laute des anderen, als ich die Tür aufdrückte. Ich rief den Aufzug, drückte, als er ankam, auf das zehnte Stockwerk und rannte los, um die Treppen zu nehmen. Etwa zwischen sechstem und siebtem Geschoss holte der Fahrstuhl mich ein und wartete bereits mit offener Tür, als ich schnaufend ganz oben ankam. "Tche, du warst schon mal schneller, Mann.", feixte der Mann, der mich vorhin auch begrüßt hatte; Einer der acht Mitbewohner meines Kumpels. Er war recht behäbig, hatte kurzes, dickes, dunkelbraunes Haar und war ziemlich klein, sodass ich ihm durch die Locken wuschelte, als ich an ihm vorbei in den Flur trat, wo ich Jacke und Schuhe ablegte. "Und du warst schon mal dünner, Isobu... Ist Kyubi gar nicht da?" "Doch, klar.", meldete sich der Gesuchte aus dem Wohnzimmer, das sich im Zentrum von neun Schlafzimmern, einem Bad und der offenen Küche befand. "Bist früh dran." Kyubi war bei seiner beachtlichen Größe von mehr als einem Meter neunzig sehr schlank, wodurch er leicht schlaksig wirkte, doch das täuschte, wie ich schon in mehreren kleinen Gerangeln hatte feststellen müssen; Jeder Zentimeter an ihm war sehnig und trainiert. Sein feurrotes Haar, das er stets zu einem straffen Zopf hochband, reichte ihm bis über den Rücken und passte gut zu der sogar im Winter gebräunten Haut und den rostfarbenen Augen, die im richtigen Licht rot zu leuchten schienen. Im Moment ließ er die Finger durch die langen Strähnen seiner Haare gleiten und musterte mich mit seinem füchsischem Grinsen, das immer, wenn es aufblitzte, seine spitz gefeilten Eckzähne offenbarte. Ich hatte nie verstanden, warum er das gemacht hatte, aber ihm gefiel das raubtierhafte Aussehen, dass ihm diese Veränderung verlieh, außerdem stand es ihm ebenso gut wie die Tätowierungen und Piercings, die er so ziemlich am ganzen Körper verteilt hatte. "Tsunade hat mich mehr oder weniger rausgeschmissen; Ich schätze, ich sollte mir mal nen anderen Wecker zulegen.", erklärte ich mit schiefem Grinsen und Kyubi lachte. "Ich benutz mal eure Dusche." Einladend deutete der Rothaarige auf die benötigte Tür, bevor er sich lässig erhob, um einen Kaffee aufzusetzen. Er hatte eine Seelenruhe weg, um die ich ihn oftmals beneidete, die ihn jedoch älter wirken ließ als seine vierundzwanzig Jahre. Oft genug hatte ich mich schon gefragt, ob er mich wegen seines Alters belog, aber das konnte gar nicht sein, immerhin kannten wir uns schon seit der Grundschule. Er hatte auch einen Faible für ältere Frauen; Seine letzte Freundin war Ende dreißig gewesen, weil er meinte, er könne nichts mit jungen, unerfahrenen Hühnern anfangen. Ich stieg unter die Dusche und wusch den letzten Rest Müdigkeit von mir ab, bevor ich zurück zu den anderen beiden ging und mich am Kühlschrank der WG bediente. "Was machen eigentlich die anderen?", fragte ich, da anscheinend die restlichen sieben Bewohner nicht anwesend waren. Isobu lehnte mit einer Tasse Kaffee - Vermutlich seiner vierten oder fünften; Er war geradezu abhängig von dem Zeug. - Am Küchentresen und zuckte die Schultern. "Vögeln, wenn sie Glück haben." "Pf... Was ist mit deiner Freundin?" Erneut hob er die Schultern. "Mit der ist nichts mehr; Seit sie schwanger ist, lässt sie mich nich mehr ran. Ich sag´s dir, behalt deinen Lümmel bei dir, wenn du keinen Gummi hast, sonst ist dein Leben im Arsch!" Kyubi stellte mir eine Tasse Kaffee hin. Er musterte seinen Mitbewohner nachdenklich. "Vermutlich kannst du froh sein, dass du deinen ´Lümmel` überhaupt jemals irgendwo hin stecken durftest.", meinte er gelassen und setzte sich neben mich, wo er eine Zeitung zur Hand nahm. Ich war der einzige, der über seinen Witz lachte, und das auch nur kurz, bevor ich nachdachte. Ich spielte mit meiner Kaffeetasse. "Also ich möcht schon mal Kinder. Nicht jetzt, klar!", fügte ich rasch hinzu. "Aber es ist doch schön, mit der Richtigen eine Familie zu gründen." "Naaaah!", machte Isobu, der sich mit einer dramatischen Geste die Hand vors Gesicht schlug. "Jetzt fängt er wieder mit seinen romantischen kleinen Vorstellungen an!" "Hey, was soll das heißen?! Nur, weil ich ne Familie haben will...!" "Bitte, verschone mich damit, Shakespeare. Ich muss jetzt sowieso zur Arbeit, damit ich Strampler und eine Wiege für die Frucht meiner Lenden kaufen kann; Juhu, welch Freude." In schlecht gemimter Freude stieß er die Faust in die Luft und stürzte seinen Kaffee runter. "Wie auch immer. Bis dann, ihr beiden." "Mhmn..." Kyubi sah nicht mal auf, aber seine Augen blitzten belustigt. Ich stocherte in meinen Cornflakes, bis diese matschig wurden, dann schob ich mir einen Löffel in den Mund und sah meinen Freund nachdenklich an. "Findest du Kinder auch so schrecklich?" Der andere blätterte eine Seite um, warf mir über das Tagesblatt einen Blick zu, den ich nicht deuten konnte. "Es hat sicher seine schönen Seiten." Ich starrte ihn an, dann riss ich Augen und Mund gleichermaßen auf. "Du hast doch nicht etwa schon Kinder?!", platzte ich lauthals heraus. Der Rothaarige lächelte ein nicht definierbares Lächeln und hob die Zeitung ein Stück an, antwortete jedoch nicht, so sehr ich auch auf ihn eindrang. "Du bist echt so ein Arsch!", kommentierte ich sowohl sein Schweigen als auch die Möglichkeit, dass er Kinder hatte, ohne mir davon zu berichten. "Und du bist so leicht zu beeindrucken.", lachte Kyubi. Er warf einen Blick auf die Uhr, faltete die Zeitung zusammen und erhob sich. Schimpfend folgte ich ihm in sein Zimmer; Wie auch seine Kleidung war seine Einrichtung ausschließlich rot und schwarz. Ich schmollte. "Stimmt doch gar nicht... Sag mal, weißt du eigentlich echt nicht, was Isobu arbeitet?", wechselte ich das Thema, den Blick auf die gekreuzten Schwerter über seinem Bett gerichtet. Mein bester Freund stand auf alles, was mit Kampfkunst zu tun hatte, beherrschte selbst einige Disziplinen und hatte großen Spaß daran, mich jedes Mal auf die Matte zu schicken, wenn wir rangelten, weil ich mir eigentlich einiges auf meine Kraft einbildete. Scheinbar amüsiert zuckte Kyubi die Schultern. "Keinen Schimmer. Dieses Geheimnis hütet er wie seinen Augapfel. Du kannst ja versuchen, es herauszufinden, aber ich fürchte, dann müsste er dich töten." "Vielleicht ist er ja Agent oder so.", staunte ich. Der Rothaarige schüttelte amüsiert den Kopf - "Sicher. Und ich betreibe einen Drogenhandel." - Und räumte weiter seine Tasche zusammen. "Wie läuft eigentlich deine Ausbildung zum Tyrannen?" Ich lachte, obwohl mir bewusst war, dass er es ernst meinte. Er hielt nicht viel vom Schulsystem und die meisten Lehrer waren für ihn zurückgebliebene Arschlöcher, denen nichts Besseres eingefallen war, um wehrlose Menschen zu schikanieren. Aber weil er wusste, dass ich das alles mit Leidenschaft machte, nahm ich die Sticheleien nicht besonders ernst. "Super. Heute lernen wir die richtige Aufstellung beim Marschieren." Mit einem Blick auf die Uhr stellte ich fest, dass ich auch los musste; Kyubi war ja eh schon in Aufbruchstimmung. "Sehen wir uns später, damit ich dich bei Battlefield zocken kann?" "Nah, sorry, ich muss lernen. Wir haben ja auch Klausuren." "Du fängst jetzt schon an zu lernen?", fragte ich leicht erstaunt, denn ich kannte meinen Kumpel als jemanden, der seine Noten immer irgendwie aus dem Ärmel geschüttelt hatte, ohne dafür zu arbeiten. Die roten Brauen des anderen wanderten in dessen Stirn, als er mich ansah. "Ich lerne seit über einem Monat. Ist dir klar, wie viel Stoff das ist?" Unbeeindruckt zuckte ich die Schultern. "Sooo schlimm kann das doch gar nicht sein. Und es ist immerhin noch fast ein Monat." "Keine drei Wochen mehr… Naruto, du musst den Stoff aus jeder einzelnen Lesung der letzten drei Monate können. Ich nehme an, du hast noch nicht mal angefangen, es zusammen zu fassen, oder?" Als ich ihn irritiert ansah, seufzte er und schulterte die Tasche. "War irgendwie klar, dass du es in den Sand setzt... Aber na ja, du hast ja noch einen Versuch, wenn es nicht klappt." Gemeinsam gingen wir zur Tür. Inzwischen hatte Kyubi es geschafft, mich zu beunruhigen, doch dann schnaubte ich nur unbekümmert und nahm mir vor, mich etwas weiter umzuhören bei den anderen Studenten. "Pah, übertreib nicht, du Streber!" Auf dem Weg zur Uni grübelte ich über das nach, was Kyubi gesagt hatte und fragte meine Kommilitonen, wie ihre Prüfungsvorbereitungen abliefen. Zu meinem Schrecken sahen fast alle die Sache wie mein bester Freund - Und die, die ebenso wenig vorbereitet waren wie ich, waren die, von denen ich wusste, dass sie keines der Testexamen, die uns einige Professoren gegeben hatten, bestanden hatten. Völlig fertig saß ich in den Lesungen und stellte Fragen, die vor Wochen schon beantwortet worden waren. In den Freistunden machte ich Notizen und fasste die Informationen zusammen, wie Kyubi es mir geraten hatte. Ich erstellte sogar einen Fragenkatalog und übernahm Übungen, die die anderen bereits gemacht hatten. Insgesamt arbeitete ich so hart wie noch mein ganzes Studium lang nicht, nur, um am Schluss vor einem riesigen Ordner zu sitzen, den ich innerhalb der nächsten drei Wochen durchbüffeln musste. Im Klartext hieß das: Ich war sowas von im Arsch. Ich wohnte gratis bei meinen Großeltern, aber Tsunade hatte klar gemacht, dass sie das nicht ewig mitmachen würde. Sicher, ich half am Haus wo ich konnte, kochte, ging einkaufen und reparierte, was so anfiel, doch ich konnte mir gut vorstellen, dass die Oma mich in einem Wutanfall rausschmeißen würde, wenn ich die Prüfungen versaute - Wonach es im Moment stark aussah. Und ich arbeitete zwar in einem kleinen Café auf dem Campus, aber das Geld würde trotz BaFÖG nie für einen eigenen Haushalt reichen. Das war mit einem zarten Alter von zweiundzwanzig schon peinlich, aber mit dem Umweg über Haupt- und Realschule war es nicht schneller zum Abitur gegangen. Ich hatte erst zu spät angefangen, mich für die Schule zu interessieren, etwa Mitte der neunten Klasse, also erst kurz vor der Quali-Prüfung. Damals hatten meine Großeltern mich auf ein Berufsbildungsseminar geschleppt auf dem lauter langweilige Bürojobs angeboten wurden. Schon nach kurzer Zeit war ich mit ein paar Kindern abgezogen und hatte mit ihnen Fußball gespielt, bis ihre Eltern sie einsammelten. Bei der ganzen Aktion war ein junger Professor auf mich aufmerksam geworden und hatte ein langes Gespräch mit mir geführt, aus dem mein Wunsch nach Studium und Abitur und eine bis heute währende Freundschaft entstanden war. Von da an war meine Karriere als Schwänzer und Krawallmacher weitestgehend beendet und ich war wohl selbst am meisten überrascht von den positiven Ergebnissen, die ich mit ein bisschen Engagement erzielen konnte. Ich wiederholte die neunte Klasse, machte einen Quali der gut genug war, um auf die Realschule zu wechseln und bestand trotz einiger Hänseleien der anderen Kinder auch meine Mittlere Reife Prüfung. Viele zeigten sich beeindruckt von meinem Kampfgeist und aus dieser Zeit hatte ich ein paar meiner besten Freunde behalten, genauso wie aus den drei Jahren, die ich anschließend auf dem Gymnasium verbracht hatte. Im Umkehrschluss hatte ich aber auch viele meiner früheren Freunde aus der Hauptschule verloren, weil sie mich als Streber abstempelten, sobald meine Noten über einen Vierer-Durchschnitt wanderten. Ich schätze, es war auch ein bisschen Neid im Spiel, aber damals hat mich das nicht aufhalten können und heute bin ich mehr als stolz auf das, was ich erreicht habe. Aus diesem Grund jedoch bestand mein Bekanntenkreis heute vorrangig aus jüngeren Leuten. Die meisten, die mit mir Abitur gemacht hatten, waren zwischen achtzehn und neunzehn gewesen als ich schon einundzwanzig war und die Leute aus der Realschule waren jetzt auch höchstens zwanzig. Einzig Kyubi war nach einer Ausbildung zum Fotografen einen ähnlichen Weg wie ich gegangen - Er war allerdings auf der Fachoberschule gewesen - Und mir als Freund erhalten geblieben. Und all das stand jetzt auf dem Spiel, aber nicht etwa, weil ich zu faul gewesen wäre, um zu lernen, sondern nur wegen meiner Schludrigkeit, was für mich doppelt bitter war. Am Abend erzählte ich meinen Freunden von meinem Problem, aber es stieß nicht auf das erwartete Entsetzen sondern eher auf Resignation, als wären ihre Erwartungen bestätigt worden. "Typisch du.", seufzte Sakura Haruno und warf sich das rosane Haar über die Schulter. Sie studierte Medizin, hatte sich aber auch schon vor dem Abitur für Heilkunde interessiert und sich wohl zuerst nur mit mir angefreundet, um mit Tsunade bekannt zu werden. Diese war nämlich eine Art Koryphäe auf dem Gebiet der Krebsforschung. Oftmals führten die beiden stundenlange Gespräche, von denen ich kein Wort verstand. "Sakura-chan, das ist echt ernst!", quengelte ich. "Hat echt keiner von euch Zeit, mir Nachhilfe zu geben?" Sakura schüttelte den Kopf. "Tut mir leid, aber ich muss selbst noch eine umfangreiche Arbeit fertig machen. Außerdem helfe ich Ino bei der Eröffnung ihres Ladens." "Wann ist es denn so weit?", erkundigte Tenten Ama sich vom Schoß ihres Freundes Neji aus. Sie war die einzige, die erst im Studium kennengelernt hatte. Wir hatten einige Kurse zusammen, denn sie studierte Sport-, Mathe- und Physiklehramt. Ihr Freund, mit dem sie schon seit Ewigkeiten zusammen war, studierte Jura und war schon seit einem Jahr dabei. Er hatte mit siebzehn Abitur gemacht, da er die achte Klasse übersprungen und danach eine Ausbildung zum Anwaltsgehilfen in New York absolviert hatte, um jetzt hier zu studieren. Mit einundzwanzig war er einer der Älteren meines Bekanntenkreises, aber wohl so ziemlich der jüngste Student seines Semesters. Lustiger Weise war er der Cousin einer meiner besten Freundinnen aus gymnasialen Zeiten, aber bevor ich Tenten kennengelernt hatte, hatte ich ihn noch nie gesehen. "Drei Monate noch.", antwortete Sakura gerade. "Es gibt noch verdammt viel zu tun und Ino ist jetzt schon total fertig, obwohl ihr Vater ihr unter die Arme greift." "Wundert mich immer noch, dass sie nicht Design oder so was studiert.", meinte Kiba, der sich die öligen Hände an seinen Arbeitshosen abwischte, bevor er eine Cola aufmachte. Wie die bald selbstständige Floristin kannte ich ihn aus meiner Realschulzeit, nur, dass er eine Lehre zum Mechaniker gemacht hatte und im Moment an seinem Meisterbrief arbeitete. "Na ja, sie hat schon immer bei ihren Eltern mitgeholfen." Sakura zuckte die Schultern und wandte sich ihrem Buch zu. "Das ist ja alles schön und gut, aber können wir jetzt wieder über etwas Wichtiges reden: Mich und mein bald beendetes Studium, zum Beispiel?" Allgemeines Augenrollen war die Antwort; Sie dachten alle, ich wäre einfach zu faul gewesen, um zu lernen und egal, was ich ihnen beteuerte, das Gegenteil konnte ich ihnen nicht glaubhaft machen. Schließlich erbarmte Tenten sich mit einem Seufzen. "Ich werde das zwar noch bereuen... Aber am Mittwochabend findet von neun bis halb elf ein Nachhilfekurs statt. Der Professor, Iruka Umino, hat echt was drauf und die Fragen, die er durchnimmt, sind prüfungsrelevant. Ich meine, ich hab zwar kein Englischlehramt, aber vielleicht würde es dir trotzdem was helfen. Wenn du willst, können wir ja gemeinsam hingehen." "Echt jetzt?!", strahlte ich und mein Lächeln wurde noch breiter, als sie nickte. "Du bist meine Rettung, ohne Scheiß! Soll ich dich dann abholen?" "Nein.", mischte sich jetzt auch Neji ein und musterte mich dabei missbilligend. "Sie fährt sicher nicht auf dieser Höllenmaschine mit, vor allem, wenn du am Steuer bist." "Was soll das jetzt heißen?", schmollte ich, doch er schnaubte nur, als wäre schon alles gesagt. "Das soll heißen, dass du Geschwindigkeitsbegrenzungen eher als Herausforderung zu sehen scheinst.", seufzte Sakura, die ihre Lektüre beendete und sich das Haar hinters Ohr strich. Anmutig erhob sie sich, den schmalen Träger ihrer Handtasche um die Schulter geschlungen. "Aber ich würde auf eigene Gefahr trotzdem mitkommen, wenn du mich heim bringst." Glücklich stand ich auf und sammelte mein Zeug ein. "Bis dann, Leute... Und danke, Tenten!", rief ich, während ich dem Mädchen zu meiner Maschine nachlief. Kurz druckste ich mit meinem Schlüssel herum, dann warf ich ihr einen scheinbar völlig beiläufigen Blick zu. "Und, wie sieht´s aus mit Freitag?" Mit hochgezogenen Brauen beobachtete Sakura, wie ich ihre und meine Tasche unter dem Sitz verstaute. Es war etwa dieselbe Mischung aus Widerwillen und Mitleid in ihrem Gesicht, die sie auch schon letztens gezeigt hatte, als ich sie nach dem Date fragte. "Du solltest lieber lernen als Eis essen gehen.", meinte sie schließlich langsam und zog meine Lederjacke und meinen Helm über. "Ah... Klar.", antwortete ich mit unbekümmertem Grinsen und stieg auf die Honda, nachdem ich ihr den Riemen am Kinn festgezogen hatte. Etwas umständlich krabbelte sie hinter mich, dann fuhren wir los - Ließen das Thema weit hinter uns. Sie hatte ja Recht, aber irgendeine Ausrede hatte sie schon seit zwei Jahren immer, um nicht mit mir auszugehen. Ich wusste echt nicht, was sie nicht in mir sah; Ich sah gut aus, war treu, brachte sie zum Lachen, kümmerte mich um sie... Und trotzdem hatte sie mich in die Friend-Zone verbannt. Vielleicht dachte sie, ich würde im Leben nichts auf die Reihe bringen - Wie meine momentane Notenlage bestätigte. Ich meine, Sakura war eine Klassefrau, die in Erwartung eines hoch dotierten Jobs promovieren würde, wenn sie in ein paar Jahren fertig war mit ihrem Studium, da bestand keine Frage für mich. Und natürlich erwartete so eine Frau auch einen Mann, der ihr etwas bieten konnte, einen, der mit ihrem Intellekt mithalten konnte. Nicht so einen Dorftrottel wie der, für den sie mich offensichtlich hielt... Aber ich tat mein Bestes für dieses Studium - Hatte es schon seit Jahren getan. Und die Erfahrung hatte gezeigt, dass ich absolut alles schaffen konnte, wenn ich mich nur da hineinhängte. Ihr, dachte ich, als ich zusah, wie sie im Haus ihrer Eltern verschwand, würde ich das auch noch beweisen, egal, was sie oder die anderen dachten. "Damit bist du spät dran. Die anderen haben schon lange gesagt, dass sie nicht mehr so viel arbeiten können und ich brauche jemanden, der da ist." "Bitte, Chef! Ich hab echt keine Zeit, abgestandenen Kaffee an die Leute zu verscherbeln... Vier zwanzig, bitte, die Dame.", fügte ich an die wartende Kundin gewandt hinzu, die mich und ihren Becher böse anstarrte, während sie mir das Geld gab. Ich ignorierte sie. Nicht mal Trinkgeld hatte sie gegeben, die alte Ziege. Auch mein Chef schien wenig erfreut über meine Ausdrucksweise. "Zum einen ist das hier der beste Kaffee der ganzen Gegend.", behauptete er und gab der Kaffeemaschine, die schon seiner Urgroßmutter gehört hatte, wie er behauptete, einen liebevollen Klaps. "Und zum anderen sind deine Prüfungen nicht mein Problem, yo? Entweder, du findest einen Ersatz - Oder du arbeitest die vereinbarten Stunden, ganz einfach, mein Schatz." Ich verzog das Gesicht wegen des miesen Reims - Ganz abgesehen von dem unpassenden Kosenamen - Und seiner Abfuhr. "Wie soll ich denn jetzt einen Ersatz finden?", stöhnte ich erschöpft. Ich schob einer anderen Studentin Zucker und Sahne hin, die sie bei ihrer Figur lieber weggelassen hätte, und wandte mich meinem Chef mit verzweifeltem Gesichtsausdruck zu. "Es müssen doch alle arbeiten für die Prüfungen." Ich mochte den großen, schwarzen Mann, der meist eine Sonnenbrille trug und sich die Rastas blond gefärbt hatte, obwohl er schon ein Vogel war. Meist sprach er in Reimen und hielt sich für den größten Rapper auf Erden, von seinem aufgeplusterten Ego mal ganz zu schweigen. Aber wenn er einem nicht gerade den dringend benötigten Urlaub verweigerte, war B ein netter Kerl, mit dem man Spaß haben konnte und der eine gute Menschenkenntnis besaß. Jetzt gerade drückte er mir eine Tasse Cappuccino für Tisch drei in die Hand und zuckte die Schultern. "Das ist dein Problem - Da musst du selbst weiter sehn. Diesen Weg wirst du alleine gehn - Und deine Prüfungen bestehn!" Während er das lauthals von sich gab, wandte ´Killer` B sich ab und ich schnitt ihm eine ungnädige Grimasse, obwohl mir das natürlich auch nicht weiter half. Die nächsten zwei Stunden verbrachte ich damit, die perfekte Möglichkeit auszutüfteln, gleichzeitig Milch in Herzform in eine Tasse zu kippen, die Kaffeemaschine zu bedienen, mir Notizen zu machen und in meinem Buch zu lesen und das alles, ohne dass etwas daneben kleckerte. Diese Arbeitsweise führte dazu, dass eine Dame, die einen laktosefreien Milchkaffee mit extra Schaum bestellt hatte - Ich bitte euch; Was soll denn das? - Von ihren Sitznachbarn schräg angeschaut wurde, weil ihr des Öfteren Mal ein laues Lüftchen entfuhr. Davon bekam ich natürlich nichts mit, sonst hätte ich wahrscheinlich ganz schnell die Sahne verschwinden lassen, die ich in ihr Getränk gekippt hatte ohne nachzudenken. Als meine Schicht endlich um war, verzog ich mich mit einem großen Latte Macchiato und einem noch viel größeren Donut in die hintere Ecke des Cafés vor einen Computer um zu arbeiten, bis mir die Augen zufielen. Ich wachte erst auf, als mein Handy klingelte. "Hä...?", nuschelte ich in den Hörer und wischte mir etwas Speichel aus dem Mundwinkel, was ein Mädchen, das in der Nähe saß, mit angewidertem Gesicht beobachtete. Ich wandte mich ab. "Nette Begrüßung.", lachte Tenten und mir fiel der blöde Kurs wieder ein. "Wo bist du?" "Scheiße... Oh, Fuck, tut mir leid! Ich war den ganzen Tag arbeiten und bin eingeschlafen...", haspelte ich, während ich meine Sachen einsammelte und in meine Tasche stopfte. "Bei deinem Arbeitstempo kein Wunder.", kicherte das Mädchen und ich grummelte widerwillig. "Haha, sehr witzig... Scheiße, Mann, ich hab echt total verpennt." "Hab ich mir schon gedacht." Noch immer klang sie amüsiert. "Zimmer hundertzwei, ja?" "Jup, bis gleich." Ich legte auf und dann legte ich den Sprint meines Lebens hin. Drei Treppen runter, ein Mal quer über den Campus und einen scheinbar endlosen Flur entlang, bevor ich die Tür von besagtem Raum hundertzwei aufriss. Und das alles in nicht mal zehn Minuten - Wo waren die Leute vom Guinnessbuch der Rekorde, wenn man sie mal brauchte? Dreißig verwirrte, entnervte Augenpaare richteten sich auf mich, darunter auch das von Tenten, die beschämt das Gesicht abwandte und die Hand vor die Augen legte, als ich laut "Sorry, ich bin spät dran!" rief und mich in ihre Richtung durchkämpfte. Einiges Gerangel entstand, als ich mich zwischen den Studenten und ihren geliebten Tablets durchkämpfte. Wirklich, die sahen mich alle an, als würden sie mich erschlagen, wenn ich ihren Babys auch nur einen Blick zuwarf, und das, obwohl ich absolut nicht verstand, was an den Dingern so geil sein sollte. Ich meine, die sahen aus wie Brotzeitbretter. Der Dozent hatte die Unruhe genutzt, um mich ausgiebig zu mustern und fragte jetzt mit kühler Stimme: "Und Sie sind?" "Uzumaki Naruto, Sir! Zu Ihren Diensten, Sir!", salutierte ich grinsend und ließ mich neben meine Freundin auf einen Stuhl plumpsen. Aus irgendeinem Grund nuschelte sie auf meine freundliche Begrüßung nur beschämt ´Hi...`, ohne mich anzusehen. "Lassen Sie sich von mir nicht aufhalten.", fuhr ich an den Professor gewandt fort. "Ich nehme an, das ist der Bekannte, von dem Sie sprachen, Tenten?", fragte er und seufzte, als sie verhalten nickte. Ein mahnender Blick in meine Richtung, dann fuhr er fort. Ich ignorierte seine stumme Aufforderung, mich bedeckt zu halten, indem ich mehrere Fragen in den Raum warf, die teilweise noch nicht mal zum Thema der Stunde gehörten - Immerhin lag der Schwerpunkt dessen, was ich in meinen Prüfungen brauchen würde, wo anders als der, den die Studenten hier haben würden. Aber das störte mich weniger, immerhin war das da ein Lehrer und der musste auf all seine Schüler eingehen. "Wenn man das Verb also...", fing ich gerade an, nachdem wir schon fünf Minuten über einen bestimmten Sachverhalt diskutiert hatten, und jetzt reichte es Iruka endgültig. "Schreiben Sie Ihre Fragen auf, dann beantworte ich sie nach der Stunde, wenn sie sich nicht ergeben." "Aber das Verb..." "RUHE JETZT!", blaffte er mich an und ich fügte mich unwillig; Sein erregtes Schnaufen und die langen Haare, die sich schon aus seinem sonst säuberlichen Zopf gelöst hatten, verliehen ihm ein irgendwie bedrohliches Aussehen. Ich war immer gut in Englisch gewesen und auch stolz darauf, aber das, was der da erzählte, half mir kaum bei den Prüfungsvorbereitungen, sodass ich langsam das Gefühl hatte, das hier wäre ein zusätzlicher Fleiß-Kursus. Und dafür hatte ich wirklich keine Zeit. Trotzdem blieb ich bis zum Schluss, einfach, weil Iruka mich vermutlich geköpft hätte, wenn ich noch mal aufgestanden wäre. Außerdem wollte ich Tenten gegenüber nicht unhöflich erscheinen. "Nächstes Mal sei doch nicht ganz so laut.", bat Tenten, sichtlich erleichtert, dass es vorbei war. "Hey, ich war gar nicht laut!", protestierte ich laut und mürrisch, während ich meine Sachen wegräumte. "Außerdem weiß ich nicht, ob es ein nächstes Mal geben wird - So hilfreich war das alles nicht." "Finden Sie?", fragte eine Stimme, die mich ertappt zusammenfahren ließ. Unbemerkt von uns beiden war Iruka Umino zu uns getreten und sah mich aus seinen braunen Augen offen verärgert an. "So war das nicht gemeint, Professor. Jeder hat ja seine eigen Lernmethoden und so..." Verlegen kratzte ich mich am Kopf und grinste unschlüssig. Am liebsten wäre ich ganz wo anders. Der Dozent gab ein Schnauben von sich. "Wenn Sie meinen. Also, haben Sie noch Fragen?" Er klang nicht begeistert von der Vorstellung, mich noch länger an der Backe zu haben, und auch ich war nicht besonders scharf darauf, weiter hier zu bleiben, aber es gab tatsächlich noch ein paar Unklarheiten, bei denen er mir helfen konnte, auch solche, die nicht erst in dieser Stunde aufgetaucht waren. Nach einer halben Stunde verabschiedete Iruka sich von uns und ich schenkte ihm ein ehrliches Lächeln, ehe er über den dunklen, leeren Kampus davon ging. "So übel ist er doch nicht.", teilte ich Tenten mit. "Siehst du?" Das Mädchen lächelte leicht. Auch sie war geblieben, um noch etwas zu lernen. Und vermutlich, weil Neji keine Zeit hatte, sie abzuholen und sie keine Lust hatte, alleine im Dunklen auf ihren Bus zu warten. "Probier jetzt mal ein paar der Prüfungsfragen aus. Du wirst sehen, dass es leichter geht." "Dann kann das Examen ja kommen!", rief ich ausgelassen grinsend und sie lachte, aber insgeheim war ich besorgt, immerhin waren es bis dahin nur noch zweieinhalb Wochen. "Für den tollen Tipp bringst du mich jetzt aber heim." Ich legte überrascht den Kopf schief. "Ich dachte, Neji fände es nicht gut, wenn du bei mir mitfährst?" "Und ich dachte, er wäre mein Freund und nicht mein Dad.", gab sie, offensichtlich mürrisch, zurück. Darüber hatten die beiden wohl auch schon des Öfteren diskutiert. Ich wollte nicht, dass sie schlechte Laune hatte, und überlegte einen Moment, bevor ich wieder lächelte. "Wie wär´s mit einer Tour, bevor ich dich zu Hause absetze? Zum See oder so." Sie setzte den Helm auf, den ich ihr gegeben hatte, und sah mich unter dem Visier hervor prüfend an. "Musst du nicht...?" "Wenn ich heute noch ein Wort lese, lauf ich Amok, echt jetzt. Also? Wir können ja die anderen anrufen, ob sie auch baden wollen.", schlug ich vor, als mir aufging, dass sie das womöglich für eine Anmache hielt, was es nun wirklich nicht war. Ich wollte sie aufheitern und selbst den Kopf frei bekommen, das war alles. Sie war hübsch und alles, aber es war nicht mein Stil, Mädels mit einem Freund anzugraben. Kurz überlegte sie, dann grinste Tenten. "Nee, machen wir das zu zweit. Ich wollte eh schon ewig, dass du mir zeigst, wie man das Ding fährt.", meinte sie mit einem Nicken in Richtung meines Motorrads. Der See war eine halbe Autostunde von der Stadt entfernt und lag mitten im Wald. Ich genoss die warme Nachtluft auf Gesicht und Haaren und die Selbstsicherheit, mit der Tenten sich hinter mir in die Kurven der Landstraße legte. Der Wind blies mir die Anspannung aus dem Kopf und ich beschloss, die nächsten paar Stunden einfach zu genießen ohne der verlorenen Lernzeit nachzutrauern. Es war so spät, dass ich sowieso nur noch ins Bett gegangen wäre. Der Steg, an dem meine Freunde sich im Sommer immer trafen, lag etwas abseits des eigentlichen Strands, an dem sich tagsüber Familien mit ihren Kindern und nachts Teenager mit ihrem Schnaps herumtrieben. Zwischen den sanften Hügeln, die dicht mit Bäumen bestanden waren, glänzte das jetzt schwarze Wasser im Mondlicht. Wir feierten hier des Öfteren, aber es war auch ziemlich cool, nur zu zweit die Anlegestelle aus verwittertem Holz entlang zu laufen. Unter einer Holzplanke verborgen hatten wir ein Versteck für Alkohol, Decken, Luftmatratzen, Süßigkeiten und Zigaretten angelegt. Von letzteren zündete Tenten sich erst mal eine an, als wir es uns dort waren. Ich als aktiver Nichtraucher rümpfte die Nase, während ich Schuhe, Shirt und Hose auszog. "Du als Sportlehrerin solltest es eigentlich besser wissen.", kommentierte ich ihren Laster. "Noch bin ich keine Lehrerin.", entgegnete sie gelassen und stieß den Rauch in die Nacht. "Außerdem ist meine Kondition gut genug. Du weißt, dass ich nur selten Rauche.", grinste sie und hielt mir die Schachtel hin, doch ich schnaubte nur und sprang mit einem perfekten Hecht in das tiefschwarze Wasser. In großen, gleichmäßigen Zügen schwamm ich zum anderen Ufer und zurück, wofür ich einen spöttischen Applaus von meiner Zuschauerschaft erhielt. "Lahmarsch.", spöttelte Tenten vom Steg aus. "Mach´s besser.", verlangte ich und hörte schon das Klatschen eines schlanken Körpers im Wasser. Ich wollte etwas sagen, doch bevor ich das konnte, stürzte Tenten sich auf meine Schultern, wodurch sie mich unter die Oberfläche drückte. Überrascht trieb ich ein paar Sekunden unter ihr, bevor ich sie an der Taille packte und von mir drückte. Schnaubend tauchte ich wieder auf und griff nach ihr, doch sie lachte nur und schwamm blitzschnell davon. Ich setzte ihr nach und wir jagten uns durchs Wasser, bis sie sich auf den Steg rettete. "Siehst du? So macht man es besser.", lachte sie ausgelassen und schnappte sich eines der Handtücher aus dem Versteck. Ich trocknete mich ab, als sie mir das Handtuch gab, dann musterte ich Tenten einen Moment und grinste schließlich. Schon als ich auf sie zuging, wich sie wie in böser Vorahnung zurück, aber es war zu spät. Alles Zetern half nichts; Ich packte sie, trug sie zum Rand des Stegs und warf sie in den See aus dem sie nach ein paar Sekunden prustend und strampelnd wieder auftauchte. "Vendetta! Vendetta Farfalla!", zitierte sie eine Simpsons-Folge, über die wir uns mal so köstlich amüsiert hatten, dass der Spruch ab und zu wieder ausgegraben wurde, und drohte mir gespielt mit der Faust, doch ich lachte nur. "Komm raus da, dann zeig ich dir, wie man Motorrad fährt." Die Rachegedanken waren vergessen, als sie ihr durchweichtes Top auszog und gegen mein Shirt tauschte. Wenig später standen wir am Parkplatz und ich erklärte einer sichtlich ungeduldigen Tenten erst mal die Mechanik, bevor ich sie auf die Maschine ließ. In Schrittgeschwindigkeit fuhr sie die ersten Meter neben mir her, ließ das Motorrad ein paar Mal absaufen, stellte sich aber insgesamt nicht dumm an, sodass ich ihr schließlich erlaubte, etwas mehr Gas zu geben. "Schalt mal in den zweiten Gang... Das Fußpedal.", half ich weiter, als sie instinktiv nach dem nicht vorhandenen Schaltknüppel fasste. Mein Helm auf ihrem Kopf ruckte nach hinten, als sie nickte, doch als sie nach der Kupplung griff, zog sie versehentlich das Gas an. Ein hoher Schrei war zu hören, ich rief erschrocken "Scheiße, brems!", aber die Honda machte bereits einen Satz nach vorne. Vor Schreck klammerte Tenten sich fester an die Griffe und vergaß dabei völlig, das Gas loszulassen. Ich rannte ihr nach, sah sie schon auf den Abhang zusteuern und brüllte, sie solle halten, weil ich sie nicht einholen konnte, aber es war zu spät. Noch ein Schrei, dann hatte die Nacht das Mädchen und mein Motorrad verschluckt wie ich einen Tortilla. Mit rasendem Herzen lief ich zu der Stelle, an der sie von der Fahrbahn abgekommen war. Ein paar Meter weiter unten am steilen Hang sah ich den Scheinwerfer der Honda, doch Tenten konnte ich in der Dunkelheit nicht erkennen. Ohne nachzudenken sprang ich die Böschung runter und rief ihren Namen. Ein halb ersticktes Geräusch führte mich zu einem Busch in der Nähe, wo ich das etwas verhedderte, dreckige, aber dennoch lebendige Mädchen vorfand. "Alles ok?", fragte ich besorgt und zog sie aus dem Gestrüpp. "E-Entschuldige, ich hab mich so erschrocken als es plötzlich schneller w-wurde...!", fiepste die schockierte Tenten und warf dem an einem Baum verkeilten Motorrad einen unglücklichen, fast schon mitleidigen Blick zu. "Hör auf! Ich bin nur froh, dass du in Ordnung bist, ohne Scheiß!" Ich zupfte ihr Blätter aus dem Haar und half ihr nach oben, wo ich sie nach Verletzungen inspizierte, aber wie durch ein Wunder schien sie bis auf ein paar Kratzer unverletzt. Schnell holte ich Schnaps, Schokolade und Decken vom Steg und versorgte sie mit allem, obwohl sie immer wieder betonte, es ginge ihr gut. Als ich mir sicher war, dass sie nicht in Ohnmacht fallen würde, machte ich mich an die Bergung meiner Maschine. Das war bei der Steigung der Böschung allerdings gar nicht so einfach und ein paar Mal rutschte ich auch ab, aber schließlich half Tenten mir, den ersten Reifen auf den Asphalt zu heben. Endlich konnte ich mein Baby abstellen und begutachten, aber es sah nicht aus, als wäre etwas Größeres kaputt. "Es tut mir so leid!", wiederholte das Mädchen traurig, da sie wusste, wie ich an dem Ding hing, doch ich winkte nur ab. Viel zu erleichtert war ich über unser unverschämtes Glück, dass Tenten nichts passiert war. "Ich hab dich ja fahren lassen, also ist es meine Schuld. Da wirft Kiba mal einen Blick drauf und dann ist alles gut. Ich bin echt heilfroh, dass du dich nicht verletzt hast. Als du verschwunden bist, hab ich mir fast in die Hose gemacht, Alter." Einen Moment herrschte Schweigen, in welchem wir beide auf die Unfallstelle blickten. Dann meinte Tenten: "Das erzählen wir Neji lieber nicht." "Ich bitte darum!", erwiderte ich und wir lachten beide, nervös, aber erleichtert. Nachdem wir uns eine Ausrede für die Kratzer ausgedacht hatten und ich Tenten bei Neji abgeliefert hatte, trudelte ich zu Hause ein, ausnahmsweise sogar durch die Haustür und nicht über den Balkon. Die warme Luft hatte meine Kleider fast getrocknet, die vom Schwimmen durchweicht gewesen waren, aber mein Haar klebte mir verräterisch in Gesicht und Nacken, als ich in die Küche trat, an deren Tisch mein Großvater noch saß. "Wow, du lebst ja noch.", sagte er scherzhaft, während ich mir eine Portion Instantramen warm machte. "Seit letztem Freitag hat man dich ja kaum noch zu Gesicht bekommen." "Ich hab viel zu tun für die Uni. Bald sind doch Prüfungen." Bekräftigend deutete ich mit dem Löffel auf ihn, ehe ich mir diesen in den Mund stopfte um Wasser in die kleine Plastikschale zu kippen und diese in die Mikrowelle zu befördern. Abwartend lehnte ich an der Küchenzeile. Von meinen Defiziten hatte ich den beiden nichts erzählt; Ich wollte die Enttäuschung auf ihren Gesichtern wirklich nicht sehen. "Ah, natürlich. Obwohl du eher nach Baden als nach Büffeln aussiehst." "Jaa. Ich hab die Woche nur gelernt und brauchte etwas Abkühlung. War mit Tenten am See." "Ist das deine neue Freundin?", erkundigte er sich interessiert, schloss sogar die Zeitung, in welcher er bis dahin geblättert hatte. Es war eine FHM und das Covergirl war unbestreitbar heiß; Wahrscheinlich der Grund, warum Jiraija das Magazin jetzt, um halb zwei Uhr Nachts, las. "Neeehehehe!" Ich unterstrich meinen Protest lebhaft mit abwehrenden Handbewegungen. "Die ist mit nem Kumpel liiert. Außerdem hab ich keine Zeit für ne Freundin." Amüsiert zog der Ältere eine Augenbraue hoch. "Immer noch kein Glück mit Sakura?", traf er den Nagel auf den Kopf. Seufzend ließ ich mich auf den Stuhl neben seinem plumpsen, als ich meine Suppe aus der Mikrowelle geholt hatte, und erdolchte die Nudeln fast mit dem Löffel. "Keine Chance." "Mhm... Konzentrier dich doch erst mal auf dein Studium. Alles andere ergibt sich dann schon." "Das hat sie auch gesagt.", schmollte ich und schob mir einen Löffel in den Mund. "Ist doch total ätzend! Andere Leute arbeiten Fulltime und kriegen eine ganze Familie auf die Reihe und ich bin schon ewig Single. Du warst in meinem Alter sogar verheiratet." "Das waren ja auch noch andere Zeiten, Junge.", beschwichtigte mein Großvater lachend. "Außerdem; Hör auf zu jammern! Das ist ja schrecklich! Wenn du eine Frau willst, musst du mit Gefühl um sie werben, dann wird sie dir schon nachgeben, oh ja!" Ich grinste leicht, als ich sein wissendes Nicken sah, das so typisch für ihn war. Er war und blieb einfach ein Casanova. "Tche... Hast ja Recht.", ergab ich mich und er lächelte. Ich aß meine Ramen fertig, schmiss den Becher weg und räumte die Spülmaschine ein. Dann sorgte ich in der Küche noch etwas für Ordnung - Jaaa, wenn es nicht um mein Zimmer ging, konnte ich durchaus sauber machen - Bevor ich zu der Tür ging, die nach oben führte, und meinen Großvater noch mal ansah. "Bist du gar nicht müde?" "Alte Leute sind manchmal eben rastlos. Denk dir nichts dabei.", erwiderte Jiraija ohne von seiner Zeitung aufzusehen. Ich dagegen musterte ihn genauer. Er und Tsunade waren beide fast siebzig und obwohl sie mir nie alt erschienen waren, waren sie es doch sicher müde, einen Studenten im Haus zu haben, der kaum etwas zum Haushalt beitragen konnte. Natürlich brauchten sie es nicht - Tsunade dozierte noch immer, hatte mehrere erfolgreiche Sachbücher geschrieben und Jiraija war ein bekannter Autor - Aber trotzdem fühlte ich mich nutzlos. Überrascht von meinen eigenen Gedanken nuschelte ich "Nacht..." und verzog mich in mein Zimmer. Ich brauchte dringend eine Mütze voll Schlaf, um diesen Quatsch aus meinem Kopf zu bekommen. Mein Zimmer war für meine Verhältnisse extrem ordentlich, da ich auf der Suche nach ein paar Unterlagen alles aufgeräumt hatte. Auf dem Schreibtisch, der am Fenster zum Balkon stand, lagen Blätter und Ordner, genauso wie auf der Seite des Bettes, auf der ich nicht schlief. Dort türmten sich zusätzlich noch CD-Hüllen, DVDs, die ich längst mal zurückgeben sollte, Fotos, Zeitschriften und Bücher; Alles in allem ein großes, trauriges Zeugnis für mein übermäßig langes Singledasein, welches bereits seit fast einem Jahr andauerte. Nicht, dass ich zwischendrin nicht das eine oder andere Mädchen gehabt hätte, aber das war nie etwas Festes gewesen, obwohl ich richtige Beziehungen lockeren Affären eindeutig vorzog. Deprimiert von dem Gedanken ging ich zu meinem Arbeitsplatz und schaltete den PC ein. Ich zog mir das Shirt aus und machte gerade die Hose auf, als mir auffiel, dass ich beobachtet wurde. Verkniffen lächelnd winkte ich der alten Dame zu, die gegenüber wohnte. Sie schien einen Narren an mir gefressen zu haben, seit ich mal ihre Katze aus dem Baum gerettet hatte, und jetzt belagerte sie mich ständig mit irgendwelchen kleinen Bitten; Das Gartenhaus streichen, den Rasen mähen, mit den Enkeln spielen, den Keller aufräumen... Das wiederum belohnte sie mit Unmengen von Keksen, die aber zumindest gut schmeckten. Im Moment allerdings hatte ich weder Zeit noch Lust für so etwas - Mein Gott, es war mitten in der Nacht, warum schlief diese alte Lady eigentlich nicht?! - Und ich zog die Vorhänge zu. Erschöpft schaltete ich leise Musik ein, bevor ich duschen ging. Das heiße Wasser tat mir gut, half, mich zu entspannen und meine Gedanken zu sortieren. Heute war erfolgreich gewesen, es gab keinen Grund für meine miese Laune. Und wenn ich es schaffte, das Lernpensum zu halten, das ich mir in den letzten fünf Tagen angeeignet hatte, würde ich die Prüfung bestehen. Jetzt würde ich noch zwei Übungen machen, bevor ich zu Bett ging, und morgen würde ich mit der Übersetzung eines Gedichts anfangen, das Iruka ausgesucht hatte; Der Rabe von Edgar Allan Poe. Kapitel 2: Rabe --------------- Mit einigem Enthusiasmus summte ich ´S.I.N.G` von My Chemical Romance mit, bis ich beim Refrain zu einem schiefen Solo ansetzte, welches rüde von einer Stimme hinter mir unterbrochen wurde. "Naruto!", rief mein Großvater, vermutlich nicht zum ersten Mal. Mein Gesicht war heiß, als ich die großen, orangen Kopfhörer von den Ohren riss und mich nach ihm umdrehte; Ich war mir durchaus bewusst, dass ich nicht singen konnte, weshalb ich das meistens auch nur tat, wenn ich alleine war. "Was gibt es?", fragte ich verlegen grinsend. "Du hast doch Lautsprecher, warum benutzt du die nicht? Mit den Kopfhörern hörst du uns nie.", seufzte Jiraiya und kam auf mich zu. "Tsunade mag meine Musik nicht und du hast doch gesagt, ich soll Rücksicht auf sie nehmen.", erklärte ich schulterzuckend, während ich den I-Pod ausmachte. Er war genauso orange wie die Kopfhörer und schon ziemlich abgenutzt, da er mir nicht selten runterfiel. Ein Mal hatte ich ihn sogar schon verloren, aber die Finderin war ehrlich gewesen - Und meine letzte feste Freundin. "Das ist gut. Letztens durfte ich mir den ganzen Tag anhören, was für einen Krach du doch Musik nennen würdest. Ich glaube, langsam wird sie doch alt." Während er das sagte, warf mein Großvater einen prüfenden Blick auf die offene Tür, aber seine Frau hörte ihn wohl nicht, denn es kam kein Tornado heraufgestürmt. Ich verzog das Gesicht. "Nicht jeder kann sich den ganzen Tag so ein Klassik-Zeug anhören wie ihr." Jiraiya lachte milde und wuschelte mir durchs Haar. "In deinem Alter vermutlich nicht.", bestätigte er. "Übrigens gibt es Essen." "Ich komme gleich." Mit einem zufriedenen Summen warf er einen Blick auf meinen Computerbildschirm, auf dem ein noch fast leeres Dokument offen stand. "Woran arbeitest du gerade?" Ich gab ein widerwilliges Brummen von mir. "Woran versuche ich gerade, zu arbeiten, müsstest du Fragen. Ich komm nämlich nicht voran.", schmollte ich unzufrieden und zeigte ihm das Gedicht, das ich übersetzen sollte. "The Raven von Edgar Allen Poe.", las er vor und lächelte. "Ein schönes, aber trauriges Gedicht. Wenn du Hilfe brauchst, sag einfach Bescheid." "Neeeein, das muss ich alleine machen." Erschöpft kämmte ich mit den Fingern durch meine unordentliche Mähne, dann lächelte ich zu meinem Großvater auf. "Das ist eine Fleißaufgabe, keine Pflicht. Aber trotzdem wurmt es mich, dass ich es nicht hinbekomme. Ich meine, ich verstehe die Worte, obwohl es ziemlich altes Vokabular ist, aber ich bekomme es nicht in Reimform." "Tja, für solche Kreativaufgaben warst du noch nie der Typ. Aber du schaffst das schon... Überarbeite dich nicht, ja?" Ich schüttelte den Kopf. "Nee, ich doch nicht... Ich komm gleich, Opa. Mach die Tür zu!", setzte ich nach, als er mit einem Lächeln ging, aber natürlich tat er das nicht. Seufzend verdrehte ich die Augen; Was war so schwer daran, diese verdammte Tür zu schließen? Aber das würden die beiden wohl nie mehr lernen und zumindest ging es nicht nur mir so. Meine Freunde sagten auch alle, dass ihre Eltern das nicht fertig brachten. War wohl eine Volkskrankheit unter Erziehungsberechtigten. "And his Eyes have all the Seeming of a Demon´s that is dreaming...", las ich eine der letzten Zeilen des ewig langen Gedichts vor. Mir gefiel, was der alte Knacker damals geschrieben hatte, obwohl ich mich fragte, wie er darauf gekommen war. Ob er geträumt hatte? "Und seine Augen sehen aus wie die eines schlafenden Dämons.", tippte ich in das Übersetzungsdokument. Natürlich passte der Satz weder von der Wortmelodie noch vom Klang her zu dem vorigen oder dem nachfolgenden Satz, der "Und das Lampenlicht, das über ihn fließt, wirft seinen Schatten auf den Boden." lautete. Resigniert rieb ich mir über die Augen, die Ellbogen auf den Tisch gestützt. Vielleicht ging ich das ganze einfach falsch an. Bisher hatte ich es mit jeder Strophe neu versucht, ihrem übersetzten Sinn einen Reim zu entlocken, aber das funktionierte nicht, sodass ich schließlich die ganze Übersetzung gelöscht hatte. Aber wenn ich es erst übersetzte und dann überlegte, welche englischen Wörter sich reimten, könnte ich mit einigem Aufwand Erfolg haben. Etwas anderes, als es zu probieren, würde mir wohl nicht übrig bleiben. Aber das würde ich nach dem Essen machen, denn durch die offen gelassene Tür strömte der köstliche Duft von Lasagne zu mir herauf, dem ich wie von einer Schnur gezogen folgte, sobald ich das Dokument gespeichert und geschlossen hatte. In der Küche waren meine Großeltern gerade dabei, den Tisch zu decken und ich half ihnen. "Wasch dir die Hände.", verlangte Tsunade, sobald alles auf dem Tisch stand. Streng beobachtete sie, ob ich es auch ordentlich machte, erst dann ließ sie mich setzten, gerade so, als wäre ich erst acht. Amüsiert zwinkerte ich ihr zu und bedankte mich, als sie mir etwas von dem Gericht auftat. "Du arbeitest viel.", bemerkte sie. Vermutlich machte sie sich Sorgen. "Du auch.", lachte ich und fing an zu Essen. Die alte Frau war nicht nur eine begnadete Ärztin, sondern auch eine umwerfende Köchin, sodass ich wohlig aufstöhnte, als ich einen Bissen im Mund hatte. "Aaah, das ist sau lecker, Baa-chan." "Nenn mich nicht so.", maulte sie, sah jedoch wegen des Kompliments davon ab, mit ihrer Gabel nach mir zu werfen. "Und ob du viel arbeitest oder ich das tue, sind zwei Paar Stiefel, mein Lieber. In den letzten Monaten hast du nämlich wieder kaum etwas getan und jetzt auf ein Mal bist du Feuer und Flamme." Mit vollem Mund schmollte ich. "Tu nich so überrascht, dass ich auch mal fleißig sein kann!" "Sprich nicht mit vollem Mund.", tadelte sie mich. "Tschuldigung." "Beruhige dich, Liebes.", kehrte Jiraiya zum eigentlichen Thema zurück. "Naruto arbeitet eben hart für sein Studium. Ich bin sehr stolz auf ihn." Seine Frau seufzte, stützte die Wange in die Hand und musterte mich. "Das bin ich auch.", gestand sie schließlich langsam, was mich etwas erröten ließ. Sonst war sie nie so ehrlich. "Ich mache mir nur Sorgen. Man sieht dich kaum noch und du bist stiller als sonst." "Ist viel Arbeit mit der Prüfung - Müsstest du ja wissen, deine Studenten dürften noch mehr zu ackern haben als ich.", grinste ich unbeschwert, den Mund voller Lasagne. Tsunade beschwerte sich darüber, ich gelobte Besserung, tat es wieder, sie regte sich auf und Jiraiya ignorierte uns, den Blick auf seine Zeitung gerichtet. Alles beim Alten, sozusagen. "Übrigens..." Mein Großvater war völlig unbeeindruckt davon, dass er den Blick hob und sah, wie Tsunade versuchte, mich mit einer Gabel zu erstechen, was ich mit dem Salzstreuer zu verhindern wusste. "Am Wochenende fahren wir ins Seehaus." "Waaas? Davon habt ihr ja noch gar nichts erzählt!" Ich war so empört, dass ich gar nicht mitbekam, wie meine Großmutter mich angriff, sodass ich einen unsanften Schlag auf den Kopf kassierte. "Aua!" "Geschieht dir recht. Und beschwer dich nicht; Du bist ja nie hier, wann hätten wir es dir erzählen sollen?" "Mann, was kann ich dafür? Ihr hättet mir eine SMS schreiben können oder so!" Dafür kassierte ich eine weitere Kopfnuss. "Wir werden dir sicher keine SMS schreiben, solange du in unserem Haus wohnst. Das ist sowieso eine ganz schreckliche Erfindung. Die Kommunikation wird immer minderwertiger in der heutigen Gesellschaft." Nachäffend verzog ich das Gesicht, was sie glücklicher Weise nicht mitbekam. Diesen Vortrag hielt sie jedes Mal, wenn es um E-Mails, SMS, Tweets oder ähnliches ging, aber das gehörte nun mal alles zur Kommunikation von heute. Ich versuchte gar nicht mehr, ihr das beizubringen, dafür war der Zug lange abgefahren. Mein Großvater und ich waren schon froh, dass sie ein Handy hatte, damit wir sie Notfalls erreichen konnten wenn etwas nicht stimmte, aber oft nahm sie das gar nicht mit oder ging nicht hin. Jiraiya war da das genaue Gegenteil; Er liebte allen technischen Krimskrams und hatte meistens auch das Neuste vom Neuen. Das wiederum kam mir zugute, denn ich bekam die Sachen, die er nicht mehr brauchte, und mir machte es nichts aus, das Vorgängermodel eines Mobiltelefons oder Computers zu haben. "Wann fahrt ihr denn?", erkundigte ich mich, während ich die Teller einsammelte und in die Spülmaschine stellte. Ich drückte meiner Großmutter einen Kuss auf die Wange und grinste sie an. "Hat super geschmeckt." Sie schnaubte, offensichtlich erfreut über das neuerliche Kompliment. "Einschmeicheln hilft jetzt auch nichts, mein Lieber." "Wir fahren am Freitagmorgen.", erklärte ihr Mann, indem er erneut unsere Streitereien ignorierte. "Sonntag kommen wir irgendwann abends wieder. Möchtest du mit?" "Tut mir leid, aber ich kann nicht. Ich hab ultra viel zu tun." Mürrisch kratzte ich mich an der Wange. Das war echt blöd, weil ich das Ferienhaus meiner Großeltern wirklich mochte. Es lag in der Nähe eines kleinen Ortes, in dem ich ein paar Freunde hatte, die ich schon lang nichtmehr gesehen hatte, außerdem konnte man in der Gegend gut wandern und schwimmen gehen. Genau diese vielseitigen Ablenkungsmöglichkeiten waren allerdings auch der Grund, warum ich nicht mitkommen konnte. Wenn ich dort wäre, würde ich nämlich ganz bestimmt nicht mehr lernen, ich kannte mich selbst. Dazu, dass es schade war, nicht in die Gegend fahren zu können, kam noch erschwerend, dass ich alleine sein würde, was ich nicht besonders mochte. Ich war ein Mensch, der gerne in Gesellschaft war, obwohl man das in den letzten Tagen nicht so sehr gemerkt hatte, weil ich die meiste Zeit in meinem Zimmer verbracht hatte. Der Gedanke, ganz alleine in dem großen Haus zu sein, stieß mir sauer auf. Andererseits hatten meine Großeltern sich ihren Urlaub verdient, sollten sie ruhig fahren. Ich lächelte mein Unwohlsein weg. "Viel Spaß euch beiden!" Das war am Montag gewesen, also hatte ich genug Zeit gehabt, mich mit dem Gedanken anzufreunden. Trotzdem hatte es mir nicht gefallen, mich von meinen Großeltern zu verabschieden, nachdem ich ihnen heute Morgen ihre Sachen in den Wagen geräumt hatte. Vielleicht lag es auch daran, was mit meinen Eltern passiert war, aber ich hatte jedes Mal ein ganz mulmiges Gefühl, wenn ich Leute für längere Zeit nicht sehen konnte. Zeit, darüber nachzugrübeln, hatte ich allerdings nicht gehabt. Nach den Lesungen musste ich noch arbeiten, worauf ich zwar eigentlich keine Lust hatte, aber leider blieb mir nichts anderes übrig. B ließ mich nämlich nicht daheim bleiben, also musste ich zum Dienst an der Kaffeebohne antreten. Auf dem einen Ohr hatte ich den Kopfhörer, mit dem anderen hörte ich den Kunden halbwegs zu und mit den Händen kleckerte ich Kaffee, Kakao und Sahne auf meine Lernunterlagen, was mich regelmäßig zum Fluchen brachte. An der Kaffeemaschine klebte inzwischen schon dieses verfluchte Gedicht, an dem ich nach wie vor arbeitete, weil Iruka meine Übersetzung nicht gefallen hatte. Während ich darauf wartete, dass das ach so tolle Gerät spuckend die Bestellungen ausgab, kritzelte ich also Reimversuche auf ein leeres Blatt daneben. Mein Chef hatte versucht, mir als ´Profi` einen Rat zu geben, der jetzt ebenfalls darauf notiert war: "Ich denk so über dies und das Während ich in meinem Zimmer saß Und einen Marsriegel aß Als es an der Türe klopft bei Nacht ´Wer wohl so einen Scheißlärm macht?` Frag ich mich und steh auf Als ich an die Leonore denk und Fast lauf." Natürlich konnte ich mit dem Quatsch nichts anfangen aber immerhin konnte ich jedes Mal, wenn ich die Zeilen sah, darüber lachen. Zumindest das war positiv; Mit einem Lachen war alles viel besser. Auf jeden Fall würde ich Iruka diese Interpretation zeigen, denn der fände sie bestimmt auch lustig. Nach gewissen Startschwierigkeiten hatte ich nämlich festgestellt, dass er gar kein so übler Kerl war und kam inzwischen auch gut mit ihm zurecht. Er war zwar streng und aufbrausend, aber auch hilfsbereit und großzügig. "... And I´m barely listening to last Demands...", sang ich leise das Lied mit, das gerade zu spielen begonnen hatte, während ich einer Dame ihren Kaffee hinstellte. "Dass Sie nicht zuhören merke ich. Ich habe einen Chai Latte bestellt.", motzte die Frau. Statt ihr griff ein junger, offensichtlich amüsierter Mann nach der Tasse. "Das war für mich. Wie viel kriegst du?" Ich grinste ihn an, nannte den Preis und brachte der übel gelaunten Kundin ihre richtige Bestellung. Vielleicht sollte ich mich doch ´nur` auf zwei Sachen auf einmal konzentrieren, aber jedes Mal, wenn ich mir sagte ´Nur das eine Lied noch, das ist so geil!` fing das nächste an und das war noch besser. Ich war eindeutig ein Musikjunkie und ja, ich war auch der Meinung, den besten Musikgeschmack der Welt zu haben. Das Mädchen, das mich da gerade zum Mitsingen verleitet hatte, nannte sich Birdy und war für ihre neunzehn Jahre einfach atemberaubend, obwohl Kyubi mich ausgelacht hatte, als ich ihm ihre Lieder vorgespielt hatte, weil es eher Balladen waren. War mir aber egal, ich wusste, dass sie gut war, das genügte. An der Kaffeemaschine kam mir eine Erleuchtung, was das Gedicht betraf, und damit mir keiner den Lichtschalter umlegte, machte ich den Zettel los, um ihn auf den Tresen zu legen und schnell darauf zu kritzeln, was mir eingefallen war. "Drei Neunzig.", sagte ich mit einem breiten Lächeln für die schlechtgelaunte Frau mit dem Chai Latte, dann wandte ich mich ab, klemmte die Zunge zwischen die Lippen und schrieb emsig weiter. Ein Räuspern war über mir zu hören. "Moment.", bat ich, noch immer im Schreiben begriffen. Ich schnippte die Bleistiftkrümel beiseite, dann hob ich grinsend den Blick und sah in die umwerfendsten, schwarzblauen Augen die ich jemals gesehen hatte. Sie waren nicht geschminkt, aber die Wimpern waren lang, dicht und dunkel und rahmten diese Iriden ein, die eine Farbe hatten, die ich zuvor noch nie gesehen hatte. Die blassen Augenlieder senkten sich, verbargen den Blick, mit dem mich die Besitzerin bedachte, für eine Sekunde. Dann offenbarten sich die Augen wieder, die mich an die Gedichtzeile erinnerten, die ich am Montag bearbeitet hatte: "And his Eyes have all the Seeming of a Demon´s that is dreaming." Damit waren eindeutig ihre Augen gemeint, die sich jetzt in eine Schräglage brachten, sodass ein paar dunkle Haarsträhnen davor fielen. Schlanke Finger strichen das dunkle Haar beiseite. Langsam vergrößerte sich mein Gesichtsfeld um diese Augen herum wieder, sodass ich ein hübsches, schmales Gesicht erkennen konnte, das mich skeptisch musterte. Ich wurde rot, als ich merkte, dass ich das Mädchen anstarrte und kam hastig auf die Beine; Bis dahin hatte ich halb auf dem Tresen gelegen, sodass ich erst jetzt zu voller Größe aufgerichtet war. Weil ich mich dabei so beeilt hatte, knallte mein Kopf gegen die tiefhängende Lampe und ich rieb mir fluchend die schmerzende Stelle. Das alles beobachtete das Mädchen mit leicht hochgezogener Augenbraue und weiterhin schiefgelegtem Kopf. "Soll ich... Später noch mal wiederkommen oder bist du fertig mit der Clownseinlage?", erkundigte sie sich, was mich zu einem viel zu lauten Hyänenlachen veranlasste, bei dem ich am liebsten noch mal die Stirn gegen diese Lampe gerammt hätte. Ich war so ein Idiot. "Äh, nein, ich bin fertig, schätze ich. Hehe..." Ich leckte mir über die Lippen und konnte nicht verhindern, sie genauer anzusehen, allerdings war der Rest von ihr nicht so ansprechend wie ihre Augen, das Gesicht und die Haare; Sie trug ein weites, schwarzes Shirt und schlabbrige Jeans über Cowboy-Stiefeln und unter ihren Männerklamotten zeichneten sich kaum Kurven ab. Mein Blick wanderte zu ihrer Brust. Sie WAR doch ein Mädchen, oder...? Jetzt war sie es, die rot wurde, und ihre Augenbrauen schoben sich zu einem wütenden Dreieck zusammen. "Geht´s noch, du Idiot?" Ok, sie war eindeutig eine Frau. "Äh, sorry." Ich kam mir immer mehr vor wie ein Depp, während mein Herz in der Brust hämmerte wie eine Dampfmaschine, als würde es nie wieder damit aufhören wollen und all das nur, weil sie ihren Blick nicht von mir nahm. "Mh, was... Was willst du?" Seufzend pustete sie sich eine lange, schwarze Haarsträhne aus den noch immer säuerlich dreinblickenden Augen. "Einen schwarzen Kaffee, ein Frischkäsebagel und ein normaler Verkäufer wären nicht schlecht." Nervös lachend kratzte ich mich am Kopf. "Hehe... Normalerweise bin ich nicht so, aber... Hm, das hörst du bestimmt oft, aber deine Augen haben mich grad echt aus der Bahn geworfen." Sie lachte nicht, ganz im Gegenteil wurde ihr Gesichtsausdruck mit einem Mal eisig, dass es mich tatsächlich fröstelte. "Gib mir einfach meinen Kaffee, dann vergessen wir dieses peinliche Intermezzo." Nicht zum ersten Mal in den fünf Minuten, die unsere Bekanntschaft jetzt andauerte und die mir schon wesentlich länger vorkamen, wurde ich rot, während ich schnell nach dem Bagel griff, um ihr zumindest den schon mal hinzuschieben. "Das sollte jetzt keine billige Anmache oder so was sein...", erklärte ich, noch immer etwas aus dem Konzept. Ich stützte den Arm auf die Kaffeemaschine und sah sie an, doch der einfache Blickkontakt reichte, um mein Herz aufgeregte Purzelbäume schlagen zu lassen. Wow, das war... Peinlich? Fand sie offensichtlich auch; Sie zog eine schmale Braue in die Höhe, was so perfekt Skepsis ausdrückte, dass ich ernstlich beeindruckt war. "Ah, nein? Kam aber so rüber." "Neeeeein.", stritt ich mit lässigem Grinsen ab und schenkte ihr ganz automatisch Milch in den Kaffee. "Das wär ja so was wie ein Verhältnis am Arbeitsplatz und das ist nicht mein Stil." Sie hielt den Blickkontakt einen Moment, dann sah sie auf ihr Getränk und ob ihr es glaubt oder nicht, aber ihre Braue wanderte tatsächlich noch weiter nach oben. Ich sah auch nach unten und wurde noch röter, als ich bemerkte, dass ich ganz automatisch ein Herz in das Getränk gekippt hatte, was nicht gerade von meiner Ehrlichkeit zeugte. Sie gab etwas wie ein Glucksen von sich - Es klang ganz bezaubernd - Während sie die Tasse mit zarten, blassen Fingern zu sich drehte, um das Herz richtig herum betrachten zu können. "Niedlich... Aber ich wollte ihn schwarz." Das Lächeln, welches sich wegen ihres Kicherns auf meine Züge geschlichen hatte, schwand langsam wieder. "Oh... Stimmt! Scheiße.", fluchte ich und wollte ihr die Tasse abnehmen, aber sie ließ die Finger darum geschlungen und sah mich mit diesen umwerfend dunkelblauen Augen an. "Ich hab jetzt keine Zeit, dir noch länger zuzusehen, wie du den Hampelmann machst, weil du mich ja nicht zu einer ´Arbeitsaffäre` machen möchtest, also nehme ich ihn so.", erklärte sie sachlich, aber amüsiert. Sie zog den Träger ihrer ordentlichen, schwarzen Ledertasche, deren seriöse Optik so gar nicht zu ihrer sonst recht schmuddeligen Kleidung passen wollte, höher auf die Schulter, kramte Geld heraus und sammelte ihre Bestellung ein, bevor sie mir noch einen Blick zuwarf. "Übrigens klingt ´In die Finsternis starrend war ich lang gebannt, wartend auf die Geisterhand Die mich rief zu dieser Stunde, geweckt aus meinen Träumen Raus aus meinen warmen Räumen` Nicht besonders gut. Mir gefällt die Übersetzung von Luise von Ploennies am besten." Sie räusperte sich, ihre Finger glitten über das Blatt, von welchem sie meine Version abgelesen hatte, dann zitierte sie sicher und melodiös die entsprechenden Zeilen: "In das Dunkel blickt’ ich schweigend, stand, mich angstvoll vorwärts neigend, Zweifelnd, fürchtend, das zu schauen, was vielleicht mein Wahn geboren. Doch die Nacht blieb undurchbrochen, nur mein Herze fühlt’ ich pochen, Als ich leis’ das Wort gesprochen: Kam der Gruß wohl von Lenoren?" Völlig perplex starrte ich das Mädchen an, welches unter meinem Blick verlegen wurde und sich räusperte. Sie senkte den Kopf, sodass ich ihr Gesicht hinter den Haaren nicht mehr sehen konnte, aber ich war ziemlich sicher, dass sie rot geworden war. "Hm... Ciao...", murmelte sie und machte sich mitsamt ihrem Essen davon. Als sie das Lokal verließ, wollte ich ihr schon nachrufen, dass sie mit dem Geschirr hier bleiben musste, aber da war sie bereits weg. Ein Lachen holte mich aus meinen verwirrten Gedanken zurück. "Das war wohl ein Korb, Alter!", schmunzelte ein junger Mann mitfühlend und ich grinste, den Blick noch immer auf die Tür gerichtet, durch die dieses seltsame Mädchen verschwunden war "Ja...", lächelte ich abwesend. "Das war es wohl." Den Nachmittag verbrachte ich damit, jeden Kunden mit Fragen zu meiner holprig gereimten Übersetzung zu belästigen, was die meisten sehr irritierte. Ein paar wenige schmunzelten über meine Versuche, ein paar gaben mir sogar Tipps, die meisten jedoch zuckten nur die Schultern und beharrten darauf, dass sie nur hier wären, um Kaffee zu bekommen, nicht, um Literatur zu studieren. Ich versuchte, mich auf andere Übungen zu konzentrieren, während ich bediente, aber die Augen des Mädchens gingen mir einfach nicht aus dem Kopf, genauso wie ihr widersprüchliches Auftreten und Verhalten. Einerseits schien sie geschmeichelt gewesen zu sein von meinen offensichtlichen Avancen, was ich nicht verstand, immerhin war sie verdammt hübsch und müsste das doch gewohnt sein. Zum anderen jedoch hatte sie mich mit Sarkasmus und Kälte auf Abstand gehalten, obwohl sich das vielleicht noch mit meinem peinlichen Verhalten erklären ließe. Jedes Mal, wenn ich daran dachte, schoss mir das Blut in die Wangen und ich wäre am liebsten im Boden versunken. Ich hatte mich benommen wie ein Dreizehnjähriger, der zum ersten Mal mit dem Mädchen redete, das er mochte! Und dieses alberne Herzklopfen... So etwas war ich nicht gewohnt. Ich war selbstbewusst, wenn es ums Flirten ging, ging offen auf eine Frau zu, wenn ich Interesse an ihr hatte und versuchte, sie für mich zu gewinnen. Ein ´Nein` akzeptierte ich nicht, zumindest ein Date musste drin sein. Ich meine, wie soll man wissen, dass es nicht passt, wenn man es nicht mal probiert? Aber nicht bei dem Raben-Mädchen, wie ich sie inzwischen schon nannte, weil ich so benebelt gewesen war, dass ich sie nicht mal nach ihrem Namen gefragt hatte. Sie hatte kaum etwas gesagt, aber trotzdem spielte ich die wenigen Worte immer und immer wieder in meinem Kopf ab, genauso, wie ihr Gesicht immer wieder durch meine Gedanken flimmerte. Sie war wirklich hübsch und das völlig ohne Make-Up oder aufwändige Frisur. Ihre Haare waren sogar recht kurz, nur schulterlang, und am Hinterkopf standen sie widerspenstig ab, aber sie hatten seidig ausgesehen. Wunderschön. Ich war den Tag nervös und unruhig, ohne zu wissen wieso, bis mir auffiel, dass mein Blick ständig die Tür nach ihr absuchte. Ich wartete darauf, dass sie das Geschirr zurückbringen würde. Dass sie es einfach behalten könnte, stand überhaupt nicht zur Debatte, so eine war sie nicht. Aber sie kam und kam nicht wieder, sodass ich schon enttäuscht war, als ich am Abend die Tische putzte und alles aufräumte, was länger dauerte als sonst, da ich alleine war. Schließlich dachte ich schon gar nicht mehr daran, als ich Schritte hörte. "Tut mir Leid, wir haben schon geschlossen... Oh.", unterbrach ich mich selbst lächelnd. Es war sie, und sie hatte das Geschirr dabei. Offenbar verlegen biss sie sich auf die Unterlippe, dann ging sie Teller und Tasse auf der Verkaufstheke abstellen. Mein Gesicht hellte sich auf; Also war sie nur nicht gekommen, weil es ihr peinlich gewesen war, das Gedicht zitiert zu haben. Damit konnte ich eher leben als zu akzeptieren, dass sie eine Diebin wäre. Sie wollte sich schon vom Acker machen, als ich nach ihrem Arm griff. "Warte!" Unter der Berührung wurde sie eine Sekunde steif wie ein Brett, dann riss sie sich heftig von mir los, stolperte ein paar Schritte weg und funkelte mich aus Gewitterwolken-Augen an. "Fass mich nicht an.", zischte sie, einer erschrockenen Katze gleich. Abwehrend und verdutzt hob ich die Hände. "Tut mir leid, ich wollte dir nicht zu nahe treten." Ihre Augen blitzten noch kurz, dann schloss sie sie einen Moment und senkte langsam die Schultern. "Was willst du?" Ich lächelte, weil sie nicht einfach ging und fuhr fort, das Café aufzuräumen, wobei ich sie jedoch aus dem Augenwinkel beobachtete. "Ich wollte dir nur sagen, dass es wirklich schön war, was du vorhin zitiert hast. Ich kann so was nicht wirklich - Wie man an der miesen Übersetzung gemerkt hatte." Ich lachte über mich selbst, doch sogar sie hob die Mundwinkel zu einem schmalen Lächeln, obwohl es ihr offensichtlich peinlich war, auf ihr Zitat angesprochen zu werden. Weil sie nicht antwortete, sprach ich weiter: "Ich muss das für einen Zusatzkurs übersetzen, komm aber nicht wirklich voran. Die Übersetzung stimmt, aber sonst..." Ich zuckte die Schultern. "Nicht jeder ist als Dichter geeignet." "Hehe... Nein, oder? Ich studiere auch auf Lehramt, nicht Philosophie oder Literatur." "Aha." Ihr Blick huschte zur Tür. Sie wollte gehen. Unbehaglich biss ich mir auf die Lippe, weil ich nicht wollte, dass sie einfach so verschwand. "Sagst du mir, wie du heißt?" Jetzt richteten ihre Augen sich wieder auf mich und mein Herz reagierte mit demselben nervösen Pochen wie schon vorhin darauf. "Wieso?", wollte sie wissen. Etwas verwirrt legte ich den Kopf schief. "Äh, weil... Weil ich es wissen will?" Sie zupfte am Träger ihrer Tasche, den Blick auf den Boden gerichtet, und kämmte mit den Fingern durch ihre ordentlichen Ponyfransen, als sie wieder zu mir aufblickte. "Sasuke. Sasuke Uchiha." "Sasuke?", fragte ich laut nach, weil ich mir nicht sicher war, sie richtig verstanden zu haben. Ihre Stimme war ziemlich leise gewesen. Als sie nickte, runzelte ich die Stirn. "Ist das nicht ein Jungenname?" Sasuke wurde rot, vermutlich vor Zorn, ihrem Gesichtsausdruck nach zu Urteilen. "Du bist wirklich ein Idiot.", kommentierte sie erbost und wollte gehen. "Nein, warte. Tut mir leid, ich war nur überrascht.", erklärte ich hastig und lief ihr nach, da ich mit Aufräumen fertig war. Ich sperrte die Tür ab und war erstaunt, dass sie in einiger Entfernung stehen geblieben war und mir zusah. Unter ihrem Blick wurde ich unruhig, weshalb es etwas dauerte, bis das Schloss einrastete, was sie mit einem entnervten Schnauben kommentierte. Als es endlich geschafft war, hob ich den Blick und grinste sie an. "So, jetzt aber." Der Schlüssel wurde in die Hosentasche gestopft, dann streckte ich ihr die Hand entgegen. "Hallo. Ich heiße Naruto Uzumaki." Nur zögernd nahm Sasuke die angebotene Hand und zog ihre dann rasch zurück. Gemeinsam gingen wir den Flur entlang. Sie hatte die Hände in die Hosentaschen geschoben und blickte stur geradeaus, während ich die Arme hinter dem Kopf verschränkt hatte und sie beobachtete. Sie wurde immer hübscher, je länger ich sie ansah, zumindest kam es mir so vor, sogar dann noch, als sie mir einen mahnenden Blick zuwarf, weil ich sie so anstarrte. "Woher kennst du das Gedicht, Sasuke?", fragte ich nach einer Weile des Schweigens. "Habt ihr das schon mal durchgenommen?" Sie schüttelte den Kopf. "Es ist ein sehr bekanntes Gedicht. Das sollte jedem ein Begriff sein." Ich schob stirnrunzelnd die Lippen vor. "Also ich hab das nicht gekannt bevor Iruka es uns als Hausaufgabe aufgegeben hat." "Das hätte mich auch gewundert.", seufzte sie mit einem leisen Schmunzeln in der Stimme. "Hee, was soll das jetzt heißen?", fragte ich entrüstet wegen ihrem belustigten Tonfall. "Du wirkst nicht besonders gebildet... Oder zumindest nicht, als würde Literatur dich interessieren.", setzte sie nach kurzem Zögern noch hinzu. Inzwischen hatten wir das Gebäude verlassen, in welchem sich das Café befand. Es war schon recht spät, fast acht, also waren nicht mehr viele Leute unterwegs, aber ganz alleine waren wir nicht auf dem Campus, was Sasuke leicht nervös zu machen schien. Sie sah sich um als würde sie etwas suchen und hatte die Schultern unbehaglich angezogen. "Na ja, das ist halt nicht so mein Ding. In Reimen denken, meine ich. Aber mein Chef ist da ganz groß - Hast du gesehen, wie er das ganze Übersetzt hat?" Ich musste lachen und auch sie gab wieder dieses leise Glucksen von sich. "Ja, habe ich. Poe würde sich im Grabe umdrehen." "Hey, wir haben unser Bestes gegeben, ja?", schmollte ich. "Mach´s doch besser, wenn du so schlau bist." Kurz schwieg sie, dann sagte sie eine einwandfreie Übersetzung auf, bei der mir die Kinnlade runterklappte. Mit einem arroganten Schnauben kämmte sie die Finger durch die kurzen Haare. Lange würden ihr bestimmt auch stehen, schoss es mir durch den Kopf. "Mach den Mund zu, es zieht." Ich kam ihrer Aufforderung nach und ersetzte das ungläubige Gaffen durch ein beeindrucktes Grinsen. "Das ist echt cool. So was hast du wirklich drauf!", lobte ich sie. "Studierst du was in die Richtung?" "Nein." Einen Moment wartete ich darauf, dass sie mir sagte, was sie studierte, doch dann wurde mir klar, dass nichts kommen würde, also fragte ich nach. "Was für einen Kurs machst du dann?" "Chemie." "Eeeh?! Das hat ja gar nichts damit zu tun!" Erneut das arrogante Schnauben und ein Blick, der mich verspottete. "Nein." "Woher kannst du es dann so gut?" Sie zuckte die Schultern. "Zusatzkurse." Jetzt verzog ich das Gesicht. "Sagst du auch mal mehr als ein Wort?" Sie hob die Mundwinkel zu einem schmalen Lächeln. "Nein.", antwortete sie und ging etwas schneller, sodass ich laufen musste um ihr nachzukommen. Ich lief rückwärts neben ihr her, um sie ansehen zu können, und grinste sie offen an. "Tja, dann muss ich wohl mehr reden. Sonst schweigen wir uns nur an." "Du könntest mich auch in Ruhe lassen, damit ich nach Hause komme.", schlug sie vor, was mich zum Lachen brachte. "Ach so, wir gehen hier ohne Ziel spazieren? Das ist ja schon fast ein Date." Mein Lächeln ließ sie verlegen werden und sie wandte den Blick ab. "Red keinen Mist. Ich will einem Fremden wie dir nur nicht zeigen, wo ich wohne." "Oh..." Ich runzelte die Stirn, nickte dann aber. "Ja, das ist klug." Seufzend rollte sie die Augen und blieb stehen, was ich erst bemerkte, als ich ein paar Schritte von ihr entfernt war. Eine Laterne strahle sie von hinten an, sodass ich unter ihrem langen Pony ihr Gesicht nicht sehen konnte. "Was willst du von mir?" "Gar nichts.", antwortete ich, erstaunt von der Frage. Bisher schien sie nicht genervt von meiner Gegenwart, immerhin hatte sie nicht gesagt, ich solle verschwinden und vorhin hatte sie sogar auf mich gewartet. Wieso also jetzt diese Frage? "Ich unterhalte mich nur gerne mit dir." Sasuke schnaubte. "Ja, klar.", antwortete sie und klang wütend, was ich nicht verstand. Als sie gehen wollte, griff ich instinktiv nach ihrem Arm, weil ich vergessen hatte, dass sie das nicht mochte. Sie entriss ihn mir und funkelte mich an. "Ich hab dir doch gesagt, du sollst mich nicht anfassen! Was bist du, ein Grabscher? Ich mache seit zehn Jahren Kickboxen, also probier gar nicht erst irgendwelchen Mist." "Was...?" Ich war total verdattert. "Ich wollte nur..." "Lass mich jetzt." "Ist alles ok?", mischte sich jetzt der männliche Teil eines jungen Pärchens ein, das gerade vorbeigelaufen war. Seine Freundin sah besorgt zwischen mir und ihm hin und her, weil er sich halb zwischen Sasuke und mich gestellt hatte. Er war Sasuke zugewandt, machte aber durch seine Haltung deutlich, dass er mich im Auge hatte, also machte ich einen halben Schritt rückwärts, damit er nicht auf die Idee kam, ich würde ihn angreifen. Das Mädchen schwieg ein bisschen zu lange, den Blick auf mich gerichtet, bevor sie nickte. "Ja, es ist alles in Ordnung.", entschied sie sich dann und drehte um, um in der Nacht zu verschwinden. "Hey...!", rief ich ihr nach, aber der fremde Junge fasste mich an der Schulter. "Alter, lass sie in Ruhe, wenn sie nicht will. Wenn ihr Stress habt oder so redet lieber morgen darüber.", riet er mir. "Ich kenn sie nicht mal!", platzte ich heraus und bemerkte erst im Nachhinein, dass das wohl nicht die beste Antwort gewesen war. "I-Ich meine, ich hab sie heute kennengelernt und..." "Schon gut. Aber jetzt lass es echt. Du willst keinen Stress, oder?" Der Mann schien freundlich zu sein, er lächelte sogar ein bisschen, obwohl er immer noch skeptisch war. Seine Freundin sah Sasuke besorgt nach, die jedoch bereits von der Nacht verschluckt worden war. Ich schüttelte den Kopf, ehrlich verwirrt von meiner neuen Bekannten. "Nein... Will ich nicht." Ein müdes Lächeln legte sich über meine Lippen, als ich mich verabschiedete und betont in die andere Richtung ging, obwohl mein Motorrad in der Sektion der Uni lag, in die Sasuke gelaufen war. Ich wollte ihr die Möglichkeit geben, nach Hause zu kommen, ohne mir über den Weg zu laufen, obwohl ich ihre plötzliche Reaktion nicht nachvollziehen konnte. Was genau hatte ich falsch gemacht? Wir hatten uns doch ganz normal unterhalten, vielleicht sogar ein bisschen geflirtet, und dann...? Hatte sie nur so aufgebraust, weil ich ihren Arm berührt hatte? Oder hatte ich etwas falsches gesagt? Mir wollte beim besten Willen nicht einfallen, was das gewesen sein könnte. Aber sie war auch ein seltsames Mädchen, da konnte sie sich über seltsame Sachen aufregen... Ob sie dem Pärchen wirklich gesagt hätte, ich hätte sie belästigt, nur, um mich loszuwerden? Ich war mir ziemlich sicher, dass der Typ sie gegen mich verteidigt hätte und das machte ihn mir sympathisch, aber verdient hatte ich es nicht. Ich würde niemals einem Mädchen etwas antun, vor allem nicht einem, das mich so aus dem Konzept brachte wie dieses. "Sasuke...", sagte ich leise und hob den Blick in den Nachthimmel, der auf einmal die Farbe ihrer Augen hatte. Verdammt. Zu Hause begrüßte mich wie nicht anders zu erwarten gewesen war Stille. Ich kickte meine Schuhe in eine Ecke, legte den Helm auf eine Ablage und machte sämtliche Lichter sowie den Fernseher an, ohne wirklich etwas ansehen zu wollen. Mein Blick wanderte zum Telefon, aber ich konnte jetzt nicht meine Großeltern anrufen. Jiraiya hatte mir schon eine SMS geschrieben in der er sagte, sie wären gut angekommen und sonst hatte ich keinen Grund, ihre Ruhe zu stören. Außerdem hatte ich eigentlich anderes zu tun. Ich klatschte mir die Hände auf die Wangen, rief "Ok!", um mich selbst zu motivieren und packte meine Lernunterlagen aus, aber als ich auf der Couch lümmelte und versuchte, die Aufgaben zu bearbeiten, merkte ich selbst, dass meine Aufmerksamkeit immer wieder abrutschte. Und zwar zu gewissen schwarzen Augen. Zu einem gewissen hübschen Gesicht. Zu einem gewissen seltsamen Mädchen, das mir einfach nicht aus dem Kopf gehen wollte. Ich wusste nicht, was mit mir los war, immerhin kannte ich sie doch gar nicht. Aber sie interessierte mich. Ich verstand sie nicht, deshalb interessierte sie mich. Ich war so sehr in meinen Gedanken gefangen, dass ich fast von der Couch gefallen wäre, als mein Handy plötzlich klingelte. Es war Sakura, die fragte, ob ich nicht ausgehen wollte. Normalerweise hätte ich sofort ja gesagt, aber erstens musste ich lernen - Wenn ich mich denn dazu hätte durchringen können - Und zum anderen wären ihre Freunde aus dem Studium dabei, die ich nicht besonders mochte. Sie waren arrogant und behandelten mich meistens von oben herab. Das wäre noch kein Grund, nicht mitzukommen, denn ich konnte sie ja auch ignorieren, aber irgendwie war ich auch nicht in der Stimmung. Zuerst hatte ich mich zwar beschwert, alleine zu sein, aber jetzt war ich nicht motiviert, mich in Gesellschaft zu begeben. Die Einsamkeit machte mich mürbe, ich vertrug sie nicht. Also sagte ich meiner Freundin ab und versuchte es noch mal mit lernen. Nach Sakura riefen mich noch ein, zwei Freunde an, die ich ebenso abwies. Auch als Kyubi sich bei mir meldete hatte ich eigentlich keine Lust, auf sein Angebot, bei ihm zu zocken und eine Pizza zu bestellen, einzugehen, aber er ließ das nicht gelten. "Dein Kopf ist es nicht gewöhnt, so viel aufzunehmen. Wenn du so weiter machst, explodiert er noch.", sagte er und ich musste lachen. "Kann schon sein, aber ich hab wirklich noch viel zu tun." "Ich wisch die Sauerei nicht auf.", kam trocken als Antwort. "Dann belebt Tsunade mich wieder, nur um mich noch mal umzubringen, weil ich Dreck in ihrem Haus gemacht hab.", lachte ich. "Ah, stimmt, die beiden sind nicht da.", erinnerte mein bester Freund sich und klang dabei, als wüsste er jetzt, was los war. Natürlich tat er das auch, immerhin wusste er, wie ich darauf reagierte, wenn ich alleine war. "Komm her und mach einen Abend Pause. Es wird dich nicht umbringen." Ich seufzte tief, als mir klar wurde, dass er nicht locker lassen würde. Und, dass er Recht hatte; Ob ich hier rumsaß und über ein Mädchen nachgrübelte, das ich fünf Minuten lang kannte, oder zu ihm ging, würde keinen Unterschied in meinem Lernpensum ausmachen. Also sagte ich zu, legte auf und machte mich auf den Weg. Eine halbe Stunde später stand ich mit der gewünschten Pizza vor seiner Haustür. Ein paar von Kyubis Mitbewohnern waren auch da. "Oh, ich hab jetzt nur Essen für zwei mitgebracht.", sagte ich stirnrunzelnd. An die anderen hatte ich gar nicht gedacht. Shukaku Ichibi, ein mittelgroßer Typ mit flachsblondem Haar, in welchem er einige lilane Strähnen hatte, gab aus der Küche, in der er grade tätig war, ein grummelndes Geräusch von sich. "Ist auch besser so, ich stell mich hier doch nicht für nichts hin." "Also ich hätte lieber Pizza gehabt. Bei dir muss man immer aufpassen, ob du einen nicht gerade vergiften willst.", kommentierte ein anderer junger Mann namens Saiken Rokubi von der Couch aus. Er grinste und kämmte sich das lange, schwarze Haar aus den Augen. "Übrigens, hallo, Naruto." Ich lächelte, kam aber nicht zu einer Antwort, denn da flog, nur Zentimeter von meinem Gesicht entfernt, ein Kugelschreiber durch die Luft und traf Saiken am Kopf. "Halt die Fresse, sonst misch ich echt noch was in dein Essen.", knurrte Shukaku wütend. "Das wirst du nicht.", sagte eine ruhige Stimme, deren Besitzer ich bisher noch nicht gesehen hatte. Ich grinste breit und stürmte in die Küche. "Gaara! Warum sagst du mir nicht hallo, du Arsch?" Trotz der Beleidigung zog ich ihn in eine Umarmung, was er leicht angespannt über sich ergehen ließ. Als ich mich löste, lächelte ich ihn glücklich an, denn ich hatte ihn schon länger nicht mehr gesehen. Er wohnte in der nächsten Stadt und war zwar oft hier, da er mit Shukaku zusammen war, aber ich sah ihn nicht oft, weil ich am Wochenende eher selten in der WG abhing. Ich mochte ihn echt gerne, obwohl er ein ruhiger, etwas komplizierter Zeitgenosse war. Er zeigte es zwar nicht, aber wahrscheinlich mochte er mich auch. Sollte er auch, denn ohne mich wäre er nie mit seinem Freund zusammen gekommen. Die beiden waren ein seltsames Paar; Der aufbrausende, fast cholerische Shukaku und der ruhige, etwas labile Gaara, aber sie ergänzten sich und das war es doch, was zählte. "Konnte ich nicht.", antwortete der Rothaarige, ohne meine Hände von seinen Schultern zu entfernen, obwohl er sonst Berührungen nicht so mochte. Genau wie... Ich schob den Gedanken weg. Dafür war jetzt kein Platz. "Die anderen haben sich gestritten, bevor ich etwas sagen konnte." "Ja, ja, immer sind die anderen schuld." Ich lachte, klopfte ihm noch mal auf die Arme und unterhielt mich etwas mit ihm, während Kyubi versuchte, Saiken und Chomei von der Couch zu bekommen, damit wir dort zocken konnten, aber sie sahen sich einen Film an und wollten nicht gehen. "Sieht aus, als müssten wir in mein Zimmer.", seufzte mein bester Freund, als er in die Küche kam. Er nahm sich ein Stück Pizza, von der ich schon die Hälfte alleine gegessen hatte, und lehnte sich an den Tresen. Seine Augen suchten in meinem Gesicht nach Anzeichen für die schlechte Laune von vorhin, fanden aber nichts und so schoben sich seine Mundwinkel zufrieden nach oben. Mir ging es tatsächlich besser; Gesellschaft war für mich immer noch die beste Medizin. "Habt ihr Lust, mit zu zocken?", fragte Kyubi an Gaara und Shukaku gewandt, welche die Köpfe schüttelten. "Wir sind nachher noch im Kino.", erklärte Shukaku, der gerade die Pfanne vom Herd nahm und das Essen verteilte. Er warf Saiken einen Blick zu, als würde er wirklich gerne Abführmittel in seine Portion mischen, ließ es dann aber doch bleiben, als sein Freund ihn mit hochgezogenen Brauen ansah. "Was schaut ihr an?", erkundigte ich mich, das letzte Stück Pizza im Mund. "James Bond." "Ah, der ist geil!", rief ich begeistert. "Wie der Zug in diesen Schacht rast..." "Danke, Naruto, das wollten wir gar nicht wissen.", seufzte Shukaku wütend und ich hob abwehrend die Hände. "Ich hab gar nichts gesagt!" "Mhm, noch nicht. Komm, gehen wir, bevor du dich doch noch verplapperst." Kyubi hatte den Pizzakarton entsorgt und erhob sich. Ich folgte ihm aus der offenen Küche, nachdem ich noch mal Gaara an die Schulter geknufft und ihm viel Spaß gewünscht hatte. "Aber wie der Böse dann das Mädchen erschießt war schon brutal, oder?", sagte ich laut, was mit einem entnervten Stöhnen aus der Küche beantwortet wurde. "Das haben wir gehört, du Idiot!", maulte Shukaku uns nach und ich grinste schuldbewusst zu Kyubi auf, welcher nur amüsiert die Augen verdrehte. "Dass er immer so abgehen muss.", maulte ich in seinem Zimmer. Mit Cola und Chips bewaffnet fläzte ich mich auf das Bett meines Freundes während dieser die Playstation anschloss. "Du kennst ihn doch. Und ich es ist wirklich eine nervige Macke von dir, dass du immer erzählen musst, was in Filmen passiert, die man noch nicht gesehen hat." "Pff! Du fragst doch immer, was passiert!" "Ja." Er drehte sich nach mir um und grinste. "Aber du solltest meine Schwäche nicht fördern, indem du mir immer alles sagst. Willst du oder soll ich anfangen?" Weil ich schon mit Essen beschäftigt war, übernahm er das Zocken und ich lachte ihn jedes Mal aus, wenn sein Charakter starb oder er sich verlief. Playstationspiele waren eines der wenigen Dinge, in denen ich besser war als er und das genoss ich auch in vollen Zügen, indem ich es ihm ständig unter die Nase rieb. Ihn störte das nicht; Auf diesem Gebiet hatte er nicht denselben krankhaften Ehrgeiz wie ich, der mich laut fluchen ließ wenn ich verlor oder vor Freude schreien, wenn ich gewann. Meine Sticheleien nahm er genauso gelassen hin wie meine ziemlich rüde vorgebrachten Tipps der Marke "Die Tür da, du Idiot!" oder "Benutz eine Combo, meine Güte, was kannst du eigentlich?!". Das war schon früher, als wir solche Abende noch regelmäßig veranstaltet hatten, so gewesen und vermutlich hatte er sich bewusst für Videospiele entschieden, um meine Laune zu heben, denn sonst verbrachte er den Freitagabend eher auswärts, im Kino oder in einem seiner diversen Sportclubs oder bei seiner Freundin, wenn er gerade mal eine hatte. Es war ihm gelungen, mir ging es schon viel besser. "Wie lang sind deine Großeltern eigentlich weg?", fragte er etwas später, als ich am Controller war. "Sie sind bis Sonntagabend unterwegs. Eigentlich wäre ich gerne mitgefahren, aber ich muss lernen.", schmollte ich und ließ meinen Avatar mit dem Schwert nach einem Gegner schlagen, um meinen Unmut deutlich zu machen. Kyubi schmunzelte. "Ah ja? So lernst du also?" "Halt die Klappe." Ich zeigte ihm den Mittelfinger, legte die Hand aber gleich wieder auf den Steuerknüppel, um nicht besiegt zu werden. "Du hast selbst gesagt, ich brauch eine Pause und ich glaub, du hast Recht." "War ja klar. Du bist schon ein Gesellschaftsfanatiker." Ich antwortete nicht, obwohl er natürlich goldrichtig lag. Der Großteil meiner schlechten Laune lag tatsächlich daran, dass Jiraija und Tsunade nicht da waren, aber von dem anderen Grund wusste er nichts und ich wusste auch nicht, wie ich es hätte erklären sollen. Sasuke... Ich kannte dieses Mädchen noch nicht mal und trotzdem machte ihr Verhalten mich echt fertig. Ein tiefes Seufzend entrang sich mir, was Kyubi zum Schmunzeln brachte. "Du meine Güte, welche Laus ist dir über die Leber gelaufen?" "Warum redest du eigentlich immer wie ein alter Herr?", fragte ich und musste über seine Ausdrucksweise lachen. Als er nur die Schultern zuckte, seufzte ich erneut und erzählte ihm schließlich doch von meiner Begegnung bei der Arbeit. Als ich fertig war, machte er ein nachdenkliches Gesicht. "Sasuke, sagst du? Und sie studiert Chemie?" Ich nickte, plötzlich hoffnungsvoll. "Ja. Kennst du sie?" "Kann sein. Ich hab ein paar Lesungen mit dem Chemiekurs zusammen und da gibt es glaub ich jemanden, der Sasuke heißt. Redet aber nicht viel und ich hatte noch nie was mit ihr zu tun... Ich dachte ehrlich gesagt zuerst auch, das wäre ein Kerl.", gab er zu und sah mich entschuldigend an, als hätte er meine Freundin beleidigt. Aber das war nicht so schlimm, ich war mir im ersten Moment ja auch nicht so sicher gewesen und von weitem konnte man sie sicher für einen Jungen halten. "Ja, das könnte sein! Sie hat schwarze Haare die so abstehen am Hinterkopf und ist voll blass und trägt Männerkleidung. Und sie ist recht groß.", fügte ich noch hinzu, als ich so darüber nachdachte. Obwohl sie ein gutes Stück kleiner war als ich, müsste sie die meisten Mädchen doch um einiges überragen, was aber bei ihren unendlich langen Beinen kein Wunder war. "Sabber nicht mein Bett voll.", meckerte Kyubi scherzhaft und bezog sich dabei wohl auf meinen verträumten Gesichtsausdruck. "Willst du ihre Telefonnummer? Irgendwer aus meinem Kurs hat sie bestimmt." Das klang verführerisch, aber ich schüttelte den Kopf. "Sie hält mich ja jetzt schon für einen Stalker. Wenn ich sie auch noch anriefe, würde es das nicht besser machen.", seufzte ich, ernstlich deprimiert. "Tja, dann kann ich dir auch nicht helfen... Wobei es mich wundert, dass du dich für sie interessierst. Sonst stehst du doch eher auf sehr... Mädchenhafte Mädchen, wie Sakura. Mit Nagellack und Schminke und Röcken und so." "Je kürzer desto besser.", grinste ich und er verdrehte belustigt die Augen, doch dann wurde ich nachdenklich. "Na ja... Du hast schon Recht. Keine Ahnung was es mit ihr ist." "Hey, jetzt beruhige dich mal. Vielleicht kommt sie dich ja mal wieder besuchen." "Glaub ich nicht. Ich mein, sie ist einfach weggerannt und so." "Wahrscheinlich hast du sie nur überfordert. Ich kann mir vorstellen, dass sie sonst nicht so viel Aufmerksamkeit bekommt und du bist immer so gerade heraus." "Eeeh? Wieso sollte sie keine Aufmerksamkeit bekommen? Sie ist voll hübsch und diese Beine! Ich wette, sie wird die ganze Zeit angebaggert, Mann!", rief ich und merkte, dass mir dieser Gedanke nicht gefiel. Die Kleine hatte es mir echt angetan... Oder ich steigerte mich einfach nur da rein, das konnte natürlich auch sein. "Na, wenn du das sagst." Er sagte es zwar nicht direkt, aber ich merkte deutlich, wie lustig Kyubi meine Lage fand. Eigentlich verstand ich ihn sogar, immerhin benahm ich mich wie ein verknallter Teenager. "Wie auch immer, vielleicht siehst du sie ja wieder." Ich war mir da zwar nicht so sicher wie er, aber es sollte sich herausstellen, dass er früher Recht bekommen würde als erwartet. Genau genommen nämlich schon am nächsten Tag. Gegen Mittag stand sie einfach im Café und sah stur auf ihre Füße, die ich hinter dem Tresen nicht sehen konnte. "Hi.", sagte ich, als sie eine Weile geschwiegen hatte. Sie zuckte zusammen, als hätte sie bisher nicht bemerkt, dass ich da war, nickte steif und blickte zu mir auf. "Hi." Ich blinzelte verwirrt, weil sonst nichts kam, dann lachte ich. "Ok... Bist du hier, um mir noch eine Chance zu geben, damit ich zeigen kann, dass ich weiß, was ein schwarzer Kaffee ist?", schlug ich vor. Sie schien erleichtert, dass ich ihr einen Grund gab, denn sie nickte erneut und nestelte an ihrer Ledertasche herum, während ich mit dem Getränk beschäftigt war. "Wegen gestern Abend...", fing sie erstaunlich kleinlaut an. Sie hatte sich so selbstbewusst präsentiert, dass ich ihr diese Unsicherheit nicht zugetraut hätte, aber es war süß und ich war ganz Ohr. "Tut mir leid." "Was?!", fragte ich, extrem laut, weil sie so genuschelt hatte. "Ich kann dich nicht verstehen!" "Tut mir leid, ok?", zischte sie und ein Hauch rot legte sich auf ihre blassen Wangen. Dabei starrte sie mich wütend an, doch ich erwiderte ihren erbosten Blick mit einem Grinsen. "Es war... Einfach nicht mein Tag." "Schon in Ordnung." Ich schob ihr die Tasse mit dem Getränk hin und lächelte. "Das war der Ausgleich für den falschen Kaffee, nehme ich an." Sie nickte, schob mir das Geld zu und sah mich noch kurz unschlüssig an, dann wollte sie gehen, bis ich das Wort noch mal ergriff. "Aber nicht wieder mit dem Geschirr weglaufen, ja?" Ihre Mundwinkel hoben sich ein paar Millimeter, als sie mich ansah. "Dieses Mal ist kein so schönes Herz darin, also gibt es keinen Grund dazu.", erwiderte sie und setzte sich etwas weiter hinten ins Café. Sasuke packte ein Mac-Book aus und setzte eine schlanke Brille auf, die ihre Augen noch mehr Glänzen ließ. Sie sah damit fast noch besser aus als sowieso schon, vor allem mit dem konzentrierten Gesichtsausdruck, mit dem sie ihren Laptop musterte. Erst, als ein Kunde mich ansprach, fiel mir auf, dass ich sie schon eine Weile anstarrte, aber auch danach ertappte ich mich dabei, sie gelegentlich zu beobachten, bis Killer B mich an der Kasse ablöste. Folgsamer, als ich diese Aufgabe sonst anpackte, machte ich mich auf den Weg, die Tische abzuputzen und oh, die Sitzplätze in Sasukes Nähe sahen zufällig wirklich aus, als könnten sie eine Reinigung gebrauchen! Pflichtbewusst ging ich also zu ihnen, schenkte Sasuke ein Grinsen und fing an zu wischen. Sie warf mir einen amüsierten Blick zu, wandte sich dann aber ohne ein Wort wieder ihrer Arbeit zu. "Du warst echt gut bei dem Gedicht.", merkte ich an. "Deine Übersetzung war schön." "Ja.", antwortete sie schlicht. Ihre Finger rasten geradezu über die Tastatur und ihre Brille blitzte im Licht des Cafés. Sie warf mir einen Blick aus dem Augenwinkel zu. "Deine nicht." "Tja, ich könnte halt... Ein wenig Hilfe gebrauchen." Sie nickte zustimmend - Ich schmollte etwas; Nicht immer wollte ich Recht haben - Zuckte aber gleichzeitig die Schultern. "Mag sein, aber du findest bestimmt niemanden so kurz vor den Prüfungen." Während sie das sagte, blickte sie nicht mal auf. Sie hatte bestimmt begriffen, worauf ich hinaus wollte, ging aber nicht darauf ein. Wie unfair. "Na jaaaa...", erwiderte ich gedehnt. “Vielleicht könntest du mir etwas unter die Arme greifen? Ich meine, du hast das wirklich drauf und so." Jetzt konnte Sasuke meine Bitte nicht mehr ignorieren, also blickte sie seufzend zu mir auf. Eigentlich hatte ich gedacht, mich an ihren Blick gewöhnt zu haben, aber ganz im Gegensatz dazu machte mein Herz jetzt einen Schlingerer, der sogar meine Knie zum Zittern brachte. "Erstens: Wir kennen uns nicht. Wieso sollte ich das tun? Und zweitens: Ich hab selbst Prüfungen, auf die ich mich vorbereiten muss und keine Zeit, Babysitter für dich zu spielen." Ich biss mir auf die Unterlippe. Versuchen musste ich es mal, immerhin hatte sie nicht direkt ´Nein.` gesagt, aber viel Hoffnung hatte ich eigentlich nicht. "Erstens: Wir können uns ja kennenlernen, oder? Das würde mich freuen." Ich lächelte, sie wurde ein wenig rot - Das ging ziemlich schnell bei ihrer hellen Haut - Und senkte den Blick. Das schien schon mal überzeugend, also machte ich weiter: "Und zweitens siehst du mir nicht aus, als müsstest du noch viel für deine Prüfungen tun. Ich wette, du bist schon seit drei Monaten perfekt vorbereitet und tüftelst jetzt nur noch an irgendwelchen Formeln oder so - Keine Ahnung, was ihr in eurem Studium so durchnehmt. Da könntest du doch nebenbei, während du deine perfekte Vorbereitung noch perfekter machst und versuchst, dich nervös zu machen, ein, zwei Blicke auf meine unwürdigen Arbeiten werfen. Das würde... Deinem Karma gut tun.", endete ich und musste selbst über den Versuch lachen, der sicher ziemlich verzweifelt rüber kam. "Karma?", fragte sie, die Braue skeptisch hochgezogen. "Im Ernst?" "Keine Ahnung, hätte ja sein können..." Grinsend kratzte ich mich am Kopf, als sie den Kopf schüttelte und sich abwandte. "Ach komm schon, bitte. Ich bin echt am Arsch wenn nicht." "Warum sollte mich das kümmern? Wie gesagt, wir kennen uns nicht." "Das ließe sich in dem Zuge ja ändern.", lächelte ich, aber damit hatte ich wohl das falsche gesagt, denn sie blitzte über den Rand ihrer Brille zu mir auf. "Wer hat gesagt, dass ich dich kennenlernen möchte?" "Äh..." Verwirrt schwieg ich einen Moment, dann deutete ich auf sie. "Du bist doch hier aufgetaucht. Also dachte ich..." "Das solltest du lassen.", unterbrach sie mich und klappte ihren Laptop zu. Sie erhob sich mit einem gemeinen Lächeln. "Ist nicht deine Stärke." "Hey!", schmollte ich und hörte auf zu putzen, um mich ihr zuzuwenden; Wenn ich noch weiter geschrubbt hätte, wäre vermutlich sowieso nichts mehr von dem Tisch übrig geblieben. "Wir können uns nachher in der Bibliothek treffen und du hilfst mir bei der Übersetzung und dann lad ich dich als Dankeschön zum Essen ein. Dann hast du auch was davon, ok?" Bevor sie antworten konnte, flog ein nasser Lappen an Sasuke vorbei und landete direkt in meinem Gesicht. Ich gab ein angewidertes Geräusch von mir und kämpfte mich aus dem Geschoss frei, um in das Gesicht meines Chefs zu blicken, der nicht sehr glücklich wirkte. "Glaubst du nicht, der Tisch ist langsam mal sauber genug?", erkundigte er sich. Ich warf Sasuke einen kurzen Blick zu, aber sie war schwer damit beschäftigt, ihre Unterlagen in ihre Tasche zu räumen und keine große Hilfe. "Äh... Da hat jemand einen besonders hartnäckigen Fleck gemacht..." B zog die Brauen unter seiner obligatorischen Sonnenbrille etwas in die Höhe und musterte den Tisch, den ich zehn Minuten lang geschrubbt hatte, dann sah er zu Sasuke. "Ich glaub eher, du bist hier der Hartnäckige. Lass das Mädchen in Ruhe, das gehört sich nicht." "Ich hab gar nichts gemacht, Chef!", protestierte ich laut. Zu meiner Überraschung sprang Sasuke für mich ein: "Es ist alles in Ordnung, Sir. Schönen Tag." Sie nickte mir zu, dann ging sie, ohne auf meine Bitte einzugehen. "Drückst dich hier vor der Arbeit, um die Mädchen anzubaggern, also wirklich!", schalt B mich, dann nickte er aber zustimmend. "Hast du wenigstens ihre Telefonnummer?" Ich seufzte enttäuscht. "Ne, leider nicht. Du hast mir voll die Tour versaut!" "Und dann bist du noch hier?" Mein Arbeitgeber drohte mir mit dem schmutzigen Lappen, den er mir vorhin ins Gesicht geklatscht und inzwischen wieder an sich genommen hatte. "Lauf ihr schon nach." "Eh...? Oh...! D-Danke!", stammelte ich. Ich machte zögernd ein, zwei Schritte, bevor ich anfing zu rennen. Natürlich wusste ich nicht, welchen Weg Sasuke genommen hatte, aber ich vermutete, sie musste in dieselbe Richtung wie am letzten Abend, also schlug ich diese auch ein. Wenig später sah ich sie am Ende der Straße, auf deren anderer Seite die Uni lag; Deshalb war das Café auch so beliebt bei den Studenten. Sie drehte sich nach mir um und mein Herz raste schon, als sie mich aus dieser Entfernung ansah, also lächelte ich und winkte ihr zu. Ich holte sie ein und überholte sie sogar, um vor ihr zu laufen, das Gesicht zu ihr und mit einem Grinsen erhellt. "Hi!", begrüßte ich sie gut gelaunt. Sasuke schien nicht so recht zu wissen, ob sie mein Verhalten lustig oder beunruhigend finden sollte, denn sie strich sich die Haare aus den Augen und sah zur Seite. "Hi." "Du hast nicht geantwortet.", erklärte ich und blieb stehen, sodass auch sie das tun musste, wenn sie nicht in mich reinlaufen wollte. "Tust du mir den Gefallen? Mit Nachhilfe und so?" "Mit einem ´Nein` wirst du dich nicht abspeisen lassen, oder?" Grinsend kratzte ich mich am Kopf. "Natürlich nicht! Es geht um mein Studium! Und ich kann den Kindern doch nicht diesen super Lehrer vorenthalten, oder?" Bekräftigend wackelte ich mit den Augenbrauen und deutete mit den Händen über meinen Körper, was ihr dieses leises Lachen entlockte, das mein Herz fast noch schneller schlagen ließ als ihre Augen. Erst, als sie mich etwas an den Rand des Fußgängerweges zog, wurde mir bewusst, dass wir mitten auf dem Gehweg standen und die Passanten sich mit wütendem Gemurmel an uns vorbei schoben. "Ja, du hast unserem Bildungssystem gerade noch gefehlt.", antwortete sie und jetzt musste ich über ihren Sarkasmus lachen. "Wow, du hast Humor, dafür, dass du ungern sprichst." "Der Unsinn, den du von dir gibst, ist ansteckend.", erklärte sie und sah kurz zu Boden, bevor sie schicksalsergeben seufzte. "Wie lang musst du arbeiten?" Am liebsten hätte ich sie in den Arm genommen, so glücklich war ich, aber sie mochte das ja nicht, also ließ ich es bleiben, sonst überlegte sie es sich am Ende noch anders. "Bis um vier." "Also gut. Kennst du das Café am Ende der Kasumigaseki Straße?" Ich kannte nicht mal die Straße, bestätigte es aber. Da würde ich schon hin finden. Sasuke schien skeptisch, aber sie nickte. "Wir treffen uns dort um halb fünf. Ich sitze im ersten Stock irgendwo zwischen den Büchern." "Bücher?", fragte ich erstaunt. Sie schnaubte amüsiert. "Ich dachte, du kennst das Lokal?" "Eh... Hehe...", lachte ich verlegen. Sasuke verdrehte nur die Augen, dann hob sie verabschiedend die Hand, mahnte mich zu Pünktlichkeit und ließ mich stehen. Als würde ich so eine Frau warten lassen! Kapitel 3: Elitestudenten ------------------------- Das Lokal war gut getarnt, denn es hatte statt eines Schaufensters eine altmodische Ziegelwand. Nur die drei, vier zierlichen Tischchen vor dem Haus verrieten mir, dass ich nach dem dritten Anlauf endlich richtig gelandet war. Davor war ich schon in jeder Seitenstraße, die das Restaurant so hatte. Jetzt trat ich ins Innere, obwohl ich eigentlich lieber draußen in der Sonne gesessen hätte. Aber so blass, wie Sasuke war, wunderte es mich nicht, dass sie keine Sonnenanbeterin war. Hinter der Vintage-Kuchentheke stand ein junger Mann mit dunklem, schulterlangem Haar, zu dem seine Berufskleidung, bestehend aus einem altmodischen Hemd, beigen Kniehosen und einer braunen Weste irgendwie nicht so recht passen wollte. Ich unterdrückte ein Grinsen, als ich auf ihn zuging. „Hey! Ich bin hier mit einer Freundin verabredet. Schwarzhaarig, blass, ziemlich grimmiges Gesicht… Hast du sie vielleicht gesehen?“ Trotz meiner, wie ich dachte, freundlichen Worte verdüsterte sich das Gesicht des Kellners, auf dessen Namensschild ´Akira` stand. „Sie ist oben“, raunzte er, ohne anzubieten, mich zu ihr zu führen. „Okeyyy…?“, machte ich verwirrt, ließ ihn dann aber einfach stehen, um die schmale Wendeltreppe in den ersten Stock zu erklimmen. Oben war es schummrig. Nur ein großes Milchglasfenster ließ Licht zwischen die Regale fallen und die Staubpartikel dazwischen tanzen. Das Holz der Möbel war dunkel und die Lampen, die auf kleinen Beistelltischchen zwischen den Regalen standen, spendeten bräunliches Licht. Neugierig schlenderte ich zwischen den deckenhohen Bücherborden hindurch, bis ich am Fenster ankam, vor dem zwei junge Frauen sich unterhielten. Sie schmunzelten, als ich vor ihnen stehen blieb, schauten aber enttäuscht, weil ich fragte, ob sie wussten, wo Sasuke war. Offenbar hatten sie gedacht, ich würde sie anbaggern, und waren nicht abgeneigt gewesen. Trotzdem wiesen sie mir den Weg zwischen den Regalen in die hinterste Ecke. Irgendwie musste ich darüber grinsen. Das war genau, was ich von Sasuke erwartet hätte. Ich stromerte zwischen den Regalen hindurch, zog hier und dort ein Buch heraus, dessen Einband mich ansprach, war jedoch hauptsächlich mit der Suche beschäftigt. Endlich, wirklich ganz am Ende des Raums, fand ich sie, in ein Buch vertieft und mit Kopfhörern auf den Ohren. Amüsiert beobachtete ich, wie sie an ihrem Eistee nippte, ohne den Blick von ihrer Lektüre abzuwenden. Sie war schon seltsam… Und gleichzeitig wahnsinnig faszinierend. Endlich bemerkte sie, dass sie nicht alleine war, und wandte sich mir mit genervtem Blick zu, der auch nicht freundlicher wurde, als sie mich erkannte. Immerhin nahm sie ihre Kopfhörer ab. „Starr nicht so.“, war ihre Begrüßung. „Ich wollte dich nicht stören.“, erklärte ich, als ich mich auf den Sessel ihr gegenüber plumpsen ließ. „Bist du schon lange hier?“ Sie warf einen Blick auf ihre Armbanduhr, die teuer aussah und genauso wenig zu ihrer sonstigen Kleidung passte wie die hochwertige Ledertasche. „Ja, aber du bist pünktlich.“ „Hehe, hab ich doch versprochen!“, grinste ich, mir die Nase reibend. „Mhm… Hol deine Unterlagen raus.“, befahl sie ohne große Umschweife, was mich irgendwie enttäuschte. Als sie meinen Blick bemerkte, krauste Sasuke die Stirn. „Was?“ „Na ja, ich dachte, wir könnten etwas plaudern und uns kennenlernen“, gestand ich offenherzig wie immer. Sofort wurde ihre ganze Haltung abwehrend. „Wir haben von Nachhilfe gesprochen.“ „Ja, natürlich!“, rief ich mit abwehrend erhobenen Handflächen. Warum fühlte sie sich nur so schnell bedroht? „Ich dachte, man könnte das irgendwie vereinen.“ Kurz schwieg sie mit einem Blick, der abwog, ob sie sofort gehen sollte. Glücklicherweise entschied sie sich dagegen, allerdings blieb sie bei ihrer Distanziertheit. „Konzentrier dich auf deinen Stoff. Ich dachte, du bist hinterher mit dem Lernen?“ Ich grinste verlegen, kam aber nochmal ums Lernen herum, als der unfreundliche Kellner uns aufwartete. Meine Kuchenbestellung nahm er auf, als hätte ich ihm befohlen, seine Schwester zu verprügeln, und Sasuke musterte er beleidigt. „Wenn du was brauchst, ruf einfach“, bot er nur an meine Nachhilfelehrerin gewandt an und plötzlich ging mir ein Licht auf. Ich grinste schelmisch. „Uuuh, der steht auf dich!“, feixte ich, sobald Akira gegangen war. Sasuke verdrehte nur die Augen. „Was ist jetzt mit deinen Unterlagen?“ Anstatt sich um mein mürrisches Gesicht zu kümmern, sah sie die Papiere durch, die ich ihr reichte und sortierte ein paar aus, die sie mir zurückgab. Während ich ihrer Aufforderung, diese zu bearbeiten, nachkam, tippte sie emsig in die Tasten ihres MC-Book, das sie mir nach einer Weile zudrehte. „Was ist das?“, fragte ich, durch die Fragenkataloge scrollend, die sie mir zeigte. Neugierig verkleinerte ich das offene Dokument und sah zu meiner Überraschung etwas als Bildschirmhintergrund, das verdächtig nach einem blühenden Tomatenfeld aussah. Bevor ich es genauer studieren konnte, vergrößerte Sasuke mit einem Grunzen wieder die Seite mit den Fragen. „Prüfungsfragen einer anderen Uni“, antwortete sie mit einem warnenden Blick, der mich davon abhielt, weiter auf ihrem Laptop herum zu suchen. Ich stieß einen beeindruckten Pfiff aus. „Wow, wie bist du denn daran gekommen?“, erkundigte ich mich, als gerade unsere Bestellung gebracht wurde, Minz-Eistee für Sasuke und Milchkaffee mit einem Stück Käsekuchen für mich. Ein abgeklärter Blick trat in ihre Augen und sie zog ein Buch und einen Block aus ihrer Tasche, von der ich mich langsam fragte, was noch alles in ihr Platz hatte. „Mein Vater kennt viele Menschen.“ „Je mehr, desto besser, sag ich auch immer!“, grinste ich, aber sie ging nicht darauf ein, was mich etwas stutzig machte. „Jetzt tu nicht so geheimnisvoll. Das klingt ja fast, als wäre er ein Mafiosi oder so.“ Sie lächelte sarkastisch, als sie „Wer weiß?“, flüsterte und eine auffordernde Handbewegung zu ihrem Laptop machte. „Die Aufgaben. Los. Und wehe, du machst das Ding schmutzig.“ Wiederwillig machte ich mich an die Arbeit. Eigentlich hätte ich lieber weiter mit ihr geredet, aber andererseits wollte ich auch eine gute Note. Wenn ich eine Pause zum Essen machte nutzte ich die Zeit, um Sasuke mit Fragen zu löchern, sodass ich am Ende unserer Stunde wusste, dass sie weder ein besonders geduldiger noch besonders hilfsbereiter Nachhilfelehrer war und dass sie ihre Englischkünste langen Auslandsaufenthalten verdankte. Scheinbar hatte sie ihre Kindheit überall auf der Welt verbracht, was zumindest erklärte, warum sie so entrückt wirkte. Während dieser Aufenthalte hatte ihr Vater offensichtlich eine wahre Prozedur von elitären Lehrern an ihr vorbeiziehen lassen, sodass sie stets mit beeindruckenden Leistungen geglänzt hatte – Und die Lehrmethoden weitergeben konnte. Ein paar Stunden später warf sie einen Blick auf die schmale Uhr an ihrem Handgelenk, worauf sie etwas sah, das sie dazu veranlasste, zusammen zu räumen. „Ich hab noch einen Termin.“, erklärte sie mit einer auffordernden Geste zu ihrem Laptop, welchen ich ihr folgsam reichte. „Jetzt noch?“, fragte ich erstaunt und machte mich ebenfalls daran, zusammen zu packen. Es war erstaunlich angenehm gewesen, hier zu arbeiten, aber alleine würde ich nicht bleiben. „Was hast du denn vor?“ Mit einem Seitenblick, der deutlich machte, dass ich keine Antwort zu erwarten brauchte, lief Sasuke durch die Bücherregale zur Treppe. Ich folgte ihr mit dem Gedanken, dass ich das eigentlich hätte wissen müssen. Noch im Laufen kramte ich nach meinem Geldbeutel, worüber ich gar nicht nachgedacht hatte, bis ich den missbilligenden Blick meiner Nachhilfelehrerin bemerkte. Sie blieb mit verschränkten Armen stehen. „Du wirst nicht für mich zahlen. Das war kein Date“, eröffnete sie kühl, worüber ich irritiert blinzelte. „Ähm, das hab ich auch nicht gedacht. Das sollte eher ein Dankeschön für deine Mühe sein – Obwohl du mich eigentlich nur hast Ackern lassen, ohne mir wirklich zu helfen!“, beschwerte ich mich mit grinsend, um die Situation aufzulockern. „Sich etwas selbst zu erarbeiten, ist am effektivsten.“ „Kann schon sein. Trotzdem hätte ich mehr Engagement erwartet!“ Ich lachte, zögerte kurz, bevor ich fortfuhr. „Aber… Wäre es wirklich so schlimm, wenn es ein Date gewesen wäre? Ich meine… Ich finde dich wirklich interessant und nett – Also, manchmal.“ Sasuke lachte nicht mit mir. „Ich will keine Dates.“, erklärte sie langsam und sah, offenbar nicht in der Erwartung, ich würde es verstehen, zu mir auf. „Mit niemandem.“ Sie deutete zwar an, dass es dabei nicht um mich ging, aber irgendwie tat es das ja doch. Unschlüssig, den Kopf leicht schiefgelegt, kratzte ich mich am Kinn. „Na ja… Es war ja auch keines! Und wenn du dich weiter mit mir triffst, sind das auch nur Nachhilfestunden. Das geht ja wohl in Ordnung, oder?“, fragte ich hoffnungsvoll. Sie zögerte so lange, dass ich schon damit rechnete, sie nie wieder zu sehen, doch dann nickte sie nur. „Dann bezahl deinen Unterricht. Ich muss los.“ Ich glaube, ich war noch nie so erfreut darüber, etwas zu bezahlen. Akira, der offenbar unser Gespräch belauscht hatte, sah mich nicht mehr ganz so ungnädig an, nachdem Sasuke klargemacht hatte, dass sie kein Interesse an mir hatte, und so waren für den Moment alle zufrieden. Ich hoffte allerdings darauf, die Meinung der Lady noch ändern zu können. Wäre doch gelacht, wenn nicht! „Kann ich dich wenigstens noch irgendwo hinbringen?“, fragte ich, als wir auf die Straße traten. Sie sah mich erstaunt an. „Du hast ein Auto?“ „Nein, viel besser! Komm, ich zeig´s dir!“ Trotz ihres Protestes, sie müsse wirklich los, zog ich Sasuke die Straße runter, zu einem kleinen Grünstreifen, auf dem ich nicht ganz legal mein Motorrad geparkt hatte. Stolz betrachtete ich mein Baby und Sasuke, die ein befriedigendes Maß an Bewunderung zeigte. Sie sah ziemlich gut aus neben der Maschine und die Vorstellung von ihrer schlanken Gestalt in einer engen Lederkluft… Hmm. „Also?“, kam ich auf mein voriges Angebot zurück. „Ich fahre Bahn.“ Ich wollte schon antworten, sie nach Hause zu bringen, als mir einfiel, dass sie mich deswegen ja schon mal abgewiesen hatte. Rasch schwenkte ich um: „Aber ich könnte dich zum Bahnhof bringen. Bis dahin ist es zu Fuß schon ein Stück.“ „Es gibt da dieses neue Verkehrsmittel – Den Bus.“, antwortete Sasuke sarkastisch. Sie blieb stehen, strich sich das Haar aus den Augen, seufzte schließlich. „Also gut.“ „Yai!“, rief ich begeistert und holte den Helm aus dem Topcase. Während sie ihn aufzog, holte ich die Jacke hervor, in die ich ihr half. „Obwohl du etwas dankbarer sein könntest, dass ich dich mitnehme.“ Ich grinste ob ihres warnenden Blickes aus dem Visier des Helms, dann stieg ich auf. „Bist du schon Mal gefahren?“ „Nein.“ „Es ist ganz einfach. Du musst dich nur immer in dieselbe Richtung lehnen wie ich. Auch in den Kurven – Das ist wichtig, sonst bekommen wir nicht die richtige Neigung. Du kannst dich an den Stangen da festhalten“, fügte ich hinzu, weil mir einfiel, dass sie nicht so auf Körperkontakt stand und sich sicher nicht an meinen Rücken schmiegen wollte. Dann erklärte ich ihr, wie sie aufsteigen musste und startete den Motor. „Hast du keinen Helm?“, fragte sie irritiert. „Doch – Den hast du auf“, lachte ich unbeschwert und fuhr los, als ich sichergestellt hatte, dass sie sich festhielt. Ich fuhr relativ oft mit weiblichen Beifahrern, da meine Freundinnen sich irgendwie an einen Taxiservice gewöhnt hatten, aber so einen angenehmen Sozius wie Sasuke hatte ich noch nie gehabt. Bereits nach kurzer Zeit verlor sie die Scheu in den Kurven und passte sich den Bewegungen der Maschine mit Leichtigkeit an. Gleichzeitig begeistert und enttäuscht, dass es nur so eine kurze Fahrt gewesen war, stellte ich die Honda auf dem Bahnhofsparkplatz ab und verstaute den Helm. „Du bist ein Naturtalent!“, lobte ich auf dem Weg zum Bahnsteig, auf dem mir Sasuke mein Jacke zurückgab. „Hn“, machte sie mit einem arroganten Schmunzeln, das ihr ziemlich gut stand. Trotzdem knuffte ich sie dafür gegen die Schulter. „Sei nicht so eingebildet! Aber mal im Ernst, hast du schon mal überlegt, den Schein zu machen? Es macht wirklich Spaß!“ Das Lächeln wich aus ihrem Gesicht und sie richtete den Blick auf die Schienen. „Das würde mein Vater nicht gestatten.“ „Was, ein konservativer Mafiosi?“, lachte ich, doch ein Mal mehr amüsierte sie einer meiner Scherze nicht. Ich hatte echt Talent dafür, in jedes Fettnäpfchen zu springen, das sich so eröffnete… „Na ja, aber wir können ja ab und zu zusammen fahren, wenn du Lust hast“, bot ich in Erwartung des nächsten Korbs an, doch zu meiner Überraschung nickte Sasuke nach kurzem Zögern. Dann setzte sie dem Ganzen die Krone auf, indem sie tatsächlich eine Frage stellte: „Wie kannst du dir ein Motorrad leisten? Kellner sind nicht gerade für ihr riesiges Vermögen bekannt.“ „Ich bin Barista, ok?“, rief ich beleidigt. Sasuke schnaubte, sonst ging sie nicht darauf ein. „Das war ein Geschenk meiner Großeltern. Sie sind sehr großzügig.“, fügte ich mit einem sanften Lächeln hinzu. „Die beiden freuen sich bestimmt, dass ich heute solche Fortschritte gemacht habe!“ „Warte auf die Prüfungen“, mahnte sie streng, dann fuhr auch schon ihre Bahn ein. „Ok, also… Bis dann, ja? Ich schreib dir wegen einem neuen Termin, ok?“, fragte ich, ein wenig besorgt, weil ich ihr irgendwie zutraute, mich einfach stehen zu lassen. Sie hatte mir zwar ihre Nummer gegeben, konnte mich aber trotzdem ignorieren. Ich brachte sie bis zur Tür und blieb davor stehen, während sie die schwarzen Kopfhörer von ihren Schultern über die Ohren stülpte. Ohne mich zu beachten suchte sie ein Lied aus und erst in dem Moment, als die Türen sich schlossen, blickte sie mich einem winzigen Lächeln an und sagte leise: „Bis dann, Naruto.“ Den Bauch voller Schmetterlinge sah ich der abfahrenden Bahn nach. Auf ihre Art war Sasuke richtig süß, auch wenn sie mich vermutlich geköpft hätte, hätte ich ihr das jemals gesagt. Auf dem Weg zu meinem Motorrad schrieb ich Kyubi eine begeisterte SMS. Sie trifft sich wieder mit mir! < Zu Hause angekommen holte ich mir erstmal eine Cola aus der Küche. Mit dieser in der Hand machte ich mich auf die Suche nach meiner Familie bis mir einfiel, dass ich ja noch alleine war. Ich sah auf die Uhr, wusste aber nichts mit mir anzufangen. Tsunade verspottete meine Unfähigkeit, mich selbst zu beschäftigen, regelmäßig und in dem Moment musste ich ihr Recht geben. Kurz spielte ich mit dem Gedanken, irgendwen anzurufen und etwas auszumachen, aber eigentlich musste ich später noch lernen, also zog ich mir nur Jogginghosen über, stöpselte meine Kopfhörer ein und lief ohne genaues Ziel los. Es war schon erstaunlich, was für Wege das Leben manchmal nahm, dachte ich, während ich einem Vogel zusah, der von seinem Platz in einem Baum aus in den strahlend blauen Himmel flog. Vor zwei Wochen dachte ich, ich könnte mein Studium hinschmeißen und mir irgendeine mies bezahlte Anstellung suchen und jetzt sah ich eine reelle Chance, meine Tests tatsächlich zu bestehen. Natürlich hatte ich im ersten Schreck übertrieben; Meine Großeltern hätten mich schon nicht rausgeschmissen, wenn ich die eine oder andere Prüfung in den Sand gesetzt hätte. Trotzdem fühlte ich mich jetzt besser vorbereitet als auf alle anderen Tests in meinem Leben – Und das verdankte ich Sasuke, einem Geschenk des Zufalls. Es war ein bisschen nervig – Und gruselig – Wie leicht meine Gedanken zu ihr wanderten. Klar, ich fand sie super, aber diese extreme Verbundenheit hatte ich noch zu niemandem empfunden, und das auch noch so schnell. Kein Wunder, dass ich sie damit überforderte, wenn es mir schon selbst zu viel wurde. Ich musste uns beiden mehr Platz geben, nahm ich mir fest vor. Nach fast zwei Stunden kehrte ich nach Hause zurück, duschte, räumte lustlos ein wenig auf und aß ein paar Happen. Ich sammelte meine Unterlagen zusammen und machte es mir mit meiner Cola auf meinem Balkon gemütlich, schaute aber nochmal auf mein Handy, bevor ich anfing. Kyubi hatte geantwortet. Sollen wir uns an den Händen fassen und begeistert im Kreis springen? < Lachend schrieb ich ihm eine Beleidigung zurück, dann machte ich mich frisch ans Werk… Wie, mein Vorsatz? Ich hatte ja immerhin nicht Sasuke geschrieben, oder?! Die nächsten Tage verbrachte ich fast ausschließlich mit lernen, meist alleine oder mit meinen Kommilitonen, aber erfreulich oft auch mit Sasuke. Sie wollte mich nicht jeden Tag sehen, stimmte allerdings großzügig zu, mir so gut wie jeden zweiten Tag eine Audienz zu gewähren. Außerdem bombardierte ich sie ständig mit SMS, die immer weniger mit dem Stoff meiner Prüfungen zu tun hatten und sich dafür in sarkastische Wortgefechte verwandelten. Dass sie das nicht unterband sah ich als gutes Zeichen, trotzdem weigerte sie sich vehement, außerhalb unserer „Nachhilfestunden“ – Bei denen es sich eigentlich um ein Selbststudium mit Gesprächsanteil handelte – Etwas mit mir zu unternehmen. Ich bettelte sie praktisch an, mal etwas mit meinen Freunden zu unternehmen, aber sie lehnte jedes Mal mit der Begründung ab, sie habe keine Zeit. „Mal ehrlich, es kommt einem vor, als hättest du gar kein Privatleben!“, warf ich ihr vor, als wir durch einen Park schlenderten. Wir setzten uns auf die Kuppe eines Hügels, von der aus man über einen künstlich angelegten See und andere, baumbestandene Hügel blicken konnte. Auf dem Wasser und den Grasterrassen, die sanft zum Ufer abfielen, waren die Aufbauarbeiten für ein Sommerfest im Gange. Die Handwerker waren nicht allzu laut, weshalb Sasuke ihre Unterlagen aus der magischen Tasche zog. Auf meinen Kommentar ging sie gar nicht ein, als sie mir meine Übungsaufgaben hin schob. Seufzend musterte ich ihr Gesicht, das im Schatten ihrer Baseball-Cap lag. Sie trug unförmige, schwarze Bermudas und ein weißes Männershirt mit lilanem Schlangenaufdruck. Ich hatte immer noch nicht herausgefunden, warum sie sich trotz ihrer zierlichen Figur so anzog. Da huschten Sasukes Augen doch zu mir und sie zog die Brauen zu diesem typischen, verärgerten Dreieck zusammen, das ich inzwischen schon ganz gut kannte. „Was?“, fragte sie gereizt. „Sorry. Ich frag mich nur, woher du die Motivation nimmst, so viel zu büffeln“, stöhnte ich und ließ mich auf die Wiese plumpsen. Über uns zogen flauschige Wölkchen am Himmel vorbei. Ich streckte die Hand aus, um mit dem Zeigefinger die Konturen einer der Wolkengebilde nachzufahren. „Ich habe ein Ziel, das ich erreichen möchte.“ Verärgert rollte ich mich auf die Seite, um Sasuke ansehen zu können. „Das habe ich auch! Doch, ehrlich!“ – Sie hatte verächtlich geschnaubt. – „Ich will unbedingt Lehrer werden. Du weißt gar nicht, was ich dafür schon alles gemacht hab, Mann!“ Sasuke legte den Kopf schief, sodass ihr das Haar in die Stirn hing. „Verdien es nicht, indem du faul bist“, mahnte sie erstaunlich sanft mit einem Nicken zu meinen Papieren. Verwirrt von dem ungewohnten Tonfall nahm ich die Unterlagen, behielt aber den Blick auf das Mädchen gerichtet. „… Wer bist du, und was hast du mit Sasuke gemacht?!“, fragte ich dann mit anklagend erhobenem Finger, worüber sie nur schmunzelnd die Augen verdrehte. Ich hätte es nie für möglich gehalten, dass man sich so sehr zu dem Charakter eines Menschen hingezogen fühlen konnte. Alleine, weil ich sie so interessant fand, fand ich Sasuke attraktiv: Da konnte sie sich noch so sehr verhüllen, ihren Charakter konnte sie nicht verbergen, und der war es, der mich fesselte. Manchmal verwirrte es mich selbst, wenn ich sie neben einem hübsch hergerichteten Mädchen sitzen sah, aber dann machte sie den Mund auf und es war um mich geschehen. Und dann waren da noch diese Augen… Gott, ich hätte in ihrem Dunkelblau ertrinken mögen und ich schämte mich für diesen kitschigen Gedanken. Es war so leicht, mit Sasuke Zeit zu verbringen, obwohl sie manchmal ohne Grund sehr abweisend sein konnte. Allerdings waren das nicht die üblichen weiblichen Stimmungsschwankungen. Sie wurde nicht zickig oder versuchte, einen mit Schweigen zu bestrafen, sondern brauchte dann wohl einfach einen Moment für sich. Mit ein bisschen Übung konnte man damit umgehen und inzwischen schaffte ich es sogar manchmal, sie aus dieser seltsamen Stimmung herauszuholen. Wenn man so darüber nachdachte, hatte sie Marotten wie ein alter Mann. Über den Gedanken schmunzelnd fragte ich: „Sag mal, du bist doch neunzehn, oder?“ Offenbar wusste Sasuke nicht, worauf ich hinaus wollte, denn sie sah mich vorsichtig an. „Ja.“ „Wie bist du in dem Alter darauf gekommen, Chemie zu studieren? Ich meine, die meisten verbringen das Jahr nach dem Abi erstmal auf einem Selbstfindungstripp oder wechseln das Studium gleich nach dem ersten Semester, aber… Du nicht.“ Das Schweigen, das daraufhin einsetzte, ließ mich vermuten, dass ich mal wieder ein Tabuthema angekratzt hatte. Mit meiner großen Klappe passierte mir das leider relativ häufig, obwohl ich echt mein bestes Tat, Rücksicht auf Sasuke zu nehmen. Nur wusste ich manchmal eben nicht, wo die Grenzen ihrer Souveränität lagen, die mir so dünn erschienen wie ein Vorhang: Ein falscher Schritt, und du hattest sie ungewollt übertreten. Besonders gut darin, Gefühlsslalom zu spielen, war ich allerdings leider nicht. Sasuke hatte sich wohl ebenfalls mit meiner Direktheit akklimatisiert, denn ich bekam tatsächlich eine Antwort: „Ich werde in der Firma meines Vaters arbeiten. Dafür mache ich dieses Studium.“ „Woah, dein Dad hat einen eigenen Laden? Krass!“, rief ich beeindruckt. Das erklärte die teuren Details in ihrer sonst schlichten Kleidung. Genauer betrachtet warf dieser Wiederspruch aber mehr Fragen auf, als er klärte, und eine davon stellte ich jetzt: „Solltest du dann nicht, keine Ahnung, ein verzogenes Gör sein, das ständig nur Party macht?“ Sie verzog das Gesicht. „In unserer Familie ist das anders.“ „Hab ich schon gemerkt, dass du anders bist“, amüsierte ich mich, wofür ich einen bösen Blick kassierte. „Hey, das war nett gemeint! Du bist mir so tausend Mal lieber als wenn du ein Partyluder wärst.“ „Wäre ich das, hättest du mich wohl nie kennengelernt.“ „Hm, dann ist es ja noch viel besser, so, wie es ist“, lächelte ich sanft. Sasukes Blick wanderte ab, irgendwohin, wo ich ihn nicht mehr verstehen konnte. Nachdenklich schwieg sie für eine Weile, dann nickte sie. „Vielleicht.“ Indem sie sich ihren Unterlagen zuwandte beendete sie das Gespräch und ich fügte mich. Eigentlich gab sie mir nicht wirklich Nachhilfe, mal von den zusätzlichen Übungen abgesehen, aber sie strukturierte meine Bemühungen und motivierte mich durch ihre bloße Anwesenheit am Ball zu bleiben. Ohne sie hätte ich mich jetzt wahrscheinlich ins warme Gras gelegt und ein Nickerchen gehalten. Vermutlich wusste sie das auch. So lernte ich während unserer Treffen nicht nur für die Englischklausur, für die ich sie ja eigentlich ´eingestellt` hatte, sondern auch für meine anderen Klausuren und hatte tatsächlich die schmale Hoffnung, gar nicht allzu schlecht abzuschließen. „Ich sag´s dir, langsam platzt mir der Kopf mit dem scheiß Gelerne. Ich hab einfach keine Lust mehr“, motze ich lautstark, die amüsierten Blicke ignorierend, die mir vorbeilaufende Studenten zuwarfen. Auch Tentens Antwort fiel schmunzelnd aus: „Na ja, in einer Woche geht es dann ja auch los. Außerdem kommt das davon, wenn man auf den letzten Drücker mit dem Lernen anfängt. Hoffentlich lässt du das jetzt nicht zur Tradition werden.“ „Sicher nicht!“ Sicher war ich mir da allerdings nicht so wirklich, denn ich arbeitete unter Druck am besten. Tsunade nannte das zwar eine faule Ausrede, um alles im letzten Moment zu erledigen, aber nach dreizehn Schuljahren glaubte ich, mich selbst doch recht gut einschätzen zu können. „Und bei dir läuft es gut?“, fragte ich aus reiner Höflichkeit, weil sie mit Sicherheit gut vorbereitet war. „Ja… Aber ich hab auch schon vor einem Monat angefangen zu lernen“, neckte Tenten und nickte einem entgegenkommenden Professor höflich zu. Wir hatten inzwischen den halben Campus überquert und waren zu einer kleinen Grünanlage gelangt, auf die wegen des schönen Wetters viele Studenten strömten. Gerade noch ergatterten wir eine Sitzbank, die sich um den großen Stamm einer Eiche wand. Goldenes Licht flackerte durch die Blätter hoch über uns und jenseits des Astwerks zogen Schäfchenwolken über den sonst makellos blauen Himmel. Es war herrlich, viel zu schade zum Lernen. „Du bist so ein Streber. Das hast du bestimmt von Neji“, mutmaßte ich, in meiner Tasche nach meinem Mittagessen kramend. Endlich beförderte ich einen ziemlich zerknautschten Muffin und eine Coladose hervor. Beides rief bei Tenten ein Naserümpfen hervor. „Ich weiß echt nicht, wie du ständig so einen Müll in dich reinstopfen und trotzdem so trainiert sein kannst.“ „Tja, gute Gene.“ Grinsend klopfte ich mir auf den Bauch, dann biss ich in das Gebäck und zog mein Handy aus der Hosentasche. Ich wischte es an der Hose ab, weil es von der Schokoglasur an meinen Fingern etwas verklebt war, dann löste ich die Tastensperre. Keine neuen Nachrichten. Meine Begleitung hatte meinen enttäuschten Blick bemerkt und fragte: „Und sie kommt sicher?“ „Sie hat zugesagt und Sasuke hält immer, was sie verspricht.“, erwiderte ich überzeugt. „Hm… Jedenfalls bin ich echt gespannt auf sie, nachdem du gar nicht mehr aufhörst, von ihr zu reden“, überging Tenten schmunzelnd den kurzen, unangenehmen Moment. Sie war echt gut in sowas, sehr umgänglich, einfach ein Mensch, den man mögen musste. Deshalb hatte ich auch gerade sie für meinen kleinen Überraschungsangriff auf Sasuke ausgewählt. Diese wusste nämlich noch nichts von ihrem Glück, jetzt eine meiner Freundinnen kennenzulernen, weshalb ich auch ein wenig nervös war. Ich wollte sie nämlich wirklich unbedingt in meinen Freundeskreis integrieren und bisher hatte sie sich so störrisch dagegen gewehrt, dass mir gar nichts anderes übriggeblieben war als mit der Tür ins Haus zu fallen. „So viel rede ich doch gar nicht von ihr“, wiedersprach ich schmollend, der Blick suchend über die umherlaufenden Studenten wandernd. Endlich entdeckte ich das blasse Gesicht, das zwischen den sonnengebräunten anderen hervorstach wie der Mond aus dem Nachthimmel. Begeistert winkend sprang ich auf und machte schon ein paar Schritte auf sie zu. „Sasuke! Hier sind wir!“ Sie kam auf mich zu, murmelte „Mach nicht so einen Aufstand…“, und sah sich mit gerunzelter Stirn nach dem ´wir` um, von dem ich gesprochen hatte. Jedem anderen wäre diese Feinheit entgangen, aber natürlich bemerkte sie so etwas sofort. Verdammt. „Das war doch voll leise“, wiedersprach ich und führte Sasuke zu der Bank, auf der wir es uns bequem gemacht hatten. Auch Tenten stand jetzt auf und lächelte. „Für seine Verhältnisse schon… Hi, ich heiße Tenten.“, begrüßte sie das andere Mädchen und hielt ihr die Hand hin. „Sasuke“, erwiderte diese nach kurzem Zögern. „Freut mich, dich endlich kennen zu lernen“, fuhr Tenten, wohl ein wenig verwirrt von der einsilbigen Begrüßung, fort. „Naruto hat schon echt viel von dir erzählt.“ Mit einem missbilligenden „So?“, ließ Sasuke sich neben dem anderen Mädchen auf die Bank sinken. „Nur Gutes, hoffe ich.“ „Jup – Ich halte dich eigentlich für einen Übermenschen“, grinste Tenten, sichtlich erleichtert, doch eine Art Reaktion bekommen zu haben. „Und du möchtest Chemielehrerin werden?“ Sasuke verengte die Augen ein wenig. „Wieso?“ „Na ja…“, stammelte die andere junge Frau mit einem hilfesuchenden Blick auf mich. „Ich wüsste jetzt nicht, was man mit einem Chemiestudium sonst machen sollte…“ „Man wird Chemiker.“ „Oh.“ Kurz sahen sich die beiden an, dann lachte Tenten in dem Versuch, die Situation aufzulockern. „Hey, sorry, das wusste ich wirklich nicht, ich kenn mich damit kein Stück aus! Und reg dich nicht so auf – Lehrer sein ist ja wohl das Coolste, oder, Naruto?“ „Stimmt, das war ein Kompliment!“, grinste ich und klatschte mit meiner Kommilitonin ein, die zum Glück mit jeder Situation souverän umgehen konnte. Dank ihr entspannte Sasuke sich, obwohl sie die Arme verschränkte und wegsah. „Hn… Jedem das seine.“ „Frei nach Platon, huh?“, schoss Tenten amüsiert zurück. „Nun, manche brauchen eben mehr als andere.“ Damit entlockte sie Sasuke ein seltenes Lächeln und ich war erleichtert, als meine Nachhilfelehrerin von sich aus nach dem Studium der anderen Frau fragte. Während die beiden Höflichkeiten über ihre Studiengänge austauschten widmete ich mich dem Rest meines Mittagessens und einem Papier, zu dem ich Sasuke noch etwas fragen wollte, bevor wir uns wieder trennten. Als ich meinen Namen hörte, blickte ich auf. „Hey, lästert ihr schon wieder?“, fragte ich empört, worüber Tenten die Augen verdrehte. „Immer, Naruto. Es gibt kein interessanteres Gesprächsthema als dich.“ Sarkastischer hätte ihre Stimme gar nicht sein können und sie warf Sasuke neben sich einen mitleidigen Blick zu, als wäre das ihr Problem. Nicht gut… „Er hält sich immer für den Mittelpunkt der Welt, huh?“ „Ich kenne ihn erst seit zwei Wochen. Das kannst du besser beurteilen.“, erwiderte Sasuke kühl. Vielleicht hätte ich Tenten gegenüber erwähnen sollen, dass meine Nachhilfelehrerin noch nicht wusste, dass wir füreinander geschaffen waren. „Na ja, aber ihr hängt ja jeden Tag zusammen rum, da lernt man schon einiges über den anderen, oder?“, versuchte meine Freundin zu schlichten, womit sie das genaue Gegenteil erreichte. Sasuke nickte knapp und sagte gar nichts mehr. Nun… Das hätte besser laufen können. „Sei nicht so empfindlich“, stichelte ich und stupste Sasuke mit dem Ellbogen gegen die Schulter. Grinsend wackelte ich mit den Augenbrauen. „Du kannst mich doch inzwischen wirklich lesen wie ein Buch!“ „Das liegt daran, dass du ein Kinderbuch bist“, murrte sie und drehte den Oberkörper von mir weg, aber immerhin blieb sie sitzen und redete mit mir. Ich schmunzelte darüber, dass sie wesentlich weicher war, als sie selbst glauben wollte, und hielt ihr das Dokument unter die Nase. Erfreulich bereitwillig ging sie auf den Themenwechsel ein und wir diskutierten eine ganze Weile lang zu dritt über die Aufgabe, die Prüfungen und die teilweise ziemlich mangelhaften Vorbereitungsmöglichkeiten. Es war bestimmt schon zwei als Sasuke mit einem Blick auf ihre Uhr und einem gemurmelten „Muss los…“, aufstand und ihre Sachen zusammenräumte. „Willst du uns deinen Pool des Wissens wirklich schon entziehen?“, fragte ich, ganz automatisch selbst aufstehend. Tenten beobachtete mich amüsiert, aber das blendete ich für den Moment aus. Ich fuhr mir durch die Haare, eine Hand in die Hosentasche geschoben, die Schultern leicht zurückgenommen und auf den Fersen kippelnd. „Hast du heute nochmal Zeit oder so…?“ Sasuke warf mir zwischen den Fransen ihres Ponys einen Blick zu, dann wandte sie sich einem Blatt zu, das sie gerade glatt strich. „Heute nicht.“ „Hmm, morgen vielleicht?“, fragte ich, kassierte als Antwort jedoch mürrisches Schweigen. Wahrscheinlich galt das kleine Stelldichein mit Tenten bei ihr für mehr als ein Treffen und sie musste ja haushalten. Eigentlich sollte sie Bürokratin werden, so penibel wie sie unsere gemeinsame Zeit managte… „Am Wochenende vielleicht.“ Sasuke schulterte ihre Tasche und nickte Tenten zu, dann schob sie sich zwischen den anderen Studenten hindurch in Richtung des Universitätsgebäudes. Ich lächelte noch, als ich mich wieder zu Tenten umdrehte, und diese zog belustigt die Augenbrauen hoch. „Wow, dich hat´s ja voll erwischt!“, kicherte sie, wofür ich nur eine abfällige Handbewegung übrig hatte. „Ich kenn sie noch nich lang genug, um sowas zu sagen… Außerdem ist sie nur eine Freundin“, fügte ich hinzu. Tenten schnaubte, aber es war, wie ich gesagt hatte; Ich war wahnsinnig interessiert an Sasuke, aber eben an ihr als Person. Dass ich sie gleichzeitig attraktiv fand, hatte ja nichts zu bedeuten. „Aber du stehst doch volle Kanne auf sie!“ Ich zuckte die Schultern. „Na ja, hübsch ist sie schon… Aber ich finde Ino auch hübsch und wir sind nur Freunde.“ Augenrollend stand Tenten auf. „Das ist nicht dasselbe, das sieht doch ein Blinder!“ „Ach, Quatsch. Wie findest du sie denn jetzt überhaupt?“, fragte ich, um sie abzulenken. Inzwischen liefen wir über den Campus in Richtung der Parkplätze, denn Neji würde sie abholen – Sie war wirklich aus reiner Neugierde geblieben, um Sasuke kennenzulernen. Tenten wurde ernst, überlegte eine ganze Weile, ehe sie antwortete. „Sie scheint recht… Kompliziert zu sein. Aber es überrascht mich überhaupt nicht, dass sie sich zu dir hingezogen fühlt.“ „Sie…!“, setzte ich an, doch dann schüttelte ich nur den Kopf. „Nur mal angenommen – Angenommen! – Du hast Recht und sie fühlt sich zu mir ´hingezogen`, wieso sollte das so typisch sein?“ „Ich glaube, du verstehst mich falsch. Ich meine ´hingezogen` jetzt auf diese rein platonische Art, von der du gesprochen hast, zu dir als Mensch, nicht als Mann“, verdeutlichte Tenten ihre Aussage. „Und es scheint, dass du irgendwie ein Händchen für solche Leute hast. Schau dir doch mal deine engsten Freunde an. Da ist Kyuubi, der nie irgendetwas über seine Gefühle preisgibt…“ „Das ist…“, setzte ich an, aber sie ignorierte mich einfach. „Dann ist da noch Sakura mit ihrem schwankenden Selbstbewusstsein…“ „Sakura-chan ist sehr selbstbewusst!“ Erneut wurde mein Protest übergangen: „Und sogar mit meinem mürrischen Herrn Freund verstehst du dich besser als die meisten, obwohl du ihn noch nicht lange kennst. Ich glaube, das ist dir gar nicht bewusst, aber ich habe ewig gebraucht, um Neji so aus sich rauszuholen, wie du das so mit links schaffst. Du hast einfach eine… Einladende Persönlichkeit.“ „Hehe, ja, die Ladies lad ich gerne ein“, grinste ich und kratzte mich an der Nase, wofür sie mich gegen die Schulter boxte. „Mann, ich meine das ernst!“, lachte sie. Wir sahen uns auf dem Parkplatz um und entdeckten auch bald Neji, der an seinem teuer aussehenden Auto lehnte und auf das freudige Winken seiner Freundin mit einem beherrschten Nicken reagierte. „Du tust einfach gut… Und du merkst es noch nicht mal.“ Ihr Freund, den Tenten küsste, bevor sie das sagte, runzelte fragend die Stirn, aber sie winkte ab. „Es geht um Sasuke. Tenten glaubt, ich würde ihr gut tun“, grinste ich selbstzufrieden, worüber das Paar synchron die Augen verdrehte. „Was denn? Waaaas?“ „Du solltest es einfach nicht übertreiben.“, riet mir die junge Frau, als sie mich umarmte. „Wir sehen uns dann wahrscheinlich Mittwoch, oder?“ Ich verzog das Gesicht. „Nah, ich kann die Woche leider nicht zu Irukas Unterricht, muss meiner Oma helfen. Also wohl eher Donnerstag.“ Sie nickte, dann verabschiedeten sich beide und fuhren davon. Ich zog das Handy aus der Hosentasche, um die Uhrzeit zu überprüfen, schrie spitz auf – In zwei Minuten begann meine nächste Lesung! – Und legte einen Sprint hin über eine Grünfläche, um die ´Betreten verboten`-Schilder verteilt waren. Vor den Prüfungen arrangierte ich noch ein solches Treffen mit den beiden Frauen. Sasuke nahm es mit derselben höflichen Vorsicht hin wie beim ersten Mal. Ich vermutete, Tenten war ihr nicht ganz unsympathisch während diese sich von der brüsken Art meiner neuen Freundin irritiert fühlte. Vermutlich verstand sie nicht so recht, was ich an Sasuke fand, aber sie sagte nichts mehr dazu. Am liebsten war ich sowieso alleine mit Sasuke, weil sie dann offener war. Zwei Tage vor der ersten Prüfung trafen wir uns ein letztes Mal in der Bibliothek der Uni – Am nächsten Tag hatte sie keine Zeit – Und nachdem sie meine Ergebnisse durchgelesen hatte, nickte Sauske gewichtig. „Ich kann dir nichts mehr beibringen.“ „Vielen Dank, Meister.“, grinste ich mit einer angedeuteten Verbeugung. Erschöpft ließ ich mich in den Stuhl zurücksinken, den Kopf in den Nacken gelegt, Arme und Beine ausgestreckt wie tot. „Ich bin echt froh, wenn das alles vorbei ist!“ „Das sind wir alle.“ Sasuke räumte bereits ihre Unterlagen zusammen und warf mir nur einen kurzen missbilligenden Blick zu, weil ich mich so gehen ließ. Ich rappelte mich wieder hoch, legte die Unterarme auf den Tisch und das Kinn darauf und sah zu ihr hoch. „Ach was, dir macht das doch auch noch Spaß.“ Kurz sagte sie nichts, dann wandte sie sich ab und gestand leise: „Ich weiß Dinge gerne.“ Dann ging sie, ohne auf mich zu warten, in Richtung Tür. In Höchstgeschwindigkeit hatte ich meinen Kram zusammengesammelt und folgte ihr. Noch ein paar Papiere in meine Tasche stopfend schloss ich zu ihr auf. „Hehe, inzwischen kenn ich dich schon ganz gut.“, grinste ich erfreut. Sie warf mir einen nicht zu deutenden Blick zu. „Meinst du?“ Etwas verwirrt hielt ich ihr die Tür auf und streckte die Nase in den strahlenden Sonnenschein, der Sauske blinzeln ließ wie eine Eule. „Ja, klar. So schwer bist du auch wieder nicht zu durchschauen. Du lebst für deine harte Arbeit, weil du ein Ziel hast, das du unbedingt erreichen willst. Es fällt dir schwer, dich Menschen anzuvertrauen, weil die meisten dieses Ziel nicht nachvollziehen können. Deswegen fühlst du dich einsam, aber du hast dir so lange eingeredet, dass du es nicht anders willst, dass du es jetzt schon fast glaubst. Aber eigentlich freust du dich, dass ich jetzt bei dir bin.“, grinste ich und legte den Arm leger um ihre Schulter. Sasuke schüttelte mich ab. „Immerhin das mit dem Ziel stimmt“, sagte sie und ihre Augen blitzten herausfordernd. „Und ich werde alles tun, um es zu erreichen.“ Angesichts ihrer Ernsthaftigkeit wurde mein Blick weicher. „Da bin ich sicher.“, stimmte ich sanft zu, was sie zu irritieren schien, denn sie beschleunigte ihre Schritte, sodass ich mich beeilen musste, um ihr hinterher zu kommen. Wie immer brachte ich sie zum Bahnhof, dann machte ich mich selbst auf den Heimweg. Meine Großeltern waren endlich wieder zu Hause, was mich enorm erleichterte. Sie reagierten auf meine Überschwänglichkeit mit Amüsement, ließen es aber gern über sich ergehen, wie ich sie in den ersten Tagen nach ihrer Rückkehr verwöhnte. Ich war ein bisschen wie ein Hund, der Angst hatte, dass seine Herrchen ihn irgendwo zurücklassen würden, hatte Tsunade mal gesagt. Wenn das stimmte, war es mir gleich. Ich war einfach jedes Mal wieder froh, nicht mehr alleine in diesem großen Haus sein zu müssen, das einen fast erschlug, wenn es nicht von mehreren Menschen getragen wurde. Aus der Küche holte ich mir etwas zu Trinken und eine Packung Kekse, dann suchte ich meine Mitbewohner. Im Garten fand ich Tsunade über einem Blumenbeet kniend, das schon die ersten Anzeichen der Verwesung hatte. Es war wirklich faszinierend, wie gut sie darin war, Menschen neues Leben einzuhauchen und wie schlecht darin, Pflanzen zu ziehen. „Vielleicht solltest du doch noch mal über einen Gärtner nachdenken“, empfahl ich amüsiert, wofür ich nur einen düsteren Blick kassierte. „Wo ist Opa?“ „Weiß nicht. Er ist heute Morgen losgefahren und ward seitdem nicht mehr gesehen. Ich glaube, er hat eine neue Idee für seine Schundromane.“ Resigniert warf sie die Schaufel zu Boden und stand, sich den Dreck von den Kleidern klopfend, auf. „Wie war deine Nachhilfe?“ „Super! Sasuke ist zwar echt eine anstrengende Lehrerin – Sie ist so ungeduldig und gleichzeitig still – Aber sie hat extra so Prüfungsaufgaben von anderen Unis und von den letzten Jahren organisiert. Sie hat eine Zeit lang in Amerika und England gelebt, deswegen kann sie so gut sprechen. Es war richtig hilfreich! Aber ich muss mich jetzt nochmal dransetzen und ein paar Sachen aufarbeiten. Sie hat mir Hausaufgaben gegeben, kannst du dir das vorstellen?“ Tsunade hob, amüsiert über meinen Redeschwall, eine Augenbraue. „Sasuke, ja? Ist sie eine Kommilitonin von dir?“ „Nein, sie studiert irgendwas mit Chemie.“ „Mhm? Na, solange du das Gefühl hast, es würde dir helfen. Und sie ist nett?“ „Na ja, eigentlich ist sie ziemlich zynisch – Aber auf eine coole Art, verstehst du?“ Man sah meiner Großmutter an, dass sie das nicht tat, was aber auch kein Wunder war. Sie mochte weder Ironie noch Sarkasmus und der Gipfel, Zynismus, war ihr völlig zuwider. „Nun… Wird man sie denn auch mal kennen lernen?“, überging sie ihre milde Ablehnung. „Uhm, ich weiß nicht.“ Darüber hatte ich ehrlich gesagt noch gar nicht nachgedacht, nachdem Sasuke immer so vehement abgelehnt hatte, dass ich sie nach Hause brachte. Vielleicht wäre sie eher bereit, sich mal hier mit mir zu treffen, das würde ich sie gleich fragen. „Mal sehen. Ihr würdet sie mögen, glaube ich.“ „Das werden wir sehen. Aber lass dich nicht wieder von deinem Studium ablenken. Du glaubst wohl nicht, dass uns nicht aufgefallen ist, dass du mit deinem Lernpensum hinterher bist?“ Tsunade sah mich missbilligend an aber als ich grinste, wurde ihr Gesichtsausdruck wieder etwas sanfter. „Du wirst das schon machen.“ „Ich tu auf jeden Fall mein Bestes“, antwortete ich mit einem Anflug von Nervosität, der mich immer überkam, wenn ich an meine Zukunft dachte. Ich konnte mir nicht vorstellen, etwas anderes als Lehrer zu sein, und ich wollte gar nicht darüber nachdenken, was passieren würde, wenn ich mein Studium nicht schaffte. Klar hatte ich eine Weile davon geschwärmt, eine Karriere als Profisportler zu machen, aber davon konnte man in den wenigsten Fällen gut leben. Noch dazu war man nur so eine unendlich kurze Zeit überhaupt wettkampffähig… Und ich hatte wohl auch zu spät angefangen, wirklich ernsthaft zu trainieren. „Na dann, mach dich an die Arbeit“, scheuchte Tsunade mich aus ihrem Garten. Die Zeit der Prüfungen erlebte ich in einer Art Trance. Wie im Halbschlaf trieb ich zwischen den Lehrsälen, meinem Zimmer, den Lernkreisen mit meinen Kommilitonen, dem Café und meinem Bett hin und her, nicht mehr fähig, auch nur an ein Privatleben zu denken. Ich hatte mich vermutlich noch nie so gut auf eine Sache vorbereitet und sie dann so konzentriert angepackt wie diese Prüfungen. Als ich die letzte Frage beantwortet hatte, saß ich noch zehn Minuten fassungslos vor meinem Blatt. Es war wirklich vorbei… Es war vorbei! Unwillkürlich stieß ich einen Freudenschrei aus, der mir einige wütende Blicke meiner Kommilitonen einbrachte. Mit einem entschuldigenden Grinsen brachte ich meinen Prüfungsbogen zu dem Professor, der am Pult saß und mir ein gutmütiges Lächeln zuwarf. Auf dem Flur vor dem Lehrsaal wusste ich nicht, was ich tun sollte, so froh war ich. Zuerst rief ich Tsunade und Jiraiya an, die sich mit mir zu einem Abendessen verabredeten um zu feiern, obwohl wir die Ergebnisse ja noch gar nicht hatten. Sie waren einfach die besten. Dann trat ich in den strahlenden Sonnenschein vor dem Universitätsgebäude, um zu einer nahegelegenen Eisdiele, dem „Verrückten Eismacher“, zu schlendern, bei dem es wirklich ausgefallene Sorten gab. Aus purem Übermut kaufte ich mir neben dem relativ humanen Maxi-King-Eis noch eine Kugel mit Biergeschmack und ging dann, mich über den ekelhaften Geschmack der zweiten Sorte amüsierend, zurück zur Hochschule um auf Tenten zu warten. Auf der sonnenbeschienenen Mauer der U-Bahnhaltestelle zog ich erneut das Handy aus der Hosentasche und rief die Person an, die mir nach meiner Familie als zweites einfiel: Sasuke. Es dauerte eine Weile, bis sie ranging, und in der Zwischenzeit liefen Gruppen gut gelaunter Studenten vorbei, die ihre Klausuren wohl auch soeben beendet hatten. Schließlich nahm Sasuke mit einem brummigen „Naruto.“, ab. „Hey, du Stinkstiefel! Etwas bessere Laune, wenn ich bitten darf, immerhin stehen uns jetzt zwei Monate ungetrübter Freiheit bevor. Freiheit und Sommer!“ „Deiner Laune entnehme ich, dass es gut gelaufen ist.“ „Keine Ahnung, zuerst mal bin ich froh, dass es vorbei ist.“, gestand ich lachend. „Aber ich denke, es wird schon gepasst haben. Wie war es bei dir?“ Sie schwieg, während ein paar lachende Kommilitoninnen vorbeiliefen, denen ich grinsend hinterher winkte. „Das werden wir sehen.“, murmelte Sasuke im Gegensatz zu dieser sonnigen Laune düster. „Ach, stell dich nicht so an, du hast bestimmt super Noten. Ich glaube, du warst besser vorbereitet als so mancher Professor.“ Ich grinste, erhielt aber nur ein leises Brummen als Antwort, was mich doch langsam misstrauisch machte. „Mal im Ernst, bist du nur jemand, der immer jammert und dann lauter Einsen hat oder hast du echt so ein mieses Gefühl?“ „Ich…“, fing sie an, überlegte es sich dann aber doch nochmal anders. „Nein. Es ist alles in Ordnung.“ „Na siehst du“, lächelte ich beruhigt. „Was hast du heute noch so vor? Im ´Max und Moritz` ist heute Studentenparty und…“ „Ich kann nicht.“ „Eh?“, machte ich völlig überfahren. „Aber… Jeder geht da hin! Was kann wichtiger sein?!“ „Partys sind nicht wirklich mein Ding… Außerdem habe ich ab Montag ein wichtiges Praktikum, auf das ich mich am Wochenende vorbereiten möchte.“, fügte sie hinzu. Ob ihr es glaubt oder nicht, für einen Moment fehlten mir tatsächlich die Worte. Diese Party war praktisch Pflichtlektüre! Da nicht hinzugehen, war, als wäre man gar kein Student… Außerdem hatte ich gehofft, bei der Gelegenheit Sasuke meinen Freunden vorstellen zu können. Und jetzt schwänzte sie, um zu lernen? „Das ist jetzt ein Witz, oder?“, rief ich fassungslos. „Wir haben den letzten Monat ausschließlich mit Lernen verbracht – Du sogar noch mehr Zeit als ich. Und jetzt kannst du nicht mal einen Tag damit aufhören? Du bist so ein Streber, das geht auf keine Kuhhaut mehr.“ „Das… Das hat nichts mit Strebsamkeit zu tun…“, erwiderte sie, wohl doch ein wenig getroffen von meiner Anschuldigung. „Das ist ein wichtiger Geschäftstermin für meinen Vater.“ „Aber kann es nicht einmal um dich gehen?“, fragte traurig. „Nur für heute Abend, so als Belohnung für deine harte Arbeit?“ Sasuke schwieg eine Weile bevor sie antwortete. „Du verstehst das nicht.“ „Dann klär mich auf“, verlangte ich und verschränkte den freien Arm vor der Brust. Ich war wirklich enttäuscht über ihre Abfuhr, hatte ich doch gehofft, ihr nach den Prüfungen auf einer etwas persönlicheren Ebene näher zu kommen. Aus dem Augenwinkel sah ich Tenten näherkommen, aber mit erhobener Hand bedeutete ich ihr, noch kurz zu warten. Mit gerunzelter Stirn blieb sie stehen und ich konzentrierte mich weiter auf mein Telefonat. „Warum interessiert dich das überhaupt?“, fuhr Sasuke auf, als hätte ich sie mit meiner Frage beleidigt. Verwirrt blinzelnd sagte ich: „Na, weil wir Freunde sind.“ Wieder herrschte für eine Weile Stille in der Leitung, die Art Schweigen, die mir eine leichte Gänsehaut bescherte, weil es mehr sagte als viele Worte. Meine Antwort hatte sie überrascht. Sie hatte offenbar noch nicht mal im Traum daran gedacht, dass zwischen uns so etwas wie eine Freundschaft bestehen könnte. „Du hast da wohl etwas falsch verstanden.“, unterbrach Sasuke dann die unangenehme Pause. Ihre Stimme klang beherrscht als spräche sie mit einem Fremden den sie auf Abstand halten wollte. In meinem Magen bildete sich ein unangenehmer Kloß und am liebsten hätte ich nicht weiter zugehört. „Ich habe dir beim Lernen geholfen, weil du mich dazu gedrängt hast. Das ist alles. Eine weitere… Bekanntschaft nach den Prüfungen stand nie zur Debatte.“ „Für dich vielleicht.“ Ich versuchte nicht mal, meine Enttäuschung zu verbergen, die mich auch irgendwie wütend machte. Ich hatte es nicht verdient, so behandelt zu werden, wie sie es tat, immerhin hatte ich mich die ganze Zeit an ihre albernen Regeln gehalten und Rücksicht auf sie genommen. Warum stieß sie mich jetzt trotzdem von sich? „Ich mag dich wirklich, Sasuke, und eigentlich dachte ich, das würde auf Gegenseitigkeit beruhen. Scheinbar habe ich mich geirrt. Ok – Ich werde dir sicher keine Freundschaft aufdrängen, an der dir nichts liegt. Wenn du es dir anders überlegst, kannst du dich ja bei mir melden. Ansonsten…“ Ich zögerte, weil mir der Gedanke, sie könnte mich nicht anrufen, trotz meiner Wut sauer aufstieß. „Ansonsten war es schön, dich gekannt zu haben.“ Ich wartete, ob sie noch einlenkte, aber außer einem tonlosen: „Ich verstehe.“, kam nichts, also nickte ich mir selbst bekräftigend zu. Ich konnte mich ihr nicht so aufdrängen, das gehörte sich nicht. „Gut. Ich… Bis dann, Sasuke.“ „Naruto.“ Dann legte ich auf und sprang von der Mauer, um auf Tenten zuzugehen. Sie sah erschrocken aus und fasste mich am Arm. „Naruto, was ist los? Geht´s dir nicht gut?“ „Doch.“ Sicher war ich mir da aber nicht. Plötzlich fühlte sich alles irgendwie dumpf an und mein Kopf war wie in Watte gepackt. Was war gerade passiert…? „Du schwankst richtig! Hast du schon was getrunken?“, fragte Tenten mit einem unsicheren Lachen. Als ich den Kopf schüttelte, runzelte sie die Stirn und führte mich die Straße runter. „Hm, vielleicht hast du Unterzucker. Komm, wir gehen erstmal was essen, ok?“ Ich nickte und folgte ihr, obwohl ich zum wahrscheinlich ersten Mal in meinem Leben keinen Hunger hatte. Kapitel 4: Blumensprache ------------------------ "Warum muss ich eigentlich hinten sitzen? Ich könnte mir gleich die Beine absägen!" "Sei froh, dass du überhaupt mitfahren darfst.", gab Sakura gelassen zurück und warf mir über die Schulter einen amüsierten Blick zu. Sie hatte die Haare zu zwei kleinen Zöpfen gebunden und trug Latzhosen mit einer grünen Bluse darunter. Sie sah echt hübsch aus, aber ihr Wagen war eine Zumutung für jeden, der größer als einen Meter fünfundsiebzig war! "Warum hast du dir überhaupt so eine Mini-Karre gekauft? Ist doch ein Witz." "Wenigstens hab ich ein Auto.", schmollte das Mädchen. "Ich hab ein nagelneues Motorrad und da ist sicherlich mehr Platz drauf als hier." "Gleich kannst du nach Hause laufen.", mischte sich jetzt auch Ino ein, die auf dem Beifahrersitz platzgenommen hatte und von der ich vermutete, dass sie ihren Sitz extra weit zurückgefahren hatte. Blöde Ziege. "Warum darfst du das jetzt auch noch entscheiden? Es ist Sakura-chans Knutschkugel von einem Auto." "Wenn du noch weiter meckerst, darfst du nach Hause laufen.", gab Sakura ihrer Freundin trocken Recht und die beiden Mädchen klatschten ein. Pfff, Weiber! Ich schmollte und sah aus dem Fenster, wo die gewohnte Vorstadtidylle inzwischen der Innenstadt von Konoha gewichen war. Der Ford Ka, in dem wir saßen, erregte mit seiner kreischend pinken Farbe einige Aufmerksamkeit bei den Passanten und ich glaube, das gefiel Sakura. Sie hatte sich den Wagen erst kürzlich gekauft, als Belohnung für die Prüfungen sozusagen. Natürlich würde sie, wie wir alle, ihre Ergebnisse erst in ein paar Wochen erhalten, aber sie war sich ihrer positiven Ergebnisse sicher. Wäre auch gelacht, wenn sie ihren Ansprüchen nicht genügen würde, immerhin hatte sie so viel gelernt, dass sie nicht mal einem Freund in Not hatte helfen können. "Sind wir bald da?", quengelte ich, genau in dem Moment, als zu unserer Linken ein feudaler Bau in grau mit grün angelaufenen Kuppeldächern aus Kupfer auftauchte. "Ja; Jetzt sind wir da.", antwortete Sakura gut gelaunt und bog von der falschen Seite in einen Parkplatz ein. Als wir ausstiegen, beschwerte eine ältere Frau sich, dass wir eine Einbahnstraße verkehrt herum passiert hätten und unserer Fahrerin redete sich mit ihrem Charme, der vorrangig auf ihrem niedlichen Äußeren basierte, aus der ganzen Sache raus; Sie hätte das Schild nicht gesehen, es täte ihr Leid, sie sei der alten Meckertante dankbar, dass sie sie auf ihren Fehler aufmerksam gemacht habe. Einigermaßen beschwichtigt zog die Hüterin der Verkehrsregeln schließlich ihrer Wege und wir brachen in verhaltenes Gelächter aus, das sie zum Glück nicht mitbekam. "Ist schon beunruhigend, dass eine angehende Ärztin so manipulativ ist.", neckte ich Sakura, als wir uns auf den Weg in den Botanischen Garten machten. Es war ein herrlicher vierter Mai und die Sonne knallte auf den Asphalt was das Zeug hielt. Ich war schon immer ein Sommermensch gewesen und genoss die zunehmende Wärme, aber noch wärmer würde mir, wenn das Handy in meiner Hosentasche, in der ich meine Hand vergraben hatte, endlich vibrieren und den Namen eines gewissen gewitter-äugigen, flachbrüstigen, undurchschaubaren Mädchens anzeigen würde, dem ich leider wie es aussah in der kurzen Zeit unserer Bekanntschaft völlig verfallen war. Ich grinste bei dem Gedanken an sie, aber das Lächeln verschwand recht schnell. Immerhin hatte ich jetzt schon seit zwei Wochen nichts von ihr gehört und es stand nicht in Aussicht, dass sich das ändern würde. "Ich bin nicht manipulativ.", protestierte Sakura, während wir an einer Ampel warteten. "Ich weiß nur, wie man Leute beruhigt." "Oder wie man sie auf die Palme bringt." Ino grinste ihre beste Freundin an und diese schürzte beleidigt die Lippen. "Auf wessen Seite bist du eigentlich?" "Auf der der Wahrheit.", entgegnete die Floristin und stöckelte neben einer Familie mit aufgeregt kreischenden Kindern über die Straße. Wir folgten ihr. Ich fragte mich, ob Inos Schuhe - Lilane Sandaletten mit mörderisch hohen Absätzen - Die richtige Wahl gewesen waren, aber sie sah darin und in dem kurzen, weißen Kleid mit den passenden Accessoires unbestreitbar heiß aus. "Ich hab schon Glück, mit zwei so heißen Schnecken wie euch auszugehen!", grinste ich zufrieden. Sie wurden beide verlegen, was Ino mit einem koketten Lachen zeigte und Sakura durch einen unsanften Boxschlag in meine Seite, der mich schmerzlich aufkeuchen ließ. "Aaaaauh! Sakura-chan, das war ein Kompliment!" "Behalt deine Gedanken für dich.", schnauzte sie mich an, wobei sie jedoch merklich errötete. Sie schnappte sich den Arm ihrer Freundin, welche mir einen Blick zuwarf, bei dem sie belustigt die Augen verdrehte, und stapfte in Richtung der Gewächshäuser voraus. Mit einem nachsichtigen Lächeln blickte ich ihnen nach, während ich mir die schmerzende Rippe rieb. Sie war schon süß... Auf ihre spezielle Art. Wir gingen an dem Feudalbau vorbei, in dem neue Züchtungen gemacht wurden, wie die Floristin unter uns erklärte. Dahinter lag ein Rondell, in dem etwas später im Jahr Unmengen von Tulpen blühen würden. Schräg seitlich der Zuchtstation befanden sich die Gewächshäuser, die unser Ziel waren. In dem kleinen Eingangsbereich saß eine unauffällige Brünette mit geflochtenem Zopf, der wir Geld für den Eintritt bezahlten. "Hi.", grinste ich sie an, was sie etwas zu verwirren schien. Doch dann lächelte sie scheu zurück, als sie mir die Karte überreichte, sodass ich gut gelaunt durch die alte, weiß lackierte Holztür in das Gewächshaus ging. Die Luft war kühler als erwartet, was mich bei den Kakteen, die die Eingangshalle dominierte, irgendwie verwunderte. "Brauchen die´s nich heiß?" "Wenn du zu Hause Kakteen hast, musst du sie doch auch nicht extra beheizen, oder?", erklärte Sakura seufzend, bevor ihre Augen in einer Idee, die sie hatte, aufblitzten. "Mach mal ein Foto von uns." Die beiden stellten sich in einer typischen Mädchen-machen-ein-Foto-für-Facebook-Pose auf und ich griff an meine Brust, wo eigentlich die Kamera meines Großvaters hängen sollte. Tat sie aber nicht. Erschrocken sah ich an mir runter, als hätte ich sie nur nicht ertasten können, aber da war nichts. "Oh, Scheiße. Ich hab die Kamera im Auto liegen gelassen!" Sowohl Ino als auch Sakura seufzten wenig überrascht und die Rosahaarige reichte mir ihre Autoschlüssel. "Aber beeil dich." Ich grinste; Das war meine Spezialität! Wie ein Blitz schoss ich aus dem Gewächshaus, über den Weg, an Besuchern vorbei und über die viel befahrene Straße, wobei ich ein schlechtes Gewissen hatte, weil Kinder zusahen. Keine Minute später nahm ich denselben Weg zurück, wobei ich den Kleinen "Bloß nicht nachmachen!" zurief. "Da bin ich wieder.", lächelte ich die Empfangsdame an, die dem Ticket, das sie mir zuvor gegeben hatte, kaum Beachtung schenkte. "Haben Sie mich schon vermisst?" "Hör auf, rumzualbern, und komm endlich!", verlangte Sakura aus dem Gewächshaus und ich zwinkerte meiner neuen Bekannten zu, bevor ich den Mädchen folgte. Wir waren hier, um Inos Wissen über tropische Pflanzen aufzufrischen - Und, weil es eine Schmetterlingsschau gab, die die Mädchen unbedingt besuchen wollten. Wahrscheinlich vorrangig Letzteres. Die beiden hatten der ganzen Gruppe davon erzählt, aber irgendwie hatte niemand aus unserem Freundeskreis so richtig mitgezogen, was ich gar nicht verstand. Ich meine, ich bin jetzt nicht der größte Blumenfreund und Schmetterlinge interessieren mich auch nicht, aber mit Freunden etwas zu unternehmen ist doch immer lustig. Sogar Tenten hatte abgelehnt, mit der Begründung, sie fände Tagfalter eklig. Als Ino und Sakura widersprachen, wie hübsch die Tiere doch seien, meinte meine Kommilitonin nur, es seien geflügelte, haarige Würmer und die seien abstoßend. Womit sie schon irgendwo Recht hatte... Aber so nahe musste man sich ja nicht zu ihnen beugen. Ein Schild, auf dem ein blauer Schmetterling zu sehen war, bewarb die Veranstaltung, derentwegen wir hier waren, und wir blieben davor stehen. "Wollen wir gleich reingehen oder die verschiedenen Gewächshäuser ansehen?" Das Gewächshaus war so angelegt, dass man in einem Rundgang machen konnte, von dem jeweils Treibhäuser mit verschiedenen Themen abzweigten. "Machen wir einfach alles der Reihe nach, oder?" Die Mädchen stimmten zu - Ein wahres Wunder! - Und wir betraten das erste Glashaus, indem die zuerst vermisste Hitze uns entgegenschlug. Das Thema hier waren eindeutig Orchideen und der Dschungel und meine Freundinnen waren begeistert von den hübschen, bunten Blumen. Ino erzählte uns etwas über die wächsernen Pflanzen, aber es interessierte mich eher mäßig, also hörte ich auch nicht zu. Stattdessen schlenderte ich ein Stück weiter und entdeckte ein paar Kinder, die mit leuchtenden Augen etwas bestaunten, dass ich hinter den tropischen Pflanzen noch nicht sehen konnte. Als ich mich näherte, nahm mein Gesicht denselben begeisterten Ausdruck an, wie die der Kleinen. "Awww, Sakura-chan, Ino, guckt mal! Schildkröten!" Allerspätestens jetzt war ich restlos begeistert von unserem Ausflug. Ich liebte Tiere, jede Art davon, obwohl man diese hier leider nicht anfassen durfte, wie auf mehreren Schildern klargestellt wurde. Meine Freundinnen gesellten sich zu mir und bestaunten über die Köpfe der kleiner gewachsenen Besucher hinweg die Reptilien, die vorrangig am Rand eines zum Weg hin offenen Teichs saßen. Ein paar hatten es sich auch auf einem Baumstamm bequem gemacht, den man über der Wasserstelle drapiert hatte. Es waren bestimmt zwanzig Tiere, und sie alle lagen träge da und starrten die Besucher gelangweilt an. Wir lachten über eine Schildkröte, die die Beine sehr aerodynamisch nach hinten ausgestreckt hatte und aussah, als würde sie gleich ala Superman davonfliegen wollen und schmunzelten über ein kleines Exemplar, dass es sich auf dem Panzer eines größeren Tieres gemütlich gemacht hatte. Erst, als eine Gruppe Kinder hinter uns in das Tropenhaus kam, machten wir uns auf den Weg. "Also ich weiß nicht... So klein sind sie ja ganz niedlich, aber mit Schildkröten hatte ich es noch nie.", erklärt Ino sehr ernst, während wir auf dem Weg in das Thematisch nächste Gewächshaus sind. Sie hat ihre Betrachtungen eher auf die Orchideen beschränkt. "Ihr Name enthält mir zu viel Kröte." Grinsend hielt ich den Ladys die Tür auf. "Fängst du jetzt schon an wie Tenten?" "Nein...! Oder... Doch, eigentlich schon. Ich bräuchte jetzt keine zu Hause.", erklärte die Blondine schaudernd. "Wir hatten mal Bartagamen.", warf Sakura müßig ein, eigentlich in das Studium der kleinen, weißen Schildchen vertieft, auf denen stand, was für Pflanzen man vor sich hatte. Anscheinend waren wir jetzt thematisch in der Karibik gelandet. "Aber ich mag es auch lieber, wenn Haustiere Fell haben und auf dem Schoß sitzen bleiben." "Pfff, typisch Mädchen." "Du bist nur neidisch, weil Tsunade-sama dir keine Haustiere erlaubt.", konterte Ino. "Für dich wären Reptilien viel zu anspruchsvoll. Die würden dir doch eingehen, sobald du das Interesse verlierst.", gab Sakura ihr Schützenhilfe. Ich schmollte. "Ich kann sehr wohl mit anspruchsvollen Dingen umgehen.", behauptete ich und dachte dabei erneut an gewisse Gewitterwolken-Augen. Warum rief sie nur nicht an...? "Nehmt mein Studium zum Beispiel!" "Du hättest fast die Prüfungen in den Sand gesetzt und du bist erst am Anfang, Naruto. Also sprich nicht so groß auf." Sakura bekam einen verletzten Blick zugeworfen, bevor ich sie ignorierte. Natürlich wusste ich, dass sie mich nur aufzog, aber die ganze Sache kratzte schon enorm an meinem Ego. Ich hoffte wirklich, dass ich die nötige Punktzahl für das nächste Semester erreicht hatte, aber eigentlich hatte ich kein schlechtes Gefühl. "Ca... Canella Winterana.", las ich etwas stockend ein Schild vor, die Stirn in Furchen gelegt. "Weißzimt. Aber Zimt ist doch braun." "Der hier eben nicht.", zuckte Ino die Schultern und trat näher, als ich schon weiter las. Mein Gesicht erhellte sich merklich. "Die Rinde und Zweige werden als Gewürz und aromatische Droge verwendet... Haha, wir sind hier voll in ein Drogenkartell gerutscht!" "Das ist nicht witzig.", fuhr mich Sakura an, die als künftige Ärztin ein echtes Problem mit jeder Art von Rauschmittel hatte. Egal, ob Alkohol, Zigaretten, Haschisch oder härtere Sachen, sie bekam jedes Mal einen Wutanfall, wenn es um eine dieser Substanzen ging. Und das, obwohl ich nur einen Scherz gemacht hatte... Zumindest Ino warf mir einen amüsierten Blick zu, obwohl sie es sich ihrer besten Freundin zuliebe verkniff, zu lachen. Ein paar schlaue Sprüche meinerseits später erreichten wir einen kleinen, abgezäunten Bereich, den ich misstrauisch beäugte. Hinter dem Zaun befanden sich einige Pflänzchen, die ehrlich gesagt recht kümmerlich aussahen und die ich auch nicht identifizieren konnte. "Ino, was ist das?", fragte ich meine Freundin, die noch etwas hinter mir stand und mit Sakura redete. Die Mädchen traten neben mich. "Erdnüsse - Wie du auf dem Schild da sehen könntest.", antwortete die Blondine und zeigte auf eine Tafel, auf welcher man Männer mit geernteten Bäumchen sehen konnten, an denen Klumpen voller Erde hingen, die entfernt an kleine Kartoffeln erinnerten. "Aaah! Ok... Und warum sind sie eingesperrt?" "Damit du sie nicht auf isst.", antwortete Sakura grinsend, indem sie auf meinen eigentlich kaum zu bändigenden Hunger anspielte. Ich schob schmollend die Lippen vor. "Da sind doch gar keine dran, die ich essen könnte." Amüsiert deutete Ino auf das Schild, das ich zuvor schon gesehen hatte. "Es sind ERDnüsse, Naruto. Die wachsen unter der Erde. Du hast das Bild doch schon angeschaut." "Hm, das leuchtet ein.", nickte ich. Das Foto hatte ich, ehrlich gesagt, bereits wieder vergessen. "Man, jetzt hätte ich echt Lust auf Erdnüsse!" Ich sah mich prüfend um, ob jemand hier war, der bemerken könnte, wenn ich eine der Pflanzen aus dem Boden zog, doch Sakura, die meine Gedanken offenbar gelesen hatte, gab mir präventiv eine Kopfnuss. "Untersteh dich.", funkelte sie mich an und ich streckte ihr die Zunge raus. Als Entschädigung dafür, dass ich die Nüsse nicht essen durfte, reichte Sakura mir ein paar Kekse und bewies damit, dass sie eigentlich doch eine gute Seele war, obwohl sie es perfekt zu verstecken wusste. Glücklich kaute ich auf der milden Gabe herum, als ich plötzlich lachen musste. "Haha, das ist der Baum für dich, Sakura-chan!" Sie musterte die Pflanze auf die ich deutete mit gerunzelter Stirn. "Wieso das?" "Na, weil es ein Penner-Strauch ist.", grinste ich, wofür ich noch eine Kopfnuss mitbekam. "Da steht ´Henna-Strauch`, wenn du lesen könntest, Idiot.", fauchte sie und ich musste ihr nach einer skeptischen Prüfung des Schildes Recht geben. "Ups." Für meinen kleinen Scherz war Sakura mir beleidigt, bis wir den Grund unseres Kommens, die Schmetterlingsschau, betraten. Schon am Anfang verlangten die beiden ein neuerliches Mädchen-Posing-Foto, das ich auch schoss, dann waren sie gefangen von den hübschen, bunten Tieren, die hier wirklich überall waren; Auf Pflanzen, auf steinernen Absperrungen, in den Netzen vor den Fensterfronten und bisweilen auf den Besuchern. Zufällig entdeckte ich einen riesigen, bunten Falter auf dem Blatt einer Bananenpflanze und bestaunte ihn, bis ich einen Blick auf mir spürte und einen kleinen Jungen entdeckte, der mich fragend anschaute. Ich lächelte, nahm das Kind auf die Schultern, damit er das Tier auch sehen konnte und er quietschte begeistert. "Guck mal, da sitzt ein großer!" "Echt? Wow, gut, dass du ihn entdeckt hast!", entgegnete ich vergnügt und ließ mir von dem Kleinen erzählen, dass er schon rote, lilane, blaue und grüne Schmetterlinge gesehen hatte und dass es große Anlagen für die Eier der Insekten gab und dass sie, bevor sie Flügel bekamen, Raupen waren. Irgendwann spürte ich wieder einen Blick auf mir und diesmal war es Sakura, die mich mit einem zärtlichen Gesichtsausdruck musterte, der jedoch einer verlegenen Röte wich, als sie erkannte, dass ich sie bemerkt hatte. Ich grinste und ließ den Jungen runter, als seine Mutter mich freundlich ansprach. Er winkte mir zu und ging mit ihr, nachdem er ihr den großen Schmetterling auf dem Blatt gezeigt hatte. Gut gelaunt gesellte ich mich zu meiner Freundin. "Na, alles klar?", fragte ich lächelnd. Sie wirkte verlegen und tat, als wäre sie sehr damit beschäftigt, die Falter zu beobachten, die gegen eine große Glaswand drängten, hinter der gerade die Sonne zum Vorschein kam. Es sah atemberaubend aus. "Du kannst sehr gut mit Kindern umgehen." "Hmm, deswegen mach ich das ja auch zu meinem Job!" Ich sah zu ihr runter und wurde von einer ungewohnten Zärtlichkeit ergriffen. Nicht das Begehren, dass ich sonst empfunden hatte, sondern liebevolle Zuneigung und das verblüffte mich. Seit ich sie kannte, hatte ich für sie geschwärmt, und jetzt war da nur noch diese Wärme. Komisch. "Wo ist eigentlich Ino?" "Hier!", rief die Blonde merklich aufgeregt. "Schaut mal, schaut mal!" Wir sahen uns nach ihr um und staunten nicht schlecht, als wir sahen, dass sich mehrere Schmetterlinge auf ihrem Haar und ihrem Kleid niedergelassen hatten. Das Mädchen freute sich offenbar sehr, als Landeplatz auserkoren worden zu sein und obwohl ich ein bisschen Mitleid mit Sakura hatte, die leicht eifersüchtig wirkte, machte ich bereitwillig Fotos, wie Ino es verlangte. Nach einer Weile zogen die Falter ihrer Wege und wir taten es ihnen gleich. "Das ist voll der Porno-Schmetterling gewesen, wie er dir unter die Jacke gekrabbelt ist!", beschwerte ich mich, was die Mädchen amüsiert die Augen verdrehen ließ. "Tja, da wünscht man sich fast, ein Insekt zu sein, was?" "Ja, schon. So ein Glück hat man als Mann nur selten und... Oh.", unterbrach ich mich selbst. Ein Schmetterling war ins Wasser geraten und kam offenbar nicht mehr aus eigener Kraft frei. Als ich die Hand ausstreckte, um ihm zu helfen, schlug Sakura mir auf die Finger. "Man soll sie doch nicht anfassen.", mahnte sie mit einem Nicken zu einem Schild, auf dem genau das gesagt wurde. Missmutig runzelte ich die Stirn und warf dem armen, gefangenen Tier einen Blick zu. Es strampelte und versuchte vergeblich, sich freizukämpfen... Ganz im Gegensatz zu mir, der keine Probleme damit hatte, sich aus Sakuras Fingern zu lösen. Vorsichtig streckte ich dem kleinen Tier den Zeigefinger entgegen und es kletterte daran empor. Einen Moment blieb es sitzen, dann flog es weiter und wir sahen im nach. Schließlich seufzte Sakura und wandte sich ab, um weiter zu gehen. "Dass du auch immer alles antatschen musst." "Wenn hier lauter Wasserleichen rumlägen, wäre es nicht mehr so hübsch anzusehen, oder?", gab ich ein wenig gekränkt zurück. Ein bisschen Lob für meine noble Tat, wenn ich bitten darf! "Schmetterlinge werden eh nicht sonderlich alt. Auf dem Infoblatt vorhin stand, Zitronenfalter werden mit einem Jahr am ältesten." Ich runzelte die Stirn. "Was machen die denn, wenn hier die ganzen Leichen rumliegen?" Unbehaglich zuckte Sakura die Schultern. "Vermutlich werden sie die toten Tiere jeden Tag wegräumen." "Uargh, ist ja eklig." "Gehört aber eben dazu... Dann doch lieber die haarigen Würmer mit Flügeln, eh?", grinste ich, obwohl Ino mit ihrem ´Uargh` schon Recht hatte; Ich würde die toten Tiere auch nicht wegräumen wollen. Wir trieben uns noch eine Weile in der Schmetterlingsschau herum, bis es dort unangenehm voll wurde. Ein Haufen Kinder drängte in die Ausstellung und wir zogen uns lieber zurück, um den Kleinen Platz zu machen. Es gab einen Raum, in dem theoretische Fakten über Falter und ihre heimischen Arten aufgelistet wurden, der vor allem die Theoretikerin unter uns, Sakura, sehr interessierte, mich aber völlig kalt ließ. Ich konnte Schautafeln voller in winzigen Buchstaben gedruckten Informationen noch nie etwas abgewinnen und so warf ich verstohlen einen Blick auf mein Handy, welches jedoch nach wie vor keine Anrufe in Abwesenheit oder eingegangene SMS anzeigte. Ich seufzte leise und schob das dumme Ding zurück in meine Hosentasche. "Naaa, wartest du auf eine SMS?", fragte Ino, die plötzlich dicht neben mir stand, mit einem breiten Grinsen. Ich wurde ein wenig rot. "Äh... Nein... Nein, eigentlich nicht." Tatsächlich versuchte ich, die Hoffnung aufzugeben. Sasuke würde nicht mehr anrufen und ich wollte sie nicht weiter bedrängen, wenn sie meine Bekanntschaft nicht wollte... Aber ich schaffte es nicht. Ein winziger, hartnäckiger Teil von mir vertraute auf dieses Mädchen, das ich gerade mal einen Monat lang kannte und wusste, dass sie mich mochte, obwohl sie das zu verbergen versuchte. "Klar." Amüsiert verdrehte die Blondine die Augen. Sie zog eine Wasserflasche aus der Tasche und trank einen Schluck, den Blick auf Sakura gerichtet. "Sie glaubt, dass du eine Freundin hast, weißt du?" "Hä? Wirklich?", fragte ich verblüfft und sie nickte. "Wie kommt sie denn darauf?" Ino pustete nachdenklich sich eine lange Strähne ihres Ponys aus den Augen. "Sie sagt, du schreibst ständig SMS und hängst in deiner Freizeit mit irgend so einer Tussi rum, die keiner kennt." "Sie ist nicht irgend so eine Tussi.", murrte ich beleidigt, woraufhin die Augen meiner Freundin aufblitzten. "Also hast du doch eine Freundin?" "Neeeein! Mensch, Ino. Du bist doch nicht mehr dreizehn.", seufzte ich erschöpft und sah sie dann mit einem versöhnlichen Lächeln an. "Sie ist nicht meine Freundin... Leider. Ich glaube, sie steht einfach nicht auf mich." "Oh... Hm, das tut mir leid." Betont unbeteiligt zuckte ich die Schultern. "Tja, da kann man nichts machen." "Was tuschelt ihr da?", fragte Sakura misstrauisch, als sie zu uns zurückkehrte, doch wir winkten beide nur ab und machten uns gemeinsam mit ihr wieder auf den Weg, um den Rest der Gewächshäuser anzusehen. Es machte Spaß, mit den beiden Mädchen rumzuhängen, aber nach dem kurzen Gespräch mit Ino war mir klargeworden, dass ich Sasuke wirklich vermisste. Ihren zynischen Humor, ihren unerschütterlichen Realismus, ihre Intelligenz, ja, sogar ihre ständigen Abfuhren vermisste ich. Als ich das erkannte, musste ich unwillkürlich lachen und kämmte mir mit den Fingern durch die Haare. Verdammt, mich hatte es wirklich ganz schön erwischt. Ob ich es wirklich schaffte, Sasuke in Ruhe zu lassen wenn sie sich nicht meldete? "Kommst du morgen auch in meinem Laden vorbei, Naruto?", erkundigte Ino sich, als wir das Gewächshaus verließen. Insgesamt hatten wir uns fast drei Stunden aufgehalten, die Mittagszeit war vorbei und ich hatte Hunger, sodass wir noch einen nahegelegenen McDonalds aufsuchten. "Brauchst du noch ein paar Packesel?", grinste ich, als wir in der Schlange vor der Kasse warteten. "Ja, ein paar Sachen müssen noch getragen werden.", erwiderte sie ehrlich. Sie bestellte sage und schreibe einen Salat und einen Orangensaft; Mein Magen knurrte schon beim Anblick. Kein Wunder, dass sie so dünn war! Ich würde ohnmächtig, wenn ich so wenig essen würde. "Aber ich möchte auch noch was mit euch besprechen, also kommt eigentlich die ganze Gruppe." "Was willst du denn besprechen?" Mit einem vollbeladenen Tablett bewaffnet suchte ich uns einen Sitzplatz an den Fenstern, weil ich gerne die Passanten beobachtete. Ich schob Sakura ihre Portion zu und diese runzelte die Stirn. "Du hättest nicht zahlen müssen.", wandte sie ein, weil sie meine finanzielle Lage etwa kannte. "Oh doch, immerhin bist du gefahren.", grinste ich gut gelaunt und schob mir eine Handvoll Pommes in den Mund. Missbilligend räusperte Ino sich, um auf das eigentliche Gesprächsthema zurückzukommen; Sie. "Das ist eine Überraschung... Aber es geht um den Laden." "Ein Wunder, dass du uns überhaupt in das Gebäude lässt. Sonst machst du ja so ein Geheimnis aus allem." "Es soll halt eine Überraschung sein... Habt ihr die Flyer in der Uni verteilt?", erkundigte sie sich während sie die Folie von ihrem Salat abriss und die Soße darauf verteilte. Ich nickte nur, weil ich den Mund gerade voll mit meinem Burger hatte. "Die Bilder sind echt cool. Die hat Sai gemacht, oder?" "Ja. Er ist ein komischer Kerl, aber Talent hat er schon.", sinnierte Sakura. Sie aß ihre Pommes eleganter als ich. "Das Bild wird Teil einer Ausstellung sein, die er in ein paar Monaten hat." Ino klang begeistert, was wohl daran lag, dass auf dem Foto sie - Oder zumindest ihr Oberkörper - Zu sehen war, der nackt und an den richtigen Stellen mit Blumen bedeckt war. Zusammen mit ihrem langen, blonden Haar, dass neben ihr über den Boden floss, sah es aus, als würde Eva höchstpersönlich Werbung für den Garten Eden machen. "Er hat noch eine ganze Reihe ähnlicher Aufnahmen gemacht, aber das hier war, finde ich, die schönste." "Sieht wirklich toll aus. Obwohl man sich kaum auf die Blumen konzentrieren kann.", grinste ich, woraufhin sie lachte. Sakura fand das nicht lustig; Sie gab mir eine Kopfnuss und funkelte mich böse an. "Du Perversling! Das Foto soll einfach nur ästhetisch und schön sein." "Sorry, aber als Mann siehst du nur eine heiße, halbnackte Frau. Ich meine, das ist gut - Ich würd sofort hingehen und bei dir einkaufen!", lachte ich und fügte in Gedanken hinzu, dass ich das tun würde, wenn ich die Adresse des Mädchens kennen würde, dem ich unbedingt Blumen schenken wollte. "Wem würdest du denn Blumen kaufen?", fragte Ino als habe sie meine Gedanken gelesen. "Äh... Uh... Sakura-chan, natürlich. Und Baa-chan." "Schenkt der nicht dein Großvater Blumen?" "Nein, er ist nicht so der Typ dafür.", zuckte ich die Schultern. Die beiden waren überhaupt ein untypisches Paar, aber vielleicht entwickelte sich sowas einfach, wenn man länger zusammen war. Ich zumindest verwöhnte meine Freundin gerne, wenn ich denn schon eine hatte. "Die meisten Männer sind ´nicht so der Typ dafür`, nur, weil sie zu faul sind.", schmollte Sakura, die mit dem Strohhalm ihren Erdbeermilchshake umrührte. "Pauschalisier das nicht so! Nicht jeder Mann ist so." "Jaa, Naruto, du bist die große Ausnahme, weil du einem Mädchen vor drei Jahren mal eine Rose geschenkt hast. Wir bauen dir eine Statue." Ich starrte Sakura verärgert an. "Sag mal, hast du deine Tage oder was? Du hast üble Stimmungsschwankungen." Sie wurde knallrot, weigerte sich aber, weiter darauf einzugehen und ich hatte auch keine Lust zu diskutieren, also widmete ich mich wieder meinem Essen. Die schlechte Stimmung verflog, als Ino ein neues Gesprächsthema begann, aber ich war trotzdem froh, als Sakura mich bei meinen Großeltern abgesetzt hatte. Hoffentlich hatte sie am nächsten Tag bessere Laune. Bepackt mit einer Farbkübeln wankten Kiba und ich in den noch ziemlich unordentlichen Laden. Hinter uns trotteten recht lustlos die anderen Männer unserer Clique durch die Tür, der einzige, der sich gedrückt hatte, war Shikamaru, der Glückliche. Ino trug weite Latzhosen und ein lavendelfarbenes Shirt, die Haare hatte sie unter einer Schiebermütze verstaut, vermutlich, damit keine Farbe darauf tropfte. Oder sie fand es einfach schick, keine Ahnung. Sie ließ uns unser Arbeitszeug abstellen, dann versammelten wir uns um die künftige Verkaufstheke und sie zeigte uns eine Farbkarte. "Genau diesen Ton will ich, Jungs." "Warum engagierst du dann nicht einen Maler, der das so hinkriegt wie du es möchtest?", jammerte ich. "Weil ich zufälligerweise noch einen Haufen Schulden hab wegen meines Meisterkurses und mir so einen Luxus nicht leisten kann. Und jetzt jammer nicht, immerhin bekommt ihr dafür Essen... Also, auf, auf!", kommandierte unsere Chefin auf Zeit streng und wir machten uns an die Arbeit. Ich konnte mir für meine Sonntage schöneres vorstellen, aber letztendlich machte es doch Spaß und wir freuten uns, am Ende des Tages die Ergebnisse unseres Schaffens bewundern zu können. Die Wände waren gestrichen und trockneten, damit Sai demnächst auf eine von ihnen eine große Wandmalerei zaubern konnte. Auch auf der Verkaufstheke würde er sich verewigen. Der Rest des Ladens würde mit Hängeregalen und anderen Stellflächen für Blumen gefüllt, aber erstmal musste wie gesagt die Farbe trocknen und die Möbel geliefert werden. Hinter dem eigentlichen Verkaufsraum gab es noch zwei weitere Zimmer; Eine Lagerfläche und eine kleine Küche. In letzterer hatten wir es uns bei Kaffee und Cola gemütlich gemacht, als die Mädchen zu uns stießen. Tenten war heiß begehrt, weil sie zwei große Kartons mit Pizza dabei hatte, aber als sie diese abgestellt hatte, konnte sie ihren Freund mit einem Kuss begrüßen. Der kleine Raum war heillos überfüllt, aber das tat der allgemein guten Laune keinen Abbruch; Sieben schwer arbeitende Männer mussten der Damenwelt von ihrem Tagwerk berichten und sich die verdienten bewundernden Blicke abholen. Ich plauderte gerade mit Sakura, als Ino gewichtig mit einem Messer gegen ihr Wasserglas klopfte. "Ähäm.", räusperte sie sich und schenkte uns allen ein strahlendes Lächeln. "Erstmal danke an euch alle. Ihr wisst, wie sehr ich mich um diesen Laden bemühe und ich bin euch furchtbar dankbar für eure Hilfe. Ihr seid wunderbare Freude - Bessere könnte ich mir nicht vorstellen." "Hört, hört!", stimmte Choji zu und prostete ihr mit seinem Colaglas zu. Die beiden waren schon seit Ewigkeiten sehr eng befreundet und grinsten sich jetzt verschwörerisch an, was mich neugierig machte. Was sie wohl vorhatte? "Wie dem auch sei. Ich bräuchte noch mal eure Hilfe." "Eh? Sollen wir jetzt noch Regale schleppen?", klagte ich und rieb mir meinen imaginär-schmerzenden Rücken. "Wir sind dabei, Ino!", meldete Lee sich mit einer Begeisterung, die uns andere erschöpft aufstöhnen ließ, zu Wort. Es war mir wirklich ein Rätsel, woher dieser Typ seine Energie nahm! "Nein, um Regale geht es nicht, aber danke.", lachte Ino. "Es geht mehr um... Etwas Künstlerisches. Und zwar habe ich noch keinen Namen für meinen Laden und hätte jetzt ganz gerne Vorschläge, wie ihr ihn nennen würdet. Lasst eurer Fantasie freien Lauf, ich schreib das dann hier auf diese Tafel." Sie deutete auf eine grüne Tafel, auf der sie später Mal Sonderangebote oder ähnliches anpreisen wollte, und zückte mit erwartungsvollem Lächeln eine Kreide. Zuerst mal bekam sie ratloses Schweigen und dann ein paar ungläubige Lacher. "Ist das dein Ernst?", fragte Tenten schließlich. "Ich mein, das ist doch dein Laden - Dein ein und alles." "Ja - Und genau deswegen will ich ja eure Vorschläge. Ich möchte einen wirklich guten Namen und dafür brauch ich die Kreativität von allen." Während die anderen zögerlich anfingen, den einen oder anderen Namen fallen zu lassen, bekam ich eine SMS. Entgegen meiner Hoffnungen war es allerdings Kyubi. » Joggen? « Ich schmunzelte über seine knappen Worte. Er war kein Fan von Kurznachrichten und hielt sich immer so kurz angebunden. » Bin noch bei Ino, einen Namen für ihren Laden aussuchen. Um neun bei mir? Und schreib nich so viel, ich bin erschlagen von deinem Wortschwall ;D « » Ok. « Amüsiert verdrehte ich die Augen und schob das Handy in die Hosentasche zurück und nahm das Pizzastück, das ich während des Schreibens zwischen meinen Zähnen geparkt hatte, wieder in die Hand. "Wie wär´s mit ´Inos Blumenlädle`?", warf ich mit vollem Mund ein. Das war ein Scherz, aber Ino sah mich böse an. "Das klingt, als wäre ich hundert Jahre alt." "Bei der Werbung, die du gemacht hast, glaubt das keiner.", grinste Kiba gut gelaunt. "Aber vielleicht lieber was passendes - Ein sexy Name. Wie wär´s mit... Hm... ´Die Rosette`?", schlug er vor, was zumindest er und ich urkomisch fanden. "Oder ´Erotische Rose`.", führte ich seinen Vorschlag fort und wir bekamen uns vor Lachen nicht mehr ein, bis Sakura der Comedy-Einlage ein Ende bereitete, indem sie uns beiden jeweils eine Kopfnuss verpasste. "Reißt euch mal zusammen! Das hier soll kein Puff werden. Seht ihr nicht, dass das Ino ernst ist?" "Wenigstens machen wir Vorschläge.", maulte ich und rieb mir die schmerzende Stelle. "Mach´s doch selbst besser." "La Vie en Rosé, vielleicht?" "Uh, das ist nicht schlecht.", lächelte Ino, sichtlich erfreut über den ersten ernst gemeinten Vorschlag, den sie auf ihre Tafel schreiben konnte. "Was wäre mit ´Desoleil` - Von der Sonne?" "Nein, das klingt nach ´Desolé` und sie will ihren Laden doch nicht ´untröstlich` nennen." "Pfff, schlag doch was Besseres vor!" So ging das noch eine Weile hin und her. Ein paar wirklich witzige Vorschläge - Wie zum Beispiel ´Die Hanfplantage`, ´Blumento Pferde` und ´Stiehl des Lebens` - Die größtenteils auf meine Kappe gingen, wurden kategorisch abgelehnt, was mich schon enttäuschte. Auf die Tafel zu Sakuras Vorschlag schafften es dagegen langweilige Sachen wie ´Grüner Daumen`, ´Die Blumenstadt` oder ´Mare de Fiore`. "Mit einem von den Namen werden die Leute erst Recht glauben, du bist hundert Jahre alt - Die sind voll öde!", beschwerte ich mich laut und zumindest die anwesenden Herren, mal abgesehen von Neji, der in seiner Hoheit keinen Humor verstand, gaben mir Recht. Die Mädchen dagegen waren sichtlich begeistert von ihren Vorschlägen; Sie tüftelten sogar schon mit der künftigen Jungunternehmerin an einem Logodesign. "Wie is deine Prüfung eigentlich gelaufen, Mann? Du hast gar nichts mehr gesagt.", erkundigte Kiba sich. Nach meinem kleinen Unfall mit Tenten hatte er sich meine Maschine angesehen - Der zum Glück nichts Schlimmeres passiert war! - Aber danach hatten wir nicht viel Kontakt gehabt, weil ich eigentlich nur gelernt hatte. Ich mochte den Hundenarren, der wegen seiner Arbeit eigentlich immer etwas nach Öl roch, verdammt gerne, weil wir uns nicht unähnlich waren. Er war seit ein paar Monaten mit einer ehemaligen Klassenkameradin von mir aus dem Gymnasium zusammen, Hinata, und ich hatte den leisen Verdacht, dass er sie von mir fernhalten wollte, wusste aber nicht, wieso. Wie durch Zufall war seine Freundin mit Neji verwandt, aber den hatte ich nie kennengelernt, bis ich mich mit Tenten anfreundete. Tja, so spielt das Leben. "Ganz gut. Ich hab aber in den letzten Wochen vor lauter Lernen nicht mal mehr gewusst, wie meine Großeltern aussehen, geschweige denn die Außenwelt." "Hab ich schon mitgekriegt. Wir müssen mal wieder ein paar Körbe werfen." Ich verzog das Gesicht. "Neee, Mann. Wenn ich laufe, versucht Akamaru immer, mich zu fangen." Kiba lachte und zeigte dabei seine spitzen Eckzähne. Irgendwie lustig, dass meine beiden besten Freunde beide diese Eigenschaft hatten. "Ich glaube, das macht er, weil du wie Hase schmeckst... Angsthase. Du hast ja nur Schiss, dass ich dich abzocke." "Pffff, von wegen! Dich steck ich drei Mal in die Tasche!" Wir grinsten uns herausfordernd an, obwohl wir beide wussten, dass ich Recht hatte. Er war zwar trainiert, aber da ich alleine schon wegen meinem Studiums jeden Tag Sport machte, war es ein unausgeglichenes Match. Trotzdem war Sport mit Kiba eine angenehme Herausforderung, die ich gerne annahm. Wir ratschten noch eine Weile, dann warf ich einen Blick auf die Uhr, streckte mich und stand auf. "Ich pack´s jetzt, Leute. Bis dann. Danke für die Pizza, Ino." Sie küsste mich auf die Wange. "Danke für die Hilfe... Du bist doch wieder dabei, wenn es noch was zu tun gibt, oder?" "Klar, Süße. Ruf einfach an." Sanft kniff ich ihr in die Wange, dann hob ich grüßend die Hand und ging durch den noch leeren Laden, in dem es nach frischer Farbe roch. "Nimmst du mich mit?" Sakura tauchte so plötzlich neben mir auf, dass ich fast etwas erschrak. Sie strich sich ein paar Strähnen aus den Augen und sah zu mir auf, woraufhin ich ihr ein Strahle-Lächeln schenkte, das sie ungewohnt schüchtern erwiderte. Vor dem Haus ihrer Eltern redeten wir noch über die Ausstellung von gestern, die Uni, Inos Laden und alles Mögliche andere, sodass ich gar nicht mehr auf die Zeit achtete. Erst um kurz vor neun konnte ich mich losreißen und ich schaffte es gerade noch, mich umzuziehen, als auch schon Kyubi vor der Tür stand. "Na, alle Blumen einsortiert?", erkundigte er sich, als wir uns dehnten. "Wir haben nur die Wände gestrichen... Und du hast deiner Kreativität offenbar auch keine Grenzen gelassen. Was ist das mit deinen Haaren?", fragte ich amüsiert. Er hatte sich eine Art Dutt gemacht und das ganze mit einem schwarzen Haarband befestigt, was ihm nicht unbedingt schlecht stand, nur war es ziemlich ungewohnt, da er sonst meistens nur einen Pferdeschwanz trug. Kyubi schnaubte. "Es nervt, wenn dir beim Laufen immer die Haare überall rumbaumeln." "Ja, wenn alles rumbaumelt ist das ätzend.", grinste ich und er verdrehte amüsiert die Augen. "Gut, dass du nicht kindisch bist." Wir liefen gemeinsam los, eine Strecke, die wir schon fast auswendig kannten, weil wir sie schon seit langem nutzten; Aus dem noblen Wohngebiet, in dem das Haus meiner Großeltern stand, raus, über die Felder, ein Stück durch den Wald und wieder zurück. Es dauerte fast eine Stunde, bis wir wieder da waren, und es war bereits dunkel. Kyubi kam noch mit auf ein Bier ins Haus. "Also meint Ino das echt ernst mit dem Laden." "Mhm, ziemlich.", stimmte ich zu und reichte ihm die Flasche. "Sie ist total aus dem Häuschen. Ich glaube, es ist gut, dass ihre Eltern ihr unter die Arme greifen." Gemeinsam gingen wir auf die Terrasse hinterm Haus, wo Jiraiya es sich auf einer Gartenbank gemütlich gemacht hatte. Ich reichte ihm ein Bier, das ich für ihn mitgebracht hatte, und wir setzten uns zu meinem Großvater. "Es ist irgendwie interessant zu sehen, wie die Kinder ihr Ding durchziehen. Ich meine, Ino mit ihrem Geschäft, Kiba macht den Meister und alle anderen finden auch langsam ihren Weg." "Du redest, als wärst du so viel älter.", lachte ich, aber ich wusste schon, was er meinte. Es war interessant, all das mitzuverfolgen und zu sehen, wie sich jeder sein Leben aufbaute. Dabei blieb nur zu hoffen, dass man selbst nicht irgendwann einer Neuerung zum Opfer fiel sondern die Freundschaften sich erhielten. "Was machst du eigentlich gerade, Kyubi?", erkundigte Jiraiya sich freundlich. "Ich mache ein Praktikum bei dem Fotografen, bei dem die Vogue oft Fotostrecken ablichten lässt. Es ist sehr interessant, aber die Leute sind anstrengend." Die beiden philosophierten über berühmte Leute - Und solche, die meinten, welche zu sein - Und ich klinkte mich aus. Das war nicht meine Welt. Ich war zufrieden mit meiner Familie, meinen Freunden und meinem zukünftigen Beruf und verspürte keine Sehnsucht nach Rampenlicht. Obwohl ich, wenn ich erstmal Lehrer war, bestimmt der Star der Schule sein würde. Die Mädchen würden für mich schwärmen und die Jungs würden so sein wollen wie ich und alle Kollegen wären von meinen Lehrmethoden beeindruckt, oh ja! "Uh... Dein Grinsen ist gruselig.", riss Kyubi mich aus meinen Tagträumen. "Woran denkst du grade?" "Daran, dass ich die Schule, an der ich später eingeteilt werde, im Sturm erobern werde.", grinste ich und er musste lachen. "Ich sag´s doch; Du machst eine Ausbildung zum Tyrannen." "Ich tu´s nur zum Besten für das Volk." "Über so etwas macht man keine Scherze, Jungs.", tadelte mein Großvater gutmütig. "Müsst ihr eigentlich nicht langsam ins Bett? Es ist schon spät." "Es sind doch Semesterferien." "Oh, ach ja, stimmt. Das waren noch Zeiten... Genießt die Freiheit, solange ihr noch könnt." "Pfff, von wegen Freiheit! Ich muss schuften wie ein Gaul! Es ist, als gäbe es nirgends in der Stadt Kaffee außer bei uns.", motzte ich und trank einen Schluck Bier. Die beiden lachten. "Na ja, dein Chef brüstet sich doch immer damit, den besten Kaffee der Stadt zu machen. Irgendwas muss ja wohl dran sein." "Von wegen!", grinste ich Kyubi an. "Ich wette, die kommen alle nur, weil ich so super sexy bin und sie einen Blick auf mich erhaschen wollen." "Mhm... Nur schade, dass sie hinter deinem aufgeblasenen Ego nichts sehen können.", stichelte Jiraiya, der mir einen Klaps auf den Hinterkopf gab, bevor er mir durch die Haare wuschelte. Wir alberten herum, bis die Balkontür sich öffnete und Tsunade in einem Morgenrock heraus trat. "Willst du nicht ins Bett kommen, alter Mann?", fragte sie an ihren Ehemann gewandt, der sich folgsam erhob und sie auf die Stirn küsste. "Ts, werd nicht zutraulich!", schimpfte sie ihm nach, als er im Haus verschwand, aber man konnte ihr deutlich ansehen, wieviel Zärtlichkeit sie für ihren Mann empfand. "Hallo, Kyubi." Dieser erhob sich galant. "Sie sind so schön wie immer, Tsunade." "Hör endlich auf, alten Schachteln nachzustellen und such dir ein nettes, hübsches Ding in deinem Alter.", wehrte sie seine spielerischen Flirtereien ab. Die Art, wie sie ihm dabei eine Kopfnuss verpasste, erinnerte mich stark an Sakura und mir wurde einmal mehr bewusst, dass die beiden Frauen sich wohl gesucht und gefunden hatten. "Nett und hübsch ist nicht so mein Fall. Ich steh mehr auf reif und wunderschön.", gab mein Freund zurück und jetzt war ich es, der ihn in die Seite boxte. "Alter, lass den Scheiß, das ist nicht mehr lustig! Sie ist meine Großmutter!" "Ich bin niemandes Großmutter! Ich bin erst vierzig, mein Freund!", fauchte Tsunade und drohte mir mit dem Zeigefinger, was ich mit einem Grinsen quittierte. Sie konnte sagen, was sie wollte, sie war und blieb meine Oma, denn sie war die einzige, die ich je kennengelernt hatte. "Ah, ich pack´s jetzt auch." Kyubi warf einen Blick auf seine sauteuer aussehende Armbanduhr. "Muss morgen früh raus." "Woher hast´n du das Bonzending?", fragte ich, als ich aufstand um ihm die Hand zu reichen. "Ist ein Geschenk von einem Mitarbeiter." Seine Augen glänzten dabei belustigt und ich runzelte die Stirn. "Meine Kollegin hat mir nen Schokolade zu Weihnachten geschenkt und das war´s auch schon. Was ist denn das für ein Mitarbeiter?" "Einer, der offenbar findet, dass ich einen geilen Arsch habe.", grinste Kyubi und ließ anzüglich die Zunge über seine spitzgefeilten Schneidezähne gleiten. Ich weitete die Augen. "Bist du jetzt schwul geworden?" Das käme mir sehr spanisch vor, denn er war eindeutig ein Ladiesman. Eigentlich wäre es vermutlich sogar eine Verschwendung, obwohl ich ihm das nie sagen würde, denn es nervte, dass die Mädels an seinem Arsch klebten, weil sie auf sein exotisches Äußeres abfuhren. Mein Freund lachte. "Neee, mein Arsch ist und bleibt Jungfrau. Aber wenn er meint, mir Geschenke machen zu müssen, werde ich ihn nicht aufhalten." Jetzt runzelte ich die Stirn. "Du solltest nicht mit den Gefühlen der Leute spielen." "Jaja, Jesus. Ist schon klar, dass du lieber derjenige bist, mit dem man spielen soll. Was ist eigentlich mit deiner Kleinen?" Ich wurde rot und boxte nach ihm, aber er entfläuchte ins Wohnzimmer. "Ah, verpiss dich!", schmollte ich ihm nach und hörte nur noch sein Lachen, bevor er das Haus verließ. Frustriert ließ ich mich auf die Bank sinken und trank mein Bier. Tsunade setzte sich sacht neben mich und strich ihr Nachthemd glatt. Ich spürte förmlich, dass sie eine Augenbraue auf diese vorwurfsvoll-fragende Art hochgezogen hatte, die sie zu absoluter Meisterschaft perfektioniert hatte, und seufzte. "Mach dir nichts draus. Er wird schon noch erwachsen." "Ich glaub nicht. Will er gar nicht.", motzte ich, obwohl Kyubi sehr wohl erwachsen sein konnte, wenn er wollte. Außerdem schätzte ich ihn für sein lockeres Mundwerk. Nur hätte er nicht vor Tsunade von Sasuke anfangen sollen, weil sie mich wegen ihr jetzt ausquetschen würde und darauf hatte ich gerade keine Lust. Meine Laune hatte sich eben erst gebessert. "Also... Immer noch das Mädchen von letztens, hm?" "Ich schätze schon." Ein wenig verlegen grinste ich sie an. "Sie ist... Schon der Hammer." "Mhm... Und du kennst sie wie lang? Fünf Minuten? Krieg dich wieder ein, Kleiner!" Sie gab mir einen Klaps auf den Hinterkopf. "Hey! Jeder fängt mal an, sich zu kennen, und dann ist es die Liebe des Lebens. Du kanntest Jiraiya auch irgendwann mal nich, oder?" "Oh doch, wir kennen uns schon unser ganzes Leben lang.", widersprach Tsunade gelassen. Sie hatte die Beine überschlagen und sah aus wie eine Diva in ihrem olivefarbenen Morgenrock aus Satin. Nur die kuscheligen Hausschlappen, die ich ihr geschenkt hatte, wollten nicht so recht zu dem Bild passen. "Mochtest du ihn schon immer?" "Gott bewahre, nein! Er war furchtbar, vor allem, als er in die Pubertät kam. Damals war sein Brust-Fetisch noch schlimmer als heute." Sie verdrehte die Augen und ich lachte. Ich kannte keine Großmutter, die so locker über derartige Themen sprach, aber meine war eben etwas Besonderes. Allerdings wusste ich trotz ihres Dementis, dass sie schon früher für ihren jetzigen Mann geschwärmt hatte. Vermutlich sogar, bevor dieser seine spätere erste Ehefrau kennengelernt hatte. "Aber du hast Recht. Irgendwann ist immer das erste Mal... Und wenn du jetzt schon von ´Liebe des Lebens` und so etwas redest, muss es ja was ernstes sein." Unter ihrem prüfenden Blick schüttelte ich den Kopf. "Neeein... Eigentlich ist es gar nichts. Sie ruft nicht an." "Und du gibst so einfach auf? Was ist aus dem Wahlspruch ´Jede soll eine Kostprobe von dem bekommen, was ihr entgeht, wenn sie mich abweist!` geworden?" "Ich will ihr nich auf die Nerven gehen..." "Das ist eben dein Naturell. Naruto, du gehst jedem auf die Nerven und trotzdem hast du einen Haufen Freunde." Ich schoss ihr einen bösen Blick zu. "Danke, dass du mich aufzuheitern versuchst." "Jetzt sei nicht so empfindlich.", entgegnete sie und wuschelte mir ungewöhnlich sanft durch die Haare. "Das ist doch nichts Schlimmes. Du warst schon immer ein Querkopf und das wird sich vermutlich auch nicht mehr ändern. Und wenn ein Mädchen das versucht... Tja, dann ist sie eben nicht die Richtige." "Heißt das, du magst mich als Querkopf?", grinste ich. "Was? Nein. Leg mir keine Worte in den Mund. Ich wünschte, du würdest endlich mal erwachsen werden! Aber mit mir willst du ja auch nicht ausgehen... Und überhaupt, du bist zu alt, um solche Aufbaureden nötig zu haben!" Ich lachte, deutlich besser gelaunt als noch vor ein paar Minuten, und lächelte sie dankbar an: "Trotzdem danke." "Weißt du... Vielleicht hat sie auch gar nicht von dir erwartet, dass du dich änderst. Vielleicht hat sie sich auf deine Aufdringlichkeit verlassen und gewartet, bis du anrufst, aber da kam nichts. Und jetzt wundert sie sich, warum." "Da ist ja meine wunderschöne Göttergattin.“ Das Schlafzimmerfenster meiner Großeltern hatte sich geöffnet und Jiraiya blickte heraus. "Komm ins Bett." "Ich komme!", warf ich ein, wofür ich eine Kopfnuss von Tsunade bekam. Sie beschwerte sich, wie unmöglich wir beide wären, ging aber trotzdem, um ihrem Mann im Bett Gesellschaft zu leisten. Ich sagte den beiden gute Nacht, blieb aber noch etwas sitzen, um über das Gespräch nachzudenken. Es war wirklich ganz untypisch für mich, einfach so aufzugeben, wenn ich etwas so sehr wollte wie Sasuke, aber das Mädchen verunsicherte mich eben. Ganz davon abgesehen, dass ich das Versprechen, dass ich ihr gegeben hatte, nicht brechen und ihr auf die Nerven gehen wollte. Was, wenn Tsunade sich irrte und sie mich einfach nicht ausstehen konnte? Andererseits irrte meine Großmutter sich selten... Und Sasuke war sehr ehrlich; Sie hätte mir schon gesagt, wenn sie sich belästigt gefühlt hätte. Wozu sie aber nicht in der Lage war, war, um Nähe zu bitten. Das hatte ich in unserer kurzen Bekanntschaft gemerkt. Erst jetzt ging mir auf, dass ich sie mit meiner Forderung wohl in eine unangenehme Situation gebracht hatte. Verdammt... Das hatte ich wirklich nicht gewollt! Oder war es ihr ganz recht gewesen? Argh, ich verfluchte diese Unsicherheit, die sie bei mir hervorrief. Wo blieb mein übertriebenes Selbstbewusstsein, wenn ich es mal brauchte? Ich ging ins Haus, um Klarschiff zu machen und alle Türen abzusperren, dann zog ich mich mit meinem I-Pod in mein Bett zurück. Es war schon verrückt, dass ein Mädchen, das ich gerade mal zwei Monate lang kannte, mich so ins Grübeln brachte. Da musste doch etwas dran sein! Ich beschloss, dass ich es darauf würde ankommen lassen müssen. Kapitel 5: Freischwimmer ------------------------ Die Decke zeichnete sich im Morgenlicht, das durch die Rollläden ins Zimmer fiel, grau über mir ab. Da es draußen schon hell war, konnte es nicht mehr so früh sein, also hatte ich wohl länger geschlafen als sonst. Allerdings war ich auch schon eine Weile wach. Ich drehte träge den Kopf zu meinem Nachtkästchen, auf dem ein Buch - ´Lisey´s Story` von Stephen King - Eine Lampe in Form eines Globusses und mein Handy lagen. Das alles sah ich im Dämmerlicht schlecht, aber ich wusste millimetergenau, wo alles stand, weil sich schon seit meinem fünfzehnten Lebensjahr nichts mehr an meinem Interieur geändert hatte. Dann, endlich, ging der Wecker meines Handys. Ich streckte den Arm aus, beendete den Alarm, bevor er richtig losgehen konnte, und setzte mich auf. Ohne groß zu zögern schwang ich die Beine aus dem Bett, öffnete die Jalousien und die Fenster selbst. Ich hasste abgestandene Luft. Der Gestalt, die mich aus dem Spiegel an meiner Schrankwand heraus mürrisch anstarrte, gönnte ich nur einen kurzen Blick. Sie war dünn geworden; Die Männer-Boxershorts Größe XS hingen tief auf ihren Hüften und das Shirt schlabberte um ihren Oberkörper. Ich zog beides aus, um es gegen Sportkleidung zu tauschen. Kurzes Aufwärmen im Zimmer, dann die große, einstündige Runde durch das noch ruhige Viertel, in dem sich schon die Temperaturen für einen unangenehm heißen Frühsommertag ankündigten. Es war sechs Uhr, an einem Samstag. Um die Uhrzeit war noch niemand auf der Straße, was ich angenehm fand. Die Geräusche, die vereinzelte Autos oder Vögel machten, wurden von meinen Kopfhörern verschluckt, aus denen irgendein Dubstep-Song erklang. Ich wusste nicht, welcher es war, weil sie für mich alle gleich klangen; Eine große Musikliebhaberin konnte man mich wohl nicht nennen, aber zum Joggen gehörte es irgendwie dazu. Außerdem war es einfacher, Kraft zu konzentrieren, wenn wütende Bässe auf die Gehörgänge eindroschen - Zumindest für mich. Trotz dieses Motivationsschubs war ich heute nicht besonders gut drauf; Ich war in Gedanken bereits dabei, den Tag durchzuplanen, sodass ich für die Strecke, die sonst etwa sechzig Minuten beanspruchte, fast achtzig brauchte. Es war nicht so, dass ich mich in Tagträumen verlor, wenn ich kein minutiöses Timing hatte, aber ich wusste gerne, wann genau was erledigt sein musste, um zu einem optimalen Ergebnis zu kommen. Zeitverschwendungen waren mir einfach lästig. Verärgert über die Verzögerung beeilte ich mich auf die letzten Meter nochmal, aber es half auch nicht mehr viel. Als ich schließlich wieder nach Hause kam, war meine Familie bereits nicht mehr da, sodass ich in Ruhe duschen und eine Zeitung lesen konnte während ich einen Kaffee trank. Es war Samstag, aber mein Vater hatte schon immer das Wochenende durchgearbeitet und mein Bruder eiferte ihm auch in dieser Hinsicht nach, sodass ich die beiden oftmals nur an den Abenden zu Gesicht bekam. Ich trauerte der Familienidylle nicht nach, zumal ich heute auch so genug zu tun hatte; Meine Großmütter würden am Nachmittag zu Besuch kommen und weil ich ja ´Nichts zu tun hatte` - Zitat meines Vaters - War es meine Aufgabe, das Haus auf Vordermann zu bringen. Nicht, dass es mich störte, aber die zwei Herren hätten zumindest ihr Frühstücksgeschirr in die Spülmaschine räumen können. Immer dasselbe mit ihnen. Seufzend machte ich mich also an die lästige Hausputz-Arbeit. Ich war gerade dabei, den Boden zu wischen, als mein Handy klingelte. Einen Moment überlegte ich, nicht hinzugehen; Ich musste mir meine Geduld heute streng einteilen und am Klingelton hörte ich, dass es eine recht anstrengende Freundin war. Schließlich nahm ich dann doch ab. "Karin.", begrüßte ich sie knapp. "Hey, Sasuke! Wie geht´s?" "Ich bin beschäftigt." "Oh, ich will dich auch gar nich aufhalten. Hast du deine Noten schon gelesen? Sie sind seit heut Morgen online!" Das hatte ich noch nicht gewusst, und ich hatte es auch gar nicht wissen wollen. Angst stieg in meinem Bauch auf und ich legte die Hand über meinen Nabel, wie um meinen Magen zu beruhigen. Es half nicht. "Nein.", sagte ich, vielleicht etwas langsamer als sonst, ansonsten aber ohne ein äußerliches Zeichen meiner Beunruhigung. "Ich weiß meine Ergebnisse noch nicht." "Meine Noten sind ganz gut, nur anorganische Chemie muss ich nächstes Semester wiederholen. Na ja, das wird schon... Aber du musst dir ja keine Sorgen machen. Ich wette, du hast überall Einser." Sie lachte und wartete auf eine Antwort, sprach aber weiter als keine kam: "Na ja... Sag Bescheid, wenn du dich informiert hast." Ich konnte mich kaum beherrschen, nicht einfach aufzulegen, als ich unhöflich sagte: "Ich habe zu tun, also komm auf den Punkt." "Oh... Ok, wie du meinst. Aber dann hast du wahrscheinlich eh keine Zeit. Ich wollte auch nicht stören oder so." Sie spielte betroffen, war es aber nicht wirklich, worüber ich die Augen verdrehte. Während ich darauf wartete, dass sie endlich zu Potte kommen würde, wischte ich den Boden weiter. Schließlich sagte sie, was los war: "Ich wollte Schwimmen gehen und die Jungs haben sich drangehängt, da wollte ich fragen, ob du auch mit möchtest. Bei dem Wetter... Und du müsstest ja nich lange weg bleiben, wenn du beschäftigt bist." Ich überlegte tatsächlich, ob ich mitkommen sollte. Schwimmen gehen stand auf meiner To-Do-Liste für diesen Tag. Allerdings wäre der Familienbesuch, der heute bevorstand, schon anstrengend genug, da brauchte ich danach nicht noch drei weitere Menschen um mich. "Nein.", beschloss ich knapp. Karin wartete eine Sekunde auf eine Rechtfertigung, erkannte aber schnell, dass keine kommen würde. "Oh, ok, kein Ding. Wir haben ja noch länger Ferien, vielleicht wann anders." Ich sagte nichts zu der Möglichkeit, trotzdem sagte Karin hoffnungsvoll; "Bis dann also!", bevor sie auflegte. Mit einem Seufzen schob ich diesen Zwischenfall aus meinen Gedanken. Es war nicht so, als wären Karin, Suigetsu und Jugo solche Absagen von mir nicht gewohnt, außerdem hatte ich wirklich zu tun. Ihre Enttäuschung dürfte sich in Grenzen halten. Das Haus war groß, und obwohl ich routiniert und schnell arbeitete, brauchte ich fast zwei Stunden, die sieben ebenerdigen Zimmer zu staubsaugen und zu wischen. Danach setzte ich mich an den Computer und ging, mehr aus Gewohnheit, auf Facebook. Eine Seite, die ich abonniert hatte, hatte ein paar neue Rezepte hochgeladen und ich beschloss, einen Kuchen, den sie vorgeschlagen hatten, für später vorzubereiten. Die einzig andere Neuerung war von Karin, die ihren Status aktualisiert hatte: "Schwimmbad mit Suigetsu und Jugo! :D Schade, dass Sasuke-kun nicht mit kann :( " Ich verstand wirklich nicht, wieso die Leute alles, was sie taten, sofort mitteilen mussten, und dann auch noch erwarteten, dass es ihre sogenannten „Freunde“ tatsächlich interessierte. Es kümmerte doch niemanden, wenn ich jetzt schriebe, dass ich putzte - Und es ging auch niemanden etwas an. Seufzend klickte ich die Seite weg und ging auf die Homepage, derentwegen ich überhaupt ins Internet gegangen war; Die Website der Uni. Ich war nervös, stöberte erst mal ein bisschen unter ´Neuerungen` und auf den Notizen für meine Kurse, aber es gab nichts, was ich noch nicht wusste, also blieb mir letztendlich nichts anderes übrig, als auf die Prüfungsergebnisse zu klicken, mich mit meiner Studenten-ID einzuloggen und meine Zensuren zu checken. Ich hatte insgesamt sechs Prüfungen geschrieben und zwei davon mit 1,0 bestanden, drei weitere mit 1,4. Es war die letzte Klausur, die mir den Atem in der Brust abschnürte, während mein Herz gleichzeitig zu Rasen anfing. 2,2. Eine zwei. Mir brach kalter Schweiß aus und meine Hand zitterte, als ich den Computer runter fuhr. Für ein paar Minuten saß ich einfach auf meinem Stuhl, unfähig, mich zu bewegen oder an irgendetwas zu denken als daran, dass ich versagt hatte. Ich war ein Versager. Nicht, weil meine Noten schlecht waren; Ich wusste, dass ich eine der besten Studentinnen meines Semesters war. Sondern weil ich trotzdem Angst vor der Reaktion meines Vaters hatte, widerliche, kriecherische Angst, ihm nicht zu genügen. Obwohl ich wusste, dass ich letztlich nur mir genügen musste. Oh ja, ich wusste das so gut... Erst nach fünf Minuten schaffte ich es, die Augen zu schließen und ein Mal, zwei Mal, drei Mal tief und bewusst durch zu atmen und dann aufzustehen. Ich konnte mir die gehässigen Kommentare meines Vaters und die schleimige Gönnerhaftigkeit meines Bruders schon zu genau vorstellen. Es war immer dasselbe in diesem Haus, ein stupider Kreis aus gegenseitiger Verachtung und trotzigem aneinander Festklammern aus Angst vor dem Verlust von Ansehen und Ruf. Itachi hatte immer jede seiner Prüfungen mit glatten Einsen bestanden, egal ob beim Abitur, in der Uni oder auch schon beim Malen im Kindergarten, so kam es mir zumindest oft vor. Er war so verdammt perfekt, dass ich mich oft fragte, ob er überhaupt ein Mensch war, aber mein Vater betete seinen Sohn an. Er war genau der Stammhalter, den er sich immer gewünscht hatte. Und dann hatte er noch mich, die noch nicht mal das Geschlecht hatte, dass er sich gewünscht hatte. Plötzlich rebellierte mein Magen und ich stürzte ins Bad, wo ich es gerade noch zur Toilette schaffte, bevor ich mich übergeben musste. Ich fühlte mich so schlecht, dass ich gleich noch mal erbrach, dann hing ich eine Weile zitternd über der stinkenden Schüssel, bis ich es schaffte, aufzustehen und mir die Zähne zu putzen. Ich starrte mich im Spiegel an, dieses hässliche, bleiche Mädchen, und hätte gleich nochmal kotzen mögen, aber es kam nichts mehr, also wusch ich mir einfach das Gesicht mit kaltem Wasser, kämmte mich und machte mich wieder an die Vorbereitungen für den Besuch meiner Großmütter. Ich hatte jetzt keine Zeit für einen Nervenzusammenbruch. Immerhin musste ich noch einen Kuchen backen. In der ordentlichen Küche roch es nach dem Schokoladenbisquit, der vor mir in einer Springform auf der Anrichte stand. Ich nahm eine der beiden Schüsseln zur Hand, die ich zuvor vorbereitet hatte, und gab einen Klecks weißen Quark auf den Teig. Dann tat ich dasselbe mit dem schwarzen Schokoladen-Quark, sodass die Massen sich gegenseitig auseinander schoben. Das ganze sollte eine gestreifte Optik ergeben und ich war guter Dinge, dass das auch passieren würde. Mit dem Handrücken strich ich mir das Haar aus dem Gesicht und warf einen Blick auf die Uhr. Es war erst halb elf, also hatte der Kuchen bis zum Nachmittag noch mehr als genug Zeit, im Kühlschrank auszuhärten. Sehr gut. Einigermaßen zufrieden mit dem Ergebnis schob ich meine Arbeit in den Kühlschrank und machte mich daran, die zwei Schüsseln, die Arbeitsfläche und die Löffel sauber zu machen, sodass nichts mehr auf meine morgendliche Backeinlage zurückschließen ließ. Jetzt musste ich noch die Fenster putzen und dann würde mein Vater hoffentlich zufrieden sein. Obwohl er sich dafür auch eine Putzfrau hätte einstellen können, an Geld mangelte es in diesem Haus nicht unbedingt. Ich war gerade dabei, die Küchenfenster zu wischen, als ich hörte, wie die Haustür aufging. Leicht verärgert presste ich die Lippen aufeinander; Es wäre mir lieber gewesen, die Männer wären nicht im Haus, solange ich aufräumte. "Sasuke?" "Ich bin in der Küche, Itachi." Mein Bruder, groß und elegant wie immer, trat mitsamt seiner Straßenschuhe über den frisch gewischten Boden ins Haus und lächelte. Eine Sekunde lang verengte ich die Augen zu Schlitzen, doch dann senkte ich rasch den Blick, sodass ich nur seine Füße näher kommen sehen konnte und die Hand, die er mir auf die Wange legte, spürte. "Was ist los? Du wirkst so angespannt, Sasuke... Ist es wegen dem Besuch unserer Großeltern?" Nein, es ist, weil du mit deinen Dreckschuhen durch die Wohnung läufst. Weil ich mich hier um alles alleine kümmern muss. Und weil du deine Hände nicht bei dir behalten kannst. Statt all dessen antwortete ich nur mit einem Seufzen. "Es ist... Viel zu tun." Ich trat einen Schritt zurück und sah auf. "Mach dir keine Gedanken." "Dann beeile dich lieber. Immerhin musst du dich noch umziehen - So kannst du unseren Großeltern schließlich nicht gegenübertreten.", kommentierte Itachi mit einem schmalen Lächeln für meine aus T-Shirt und Jeans bestehende Garderobe. Er dagegen sah wie aus dem Ei gepellt aus in seinem dunklen Anzug und dem grauen Hemd. "Ich hab ja auch geputzt." "Was?" "Geh dich duschen, ich mach hier noch alles fertig. Vater kommt sicher auch bald." "Natürlich." Sein schmales Lächeln, das alle Welt so charmant fand, blitzte nochmal auf, bevor er sich abwandte, doch in der Wohnzimmertür blieb er noch mal stehen, als wäre ihm spontan etwas eingefallen. "Ach ja, ich habe übrigens Kuchen gekauft." Er deutete auf das Packet, das er auf die Küchenanrichte gestellt hatte. "Richte den doch hübsch an." Ich schwieg, weil es sowieso keinen Sinn hatte, sich aufzuregen. Stattdessen kümmerte ich mich um den Rest des Hausputzes. Eine halbe Stunde später glänzten die frisch geputzten Fenster, der Tisch war dekoriert, obwohl das nicht wirklich meine Stärke war, die Familienfotos waren abgestaubt und die Küche sauber. Unser Haus hatte nur ein Erdgeschoss und war so angelegt, dass das große Wohnzimmer direkt hinter dem Flur lag, welcher den Eingangsbereich bildete. Davon zweigte rechts die Küche ab. Im rückwärtigen Teil des Hauses lagen die Schlafzimmer, das Bad und das Büro meines Vaters. Ich glaube, diesen Raum hatte ich nur ein Mal in meinem Leben betreten, denn dort sorgte tatsächlich eine Reinigungskraft für Ordnung, wobei ich es interessant fand, dass er bei seinen privaten Unterlagen einer Fremden mehr vertraute als seiner eigenen Tochter. Dass er auch selbst hätte sauber machen können, wäre ihm sicher nie in den Sinn gekommen, immerhin war er der große Fugaku Uchiha. Als alles fertig und ich geduscht war, ging ich in mein Zimmer, um mich umzuziehen. Ich war auf halbem Wege zu meinem Kleiderschrank, als mir etwas Ungewöhnliches auffiel und ich stehen blieb. Es lag da wie ein Eindringling, völlig unpassend auf dem dunklen Stoff meiner Bettwäsche, und ich musterte es wie ein Tier von dem ich noch nicht wusste, ob es gefährlich war; Auf dem Bett prangte ein Kleid in einem scheußlichen Lindgrün wie eine verirrte Alge. Ich hob es skeptisch hoch und drehte es hin und her. "Was ist das denn...?" "Ein Geschenk." Ich zuckte zusammen, als ich Itachis Stimme hinter mir hörte, und drehte mich um. Er lehnte in der Tür und beobachtete mich. "Ich glaube, das ist nicht meine Farbe.", widersprach ich und legte das Stück zurück an seinen Platz. Anstatt mich weiter mit dem ungewollten Kleidungsstück zu befassen, ging ich an den Schrank und nahm eine dunkle Bluse und eine schwarze Hose heraus, so, wie ich sie immer trug, wenn ich präsentabel sein musste. "Es ist ein Geschenk, Sasuke.", betonte mein Bruder, diesmal merklich gekränkt. "Ich möchte, dass du das zu würdigen weißt, also trag es bitte heute." Meine Zunge glitt über die Lippen, als ich ihn anblickte. Er meinte das ernst und er würde nicht davon abweichen. Außerdem fehlte mir die Kraft, mich mit ihm zu streiten; Letztlich wäre das auch kindisch gewesen und würde zu nichts führen als dazu, dass ich das Teil doch trug. Ich schloss die Augen, dann hängte ich das Outfit, welches ich gewählt hatte, zurück in den Schrank. "Ok." Ich wartete, doch anstatt sich zurück zu ziehen, lächelte Itachi über seinen kleinen Sieg. Als er mein Stocken bemerkte, zog er die Brauen hoch, doch dann lachte er herzlich. "Oh, verzeih. Ich vergesse immer, dass du nicht mehr sieben Jahre alt bist. Aber du brauchst dich vor mir nicht zu schämen. Komm, lass mich dir mit dem Reißverschluss helfen." Instinktiv wich ich einen Schritt zurück, was ihn aber nur noch mehr zu amüsieren schien. "Was hast du, Sasuke? Sonst bist du doch auch nicht so schüchtern." Ich starrte ihn wütend an, bevor ich mir ungehalten das schwarze Männer T-Shirt mit dem Nirvana-Emblem vom Oberkörper riss, sodass ich nur noch in BH und Jeans vor ihm stand. Auch die dunkle Hose landete auf dem Boden und ich wünschte, die Wut hätte mich nicht überkommen, denn als ich die Hand nach dem Kleid ausstreckte, sah ich, wie meine Finger zitterten. Hastig streifte ich den Stoff über, der eng saß wie eine zweite Haut. Das Ding war sicher nicht billig gewesen, aber der schmale Kragen gab mir das Gefühl zu ersticken und es war zu kurz für meinen Geschmack. Trotzdem drehte ich mich mit dem Rücken zu Itachi, hob mein sowieso nicht allzu langes Haar aus dem Nacken und ließ es zu, dass mein Bruder den Reißverschluss hochzog. Dabei streifte sein Finger wie zufällig die Linie meiner Wirbelsäule und bescherte mir eine unangenehme Gänsehaut. Schnell trat ich von ihm weg und strich imaginäre Falten im Stoff glatt, ehe ich zu ihm aufsah. Sein Blick glitt über mich und er lächelte sichtlich befriedigt. "Na also. Von wegen nicht deine Farbe, du siehst hinreißend aus. Aber du solltest dir wirklich die Haare wachsen lassen. So kurze Fransen sind nichts für ein Mädchen, hm?" "Wenn du meinst.", gab ich gereizt zurück und verschränkte die Arme vor der Brust um zu verbergen, dass ich nach wie vor zitterte. "Ist alles ok? Du siehst blass aus." "Ich bin blass. Das ist jeder aus unserer Familie." Itachi schüttelte tadelnd den Kopf wie ein Grundschullehrer. "Sasuke... Was ist denn heute nur los mit dir?" "Ich... Entschuldige... Kannst du jetzt... Ich will noch..." "Natürlich. Aber denk dran, dass unsere Gäste bald kommen... Vielleicht schminkst du dich davor ein bisschen, hm?", schlug er sanft vor, dann zog er die Zimmertür mit einem Ruck hinter sich zu. Ich betrachtete mich in dem Spiegel neben meinem zum Bersten gefüllten Bücherregal, etwas, dass ich nicht allzu oft tat. Die Frau im Spiegel wirkte älter als neunzehn, fast schon wie dreißig. Einfach verbraucht. Und das Kleid gab ihrem Gesicht das Aussehen eines dürren Gespenstes. Ich zog am Kragen, um mir etwas Luft zu verschaffen, was aber nicht wirklich half. Erschöpft ließ ich mich auf das Bett sinken und starrte an die Decke. Sicher würde ich mich besser fühlen, sobald noch jemand außer mir und Itachi im Haus war, aber für den Moment war die Übelkeit von heute Morgen zurück und ich konnte mich nicht schon wieder übergeben. Als sich die Rebellion in meinem Magen etwas gelegt hatte kniff ich die Augen fest zu, weil sie verdächtig brannten. Nicht weinen. Das tun nur Kinder und schwache kleine Mädchen. Bist du ein kleines Mädchen? Nein... Dann hör auf, Herrgott. Du bist ein Uchiha. Uchiha sind stark und stolz und vor allem weinen sie nicht. Straff die Schultern, binde die paar fransigen Haare hoch und sei, wozu du geboren wurdest! Immerhin hast du ein Geschenk bekommen und nicht ausgeraubt worden, verdammt. Für den Bruchteil einer Sekunde blitzte ein strahlendes Lächeln vor meinem geistigen Auge auf, doch ich schob es beiseite. Strahlen war eindeutig nicht meine Aufgabe auf dieser Welt. Viel mehr Überleben... Geboren um zu überleben, das könnte ich mir auf die Fahne schreiben. Trotzdem gab mir schon der kurze Gedanke an dieses Frecher-Junge-Lächeln eine erstaunliche Kraft, obwohl ich es schon so lange nicht gesehen hatte. Diese Kraft reichte aus, damit ich aufstehen, mir die Haare machen, mich schminken und letzte Vorbereitungen für den Besuch treffen konnte. Was wohl wäre, wenn ich ihn wirklich sehen würde...? Aber ´Was wäre wenn...`-Hypothesen waren lächerlich, also verdrängte ich sie schnell wieder. Kurze Zeit später kehrte mein Vater nach Hause zurück und er zog, genau wie sein Sohn, die Schuhe nicht aus. Allerdings war ich von ihm nichts anderes gewohnt, weshalb ich ihm nur artig den Mantel abnahm und einen Kaffee an die Tür seines Büros brachte, in das er sich zurückgezogen hatte. Er verließ es erst wieder, als unsere Gäste eintrafen. Ein herzlicher Mensch war Fugaku Uchiha nicht, aber er war gebildet und erfolgreich; Entsprechend steif begrüßte er auch seine Mutter und Tante, welche ihm mit einer sanften Würde begegneten, die allen Frauen meiner Familie anzuhaften schien. Itachi war ganz in seinem Element; Der Strahlemann unserer Familie, ein richtiges Vorzeigekind. Er war stets gut gelaunt, charmant, intelligent und attraktiv, aber Letzteres traf auf die meisten Mitglieder unserer Sippe zu. Sogar meine Großmütter galten mit ihren mehr als siebzig Jahren noch gutaussehend. Nur ich war ein graues Entlein, aber das war mir auch ganz recht. An Entlein setzte man üblicher Weise nicht so hohe Ansprüche wie an schöne Schwäne, also konnten sie auch nicht so gravierend versagen. Höflich manövrierte ich die plaudernden Gäste und meine Familie an den Esstisch im Wohnzimmer, der vor der verglasten Veranda platziert war, sodass man durch die offene Tür die frische Sommerbriese genießen konnte ohne der direkten Hitze ausgeliefert zu sein. Keiner von uns war ein besonderer Sonnenanbeter, deswegen hatte ich davon abgesehen, unser Beisammensein nach draußen zu verlegen. "Was hast du denn da überhaupt an, Sasuke?" Es war das erste Mal seit er hier war, dass mein Vater mich direkt ansprach, und es ließ mich leicht zusammenfahren. In dem Versuch, meine Verunsicherung zu überspielen, strich ich die Falten meiner Kleidung glatt und sah ihn kühl an. "Ein Kleid, Vater." "Das sehe ich wohl. Werde nicht unverschämt, junge Dame. Noch dazu, wo dir der Fetzen überhaupt nicht steht... Los, zieh dich schon um." "Ja, Vater.", murmelte ich, dankbar für die Gelegenheit, mich aus dem Kleid zu schälen, aber da kam mir der Rest meiner Familie ins Gehege. "Ach, das kannst du doch keinem jungen Mädchen sagen, Fugaku. Sei etwas sensibler.", schalt meine Großmutter, deren kleine, verhutzelte Augen, die mich immer an tiefschwarze Murmeln erinnerten, auf mich gerichtet waren. "Außerdem finde ich, das Gewand steht ihr ganz ausgezeichnet. Damit sieht sie endlich mal wie eine Frau aus." Die beiden starrten sich eine Weile lang an, aber es war schon klar, wer diese Auseinandersetzung gewinnen würde. Offiziell mochte nämlich mein Vater das Oberhaupt der Familie sein, aber eigentlich war seine Mutter es, die die Fäden zog. Eine heimliche Patriarchin in geblümten Flanell. Stumm verfluchte ich sie und wünschte, Fugaku würde seine ehrfurchtgebietende Ader auch mal ihr gegenüber ausleben, nur dieses eine Mal, damit ich aus dem Kleid raus kam. Natürlich tat er das nicht. "Den Geschmack der Jugend muss man wohl nicht nachvollziehen.", seufzte er kopfschüttelnd und wandte sich ab, was meine Großmutter zu einem befriedigten Glucksen veranlasste. "Nein, das musst du wirklich nicht. Und jetzt reich mir mal ein Stück Kuchen, mein Lieber." Eine Weile konnte ich mich bedeckt halten, indem ich allen Kuchen auftat, Kaffee holte und mich höflich aus den Konversationen raushielt. Mich rauszuhalten hatte ich in der Pubertät gelernt, als ich noch heftige Meinungsverschiedenheiten mit meinem Vater ausgefochten hatte, die nicht selten in Ohrfeigen oder drakonischen Hausarreststrafen endeten. Natürlich war ich nie in meinem Zimmer geblieben; Durch mein Fenster war es leicht, auf die Veranda, die rund ums Haus verlief, zu klettern und von dort hatte mir die Welt offen gestanden... Oder so in der Art. Aber irgendwann hatte ich es einfach aufgegeben, in diesem Haus eine eigene Meinung zu haben. Ich hatte zu den wichtigen Themen aus Politik, Wirtschaft und Sozialem zwar einen klaren Standpunkt und eine strukturierte Meinung, machte mir aber meist nicht die Mühe, diese mit anderen zu teilen. Die Menschen hörten sowieso selten wirklich zu - Und wenn, interessierte es sie kaum. Als ich gerade den interessanten Ansichten meiner Großmutter väterlicherseits über die Umstände eines Krieges im Ausland zuhörte bemerkte ich den Blick meines Bruders. Er schien ehrlich erfreut darüber, dass ich tatsächlich das Kleid trug, welches er mir geschenkt hatte, doch seine Freude berührte mich nicht. Empathie war nicht meine Stärke. Trotzdem schenkte er mir, als ich ihn ausdruckslos ansah, das Gewinner-Lächeln, das ihm jede Tür öffnete. Er trank einen Schluck Kaffee, ohne die Augen von mir zu nehmen, dann stellte er gelassen die Tasse beiseite und fragte: "Sag Mal, Sasuke, hast du eigentlich schon die Noten für deine Klausuren?" Die Übelkeit von heute Morgen war wieder da, so heftig, als hätte er nicht ruhig mit mir Konversation gemacht sondern mich in den Magen geschlagen. "Ich... Vorhin hab ich auf der Website der Universität..." Mein Magen verkrampfte sich, ich schluckte, aber der Rest des Satzes passte einfach nicht mehr zwischen meinen Zähnen hervor. Ich stieß einen heftigen, flachen Atemzug aus, der kaum meine Lungen füllte. Innerhalb von Sekunden hatte ich das Gefühl, zu ersticken, aber ich durfte meine Angst nicht zeigen. Nicht zeigen, dass ich ertrank in einer heftigen Welle aus Panik. Als ich aufstand, wollte mein Oberkörper nach vorne kippen wie ein Kreisel und ich konnte ihn nur mit Macht zurück in die Senkrechte kämpfen. Nur nichts anmerken lassen. Es geht mir gut, lächelte ich alle an. Aber dieser bittere Geschmack auf der Zunge... Diese schwarzen Flecken, die vor meinen Augen tanzten... "Entschuldigt." Stolpernd, gegen die Löcher in meinem Sichtfeld ankämpfend, die den Weg zum Badezimmer zu einem Mienenfeld machten, torkelte ich den Flur hinunter. In der Toilette schloss ich hastig die Tür ab und dann klappten mir die Beine weg. Zitternd krümmte ich mich in Embryonalstellung zusammen, die Lippen zu einem stummen Schrei geöffnet in der Hoffnung, die Übelkeit würde aus meinem Körper kriechen wie eine Made. Ein weiteres Würgen beförderte zumindest ein bisschen Kuchen zurück ans Tageslicht, aber das flaue Gefühl blieb. Irgendwie hatte ich es geschafft, zur Toilette zu kriechen und jetzt umklammerte ich die Schüssel, wimmerte und wünschte, einfach hier bleiben zu können, aber irgendwann klopfte es an der Tür und die Stimme meiner Großmutter war zu hören: "Ist alles in Ordnung, Liebes?" "J-Ja, ich... Ich habe glaube ich zu viel Kuchen gegessen." Ein leises, gutmütiges Lachen, das mich ein wenig beruhigte, war die Antwort. "Oh weh. Aber ich bin auch sehr voll - Du kannst gut backen, Sasuke. Das hast du von Mikoto." Bei der Erwähnung meiner Mutter krampfte mein Magen nochmal, aber ich konnte mich nicht mehr erbrechen, weil ich nichts mehr im Bauch hatte. Ich war leer gepumpt bis auf die Übelkeit. Ich wartete, bis der Würgreflex nachgelassen hatte, dann rappelte ich mich umständlich auf. Angewidert von mir selbst bemühte ich mich, hastig mein Erbrochenes aufzuwischen und das Fenster zu öffnen, damit sie nichts von meinem Ausbruch bemerken würde. "Danke, Großmutter. Ich komme in einer Minute. Bitte entschuldige die Aufregung." "Du bist ein junges Mädchen, da passiert so etwas, mach dir keine Gedanken. Du bist sowieso viel zu steif für dein Alter.", beruhigte die alte Dame mich freundlich, immer noch mit der Tür zwischen uns. Meiner Bitte zu gehen kam sie jedoch nicht nach. "Aber sag... Hatte das eben etwas mit deinen Noten zu tun? Bist du unzufrieden, Liebes?" Es machte mir Angst, dass sie mich sofort verstanden hatte. Ich klammerte die Finger um das Waschbecken, an dem ich mich gerade frisch gemacht hatte, bis meine Haut an den Knöcheln so bleich war wie das Porzellan. "Ich... Ich habe eine 2,2 in einer Klausur." "Oh, das ist sehr gut!" Sie klang ehrlich erfreut, aber auch etwas besorgt. "Und in den anderen Fächern? Hast du eine schlechte Note?" Ich sah wieder halbwegs vorzeigbar aus - Zumindest auch nicht schlechter als vorher, und nach einer hastigen Reinigung mit der Zahnbürste roch ich wohl auch nicht mehr nach Erbrochenem - Und zog die Badezimmertür auf, um dem besorgten Blick der alten Frau zu begegnen. "Nein. Die anderen Noten sind Einsen." "Meine Güte, wirklich? Das ist ja hervorragend! Fugaku wird außer sich sein vor Stolz!" Ich nickte; Außer sich würde er sicher sein, aber eher vor Zorn. Trotzdem war ich dankbar für den ehrlichen Stolz, den ich für diesen einen Moment empfing. Scheinbar spürte meine Großmutter meine Zweifel, denn sie nahm mich in den Arm. Ich war verwirrt und verkrampfte mich völlig, denn solche Zuneigungsbekundungen waren in unserer Familie nicht üblich. Das höchste der Gefühle war es normalerweise, sich flüchtig am Arm zu berühren, aber eine richtige Umarmung war mehr als nur ungewöhnlich und ich wusste nicht, wie ich darauf reagieren sollte, also ließ ich sie einfach steif über mich ergehen. Als sie mich schließlich losließ, lächelte meine Großmutter warm. "Du darfst dich nicht kaputt machen lassen, Sasuke. Es ist schwer, eine Uchiha zu sein, denn die Männer werden immer auf dich herabblicken, gleichzeitig aber dieselben Leistungen von dir erwarten, die einer von ihnen bringt. Du wirst härter arbeiten müssen als jeder andere, vor allem, weil dein Bruder so erfolgreich ist, um Anerkennung zu bekommen. Aber du musst wissen, dass du eine starke Frau geworden bist und deine Sache gut machst. Ich bin sehr stolz auf dich, mein Liebes. Und ich weiß, dass meine Schwiegertochter es auch gewesen wäre." Entgegen dem Klischee hatten die beiden Frauen ein gutes Verhältnis zueinander gehabt, da sie beide die Marotten der Uchiha-Männer kannten, und dieselbe Zuneigung wie damals Mikoto brachte Mana Uchiha jetzt auch mir, ihrer Enkelin, entgegen. Ich empfand das als große Ehre und verbeugte mich vor ihr, als ich "Danke.", hauchte. Vermutlich wusste sie gar nicht, wie viel Kraft sie mir mit diesen wenigen Worten der Unterstützung geschenkt hatte. Gemeinsam kehrten wir zum Rest der Familie zurück wo ich die erwartete Reaktion meines Vaters erlebte. Dennoch fiel es mir nach der Ermutigung meiner Großmutter leichter, meine Versagensängste zu ertragen. Meine zweite Großmutter war merklich besorgt wegen meiner Abwesenheit und fragte, was denn der Grund dafür gewesen sein könnte, aber ich wollte nicht darüber reden. Ich jammerte nicht gerne und es war mir schon peinlich, dass Mana mich so zerstreut erlebt hatte. Zum Glück schaffte ich es, nach kurzem Gespräch über meine Klausuren und Noten das Thema von mir abzulenken und mich den Rest des Nachmittages in die Gastgeber-Pflichten zu stürzen. Nach dem sonst unspektakulären Familientreffen zog mein Vater sich wieder in sein Büro zurück und ich entledigte mich so schnell wie möglich dieses unsäglichen Kleides, sobald Itachi und ich aufgeräumt hatten. Am liebsten hätte ich es zerschnitten, aber das ging natürlich nicht, also würde ich es vielleicht der Wohlfahrt spenden. Oder ich fand eine Kommilitonin, der das gute Stück besser gefiel als mir, immerhin war es ein teures Markenkleid. Als ich gerade meine Schwimmsachen einpackte, kam mir eine noch bessere Idee und ich stopfte den Stofffetzen in meine Tasche. Itachi war noch mal zur Arbeit gefahren, deshalb gelangte ich unbehelligt außer Haus und von dort zur S-Bahnstation. Ich hatte große Kopfhörer übergestreift, deshalb hörte ich es nicht, aber dem Tag troff der Sommer mit Vogelgezwitscher, Grillengezirpe und Gelächter förmlich aus allen Poren. Die Hitze veranlasste die Frauen dazu, sich in unverschämt kurze Röcke zu zwängen und die Männer plusterten sich vor Testosteron förmlich auf wie eine Taube im Wind. Ich ignorierte dieses sommerliche Treiben, indem ich aus dem Fenster der Bahn in das tiefe, wolkenlose Babyblau des Himmels stierte und mich den Träumereien an Augen von derselben Farbe und Wärme hingab. Er hatte tatsächlich nicht angerufen. Ich wusste nicht, ob ich deswegen erleichtert oder enttäuscht war, aber ich schaffte es nicht, nicht mehr an ihn zu denken. Ja, ich vermisste ihn, ein Gefühl, das mir nicht allzu vertraut war. Die einzige, die ich mir sonst an meine Seite wünschte, war meine Mutter, und das war etwas anderes, schließlich hatte ich sie nie gekannt. Ich versuchte, an keinen der beiden zu denken, aber das war etwa wie mit dem berühmten rosanen Elefanten; Je mehr ich sie zu verdrängen suchte, desto stärker drängten sie sich in mein Bewusstsein, wie ein Schmerz ganz hinten in meinem Kopf, ein Ziepen, gegen das keine Aspirin half. Ich hatte doch gewusst, warum ich versucht hatte, ihn auf Abstand zu halten. Genervt von mir selbst seufzte ich, aber ich war ja selbst schuld und würde jetzt damit leben müssen, so lange es dauerte. Zumindest war ich überzeugt davon, dass diese Schwärmerei nicht allzu lange halten würde. Wieso sollte sie auch? Ich kannte ihn schließlich gerade mal einen Monat. Als ich aus der Bahn stieg, setzte ich eine tiefschwarze Sonnenbrille auf und vergrub die Hände in den Taschen meiner dunklen Bermuda-Shorts. Zumindest beachtete mich so niemand. Die Badeanstalt, die ich regelmäßig besuchte, lag in der Nähe der Uni, aber ich vermied es, die Lehranstalt zu betreten, nahm dafür sogar einen Umweg in Kauf. Das Campus-Café hatte nämlich auf und ich traute meinen Füßen zu, dass es ihnen einfallen würde, vielleicht dort vorbei zu laufen gegen meinen Willen. Das Bad war ein kleiner, hässlicher Betonklotz mit schmutzigen Fenstern. Es waren nie viele Leute dort und die, die kamen, taten das meist kein zweites Mal. Heute saß eine ältere Frau mit einem Groschenroman an der Kasse, die kaum von ihrem Buch aufblickte, als ich herein kam. Ich glaube, sie war die Frau des Besitzers, denn die Angestellten hielten es normalerweise kaum länger hier aus als die Badegäste, aber sie sah ich schon, seit ich hierher kam, was immerhin auch schon fünf Jahre waren. Zwischen uns herrschte eine Art stummer Wettbewerb, wer länger in dieses Loch zurückkehren würde, und ich war mir des Sieges recht gewiss; Sie rauchte viel, was ihr einen ungesund bellenden Husten beschert hatte, der sie auch jetzt, als sie meine drei Euro Eintrittsgeld in die fast leere Kasse legte, durchschüttelte. Anfangs hatte ich ihr ein paar Mal Hilfe angeboten, aber die hatte sie jedes Mal mit einem eisigen Blick abgelehnt, sodass ich mich jetzt ohne ein Wort abwandte und zu den Umkleiden ging. Mittlerweile war ich der Meinung, dass jeder für sich selbst verantwortlich war, also ließ ich die Frau in Ruhe. Trotz des etwas schmuddeligen Ambientes waren die Böden, Umkleiden, Duschen und auch das Badebecken selbst sehr sauber, sonst wäre ich wohl nie wieder hergekommen. Trotzdem widerstrebte es mir, meine Sneakers auszuziehen und es wurde nicht besser, als ich mich dem Rest meiner Kleidung zuwandte. Ein Grund, aus dem ich immer wieder kam, war, dass hier so wenige Leute waren. Obwohl ich nämlich wirklich gerne schwamm, stieß mich die Nacktheit dabei ab und fast schon beneidete ich islamische Frauen, die in einem verhüllenden Burkini ans Wasser gehen konnten. Ich zog mir rasch einen schwarzen Badeanzug an und darüber knielange Badehosen und kam mir trotzdem nackt vor. Dass andere Frauen in meinem Alter sich in kaum mehr als einem Streifen Elastan an den Stränden präsentierten war mir schleierhaft, aber das gehörte wohl zum Paarungstanz des modernen Menschen. Ich zog die lindgrüne Scheußlichkeit aus der Tasche und warf ihr einen letzten angewiderten Blick zu, bevor ich sie sorgfältig in der Umkleide drapierte, damit jemand sie mitnehmen konnte. Wegschmeißen wollte ich das Kleid einfach nicht, weil es, wie gesagt, bestimmt teuer gewesen war. Hier würde zwar niemand vorbei kommen, der das würdigen konnte, aber das war mir dann auch egal. Zufrieden mit meiner Arbeit schlüpfte ich in Badelatschen, räumte meine Tasche in einen dafür vorgesehenen Spind und ging zu den Schwimmbecken, froh, mit diesem kleinen Kapitel abgeschlossen zu haben. Ich würde einfach sagen, ich hätte das Kleid nicht mit meinen nassen Haaren ruinieren wollen und dann sei es liegen geblieben. Als ich es gesucht hätte, wäre es unglücklicher Weise schon weg gewesen. Natürlich würde Itachi sauer sein und mein Vater würde mich als schludriges, gedankenloses Ding beschimpfen, aber das war mir egal. Besser, als noch einen zweiten Nachmittag in dieser Aufmachung zu zubringen. Heute war außer mir nur ein Mann da, der mir zunickte und weiter seine Bahnen zog. Es wäre mir lieber gewesen, ganz alleine zu sein, aber da konnte man eben nichts machen, also räumte ich meine Tasche auf eine Liege und begab mich zum Beckenrand, wo ich mit den Zehen die Wassertemperatur checkte. Ich warf dem Fremden einen Blick zu, der ihn hoffentlich von zum Scheitern verurteilten Smalltalk-Versuchen abhalten würde, dann entkam ich mit einem technisch perfekten Hechtsprung ins Wasser. Ich blieb am Grund des Beckens sitzen und dachte darüber nach, ob es sich überhaupt lohnte, aufzutauchen. Bis zu meinem vierzehnten Geburtstag war ich in einer Schwimmer-Mannschaft und für mein Alter sehr gut gewesen, aber jetzt betrieb ich den Sport aus Gewohnheit und um aus dem Haus zu kommen. Das hieß, es gab keine Mannschaft, die mich unerwünscht aus dem Wasser ziehen würde. Vielleicht würde mir der fremde Mann, wenn ich ohnmächtig an der Oberfläche triebe, den Gefallen tun und mich ertrinken lassen. Gerade, als ich anfing zu schwindeln, überkam mich die Feigheit und ich stieß mich kraftvoll vom Beckenboden ab. Der andere Badegast beobachtete mich, aber ich beachtete ihn nicht, sondern zog in gleichmäßigen Kraulzügen meine Bahnen durch das Wasser. Vielleicht hätte ich ihn fragen sollen, was sein Problem war, aber auch dazu war ich zu feige; Was, wenn er mich oder jemanden aus meiner Familie kannte? Ich war zu gut erzogen, um ihn zu beleidigen, also ignorierte ich ihn, das half meistens genauso gut. Aber nicht immer, wie ein recht aktuelles Beispiel gezeigt hatte. Allerdings hatte ich es nicht geschafft, diesen besonderen Fall konsequent zu ignorieren, dazu war sein Charakter zu laut und schillernd. Ich glaube, er hat sogar noch versucht, sich mir gegenüber bedeckt zu halten, um mich nicht zu verschrecken mit seiner Zuneigung, aber sie war trotzdem mehr als offensichtlich in jeden seiner Blicke geschrieben gewesen. Der Gedanken ließ ein Lächeln auf meine Lippen treten, das ich jedoch sofort runter schluckte. Das war nicht der Ort für romantische Schwärmereien. So einen Ort gab es gar nicht. Immerhin hatte er trotz aller anfänglichen Beharrlichkeit aufgehört, anzurufen. Es war ihm zu anstrengend geworden oder er hatte endlich gesehen, dass ich diesen Aufwand gar nicht wert war. Andererseits hätte er, wenn das der Fall gewesen wäre, einfach aufgehört, sich um mich zu bemühen. Stattdessen hatte er angekündigt, mir nicht mehr lästig sein zu wollen und gesagt, ich solle mich melden. Das hatte ich nicht getan, weil heftige Angst vor Zurückweisung und mein Stolz mich gehindert hatten. Was, wenn er es sich anders überlegt hatte? Wenn ihm aufgefallen war, dass er in der ganzen Zeit unserer Bekanntschaft immer nur mir nachgelaufen war und es dafür eigentlich gar keinen Grund gab? Nein, er musste anrufen oder es wäre mir auch egal. Dass das eine Lüge gegen mich selbst war, war mir klar. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass er seine Ankündigung wahr machen würde, ihm höchstens eine Woche gegeben, bis er wieder anrufen würde, aber bald wären es drei Wochen und ich hatte noch immer nichts von Naruto gehört. Dass ich überhaupt noch an ihn dachte - Und ihn wie gesagt vermisste - War kein gutes Zeichen. Inzwischen spielte ich sogar schon mit dem Gedanken, ihn tatsächlich selbst anzurufen und hatte mich nur mit der Ermahnung davon abhalten können, dass er inzwischen sicher froh war, mich los zu sein. Ich war so in Gedanken versunken gewesen, dass ich erst mit einem Schlag merkte, dass mich die Kräfte verließen. Mein Rhythmus kam durcheinander, als ich ein, zwei schwächliche Züge machte, dann hatte ich meine Konzentration zurück und schwamm zum Beckenrand. Mühsam zog ich mich aus dem Wasser und sah mich nach meinem Handtuch um. Auf dem Weg zu meiner Liege besah ich angewidert meine Finger. Ich mochte es, zu Schwimmen, aber auf die schrumpelige Haut danach hätte ich verzichten können, denn ich hasste es, damit irgendetwas anzufassen. Vielleicht wollte ich mich mit diesem Widerwillen aber auch nur von der Schlussfolgerung ablenken, die meine Grübelei mir gebracht hatte. Denn ich vermisste ihn und genoss dieses Gefühl sogar, aber noch mehr hatte ich seine Nähe genossen. Und da er sich an sein Versprechen halten zu wollen schien, würde mir nichts anderes übrig bleiben, als ihn anzurufen. Wie lästig. In der Dusche und auch noch draußen überlegte ich, was ich sagen sollte und ob ich das tatsächlich tun wollte. Ich könnte mich nach seinen Noten erkundigen, die müssten langsam eintrudeln und immerhin hatte ich an ihnen einen nicht unerheblichen Anteil. Ich war in Gedanken so sehr mit Naruto beschäftigt, dass ich nicht mal mehr in Panik über meine eigenen Zensuren versinken konnte. Zufällig kam ich wieder in dieselbe Kabine, die ich schon zuvor genutzt hatte, was ich an dem grünen Kleid erkannte, das noch da hing. Ob es meinem blauäugigen Teilzeit-Nachhilfeschüler wohl gefallen hätte, überlegte ich, während ich mich anzog. Aber vermutlich hätte es das, immerhin hatte ich ihm sogar in meinen unauffälligen normalen Klamotten gefallen. Ich warf der grünen Monstrosität nicht mal einen letzten Blick zu, als ich zum Ausgang der Badeanstalt schlenderte, die Hoffnung im Herzen, das Kleid nie wieder zu sehen. Ich war schon auf dem Heimweg, als ich mitten auf der vollen, von sommerlich-leicht bekleideten Leuten bevölkerten Straße stehen blieb. Eigentlich wollte ich gar nicht nach Hause; Dort warteten nur Berge von Abwasch, die meine Mitbewohner sicher nicht weggeräumt hatten. Mein Blick wanderte zu einer Seitenstraße, die, wie ich wusste, zum Büchercafé führte. Gebäck wollte ich keines; Meine Familie hatte mir den Appetit verdorben, indem sie lieber den gekauften Kuchen, den Itachi mitgebracht hatte, gegessen hatte als meinen selbstgemachten. Aber ein Eistee wäre genau das Richtige. Natürlich sollte ich lieber meine Hausarbeit machen und mich auf mein Praktikum am Montag vorbereiten und mein Pflichtgefühl machte mir die Lösungsfindung nicht leicht. So ging ich ein paar Mal unentschlossen hin und her, bis ich mich schließlich für das Café entschied. Ich hatte ein schlechtes Gewissen und ärgerte mich darüber, schließlich hatte ich alles für den Verwandtschaftsbesuch alleine vorbereitet und somit meine Pflicht bereits mehr als erfüllt. Schon von draußen sah man, dass es in dem Lokal sehr warm sein musste; Staub flirrte in der dunkelbraunen Luft und jeder andere hätte sich lieber mit einem Eis an einen See gesetzt. Genau das war letztendlich der Grund, aus dem ich die Klinke nach unten drückte. Ich wollte alleine sein. Nachdenken. Ich sah mich um, bis ich Akira, den Kellner, entdeckte, der gerade die Treppe runter kam. Er war ganz in Ordnung, vor allem, weil er, obwohl er offensichtlich einen Narren an mir gefressen hatte, nicht ständig versuchte, mich anzugraben. Ein spendierter Tee oder kostenloses Gebäck waren die einzigen Beweise seiner Zuneigung und diese Gunstbeweise nahm ich mit schweigsamer Dankbarkeit an. Schließlich könnte das genauso gut Aufmerksamkeiten an einen Stammgast sein. Heute begrüßte er mich jedoch nicht mit der üblichen, leise glühenden Bewunderung, sondern mit einer Art trotziger Distanz, fast so, als hätte ich ihn enttäuscht, was mich verwirrte, weil ich schon eine Weile nicht mehr hier gewesen war. "Hallo.", schmollte er widerstrebend. "Hi." Ich war versucht, ihn nach dem Grund für seine Laune zu fragen, ließ es dann aber doch bleiben. Es ging mich ja auch nichts an. Scheinbar fiel Akira ein, dass er trotz schlechter Stimmung immer noch zu arbeiten hatte, denn er fragte, was ich denn wollte. "Minz-Eistee. Kannst du ihn mir rauf bringen?" "Ne-Nein.", stammelte er und ich blieb, schon auf dem Weg zur Treppe, verwirrt stehen, um ihn fragend anzusehen. Sein Blick hetzte hin und her, sein Kopf lief rot an und er rang um Worte, bis sie schließlich aus ihm herauspurzelten: "Heiß. Oben ist es so heiß und... Setzt dich doch hier hin und... Oder draußen..." Leicht verärgert runzelte ich die Stirn. Wahrscheinlich hatte die Wärme schon sein Hirn angegriffen. "Ich sitze oben.", betonte ich bemüht gelassen. "Und ich hätte gerne einen Eistee gegen die Hitze, von der du sprichst." "Ich... Oh, ja, wie du meinst. Ich bring ihn dir gleich." Ohne weiter auf den Zwischenfall einzugehen, stieg ich die enge Wendeltreppe hoch, wo ich kurz zu dem hohen Milchglasfenster blickte, durch das Wärme von draußen, aber kaum Licht einfiel. Es war die optimale Umgebung für Bücher. Ich nahm mir eines meiner Lieblingsbücher aus dem Regal und wollte mich damit in die übliche Ecke setzen. Diese lag hinter einer der Trennwände und so kam es, dass ich durch die Lücken zwischen den literarischen Werken, die darin aneinander gereiht waren, sah, dass der Platz schon belegt war. Das Gesicht der Person konnte ich nicht sehen, aber dafür einen ganzen Wust von kurzem, honigblondem Haar. Also vermutlich ein Mann. Eine Weile blieb ich stehen, in der unbestimmten Hoffnung, der Eindringling würde gehen, aber dann akzeptierte ich, dass das nicht passieren würde. Ich seufzte und wollte mit einem verärgerten Blick an ihm vorbei, doch als ich sein Gesicht sah, blieb ich abrupt stehen. Fast hätte ich gelacht; Ich hatte also doch Recht gehabt mit meiner Vermutung, er würde sein Versprechen nicht halten können. Wie schon bei unserer ersten Begegnung glotzte er mich eine Sekunde lang an wie zurückgeblieben bevor er stolpernd auf die Beine kam und sich nutzloserweise das Haar glatt strich. Seine Mähne sträubte sich schon unter seinen Fingern in alle Richtungen und ich spürte ein Lächeln in mir aufsteigen, das ich mit einem Seufzen zurück in meinen Bauch verbannte. Es war schon lustig. Noch vor fünf Minuten hatte ich ihn mir so sehr her gewünscht, dass ich ernsthaft überlegt hatte, ihn anzurufen, und jetzt, wo er hier war, war es mir bereits zu viel. Nun, zumindest wusste ich jetzt, was Akiras Problem gewesen war; Eifersucht. Denn er hatte vom ersten Moment an erkannt, dass diese aufdringliche Nervensäge hier ernsthafte Konkurrenz für seine stille Bewunderung darstellte. "Hallo, Sasuke.", sagte Naruto ungewöhnlich ruhig. Kapitel 6: Siege ---------------- Als ich endlich meine Sprache wiedergefunden hatte, brachte ich nichts Einfallsreicheres als ´Hallo` heraus und ich hätte mir am liebsten ins Gesicht geschlagen. Stundenlang hatte ich überlegt, was ich sagen würde, wenn ich sie sah und jetzt, wo sie vor mir stand, war alles weg, sodass ich sie nur dumm anglotzen konnte. Ein gewisses Amüsement war auf Sasukes Gesicht getreten, als sie die Arme verschränkte und den Kopf schief legte. Ich war aufgestanden, weil es mir albern vorgekommen war, sie so von unten herauf anzusehen, aber jetzt wusste ich nicht wohin mit meinen Armen und Händen, sodass ich nervös mit ihnen herumdruckste. "Hallo", erwiderte sie schließlich gnädig. "Ich... Also..." Mein Gestammel wurde unterbrochen, als der Kellner ein großes Glas brachte. Er sah ein wenig verärgert und fragend zu Sasuke, um zu erfahren, wo sie sich niederzulassen gedachte. "Setzt dich zu mir... Wenn du willst", fügte ich ein wenig verlegen hinzu und zur Überraschung beider männlicher Anwesenden kam Sasuke meinem Angebot nach, indem sie auf dem Sessel gegenüber von dem, auf dem ich zuvor gesessen hatte, Platz nahm. Sie trug niedrige Springerstiefel und dunkelblaue Bermudas, aber ihre perfekten Beine, die sie jetzt elegant unterschlug, konnte sie damit trotzdem nicht verbergen; weiß und schlank bogen sie sich über dem braunen Leder ihrer Sitzgelegenheit und verdammt, ich hätte gerne jeden Millimeter von ihnen geküsst. Ich wusste nicht, was an ihr es war, das mich so anzog, denn alles an ihrer Erscheinung legte größten Wert auf geringe Weiblichkeit, aber ich fand diese Beine waren zum Auffressen. Als ich wieder in ihr Gesicht, in diese verwirrend dunkelblauen Augen, blickte, senkte sie für einen Moment die Lieder, ehe sie mich gewohnt offen anblickte. "Sag mir nicht, du bist hier, um zu lesen", sagte sie, als Akira gegangen war. "Wa...? Nein... Nein, also..." Ich räusperte mich verlegen, denn dieser Stalker-Überfall war genau das Gegenteil von dem, was ich ihr versprochen hatte, und ich hatte keine richtige Erklärung dafür. "Also was? Das einzige, was ich jetzt sehe, ist, dass du dich dazu entschlossen hast, deine Ankündigung zurückzunehmen." "Nein... Sasuke, so ist das nicht. Ich stehe nach wie vor zu meinem Versprechen; wenn du genug von mir hast, dränge ich mich dir nicht auf." "Und deswegen wartest du hier an einem sonnigen Tag auf mich, ohne zu wissen, ob ich kommen werde? Da gibt es ein aber." "Dass ´aber` ist, dass du noch hier bist und ich annahm, dass es ok für dich ist, mit mir zu sprechen", erklärte ich offen, aber ein wenig verunsichert von ihrer brüsken Art. Sie schien zwar nicht sauer über meine Anwesenheit, aber auch nicht erfreut und das machte es schwer, mich ihrer Stimmung anzupassen. Sie wandte den Blick ab und gab vor, die Bücherrücken im Regal neben sich zu studieren. "Und was erwartest du jetzt von mir?" "Ich erwarte nichts. Im Gegenteil hab ich dir ein Angebot zu machen. Eines, dass du nicht ausschlagen kannst", endete ich in tiefergelegter Stimme, was sie zum Lachen brachte. Sie lachte viel zu selten, deshalb sah sie auch so alt aus, nicht wie neunzehn. "So? Und was ist das für ein Angebot?", fragte sie amüsiert. "Aber bedenke, dass mir die ganze Welt offen steht, also habe ich viele Optionen, um abzulehnen." "Nun, es geht um uns. Dich und mich." "Ja, das versteht man gemeinhin unter ´uns`. Was ist jetzt damit?" Dieser Teil der Ansprache, die ich eingeübt hatte, war mit Abstand der Peinlichste und ich hatte keine Ahnung, wie Sasuke darauf reagieren würde. Ein Teil der Faszination, die sie auf mich ausübte, stammte von eben dieser Unberechenbarkeit, aber gerade wünschte ich mir sehr, sie wäre etwas durchsichtiger in ihren Handlungen. So musste ich nämlich völlig ins kalte Wasser springen. Normalerweise machte mir das nichts; ich wurde gerne überrascht. Aber bei Sasuke war es etwas anderes, weil ich mir ihrer sicher sein wollte. Ich brauchte sie. "Weißt du, ich glaube, ich sage dir nichts Neues, wenn ich zugebe, dass ich dich sehr mag. Du interessierst mich auf jede erdenkliche Art; als Frau, als Mensch, als Freund. Ich verbringe gerne Zeit mit dir, weil du mich forderst und ich nie sagen kann, wie du reagierst. Deswegen will ich unsere Freundschaft nicht einfach so beenden, obwohl ich nicht weiß, was an dem Tag mit dir los war. Du musst es mir auch nicht sagen, ich will nur, dass du weißt, dass du es mir in Zukunft erzählen kannst, wenn du Probleme hast, und mich nicht von dir stoßen musst. Und selbst, wenn du jetzt entscheidest, das wieder zu tun, musste ich einfach kommen, weil ich es immer bereut hätte, es nicht zumindest versucht zu haben. Und weil ich versuche zu leben ohne etwas zu bereuen, bin ich hier, um dich etwas zu fragen. Nicht unbedingt, dass du aufhören sollst, Angst zu haben..." "Ich habe keine..." Lächelnd unterbrach ich sie: "Natürlich hast du Angst. Und das ist auch völlig ok. Es ist menschlich, Sasuke, und du hast bestimmt gute Gründe für dein Misstrauen. Aber du könntest versuchen, für eine kleine Weile stark genug zu sein um mir dein Vertrauen zu schenken. Wenn du das schaffst, bin ich mir nämlich sicher, dass ich dich im Gegenzug stärker machen kann." Als ich endete, räusperte ich mich zwar peinlich berührt, aber ich hätte kein Wort davon zurückgenommen. Neugierig beobachtete ich Sasukes Reaktion. Sie sah zu Boden, strich sich das Haar aus den Augen, wirkte – zu meiner Überraschung – Aber ziemlich amüsiert. "Gut, dass es dir nicht an Selbstvertrauen mangelt", antwortete sie, nachdem sie sich ein paar Minuten Bedenkzeit genommen hatte. "Wieso sollte es das auch?" "Hm... An der Rede hast du ewig gefeilt, nicht?" "Was meinst du, warum es drei Wochen gedauert hat, bis ich wieder auf der Matte stand?" Sie öffnete den Mund, schüttelte dann aber nur den Kopf. "Du bist verrückt." "Ja." Nach ihr - Aber das sagte ich Sasuke lieber nicht, immerhin war sie schon mal vor mir weggelaufen und das wollte ich nicht nochmal erleben. "Das sagen viele. Also, was denkst du?" "Ich habe dir die Freundschaft nicht aufgekündigt." "Ich dir auch nicht. Das war..." "Ein Ultimatum - Und ich lasse mich nicht erpressen." "So war das nicht gemeint." "Wie dann?" "Als Angebot. Ich habe dir angeboten, dir auszusuchen, ob du mich weiterhin sehen möchtest, aber ich hab mich wohl schlecht ausgedrückt. Ich wollte dich damit damals nicht unter Druck setzen, sondern dir die Wahl lassen, bloß habe ich wohl keine Alternativen zu einem Kontaktabbruch genannt. Ich will nicht alles oder nichts, sondern dich einfach nur besser kennenlernen. Alles andere ergibt sich dann von alleine. Ich hoffe, dieses Mal habe ich mich gut genug erklärt." Der Strohhalm in Sasukes Getränk war so grün wie die Flüssigkeit selbst. Er brachte die Eiswürfel im Glas in Aufruhr, als sie ihren Eistee damit umrührte und das leise Klirren erfüllte den Raum, der sonst von Schweigen beherrscht wurde. Sie nahm sich wirklich lange Zeit, um das zu bedenken, das machte mich echt nervös... "Du bietest mir also deine Freundschaft ganz offiziell an - Mit allem, was dazu gehört", fasste sie meine umständlichen Ausführungen knapp zusammen. Ich zuckte die Schultern, doch etwas verlegen darüber, dass ich es nicht besser hatte auf den Punkt bringen können. "Was gehört denn deiner Meinung nach großartig dazu?" Sie pustete das Haar aus ihren Augen, die mich unverwandt musterten. "Zum Beispiel, dass du aufhörst, mich anzuflirten. Keine Einladungen mehr zum Essen oder sonst wo hin, wo man sonst zu einem Date hingeht. Kein ´Gehen wir einen trinken?` mehr - Zumal ich sowieso keinen Alkohol trinke, merk dir das. Keine Versuche mehr, meine Hand zu halten, mich zu umarmen oder... Oder anderes." "Ich soll dich auch nicht küssen", sprach ich es offen aus. Sie wurde zwar verlegen, aber das war mir egal, immerhin hatte sie mich mit ihrer Ansprache darüber, was ich schon alles ausprobiert hatte, um sie rumzubekommen, auch in Verlegenheit gebracht. "Ich versteh zwar nicht, was dein Problem ist, aber ok. Allerdings gehören für mich Sachen wie einen trinken gehen oder ins Kino zu einer Freundschaft, aber ich kann damit leben, dass du darin eben kein Date siehst. Ich zahl dann halt nicht mehr für dich, wie du möchtest." Sie zog ihre Braue hoch und sah mich skeptisch an. "Das werden wir sehen." "Heey, ich halte mich immer an das, was ich sage!" "Deine bloße Anwesenheit widerspricht dir." "Du bist eben die Ausnahme", grinste ich und sie verdrehte die Augen. Ihr Verehrer, der Kellner, kam zu uns und fragte, ob wir noch etwas bräuchten, aber mit einem Blick auf die Uhr in meinem Handy schüttelte ich den Kopf. "Ich muss weiter. Ich mach jetzt so ne Sport-Nachmittagsbetreuung für Kinder, was ziemlich cool ist, aber gerade könnte ich darauf verzichten.", erklärte ich ungefragt, während ich nur meinen Eiskaffee bezahlte, ganz so, wie Sasuke sich das gewünscht hatte. Sie beglich ihre eigene Rechnung und sammelte ihre Sachen ein, dann gingen wir gemeinsam nach draußen, wobei ich mich streckte und genüsslich in die Sonne blickte, während Sasuke verärgert blinzelte und einen sehnsüchtigen Blick zurück in den Halbschatten des Cafés warf. "Heh, du bist nich so die Sonnenanbeterin, was?", fragte ich amüsiert. Ich war das genaue Gegenteil; Fast wie eine Sonnenblume wandte ich mich jedem Lichtstrahl zu, den ich aufsaugen konnte. "Doch - Sieht man doch an meinem Teint." Ich lachte und ließ den Blick über ihre makellos blasse Haut gleiten. Sonst gefiel mir eine leichte Sommerbräune an Mädchen schon ganz gut, aber zu ihr hätte das überhaupt nicht gepasst. "Stimmt. Ich brauch nur ne Lampe anknipsten und schon seh ich aus wie ein Neger." Als Sasuke mir wegen der Bezeichnung, die ich ganz und gar nicht böse gemeint hatte, einen finsteren Blick zuwarf, hob ich abwehrend die Hände. "Oooh, sorry. Wie ein Maximalpigmentierter, meinte ich." Sie verdrehte die Augen. "Idiot." "Tja, Idiot hin oder her, jetzt hast du offiziell zugestimmt, mit mir befreundet zu sein und wirst mich nicht mehr so leicht los." "Soweit ich weiß, habe ich noch überhaupt nichts zugestimmt. Und wenn du weiter so einen Quatsch redest, überlege ich es mir noch mal. Ich will nichts mit Rassisten zu tun haben." "Hey! Ich bin kein Rassist, ich mag alle Menschen. Man muss auch mal einen Witz machen können." Empört schob ich die Unterlippe vor und musterte sie beleidigt, doch das hielt nicht lange an. Ich stellte mich vor sie, sodass sie fast in mich reingelaufen wäre, und streckte ihr die Hand entgegen. "Also, nochmal ganz öffentlich: Sind wir Freunde?" Sasuke sah von meiner Hand in meine Augen und zurück, dann seufzte sie. "Du bist peinlich." "Kann schon sein. Aber darauf musst du dich einlassen. Ich geb dir nen Tipp; Ich lass dich eh nicht mehr in Ruhe." Ich zwinkerte ihr zu und sie verdrehte die Augen, doch dann nahm sie die angebotene Hand und drückte sie, erstaunlich fest dafür, dass sie so zierliche Finger hatte. "Also schön." "Freunde?" Sasuke brummte genervt. "Wie du meinst." "Awwwww, komm schon. Das ist jetzt aber ein Grund, aus dem ich dich umarmen darf!", rief ich begeistert und streckte die Arme nach ihr aus, doch sie schnaubte nur, wandte sich ab und ging weiter. "Nein." "Mensch, Sasuke, du musst echt mal den Stock aus dem Arsch ziehen. Ist ja furchtbar.", klagte ich laut, doch schon im Begriff, ihr zu folgen. Ich vergrub die Hände in den Hosentaschen und sah mit einem warmen Lächeln zu ihr runter. "Weißt du eigentlich, dass so eine Freundschaft nicht nur Verbote beinhaltet?" "Mhm?" "Jaa, jetzt hab ich nämlich auch Rechte. Zum Beispiel darfst du nicht ständig absagen, wenn ich dich einlade, Zeit mit meinen Freunden zu verbringen." "Deine Freunde standen nie zur Debatte." "Die gehören aber einfach zum Gesamtpaket. Für mich sind meine Freunde auch Familie, und ich liebe meine Familie. Ich würde alles für sie... Für euch tun.", korrigierte ich, vielleicht eine Spur zu zärtlich, als mir einfiel, dass sie jetzt ja auch zum Verein gehörte. "Was ist dein Problem? Die meisten beißen nicht - Zumindest keine Mädchen." Ich lachte, doch sie warf mir nur einen missbilligenden Blick zu, sodass ich seufzte. "Also gut, wollen wir dich nicht überfordern... Aber bei deinen ganzen Bedingungen bräuchten wir fast einen Vertrag oder sowas. ´Terms of Services for Sasuke Uchiha. Beware of Sarcasm.`", grinste ich, obwohl ich es nur halb scherzhaft meinte. Sie war echt eine Nummer für sich und ich glaubte nicht, dass ich mir auf Anhieb würde merken können, was ihr so alles nicht in den Kram passte. "Und was machst du, wenn du gegen die Vereinbarung verstößt?" "Huh? Uhm... Keine Ahnung. Ich mach nen Handstand?" "Was bringt mir das?" "Du siehst meinen perfekt trainierten Bauch." Ich klopfte mir auf selbigen und lachte, als sie die Augen verdrehte. "Nein, ich weiß es wirklich nicht. Möchtest du sowas denn? Ich will dir nämlich echt nicht zu nahe treten und ich glaub, das passiert bei mir echt schnell, weil ich doch etwas anders bin als du." "Etwas...", wiederholte Sasuke mit amüsiertem Schnauben. "Ok, vielleicht auch etwas mehr. Also mich stört es nicht, wenn du dir so Bedingungen ausdenkst. Dann versuch ich auch, mich daran zu halten." Sie schwieg einen Moment und schüttelte dann den Kopf: "Ich glaube, das ist nicht nötig. Du hast ja angekündigt, mich besser kennenlernen zu wollen und dann lernst du das schon." Jetzt war es an mir, zu schnauben. "Von wegen! Ich wette, du hast eine hundertseitige Bedienungsanleitung! Aber ok, ich geb mir Mühe. Wir kriegen das schon hin." Ich lächelte sie motiviert an und auch ihre Lippen verzogen sich zu einem Lächeln, welches ihr hervorragend stand. Zu gerne hätte ich ihr durchs Haar gewuschelt, aber ich musste Vorlieb mit dem Ansehen nehmen, was schwerer war als erwartet. Um mich abzulenken, unterbrach ich den Moment des angenehmen Schweigens: "Sag mal, soll ich dich eigentlich zum Bahnhof oder so bringen? Oder wo musst du noch hin?" "Ich muss nirgendwo mehr hin." "Super, dann komm doch mit zu meinem Kurs. Das stört da niemanden... Wir sind eh schon zu lange nicht mehr Motorrad gefahren. Aber ich hab leider immer noch keinen zweiten Helm gekauft", erzählte ich gut gelaunt. Sie zögerte kurz, überraschte mich dann erneut, indem sie zusagte. Hoch erfreut ging ich mit ihr zu meinem Motorrad, das ich mal wieder illegal auf einem Grünstreifen geparkt hatte. Ich hatte es vermisst, Sasuke hinter mir auf der Maschine zu haben. "Meine Oma würde mich umbringen, wenn sie wüsste, dass ich ohne Helm fahre.", ergänzte ich, während ich ihr meine Jacke aus dem Topcase holte. "Dann zieh ihn auf.", erwiderte Sasuke und wollte den Schutz vom Kopf ziehen, doch ich drückte ihr das Ding zurück auf den Schädel. "Nein, nein, es passiert schon nichts. Und wenn was passiert tu lieber ich mir weh als du dir, immerhin hab ich im Gegensatz zu dir nur heiße Luft im Kopf." Sie schien das nicht lustig zu finden und die Tatsache, dass sie sich Sorgen um mich machte, fand ich sehr süß, aber schließlich saß ich trotzdem auf der Maschine. „Wir können ja mal einen zweiten Helm kaufen gehen.“, schlug ich vor, woraufhin sie zögerlich nickte. „Von mir aus.“ "Halt dich fest.", verlangte ich, doch ihre Hände wollten sich nicht um meine Mitte schließen, sodass ich ihr einen fragenden Blick zuwarf, bis mir ihre Berührungsängste einfielen. Vermutlich war es schon eine große Ehre, dass sie sich so nah hinter mich gewagt hatte. Die Fahrt dauerte keine zwanzig Minuten und endete vor einer Realschule, deren Pforte wegen der Ferien abgesperrt war. Ungerührt sprang ich über das Stahlgatter und sah mich nach meiner Begleitung um, die etwas zögerte, mir dann aber kommentarlos folgte. "Hast du keinen Schlüssel oder so?" "Ne, wieso? Außerdem ist auf der anderen Seite des Schulgebäudes ein offenes Tor, aber ich hatte keinen Bock, da rüber zu gehen." Sie warf mir einen geringschätzigen Blick zu, in dem jedoch auch ein Hauch Belustigung mitschwang. "Für einen angehenden Sportlehrer bist du ganz schön faul." "Ich bin nicht faul, ich bin auf optimale Krafteinteilung ausgelegt.", erklärte ich grinsend und hielt ihr die Tür der Turnhalle auf, was Sasuke mit einem leisen Schnauben zur Kenntnis nahm. Offenbar gefiel ihr diese Art von Galanterie auch nicht, aber das war mir egal; Ich war von einem Frauenheld erzogen worden und der hatte mir beigebracht, dass man ein Mädchen stets zuvorkommend behandelte. Vorwerfen, dass ich sie damit anbaggerte, konnte sie mir auch nicht, immerhin hätte ich das für jede Frau getan. Die Sportanlage war in zwei Stockwerke aufgeteilt; Eine Art Galerie, auf der wir uns jetzt befanden, beherbergte die Umkleiden und Duschen. Alles war schon ein bisschen in die Jahre gekommen, aus grünem Stahl und hellem Holz und mit Graffiti und Schnitzereien von den Schülern verziert, aber für eine staatliche Mittelschule war das schon in Ordnung. Die Halle selbst lag etwa drei Meter tiefer und war nur durch einen hüfthohen, ebenfalls grünen Zaun abgetrennt, sodass wir eine Gruppe Kinder sehen konnten, die bereits in ein Fußballspiel verwickelt war. Man konnte die Anlage durch große Vorhänge voneinander trennen, aber jetzt stand den Hobby-Sportlern die gesamte Fläche des etwa hundert Meter langen Saals zur Verfügung. "Ich hol dir ein paar Sachen zum Ausleihen, ok?", bot ich Sasuke lächelnd an, die den Kindern beim Spielen zusah, doch sie schüttelte den Kopf. "Nein, ich sehe nur zu." "Waas? Ach komm schon, ohne dich ist das voll langweilig!" "Vorhin sagtest du noch, du würdest diese Stunde mögen, und da hatte ich noch nicht zugesagt, hierher zu kommen." "Ja und? Aber jetzt, wo du da bist, ist es eben langweilig, wenn du nur rumstehst." "Nein." "Warum denn? Hast du Angst, du könntest nicht mithalten?" Sie lehnte inzwischen an der Wand und ich stützte eine Hand neben ihr ab, wodurch ich mich zu ihr beugte. Sasukes Blick folgte unbeeindruckt meinem Arm, der Schulter und blieb schließlich an meinem Gesicht hängen. Sie sagte nichts, aber ihr Blick machte deutlich, dass ich ihr zu zutraulich war, also zog ich mich zurück und hob mit einem entschuldigenden Lächeln die Hände. Sasuke verdrehte nur die Augen und verschränkte die Arme unter der Brust, dann sah sie wieder auf die Sportler hinab. "Ich ziehe ungern Kleidung von anderen an.", erklärte sie schließlich widerstrebend. "Hää? Aber das ist doch alles gewaschen und..." "Ich sehe zu. Und du solltest dich jetzt besser umziehen." Sie sagte das mit so einer Endgültigkeit, dass ich aufhörte, auf sie einzudringen, und mich stattdessen in die Umkleide zurückzog. Wenig später kam ich in Sportmontur zurück und fand Sasuke im Gespräch mit meiner Kollegin vertieft, die offenbar nicht erfreut über die Anwesenheit der Fremden war. "... Mir Leid, aber Sie dürfen hier nicht sein..." "Tami-san, schmeiß sie nicht raus. Sie gehört zu mir", protestierte ich und trat zu den beiden Frauen. Tamina (Tami) Erza war eine Sporttherapeutin, etwa Mitte dreißig mit schwarzem, zu einem Pferdeschwanz gebundenem Haar und ernsten Augen, die jetzt zwischen Sasuke und mir hin und her wanderten. "Das ist Sasuke. Ich hab sie grade... Spontan getroffen und sie eingeladen, mitzumachen. Ist doch kein Ding, oder?" "Du hättest Bescheid sagen sollen." "Sorry, aber war wie gesagt ganz zufällig. Geht das klar? Sie will auch nur zusehen." Sasuke wurde noch mit einem prüfenden Blick bedacht, dann wandte meine Vorgesetzte sich so rasch ab, dass ihr Zopf durch die Luft peitschte, und schritt zügig auf die Treppe zu, die in das untere Stockwerk führte. "Wenn die Kinder abgelenkt sind, gehen Sie wieder." "Natürlich", versprach meine Begleitung sachlich und folgte mir, als ich nach unten ging. Ich grinste sie verschwörerisch an und verdrehte die Augen über diese Strenge. "Eigentlich ist sie in Ordnung, denk dir nichts dabei." "Ihr Verhalten ist richtig, immerhin geht es um die Sicherheit der Kinder." "Pf... Wenn du versuchst, eines zu entführen, könnte ich dich schon aufhalten." "Das sehen wir dann ja", antwortete Sasuke arrogant, während sie den Blick durch die Halle wandern ließ. "Ich wusste gar nicht, dass du eine Entführung planst." "Du weißt vieles nicht." Sie lächelte ihr schmales, kaum sichtbares Lächeln und ich grinste vielsagend, bis Tamina uns mit knappen Instruktionen unterbrach: "Da Mr. Uzumaki uns auch endlich die Ehre erweist, können wir ja anfangen." Das war an die ganze Gruppe gerichtet, den letzten Satz sagte sie jedoch zu mir direkt: „Sie sind schon aufgewärmt, du hast heute den hinteren Teil der Halle." Meine Gruppe an Kindern hatte sich bereits aus dem Pulk gelöst und kam auf uns zu. Es waren elf Jungs und vier Mädchen, alle zwischen elf und vierzehn Jahren alt und ich mochte jeden einzelnen von ihnen, obwohl ich mit dem ein paar von ihnen manchmal das eine oder andere Problem hatte. Ich begrüßte sie gut gelaunt und stellte meine Begleitung vor: "Das ist Sasuke. Sie wird heute ausnahmsweise mitmachen und ich will sie beeindrucken, also strengt euch an!" Diese Ankündigung brachte unserem Gast weitere neugierige Blicke, denen sie erst entkam, als Tamina mit einem Arm voll geliehener Sportkleider zu ihr trat und sie in eine Umkleide entführte. Zwar wollte das Mädchen sich wehren, aber die Gruppenleiterin konnte sehr überzeugend - Beziehungsweise störrisch - Sein und schließlich beugte die jüngere Frau sich. Während Sasuke sich also umzog, sorgte ich dafür, dass die Kinder sich weiter aufwärmten und diskutierte mit ihnen, was sie heute machen wollten. Da fast nur Jungen anwesend waren, wurde man sich schnell einig, dass es Fußball sein sollte, doch die anwesenden Mädchen waren alles andere als begeistert. Ich hatte zwar auch Fußballerinnen in der Gruppe, die sogar recht gut spielten, aber eben heute nicht da waren und die vertretenen jungen Damen waren Opfer des Klischees; Sie trugen rosane Sport-Dresse, langes Haar und würden in ein, zwei Jahren anfangen, sich zu schminken und Stöckelschuhe zu tragen. Ihnen war Leichtathletik lieber. Also sorgte ich dafür, dass die vier Grazien in Taminas Gruppe wechselten und ich stattdessen ein paar Jungs bekam, die Lust auf Fußball hatten. So waren die Teams bereits eingeteilt und plänkelten zur Übung ein bisschen herum, als eine frisch umgezogene Sasuke zurückkehrte. Ich lächelte, als sie auf mich zukam, vermutlich ziemlich dümmlich. Man sah ihr an, dass sie sich in dem lilanen Träger-Top und den grauen Jogginghosen nicht besonders wohl fühlte. Keine Ahnung, was ich erwartet hatte, als ich meinen kleinen Überfall auf sie plante, aber sicherlich nicht, dass sie jetzt hier wäre, um mit mir Sport zu machen. Ich freute mich über den Lauf der Dinge und war froh, dass ich doch nicht aufgegeben hatte. "Spielst du gerne Fußball?", erkundigte ich mich, während wir uns dehnten. Vermutlich zuckte sie die Schultern, aber das ließ sich nicht so genau sagen, weil sie diese gerade kreisen ließ. "Ich habe es lange nicht versucht." "Hmm... Du gehst in das Team, ich in das andere, ok?" "Waas? Das ist total unfair, wenn du mitspielst!", protestierte ein Junge aus Sasukes Team laut und die anderen schlossen sich ihm mürrisch an. Ich hob beschwichtigend die Hände. "Schauen wir erst Mal, ja? Vielleicht ist Sasuke ja ein Naturtalent. Außerdem habt ihr Konohamaru." Konohamaru war ein Junge mit abenteuerlicher Frisur, einer Schwäche für Schals - Selbst beim Sport trug er sie - Und einem mindestens genauso enormen Selbstbewusstsein wie meinem. Sehr zum Leidwesen von Tamina hatte er mich wohl auch als sein Vorbild ausgesucht, weshalb ihm vor Stolz über das Lob die Brust anschwoll. Aber die Anerkennung war durchaus berechtigt, war er doch einer meiner fittesten Schützlinge. Er war oft laut, frech und neigte dazu, Unsinn anzustellen und er erinnerte mich auf so sympathische Weise an mich in diesem Alter, dass ich ihm keinen seiner Streiche übel nehmen konnte - Ganz im Gegensatz zu Tamina, der seinetwegen sicher schon einige graue Haare gewachsen waren. Vermutlich wollte er einfach Aufmerksamkeit, denn seine Eltern waren gestorben, als er noch sehr klein war, sodass er jetzt bei seinem Onkel und dessen Frau lebte. Die beiden liebten ihn sicher, aber er war sich eben stets bewusst, dass er nicht ihr leibliches Kind war und jetzt, wo seine Tante ein Baby erwartete, fühlte Konohamaru sich eben verunsichert. Ich versuchte, ihm Freund und Vorbild in einem zu sein, um ihm zu helfen. "Du bist aber besser als Konohamaru", kommentierte eines der Mädchen, das noch geblieben war, um unserer Diskussion zu lauschen. Der in seinen Fähigkeiten derart unterschätzte Konohamaru blies die Backen auf. "Was soll das denn jetzt heißen?!" "Na, dass er besser ist als du, Idiot." Rotzfrech streckte die Kleine ihm die Zunge raus, was mir ein lautes Lachen entlockte. "Ok, ok, genug jetzt damit. Kommt schon, Jungs, stellt euch nicht so an. Sasuke jammert ja auch nicht, obwohl sie gleich verlieren wird." "Tche... Davon träumst du." Ein herausforderndes Glitzern trat in ihre dunklen Augen, als sie das Haar zurücknahm und mit einem Gummi hoch band, und in meine Brust trat wieder das rasante Herzklopfen, welches ihre Nähe bei mir auslöste. Sie sah umwerfend aus, wenn sie fest entschlossen war. Aber das würde auch nichts daran ändern, dass ich dieses Spiel mit meiner Mannschaft gewinnen würde. Das Mädchen, das zuvor mit Konohamaru gezankt hatte, trat auf mich zu, ein schüchternes Lächeln auf den Lippen. "Viel Glück, Naruto!", sagte sie rasch, bevor sie sich zu ihren Freundinnen davon machte. Es war süß von ihr, mir Erfolg zu wünschen, während alle anderen wussten, dass ich der Beste hier war. Ich lächelte warm, als ich ihr nachblickte, und sah erst auf, als ich mich beobachtet fühlte. Sasuke musterte mich nachdenklich, wandte sich aber ab, als ich ihr zuzwinkerte, was so viel wie ´Neidisch?` bedeutete. Ich sortierte meine Mannschaft in Positionen, von denen ich wusste, dass sie ihnen lagen und warf der anderen Gruppe einen Blick zu, die gerade Sasuke in ihre Aufstellung zu integrieren suchte. Erleichterung darüber, dass sie trotz ihrer Schweigsamkeit so schnell angenommen worden war, durchströmte mich und ich war echt gespannt, wie sie sich anstellen würde, denn ich wusste nicht so recht, was ich erwarten sollte. Einerseits glaubte ich nicht, dass sie das typische Mädchen mit zwei linken Füßen war, andererseits hatte sie gesagt, sie hätte lange nicht gespielt und sie hatte sich nicht in die Mannschaft einarbeiten können während wir alle schon eingespielte Teams waren. Zum Anstoß trat Konohamaru mir in der Mitte gegenüber. Mit dem größten Ernst, der mich zum Schmunzeln brachte, schüttelte er mir die Hand, dann ging es los und ich lupfte den Ball über den Kopf des Jungen auf die andere Seite des Spielfelds. Das war riskantes Machogehabe, aber immerhin wollte ich hier ein Mädchen beeindrucken. Dieses Mädchen hatte sich in die Verteidigung eingereiht und stand angespannt wie eine Raubkatze vor dem Tor, auf das ich zulief. Ich grinste sie an und gab den Ball an einen Teamkollegen ab, der günstig stand, die Möglichkeit aber nicht verwandeln konnte. So ging es zurück auf unsere Seite, wo ein Knäuel aus Kindern versuchte, sich auf den Ball zu stürzen, als ein Teil unserer Stürmer der Verteidigung zur Hilfe eilen wollten. Schließlich passierte, was passieren musste, und der Ball landete im Aus. Ich lief dem Jungen, der schießen sollte, nach, um ihm zu erklären, was er machen sollte, obwohl er im gegnerischen Team war. Als er es trotzdem versemmelte und zu einem aus meiner Mannschaft schoss, klopfte ich ihm auf die Schulter und versprach aufmunternd, dass wir das nächstes Mal üben würden. Natürlich zogen die anderen ihn trotzdem auf, aber lange hatten sie keine Zeit dafür, denn Sasukes Mannschaft preschte vor, spielte die Verteidigung aus und zielte direkt aufs Tor. Einige von uns stöhnten schon, was sich jedoch in Jubel verwandelte, als der Torwart halten konnte. Das Spiel machte Spaß, weil alle mit dem nötigen Ehrgeiz, aber nicht ohne Spaß bei der Sache waren und ich war ehrlich beeindruckt von Sasuke, die es ein paar Mal sogar schaffte, mir den Ball abzunehmen; Meine scherzhafte Bemerkung, sie sei ein Naturtalent, hatte sich bewahrheitet. Als ich fragte, ob sie nicht doch regelmäßig spiele, antwortete sie nur schulterzuckend, ein Uchiha könne eben alles. Am Ende war das Ergebnis nicht so vernichtend, wie ich mir erhofft hatte; Sasuke spielte tatsächlich nicht schlecht, wenn auch nicht unbedingt professionell, und die Jungs gaben ihr Bestes, um ihre Teilzeit-Kollegin zu beeindrucken. Trotzdem gewann meine Mannschaft schließlich knapp, aber verdient, und während die Kinder angeregt miteinander debattierten, wer wen wie gefoult hätte und warum das nicht gewertet worden wäre, zog es mich ganz natürlich zu Sasuke, der die erhitzte Röte in ihren Wangen wirklich ganz hervorragend zu Gesicht stand. "Nicht schlecht. Wirklich nicht schlecht", lobte ich sie gönnerhaft, was sie zu einem missbilligenden Schnauben inspirierte. "Hey, jetzt sei nicht so, das war ein Kompliment! Du kannst echt rennen wie ne angestochene Sau." "Wenn das die Art Kompliment ist, die du üblicher Weise machst, weiß ich, warum du Single bist." Schmollend blies ich die Backen auf. "Pff... Woher willst du überhaupt wissen, dass ich Single bin?" "Ich bitte dich.", gluckste sie hell und obwohl ich ihr Lachen mochte, war ich beleidigt. "Was soll das jetzt heißen?" "Das heißt, dass du nicht der Typ bist, der eine andere anbaggert, während er eine Freundin hat. Du bist der Typ, der Frauen so lange auf Händen trägt, bis es ihnen zu viel wird. Wie so ein... Kleiner Hund, der Zuneigung braucht", endete sie, was es nicht unbedingt besser machte. "Wen flirte ich denn überhaupt an?", provozierte ich sie daher zurück. Erwartungsgemäß wurde sie verlegen; Sie sprach offensichtlich lieber subtil als direkt, wenn es um Gefühle ging, trotz ihrer sonstigen Geradlinigkeit, aber ich brachte die Sachen eben gerne auf den Punkt. Und der Punkt in dieser Sache war, dass sie mir verboten hatte, mit ihr zu flirten und ich versprochen hatte, mich daran zu halten. "Die Kleine von vorhin", wich Sasuke schließlich aus, als ich nicht zurückruderte, sondern sie nur abwartend musterte. "Sie ist doch offensichtlich verknallt in dich." "Hehe... Ja, kann sein", schmunzelte ich geschmeichelt. Ich hatte zwar länger gebraucht als andere, bis ich den Dreh mit dem anderen Geschlecht raushatte - Meine erste Freundin hatte ich erst mit achtzehn gehabt - Aber danach hatte ich wirklich keine Probleme mehr gehabt, Frauen anzusprechen und auch für mich zu gewinnen. Meist verliebte ich mich schnell und heftig. Ich mochte feste Beziehungen und das Gefühl, verliebt zu sein und geliebt zu werden genauso sehr, wie ich mich selbst mochte. Dieses Selbstvertrauen und diesen Bindungswillen spürten die Mädchen und es gefiel ihnen. Trotzdem hätte ich nie erwartet, dass ich mal die Art Mann, beziehungsweise Lehrer, sein würde, in die sich die Schülerinnen vergugten. Tja, so spielte das Leben. "Eifersüchtig?", fragte ich amüsiert, doch sie wandte sich nur mit einem entnervten Schnauben ab und ich lief ihr unter Entschuldigungen nach, ein Markenzeichen unserer Freundschaft, wie ich später noch feststellen würde. Schließlich gab sie meinem Jammern aber nach und blieb stehen, damit ich zu ihr aufschließen konnte. Ich zeigte ihr die Umkleiden - Vorhin hatte Tamina sie in die Lehrerkabine gelassen - Und wartete, nachdem ich geduscht hatte, an der Eingangstür auf Sasuke. Kyubi hatte mir eine SMS geschickt, in der er fragte, wie meine Stalker Attacke gelaufen war. Ich konnte nur mit einem Daumen reckenden Smiley antworten, weil ein paar Jungs aus der Gruppe mich wegen Sasuke ausquetschten. "Ist sie deine Freundin?" "Ja... Aber sie weiß es noch nicht, also: Pst!" Verschwörerisch legte ich den Finger an die Lippen und lachte, als die drei verwirrte Blickte tauschten. "Ich sag´s ihr schon noch, keine Sorge." Sasuke hatte nur den letzten Satz gehört und mein entschlossenes Lächeln gesehen, als sie auf uns zukam, sodass sie skeptisch die Stirn runzelte. Fragen tat sie aber nach etwas anderem: "Gehen wir?" Wir verabschiedeten uns von den Kindern und machten uns auf den Weg zu meinem Motorrad, wobei mir der neue Apfel-Duft von Sasukes Haar in die Nase stieg. Die nicht zu süße oder gar aufdringliche Note passte zu ihr, überdeckte aber den feinen Chlor-Geruch, den sie zuvor noch an sich gehabt hatte und den ich jetzt seltsamer Weise vermisste. "Was ist?", fragte Sasuke leicht gereizt, als sie merkte, dass ich versuche, unauffällig an ihrem Haar zu schnuppern was ein ziemlich schweres Unterfangen ist, ich meine, die Haare sind immerhin direkt auf dem Kopf. Errötend zuckte ich von ihr zurück. "Äh... Nichts! Darf ich dich jetzt, wo wir offiziell Freunde sind, nach Hause fahren?", versuchte ich, das Thema zu wechseln. "Zum Bahnhof", sagte sie auf die bestimmt-höfliche Art, mit der sie mich jedes Mal zurückwies. Ich nickte mit einem enttäuschten Seufzen, konnte aber nicht verhindern, dass die Geheimniskrämerei meine Phantasie anstachelte. Wer waren ihre Eltern, überlegte ich auf dem Weg zum Bahnhof, dass ich sie nicht kennenlernen durfte? In meinem Kopf spielten sich ganze Krimis und Mafia-Filme ab, ich sah eine heruntergekommene Absteige oder als Gegensatz regelrechte Paläste, vielleicht auch einen schwer kranken Elternteil oder eine ganze Horde von Geschwistern. Letztlich wusste ich zwar, dass das alles Quatsch war, aber ich steigerte mich in solche Gedanken öfter mal rein und da Sasuke mir nicht die Wahrheit sagen wollte, konnte meine Phantasie in Ruhe Amok laufen. Wir hatten Sasukes Zug gerade verpasst und ich kaufte mir für die Wartezeit beim Bahnhofskiosk etwas zu essen. "Willst du auch was?", fragte ich, als die Verkäuferin mir Schokoriegel und Cola aus den Regalen kramte. "Nein." "Komm schon, das letzte, was du hattest, war dieses seltsame Gesöff aus dem Café." "Das war Eistee." "Echt?" Ich verzog angewidert das Gesicht. "Sah aus wie Rotze. Jedenfalls solltest du wenigstens was trinken, immerhin haben wir Sport gemacht." Sie sah wohl ein, dass ich keine Ruhe geben würde, also verdrehte Sasuke schicksalsergeben die Augen. "Wasser", befahl sie der Verkäuferin, die sie wegen ihrer Einsilbigkeit böse musterte. Trotzdem brachte sie das Gewünschte und erwiderte mein Lächeln, als ich zahlte. Gemeinsam gingen wir raus und Sasuke trank schweigend einen Schluck Wasser, den Blick auf die andere Seite des Bahnhofs gerichtet, wo einige Fahrräder standen und gerade ein Bus hielt. Eine Mutter hob hastig ihre Tochter auf die Arme und rannte, vermutlich, um die Bahn noch zu erwischen, die gerade auf dem zweiten Gleis einfuhr. Ich ging in die Sonne, aber Sasuke blieb unter dem Vordach des Bahnhofskiosks im Schatten stehen, als würde sie sich sonst verbrennen. "Soll ich ab jetzt jedes Mal einen Sonnenschirm für dich mitbringen, wenn wir uns treffen?", fragte ich lachend. "Das könnte ich schon selbst." "Sei doch nicht immer so ernst. Man muss auch über sich selbst lachen können." "Ich bin aber nicht sonderlich lustig." "Ich finde schon, dass du Humor hast. Ist halt eher subtil und ziemlich schwarz, aber das gefällt mir", überlegte ich, woraufhin sie nichts mehr sagte. Ich schob mir die Schokolade in den Mund und stöhnte genüsslich. "Magst du echt nichts?" "Ich mag keine süßen Sachen." "Ach, deswegen wolltest du dich nicht mit mir treffen." Sasuke sah mich böse an. "Naruto..." "Oh, schon gut, entschuldige. Ich muss erst noch üben, nicht zu flirten." Sie verdrehte die Augen, sagte nichts mehr dazu und warf einen Blick auf die Anzeigetafel, aber wir mussten immer noch zehn Minuten warten, was ich persönlich viel zu kurz fand. Es wäre schön gewesen, noch den Rest des Tages mit ihr zu verbringen, wo der Nachmittag schon so vielversprechend angefangen hatte. Ich hatte mir eigentlich nichts davon versprochen, Sasuke aufzusuchen, und jetzt waren wir offiziell Freunde. "Wenn ich das den anderen erzähle!“, platzte es plötzlich vor Freude aus mir heraus. „Die haben nicht mehr dran geglaubt, dass du überhaupt noch mit mir redest." "Vielleicht hätte ich das auch nicht tun sollen. Du hörst ja gar nicht mehr damit auf..." "Das sagt Saku auch immer", lachte ich, ohne auf ihre Kritik einzugehen. Als ich den Namen meiner besten Freundin nannte, kam mir ein ganz anderer Gedanke und ich sah Sasuke mit großen Augen an. "Hey, hast du eigentlich einen Spitznamen?" "Seh ich so aus?" Ich musterte sie eingehend, zuckte dann die Schultern. "Ich weiß nicht, wie Leute aussehen müssen, die einen Spitznamen haben. Die meisten haben einfach einen. Aber ich nehme mal an, das heißt, du hast keinen." "Ja." "Hmm...", machte ich nachdenklich, während ich die Coladose öffnete und einen Schluck trank. Gott, ich liebte dieses Zeug, und wenn es mich eines Tages noch umbringen mochte! "Wenn wir Indianer wären, würdest du bestimmt Donnerauge heißen." "Bist du sechs Jahre alt? Über was denkst du bitte nach?" "Oder ´Ewig schlecht gelaunte`. Man, lass mich doch, wenn es mir Spaß macht. Außerdem ist es doch echt so; Man sieht die Gewitterwolken in deinem Gesicht aufziehen, wenn du schlecht gelaunt bist. Und wenn du gut drauf bist, sind deine Augen wie ein sternenklarer Nachthimmel." Sasuke zog die Brauen zu dem skeptischen Gesichtsausdruck hoch, mit dem sie mich meistens bedachte. "Ah ja... Und du würdest ´Der, der immer Müll redet` heißen." Ich lachte und klopfte ihr auf die Schultern. "Siehst du? Du kannst es auch!" "Was denn? Dumme Namen erfinden?" "Spaß haben", antwortete ich mit einem warmen Lächeln, das sie zu irritieren schien. Weil sie nichts dazu sagte, kam ich auf das eigentliche Thema zurück: "Also ein Spitzname für Sasuke... Uke, vielleicht?", grinste ich breit. "Ich denke, ich nehme dein Angebot bezüglich unserer Freundschaft doch nicht an." "Waaas?! Jetzt ist es schon zu spät dafür, du hast zugesagt! Ein Ehrenmann hält sein Wort!", rief ich entsetzt und bereute sofort, dass ich ´Mann` gesagt hatte, aber Sasuke schien es nicht mal zu bemerken, was mich verwirrte. Meine anderen Freundinnen legten sehr viel Wert auf solche Ausdrucksweisen und gerade die emanzipierte Sasuke hätte ich für kritischer gehalten. "Was ist?", fragte sie, als sie meinen verwirrten Blick bemerkte. "Solang du mich nicht so nennst, halte ich mich auch an mein Wort, also schau nicht so." "Na dann ist ja gut. Ich hatte übrigens wirklich mal ne Freundin, die wir Uke genannt haben. Ihre Freundin war aber auch wirklich dominant und ja, da passte das." Ich merkte, dass diese Anekdote Sasuke nicht interessierte und irgendwie fiel mir gerade auf, dass sie nie von ihren Freunden sprach oder von ihrer Familie. Klar, ich wusste, dass sie einen Bruder hatte und ich vermutete, dass nur noch ihr Vater mit den Geschwistern zusammen lebte, aber ich wusste nicht, was mit ihrer Mutter war und ob sie überhaupt Freunde hatte. Bei ihrer Art wäre es nicht verwunderlich, wenn sie keine hätte; sie schien ja nicht mal welche zu wollen. Ich fand das schade und irgendwie deprimierend... Aber immerhin hatte sie jetzt ja mich. "Was würdest du von Sasu halten?", führte ich das Gespräch fort. "Warum brauche ich überhaupt einen Spitznamen?", fragte sie resigniert. "Weil man Freunden einen gibt und weil du offensichtlich keinen haben willst, deshalb. Also nicht Sasu? Hmmm... Sas? Oder was mit deinem Nachnamen? Uchiha, Uchiha... Uschi!", schlug ich vor und brach in schallendes Gelächter aus, bis Sasuke mich in die Seite boxte und das erstaunlich fest für so ein dünnes Mädchen. "Au!" "Geschieht dir Recht", schnaubte sie. Trotzdem schlug ich noch ein paar lustige Sachen wie Schischi, Uli und Sasi vor, was ihr alles nicht gefiel. Schließlich kam die Bahn und ich hatte das Gefühl, als wäre sie erleichtert, endlich einsteigen zu können. "Du kannst ganz schön anstrengend sein", kommentierte sie die letzten Minuten erschöpft. Ich grinste. "Tja, mit mir kommen nur Profis zurecht, Sas." Sasuke zog die Brauen hoch. "Aha, hast du dich jetzt entschieden?" "Ja! Und sieht aus, als könntest du damit leben", stellte ich erfreut fest, woraufhin sie nur die Schultern zuckte. "Ist besser als die meisten anderen. Und wenn du es nicht lassen kannst...", versuchte sie es noch mal. Ich schüttelte nur grinsend den Kopf. "Nope." Seufzend gab sie auf. "Wie du meinst." "Es geht doch! Nächstes Mal sag einfach gleich ja, ich bekomm nämlich sowieso immer, was ich will... Also, bis dann." "Bis dann, Naruto." Die Bahn fuhr ein und mit ihr ein starker Wiederwillen meinerseits, Sasuke gehen zu lassen. Das einzig Gute an der Situation war, dass ich diesmal wusste, dass ich sie wiedersehen würde. Die Leute sammelten sich bei den Türen und stiegen nacheinander ein und auch Sasuke nickte mir ein letztes Mal zu. Ich winkte ihr lächelnd nach als sie einstieg. Wieder einmal drehte sie sich nicht um, als sie ihre Kopfhörer aufsetzte und sich einen Platz suchte, aber diesmal hob auch sie grüßend die Hand und das gab mir so das Gefühl, heute einen kleinen Sieg errungen zu haben. Kapitel 7: Eröffnungen ---------------------- "Und du glaubst, sie kommt?" "Klar!“, strahlte ich Kyubi mitten ins skeptische Gesicht. "Wieso sollte sie nicht?" Er zuckte die Schultern. "Vielleicht, weil sie bisher jeden deiner Versuche, sie uns vorzustellen, abgeblockt hat?" "Was meinst du? Sie kennt inzwischen Sakura-chan, Tenten und dich." "Sakura war ein Zufall, Tenten hast du ihr aufgedrängt und ich kannte sie schon vor dir." "Kannte... Von wegen! Für einen Kerl hast du sie gehalten!", rief ich ehrlich empört und fast schon persönlich beleidigt, woraufhin er seufzte. "Wie du meinst. Ich würde dir nur raten, dich nicht zu sehr anzubiedern, sonst läuft sie dir nämlich doch noch weg." "Was ist dein Problem? Ich bin die Zurückhaltung in Person!" Er warf mir einen amüsierten Blick zu, ehe er seine benutzte Sportkleidung halbwegs ordentlich in seine Tasche stapelte. Wir waren in einem Sportzentrum, das einem Freund von Kyubi gehörte, und hatten bis vor kurzem Tennis gespielt. Ich war nicht besonders gut gewesen, aber das war ich selten auf den ersten Schlag. Wir hatten schon länger vorgehabt, mal ein Match zu wagen, und heute hatte es sich, nachdem die Prüfungen vorbei waren, zum ersten Mal ergeben. Mit etwas Übung würde ich sicher auch das hinbekommen und ich hatte mir fest vorgenommen, das Beste aus mir rauszuholen. Ob es nach dieser Aneignung der Grundkenntnisse noch weitere Tennisstunden geben würde, hatte ich noch nicht entschieden, denn ich war mir nicht sicher, ob es genug Spaß dafür machte. "Ich meine ja nur...", setzte Kyubi das Gespräch nach kurzer Pause, in der ich meine Klamotten in meinen Beutel gestopft hatte, fort. "Dass du so Hals über Kopf in sie verknallt bist, dass du dazu neigst, sie zu etwas zu machen, dass sie womöglich gar nicht ist." "Ich bin nicht...!", setzte ich an, brach aber ab, als mir klar wurde, dass es zwecklos war. Ich war so sehr Feuer und Flamme für Sasuke dass es wäre, als wolle man ein Buschfeuer ignorieren, wenn man es nicht bemerken wollte. "Na schön, wie du meinst. Und zu was mach ich sie deiner Meinung nach?" "Zu der Richtigen." Ich sah ihn lange schweigend an, denn für Kyubi war dieses Wort etwas Großes. Er war ein Spieler - Aber nicht die übliche Art, die eine Frau nach der anderen abspeiste, am besten noch mehrgleisig fuhr und die Mädchen wie Dreck behandelte. Es war mehr, als würde er Jagd machen, und zwar auf genau die eine Frau, von der er jetzt behauptete, Sasuke könne es für mich sein. Er wollte etwas Endgültiges, an das er sich binden konnte, und er einzige Grund, warum er bisher nicht bei seinen Partnerinnen geblieben war, war der, dass er eben noch nicht gefunden hatte, was er suchte. "Und was, wenn sie genau das ist? Dann wär ich mein Leben lang unglücklich, weil ich nicht alles versucht hätte." Kyubi schwieg zweifelnd als wir die Umkleiden verließen, und ich wusste, dass ich stur war wie alle anderen Verliebten - Außer Sasuke vielleicht, aber die wusste ja noch nicht mal, dass sie verliebt war. Aber soweit ich wusste, war außer dem liebeskranken Mann aus ´Die Leiden des jungen Wärters` noch niemand am Verliebtsein gestorben, deshalb sah ich das nicht so eng. Und selbst wenn ich mir zu viel Mühe mit Sasuke gab war mir das immer noch lieber, als es zu wenig zu versuchen. Sie war jeden Aufwand wert, den man sich um sie machte, selbst wenn man als Ergebnis nur ihre Freundschaft bekam. Meine anfängliche Besessenheit hatte sich gelegt und war einer beständigen Bewunderung gewichen. Im Gegenzug war Sasuke entspannter in meiner Gegenwart und ließ es zu, dass wir uns öfter sahen. So hoffte ich, sie würde zur Eröffnung von Inos Laden kommen, zu der ich sie später einzuladen gedachte. Kyubi hatte schon Recht, gegen den Kontakt zu meiner Clique hatte sie sich bisher gesträubt, aber ich war fest entschlossen, sie den Leuten vorzustellen, eine Bemühung, die inzwischen alle mit Amüsement verfolgten. Sie waren derartige Begeisterungsfähigkeit von mir zwar gewöhnt, aber normalerweise eher in Bezug auf neue Sportarten, Videospiele oder mein Motorrad. Das einzige Mädchen, das bisher derartige Ehrerbietung von mir erfahren hatte, war Sakura und die schien jetzt nicht so recht zu wissen, ob es ihr gefiel, dass sie die Position los war. "Vermutlich würdest du nicht mal merken, dass sie es gewesen ist. So, wie ich dich kenne, würdest du dich in ein paar Monaten neu verknallten - Oder es wieder bei Sakura versuchen. Und irgendwann würdest du ein nettes Mädchen finden, sie heiraten, Kinder bekommen und gar nicht mehr an Sasuke und die Möglichkeit denken, dass sie an deiner Seite hätte sein sollen." "Nah, ich weiß nicht, Mann." Lächelnd schüttelte ich den Kopf. "Ich weiß nicht. Dieses Mal ist es irgendwie... Anders." "Sasuke ist anders." "Ja.", stimmte ich zu und hörte selbst die Zuneigung aus meiner Stimme. Ok, vielleicht war ich ihr gegenüber doch noch nicht so abgeklärt, wie ich gedacht hatte. Inzwischen hatten wir den Platz bezahlt und waren auf dem Weg nach draußen. Der Parkplatz vor der Sportanlage war voll, aber Kyubi hatte ein Plätzchen gefunden, sodass wir nicht lange laufen mussten, bevor wir unsere Taschen in den Kofferraum seines kleinen Wagens verstauen konnten. Ich quetschte mich an dem Auto neben seinem vorbei und ließ mich schnaufend auf den Beifahrersitz plumpsen. Kyubi schüttelte nur lachend den Kopf. "Jetzt tu nicht so erschöpft. Wann geht´s heute Abend noch mal los?" "Äh... Keine Ahnung, warte kurz." Ich sah auf mein Handy, um in unserer WhatsApp-Gruppe nachzulesen, wann die Eröffnungsfeier heute Abend beginnen würde. Kyubi war zwar auch Mitglied, aber dank seiner Abneigung Handys und schriftlicher Kommunikation gegenüber fast nie aktiv. "Um sechs. Und wir sollen alle wen mitbringen." "Mhm... An der Eigenwerbung scheitert es bei Ino nicht." "Nee, wirklich nicht. Ihre ganze Facebook-Seite ist voll von ihrer eigenen Promotion und sie liked jeden Tag die Beiträge, die sie auf der Seite von ihrem Laden veröffentlicht." "Furchtbar." "Wieso? Wenn es ihr hilft." "Die Leute abonnieren die Seite doch nur wegen der halbnackten Bilder, die Ino von sich hochgeladen hat. Was sie meiner Meinung nach nicht hätte tun sollen." Ich zuckte die Schultern. "Sie ist schön und die Bilder zeigen ja nichts Anzügliches." "Irgendwann kriegst du noch nen Orden dafür, dass du der einzige nicht schwanzgesteuerte Mann auf Erden bist." "Mein Schwanz steuert mich halt nicht zu Ino.", grinste ich und wechselte dann das Thema, weil wir uns in dieser Sache wohl nicht mehr einig würden: "Kannst du mich bei der Uni rauslassen?" "Musst du arbeiten? Ich dachte, du triffst dich mit deiner Angebeteten." "Sie ist nicht... Ach, Scheiß drauf. Ja, wir treffen uns an so ner Schwimmhalle, in die sie immer geht. Ist ganz in der Nähe vom Campus und ich muss noch kurz ins Café, den Arbeitsplan für nächste Woche holen." "Ist klar." Den Rest des Weges redete vorrangig ich und Kyubi kommentierte mit "Hm." und "Ach so?", was sein Desinteresse ausdrückte, mir aber relativ egal war. Ich hatte noch nie Zuhörer gebraucht, um zu sprechen. Vor der Universität verabschiedeten wir uns, ich ließ meine Sportsachen in seinem Auto und joggte schnell zu meiner Arbeitsstelle, um nicht zu spät bei meinem Treffpunkt mit Sasuke zu sein. Sie war noch nicht vor dem Schwimmbad, als ich dort ankam. Einmal mehr fragte ich mich, warum sie ausgerechnet hierher ging. Die Gegend war heruntergekommen und bei Dunkelheit wahrscheinlich gefährlich, außerdem hatte das Gebäude etwas von einem faulenden Zahn. Vermutlich würde es bald abrissreif sein. Als sie die Badeanstalt verließ, sah ich Sasuke sofort ihre schlechte Laune an, trotzdem winkte ich ihr lächelnd zu. "Hey! Was ist los?" "Ich habe ein Kleid wiederbekommen, das ich hier vergessen hatte." "Ok...?", fragte ich etwas verwirrt. "Ist das nicht gut?" Sie warf mir einen eisigen Blick zu. "Ich vergesse Sachen nur mit Absicht." "Aaaah... Häh?" Sasuke verdrehte die Augen. "Ich wollte das Ding nicht mehr haben.", erklärte sie dann direkt. "Ach so. Wieso das denn? Zeig mal her." Ich war verwunderter darüber, dass Sasuke überhaupt Kleider besaß, als darüber, dass sie sie mit Absicht liegen ließ. Und als sie das Kleidungsstück aus ihrer Tasche kramte, wusste ich auch, wieso sie es nicht hatte haben wollen. Es war nicht unbedingt hässlich, aber es passte einfach nicht zu Sasuke mit seiner grünen Bonbon-Farbe, den Rüschen und dem mädchenhaften Schnitt und ich musste mir ein Lachen verkneifen, als ich sie mir in dem Kleidungsstück vorstellte. "Es ist... Außergewöhnlich." "Haha." Sasuke verdrehte die Augen und ging auf den nächstbesten Mülleimer zu, aber ich hielt sie auf. "Hey, warte mal, das muss doch auch nicht sein. Wenn du es nicht willst, kannst du es ja einer von meinen Freundinnen geben. Erinnerst du dich an Sakura-chan? Du weißt schon, die, der wir letztens vor dem Motorradgeschäft begegnet sind." Sasuke hatte mich in den Laden begleitet, weil ich mir einen zweiten Helm gekauft hatte, damit ich nicht immer ohne Kopfschutz fahren musste, wenn ich einen Beifahrer hatte. Das passierte, seit ich Sasuke kannte, nämlich erfreulich oft. Auf meinen auffordernden Blick hin nickte Sasuke. "Ich erinnere mich." "Super! Der würde sowas gefallen und sicher auch stehen." "Aha." Sie zögerte, hielt mir den verknuddelten Stoffhaufen dann aber hin. "In Ordnung, biete es ihr an." "Oh, mach das doch heute Abend selbst." Sie verengte misstrauisch die Augen, als wir das Bücher-Café - Dessen Namen ´Kaffee Satz` ich mir inzwischen endlich gemerkt hatte - Betraten und von einer hübschen brünetten Bedienung empfangen wurden. Wir bestellten Kuchen und gingen ins Obergeschoss. Ausnahmsweise waren die beliebtesten Plätze des Ladens, die an der großen Fensterfront, frei und ich setzte mich, während Sasuke die neuen Bücher durchforstete. Durch die verdunkelte Scheibe fiel warmes Sonnenlicht und ich schloss genüsslich die Augen, während ich wartete. "Entschuldigung?" Die freundliche Stimme ließ mich aufblicken und ich lächelte, als ich die Kellnerin sah, die ihr Tablett noch etwas unsicher in Händen hielt. "Ich wollte dich nicht wecken, tut mir leid." "Hab nich geschlafen.", beruhigte ich sie freundlich und half ihr dabei, Teller und Tassen auf dem Tisch zu verteilen. "Du bist neu hier, oder?" "Ja... War ich arg langsam?" Ich schüttelte rasch den Kopf. "Nein, überhaupt nicht. Sasukes kleiner Verehrer - Der andere Kellner, Akira - Ist auch nicht schneller." Überraschenderweise verdüsterte sich das zuvor so freundliche Gesicht bei diesen Worten etwas. "Verehrer?" "Er redet Unsinn.", mischte Sasuke sich ein, die gerade mit einem Stapel Bücher auf den Armen zu uns getreten war. Sie stellte ihre Fracht behutsam ab und sah die andere Frau gelassen an. "Hören Sie nicht auf ihn." "Ach so? Nun... Gut. Wenn noch etwas ist, sagen Sie Bescheid.", erklärte die Bedienung mit frisch zurück erlangter professioneller Freundlichkeit und zog sich dann ins Erdgeschoss zurück. Seufzend ließ sich Sasuke mir gegenüber nieder und sah mich missmutig an. "Akira hat jetzt eine Freundin, hat er mir letztens erzählt. Ich nehme an, das war sie." "Oh.", machte ich verdutzt und wurde dann rot. "Oh! Das wollte ich nicht, ich hab doch nur..." "Du solltest wirklich mal in Betracht ziehen, erst zu denken und dann zu reden." Sasuke nahm das oberste Buch von ihrem Stapel und balancierte es geschickt auf den überschlagenen Beinen. Dann griff sie nach ihrer Tasse schwarzen Kaffees und schlug die erste Seite des Romans auf. Beim Lesen kniff sie immer ein wenig die Augen zusammen, weil sie eigentlich eine Brille bräuchte, diese aber nicht tragen wollte. Ihre Kleidung ließ zwar nicht unbedingt darauf schließen, aber eigentlich war sie ziemlich eitel, das hatte ich schon lange bemerkt. "Woher hätte ich denn wissen sollen, dass der jetzt ne Beziehung hat? Hättest ja auch mal was sagen können.", murrte ich. "Es geht dich nichts an.", entgegnete Sasuke, ohne von ihrem Buch aufzusehen. "Ich habe es dir nur jetzt gesagt, weil die Situation es nötig gemacht hat." "Pf, du Situationskomiker." Sasuke antwortete nicht, aber ihr Mundwinkel wanderte in wenig nach oben und alleine das reichte, um mich ihre schroffe Art verzeihen zu lassen. Seit ich sie kannte, war ihr Haar etwas länger geworden, was ihr gut stand. Gerade spielte sie mit einer dunklen Strähne, während sie versunken in dem Buch blätterte. Ich betrachtete weiterhin ihr schönes Gesicht, während ich abwesend meinen Kuchen aß. "Naruto?" Ich zuckte zusammen und richtete mich auf. "J-ja?" Sie blickte unter dem Vorhang ihres Ponys zu mir herüber, was ihr ein irgendwie bedrohliches Aussehen verlieh. "Hör auf zu starren." Ich wurde rot, was mich aber nicht von einem Grinsen abhielt. "Ich starre nicht - Ich betrachte." "Wie auch immer du es nennen willst, hör auf damit." "Hehe, schon gut, sorry.", lächelte ich entschuldigend, um dann rasch das Thema zu wechseln: "Sag mal... Was machst du heute Abend? Und erzähl mir nicht, du musst dich auf dein übermäßig wichtiges Praktikum vorbereiten; Es ist Samstagabend und du kannst mir nicht erzählen, dass du heute noch nichts gemacht hast und morgen hast du auch noch Zeit.", widersprach ich schon mal ihrer Standardausrede. Sasuke sah für einen Moment beleidigt, dann eher skeptisch aus. Sie klappte das Buch zu und verschränkte die Arme vor der Brust. "Was willst du?" Ich strahlte alleine schon, weil sie sich anhörte, was ich zu sagen hatte. "Ich hab dir doch erzählt, dass eine Freundin von mir einen Blumenladen eröffnet - Und die Feier ist eben heute Abend ab sechs." "Ist das nicht spät für einen Blumenladen?" Ich zuckte die Schultern. "Weiß nicht, Ino wollte das eben so. Jedenfalls hat sie gesagt, wir sollen alle Freunde und Verwandte mitbringen und es wäre voll cool, wenn du dir das mal ansehen würdest." "Voll cool?", wiederholte sie, amüsiert über die Wortwahl. "Nargh, ist doch egal. Jedenfalls...! Du kannst ja auch ein paar von deinen Freunden mitbringen, wenn du meinst, dass du dich mit meinen Leuten langweilst... Obwohl ich natürlich den ganzen Abend über nicht von deiner Seite weichen werde." Ich wackelte vielsagend mit den Augenbrauen, woraufhin Sasuke nur die Augen verdrehte. "Blumen... Klingt ja super.", sagte sie sarkastisch. Vermutlich um sich Bedenkzeit zu verschaffen stellte sie ihre Tasse auf ihren inzwischen leeren Kuchenteller und sortierte die Gabel ordentlich daneben. Dann seufzte sie und sah mich an. "Ich mag keine Blumen. Die sind nicht nur kitschig, sondern gleichzeitig langweilig." "Da bist du aber das einzige Mädchen, das so denkt... Hätte mir eigentlich schon klar sein müssen.", entgegnete ich und ließ keinen Zweifel daran, dass das Thema damit für mich noch nicht beendet war. "Du wirst sowieso nicht aufgeben, oder?" Ich grinste. "Nein! Ich meine, warum auch? Es ist nur eine Feier - Dauert bestimmt nicht lange und es gibt gratis Essen. Das kann doch gar nicht schlecht sein!" "Für dich vielleicht." Langsam deprimierte mich ihre abweisende Art, weil ich sie nicht verstand. "Warum sträubst du dich denn so sehr?" Sasuke zuckte die Schultern. "Ich mag solche Veranstaltungen einfach nicht.", erklärte sie und stand auf. "Komm, wir gehen." Folgsam erhob auch ich mich und ging mit ihr nach unten, um die noch immer etwas reserviert wirkende Kellnerin zu bezahlen. Ich durfte Sasuke nicht einladen, damit ich auch ja nicht auf die Idee käme, unser Treffen könnte ein Date gewesen sein, aber damit hatte ich mich inzwischen schon abgefunden. Auf dem Weg nach draußen nahm ich unser Gespräch wieder auf: "Jetzt mal im Ernst; Wann warst du zuletzt auf der Eröffnung eines Ladens?" "Öfter, als du denkst." Sie klang wenig begeistert und sah mit sturem, kühlem Blick geradeaus. Als sie meine Neugierde spürte, erklärte sie: "Mein Vater hat viele Geschäftspartner und Bekannte, auf deren Feiern er sich sehen lassen muss. Natürlich müssen seine Kinder auch mitkommen." "Was macht dein Vater eigentlich?", erkundigte ich mich, nicht zum ersten Mal, aber diesmal antwortete Sasuke überraschender Weise nicht ausweichend. "Er besitzt eine Firma, die Insektizide und Wachstumsmittel für Pflanzen auf gentechnischer Basis herstellt." Ich stieß einen leisen Pfiff aus. "Wow... Klingt nach ner Menge Kohle - Und irgendwie korrupt, wenn du verzeihst.", lachte ich ein wenig verunsichert und sie stieß ein sarkastisches Schnauben aus. "Besonders begeistert scheinst du auch nicht.", fügte ich vorsichtig hinzu. "Sagen wir es so; Ich würde keine Lebensmittel kaufen, die mit dem Zeug behandelt sind." "Mhm... Bist du so ne Bio-Tante? Siehst gar nicht so aus." Sasuke verdrehte die Augen und knuffte mich gegen die Schulter. "Idiot." "Hehe... Aber wir sind vom Thema abgekommen." - Das passierte uns oft - "Kommst du jetzt mit? Sag ja! Biiiiiiitte!", bettelte ich mit meinem besten Hunde-Blick. Sasuke sah mich lange schweigend an. Sie würde es natürlich niemals zugeben, aber ich wusste, dass sie diesem Blick nicht widerstehen konnte - Das konnte niemand. Jedenfalls war mir klar, dass ich bekommen würde, was ich wollte, als sie langgezogen seufzte. "Du bist eine Nervensäge." "Und du bist die Beste!", flötete ich gut gelaunt und konnte dem Impuls, sie in die Arme zu nehmen, nur nachgeben. Sasuke verspannte sich so plötzlich, dass ich mich richtig erschrak. Sie wehrte sich nicht, sondern stand nur da wie eine Salzsäule, auch, als ich sie rasch losließ und entschuldigend die Hände hob. "Tut mir leid, ich wollte nicht..." "Schon ok." Sie ließ die Haare vors Gesicht fallen, trotzdem merkte ich, wie sich ihre Brust unter dem blau karierten Shirt, das sie trug, schnell hob und senkte. "Ist ok." Ich fühlte mich hilflos und schuldig, als sie mit einem tiefen Atemzug ihr Zittern niederzwang und den Blick wieder hob. "Wo soll das nachher stattfinden?" "Sasuke, ich..." "Sag mir einfach die Adresse, Naruto.", verlangte sie, weil sie glaubte, stark sein zu müssen. Niedergeschlagen sagte ich ihr, was sie wissen wollte, und brachte sie aus alter Gewohnheit zum Bahnhof. Außerdem musste ich selbst Bahn fahren, weil Kyubi, mein Taxi, mich ja verlassen hatte. Es herrschte eine seltsame Stimmung, weil Sasuke nicht gut darin war, gute Laune zu suggerieren und ich selbst bedrückt war. Ich verstand einfach nicht, wieso sie so negativ auf Berührungen reagierte und ob es nur an mir lag, oder ob sie Körperkontakt in seiner Gesamtheit nicht mochte. Wenn ja, warum? Ich selbst war ein Mensch, der anderen gerne nah war. Vielen meiner Freunde war das zu viel; Die Männer standen nicht auf Kuscheln und die Mädchen fühlten sich dadurch bedrängt, aber ich meinte es gar nicht so. Ich zeigte so einfach nur meine Zuneigung, nichts weiter. Bei Sasuke ging meine Zuneigung zugegebener Maßen weiter als Freundschaft, aber ich hatte akzeptiert, dass sie das eben nicht wollte, aber ich hatte ihr ja versprochen, sie mit meinen Gefühlen in Ruhe zu lassen. Und sie glaubte mir, das wusste ich, sonst würde sie sich nicht mehr mit mir treffen. Aber warum dann diese Panik? Ich war deprimiert, als ich nach Hause kam, hatte aber nicht wirklich Zeit, mich über den Vorfall zu grämen. Tsunade drängte mich zur Eile, also sprang ich unter die Dusche, schlüpfte in frische Jeans und ein schwarzes Shirt und zog ein oranges Hemd über. Meine Großeltern warteten bereits im Wohnzimmer, Tsunade im tief ausgeschnittenen, grünen Leinenanzug, Jiraiya in dunklen Hosen und rotem Hemd, eine Kombination, die seiner Frau offenbar nicht zusagte. "Du siehst aus wie ein Zuhälter.", sagte sie gerade. Damit hatte sie sogar ein bisschen Recht, aber wir hatten jetzt keine Zeit, eine Modenschau abzuziehen, also stiegen wir in den Wagen der beiden und machten uns auf den Weg. Ich war nervös, immerhin war das das erste Mal, dass meine Familie Sasuke zu Gesicht bekam, nachdem ich so lange von ihr geredet hatte. Außerdem war ich mir gar nicht mehr so sicher, ob sie überhaupt kommen würde, nachdem unser Treffen so ein seltsames Ende genommen hatte. Aber als ich mein Handy checkte, hatte ich keine Nachricht von ihr, und es wäre nicht ihr Stil, einfach so fernzubleiben. Vor dem Laden gab es bereits keine Parkplätze mehr, also musste Jiraiya den Wagen beim nahegelegenen Bahnhof abstellen. Auf dem Weg beschwerte Tsunade sich über das Kopfsteinpflaster, das der Tod für ihre teuren Highheels sein würde, wie sie düster ankündigte. Mein Großvater und ich warfen uns nur amüsierte Blicke zu und er legte den Arm um ihre Taille, um ihr zu helfen. Vor dem Laden waren bereits einige Leute versammelt, die sich alle für den Besuch eines Blumenladens ungewöhnlich schick gemacht hatten. Ino selbst, die von ihrem Posten neben der Tür auf uns zugeeilt kam, um uns zu begrüßen, trug ein weißes Kleid mit lilanen Streublumen darauf und hatte die langen Haare in weiche Locken gedreht. Jiraiya küsste ihre Hand. "Du siehst bezaubernd aus. Herzlichen Glückwunsch zur Eröffnung deines Ladens." "Danke, ich hoffe, es wird ein Erfolg.", antwortete sie ein wenig nervös. "Nun, mich hast du schon mal als Kunden, wenn ich mal wieder ein Entschuldigungs-Geschenk brauche.", lächelte er beruhigend, woraufhin seine Frau schnaubte. "Dann ist dein Umsatz schon mal gesichert, Ino." Die frischgebackene Ladenbesitzerin lachte. "Da bin ich ja erleichtert! Es freut mich, dass Sie gekommen sind, Frau Doktor." Zufrieden damit, derart hervorgehoben worden zu sein, nickte Tsunade und wandte sich ab, um das Ladeninnere zu betrachten und andere Leute zu begrüßen, die sie kannte. Jiraiya und Ino plauderten noch etwas - Er redete gerne mit schönen, jungen Frauen - Und ich ließ die beiden stehen, als ich Kyubi hinter einem gusseisernen Regal voller Blumen lungern sah. "Was stehst du hier so gruselig rum?", begrüßte ich ihn lächelnd. "Oh, ich warte darauf, dass dein Phantom vorbei kommt. Ich habe befürchtet, sie würde weglaufen, wenn man zu zudringlich ist." Ich schlug ihn gegen die Schulter. "Arsch! Sie hat gesagt, sie kommt, ok?" Er stieß einen spöttisch-beeindruckten Pfiff aus. "Ach? Nicht schlecht! Vielleicht wird in zehn Jahren ja doch noch was aus euch." "Haha, sehr lustig.", erwiderte ich mürrisch. "Ich lade dich dann nicht zu unserer Hochzeit ein." "Du heiratest?", mischte sich jemand ins Gespräch ein. Kiba grinste mich an. "Das ging ja schnell nach dem ewigen Single-Dasein! Wer ist die Unglückliche?" Er und Kyubi gaben sich die Hände und grinsten sich verschwörerisch an. Seit Kiba eine Freundin hatte, hing er nicht mehr so oft mit uns rum, aber früher hatten wir oft ganze Wochenenden zusammen vor der Play Station verbracht. Eigentlich war das keine gute Idee, weil die beiden sich immer gegen mich verschworen und mich dauernd aufzogen, aber an sich war es schon witzig mit ihnen. "Er hofft immer noch auf Sasuke.", erklärte mein bester Freund gerade dem Neuankömmling. "Ach, das Phantom? Na, viel Glück!" "Alter, wer hat den Namen eingeführt? Hört auf, sie so zu nennen!", beschwerte ich mich, doch sie lachten nur, also wechselte ich das Thema. "Wo hast du eigentlich deine bessere Hälfte gelassen, Köter? Sonst sieht man dich ja nicht mehr ohne Mädchen unterm Arm." Auf das Gesicht meines Freundes trat flüchtig ein abweisender Ausdruck, doch dann zeigte er wieder die großen Zähne und sah sich suchend um. "Keine Ahnung, wahrscheinlich ratscht sie mit den anderen Mädels oder ihr Cousin hat sie mit Beschlag belegt." Er verdrehte die Augen; Von seinem Schwager im Spe hielt er nicht besonders viel. "Ich geh sie mal suchen und Hallo sagen.", erklärte ich in der Erwartung, die beiden würden hier bleiben, aber Kiba lief mir nach und auch Kyubi schlenderte in den Laden, der mit den Eltern einiger Freunde, ein paar Fremden und dem Buffet gerappelt voll war. Ganz, wie es Inos Konzept entsprach, erinnerte das Ladendekor an den Garten Eden mit den üppigen Bouquets, Sais farbenprächtigen Wandmalereien und den hübsch angerichteten Deko-Ideen auf den Wandregalen. Hinter der Kasse entdeckte ich einen pinken Haarschopf und steuerte auf ihn zu. Sakura war fleißig damit beschäftigt, Kundenwünsche und Zahlungen entgegen zu nehmen, sodass sie nicht wirklich dazu kam, mit Tenten und Hinata zu plaudern, die mit Inos Mutter in der Nähe standen. Wir umarmten die Mädchen und begrüßten Mrs. Yamanaka höflich, dann redeten wir etwas über den Laden und den enormen Andrang, der gerade herrschte, obwohl noch nicht mal das Ladenschild enthüllt worden war; Das wollte Ino später machen, wenn alle Freunde und Verwandte da waren, die zu dem kleinen Empfang eingeladen waren. Irgendjemand organisierte uns Prosecco und Trauben-Käse-Spießchen vom Buffet und wir landeten im Hinterzimmer, wo mehrere Blumensträuße und bepflanzte Gießkannen als Reserve für den Verkauf gelagert wurden. Es war eine gemütliche Runde, die durch das Lachen und die Stimmen aus dem Laden untermalt wurde. Trotzdem wurde ich zunehmen nervös, als sechs Uhr kam und ging - Und keine Sasuke zu sehen war. Schließlich trennte ich mich von den anderen, um zu sehen, ob sie im Laden oder davor war, aber ich konnte sie nicht finden. Deprimiert lehnte ich mich an die Hauswand und sah auf mein Handy, auf dem tatsächlich eine Nachricht von ihr war. » Komme etwas später. « Nun, das wäre ja ok, aber jetzt war es bereits fast halb sieben und ich kannte Sasuke als einen mehr als pünktlichen Mensch. Mürrisch steckte ich mein Telefon weg und stierte die Straße hinunter in der Hoffnung, eine schwarze Stachelfrisur zu erblicken. Mein Tun wurde unterbrochen, als Sakura, die sich offenbar vom Verkauf hatte loseisen können, mich ansprach: "Na, was für eine Laus ist dir denn über die Leber gelaufen?" Ich nahm das Würstchen im Schlafrock, das sie vom Buffet mitgebracht hatte und mir anbot, und schob es mir im Ganzen in den Mund. "Ach, eine Freundin hatte gesagt, sie würde vorbei schauen und ist noch nicht aufgetaucht..." "Eine Freundin?", fragte sie verwirrt, doch dann wechselte ihr Gesichtsausdruck schnell von wissend zu verlegen. "Du hast Sasuke-kun eingeladen..." "Ja. Aber mach dir nichts draus, sie wird es schon keinem erzählen." Trotz meines Versuchs, sie zu beruhigen, schoss Sakura mir einen bösen Blick zu. "Ich hoffe, das hast du auch nicht vor, sonst wird es das letzte sein, was du jemals jemandem erzählt hast." "Schon ok, ich bin brav!", grinste ich trotz der berechtigten Angst um mein Leben. Sakura hatte nämlich, als sie Sasuke kennenlernte, diese für einen Mann gehalten - Einen äußerst Attraktiven noch dazu. Mit einer interessanten Mischung aus Amüsement und Eifersucht hatte ich ihren Annäherungsversuchen zugesehen, die jedoch leider fruchtlos blieben und darin endeten, dass Sasuke ihre Geschlechtszugehörigkeit offengelegt hatte. Seitdem machte ich mich jedes Mal über Sakura lustig, wenn ich sie sah, aber ich hielt eisernes Schweigen den anderen gegenüber. Zumindest die Frage, ob Sasuke homosexuell war, war dadurch geklärt, denn das hatte ich auch schon befürchtet, nachdem sie meine Annäherungsversuche so nachhaltig abgeschmettert hatte. Andererseits könnte es natürlich auch sein, dass Sakura einfach nicht Sasukes Typ war, selbst wenn sie auf Frauen stand. Die beiden Mädchen hatten sich seit dem zufälligen Treffen am Bahnhof nicht mehr gesehen, sodass Sakura sich jetzt halb interessiert, halb verlegen nach Sasuke umsah. "Glaubst du denn, sie kommt überhaupt noch? Ich meine, die offizielle Feier endet ja gleich." "Ich hab ihr nicht gesagt, dass der zweite Teil des Abends eigentlich nur für Familie und Freunde gedacht ist. Außerdem hat Ino sicher nichts dagegen." Sie sah mich skeptisch an, doch dann wich ihr Blick ab und richtete sich auf etwas hinter mir. "Ist das nicht dein Phantom?" "Nenn sie nicht so.", antwortete ich mechanisch und bereits im Umdrehen begriffen. Meine Augen glitten über die mir bekannten Leute, die allesamt ein teures Auto und das attraktive Pärchen davor angafften. Kurz blieb mein Blick an dem weiblichen Teil des Gespanns hängen - Ein ungewöhnlich hübsches Ding - Dann huschten sie weiter auf der Suche nach Sasukes mir so vertrauten griesgrämigen Gesicht. Dann erstarrte ich und drehte langsam, ganz langsam, den Kopf zurück, als ich erkannte, dass die junge Frau nicht nur hübsch, sondern wunderschön war - Und vor allem, dass es sich bei ihr um Sasuke handelte. Ich wusste nicht, was sie mit ihren Haaren gemacht hatte, aber sie schimmerten bläulich, wo die Abendsonne sie traf. Sie hatte die langen Pony-Fransen zu einer Art Welle nach hinten über den Kopf gedreht wie in den fünfziger Jahren, den Scheitel tief über dem Ohr gezogen und die Haare, die ihr sonst wild vom Hinterkopf abstanden, offenbar geglättet, denn jetzt fielen sie ihr glänzend über die schmalen Schultern. Sie trug einen dunkelblauen Blazer mit hochgekrempelten Ärmeln über einer hellblauen Bluse. Ihre Beine wirkten in den grauen Jeans unendlich lang, was noch durch die Absätze ihrer graublauen Schuhe betont wurde. Ich hatte sie noch nie in einem so weiblichen Outfit gesehen und starrte sie offen an - Genauso wie der Rest der anwesenden Männer. Die Damen fixierten sich eher auf den Mann hinter Sasuke, den diese böse anschaute. Er war groß - Bestimmt nicht viel kleiner als Kyubi mit seinen eins zweiundneunzig - Und gut gebaut; Man sah ihm sofort an, dass er trainierte. Das schwarz-braune Haar war mit einem lässigen Zopf über die Schulter nach vorne gebunden und er lächelte das Mädchen neben sich charmant an. Seine Kleidung ähnelte der von Sasuke - Dunkelblauer Blazer, himmelblaues Hemd, anthrazitfarbene Hosen - Bis auf die Stöckelschuhe, die er durch schwarze Wildlederschuhe ersetzt hatte. Als ich wieder in sein Gesicht blickte, fiel mir auf, dass nicht nur ihre Kleidung sich ähnelte. Genau genommen glichen sich ihre Gesichter wie ein Ei dem anderen, mal abgesehen von den etwas weicheren Zügen des Mädchens. Das war also Itachi, Sasukes Bruder. Sie sprach nicht viel von ihrer Familie, trotzdem hatte ich bereits herausgehört, dass sie kein besonders gutes Verhältnis zu ihrem älteren Geschwisterteil hatte, der jetzt ihre Schulter jovial drückte, in sein Auto stieg und davonfuhr. Sie blickte ihm düster nach und drehte sich um, wobei sie jedem Mann, dessen Starren sie wahrnahm, einen ihrer berühmten Eis-Blicke zukommen ließ. Schließlich bemerkte sie mich und kam auf mich zu, erstaunlich grazil dafür, dass sie sonst Springerstiefel und keine zehn Zentimeter Absätze trug. Ich lächelte und ließ anerkennend den Blick über sie wandern. "Wow!", war der rhetorisch ausgeklügelste Kommentar, den ich zusammenbrachte, als ich ihre Hand schüttelte. Natürlich hätte ich sie gerne umarmt, aber nach dem Desaster am Mittag wagte ich das nicht. Jetzt, wo sie näher war, bemerkte ich, dass sie dezentes Make-Up aufgelegt hatte und die durch Mascara noch länger wirkenden Wimpern um die schwarzblauen Augen ließ mein Herz auf Schlingerkurs gehen. Natürlich hatte ich, wie jeder Mann, keine Ahnung von Make-up und bei meinen anderen Freundinnen bemerkte ich gar nicht, ob sie welches trugen, aber da Sasuke normalerweise darauf verzichtete, fiel es eben auf. Ich hatte das Gefühl, dass sie genau wusste, was sie für einen Effekt auf mich hatte, denn sie löste den Blick nicht von mir und ich war schlicht nicht fähig dazu, wo anders hin zu sehen. Ich wollte auch gar nichts anderes sehen. Ich wollte genau dieses Gesicht sehen, wenn ich morgens aufwachte und bevor ich einschlief und all die Stunden dazwischen wollte ich diese Augen auch sehen... Meine fiebrigen Gedanken wurden unterbrochen, als Sakura Sasuke begrüßte: "Hallo, Sasuke-kun! Schön, dass du auch hier bist." Das Namens-Anhängsel hatte sie sich irgendwie nicht abgewöhnt nach ihrer ersten Begegnung und es schien Sasuke auch nicht zu stören, die langsam nickte. "Sakura." "Wer war denn der Mann, der dich gebracht hat?", erkundigte sich die Medizinstudentin jetzt neugierig. Sasuke schnaubte und blickte die Straße hinunter, die der teure Wagen genommen hatte. "Das war mein Bruder, Itachi. Er kommt wieder, sobald er einen Parkplatz gefunden hat." "Ist aber nett von ihm, dass er dich extra hergebracht hat!", lächelte Sakura in dem Versuch, Smalltalk zu betreiben, aber ihr Gegenüber nickte nur knapp und verschränkte die Arme vor der Brust. Ich war noch immer zu fasziniert von ihrem ungewohnten Auftreten, um groß etwas zur Unterhaltung beizutragen, aber das wurde auch unnötig, als die Gastgeberin sich unserer Gruppe anschloss. Ino wirkte ganz aufgeregt, als sie sagte: "Oh mein Gott, Sakura, hast du den Gott da grade gesehen?! Ich dachte schon, er würde zu mir in den Laden kommen! Ich glaube, ich wäre gestorben... Oh, hallo." Erst jetzt bemerkte sie Sasuke und lächelte diese charmant an. "Äh, das ist Ino, die heute ihren Laden eröffnet.", erklärte ich Sasuke rasch. "Ino, das ist Sasuke. Und der ´Gott` da eben war ihr Bruder." Ino wurde fuchsienrot unter ihrem Pony, lachte dann aber und musterte Sasuke. "Sorry... Aber das gute Aussehen liegt bei euch wohl in der Familie, was?" Sie geriet ins Stocken, sah mich kurz an und dann noch mal Sasuke und ihr stand der Mund offen. "Moment mal - Sasuke? DIE Sasuke? Das Phantom?" "Ino!", sagten sowohl Sakura als auch ich tadelnd. Sasuke sah mich interessiert an und ich trat verlegen von einem Bein auf das andere. "Na jaaaaa... Weil wir uns ja schon öfter getroffen haben, hab ich halt ab und zu von dir erzählt..." "Er hat gar nicht mehr damit aufgehört...", kommentierte Sakura zynisch. "Still jetzt! Jedenfalls... Ich weiß auch nicht, wer auf diese Schnapsidee gekommen ist, aber scheinbar haben sie, weil sie dich nie zu Gesicht bekommen haben, schon an deiner Existenz gezweifelt und dann angefangen, dich so zu nennen. Tut mir leid, ich versuch schon die ganze Zeit, es zu unterbinden, aber es klappt nicht." "Ich bin also schon eine lebende Legende.", interpretierte Sasuke die Geschichte auf ihre Weise. "Hn." "Wa...?! Dir gefällt das auch noch!", lachte ich, halb empört, halb amüsiert. "Na ja, umso besser. Aber mal im Ernst, wer hat sich das eigentlich ausgedacht? Damit sie sich bei dem Kreativen bedanken kann." "Puh..." Beide Mädchen überlegten, doch es war Sakura, der es schließlich einfiel: "Ich glaube, das kam von Kiba." "Hätte ich mir ja fast denken können, dass das der Köter war. So ein Scheiß kann nur von ihm kommen." Trotz der rüden Worte hörte man wohl meine Zuneigung und ich zwang Sasuke, mir zu folgen, damit ich ihr meinen Freund vorstellen konnte. Dieser war offen erstaunt über Sasukes Erscheinen - Und über ihr Äußeres, was mich gleichzeitig stolz und eifersüchtig machte. Ich persönlich fand Sasuke auch hübsch, wenn sie Männerkleidung trug, aber den anderen Kerlen fiel ihre Attraktivität dann nicht so sehr auf, weshalb ich sie ganz für mich hatte. Aber jetzt, wo sie ohne Zweifel umwerfend aussah, konnten die Männer gar nicht mehr aufhören, sie anzubaggern. Dabei war ihnen offensichtlich auch egal, wie unwohl Sasuke sich fühlte, obwohl sie das zeigte, indem sie kratzbürstig wurde. Ich tat mein bestes, die Verehrer abzuwehren, ohne mich wie der feste Freund aufzuführen, aber das war schwierig. Sie gehörte zu mir und aus, ich duldete keinen anderen neben ihr. Natürlich flirtete Kiba nicht mit ihr, immerhin hatte er eine Freundin, aber Kyubi fand mein Verhalten so lustig, dass er mich damit aufzog. Sie unterhielten sich über das Entwickeln von Fotos, womit ich mich kein Stück auskannte, sodass ich nur daneben stehen und Würstchen im Schlafrock essen konnte. Mein Glück war, dass er, als er fragte, ob sie sich mal bei einem Kaffee weiter unterhalten könnten, zu weit ging. Sie wies ihn ab und verhielt sich von da ab einsilbig ihm gegenüber, was mir eine gewisse Befriedigung verschaffte. Als Hinata, die bis dahin schweigend neben uns gestanden hatte, ein überraschtes "Oh..." von sich gab, sahen alle zur Tür und erblickten den eben zurückgekehrten Itachi, der sich wohlwollend umsah und dann auf uns zutrat. Keine zwei Minuten später folgte Ino durch die Tür, die Sakura an der Hand hinter sich herschleifte. "Ah, du hast dich schon bekannt gemacht... Na dann, freut mich. Mein Name ist Itachi Uchiha. Ich bin Sasukes Bruder.", stellte der Mann, den ich auf Mitte, Ende zwanzig schätzte, sich unnötiger Weise und mit einem gewinnenden Lächeln vor. "Es ist ja fast unmöglich, einen Parkplatz zu finden." "Sonst kann man natürlich direkt vor dem Laden parken, aber da findet ja jetzt der Empfang statt.", erklärte Ino kokett. Sie war hocherfreut, als er den Laden lobte und sie in ein Gespräch über die Förderung junger Unternehmer verwickelte, die sein Vater betrieb. Er war es offenbar gewohnt, angeregt und interessant mit Fremden sprechen zu müssen, denn er fesselte Ino, indem er gleich ihre Interessen erkannte und detailliertes Wissen in diesem Bereich vorwies. Eindeutig ein kompetenter Mann - Nur seiner Schwester stand die Abneigung ungewöhnlich deutlich ins Gesicht geschrieben. "Hast du Hunger, Sasuke?", fragte ich und nickte zum Buffet am anderen Ende des Zimmers, wodurch ich das Gespräch kurz unterbrach. Sasuke folgte meinem Blick, sah mich dann an, als wüsste sie, was ich vorhatte, und nickte schließlich. Wie geplant folgte uns keiner, als wir gingen, aber als wir an dem kleinen Gartentisch angekommen war, auf dem man die Speisen angerichtet hatten, warf ich zufällig einen Blick zurück und sah Itachi in die Augen. Ich lächelte und er nickte, dann wandten wir uns einvernehmlich den Damen zu, denen wir gerade Gesellschaft leisteten. "Du musst unbedingt die Würstchen probieren, die sind...", fing ich an, aber Sasuke unterbrach mich. "Danke.", unterbrach sie leise, mit ernstem Blick aus den dunklen Augen. Ich lächelte, um zu suggerieren, dass sie sich nicht überwinden musste, mehr zu sagen, und zuckte die Schultern. "Was meinst du? Ich hatte einfach Hunger. Also; Greif zu." Sie seufzte und richtete ihren Blick auf das Angebot, wohl aber eher, um mich nicht mehr ansehen zu müssen. "Schön, dass du mir die Speisen anderer Leute anbietest.", kommentierte sie trocken, aber amüsiert. "Aber ich bin Vegetarier, falls dir das noch nicht aufgefallen ist." Jetzt sah ich sie groß an. Das hatte ich tatsächlich noch nie in Betracht gezogen - Allerdings waren wir auch erst ein Mal essen gegangen und das bei McDonalds. Weil viele meiner Freundinnen dort aber nur Salate oder Pommes aßen, hatte ich mich über Sasukes Wahl nicht weiter gewundert. "Ne, ist mir ehrlich gesagt noch nicht aufgefallen.", grinste ich, woraufhin sie nur resigniert seufzte, als wäre das schon klar gewesen. "Aber... Ist dir eigentlich klar, dass du damit den meinem Essen das Futter weg isst?" "Der ist steinalt, Naruto." Ich lachte trotzdem über meinen eigenen Witz und bediente mich an dem Vorrat von Würstchen, Mini-Sandwiches, Lachsröllchen, den hübsch zusammengebundenen Schinken-Häppchen und den essbaren Blüten, die eigentlich nur als Deko dazwischen lagen. Der Bestand des Buffets hatte unter meinem Einfluss schon enorm gelitten und ich hatte nicht vor, Ino noch sonderlich viel Essbares übrig zu lassen nach diesem Abend. "Er ist immer noch gut! Aber mal im Ernst - Ich hätte dich jetzt nicht für den großen Tierschützer gehalten.", erklärte ich munter. Sasuke, die ein Käse-Traube-Spießchen in der Hand hielt, sich aber wohl noch nicht sicher war, ob sie es tatsächlich essen wollte, zuckte die Schultern. "Darum geht es auch gar nicht. Ich weiß nur, wie Fleisch hergestellt wird und was man alles mit den Tieren macht, bevor sie geschlachtet werden. Von der mangelnden Hygiene in den meisten Lebensmittelläden mal ganz abgesehen." "Du meinst Massentierhaltung und so?" Ich betrachtete mein Würstchen, als würde mir das Schwein, das es einmal gewesen war, gleich sein Leid klagen. Dann zuckte ich die Schultern und schob es in den Mund. "Ja, das ist schon schlimm, aber man kann halt auch nichts dagegen tun. Was Lebensmittel kosten würden, wenn man sie umwelt- und tierfreundlich produzieren würde, könnte sich keiner leisten." "Man könnte ja damit anfangen, zumindest weniger Fleisch zu essen. Ist sowieso ungesund." "Wahrscheinlich, aber ich bin eben ein Fleischfresser.", grinste ich und bleckte dabei spielerisch die Zähne. Sie antwortete nicht und bevor ich noch etwas sagen konnte, klopfte Ino mit einem Silberlöffel gegen ihr Sektglas. Sie räusperte sich, setzte ein einstudiert-schüchternes Lächeln auf und sagte: "Wenn ich Sie jetzt alle nach draußen bitten dürfte - Ich möchte das Ladenschild gerne offenlegen." Folgsam schob sich die Menge nach draußen in die aufziehende Nacht. Hinter den Häusern der Gegend war rotes und goldenes Glimmen zu sehen, das sich erfolglos gegen den dunkler werdenden Himmel auflehnte. Es brannten Straßenlaternen, aber jemand hatte sich die Mühe gemacht, Fackeln anzuzünden, was dem Abend einen märchenhaften Anstrich gab. Gemeinsam mit Sasuke stellte ich mich etwas abseits neben ein Regal voller mediterraner Pflanzen, die in der Nacht ihren reifen, würzigen Duft verströmten und mit dem Zikaden-Chor im Hintergrund richtig Stimmung verbreiteten. "Ist ja fast wie im Urlaub in der Toskana.", stellte ich fest, als sich ein paar andere, darunter Kyubi, Itachi und Sakura, sich zu uns gesellten. "Wann packt einer den Rotwein aus?" "Du hast ja auch noch Urlaub.", antwortete Sakura leicht gereizt. Ich verstand nicht, was sie hatte, aber als Sasukes Bruder sie in ein gedämpftes Gespräch verwickelte, schien ihre Laune sich zu heben. Ich beobachtete die beiden mit einer gewissen Skepsis. Zwar war die Eifersucht, die ich früher immer empfunden hatte, wenn sie mit anderen Männern sprach, praktisch nicht mehr vorhanden, aber der Umgang speziell mit Itachi störte mich. Dabei konnte ich noch nicht mal sagen, wieso genau, denn ich hatte keinen Grund, ihn nicht zu mögen. Es war nur so, dass ich nicht glaubte, dass Sasuke ihm ohne Grund oder aus spät pubertärer Abneigung so abweisend gegenüber trat. Irgendeinen Grund hatte sie und vor diesem Grund wollte ich Sakura instinktiv beschützen. Leider stand es mir nicht zu, einzugreifen, und es hätte auch gar keinen plausiblen Anlass gegeben. Kyubi lenkte mich von meiner Sorge ab, als er meinte: "Wegen Urlaub... Weißt du noch, damals auf Mallorca?" Ich lachte, als eine Welle schöner Erinnerungen mich überkam. "Klar - Deswegen bin ich immer noch pleite, Mann." "Das ist fünf Jahre her." "Ich bin ein armer Student, ok? Immerhin hat nicht jeder wie du nen Sugar Daddy, der einem teure Geschenke macht." Er schob die Hände in die Taschen seiner roten Lederjacke in Krokodilleder-Optik, deren Farbe sich auffällig mit seinem Haar biss, und wandte das Gesicht ab. "Kein Neid, bitte." Seine völlige Ignoranz dem moralischen Problem gegenüber, das sein Verhalten mit sich brachte, ließ mich empört die Backen aufblasen. "Ich bin sicher nicht neidisch darauf, dass du die Leute ausnutzt und ihnen was vorspielst, du Arschloch!" "Ich spiele nichts vor... Nicht so wie du damals.", lenkte Kyubi das Thema zurück auf den Anstoß des Gesprächs zurück. "Wie du den Polizisten das naive, hilflose Blondchen vorgespielt hast um an einen Pass zu kommen, war Oskar reif." Ein leises Schnauben war zu hören und wir sahen beide Sasuke an, von der es gekommen war. Sie musterte Sakura und ihren Bruder, während sie uns antwortete. "Hilflos muss er sich wirklich nicht stellen - Das ist er von selbst." Kyubi lachte, während ich beleidigt schnaufte. "Stimmt gar nicht - Ich hab doch meine Prüfung geschafft, oder? Außerdem kann ich alles, was ich will!" "Durch die Prüfung bist du mit unverschämtem Glück geschliddert, wie immer." "Halt die Klappe - Du hast mich nicht mal nach den Ergebnissen gefragt.", entgegnete ich und zeigte Kyubi dabei den Mittelfinger, was dieser jedoch ignorierte. "Aber die Resultate sind doch letztendlich was zählt, oder? Damals - Das war unser erster Urlaub ohne Erwachsene. Ist doch klar, dass da was schiefgehen muss. Ich war grad achtzehn und der alte Sack da zwanzig. Jedenfalls waren wir halt feiern, wie man das auf Mallorca eben so macht, und als wir um sechs heimgingen, hatten wir noch Bock bei Sonnenaufgang schwimmen zu gehen. Also Hosen und Hemden aus und rein ins Wasser. Nur leider war wirklich alles in den Hosen; Geld, Handy, Ausweis, Pass... Und ausgerechnet bei meiner Hose hat sich so ein beschissener Mallorcarese..." "Ich glaube, es heißt Mallorquiner.", klugscheißerte Kyubi dazwischen. Ich machte eine abweisende Handbewegung. "Ist doch egal. Jedenfalls hat der Spast alles weggenommen und ich durfte schauen, wie ich wieder heim komme." "Du bist der Einzige, dem ich zutraue, seinen Pass mit in einen Club zu nehmen.", seufzte Sasuke, die gar nicht überrascht schien und schon gar kein Mitleid zeigte, worüber ich mich ärgerte. "Hey, was kann ich dafür?! Ich dachte, wenn ich es dabei hab, kann es sich wenigstens keine Putzfrau unter den Nagel reißen oder so." "Jetzt hast du aber Vorurteile." "Hört auf, euch gegen mich zu verbünden. Ich leide immer noch unter dem Trauma, das ich damals erlebt habe.", schmollte ich, was beide zum Lachen brachte. Wir redeten noch ein bisschen über verschiedene Urlaubserlebnisse, wobei ich mal wieder feststellte, dass Sasuke schon wirklich viel von der Welt gesehen hatte, ganz Wie Kyuubi, der schon in sehr vielen Ländern gewesen war. Irgendwann fiel uns auf, dass Ino, die neben ihrem Vater unter der Eingangstür ihres Ladens stand schon seit einer Weile eine Rede hielt, von der wir noch kein Wort mitbekommen hatten, also beendeten wir die Debatte darüber, welche Staaten man besuchen sollte und welche man sich sparen konnte. Ich beobachtete mehr Inos Mimik und ihre Körperhaltung, als dass ich ihren Worten lauschte, denn solchen Ansprachen hatte ich noch nie etwas abgewinnen können. Sie wirkte aufgeregt, aber glücklich; Ihre Wangen glühten und sie strahlte immer wieder offen in die Menge. Bei den Worten "Lange Rede, kurzer Sinn...", stieg ich wieder ein, denn des klang nach einem Abschluss. "Meine Eltern haben mir im letzten Jahr wirklich wahnsinnig geholfen und ich möchte mich an dieser Stelle noch mal ganz herzlich bedanken." An dieser Stelle brandete höflicher Applaus auf und die frischgebackene Ladenbesitzerin zauberte irgendwo einen Blumenstrauß für ihre Mutter und eine Chillipflanze für ihren Vater hervor, die beide lächelnd entgegen nahmen. "Ihr seid großartig, danke. Und jetzt kommen wir dazu, worauf alle schon den ganzen Abend warten!" "Ooooh...!", machte ich und sprang gespielt aufgeregt von einem Bein auf das andere. Sasuke neben mir schnaubte amüsiert, aber Tsunade, die irgendwann während der Ansprache unbemerkt neben mich getreten war, rammte mir ziemlich fest den Ellbogen in die Rippen, sodass aus dem ´Oh!` schnell ein ´Au!` wurde. Wehleidig rieb ich mir die schmerzende Seite, doch jetzt war ich still und beobachtete, wie Ino, die unter das verhüllte Ladenschild getreten war, eine goldene Kordel zur Hand nahm. "Hiermit eröffne ich feierlich meinen Laden. Das..." In einer stimmungsvollen Pause zog sie an der Schnur und diese ließ das ebenfalls goldene Seidentuch in einem sanften Wasserfall gen Erde fließen. "Dolce Vita!" Erneut gab es Applaus, als man das weiße Schild mit der rosanen Schrift sehen konnte. Die Worte waren in Form einer Rose angeordnet und ein zierlicher Strauch ebendieser Blumen rankte sich um die Tafel. Ich sagte zu Sasuke: "Sie hat sich voll den langweiligen Namen ausgesucht! Meine Vorschläge waren viel besser." "Wenn sie einen deiner Vorschläge genommen hätte, hätte sie sich noch etwas freizügiger anziehen müssen.", entgegnete das Mädchen und ich lachte. "So schlimm war´s auch nicht... Sag mal, was machst du später noch?" Sie blickte zu mir auf und nicht zum ersten Mal fiel mir auf, wie ungewohnt es war, dass ihr Gesicht nicht unter ihrem langen Pony versteckt war. Sasukes Züge waren ebenmäßig, sie hatte perfekte Haut, schmale, schön geformte Lippen... Und diese Augen. Immer wieder warfen sie mich aus der Bahn, egal, wie oft ich sie inzwischen gesehen hatte. Und in ihren für ihre Verhältnisse extrem weiblichen Klamotten reagierte ich, was ich eigentlich nicht für möglich gehalten hätte, noch stärker auf sie. Das schien Sasuke zu bemerken, denn sie senkte den Kopf und strich eine Strähne hinter das Ohr. "Ich geh nach Hause.", antwortete sie knapp. "An einem Samstagabend? Komm schon, es ist doch noch nicht mal neun!" "Ich werde mich nicht rechtfertigen.", antwortete sie so kühl, dass klar war, dass eine weitere Diskussion keinen Sinn hatte. Ich gab vorerst auf und widmete meine Aufmerksamkeit dem eigentlichen Hauptgeschehen des Abends. Der Strom an Gratulanten, der nach der Eröffnung auf Ino zugeströmt war, hatte nachgelassen, sodass ich meine Chance sah, mit der frischgebackenen Ladenbesitzerin zu sprechen. "Die Diskussion ist noch nicht beendet; Ich krieg dich schon noch dazu, dass du mal mit mir in einen Club gehst... Aber fürs erste hast du deine Ruhe. Wartest du kurz hier?" Sie warf ihrem Bruder einen Blick zu, der abschätzte, wie lang er noch zu bleiben gedachte, doch als sie ihn in einem angeregten Gespräch mit Hinata und Kiba sah, seufzte sie schicksalsergeben und nickte. Ich schenkte ihr ein Grinsen und wandte mit ab, um der Gastgeberin meine Aufwartung zu machen. Die meisten Gäste verbanden ihr Glückwünsche mit der Verabschiedung und so leerte sich der kleine Platz vor dem Laden rasch. Auch Tsunade und Jiraiya, die mit Inos Eltern plauderten, wollten langsam aufbrechen. "Ich fahr mit der Bahn heim - Geht ihr ruhig.", lehnte ich ab, womit sie offenbar schon gerechnet hatten. "Mach nicht zu lange, du musst morgen arbeiten.", mahnte meine Großmutter und nickte mir zum Abschied zu. "Natürlich nicht, Mutti.", grinste ich, wofür ich eine Kopfnuss kassierte. "Au! Ich hab doch gar nicht Oma gesagt!" "Reiß dich zusammen. Übrigens... Wer ist das Mädchen, an dem du den ganzen Abend klebst?", wechselte sie das Thema. "Ich klebe gar nicht… Aber das ist Sasuke - Ihr wisst schon, von der ich erzählt hab, dass sie mir Nachhilfe gegeben hat." "Ach ja... Du hast gar nicht erzählt, dass sie so hübsch ist.", meinte Jiraiya anerkennend und musterte Sasuke wohlwollend. "Und da geht nichts...?" "Opa...!", klagte ich verlegen, doch er lachte nur. "Schon gut, schon gut. Wir gehen jetzt jedenfalls. Viel Spaß noch." Auch seine Frau verabschiedete sich und die beiden verließen das Fest in Richtung Bahnhof. Inzwischen waren nur noch unsere Clique, Inos Eltern und die Uchiha anwesend, die sich alle um Ino versammelten. Aus dem Laden wurde eine Sektflasche geholt und jeder in der intimen Runde zwischen den Fackeln bekam ein Glas. "Was ist heute noch geboten?", erkundigte ich mich, als die Gespräche gedämpfter wurden. "Ich würde sagen, erstmal ein Toast." "Hatten wir davon heute nicht schon genug?", stöhnte Kiba, wofür er einen Rippenstoß von Sakura kassierte. "Halt die Klappe! Ich wollte mich bei euch allen bedanken. Ihr wart mir im Aufbau eine große Hilfe und ohne euch wäre der Abend nicht so gelungen verlaufen. In diesem Sinne... Auf euch!", stimmte Ino an und hob ihr Glas. "Wohl eher auf dich.", korrigierte Lee und alle stimmten zu. "Auf Ino!", erklang ein Stimmenchor und allgemeines Gläserklirren war zu hören. "So, das ist erledigt.... Und nun?", erkundigte ich mich, als ich mein Glas geleert hatte; Ich hatte gute Laune und wenn das der Fall war, war ich noch hibbeliger als normalerweise. "Wir werden uns jetzt wohl zurückziehen und euch junge Leute in Ruhe lassen.", verkündete Mrs. Yamanaka und ihr Mann stimmte zu. Die beiden verabschiedeten sich in der Runde, küssten ihre Tochter und stiegen in ein Auto, das auf der anderen Straßenseite geparkt hatte. Als sie weg waren, diskutierte man meine Frage und kam schließlich zu dem Schluss, einfach im Laden die restlichen Alkoholvorräte zu plündern und somit zu feiern. "Ich würde vorschlagen, wir gehen dann auch.", schlug Itachi vor, als meine Freunde in den Laden strömten. "Ach was - Sasuke, du bleibst doch noch, oder?", widersprach ich hoffnungsvoll. Sie ließ den Blick zwischen mir und ihrem Bruder hin und her wandern, wusste offenbar nicht, was sie sagen sollte. Bevor sie überhaupt antworten konnte, nahm Itachi ihr das Wort aus dem Mund: "Es ist spät, du solltest nicht mehr alleine unterwegs sein. Komm jetzt." Der gebieterische Tonfall gefiel mir nicht und ich trat instinktiv näher zu Sasuke. "Ich bring sie schon sicher nach Hause. Davon abgesehen, dass sie glaub ich alt genug ist, selbst zu wissen, was sie will, oder?" Der ältere Uchiha blickte mich kühl an. "Sie ist meine Schwester. Es ist meine Aufgabe, auf sie aufzupassen." "Ja, aber sie..." "Ich bleibe.", unterbrach Sasuke unser Gezanke schneidend. Sie mied den Blick ihres Bruders, klang aber fest, als sie fortfuhr: "Geh nach Hause. Naruto bringt mich heim." Die Spannung, die diese Worte zwischen den Geschwistern aufbaute, ließ mich vermuten, dass Sasuke normalerweise nicht widersprach. Itachi schien erstaunt, schnaubte dann mit einem gewissen Amüsement und nickte schließlich. "Wie du meinst. Vater wird zwar nicht begeistert sein, dass du deine Pflichten vernachlässigst, um dich rumzutreiben, aber Naruto-kun hat Recht. Du bist alt genug, um deine eigenen Entscheidungen zu treffen." "Gehst du schon, Itachi?", erkundigte sich Sakura, die gerade aus dem Laden kam um zu sehen, wo wir blieben. Sie war offenbar enttäuscht. Von drinnen war inzwischen Gelächter und Musik zu hören. "Ich fürchte, ich bin ein bisschen zu alt für eure Gesellschaft.", lächelte Itachi charmant und blieb bei der Meinung, obwohl das Mädchen versuchte, ihn zum Bleiben zu bewegen. "Passt mir gut auf meine Schwester auf.", waren seine Worte des Abschieds, als er die Straße hinunter ging. Sasuke war während der letzten Minuten im Vergleich zum Rest des Abends sehr still gewesen und ich warf ihr einen besorgten Blick zu. "Hättest du doch lieber gehen wollen?" Sie schüttelte den Kopf. "Nein. Lasst uns reingehen." Obwohl ich mir nicht sicher war, ob wirklich alles in Ordnung war, überwog die Freude, dass sie endlich erlaubte, in meinen Freundeskreis integriert zu werden. Ich führte sie in den kleinen Verkaufsraum, wo meine neugierigen Freunde sie umschwärmten. Die spannende Frage war jetzt: Wie würde Sasuke, die sonst so scheu war, auf die unvermeidbare Neugierde meiner Clique reagieren? Kapitel 8: Die Neue ------------------- Die anderen waren, wie zu erwarten gewesen war, sehr interessiert an Sasuke. Sobald wir den Laden betraten, warfen alle uns Blicke zu. Ich sah etwas nervös zu ihr runter; Hoffentlich würde ihr das nicht alles wieder zu viel, sodass sie so verängstigt wie am Nachmittag reagierte. "Also Leute, wer es noch nicht mitbekommen hat: Das hier ist Sasuke.", stellte ich sie allgemein vor, dann deutete ich auf meine Freunde, um ihre Namen zu nennen: "Tenten kennst du ja - Und das ist ihr Freund Neji. Daneben sind Kiba und Hinata und das sind..." "So viele Namen kann sich doch keiner auf einen Schlag merken, Idiot!", mischte Sakura sich ein, die mir unsanft in die Seite boxte. Sasuke dagegen lächelte sie zuckersüß an. "Tut mir Leid, Sasuke-kun. Möchtest du was trinken?" Sie nickte und folgte dem anderen Mädchen zum früheren Buffet, das inzwischen zur Bar umfunktioniert worden war; Reste von Sekt, ein paar Flaschen Bier und von Tenten hergestellter Erdbeerlimes hatten es sich darauf bequem gemacht. Ich folgte den Damen, um mir ein Bier zu nehmen, sah aber, dass Sakura Sasuke mit den anderen Frauen bekannt machte und ließ sie in Ruhe. Stattdessen gesellte ich mich zu Shikamaru und Temari, die am Verkaufstresen herumlungerten. "Hey ihr zwei. Und, schon das Hochzeitsbouquet vorbestellt?", grinste ich, worüber beide nur die Augen verdrehten. Natürlich planten sie noch keine Vermählung. "Klar. Wir überlegen grad, ob wir rosane oder doch traditionell rote Rosen nehmen. Was meinst du?", erwiderte die Blondine mit dem ihr eigenen trockenen Humor. "Hmm... Zu dir als Blondchen passt rosa wohl besser.", empfahl ich gut gelaunt. "Stimmt, du kennst dich da ja selbst aus, Blondie. Danke für den Tipp." Sie setzte sich auf die Theke, überschlug die Beine und sah zu den anderen Mädchen, die miteinander sprachen. "Ist wohl doch kein Phantom, deine Sasuke." "Ich hab euch schon die ganze Zeit gesagt, ihr sollt aufhören, sie so zu nennen, Mann! Und natürlich gibt es sie wirklich, ich denk mir doch keine Leute aus." "Nachdem Kyubi gemeint hat, er wüsste nicht, wovon du redest, waren wir da nicht mehr so sicher.", bemerkte Shikamaru. Ich blies empört die Wangen auf und gestikulierte wütend mit dem Bier in Richtung meines besten Freundes. "Der hat mich nur verarscht, der Saftsack! Hättet ihr euch ja auch mal denken können, immerhin macht er das ständig!" "Jaa, du armes Baby." "Pf, ich kann mich schon wehren." "Jetzt entscheide dich mal.", schmunzelte Temari. "Willst du Mitleid oder nicht?" "Ehrlich gemeintes schon... Aber Schluss jetzt damit.", bestimmte ich, da mich die ewige Debatte um Sasukes Existenz langsam nervte. "Wo ist eigentlich Gaara?" "Shukaku ist nicht so der Blumen-Typ." Shikamaru grinste schief, als er das sagte; Tatsächlich war es eine lustige Vorstellung, der leicht cholerische Mann mit einem Strauß Rosen in der Hand. "Stimmt wohl...", lachte ich. "Aber ihr zwei ja auch nicht so unbedingt." "Ja - Aber Ino ist nicht Gaaras langjährige beste Freundin. Mir blieb nichts anderes übrig als zu kommen, sonst wär ich wohl ein mieser Kumpel.", gab Shikamaru zu bedenken. "Jaja, und jetzt hockst du hier abgeschottet mit deiner Freundin. Das ist natürlich der beste Buddy der Welt, da hast du Recht." "Wieso abgeschottet? Wir reden doch mit dir. Fühl dich geehrt.", konterte Temari gelassen. Sie hatte den Arm um die Schultern ihres Freundes gelegt und seine Hand ruhte auf ihrem Bein. Irgendwie waren die zwei ja doch ganz süß... Auf ihre eigene ironische, verschrobene Art und Weise. "Ja klar. Ich schreib das sicher in mein Tagebuch.", zwinkerte ich ihr zu. "Ich lass euch Turteltauben jetzt aber auch mal allein, ne? Bis gleich." "Gehst du Phantome jagen?", rief Shikamaru mir nach, aber ich ignorierte ihn. Ich gesellte mich zu der kleinen Gruppe am Buffet, die inzwischen aus Sasuke, Kiba, Hinata und Kyubi bestand. Die drei Letzteren unterhielten sich angeregt miteinander, während die erste eher gedankenversunken mit ihrem Glas Orangensaft spielte. Ein paar ihrer widerspenstigen Haare hatten sich aus der zuvor noch ordentlich sitzenden Frisur gelöst und der Kajal hatte sich dunkel um ihre Augen verteilt, als hätte sie es genauso beabsichtigt. So kitschig es auch war, mir schoss der Gedanke durch den Kopf, ob es nicht verboten war, so schön zu sein. "Na? Über wen lästert ihr?", fragte ich in der Hoffnung, mir nichts von meinem schmalzigen Gedanken anmerken zu lassen. "Nur über dich.", entgegnete Kiba grinsend. "Waas? Auch du, Hinata?", fragte ich das Mädchen mit tiefer, ernster Stimme als ob ich Cäsar wäre und sie Brutus. Sie hatte wohl nicht damit gerechnet, angesprochen zu werden, denn sie lief tiefrot an und stammelte: "Wa-Was...? Nein, ich... Äh..." "Leugnen hilft nichts! Mitgehangen, mitgefangen!" "A-Aber... Naruto-kun...!" Jetzt hatte ich es wohl übertrieben, denn sie sah mich ernsthaft traurig an. Hinata war ein zartes Persönchen, das schon mal in Ohnmacht gefallen war, als ich sie scherzeshalber auf den Arm genommen hatte, also war ich lieber vorsichtig mit ihr. Bevor sie noch in Tränen ausbrach hob ich beschwichtigend die Hände und lachte. "Das war doch nur ein Scherz! Ich weiß doch, dass du nicht so fies bist wie die anderen hier." Ich tätschelte ihren Kopf, woraufhin dieser noch röter wurde. Sie blickte auf meine Brust, während sie mit ihren Fingern spielte, lächelte jetzt aber wieder scheu. "A-Ach so..." "Alter! Musst du immer so eine Show abziehen?", lachte Kiba und legte den Arm um seine Freundin, wodurch meine Hand von ihrem Haar rutschte. "Du bist echt unsensibel!" "Da musst du ja gerade reden.", kommentierte Kyubi amüsiert, denn Hinata war es scheinbar auch peinlich, an die Seite ihres Freundes gedrückt zu sein, so rot, wie sie gerade war. "Was willst du jetzt eigentlich, Mann? Ich bin total rücksichtsvoll, oder? Sags ihnen, Süße!" "Nur kein Druck.", warf ich grinsend ein und jetzt wusste Hinata wirklich nicht mehr, was sie sagen sollte, denn ihr Blick huschte von einem zum anderen und sie stammelte unverständliche Laute. Als klar wurde, dass von ihr keine Antwort mehr zu erwarten war, wechselte ich das Thema: "Hm, na ja, ist ja auch egal. Worüber habt ihr denn geredet?" "Wir haben Sasuke von deinen Heldentaten als Kind erzählt." Kibas Augen bekamen bei dieser Aussage einen fiesen Glanz, was mich ernstlich nervös machte. Als Teenager hatte ich eine Zeit gehabt, auf die ich aus heutiger Sicht alles andere als stolz war... "Ach ja...? Was denn für Taten?", erkundigte ich mich bei Sasuke. "Zum Beispiel weiß ich jetzt, dass du deinen Großvater auf den Balkon gesperrt hast." "Aaaah...", lachte ich erleichtert; Bevor ich zehn geworden war, waren meine ´Streiche` vielleicht noch lustig gewesen. "Jaa, damit war ich sogar im Radio! Haben sie das auch erzählt?" "Nein." "Was? Das ist das Beste an der Geschichte!" "Du bist so stolz darauf, da dachten wir, du willst es selbst erzählen.", behauptete Kyubi. Natürlich glaubte ich ihm kein Wort. "Also?", erkundigte Sasuke sich, offenbar amüsiert. "Ich war deswegen im Radio!", grinste ich äußerst zufrieden woraufhin sie die Augen verdrehte. "Das hab ich gehört." "Huh? Oh, wenn du mehr hören willst, hättest du vorhin meine Großeltern fragen müssen, ich war da noch zu klein. Aber Jiraiya hält mir das bis heute vor." "Es war ja auch mitten im Winter, hatte minus zehn Grad, es lag Schnee und er ist erst wieder reingekommen, als Tsunade drei Stunden später zurückgekommen ist.", klärte Kyubi auf. Sasuke schnaubte amüsiert. "Und so jemand will Lehrer werden?" "Das sag ich auch immer!", mischte Kiba sich grinsend ein. "Wenn du wüsstest, was er alles angestellt hat, so als Teenager..." "So? Was denn?" "Ni-Nichts!", warf ich rasch dazwischen und wedelte mit den Händen, während ich Kiba warnende Blicke zuschoss. "Nur den üblichen Kram, den Teenager halt so anstellen!" "I-Ich glaube, du wirst ein toller Lehrer, Naruto-kun...", flüsterte Hinata mit einem scheuen Lächeln, das ich dankbar erwiderte. "Danke! Natürlich werd ich das, immerhin ist das meine Berufung! Was ist eigentlich mit dir? Wie läuft die Kunst?" "Kunst i-ist es ja nicht..." Sie hatte im letzten Herbst ein Architekturstudium angefangen, war sich ihrer Sache aber scheinbar noch nicht so richtig sicher. Andererseits war Hinata sich selten bei etwas sicher. Sie sah auf meine Brust und zupfte am T-Shirt ihres Freundes. "Aber das... Das Studium ma-macht Spaß u-und meine Noten waren au-auch ganz ok..." "Ganz ok? Du warst eine der Besten aus deinem Jahrgang!", korrigierte Kiba laut, woraufhin Hinata noch röter anlief. Er lächelte sanft und küsste ihren Kopf. "Du kannst ruhig stolz auf dich sein, Süße." "N-Na ja..." "Nichts na ja! Das ist super, Hinata, ich bin echt beeindruckt! Aber wir wussten ja schon immer, dass du es voll drauf hast!", schloss ich mich der Meinung meines Kumpels an. Jetzt blickte sie doch auf, ein unsicheres, winziges Lächeln auf den Lippen. "Fi-Findest du, Naruto-kun...?" "Ja, natürlich. Die Entwürfe für das Gebäude, die du mir damals gezeigt hast, waren echt Klasse." "Oh... Danke..." "Ich würde da sofort einziehen wollen." "E-es sind doch nur Entwürfe...", versuchte sie, meine Begeisterung zu bremsen, obwohl sie merklich geschmeichelt war. "Ach Quatsch, die werden schon noch umgesetzt! Und dann gründen wir da eine WG, ok?" Sie gab ein klägliches "Naruto-kun...", von sich, konnte mich aber nicht wirklich zurückhalten, sodass ich bereits dabei war, unsere Einrichtung zu planen und wie wir das in der WG zu dritt regeln konnten. "Ich glaub, Neji hat dich gerufen, Hinata.", behauptete Kiba plötzlich. Hinata sah verwirrt zu ihrem Cousin, welcher nicht mal in unsere Richtung blickte, aber bevor sie etwas sagen konnte, führte Kiba seine Freundin in die Richtung ihres Vetters davon. Irritiert schaute ich ihnen nach. "Habt ihr gehört, dass er was gesagt hätte?" Kyubi und Sasuke warfen sich Blicke zu und seufzten tief. "Du kapierst auch gar nichts, oder?", fragte das einzig verbliebene Mädchen ernüchtert. "Häh? Was meinst du?" Sie schüttelte nur den Kopf und als ich Kyubi ansah hob dieser abtuend die Hand. "Ich halt mich da raus... Bin jetzt eh langsam weg. Soll ich einen von euch heim nehmen?" "Nein.", erwiderte Sasuke sofort. "Jo, dann bleib ich wohl auch noch ein bisschen.", schloss ich mich, ganz der Gentleman, an. "Wie ihr meint. War schön, dich mal wieder zu sehen, Sasuke.", lächelte er sie an und reichte ihr die Hand, bevor er sich abwandte, um sich von der Gastgeberin und den anderen zu verabschieden. So blieben Sasuke und ich alleine zurück. Es freute mich, dass sie noch bleiben wollte, denn das musste bedeuten, dass sie meine Freunde nicht ganz schrecklich fand. Zufrieden mit dieser Erkenntnis faltete ich die Hände hinter dem Kopf und grinste sie an. "Na, wie gefällt´s dir so bisher?" "Es ist ganz ok... Aber versuch nicht vom Thema abzulenken. Was hast du als Kind sonst noch so angestellt?" Ich lächelte gequält; Eigentlich hatte ich nicht darüber reden wollen, aber wenn Sasuke einmal von sich aus fragte, musste ich ja wohl fast antworten. "Uh, lass mich überlegen...", bat ich und tat dann auch genau das. Was konnte ich ihr erzählen, ohne zu viel zu verraten? Es war ja nicht so, dass ich diesen Teil meines Lebens verheimlichen wollte, nur war jetzt wohl nicht der richtige Moment, ihr davon zu erzählen, dass ich schon mal eingebrochen war und mich früher oft geprügelt hatte. Schließlich fiel mir eine Geschichte ein, die sie lustig finden könnte: "Ah ja! Einmal, als ich noch siebzehn war, wollte ich unbedingt mit Kyubi in einen Club gehen. Er war schon neunzehn, also kein Problem, aber wie sollte ich da jetzt rein kommen?" Ich sah Sasuke erwartungsvoll an, doch anstatt zu raten, zog sie nur eine Augenbraue hoch, also erzählte ich weiter: "Ein Kumpel von Kyubi hat mir seinen Ausweis geliehen und ist halt eine Weile vor mir reingegangen... Leider hat der Türsteher das gecheckt und uns rausgezogen." "Was für eine Überraschung.", kommentierte Sasuke seufzend. "Hehe, eigentlich nicht. Der Freund war nämlich brünett." Ich lachte, obwohl sie entnervt den Kopf schüttelte. "Idiot." "Hey, du wolltest doch hören, was ich so getrieben habe! Außerdem geht die Geschichte noch weiter." "Was kannst du denn da noch draufgesetzt haben?" "Wart´s mal ab!", grinste ich geheimnisvoll und gönnte mir noch einen Schluck Bier. "Jedenfalls hat der Türsteher, der olle Langweiler, gemeint, er muss die Polizei rufen. Die haben mich und den Typ, dem der Ausweis gehörte, dann mitgenommen und verhört, bis meine Großeltern kamen... Man, war Tsunade sauer." "Kann ich mir kaum vorstellen." "Doch - Ich wäre fast lieber auf der Wache geblieben!", behauptete ich. "Na ja, jedenfalls hab ich gesagt, ich hätte den Ausweis geklaut, weil der Typ ja schon volljährig war und sonst krass Ärger bekommen hätte. Deswegen musste ich dann in eine Therapie, in der mich so ne Tussi gefragt hat, was ich mir dabei gedacht hätte und wie ich das Vertrauen eines Freundes so missbrauchen könnte... Ich musste mich zusammenreißen, um nicht zu lachen. Schlussendlich musste ich dann in einem Kindergarten Sozialstunden ableisten und das war es." "Die haben einen Verbrecher auf Kinder losgelassen?", erkundigte Sasuke sich trocken. "Hey, ich bin kein Verbrecher! Er hat mir den Ausweis freiwillig gegeben!", beschwerte ich mich, musste dann aber doch lachen. "Aber eigentlich war genau das das Lustige daran; Ich durfte nämlich nichts mit den Kindern zu tun haben, sondern musste warten, bis die weg waren, bevor ich den Raum betreten und putzen durfte. Das war echt krass, als wär ich ein Kinderschänder oder so." "Nun, ein gutes Vorbild bist du nicht. Überleg dir das mit dem Lehramtsstudium nochmal.", riet sie sachlich, woraufhin ich empört schnaufte. "Ich werde der beste Lehrer, den es je gab, ok?!" "Sag mir vorher Bescheid, auf welcher Schule du unterrichtest, dann kann ich meine Kinder wo anders hinschicken." "Da verpassen sie aber was.", behauptete ich grinsend. "Aber mal was anderes... Du willst Kinder? Hätte ich jetzt nicht gedacht!" Sie wandte den Blick ab und man sah ihr deutlich an, dass ihr das Thema unangenehm war. "Das war nur so daher gesagt..." "Ach was. Wetten, du willst eigentlich eine ganze Horde? Das war ein freudiger Versprecher!" Sie sah einen Moment verdutzt aus, dann schüttelte sie schmunzelnd den Kopf. "Meinst du vielleicht ´Freud’scher Versprecher`?" "Äh, ja, das auch. Aber jetzt hast du eine Story von mir gehört, da will ich als Ausgleich eine von dir. Was war das Verrückteste, das du je angestellt hast?“, fragte ich gespannt. Sasuke blinzelte, überlegte einen Moment und gestand dann: „Mit dir kann ich nicht mithalten.“ „Das ist sowieso klar.“, grinste ich und kratzte mich an der Nase. „Aber irgendwas Cooles hast du doch bestimmt schon mal angestellt!“ „Nicht, dass ich wüsste.“ „Echt?“ Als sie den Kopf schüttelte, stieß ich verblüfft die Luft zwischen den Zähnen aus. „Wow… Das tut mir leid.“ „Ich vermisse es nicht, mit dem Gesetz in Konflikt zu liegen.“ Scheinbar war sie pikiert, denn sie verschränkte die Arme und drehte das Gesicht weg. Ich war überrascht von Sasukes Reaktion, denn ich hielt sie für ein wenig spießig und hätte nicht gedacht, dass sie mein kleiner Scherz so treffen würde. Dann überlegte ich, dass sie schon mal gesagt hatte, dass in ihrer Familie vieles ´anders` geregelt würde – Wie genau hatte sie nicht definiert – Und sie somit vielleicht gar nicht die Möglichkeit gehabt hatte, mal ein bisschen auszurasten. Auch Itachi sprach sehr dafür, immerhin wirkte sein ganzes Verhalten nicht wie das eines Mannes von Mitte zwanzig. Er war nicht steif gewesen, hatte aber meine Freunde mit einer wohlwollenden Reserviertheit behandelt, die man sonst eher wesentlich jüngeren Mitmenschen entgegenbrachte, nicht Leuten, die vielleicht vier, fünf Jahre jünger waren. „Hmm, tja, dann hast du dir jetzt aber die falschen Freunde ausgesucht.“, versuchte ich, die Situation wieder aufzulockern, indem ich wild mit den Augenbrauen wackelte. „Ich bin ein ganz schlimmer Finger!“ Kurz schürzte Sasuke die Lippen, doch dann konnte sie sich eines Schmunzelns nicht erwehren und wandte sich kopfschüttelnd ab. In dem Moment kam unsere Gastgeberin vorbei und hielt mir ein Cocktailglas unter die Nase, in dem geviertelte Limetten trieben wie Strandgut. „Was ist das?“, fragte ich, mit spitzen Fingern das Getränk nehmend. „Ein Caipirinha!“, erklärte Ino mit einem Grinsen, das mich das Schlimmste erwarten ließ. „Nur für dich. Los, probier mal!“ Ich wusste, dass ich es bereuen wurde, nahm aber trotzdem einen Schluck. Augenblicklich zog sich jeder Muskel in meinem Gesicht zusammen und ein heftiger Schauer überlief meinen Rücken. „Mhmmmm, das ist aber ein… Caipirinha!“, lobte ich sarkastisch und hielt auch Sasuke das Glas hin. „Den darfst du dir nicht entgehen lassen.“ „Ich glaube, das werde ich aber.“, erwiderte sie staubtrocken. Kiba, der wieder zu uns trat, nahm mir das Getränk ab und nahm mutig einen großen Zug, von dem er in heftiges Husten ausbrach. „Fuck, Ino! Was hast du gemacht?!“ „Das war mein erster Versuch!“, klagte die Blondine mit einem verlegenen Lachen. „Ich hab mich aber ans Rezept gehalten.“ „Boa… Das schmeckt wie die Leiche eines Caipirinhas.“, stellte ich nach einem weiteren Probeschluck fest. Dann schwenkte ich das Glas in Kibas Richtung. „Zehn Euro wenn du es trinkst.“ „Spinnst du? Ich will nicht verrecken, Alter!“, stöhnte er und schlug nach dem Todesgebräu. „Schütt es in irgendeinen Topf, dann ist es weg.“ Empört nahm Ino mir ihren sogenannten Cockatil ab und hielt ihn an die Brust gedrückt wie eine Bombe. „Wehe, ihr bringt auch nur eine meiner Pflanzen damit um.“ Völlig unerwartet griff Sasuke in das Geschehen ein, indem sie Ino das Glas abnahm und es mit einem Zug leerte. Wir starrten sie alle noch verblüfft an, als sie kokett das Haar hinters Ohr strich und an mich gewandt meinte: „Du schuldest mir zehn Euro.“ „Aaaalter!“, lachte Kiba so laut, dass die anderen uns neugierige Blicke zuwarfen. Er hob die Hand, doch Sasuke verstand nicht, was er meinte, also nahm er ihr Handgelenk und ließ ihre Handflächen für ein Highfive gegeneinander klatschten. „Sie hat Eier in der Hose! Die Kleine mag ich!“ Ich auch, dachte ich und gab ihr mit einer Mischung aus Amüsement und Wehmut ihren Wetteinsatz. Diesen reichte sie aber gleich an Ino weiter mit den Worten: „Für die Getränke.“ „Eeeeh?! Dafür zahlt man unter Freunden doch nichts!!“, protestierte ich und Kiba stimmte mir zu, vermutlich, weil er nicht wollte, dass sich das jetzt einbürgerte. Ino dagegen warf uns vielsagende Blicke zu. „Vielleicht sollte man das aber, anstatt immer zu schnorren! Ist ja auch nicht umsonst, der Fusel, mit dem ihr euch hier besauft.“ „Wir haben ja auch die Hälfte davon gekauft.“ Ich nickte Kiba bekräftigend zu. „Genau. Und bei mir zu Hause müsst ihr ja auch nichts zahlen. Soll ich das mal einführen?“ „Wenn, müssten das deine Großeltern einführen.“, mischte sich Sakura ein, die mit einem Sektglas in der Hand herübergeschlendert kam. Sie lehnte sich an die provisorische Theke, sodass sie zwischen Sasuke und mir stand. Zwar hatte sie ihre eigene Wohnung, allerdings wurde diese größtenteils von ihren Eltern finanziert, genauso wie der Rest ihres Studiums. Ihre Familie kam aus dem soliden Mittelstand und sie war Einzelkind, deshalb konnte viel Geld für ihre Ausbildung aufgewendet werden. Außerdem ließen Sakuras Noten darauf schließen, dass sich diese Investition auszahlen würde. Schnaubend winkte ich ab. „Bei uns ist der Gast König. Das wisst ihr auch, sonst würdet ihr ja nicht ständig bei uns herumlungern.“ Das Gespräch plätscherte von einem zum anderen, nur unterbrochen von den sich langsam verabschiedenden Freunden. Da Sasuke keine Anzeichen machte, gehen zu wollen, tat ich das auch nicht, immerhin hatte ich ihrem Bruder versprochen, sie sicher nach Hause zu bringen. Vor dem musste ich ja schließlich einen guten Eindruck machen. Itachi machte nämlich den Anschein, als würde er mit Argusaugen über seine kleine Schwester wachen, und wenn ich unsere Freundschaft aufrechterhalten wollte, würde ich diesen Augen wohl genügen müssen. Zwei Stunden später waren nur noch die frischgebackene Ladenbesitzerin, Choji, Shikamari und Temari sowie Sasuke und ich da. Wir stießen ein letztes Mal an, dann machten wir uns daran, die Überreste der Party aufzuräumen. Während ich ein paar heruntergefallene Blütenblätter und Flaschendeckel einsammelte, näherte ich mich unbefangen Ino. „Hast du, worum ich dich gebeten hatte?“, fragte ich. Sie warf zwar Sasuke einen zweifelnden Blick zu, nickte jedoch und verschwand im kleinen Hinterzimmer, aus dem sie kurze Zeit später mit einem großen Strauß zurückkehrte, in dessen Zentrum eine blau eingefärbte Orchidee saß. Auch die anderen Blumen waren blau, allerdings natürlich. Es war ein beeindruckendes, hoch aufragendes Konstrukt, das die Anwesenden neugierig und mit gebührendem Lob zur Kenntnis nahmen. „Für wen ist das Monster denn?“, wollte Temari wissen, kurz bevor ich das Arrangement an mich nahm und mich damit Sasuke zuwandte. Ich lächelte sie warm an und hielt ihr die Blumen hin. „Für dich.“, erklärte ich und sie nahm wohl automatisch den Strauß entgegen. „Für alles, was du für mich getan hast. Ich glaube, ich habe dir noch gar nicht gesagt, wie dankbar ich dir für alles bin, was du getan hast.“ Sasukes Augen weiteten sich, aber nach der Überraschung legte sich nicht die erwartete Freude und Verlegenheit auf ihre Züge, sondern Verärgerung. „Ich habe dir schon gesagt, dass ich so etwas nicht möchte.“, zischte sie, dann wandte sie sich ab und sammelte etwas umständlich ihre Habseligkeiten ein, bevor sie das Geschäft verließ. Es sah lustig aus wie der Strauß bei ihrem Abgang vor ihr her wackelte, aber niemand lachte. „Was war das denn?“, fragte Shikamaru überrascht. „Nun lauf ihr schon nach, du Idiot!“, rief Ino ungeduldig. Stockend kam ich ihrer Aufforderung nach, nicht sicher, was ich gerade gesehen hatte. Dass Sasuke kompliziert war, war mir schon klar gewesen, aber so auf ein Geschenk zu reagieren, war einfach unhöflich und das passte so gar nicht zu ihr. Sie hatte den Strauß sogar auf den Boden geworfen, stellte ich fest als ich über den Parkplatz von Inos Laden ging. Ich hob die Blumen auf, zupfte sie etwas zu Recht und sah mich dann unschlüssig um. Natürlich hatte ich keine Ahnung, wohin der Flüchtling gelaufen war. Allerdings hatte sie kein Fortbewegungsmittel und soweit ich wusste, war es zu ihr nach Hause zu weit zum Laufen – Ganz im Gegensatz zu der nahegelegenen Bahnstation. Dorthin joggte ich in gemütlichem Tempo, um Sasuke Zeit zu geben, sich zu beruhigen und mir zum Nachdenken. Es war nicht das erste Mal, dass sie einfach so davon gestürmt war; Am Anfang unserer Bekanntschaft hatte sie mich ja sogar als Stalker beschimpft. Allerdings hatte ich gedacht, über diese Phase wären wir inzwischen hinaus. Ich hatte wirklich gedacht, sie mittlerweile zu kennen, aber da hatte ich mich offensichtlich ganz grundlegend getäuscht. Frustriert von dieser Erkenntnis kickte ich ein Steinchen vor mir her über den Bürgersteig. Es war einfach so schwer, zu erraten, auf was Sasuke empfindlich reagierte und auf was mit ihrer üblichen sarkastischen Überheblichkeit, weil sie so grundlegend anders war als alle Frauen, die ich kannte. Die einzige, die ihr vielleicht noch ein bisschen ähnlich war, war Temari, und selbst die war durchschaubarer. Sie hätte zwar Witze über den Strauß gemacht, die Geste aber nie so abgewiesen, wie Sasuke es getan hatte. Das war ja fast, als hätte ich sie geschlagen… So spät abends war der Bahnhof verlassen. Zuerst sah ich nichts außer ein paar Essensverpackungen, die vom Wind vorbeigetrieben wurden, aber dann fuhr die Bahn ein und Sasuke kam aus ihrem Versteck hinter einem Reklameschild hervor. Weil sie mich nicht anschnauzte, dass ich gehen sollte, schlenderte ich ihr nach in den Zug und lehnte mich an die gläserne Absperrung, die die offenen Sitzreihen von den Durchgängen trennten. „Also… Wirst du nichts erklären?“, fragte ich, nachdem sie eine Weile schweigend aus dem Fenster gesehen hatte. Ich sah ihre Augen im Glas blitzen. „Du bist mir nachgelaufen. Also solltest du dich eher erklären.“ „Ich wollte wissen, warum du mich wie einen Kriminellen behandelst, weil ich dir einen beschissenen Blumenstrauß geschenkt habe.“, antwortete ich gereizter, als ich selbst erwartet hatte. Ihre Reaktion hatte mich wohl mehr getroffen, als ich zuerst angenommen hatte. „Schnauz mich nicht an.“ „Du hast damit angefangen.“ Sie starrte mich wütend an, aber ich war nicht bereit, einzuknicken. Nicht dieses Mal. Nicht, wenn sie so eindeutig Unrecht hatte. Schließlich wandte Sasuke sich wieder ab. „Ich habe dich nicht angeschnauzt, sondern ein Geschenk abgewiesen – Was mein gutes Recht ist.“ „Aber nicht so. Das war respektlos und unhöflich. Nicht nur mir gegenüber, sondern auch Ino. Sie hat sich Mühe hiermit gegeben…“ – Ich wedelte mit den zerfledderten Blumen in ihre Richtung – „Und du schmeißt es einfach auf den Boden!“ „Dann sollte sie nicht so überempfindlich sein.“, schoss Sasuke zurück, womit sie eindeutig mich meinte. Ich lachte höhnisch. „Wer reagiert hier denn gerade über? Es sind Blumen, Sasuke, kein… Ehering.“, endete ich nach kurzem Zögern, denn das war es ja wohl, wovor sie solche Angst hatte: Die Bedeutung meiner Geste. Ich setzte mich auf die Bank des ihr gegenübergelegenen Sitzabteils und sah sie eindringlich an – Ich wusste, dass sie es im Fenster mitbekam, obwohl sie sich weigerte, sich zu mir umzudrehen. „Das war ein Zeichen meiner Dankbarkeit – Ohne dich hätte ich diese Prüfungen wirklich nicht gepackt. Du hast mir den Arsch gerettet, Sasuke, ist dir das überhaupt bewusst?“ „Ich hab nicht…“ „Doch, hast du. Du hast mich motiviert, mir einen Plan und eine Struktur gegeben. Du hast mir gezeigt, wo ich anfangen muss. Und außerdem… Außerdem hast du mir deine Freundschaft gegeben.“, fügte ich errötend hinzu. Sie schnaubte über die kitschigen Worte, aber mir quollen gerade meine Gefühle über die Zunge und ich konnte sie nicht aufhalten. „Du hast mehr als deutlich gemacht, dass du nur mit mir befreundet sein willst und das ist ok für mich. Ich hab nichts getan, um mich an dich ranzumachen, oder? Nur… Scheinst du nicht mal zu wissen, was es überhaupt heißt, wenn man mit jemandem flirtet.“ „Wie kommst du denn darauf?“, fragte sie und drehte sich jetzt doch zu mir um. Die Verärgerung in ihrem Blick war gewichen, und wenn ich es nicht besser gewusst hätte, hätte ich gesagt, dass sie ein wenig verlegen wirkte. „Weil du jeden Mann, der mit dir redet, gleich verdächtigst, dich anzubaggern. Ich hab vorhin genau gemerkt, wie distanziert du mit den Jungs geredet hast. Stimmt´s nicht?“ Abweisend verschränkte Sasuke die Arme vor der Brust. „Ich kenne deine Freunde nicht. Wieso sollte ich vertraut mit ihnen umgehen?“ „Ach komm, gib wenigstens zu, dass ich Recht hab!“, grinste ich und schlug mit den Blumen auf ihr Bein. „Du arrogante Tussi, ey! Nicht jeder Typ, der mit dir redet, will dich gleich rumbekommen!“ „So? Da hab ich aber anderes erlebt.“, sagte sie so leise, dass meine gute Laune verflog. Ich leckte mir über die Lippen, nicht sicher, ob ich weiter nachfragen sollte. Ich hatte mir heute schon zwei Strikes geleistet und wollte sie nicht sofort wieder verärgern. Dann siegte aber meine Neugierde: „Was denn?“ Sie zögerte so lange, dass ich schon glaubte, sie würde nicht mehr antworten. „Wie ich schon sagte, ist mein Vater ein einflussreicher Geschäftsmann. Mei… Itachi und ich müssen ihn auf viele öffentliche Events begleiten.“ „Und da wirst du so oft angegraben?“, bohrte ich weiter, als Sasuke verstummte. Sie machte eine wegwerfende Handbewegung. „Hör endlich auf mit diesem Wort. Das klingt, als wärst du zwölf.“, tadelte sie, bevor sie fortfuhr. „Aber… In gewisser Weise hast du Recht. Einige der jüngeren Kollegen meines Vaters haben sich wohl einen geschäftlichen Vorteil daraus erhofft, mich zu umwerben, denn sobald ich sechzehn wurde schickten sie ihre Söhne zu mir. Zuerst war ich nur irritiert, dann, als mir aufging, was sie vorhatten, richtig sauer. Irgendeiner kam mit einem Strauß Blumen…“ – An diese Stelle nahm sie mir das Bouquet ab und zupfte an den Blüten – „Aber weil er der dritte an diesem Abend war, war ich so sauer, dass ich ihm das Geschenk aus der Hand geschlagen hab.“ „Kann ich mir gar nicht vorstellen.“, spöttelte ich. Sasuke warf mir einen säuerlichen Blick zu. „Danach hat sich auch noch herausgestellt, dass er mich wirklich mochte. Das war unangenehm…“ „Du… Du warst so sauer auf deine Fake-Verehrer, dass du das Herz des einzigen richtigen in den Schmutz geworfen und zertrampelt hast?“, fragte ich ungläubig und lachte brüllend los, als sie mürrisch nickte. „Das nennt man dann wohl Ironie des Schicksals!“, johlte ich, wofür ich einen äußerst schmerzhaften Tritt gegen das Schienbein kassierte. „Halt die Klappe, Idiot… Du bist immer so laut.“ „Komm schon, das ist köstlich!“, kicherte ich mit tränenden Augen. Ich brauchte noch eine ganze Weile, bis ich mich beruhigt hatte, dann richtete ich den Blick beeindruckt auf den Blumenstrauß. Irgendwie hatte Sasuke es geschafft, die Spuren der Misshandlung aus dem Grünzeug zu entfernen. „Wow, wie hast du das denn gemacht?“ Sie zuckte die Schultern und legte den Strauß über den Schoß wie ein Ritter sein Schwert. Offensichtich war sie noch beleidigt. „Jetzt komm schon, es tut mir doch leid. Wenigstens versteh ich, warum du kein Fan von Blumen bist.“ „Das hat nichts mit diesem Vorfall zu tun.“, antwortete sie ein wenig zu pikiert, als dass ich ihr geglaubt hätte. Sie strich über eine der stachelig aussehenden Feldblumen, die ´Jungfer im Grünen` hieß, wie Ino mir erklärt hatte. Sie hatte auch angedeutet, dass ihre Bedeutung irgendwas mit verschmähter Liebe zu tun hatte, aber die Semantik von Blumen hatte mich noch nie interessiert. Und wenn, wäre es irgendwie passend gewesen, obwohl ich hoffte, dass Sasuke diesen Hintergrund nicht kannte. „Ich finde einfach, dass Blumen überbewertet sind.“ „So? Aber sie sind doch ein schönes Zeichen der Wertschätzung. Außerdem kommt es doch nicht auf das Geschenk an, sondern auf den Gedanken dahinter, oder?“ Sasuke zögerte, nickte dann aber; Das würde ihre einzige weitere Reaktion auf mein teures Präsent bleiben, merkte ich. „Mag sein, aber Blumen sind so ausgelutscht und unkreativ.“ „Danke auch.“, lachte ich, obwohl ich wusste, dass sie es nicht so meinte. Seitdem sie wusste, dass ich die Geste rein platonisch gemeint hatte, schien sie den Strauß zu akzeptieren, zumindest machte sie keine Anstalten, ihn mir zurück zu geben. „Aber ich finde eher, dass es eben ein klassisches Geschenk ist und mehr sagt, als man mit Worten ausdrücken kann. Du hättest mal Ino über die Blumenbedeutung fachsimpeln hören sollen, bevor sie ihren Meister gemacht hat. Ätzend!“ Ein kleines Lächeln stahl sich auf Sasukes Lippen, das mir ein wenig wärmer werden ließ. „Mit dem Quatsch kenn ich mich nicht aus.“ Sie sah auf ihren Strauß, dann wider zu mir, offensichtliche Neugierde in den Augen. „Hat sie auch was zu diesen Blumen gesagt?“ „Ähähäh, neeeeein, häh, wieso?!“, lachte ich viel zu laut und zu hysterisch. Die Orchidee bedeutete Gefühlskälte, die Kornblume dagegen sprach von Beständigkeit und sagte etwa: ´Ich gebe die Hoffnung nicht auf!` Natürlich hatte ich das alles nicht gewusst – Ich hatte die Blumen nur ausgesucht, weil sie blau waren, Sasukes Lieblingsfarbe – Aber irgendwie passte das alles auf so eine ironische Art zu Sasuke und meinen Gefühlen zu ihr, dass ich es lieber für mich behalten wollte, nicht, dass sie es noch in den falschen Hals bekam. Sie musste gemerkt haben, dass ich ihr etwas verheimlichte, zog es allerdings vor, nicht weiter darauf einzugehen. Wahrscheinlich wusste sie, dass sie die Antwort gar nicht hören wollte. „Mhm. Aber wenn du damit etwas sagen willst, bedeutet es nicht, dass deine Worte genauso schnell vergehen wie die Blumen?“ Ich starrte Sasuke mit offenem Mund an. Sie konnte so grob und geradeheraus sein, dass man ihr die Feinheiten, die sie manchmal aussprach, gar nicht zutraute – Ähnlich war es ja mit ihrer Gedichtinterpretation von Poe gewesen. Und noch dazu hatte sie das gerade mit so einem Unterton gesagt, der mich vermuten ließ, dass schon wieder mehr dahinter steckte, als sie zugeben wollte. Als ich kurz nichts sagte, blickte sie mit gerunzelter Stirn auf und merkte, dass ich sie anglotzte. „Was?“ „Ni-Nichts. Du hast nur…“ „Fahrkarten bitte.“, hörte ich aus unmittelbarer Nähe und erstarrte. „Fuuuuck!“, fluchte ich und tastete unbeholfen über meine Hose. Meine Begleitung legte den Kopf schief, also erklärte ich: „Ich hab vor lauter nach dir Suchen keine Karte gekauft! Fuck, fuck, fuck!“ Sasuke sah von den näherkommenden Kontrolleuren zu mir, dann verdrehte sie die Augen. „Idiot…“ Ich biss mir auf die Lippe, dann stand ich auf und fasste sie an der Hand. „Komm!“, rief ich und lief los in Richtung Zugende. Hinter uns warfen sich die Kontrolleure Blicke zu, dann hörte ich sie nach uns rufen und ebenfalls rennen. Allzulange würde es nicht mehr dauern, bis wir an der nächsten Haltestelle ankamen, aber ich wusste nicht, ob wir lang genug ausweichen konnten, um der Strafe zu entgehen. „Komm schon, komm schon…“, zischte ich, als wir endlich die Lichter des Bahnsteigs sahen und der Zug gemächlich abbremste. Ich hibbelte auf den Fußballen und warf immer wieder nervöse Blicke zu unseren Verfolgern, während Sasuke neben mir die Arme verschränkt hatte. „Fuck!“ „Du solltest nicht so viel Fluchen.“, tadelte das Mädchen erneut, dann öffneten sich quälend langsam die Abteiltüren und sie überraschte mich, indem sie mit den Ellbogen voran durch die Wartenden stürmte wie ein Quarterback, „Beeil dich!“, rief und mich an der Hand in Richtung der Rolltreppen zerrte, die zu den Fernzügen führten. Hinter uns hörten wir noch Rufe, aber auf den weitläufigen Fluren des Untergeschosses fanden uns die Kontrolleure nicht mehr, außerdem waren sie uns wahrscheinlich nicht mal die Treppe hoch gefolgt. Trotzdem joggten wir weiter zur nächsten Treppe und standen schließlich in der beinahe leeren Halle mit den Fernzügen. Eine Putzkolonne war unterwegs und ein paar späte Pendler, sonst war nichts los. Nicht die besten Voraussetzungen für eine Flucht, falls uns die Bahnbeamten doch folgten. „Da hinten ist ein Laden, in dem wir uns verstecken können.“, erklärte ich und ging los. Erst, als sie mir die Finger entzog, fiel mir auf, dass ich noch immer Sasukes Hand gehalten hatte. Sie sagte nichts dazu und so grinste ich sie nur breit an, während ich sie zu dem kleinen Geschäft führte. Auch dort waren nur drei Leute, den müden Verkäufer eingerechnet. Wir lungerten ein bisschen zwischen den Regalen herum und noch immer machte meine Begleitung keine Anstalten, gehen zu wollen. Also besorgte ich uns Bier – Für das ich meinen Ausweis vorzeigen musste, weil niemand mir abkaufte, dass ich schon zweiundzwanzig war – Sowie Chips und Schokolade. Derart ausgerüstet gingen wir in die Ankunftshalle. Diese war zwar überdacht, aber natürlich an den Gleisen offen, sodass die Züge ungehindert ab- und einfahren konnten, sodass es auf den Wartebänken, auf denen wir es uns bequem machten, ein wenig zog. Zum Glück ist es warm, dachte ich, den Blick zu den Eisenstahlträgern über uns gehoben, auf denen eine Taubenfamilie ein Schläfchen hielt. „Alter, das war knapp!“, lachte ich dann und machte lautstark die Chipstüte auf. „Und es wäre unnötig gewesen, wenn du wie jeder normale Mensch eine Fahrkarte gekauft hättest.“, schnaubte Sasuke herablassend. „Auf welchem Planeten lebst du denn?!“, rief ich entsetzt. „KEIN normaler Mensch kauft eine Fahrkarte, wenn er es vermeiden kann!“ Ein abwägender Zug schlich sich in ihre Augen. „Aha… So eine Unterschlagung findest du also normal? Und du bist dir sicher dass das Schlimmste, dass du in deiner ´rebellischen Phase` angestellt hast, ein kleiner Streich mit deinem Großvater war?“ „Eh… Hehehe…!“, machte ich nervös. Verdammt, diese Frau war intelligenter als ihr gut tat. Um ihrem Blick auszuweichen kramte ich lautstark einige Chips hervor. „Was meinst du?“ „Schon gut.“, wehrte sie ab und nahm sich ein paar Chips. „Du musst es mir nicht sagen.“ Ich lächelte dankbar, weil sie es offensichtlich ernst meinte und nicht nur pro-forma eine hohle Phrase sagte. Ich würde ihr bestimmt von meiner wilden Teenager-Zeit erzählen… Aber noch nicht jetzt. Nicht, wo sie mir gerade erzählt hatte, dass sie noch nie etwas Verrücktes getan hatte. Apropos: „Hey, jetzt hast du ja doch mal über die Strenge geschlagen! Flucht vor den Hütern des Gesetzes und so.“ Entgegen meinem breiten Grinsen zog Sasuke nur die Brauen hoch. „Du nennst Bahnbeamte Hüter des Gesetzes?“ Schulterzuckend schob ich mir ein paar Chips in den Mund. „Klingt besser. Und das ist doch das Wichtigste an Geschichten: Wie sie klingen, wenn man sie jemandem erzählt.“ „Du bist schon ziemlich aufmerksamkeitsgeil.“, amüsierte sie sich. Ihr Blick folgte einem langsam einfahrenden Zug, aus dem um diese Uhrzeit nicht sonderlich viele Menschen ausstiegen, obwohl es die Endstation war. Eine adrett gekleidete Zugbegleiterin mit Koffer stöckelte hastig an uns vorbei, dann folgte eine Gruppe lachender und offensichtlich angetrunkener Jugendlicher, die uns nach Feuer fragten. Wir schüttelten beide die Köpfe und schwiegen einträchtig, bis auch der letzte Passagier gegangen war. Ich lehnte mich vor um an Sasuke vorbei zur Anzeigetafel zu schauen, auf der stand, wohin der Zug als nächstes fahren würde. „Ich wollt mich schon immer mal in irgendeinen Zug setzten und einfach schauen, wo ich rauskomme.“, erzählte ich. Sie schien nicht begeistert von der Idee. „Und dann?“ „Na, mal schauen eben!“, lachte ich, mich wieder zurücklehnend. „Ich weiß es nicht. Aber es hat doch irgendwie was Romantisches, oder? Ich meine, im Prinzip ist doch das ganze Leben eine Fahrt ins Unbekannte, bei der wir nur ein paar kleine Weichen stellen können.“ „Seit wann bist du Poet?“, schnaubte Sasuke amüsiert. Sie nahm noch einen einzelnen Chip und schob ihn sich bedächtig in den Mund. Wenn sie immer so langsam aß war es kein Wunder, dass sie so dünn war. „Ich wäre für London.“ „Hm?“, machte ich, weil ich ihren Gedankengang nicht ganz nachvollzogen hatte. „Wenn ich irgendwohin fahren würde. London hat mir gefallen, als wir dort gewohnt haben. Alleine die Gebäude… Eine sehr faszinierende Mischung aus Tradition und Moderne. Und die Leute können auch mal die Klappe halten.“ „Hey, was soll das jetzt heißen?!“, empörte ich mich, weil mir ihr Seitenblick auf mich keinesfalls entgangen war. „Aber wenn du da schonmal gewohnt hast, zählt es nicht. Es geht ja darum, sich was Neues anzuschauen. Kambodscha oder so.“, schlug ich grinsend vor. „Ich glaube nicht, dass man da mit dem Zug hinkommt.“ „Aber nach London oder wie?“, lachte ich. „Außerdem geht es doch nur darum, irgendwohin zu fahren.“ „Leisten können wir uns das sowieso nicht.“ „Boa, du bist echt viel zu realistisch. Das ist ne Träumerei, ok?!“, brauste ich auf. „So wie damals, als du… Keine Ahnung, Tierärztin oder so werden wolltest.“ „Wie bitte?“ „Ach komm, jedes kleine Mädchen will doch Tierärztin werden.“ Sasuke schnaubte verächtlich. „Du denkst sehr stereotyp… Wolltest du etwa Feuerwehrmann werden?“ „Nein, aber es war mindestens genauso schlimm.“, gestand ich mit einem breiten Grinsen. „Fußballer.“ „Mhm… Gut, dass du es nicht getan hast. In dem Match mit den Kindern hast du bewiesen, dass du untergegangen wärst.“ „Du bist so ein Arsch.“, schmollte ich und sprang auf, um mit einer Dose zu dribbeln, die in der Nähe bei einem Mülleimer lag. Ich ließ sie von einem Fuß zum anderen hüpfen, drehte mich dabei, fing sie mit der Schulter und blieb schließlich mit ausgestrecktem Fuß und ausgebreiteten Armen vor ihr stehen. „Na? Na? Ist das nichts?“ „Hm… Vielleicht hättest du es im Zirkus geschafft.“ „Arsch.“, wiederholte ich und fing wieder an zu dribbeln. „Aber mal im Ernst, was wolltest du denn werden?“ Sie zögerte einen Moment, dann sagte sie: „Köchin.“ Vor Überraschung landete mir die Dose auf dem Kopf, die ich gerade mit dem Fuß jongliert hatte. Ich war so verdutzt, dass ich anfing zu lachen, was ich jedoch sofort unterband, als ich Sasukes wütendes Gesicht sah. „Sorry, nein, das ist cool. Nur kann ich dich nicht als Hausfrauchen mit Schürze sehen.“, erklärte ich und fing dann doch wieder an zu lachen. „In Restaurantküchen herrscht ein sehr rauer, hierarchischer Ton. Das hat nichts mit Hausfrauenromantik zu tun.“, fauchte sie, merklich beleidigt. „Sorry, ich kenn mich damit nicht aus.“ Beschwichtigend hob ich die Hände, dann griff ich nach der Schokolade und brach gleich ein ganzes Rippchen ab. Sasuke bot ich gar nicht erst etwas an; Sie mochte keine Süßigkeiten. „Und… Wie bist du dann ausgerechnet auf ein Chemiestudium gekommen? Ich meine Ernährungstechniker oder sowas hätte ich ja verstanden, aber Chemiker?“ „Ich habe dir doch schon gesagt, dass ich in der Firma meines Vaters arbeiten werde.“ Ihre Stimme war kühl geworden, distanziert, und ich merkte, dass ich einen Nerv getroffen hatte. „Außerdem haben wir von Kindheitsträumen geredet. Jetzt sind wir keine Kinder mehr.“ „Na ja, jung genug bist du jedenfalls noch.“ „Und trotzdem reifer als du.“ „Das stimmt.“, gab ich freimütig zu „Aber das ist auch kein Wunder, wenn du deine Entscheidungen triffst, wie dein Vater es tun würde.“ Sasuke erstarrte für einen Moment, die Augen weit aufgerissen, die Schultern völlig durchgestreckt. So hatte sie es noch nie betrachtet und scheinbar hatte sie der Gedanke auch erschreckt. Dann merkte sie, dass ich sie beobachtete, und sie streifte ihr Pokerface über, hinter dem nichts mehr zu sehen war als überlegene Distanz. Plötzlich konnte ich mir sehr genau vorstellen, wie ihr Vater aussah. „Er ist ein erfolgreicher Mann. Wieso sollte ich mir nicht an ihm ein Beispiel nehmen?“, fragte sie gereizt und stand ebenfalls auf. „Ich werde jetzt heimgehen.“ Ich brummte zustimmend und gemeinsam gingen wir zurück zum Bahnsteig, an dem jetzt wohl kein Kontrolleur mehr war. Unterwegs gab ich einem Obdachlosen, der sein Lager auf der Treppe aufgeschlagen hatte, die Chips und die Schokolade. Sasuke beobachtete das etwas missbilligend, sagte aber nichts dazu. Auch am Bahnsteig war sie still, bis ich fragte: „Mhm… Sasuke… Also…“ „Spucks schon aus.“ „Na ja… Darf ich dich heimbringen?“, fragte ich leise und unsicher, dann hob ich hastig die Hände. „N-Nicht weil ich bei dir pennen will oder so… Es ist nur so spät und ich hab ein ungutes Gefühl, wenn ich dich jetzt alleine lasse. Also, wäre es ok?“ Sie musterte mich nachdenklich und schwieg eine ganze Weile. In ihrem Gesicht zeigten sich wiederstreitende Gefühle, doch dann senkte sie den Blick und flüsterte: „Also gut… Aber wirklich nur nach Hause bringen.“ „Natürlich!“, rief ich, zuerst erfreut, doch als wir auf ihre Bahn warteten, dachte ich darüber nach und wurde immer betroffener. „Sag mal… Warum glaubst du eigentlich immer, dass ich versuchen würde, bei dir zu landen?“ Mit einem Schmunzeln, das ich ihr nicht ganz abkaufte, fragte sie: „Tust du das denn nicht?“ Trotz meines Misstrauens lachte ich. „Ich weiß nicht. Am Anfang vielleicht. Aber inzwischen…“ Ich zuckte die Schultern und stieg mit Sasuke in die Bahn, die gerade eingefahren war. „Du bist eine richtig gute Freundin geworden und das möchte ich für nichts aufs Spiel setzen. Deswegen macht es mich auch traurig, wenn du immer so heftig auf alles reagierst. Ich will dich nicht bedrohen oder dir Angst machen oder so…“ „Ich hab keine Angst vor dir.“, erwiderte sie ein wenig gereizt. Da hatte ich zwar einen anderen Eindruck, aber ich wollte sie nicht vollends auf die Palme bringen, also schwieg ich eine Weile. Dann wechselte ich das Thema: „Nachdem du sagtest, du habest den Typ von der Party so das Herz rausgerissen…“ – An dieser Stelle verzog Sasuke ungnädig das Gesicht, aber ich grinste nur - „Geh ich davon aus, dass du noch nie einen Freund hattest, oder?“ Eine ganze Weile reagierte sie nicht, doch dann nickte sie langsam. „Und wieso? Ich meine, du bist intelligent, lustig, herausfordernd, hübsch…“ Sie machte eine wegwerfende Handbewegung um mich zu unterbrechen. „Ja, ich weiß, ich bin phantastisch.“, sagte sie ohne eine Spur von Sarkasmus in der Stimme; Sie wusste es wirklich. Es dauerte einen Moment, ehe sie fortfuhr: „Ich habe einfach nicht das Bedürfnis nach einer Beziehung. Ich habe viele Verpflichtungen; Mein Studium, mein Praktikum, meine… Familie. Da hat ein Partner einfach keinen Platz. Außerdem wüsste ich gar nicht, was ich damit anfangen sollte.“ „Na ja…“, fing ich mit einem Grinsen an, doch erneut brachte sie mich mit einer Handbewegung zum Schweigen. „Das ist schon klar, aber auch danach hab ich kein Bedürfnis.“ Das war eine sehr private Offenbarung und Sasuke zog es vor, das Gesicht hinter ihrem Haar vor mir zu verbergen. Ich wusste nicht, was ich mit dieser Information anfangen sollte, weil ich es nicht ganz verstand. Jeder hatte doch irgendwie sexuelle Bedürfnisse, oder? Andererseits, wenn sie Jungfrau war, waren die wohl nicht sonderlich ausgeprägt. Ich wusste, dass Sasuke gerade mehr aus sich herausgegangen war, als es für sie üblich war, deshalb war ich äußerst vorsichtig mit dem, was ich jetzt sagte. „Aber… Hast du es überhaupt schon Mal ausprobiert? Ich meine, klar, es gibt auch Leute, die kein Interesse an Sex haben, aber weiß man das denn, bevor man es gemacht hat?“ Sie zögerte genau den einen Moment lange genug, der mich aufmerksam machte, aber ihr Blick, als sie antwortete, hielt mich davon ab, weiter zu fragen. „Nein, ich habe es noch nie… Ausprobiert. Und das muss ich auch nicht. Es ist meine Entscheidung, wann und mit wem ich schlafen möchte und ich habe mich entschieden, es nicht zu tun.“ „Das geht auch niemanden etwas an. Ich wollte dich auch nicht, keine Ahnung, überzeugen oder so, ich war einfach neugierig.“, erklärte ich mit einem Aufrichtigen Lächeln. „Eigentlich finde ich das sogar ziemlich cool. Die meisten Mädchen, mit denen ich auf dem Gymnasium war, haben ein riesen Aufhebens um ihre Jungfräulichkeit gemacht und gedacht, sie bekommen nie mehr einen Freund ab, weil sie mit sechzehn, siebzehn noch keinen Sex hatten. Aber selbst wenn man eine Beziehung hat, muss man ja nicht miteinander schlafen.“ Sasuke zog eine Augenbraue hoch, stand auf und ging zur Bahntür. „Nicht?“, fragte sie skeptisch, als ich zu ihr aufgeschlossen hatte. „Natürlich nicht.“ Ich war fast ein wenig beleidigt über ihr Misstrauen. Für was für einen Kerl hielt sie mich eigentlich? „Wie du sagtest, das ist eine Entscheidung, die jeder selbst treffen muss. Außerdem ist man doch mit einer Person zusammen um… Na ja, eben zusammen zu sein, Zeit zu verbringen und all sowas. Klar, Sex ist ein schöner Zeitvertreib, aber wenn das die Basis der Beziehung ist, stimmt doch irgendwas nicht.“ Die Bahn hielt, wir stiegen aus und durchquerten den leeren, unterirdischen Bahnhof. In meiner Hosentasche vibrierte mein Handy und ich sah, dass Ino mir eine fragende, aber auch ziemlich obszöne Nachricht geschrieben hatte. Angesicht meines Gesprächsthemas mit Sasuke wurde ich ein bisschen rot und steckte das Mobiltelefon wieder weg. Meine Begleitung sah mich fragend an, aber ich schüttelte nur den Kopf. Sie musste ja nicht wissen, dass meine Freunde glaubten, zwischen uns würde heute noch etwas laufen. Aber ich hatte mir schon aus dem Kopf geschlagen, dass wir jemals eine Beziehung haben würden – Sogar die jugendfreie Version, die ich Sasuke gerade beschrieben hatte. Sie hatte kein Interesse an einer Partnerschaft, ob das an mir oder Männern generell lag spielte dabei keine Rolle, weil das Ergebnis dasselbe war. Allerdings war ihre Freundschaft auch schon ein Kompliment, denn soweit ich das aus ihren seltenen Andeutungen verstanden hatte, hatte sie nicht sonderlich viele Freunde. „Wenn du das sagst.“, schnaubte Sasuke, jetzt eindeutig herablassend. „Hey, was soll das jetzt heißen?“, fragte ich beleidigt. „Dass ich nicht glaube, dass Männer so denken.“ „Ach so, ich bin also ein Lügner?“ Ich war gekränkt, aber sie drehte nur mit einem Schulterzucken das Gesicht weg. „Vielleicht weniger, als andere Kerle, aber im Prinzip seid ihr das alle.“ „Ich bin kein Lügner.“, war alles, was mir darauf einfiel, doch das war Sasuke keine Antwort wert. Schweigend liefen wir durch die Straßen und meine Gedanken trieben hierhin und dorthin, bis ich schließlich leise fragte: „Hast du echt so schlechte Erfahrungen gemacht…?“ „Was…?“ Sasukes Augen waren hinter ihrem Pony verborgen, aber das höhnische Lachen, mit dem sie reagierte, machte offensichtlich, dass ich ins Schwarze getroffen hatte; Sie lachte nämlich sonst so gut wie nie. „Kreativ bist du ja. Aber mir geht es gut.“ Damit beantwortete sie nicht meine Frage, wie mir sehr wohl bewusst war, aber bevor ich weiter auf sie eindringen konnte – Was vermutlich zu nichts geführt hätte, blieb sie stehen. „Da sind wir.“ Ich sah an einem beeindruckenden Stahlzaun empor und stieß einen kleinen Pfiff aus. „Nobel, nobel.“ Damit beschrieb ich eines der imposantesten Gebäude der sowieso reichen Gegend. Es sah ein ziemlich altmodisch aus; Nur ein Stockwerk aus dunklem Holz, um das eine Terrasse verlief, an die ein gepflegter Garten anschloss. Ich war Wohlstand gewohnt, immerhin waren Tsunade und Jiraiya alles andere als arm, aber das übertraf sogar das großzügige Domizil meiner Großeltern. Obwohl mir letzteres besser gefiel; Es war modern und hell, während das Haus der Uchiha aus einem anderen Zeitalter zu stammen schien. Nur die Überwachungskamera, die vom Zaun beunruhigender Weise genau auf uns herab blinkte, sah nach Hightech aus. „Kann sein.“, tat Sasuke unbeeindruckt ab, die bereits in ihrer Hosentasche nach dem Schlüssel kramte. Sie schien es bewusst zu vermeiden, sowohl mich als auch die Kamera anzusehen, während sie die Tür öffnete, sofort auf das Grundstück trat und das Tor wieder schloss. Ich lächelte traurig, als sie die Tür zumachte. „Weiß du… Du brauchst wirklich keine Angst vor mir zu haben.“, sprach ich leise etwas aus, das mich schon seit unserer ersten Begegnung wurmte. Sie hielt kurz inne bevor sie erwiderte: „Ich weiß...“ Und damit verschwand sie auf dem dunklen, gespenstischen Grundstück, als hätte es sie nie gegeben. Unschlüssig blieb ich noch einen Moment stehen, doch dann ging mir auf, dass die Wachmänner der Uchiha es vermutlich nicht so lustig finden würden, wenn sie hier einen Mann herumlungern sahen, also machte ich mich auf den Heimweg. Ich wusste nicht, was ich von Sasukes Verhalten denken sollte (Wie so oft.). Einerseits hatte sie mir heute so viel von sich erzählt wie noch nie, andererseits war sie aber auch so abwehrend gewesen wie schon lange nicht mehr. Die Themen Beziehung und Sex waren ihr offensichtlich unangenehm, und ich verstand einfach nicht, wieso, immerhin würde sie schon bald zwanzig werden, da stellte man sich doch normalerweise nicht mehr so an – Selbst, wenn man noch Jungfrau war. Außerdem hatte sie meiner Meinung nach nicht peinlich berührt gewirkt, auch wenn ich nicht wusste, wie ich es sonst hätte beschreiben sollen. Bedrängt vielleicht. Und dann war da noch die Tatsache, dass sie Angst vor mir hatte. Obwohl sie mich inzwischen ganz gut kannte, obwohl ihr bewusst war, wie viel sie mir als Freundin bedeutete – Das hatte ich ihr ja schon mehrfach gesagt – Fühlte sie sich von mir bedroht, und ich verstand einfach nicht, wieso. Natürlich gab sie es auch nicht zu, weshalb ich den Grund nicht erfahren und etwas ändern konnte, aber ich spürte es ja jedes Mal, wenn wir an einem verlassenen Ort waren. Das deprimierte und verletzte mich wahnsinnig, denn ich hätte weder ihr noch sonst jemandem etwas getan. Ganz im Gegenteil; Ich hätte meine Familie (Und dazu zählten für mich auch meine Freunde) mit meinem Leben beschützt. Ich schob den Gedanken beiseite, als mein Handy klingelte und ich es aus der Hosentasche zog. Wenn Sasuke bereit wäre, mir ihre Ängste zu erzählen, würde sie das schon tun. Die Nachricht, die ich bekommen hatte, war von ihr und sie besagte schlicht: » Danke für die Blumen.« Das hob meine Laune merklich, immerhin waren die Blumen, wie ich ihr zuvor schon gesagt hatte, ein Zeichen meiner Freundschaft, die sie durch diesen Dank akzeptiert hatte. Auf dem ganzen, wegen der späten Stunde ewig dauernden Heimweg grinste ich wie ein Honigkuchenpferd. Kapitel 9: Zielschuss --------------------- Die Gegend, durch die ich fuhr, war voll mit Bürogebäuden und ein paar Fabrikhallen, die vermutlich zu derselben Firma gehörten. Nicht wirklich, was ich erwartet hatte, aber laut dem alten Mann, den ich vor einer Weile nach dem Weg gefragt hatte, war ich schon auf dem richtigen Weg. Ich fuhr langsam an den Seitenstraßen vorbei, um die Straßenschilder lesen zu können, und entdeckte mit einem erfreuten Aufschrei endlich den Namen, den ich gesucht hatte. Auch in dieser Sackgasse dasselbe Bild; fünfstöckige Bürokomplexe – Zumindest, bis ich zum Ende der Straße kam, an dem sich eine große Lagerhalle erhob, auf deren Fassade in quietschend-Bunter Farbe das Wort „Paintball“ gemalt worden war. Erleichtert, endlich das richtige Gebäude gefunden zu haben, bog ich auf den Parkplatz und quetschte mein Motorrad zwischen einen roten Volvo und den Maschendrahtzaun, der dieses Grundstück vom nächsten trennte. Mit ein bisschen Gewalt kämpfte ich mich durch das Astwerk, das über die Absperrung herüber wucherte, und nahm den Helm ab, um das Haus betrachten zu können. „Schade, dass es keine Freiluft-Anlage ist.“, kommentierte ich, dann verräumte ich den Helm unter meinem Sitz. „Das Wetter hier ist nicht stabil genug für sowas.“, antwortete Sasuke schulterzuckend. Ihr Haar war vom Helm platt gedrückt und sie war gerade bemüht, es mit den Fingern wieder in die struppige Form zu bringen, in der sie es immer trug. Inzwischen war es ein wenig länger als am Anfang unserer Bekanntschaft, fiel mir auf. Über ihre Eitelkeit schmunzelnd antwortete ich: „Ach, bist du jetzt der Paintball-Experte? Hast du schon Mal gespielt?“ Sie warf mir einen der tadelnden Blicke zu, die ich inzwischen schon gewöhnt war. „Nein, aber ich kann logisch denken.“ „Da seid ihr ja!“, unterbrach ein Zwischenruf meine Erwiderung. Wir blickten auf und sahen Tenten mit drei weiteren Frauen auf uns zukommen. Eine von ihnen hatte einen kurzen, blauschwarzen Undercut, die andere hatte lange weiße Haare mit einer golden Ombre-Färbung in den Spitzen und die dritte hatte rosane Cornwalls und dunkle Haut. Sie waren der weibliche Teil von Kyuubis Mitbewohnern. „Sorry, wir haben etwas gebraucht, bis wir hergefunden haben.“, erklärte ich, während Gyuki, die mit den rosanen Haaren, sich eine Zigarette anzündete. „Sind sonst schon alle da?“ „Ja, wir haben nur noch auf euch gewartet – Was da drinnen echt eine Tortur ist. Ich glaube, ich habe noch nie so einen Gestank erlebt.“, beklagte sich Matatabi, die mit dem Undercut. „Was hast du erwartet?“, flüsterte die blasse, ein wenig geisterhafte Kokuô. „Das ist eingefärbtes Schweinefett.“ „Ist doch geil!“, rief ich begeistert und hibbelte von einem Fuß auf den anderen, um endlich auf die Anlage zu kommen. Natürlich würde ich brav warten, bis Gyuki fertig geraucht hatte, aber es fiel mir nicht leicht. Bis es so weit war, stellte ich zumindest mal meine Begleitung vor: „Ach ja, das ist übrigens Sasuke, eine gute Freundin von mir.“ Die Frauen musterten sie interessiert und hießen sie höflich in ihrer Mitte willkommen, dann konnten wir endlich in das Gebäude gehen – In dem wir tatsächlich von einem unglaublichen Gestank begrüßt wurden. Tenten keuchte auf und hielt sich den Ärmel ihres Sweatshirts vor die Nase, die anderen Mädchen jammerten laut und sogar Sasuke verzog ein wenig das Gesicht. „Daran kann man sich gar nicht gewöhnen.“, stöhnte Tenten, während sie auf eine große Gruppe zusteuerte, die an ein paar Tischen wartete. „Gibt es hier keine Lüftung?“, erkundigte Sasuke sich offensichtlich angewidert. Die Antwort bekam sie von Isobu, der gut gelaunt auf einer Bank saß und sich mit seiner Freundin eine Cola teile. „Doch – Du hättest mal erleben sollen, als die letztes Jahr ausgefallen ist. Das war eklig.“ Er fand das offensichtlich ziemlich lustig, was ihm einen düsteren Blick von der Schwangeren neben sich einbrachte. Sie zankten sich ein wenig, aber das taten sie eigentlich ständig. Ich wandte mich ab und suchte den Grund für unsere Anwesenheit in der stinkenden Paintball-Anlage: Kyuubi. Als ich ihn entdeckte, breitete sich ein Grinsen auf meinem Gesicht aus und ich sprang praktisch über den Tisch, um ihn zu umarmen und ihm kräftig auf den Rücken zu klopfen. „Alles Gute, du alter Sack!“ „Zeig etwas Respekt vor den Älteren.“, mahnte er schmunzelnd. „Vor allem, wenn du schon zu spät bist.“ „Ist doch nicht meine Schuld, dass der Schuppen am Ende von Hinterdupfingen liegt. Außerdem kommt das Beste immer zum Schluss.“ „Na ja, dann können wir uns ja um die Anmeldung kümmern. Wie viele sind wir denn jetzt eigentlich?“, erkundigte Chomei sich mit einem Blick über die Gruppe. Er war klein und hatte raspelkurze, orange Haare. „Vierzehn, die mitmachen.“, antwortete Tenten und sie machte sich mit ihrem Freund und Chomei auf dem Weg zur Theke, an der die Anmeldebögen abgeholt werden mussten. Tatsächlich war die Gruppe, die sich zu Ehren des fünfundzwanzigsten Geburtstages meines besten Freundes zusammengefunden hatte, ganz schön groß. Zum einen waren da die WG-Bewohner, von denen sowohl Shukaku als auch Isobu jeweils mit Partnern gekommen waren, dann hatte Kyuubi noch Tenten eingeladen, weil auch die beiden sich ganz gut angefreundet hatten und die hatte Neji mitgebracht. Und, am allerwichtigsten war natürlich ich in Begleitung von Sasuke. Ich hätte sie nicht eingeladen, immerhin kannte Kyuubi sie nicht besonders gut, aber er hatte darauf bestanden. Und obwohl ich gedacht hatte, sie würde absagen, war sie recht bereitwillig mitgekommen. Jetzt schien sie sich etwas unwohl zu fühlen in der großen Gruppe, weshalb ich sie ansprach: „Also, das sind Shukaku und Gaara und Isobu mit seiner Verlobten Hatsune. Die Mädels kennst du ja schon. Das sind Saiken, Son Goku und Chomei… Ist aber nicht so schlimm, wenn du dir nicht alle Namen merken kannst, das sind sowieso nur Statisten.“, grinste ich, woraufhin allgemeines Protestgeschrei einsetzte. Ich ignorierte es und deutete auf unseren Gastgeber. „Und dieser Senior da kennst du ja schon.“, verwies ich auf das Geburtstagskind. „Schön, dich mal wieder zu sehen.“, begrüßte dieser sie und gab ihr die Hand. „Mhm.“, machte sie mit nachdenklich. Scheinbar hatte Sasuke seine unangenehmen Flirtversuche von Inos Ladeneröffnung noch zu genau in Erinnerung. „Jedenfalls alles Gute.“ „Danke.“, überging der Gastgeber den neuerlichen Korb gelassen. „Freut mich, dass du es geschafft hast. Naruto war nervös wie ein kleines Kind vor Weihnachten, nachdem er dich gefragt hat.“, stichelte Kyuubi, dem mein gehässiges Grinsen natürlich nicht entgangen war. „Alter!“, jammerte ich, aber Sasuke klopfte mir nur auf die Schulter. „Dachtest du, das hätte ich nicht gewusst?“, erkundigte sie sich amüsiert. Dann wurde unser Gespräch von einem Angestellten des Hauses unterbrochen, auf dessen schwarzem Shirt „Steve“ stand. „So, ihr Lieben! Die Gruppe, die gerade in der Area ist, ist gleich fertig und dann seid ihr dran.“, begrüßte er uns ohne große Umschweife. Während er sprach legte er jedem einen Anmeldebogen hin. „Mit eurer Unterschrift schließt ihr uns von jegliche Haftung für eventuelle Verletzungen aus, also versucht möglichst, eure Mitspieler nicht zu blenden oder ihre Geschlechtsteile zu treffen.“ „Gibt´s keine Eierbecher?“, fragte ein merklich entsetzter Saiken. „Ihr könnt euch welche kaufen, wenn ihr keinen mitgebracht habt.“, erklärte Steve freundlich. „Von uns bekommt ihr eine Maske als Gesichtsschutz und, wenn ihr wollt, einen Anzug der die Kleidung schützt. Außerdem kriegen die Ladies einen Brustschutz. Alles klar?“ Als allgemein verhaltenes Gemurmel einsetzte, klatschte er begeistert in die Hände. „Also gut, dann legen wir los!“ Da keiner von uns schon mal gespielt hatte, hatte auch keiner spezielle Protektoren gekauft. Weil wir aber noch nicht wussten, ob wir öfter spielen wollten, beschlossen wir Männer einhellig, nach Möglichkeit nicht auf die Testikel zu zielen und noch keine Extraausstattung zu besorgen. Ein paar von uns hatten Wechselklamotten mitgebracht, woran ich nicht gedacht hatte, sodass ich in der Umkleide nur meine Tasche liegen ließ, während die anderen sich umzogen. Saiken und Son Goku zogen sich, wenn auch aus purem Jux, die weißen Schutzanzüge an, die eigentlich für Malerarbeiten gedacht waren, die Steve uns gereicht hatte. Vor Schmerzen würde der dünne Stoff sie auf jeden Fall nicht schützen. Als wir lachend aus der Umkleide kamen, halfen die Angestellten gerade unseren Damen dabei, ihre Brustprotektoren anzulegen, was bei uns einiges an kindischem Gejohle auslöste. Ich schlenderte unauffällig zu Sasuke, die ein wenig abseits von den anderen stand und die Gruppe beobachtete, die gerade noch spielte. Durch eine Glasscheibe konnte man zusehen wie sie sich hinter großen Plastikhindernissen versteckten und nicht gerade professionell aufeinander ballerten. Wenn einer getroffen wurde, musste er in ein angrenzendes Abteil und warten, bis die nächste Runde begann. „Na, schon nervös?“, fragte ich Sasuke beiläufig. Sie zuckte die Schultern. „Nicht besonders. Du?“ „Neee! Ich hab ja schon end viel Erfahrung… Battle Field Profi, weißt du?“, erklärte ich großspurig, woraufhin sie nur die Brauen hochzog. „Ist das so?“ „Ja, aber keine Sorge, wir können uns ja zusammen tun, wenn du willst. Ich würde eh sagen, alle auf das Geburtstagskind, oder?“ „Nettes Geschenk.“, kommentierte sie trocken und als ich lachte, erlaubte auch Sasuke sich ein schmales Lächeln. Als sie jedoch zu mir aufsah, blitzten ihre Augen herausfordernd. „Dann muss ich mich vor dir also in Acht nehmen?“ Ich nickte begeistert. Eigentlich hatte ich natürlich nur Spaß gemacht, aber die Herausforderung in ihrem Blick reizte mich unheimlich. „Sieht so aus.“ „Gut.“, sagte sie und wandte sich von mir ab, als die Gruppe das Spielfeld verließ und meine Freunde in den Vorraum strömten. Sasuke lächelte mich nochmal an – Mein Herz machte einen ungesunden Schwenk in Richtung meines Halses – Und zog sich die Maske über das Gesicht. „Du dich nämlich auch vor mir.“ Steve hatte jedem von uns eine Dose mit zweihundert Farbpatronen ausgehändigt, die wir im Vorraum stehen lassen und deren Inhalt wir in den Spielpausen in unsere Waffen füllen konnten. Dann gab er uns noch eine Sicherheitsbelehrung, der ich nicht als einziger nicht wirklich folgte; Gyuki hatte ihre Kanone geschultert und kaute einen Kaugummi wie ein alter, abgebrühter Kriegsveteran, Isobu stand an der Eingangstür und versuchte, seine sichtlich besorgte Freundin davon zu überzeugen, dass das ganze Unterfangen ungefährlich war und Gaara redete leise auf Shukaku ein, dessen wilder Blick mich ein wenig beunruhigte. Schließlich gab der Angestellte der Halle mit einem Seufzend auf. „Wenn ihr wollt, könnt ihr euch in Teams aufteilen und um Flaggen kämpfen – Die würde ich euch noch bringen.“, bot er an, was wir nach kurzer Unterredung annahmen. Kurz darauf kam er mit einer neongelben und einer leuchtend blauen Flagge zurück, die er Kyuubi und Tenten in die Hände drückte. „Ihr habt jetzt eine Stunde, aber ich sage euch später nochmal Bescheid. Viel Spaß.“ „Also… Wählen wir jetzt einfach Teams?“, schlug Tenten unsicher vor. Als alle zustimmten, tat sie das offensichtliche und wählte ihren Freund in ihre Gruppe. Ich wollte mich schon zu Kyuubi gesellen, doch der grinste nur und wählte an meiner statt Sasuke, die sich ein wenig überrascht neben das Geburtstagskind stellte. Alles lachte über meine Empörung, als mein angeblich bester Freund dann auch noch Gyuki wählte anstatt mich. Offenbar wollte er sich eine Art Walküren-Truppe zusammenstellen, denn am Schluss hatte er auch noch Matatabi und Kokuô in seinem Team, während ich zusammen mit Gaara und Shukaku in Tentens Gruppe die gelbe Flagge verteidigen würde, die wir jetzt aufs Spielfeld trugen. In der Halle selbst stank es noch erbärmlicher nach dem eingefärbten Schweinefett. Der Boden war komischer Weise mit Hochflorteppich ausgelegt, sodass unsere Schuhe fast fünf Zentimeter im Schlick versanken. Im Abstand von ein paar Metern waren bunte Hindernisse verteilt, hinter denen man sich verstecken konnte. Ich war begeistert. Unser Team verzog sich hinter einen blauen Schaumstoffwürfel in der Nähe der Fenster, um zu beratschlagen. Nachdem alle freundlich Hatsune zu gewunken hatten, die wegen ihrer fortgeschrittenen Schwangerschaft natürlich nicht mitspielen konnte, bildeten wir einen Kreis und ich riss gleich mal das Wort an mich: „Also wir machen es so: Einer bleibt hier und bewacht die Flagge. Zwei andere bleiben in der Nähe und tun, als würden sie die Deckung verstärken, während die anderen sich vorarbeiten. Dann, wenn das blaue Team sich auf den ersten Angriff konzentriert, schlagen die zwei Zurückgebliebenen zu und erobern die Flagge. Zack, wir haben gewonnen.“ Saiken sah mich irritiert an. „Ich dachte, wir ballern einfach, bis wir keine Patronen mehr haben…?“ „Dann können wir es ja genauso gut gleich lassen!“, rief ich empört. Die anderen warfen sich erschöpfte Blicke zu, dann zuckten sie gleichmütig die Schultern. Nur Tenten beschwerte sich noch: „Wer hat dich eigentlich zum Teamleiter ernannt? Soweit ich weiß, ist das hier meine Truppe!“ „Ok, und was ist dein Plan, Chef?“ Sie sah mich einen Moment an, dann drehte sie das Gesicht weg. „Na, schön, wir machen, wie du meinst…“, grummelte sie und rammte die Flagge in die Grütze auf dem Boden. Als auch die anderen fertig waren, brachten wir uns alle in Position, nickten einander zu und die Vorhut, zu der ich gehörte lief los. Noch bevor wir die erste Deckung erreicht hatten, wurde Shukaku aus einem Versteck heraus getroffen und musste das Spielfeld verlassen. „Duckt euch!“, brüllte ich, als weitere Geschosse aus nicht identifizierbarer Richtung auf uns einprasselten. Wir hechteten hinter einen umgestoßenen Schaumstoffzylinder und entkamen gerade noch der nächsten Salve Farbkugeln aus einer ganz anderen Ecke des Raumes. „Wer war das?“, murrte Saiken, der einen Bauchplatscher hatte machen müssen, um nicht getroffen zu werden, und jetzt entsprechend in stinkenden, klebrigen Modder gehüllt war. Zum Glück hatte er einen der Maleranzüge ausgeliehen, sonst hätte er seine Klamotten wegschmeißen können. Ich lugte um die Kante unseres Versteckes und versuchte, den Scharfschützen zu erspähen. „Keine Ahnung, aber wir müssen besser aufpassen. Chomei, glaubst du, du schaffst es, noch etwas weiter vorzurücken?“ Er verdrehte die Augen und murmelte etwas, das verdächtig nach „Ihr nehmt das alle viel zu ernst…“, klang, verzog sich aber brav hinter eine nahegelegene Säule. Saiken und ich nahmen jeweils Posten auf beiden Seiten des Zylinders ein und nahmen alles ins Visier, was uns unter die Linse kam. Zuerst erwischte es Matatabi, die mit ängstlich über dem Kopf verschränkten Armen davon stapfte (Jemand hatte sie wohl schmerzhaft am Hals erwischt), dann traf jemand von hinten den empörten Son Goku, der steif und fest behauptete, der Treffer würde nicht zählen. Neji, der sich als wirklich guter Schütze herausstellte, traf aus seiner rückwärtigen Position bei unserer Fahne Isobu, als der ganz alleine auf ihn zustürmte und das Lager zu stürmen versuchte. Kurz darauf wurde unser Team stark dezimiert; Erst traf es Saiken, als er sich zu weit hinter unserer Deckung hervor lehnte, dann erwischte der unsichtbare Schütze Tenten, die sich gerade mit Gaara in Richtung der gegnerischen Flagge schlich. Wer auch immer das war – Ich tippte stark auf Kyuubi - Ich musste ihn ausschalten, bevor er unsere ganze Taktik zerstörte. Waghalsig lief ich weiter in Richtung der gegnerischen Basis, um von Gaara abzulenken, der sich ebenfalls mit hoch konzentriertem Gesicht näher pirschte. Postwendend musste ich mich unter einer Salve Farbpatronen wegducken und spürte eine haarscharf an meinem Ohr vorbei ziehen, aber ich schaffte es noch, mich hinter einer Kugel zu verstecken. Ich sah zu Gaara rüber, nickte ihm zu, dann schob ich meine Deckung mit einem Brüllen vorwärts. Chomei lief ebenfalls los und schaffte es noch, Kyuubi zu treffen, bevor er gleich von vier Patronen getroffen wurde. Im Vorbeirennen traf ich Gyuki, was mich genauso erstaunte wie sie, denn so schaffte ich es, ein Versteck zu errichten, das einen toten Winkel zwischen einem rosanen Würfel, einer Säule und meinem Kugel bildete, aus dem mich die restlichen Gegenspieler – Sasuke und Kokuô – Mich nicht sehen konnten. Ich sie allerdings auch nicht, sodass ich mich etwas vorwagen musste. Kyuubis blauhaarige Mitbewohnerin lauerte hinter einem zweiten, kleineren Zylinder, wagte es allerdings nicht, weit genug heraus zu kommen, um auf mich zu zielen. Sasuke hatte ich während des ganzen Spiels noch nicht gesehen – Und plötzlich wurde mir klar, dass sie der Heckenschütze sein musste, der fast unser ganzes Team ungesehen rausgehauen hatte. Ich grinste beeindruckt, dann schlich ich mich um die Kugel, um sie zu sehen und tatsächlich; Da hockte Sasuke und zielte auf jemanden, vermutlich Neji, obwohl der fast hundert Meter entfernt sein musste. Wenn sie es nämlich schaffte, ihn zu treffen, konnte Kokuô einfach rennen, was Gaara und mich zwingen würde, auf sie zu schießen. Dadurch hätte Sasuke freie Bahn auf uns Beide und da sie so gut zielte, hätte sie gewonnen. Das durfte ich natürlich nicht zulassen. Langsam, damit sie es nicht aus dem Augenwinkel sah, hob ich die Waffe und zielte, doch scheinbar hatte Sasuke mich trotzdem wahrgenommen, denn sie zuckte und duckte sich hinter eine lilane Schaumstoffpyramide, hinter der ich nur noch ihre Haare und den Lauf ihrer Waffe sehen konnte. „Versuch´s doch.“, zischte sie todernst. „Gleichfalls.“, gab ich amüsiert zurück, doch dann musste ich mich ducken, als sie tatsächlich auf mich zielte. Wir schossen ein paar Mal hin und her, dann sah ich, wie Gaara hinter einer Deckung auftauchte und langsam auf Sasuke zuschlich. Sie schien erst nicht zu wissen, warum ich das Feuer einstellte, doch als sie aufblickte war es schon zu spät; Gaara traf sie aus dem gerade noch erlaubten Radius von drei Metern mitten auf die Stirn. Dabei lag ein so wilder Ausdruck in seinen Augen, dass ich mich fragte, was sein Problem war. Aber erstmal sprang ich jubelnd hinter meiner Kugel hervor und stieß triumphierend die Faust mit der Waffe in die Luft, während ich den anderen Arm um die Schulter meines Mitstreiters schlang, der jetzt die Flagge an sich nahm. Sasuke sah erst etwas überrascht aus, doch dann breitete sich eine gesunde Röte auf ihren blassen Wangen aus und sie diskutierte mit uns über das Ende des Spiels… Na gut; Ich redete auf die beiden ein, während sie nur ab und zu Kommentare abgaben. Die anderen waren begeistert von diesem Fotofinish, denn Kokuô hatte es gerade geschafft, Neji zu erwischen und hätte sich nur noch trauen müssen, loszulaufen, dann hätte sie zuerst die Flagge gehabt. Wir spielten nochmal in anderen Teams, aber in dieser Runde wurde ich gleich als erster getroffen; offenbar war ich nach diesem Traumsieg leichtsinnig geworden. Kurz nach mir kam Gaara in den Warteraum, und nachdem wir einen Schluck getrunken und das momentane Spiel diskutiert hatten, kam ich auf das vorige Match zurück. „Sag mal, vorhin, als du Sasuke gestellt hast… Da warst du ganz anders als sonst.“ „Findest du?“, antwortete er unberührt, während er Shukaku nachblickte, der gerade die Flagge gegen eine feindliche Invasion verteidigte. „Ja… Das hat mich überrascht.“ Als er nichts sagte, grinste ich ein wenig verlegen und fügte hinzu: „Aber es war richtig cool!“ Jetzt sah mich Gaara an, aber er zögerte einen Moment, bevor er antwortete. „Niemand schießt ungestraft auf meinen Mann…“, sagte er dann so leise, dass ich mir nicht sicher war, ob er es wirklich gesagt hatte. Aufziehen tat ich ihn natürlich trotzdem damit, bis der nächste getroffen und wir nicht mehr ungestört waren; Es war nämlich der Gegenstand unseres Gesprächs, Sasuke. „Uh, diesmal hat es unseren Meister-Heckenschützen aber früh erwischt.“, feixte ich, doch sie zuckte nur reserviert die Schultern. „Immer noch später als dich.“ Kurz blies ich beleidigt die Backen auf, dann entschloss ich mich, das Thema zu wechseln: „Aber du bist echt gut! Sag jetzt nicht, du bist im Schützenverein oder so.“ Sasuke nahm ungefragt die Wasserflasche, die ich mitgebracht hatte, und trank einen Schluck, ehe sie mit glänzenden Augen antwortete. „Eine Frau muss sich zu verteidigen wissen.“ „Du kommst mir nicht gerade wie eine Jungfrau in Nöten vor.“, lachte ich und wandte mich an Gaara. „Dir etwa?“ Doch er musterte das Mädchen nur ausdruckslos, zuckte die Schultern und wandte sich ab, um etwas in seinem Rucksack zu suchen. Verwundert – Sonst war Gaara auch nicht der gesprächige Typ, aber zumindest mir antwortete er eigentlich immer – Sah ich ihn an, aber wir wurden unterbrochen, als Matatabi sich uns anschloss. In ihren Augen glänzten Tränen und sie hielt sich den Hals. „Wa-Warum zielen die immer auf den Kopf?“, schniefte sie. „Und als ich mich gemeldet hab, dass ich getroffen wurde, hat Kyuubi nochmal extra auf mich geschossen!“ Bestürzt versuchte ich, sie zu beruhigen und zog zu diesem Zwecke das Geburtstagskind auf, als dieser kurz darauf zu uns stieß. Er entschuldigte sich, es sei keine Absicht gewesen, und lud seine Mitbewohnerin auf ein Getränk an der Bar ein; Sie hatte sowieso keine Lust mehr zu spielen. Das hieß, dass wir für die letzte Runde zwei Spieler weniger waren, was sich gut traf, denn wir hatten nur noch etwa eine Viertelstunde. Die verbrachten wir mit einem Blitzkrieg, der darin endete, dass Kokuô, die zuvor irgendjemandem seine Waffe entrissen hatte, brüllend auf eines der Hindernisse sprang und wild um sich ballerte. Wir flüchteten lachend vom Spielfeld, aber Steve schien das gar nicht lustig zu finden. Er wirkte erleichtert, als wir unsere Sachen packten und Platz für die nächste Gruppe machten. „Das war richtig geil!“, verkündete Saiken draußen auf dem Parkplatz, wofür er zustimmendes Gemurmel erntete. Nur Matatabi rieb sich erneut weinerlich den Hals. „Hat´s dir auch gefallen?“, wandte sich Tenten an Kyuubi, denn immerhin war das hier sein Geburtstagsgeschenk gewesen. Er war gerade damit beschäftigt, Farbe unter seinen länglichen Fingernägeln hervor zu popeln, nickte aber dienstbeflissen. „Klar. „Etwas mehr Begeisterung, wenn ich bitten darf!“, beschwerte ich mich und schupste ihn. Er warf mir einen missbilligenden Blick zu, den ich zu ignorieren wusste. „Also… Was machen wir jetzt noch?“ „Duschen.“, kam es postwendend von Neji zurück, worüber ich die Nase rümpfte. „Das ist der Duft der ehrlichen Arbeit.“ „Das ist der Gestank von Schweinefett.“, lachte Tenten, die beschwichtigend die Hand auf den Arm ihres Freundes legte. „Aber wir könnten echt noch was machen. Wie sieht´s aus mit Essen gehen?“ Wir entschieden, uns später in der WG zu treffen und Chinesisch zu bestellen; Nur Shukaku tanzte aus der Reihe, weil er angeblich kein Gluten vertrug. „Dann bestellt ihr euch halt ne Pizza oder so.“, seufzte ich mit einer wegwerfenden Handbewegung, damit wir endlich in die Puschen kamen. Ich war am Verhungern. Es dauerte noch eine Weile, bis alle auf die Autos verteilt waren, aber schließlich schlenderte ich zusammen mit Sasuke gemütlich zu meinem Motorrad und reichte ihr den Beifahrerhelm. „Hat´s dir auch Spaß gemacht?“, fragte ich, während wir uns anzogen. „Ja.“, murmelte sie mit einem nachdenklichen Blick auf den Boden. „Aber meine Schuhe kann ich jetzt wohl vergessen.“ Ich folgte ihrem Blick und prustete los: Sie stand eigentlich noch immer bis zu den Knöcheln im gelbich-braunem Moder. „Ach komm.“, erwiderte ich und tätschelte tröstend ihre Schulter. „So wie ich dich kenne, hast du, ganz das Klischee-Weibchen, doch einen ganzen Kleiderschrank voller Ersatzschuhe.“ Sasuke wartete, während ich die Maschine aus dem Busch befreite, in dem ich geparkt hatte. Irgendwie hatte ich das Gefühl, das Gestrüpp wäre um einige Zentimeter länger geworden, als wir vor knapp zwei Stunden angekommen waren. „Mhm, gleich neben meinen rosanen Kleidern und der Barbie-Sammlung.“, schnaubte meine Beifahrerin sarkastisch. Ich grinste, wurde aber noch im selben Augenblick wieder ernst. „Hehe, also… Und wie fandest du die anderen? Waren alle nett zu dir?“ Über meinen strengen Tonfall bei der zweiten Frage verdrehte Sasuke die Augen, doch sie zögerte die Antwort ein wenig heraus, indem sie umsichtiger als nötig ihre Jacke schloss. Ich wurde schon nervös – Wenn wirklich jemand gemein zu ihr gewesen sein sollte, dann Gnade ihm Gott! – Aber dann sagte sie: „Sie sind alle sehr… Offen.“ Verdutzt legte ich den Kopf schief. „Und das ist…?“ „Positiv.“, bestätigte sie. „Nur… Überraschend. Sie kannten mich nicht, und doch haben sie mich aufgenommen.“ „Was hattest du denn erwartet? Dass sie dich in einer Ecke abstellen und du alleine rumsitzen musst?“, lachte ich, denn ich war nichts anderes gewohnt. Meine Freunde waren ein sehr offenes Trüppchen, da war so gut wie jeder willkommen, der sich mit einem frechen Spruch vorstellte und vielleicht mal eine Runde ausgab. Allerdings fand ich Sasukes Nervosität niedlich, womit ich sie natürlich aufziehen musste: „Hattest du etwa Schiss? Aber ich hätte dich doch nie alleine stehen lassen!“ „Idiot… Fahren wir endlich.“, brummte Sasuke, aber ich meinte zu sehen, wie sie unter ihrem Helm ein wenig errötete. Die Paintball-Anlage lag ein ganzes Stück außerhalb der Stadt, sodass wir ewig brauchten, bis wir bei der WG ankamen. Sasuke sah das Hochhaus empor, als wir meinen üblichen Parkplatz neben dem „Fahrräder abstellen Verboten“-Schild verließen. „Ganz schön nobel für eine WG.“, meinte sie. Ich hatte Sasuke zwar vorgeschlagen, ein Wettrennen die Treppen hoch zu machen – Sie joggte immerhin fast täglich und schwamm regelmäßig, also hatte sie eine ziemlich gute Kondition – Aber sie hatte nur die Augen verdreht und war mit der Kiste Cupcakes, die sie Kyuubi schenkte, in den Aufzug gestiegen. Wie langweilig. „Das Gebäude gehört… Puh, dem Vater von irgendeinem WG-Bewohner, ich glaube von Kokuô.“ „Gut, dass du über deine Freunde informiert bist.“, seufzte sie. „Und der Dickliche…“ „Isobu.“, warf ich amüsiert ein. Das sollte sie vor ihm lieber nicht sagen. Sasuke ignorierte meine Belehrungen. „Er lebt in einer WG, obwohl er ein Kind erwartet?“ „Na ja, er und seine Freundin haben ewig überlegt, ob sie das Baby überhaupt bekommen wollen, dann haben sie eine Wohnung gesucht, aber nichts gefunden und dann war die Schwangerschaft so weit fortgeschritten, dass Hatsune sich geweigert hat, umzuziehen.“, erklärte ich und zuckte die Schultern. „Aber jetzt haben sie eine Wohnung, in die sie einen Monat nach der Geburt einziehen können.“ Sasuke schnaubte als wäre das völlig inakzeptabel. Unweigerlich stellte ich mir vor, wie es wäre, wenn wir ein Kind erwarten würden. Wahrscheinlich wäre ich mit den Nerven völlig am Ende am Tag der Geburt, während Sasuke ins Krankenhaus fahren und das Kind gebären würde als wäre das nur ein anderer Punkt auf ihrer täglichen To-Do-Liste. Bei dem Gedanken schmunzelte ich, aber auf Sasukes fragenden Blick hin schüttelte ich nur den Kopf; Den hätte sie mir nämlich wohl abgerissen, wenn ich ihr von meinen Tagträumereien erzählt hätte. Kurz darauf erreichten wir das oberste Stockwerk des Gebäudes und ich klingelte an der Tür, die von Kyuubi geöffnet wurde. „Da seid ihr ja endlich. Das Essen ist schon fast weg.“, begrüßte er uns, wobei er uns auch schon in die Wohnung komplimentierte. Alle hatten es sich um den Couchtisch herum bequem gemacht und plauderten angeregt. Ich quetschte mich munter zwischen Gaara und Tenten, die mir einen bösen Blick zuwarf, aber lächelnd zur Seite rutschte, damit Sasuke auch noch Platz hatte. Irgendwo tauchten noch zwei Teller auf, die einmal um den Tisch wanderten und übervoll zu uns zurückkehrten. Sasuke sah etwas angewidert auf die Fleischstückchen in ihrer Portion, doch ich half gerne aus indem ich einen Fetzen Schwein aufspießte. Sie zog die Brauen hoch und verdrehte die Augen, schob aber noch im selben Moment ihren Teller zu mir, was ich einfach mal als Einladung interpretierte, mich zu bedienen. Diejenigen, die nicht mehr Autofahren mussten, stießen mehrfach auf das Geburtstagskind an, sodass die Tischgesellschaft bald immer munterer wurde. Ich hatte ein paar Mal versucht, mich mit Gaara zu unterhalten, aber der hatte scheinbar schlechte Laune, sodass ich recht bald aufgab und mich den Ladies zu meiner linken zuwandte. Oder besser gesagt; Sasuke und Neji, die eine intensive Diskussion über Politik führten, während Tenten über ihre Köpfe hinweg aus dem Fenster starrte. Schmunzelnd erlöste ich meine Kommilitonin aus ihrer misslichen Lage: „Das hier ist ne Party. Könnt ihr nicht was Gescheites bereden, das letzte Katzenvideo oder so?“ „Manche Leute können sich auch über Wichtiges unterhalten. Obwohl ich nicht gedacht hätte, in deinem Freundeskreis auf so jemanden zu treffen.“, entgegnete Sasuke würdevoll. „Was soll das heißen?“, beschwerten Tenten und ich uns wie aus einem Munde. „Dass du besser aufpassen solltest, mit wem du dich anfreundest.“, erklärte Neji, der seine Freundin besänftigte, indem er den Arm um ihre Schulter legte und ihr einen Kuss auf die Stirn hauchte. „Verräterin!“, murrte ich, als sie sich an ihren Freund schmiegte, doch Tenten reichte mir nur grinsend einen Muffin. „Iss n Cupcake und hör auf zu heulen. Die sind übrigens echt gut, Sasuke. Du solltest Konditorin werden.“ Das war nur so dahin gesagt, aber Sasuke tat etwas, das bei jedem anderen die normale Reaktion gewesen wäre, bei ihr aber einfach höchst verdächtig: Sie lächelte. „Sicher. Wieso auch nicht mit Abitur?“, fragte sie leichthin. Noch etwas, das sie sonst nie tat. „Was wäre daran so schlimm? Neji hat doch auch erst eine Ausbildung gemacht.“, fragte ich irritiert. „Das ist etwas anderes.“, wiedersprach Sasuke. Ich musterte sie forschend, doch sie erwiderte meinen Blick nur unbeeindruckt. „Du findest also, eine Konditorlehre sei weniger wert als eine zum Anwaltsgehilfen?“ „Natürlich.“, erwiderte sie, als hätte ich gefragt, ob der Himmel blau sei. „Aber das ist doch Schwachsinn!“, protestierte ich empört. „Jedem liegt etwas anderes und jeder hat Spaß an etwas anderem. Und es ist doch nur wichtig, wie glücklich man mit dem ist, was man tut.“ Sasuke sah mich kühl an. „Wir leben in einer Gemeinschaft. Der Wert des Individuums definiert sich über seinen Nutzen für die Gesellschaft, nicht daran, wie viel Spaß es hat.“ „Aber gutes Essen IST doch nützlich.“ „H-Hey, ich hab doch nur einen Spaß gemacht…“, versuchte Tenten, uns zu beruhigen. „Wenn Sasuke keine Konditorin werden will…“ „Aber das willst du, oder?“, unterbrach ich meine Kommilitonin, den Blick auf Sasuke gerichtet. „Du würdest gerne irgendwas in dieser Richtung machen, aber du denkst schon wieder, du seist deiner Familie irgendetwas schuldig.“ Wir starrten uns böse an, bis sie sich abwandte. „Ich weiß nicht, wie du plötzlich darauf kommst, aber ich möchte nicht Konditorin werden.“ „Aber…“ „Lass gut sein, Naruto.“, unterbrach diesmal Isobu uns, der den Arm um seine Verlobte gelegt hatte. „Ihr stresst das Baby.“ „Sorry, Hatsune.“, sagte ich bestürzt, doch sie lächelte nur milde. „Schon gut.“, meinte sie, obwohl ich mir sicher war, dass sie ihrem Freund gesagt hatte, er solle eingreifen. Isobu mischte sich in sowas sonst nie ein, im Gegenteil stichelte er eher. „In welchem Monat bist du denn?“, erkundigte Tenten sich, offensichtlich erleichtert über den Themenwechsel. „Mitte des siebten. Am vierzehnten Oktober ist der errechnete Termin.“ „Cool! Wenn ihr euch beeilt, hat sie am selben Tag wie ich Geburtstag!“, rief ich begeistert. Hatsune ignorierte das ´Bloß nicht!´ ihres Freundes und sagte: „Das hat doch nichts mit beeilen zu tun, Naruto.“ „Ach was, ihr schafft das!“, feuerte ich sie und das Baby an, worüber alle lachten. „Wie sieht es bei euch eigentlich aus?“, fragte Isobu mit einem Gesicht, als wolle er Ärger machen. „Wollt ihr Nachwuchs, Neji?“ Tenten rutschte unruhig auf ihrem Platz herum, aber ihr Freund antwortete gelassen: „Sicher. Sobald wir mit dem Studium fertig sind und geheiratet haben.“ Tenten sah ihn baff an; Sie wusste wohl noch nichts von diesen Plänen. Dagegen hatte sie aber wohl auch nichts, so, wie sie das errötete Gesicht an Nejis Schulter barg. Isobu, in seinen Plänen zur Stiftung von Unfrieden abgewehrt, wandte sich schmollend an Sasuke und mich. Seine Augen blitzten; Er wusste, dass ich Interesse an ihr hatte und einen (Oder ein dutzend…?) Korb kassiert hatte. „Und was ist mit euch?“, fragte er grinsend. „Ich möchte keine Kinder.“, antwortete Sasuke prompt und mit völlig nüchternem Gesicht. „Wieso nicht?“, fragte ich, wohl ein bisschen zu persönlich betroffen, denn sie zog die Brauen hoch. Ich ruderte zurück: „I-Ich meine, Kinder sind doch etwas Schönes…“ „Dann solltest du welche zur Welt bringen und dabei deinen Körper zerstören und deine Freiheit aufgeben.“, erwiderte Sasuke kalt. „Man kann ja auch adoptieren.“, warf Tenten ein, verzweifelt, weil Sasuke und ich schon wieder Meinungsverschiedenheiten hatten. „Und die Frau muss heutzutage doch nicht unbedingt zu Hause bleiben.“ „Sollte sie aber… Was denn? Ist doch das Beste für das Kind!“, verteidigte Isobu seinen Einwurf, als Hatsune und Tenten aufschrien. „Nun, das ist das klassische Familienbild.“, stimmte Neji ihm zu. „Genauso, wie man nach der Ausbildung heiratet und die Frau zu Hause bleibt?“, fragte Sasuke gehässig und mit eisiger Stimme. Tenten, der diese Interpretation von Nejis Plänen wohl noch nicht gekommen war, rückte von ihrem Freund ab, als dieser Sasukes Behauptung nicht dementierte. „Ich studiere doch nicht, um Hausfrau zu werden!“ „Du könntest ja Teilzeit…“ „Wie nett, dass du mir das zugestehst.“, unterbrach Tenten ihren Freund wütend. „Das sollte man besprechen, wenn es so weit ist, oder?“, intervenierte diesmal ich, doch meine Kommilitonin schnaubte nur und Neji schwieg würdevoll. Ich warf Sasuke, die an dieser kleinen Beziehungskriese Schuld hatte, einen vorwurfsvollen Blick zu, doch sie wandte das Gesicht ab. „Na egal… Habt ihr schon dieses eine Video gesehen?“, wechselte ich das Thema und hatte kurz darauf einige Zuschauer, die auf Kyuubis Laptop lustige Filmchen ansahen. Die merklich bessere Stimmung hielt sich den ganzen restlichen Abend, trotzdem ließen Sasuke und ich ihn zuerst ausklingen. Sie musste am nächsten Tag zu ihrem Praktikum und ich wollte sie, trotz ihres Beharrens, nicht Bahnfahren lassen. Auf dem Weg nach unten konnte ich nicht anders, als das Kinder-Thema nochmal aufzugreifen. „Und du willst wirklich keine Kinder?“ Sasuke seufzte ungeduldig. „Wieso interessiert dich das?“ „Weil Kinder mein Job sind.“, antwortete ich und grinste, als sie ein wenig überrascht aussah. „Wenn alle so denken würden wie du, wäre ich arbeitslos.“ „Ich bin einfach nicht bereit, mein Leben dem Glück eines anderen Menschen unterzuordnen.“, erklärte sie schließlich langsam, als habe sie Angst, ich könnte sie deswegen verurteilen. „Das mag egoistisch sein, aber wir haben nur diese eine Chance und die zu teilen kommt mir fahrlässig vor.“ „Hm… Und was ist mit deinem zukünftigen Partner?“, wollte ich wissen. „Ich meine, selbst, wenn man nicht heiraten will, bindet man sich doch irgendwann endgültig und letztendlich hast du nie die Sicherheit, dass du nicht doch mit jemand anderem glücklicher gewesen wärst. Und diesen Menschen hast du dann womöglich gar nicht kennengelernt, weil du ja bei deinem Partner warst.“ „Darum möchte ich keinen Partner.“ „Gut, aber auch so hast du nicht die Sicherheit, dass du das größtmögliche Glück für dich erreichst.“ „Das hängt dann aber einzig und alleine von mir ab.“, sagte Sasuke und stieg aus dem eben haltenden Aufzug. „Ja, vielleicht…“, überlegte ich, ihr folgend. „Aber ich hätte schon gerne Kinder. Am liebsten drei.“ „Wieso das?“ „Weiß nicht. Ich bin ja Einzelkind und ich hätte es mir immer cool vorgestellt, zwei Geschwister zu haben. Das ist schon eine große Familie, aber noch nicht so viele, dass jemand zu kurz kommt, verstehst du?“ „Hm.“, machte Sasuke, dann schwieg sie. „Dein Bruder scheint dich irgendwie mehr zu mögen als du ihn.“, stellte ich fest, als wir am Motorrad waren. Sasuke nahm ihren Helm, setzte ihn aber nicht auf, also wollte sie wohl noch reden. „Itachi mag jeden.“, sagte sie kühl. „Na ja, bei dir hat er auch allen Grund dazu.“, lächelte ich aufrichtig, aber sie bekam es in den falschen Hals und schnaubte. „Viel mehr hat er keine Wahl.“ „Du kannst es echt nicht ab, wenn Leute dich mögen, oder?“, fragte ich schmunzelnd. Sie verdrehte die Augen und wandte sich ab, um ein paar Passanten nachzusehen, die den Platz vor dem Hochhaus querten. Vier Häuser umkreisten die Grasfläche, auf der einzelne Bänke tagsüber als Ruheplatz und nachts als Partystäte für Jugendliche dienten. „Kommt darauf an von wem.“, sagte Sasuke schließlich. „Also ist es jetzt ok, dass ich dich mag?“, fragte ich erfreut. Sie sagte nichts, aber das war Antwort genug und ein warmes Gefühl breitete sich in meiner Magengegend aus. „Hehe, cool… Aber willst du mir nicht sagen, wieso du Itachi nicht magst? Dann können wir zusammen über ihn lästern.” “Das ist kein Spaß, Naruto:”, wischte sie mir das Grinsen vom Gesicht. Tatsächlich hatte ich ihre Abneigung bisher für spätpubertäre Kinderein gehalten – Außerdem mochte Sasuke sowieso die wenigsten Leute, wie es aussah. Aber so, wie sie mich gerade ansah, musste ich das ganze wohl ernster nehmen. „Ok… Aber wenn du darüber reden willst, bin ich für dich da. Das weißt du, ja?“ „Will ich aber nicht.“, sagte sie direkt. „Das ist eine… Familienangelegenheit.“ „Deine ´Familie`…“, brummte ich missmutig. Ihre Geheimniskrämerei hatte meine gerade noch gute Laune vertrieben. „Was ist damit?“ „Nach dem, was du so erzählst, bin ich mir nicht sicher, ob das überhaupt eine Familie ist.“, erwiderte ich, angestachelt von ihrem gereizten Ton. „Du weißt nichts von meiner Familie.“, sagte sie kühl. „Weil du nie was erzählst.“, seufzte ich mürrisch. „Ist doch klar, dass man sich da alles Mögliche zusammen reimt, oder? Und es ist auch komisch, dass du keine Kinder willst, das gehört doch zum Leben dazu…“ „Ich kann keine Kinder bekommen, ok?“, giftete sie mit glühenden Gewitteraugen. „Bist du jetzt zufrieden? Ist dir das offen genug?“ „Ich… Nein… Tut mir leid…“, stammelte ich perplex. Ich hätte nie damit gerechnet, dass sie mir so eine Information im Affekt um die Ohren hauen würde, aber es hatte wohl genau die Wirkung, die sie gewollt hatte; Ich war sprachlos. Sonst sträubte sie sich so sehr, auch nur ihre Lieblingsfarbe preiszugeben, dass ich jetzt von dieser intimen Offenbarung wie überfahren war. Ob sie es mir gesagt hatte, weil sie sauer war oder weil sie mir vertraute oder aus einer Mischung aus beidem konnte ich nicht sagen. Jedenfalls schien sie es zu bereuen, denn sie wandte sich wieder ab und strich sich unbehaglich das Haar aus den Augen. „Schon gut.“, brummte sie. „Abgesehen davon will ich nämlich auch tatsächlich keine Kinder.“ „Ok… Aber seit wann weißt du…?“ „Bring mich nach Hause.“, unterbrach sie mich, offenbar nicht bereit, noch weiter über dieses Thema zu sprechen. Ich nickte überfordert und setzte meinen Helm auf, dann fuhren wir los. Innerlich verfluchte ich mich für meine indiskrete Frage. War doch klar, dass sie keine Details erzählen wollte. Aber sie war noch viel zu jung dafür, dass ihr so eine prägende Entscheidung einfach von ihrem eigenen Körper abgenommen werden sollte. Ich vermutete nämlich stark, dass sie sich ein wenig selbst eingeredet hatte, keine Familie zu wollen, nachdem sie erfahren hatte, dass sie keine würde haben können. Das passte einfach zu Sasuke, die immer alles im Griff haben wollte; Wenn ihr die Kontrolle genommen wurde, tat sie einfach so als wäre das, was ihr passierte, aus ihrem eigenen Willen geschehen. Ich hätte gerne noch etwas zu dem Thema gesagt oder mich zumindest dafür entschuldigt, sie so provoziert zu haben, aber sobald ich vor ihrem Haus hielt, flüchtete Sasuke praktisch von meinem Motorrad. Kapitel 10: Kapitel 9 3/4: Was wäre wenn? ----------------------------------------- „Ich bin wieder da, Babe!“, rief ich und kickte meine Schuhe in eine Ecke, dicht gefolgt von meiner ledernen Tasche. Ich war gerade dabei, eine orange Strickjacke aufzuhängen, die meine Frau ganz scheußlich fand, als ich innehielt; Es war keine Antwort gekommen. „Sasuke?“, sagte ich alarmiert, schon auf dem Weg ins Wohnzimmer. Aber da saß sie, den Stuhl vom Esstisch weggedreht, die schmale Hand mit dem Silberring auf dem großen Bauch, über dem sich eines meiner Shirts spannte. Neben ihr stand der fertig gepackte Krankenhauskoffer, der seit einem Monat in unserem Schrank deponiert war. Sie öffnete die Augen, unter denen dunkle Ringe lagen, und richtete sich ein wenig auf. „Da bist du ja.“, begrüßte sie mich offensichtlich erschöpft. „Was ist denn los?“, fragte ich und stürzte zu ihren Füßen, wo ich ihr das Haar aus der glühenden Stirn strich. Sasuke verdrehte die Augen. „Dumme Frage. Deine Tochter wird geboren.“ Sie zischte und kniff die Augen zu, die Hand verkrampfte sich um den Stoff des Oberteils. „Sasuke!“, rief ich erschrocken und hilflos. Panik kroch mir in den Bauch, wo sie sich häuslich einrichtete. „N-Nur eine Wehe. Kein Grund zur Sorge“, erklärte Sasuke gepresst. Ihre Hand tastete nach meiner, um sie zu drücken, und ich hatte das Gefühl, dass sie mich beruhigen wollte, nicht Kraft von mir brauchte. Kurz darauf entspannte sie sich langsam wieder und öffnete die Augen, um mich nachdenklich anzusehen. „Sie sind noch nicht besonders schnell, aber ich denke, wir können jetzt schon fahren… Naruto.“, hielt sie mich auf, als ich kopflos aufspringen und ihre Sachen einsammeln wollte. Ihr Blick bohrte sich in meinen, ihre Hand schloss sich immer noch um meine. „Es ist alles in Ordnung, also bleib ruhig und hilf mir hier durch. Wenn du ein Fass aufmachst und ausrastest wie das erste Mal, als sie getreten hat, pack ich Kushina direkt nach der Geburt ein und du siehst keine von uns je wieder.“ Ihre zuerst noch ruhige Stimme war schärfer geworden und ich schluckte hart; Das meinte sie ernst. Also lächelte ich, beugte mich vor, um Sasukes Stirn zu küssen und half meiner Frau beim Aufstehen. „Lass uns gehen.“, sagte ich, offenbar befriedigend ruhig, denn sie nickte und watschelte in Richtung Tür davon. Natürlich war es leichter gesagt als getan, die Ruhe zu bewahren, nachdem sie unser erstes Kind verloren hatte. Die Ärzte hatten den Tod unseres Sohnes erst kurz vor dem Geburtstermin festgestellt, sodass Sasuke ihn hatte austragen müssen in der Gewissheit, ein lebloses Baby zu bekommen. Danach hatte sie sich in ihre Arbeit gestürzt, den Haushalt gänzlich an sich gerissen und sich auch sonst so viel aufgebürdet, dass ich kaum noch an sie herangekommen war. Irgendwann hatte ich ihr entlockt, dass sie sich verantwortlich fühlte, dass sie glaubte, keine Familie, zu der sie gehörte, könne glücklich funktionieren. Ihre Worte hatten mir praktisch das Herz zerrissen, aber diese Gefühle waren eine Bürde ihrer Jugend, die sie nicht so einfach loswerden würde. Sie hatte wieder eine Therapie angefangen und als es ihr besser ging selbst gesagt, dass sie es noch einmal mit einem Kind versuchen wollte. Auf dem Weg ins Krankenhaus warf ich immer wieder besorgte Blicke zu Sasuke, die mich ungeduldig anwies, auf die Straße zu achten. Im Hospital selbst stürmte ich an die Aufnahme und rief, noch bevor die Krankenschwester etwas sagen konnte: „Sasuke Uzumaki! Wir bekommen ein Baby!“ „Das sehe ich.“, erwiderte die Dame mit einem Blick auf meine Frau, die mit ihrem riesigen Babybauch gerade hinter mir auftauchte. „Wie geht es Ihnen, Mrs Uzumaki?“ „Gut. Aber ich denke, er braucht eine Beruhigungsspritze", sagte Sasuke mit einem Nicken in meine Richtung. Die Schwester schmunzelte und kümmerte sich um die Aufnahme. „Kannst du nicht mal am Geburtstag unserer Tochter nett zu mir sein?“, jammerte ich, als Sasuke den Krankenhelfer weggeschickt hatte, der ihr einen Rollstuhl anbieten wollte. „Heute darf ich so gemein sein, wie ich will.“, erwiderte sie und ich lächelte, als sie sich an meine Seite lehnte. „Das bist du doch immer.“, flüsterte ich und küsste ihre Stirn, ehe ich das Kinn auf ihren Kopf legte. „Hey, Sasuke…?“ „Mhm…?“ „Wir bekommen wirklich ein Baby!“ „Mhm.“ „Eine echte Familie.“ Sie bewegte sich neben mir und als ich zu ihr runter blickte, merkte ich, dass sie ungewöhnlich sanft lächelte. Mir wurde die Kehle eng, so sehr liebte ich sie in diesem Moment, mehr, als ich das erste Mal ihre Hand gehalten hatte, mehr als bei unserem ersten Kuss, mehr sogar als an dem Tag, als sie zum ersten Mal: „Ich liebe dich.“, gesagt hatte. Ich nahm ihre Hand mit dem Ring und küsste den vierten Finger, eine stumme Wiederholung des Versprechens, das ich ihr damals gegeben hatte. „Gehen wir?“, fragte ich, als uns die Krankenschwester abholte. Sasuke nickte, ich drückte ihre Hand und wir machten uns auf den Weg in den Kreissaal. Unterwegs erinnerte ich mich an den Tag, an dem sie meinen Antrag angenommen hatte. Wir waren im Haus meiner Großeltern am See gewesen. Es war Anfang September gewesen und trotz der strahlenden Sonne nichtmehr übermäßig warm. Sasuke hatte sich mit einer Decke in die Hängematte im Garten gesetzt und über die sanften Hügel geblickt, die hinunter zum See abfielen… Von der Tür aus beobachtete ich Sasuke ein wenig, dann ging ich zu ihr und setzte mich etwas umständlich hinter sie und kuschelte mich zu ihr unter die Decke. „Idiot“, sagte sie in der Tonlage, die sie anschlug, wenn sie es nicht ernst meinte. Ich küsste ihren Nacken. „Komisch, wie du ´Mein Liebster` aussprichst. Aber ich find´s süß.“ „Ich bin nicht süß.“ „Natürlich.“ Ich tastete nach ihrer Hand, legte das Kinn auf ihre Schulter und schloss entspannt die Augen. In diesem Moment hätte ich mir keinen anderen Ort vorstellen können, an dem ich lieber gewesen wäre, und das war auch noch Jahre später, als wir endlich unser erstes Kind erwarteten, so. Wenn sie in meinen Armen war, wo hätte ich sonst hingehen sollen? Ich küsste ihren Hals erneut und flüsterte: „So könnte es für immer bleiben…“ Sie bewegte sich unruhig in meinem Arm, sodass ich die Augen wieder öffnete, um ihr Gesicht sehen zu können. „Was ist?“ Kurz schwieg Sasuke, dann antwortete sie leise: „Für immer ist eine sehr lange Zeit.“ „Mit dir nich.“, sagte ich überzeugt, küsste diesmal ihre Stirn. „Ich kann es kaum erwarten, bis dir die ersten grauen Haare wachsen.“ Ich lachte, als sie mir den Ellbogen in den Bauch boxte. „Idiot.“ „Nein, aber mal im Ernst, kannst du das nicht kommen sehen? Wie wir uns ein Haus bauen und am Wochenende all unsere Freunde einladen. Zusammen in den Urlaub fahren. Und irgendwann verscheuchst du die Nachbarskinder vom Grundstück, die ich zum Spielen eingeladen habe…“ „Du willst also als alter Mann immer noch so ein Spielkind sein wie heute?“ „Natürlich!“ „Wie verlockend…“ „Hehe, also ich freu mich schon darauf“, lachte ich, dann schwiegen wir eine Weile einträchtig. „Also… Würdest du so lange mit mir zusammen sein wollen?“ Wieder rutschte Sasuke unruhig vor mir herum. „Was soll das hier gerade werden, Naruto?“ „Ich weiß nicht“, gab ich ehrlich zu, bevor ich leise sagte, was mir gerade tatsächlich durch den Kopf ging: „Vielleicht ist es ein Heiratsantrag.“ Sofort verspannte sie sich völlig, sodass ich schnell zurück ruderte: “A-Aber das muss natürlich nicht sein, wenn du nicht willst! Ich meine, ich verstehe…“ „Nein. Es ist in Ordnung.“ Perplex starrte ich den kleinen Teil von Sasukes Gesicht an, den ich sehen konnte. „Du meinst…?“ „Ja.“ „Also heißt das…?“ „Was ist daran so schwer zu verstehen? Idiot.“ Ich nahm sie fest in den Arm und hatte nicht die Absicht, meine Verlobte je wieder loszulassen. Danach hatte ich ihr natürlich noch einen richtigen Antrag gemacht, immerhin war sie eine Uchiha und hatte entsprechend berechtigte Ansprüche. Aber für uns beide war dieser Herbsttag am Seehaus, der inzwischen sechs Jahre zurücklag, wesentlich wichtiger. Und jetzt stand ich hier neben meiner wundervollen Frau, während diese unser erstes Baby zur Welt brachte. Ihre Schreie machten mir Angst, was ich jedoch nicht zeigen durfte. Ich musste stark für sie sein, dieses eine Mal, wo sie mich brauchte, sodass ich ihre Finger küsste und ihr zuflüsterte, wie hervorragend sie sich schlug, während sich die Panik durch meine Eingeweide fraß. Wenn es nur nicht so sehr nach Blut riechen würde… Es vergingen gefühlt und tatsächlich Stunden, in denen der Druck von Sasukes Hand in meiner immer schwächer wurde. Erst, als die Schreie meiner Frau kläglicher wurden, war schließlich ein anderes Weinen zu hören, das mich im ersten Moment zusammenfahren ließ. Dann richtete ich mich auf, noch immer Sasukes Finger haltend, und blickte zu der lächelnden Hebamme, die etwas zerknautschtes, lilanes auf den Armen hielt. „Mein Gott…“, flüsterte ich und plötzlich hatte ich dieses schleimige Etwas auf den Armen. Mein Herz raste in meiner Kehle, als ich zum ersten Mal in Kushinas Gesicht sah. Meine Tochter… „Sie ist wunderschön…“ Ich bekam nicht wirklich mit, wie die Nabelschnur durchtrennt wurde, da ich kaum den Blick von Kushina abwenden konnte. Dann wurde mir gesagt, ich solle die Kleine Sasuke geben, was ich überaus vorsichtig tat. Meine Frau streckte mit seltsam glasigen Augen die Arme nach ihrem Baby aus und barg es an ihrer Brust. Etwas, das sich sehr nach Eifersucht anfühlte, schmerzte für einen Moment in meiner Brust, als ich sah, wie Sasuke unser Kind ansah. Von dieser Minute an, das wusste ich instinktiv, würde ich nie wieder der wichtigste Mensch im Leben meiner Frau sein. Doch dann sah ich selbst wieder Kushina an und der kurze Anflug von Neid und Angst wurde weggeschwappt von einer Liebe, die ich nie für möglich gehalten hätte. Ich kniete mich zu meinen Frauen, küsste Sasuke, die das Baby gerade stillte, auf die Stirn. „Sie trinkt schon.“, flüsterte sie mit rauer Stimme, ohne den Blick von ihrem Neugeborenen abzuwenden. Es war nicht sicher gewesen, ob Sasuke Stillen konnte, deswegen war sie jetzt wohl mehr als erleichtert, dass es sofort funktionierte. „… Sasuke?“ Jetzt sah sie doch zu mir auf, sodass sie den liebevollen Ausdruck auf meinem Gesicht sehen konnte. Ich küsste sie zärtlich. „Danke.“ Und sie wusste, dass ich ihren Mut meinte, sich erst auf unsere Beziehung, dann auf unsere Ehe und jetzt auf unsere Familie einzulassen. Nach allem, was sie erlebt hatte, war es nie leicht für sie gewesen, Bindungen einzugehen, sodass jede Entscheidung für uns und unsere Zukunft eine neue Überwindung für sie darstellte. Natürlich hatte ich ihr in so manchem Fall einen Schups hin zu ihrem Glück gegeben, aber ich hatte trotzdem das Gefühl, ihr sagen zu müssen, dass ich zu schätzen wusste, was sie für uns zu riskieren bereit war. Sasuke sah erschöpft aus, und das war noch nicht alles, was sie heute durchzustehen hatte. Trotzdem verstand ich genau, was sie mir sagen wollte, als sie meine Hand nahm und diese sanft drückte. Wir, unser Baby und ich, waren ihr jedes Risiko wert. Kapitel 11: Freizeit Poeten --------------------------- Kaum zu glauben, dass der Sommer vorbei war und bald das neue Semester anfangen würde – Das zweite meines Studiums. Einerseits hatte ich die freie Zeit, sofern ich nicht im Café gearbeitet hatte, natürlich genossen, andererseits freute ich mich aber auch darauf, wieder loszulegen und meinem Traumberuf näher zu kommen. Ein Wochenende hatte ich aber noch, und das wollte ich genießen. Heute zum Beispiel im Schwimmbad. Bewaffnet mit meiner Tasche verließ ich die Umkleiden auf der Suche nach den Leuten, mit denen ich verabredet war, und schlängelte mich durch die zahlreichen Besucher des Bades. Es herrschte einiger Trubel, Kinder stolperten mir vor die Füße, Eltern liefen hinterher, Bademeister riefen Teenager zur Ordnung und eine Mutter trug ihren fröhlich pinkelnden Sohn hastig in Richtung Toiletten. Wenig später entdeckte ich trotz der vielen Leute Sasuke auf einer Liege zwischen ein paar mir Unbekannten. „Hi", begrüßte ich sie strahlend. „Du bist spät dran“, sagte Sasuke, die nur kurz von ihrem Buch aufsah, um mich zur Kenntnis zu nehmen. Anstalten, ihre Freunde vorzustellen, machte sie nicht. „Freundlich wie immer“, grinste ein Typ mit weißen Haaren, der aufstand und mir die Hand reichte. „Hi, ich bin Suigetsu. Das ist Karin.“ Er deutete auf eine Rothaarige in knappen, lilanem Bikini, dann auf einen Hünen neben ihr. „Und das ist Juugo.“ „Cool! Ich bin Naruto. Ich würd ja jetzt sagen, ich hab schon viel von euch gehört…“ „Haha, mach dir nichts draus. Wir haben von deiner Existenz mit den Worten: ´Es kommt noch jemand.`, überhaupt erst erfahren“, erzählte Suigetsu und dirigierte mich auf die Liege neben seiner. „Wir wussten nicht, dass Sasuke noch andere Freunde hat. Karin war schon ganz eifersüchtig.“ „Halt die Fresse“, zischte diese, wobei sie fast so rot wurde wie ihre Haarmähne und Sasuke einen Blick zuwarf. Als diese nicht aufsah, wandte sie sich enttäuscht ab. Zum ersten Mal musterte ich Sasuke genauer. Sie trug schwarze Badeshorts für Männer und ein ebenfalls schwarzes Bikinioberteil, unter dem man sehen konnte, wie die Rippen sich unter ihrer blassen Haut abzeichneten. Irgendwie hatte ich das spontane Bedürfnis, ihr die Kekse anzubieten, die ich mitgebracht hatte. „Sorry, dass ich spät dran bin“, griff ich ihre vorige Rüge wieder auf. „Im Café war die Hölle los.“ Sasuke nickte nur, ohne von ihrem Buch aufzusehen, auf dessen Einband ich jetzt einen Blick warf. ´Der Tod in Rom`, klang ja fröhlich. „Und du bist Kellner?“, fragte Karin. „Barista“, widersprach ich und grinste, als sie die Brauen hochzog. „Nein, ich helfe im Campus-Café aus an der Uni aus. Eigentlich studiere ich Sport- und Englischlehramt.“ „Ach so.“ Sie ließ einen wissenden Blick über mein Sixpack und die trainierten Arme gleiten. „Verstehe.“ „Und was macht ihr so?“ „Ich studiere mit Sasuke Chemie. Ab und zu Model ich aber auch.“ „Verstehe“, machte ich sie schmunzelnd nach. Das erklärte ihre gemachten Nägel, das glänzende Haar und die zugegebenermaßen umwerfende Figur. Sie war schlank und hatte trotzdem weibliche Kurven. „Vergiss es, Mann“, warnte Suigetsu mich, als er meinen interessierten Blick bemerkte. „Die ist fest verankert am anderen Ufer.“ Karin bewarf ihn mit ihrer Wasserflasche. „Musst du das immer gleich jedem erzählen? Idiot!“ „Er merkt doch eh sofort, wie du Sasuke anschmachtest… AUA!“, protestierte er, als die Rothaarige ihm mit hochrotem Kopf in den Magen schlug. „DU SCHMACHTEST SASUKE SELBER AN!“ „Ähm, ist doch nicht schlimm“, sagte ich mit beschwichtigend erhobenen Händen. „Jeder soll tun, was ihn glücklich macht, oder?“ „Außer, es macht ihn glücklich, ein Idiot zu sein“, fauchte Karin, die mit Suigetsu rangelte, um ihn zu schlagen. Sasuke und Juugo nahmen von dem Kleinkrieg kaum Notiz, also nahm ich an, das war normal für die beiden. „Und was machst du?“, fragte ich Juugo, um das Thema zu wechseln. „Ich studiere Ornithologie. Im Moment arbeite ich als Werksstudent im Staatsmuseum an einer Sonderausstellung.“ Ich sah ihn verwirrt an. „Äh, was?“ „Er ist Vogelkundler“, erklärte Sasuke, womit sie offenbarte, dass sie zuhörte. Ungläubig starrte ich erst sie, dann ihren riesenhaften Freund an. „Was?!“, wiederholte ich, diesmal lauter. Juugo zuckte die Schultern. „Vögel sind schöne Kreaturen. Und so… Frei.“ „Oh… Ok, aber ich dachte, du seist… Wrestler oder sowas“, gab ich verblüfft zu. Er nickte, schwieg aber eigentümlich friedfertig. Ich unterhielt mich noch etwas mit ihm über seine Arbeit, aber es war noch anstrengender, mit Juugo zu sprechen als mit Sasuke, denn er sagte ungefragt tatsächlich gar nichts und gefragt nur möglichst wenig. Schließlich gab ich auf und wandte mich an Sasuke. „Willst du schwimmen gehen?“ Ich hätte ja die anderen auch gefragt, aber Juguo hatte schon nein gesagt und Karin stritt immer noch mit Suigetsu. Eigentlich hatte ich gedacht, ich würde alleine gehen müssen, aber Sasuke legte ein Lesezeichen in ihr Buch und erhob sich. Ich steuerte die Lagune an, von der aus man in den beheizten Außenbereich gelangen konnte, Sasuke jedoch ging zielstrebig daran vorbei zum Sportbecken. Überrascht sah ich zu, wie sie sich kurz dehnte und dann direkt ins kühle Wasser stieg. Jetzt kannten wir uns schon über vier Monate und hatten, vor allem seit Kyuubis Party, wirklich viel Zeit miteinander verbracht, aber manchmal überraschte ihr Verhalten mich immer noch. Das lag wohl auch daran, dass sie langsam offener im Umgang mit mir wurde während ich mich gerade an ihre Verschlossenheit gewöhnt hatte. Diese neue Offenheit hatte auch dazu geführt, dass sie sich nicht sofort völlig von mir zurückgezogen hatte, nachdem sie mir etwas so Gravierendes wie ihre Sterilität offenbart hatte. Zwar hatte sie sich geweigert, weiter darüber zu sprechen oder auch nur meine Entschuldigungen anzunehmen, aber immerhin weigerte sie sich auch nicht, mich zu sehen. Inzwischen traf sie sich ab und zu mit mir und meinen Freunden und soweit ich wusste, schrieb sie sogar regelmäßig mit Neji. Zuerst war Tenten nicht begeistert davon gewesen, aber als ich ihr erklärte, dass Sasuke ein rein intellektuelles Interesse an ihrem Freund hatte, hatte sie sich beruhigt. Ich seufzte, dann sprang ich ihr mit einem Hecht hinterher und ignorierte die bösen Blicke der anderen Schwimmer, deren Bahn ich kreuzte, als ich zu Sasuke aufschloss. „Schwimmst du gerne?“, fragte ich und ging zum Rückenkraulen über, um sie ansehen zu können. „Drei Mal die Woche, wenn möglich.“ „Krass. Aber in einem Verein bist du nicht?“ Sie drehte um und stieß sich kraftvoll vom Beckenrand ab, sodass sie etwas vor mir her schwamm. „Bis ich vierzehn war. Danach reichte die Zeit nicht mehr“, beantwortete sie die wohl abzusehende Frage im Voraus. „Schule?“ „Ja. Außerdem musste ich zu der Zeit mehr im Haushalt machen, weil Itachi in der Firma unseres Vaters befördert worden war.“ Diesmal war ich vorsichtiger, was Itachi anging: „Dann war er aber noch ganz schön jung, oder?“ „Zwanzig. In der ersten Zeit hatte er… Viel Stress.“ „Und deine Mutter konnte den Haushalt nicht führen?“, fragte ich und sprang damit ins nächste Fettnäpfchen. „Meine Mutter ist bei meiner Geburt gestorben.“ „Oh Gott… Das tut mir leid, ich wusste nicht…“ „Ja – Und sonst weiß das auch niemand“, betonte sie mit einem Blick, der klar machte, dass das auch so bleiben sollte. „Klar… Tut mir wirklich leid, Sasuke.“ Wir waren mehrere Bahnen geschwommen und jetzt wieder am Beckenrand. Sasuke hielt sich daran fest und zuckte die Schultern. „Ich kannte sie nicht.“ „Trotzdem. Ich kannte meine Eltern auch nicht, aber irgendwas fehlt doch immer, oder?“ Sie sah überrascht aus. „Du kennst deine Eltern nicht?“ „Nein, hab ich dir das gar nicht gesagt?“ Sie schüttelte den Kopf und ich überlegte, dass ich ihr zwar wohl gesagt hatte, dass ich bei meinen Großeltern lebte, aber nie, wieso. Inzwischen war sie mir auch so vertraut, dass ich wohl irgendwie davon ausgegangen war, dass sie es einfach wusste. „Ich dachte, du wärst mit deinen Eltern zerstritten und seiest deswegen ausgezogen“, sagte Sasuke nachdenklich. „Nein, leider nicht.“ Einen Streit hätte man aus der Welt schaffen können… „Sie sind gestorben, als ich noch ganz klein war. Mein Dad war Politiker und meine Mutter hat ihn zu einem Termin begleitet, zu dem sie fliegen mussten. Ich war bei meinen Großeltern, als das Flugzeug abgestürzt ist.“ Sasuke hatte mich während dieses auswendig gelernten Berichts nicht angesehen und auch, als ich fertig war, sagte sie eine Weile nichts. „Tut mir leid“, flüsterte sie schließlich und berührte flüchtig meine Hand. Ich lächelte mechanisch, wie immer, wenn ich über meine Eltern sprach. Ich wollte kein Mitleid, das brachte sie auch nicht zurück. Außerdem war ich lange genug sauer auf sie gewesen; Inzwischen hatte ich ihnen verziehen, dass sie mich alleine gelassen hatten. „Lässt sich nicht ändern, oder?“, fragte ich leichthin. „Aber es fehlt etwas“, widerholte Sasuke, was ich zuvor gesagt hatte. Ich sah auf die Hand, die sie eben berührt hatte. „Ja.“ Eine Weile trieben wir in stillem Einverständnis im Wasser, dann war hinter uns ein lautes Platschen und die empörten Schreie einiger Badegäste zu hören. Wir drehten uns um und sahen Suigetsu blitzschnell die Bahnen queren, um zu uns zu gelangen, wobei er einige andere Gäste über den Haufen schwamm. Am Beckenrand folgten ihm Juugo und Karin. „Was turtelt ihr hier so zweisam?“, grinste er und drängelte sich zwischen uns. „Wir sind geschwommen!“, verteidigte ich uns, als Sasuke nur die Augen verdrehte. „Jaja, ich hab genau gesehen, wie ihr Händchengehalten habt.“ „WAAAS?!“, japste Karin, deren Blick ich entnahm, dass ich es mir jetzt mit ihr verscherzt hatte. „S-So war das gar nicht…!“, versuchte ich, sie zu beruhigen, wobei ich Sasuke einen hilfesuchenden Blick zuwarf, aber die sah desinteressiert wo anders hin. Ihre Freundin stemmte eine Hand in die Hüfte, mit der anderen deutete sie anklagend auf mich. "Tauchst hier auf und meinst, dich an Sasuke ranschmeißen zu können… Glaubst du echt, du wärst gut genug für sie?!“ „I-Ich…“ „Von wegen! Ich sag dir jetzt mal was…“ Und dann hielt sie mir eine zehnminütige Rede darüber, warum ich nicht mal Dreck zu Sasukes Füßen war. Das andere Mädchen selbst war in der Zeit ein paar Mal gemächlich durchs Becken geschwommen und Juugo hatte die Beine ins Wasser gehängt, sah aber aus dem Fenster und hörte offensichtlich nicht zu. Suigetsu dagegen schien sich köstlich zu amüsieren. Erst nach einer Ewigkeit unterbrach er Karin, indem er sich aus dem Wasser stemmte und sie lässig in den Pool stieß. „Was zur…?!“, platzte sie heraus, als sie wieder an die Oberfläche kam, aber Suigetsu winkte nur ab. „Halt die Luft an. Du langweilst. Na Jungs, wie wär´s mit einem Wettschwimmen?“ Unerwartet stand Juugo auf, wodurch er Suigetsu um mehr als eine Haupteslänge überragte. Der Hüne sah immer noch gelassen aus, als er sagte: „Sei netter zu Karin“, aber Suigetsus Mundwinkel zuckte alarmiert, als er lächelnd die Hände hob. „Schon gut, Alter, kein Grund für Stress. War doch nur ein Witz!“ „Ist das so“, erwiderte Juugo, dann half er Karin aus dem Wasser, wofür er eigentlich nur eine Hand brauchte. Statt ihr stieg er in den Pool. „Ich wäre bei einem Wettschwimmen dabei.“ Suigetsu und ich warfen uns nach dieser beunruhigenden Szene schräge Blicke zu, aber Sasuke, die gerade zurückgekommen war, meinte: „Ich wäre auch dabei“, und ich vergaß jeden Vorbehalt. „Ich mach auch mit!“ „Ts, glaubst du, du kannst mithalten, Blondie?“, fragte Suigetsu, der sich neben mir in Startposition begab. Karin wollte lieber Jiri sein und blieb außerhalb des Wassers. „Soll das ein Witz sein?“, lachte ich und machte mich bereit. Während Sasuke und Juugo sich in Position brachten, stellte Karin sich neben uns auf und hob den Arm. „Fertig?“ Als alle nickten, ließ sie die Hand herunter sausen wie eine Flagge. „Los!“ Ich war kaum losgeschwommen, als Suigetsu auch schon an mir vorbei rauschte. Baff sah ich ihm nach, dann zog ich mein eigenes Tempo an, aber es war hoffnungslos, ich konnte ihn nicht einholen. Juugo war wegen seiner schieren Größe zwar recht schnell, nahm das ganze aber wohl nicht so ernst und war bereits zurückgefallen. Anders sah es da mit Sasuke aus, die ein wenig vor mir lag, aber noch einzuholen war. Als ich auf ihrer Höhe war, grinste ich sie an und legte nochmal einen Zahn zu, aber sie blieb nicht wie erwartet hinter mit zurück, sondern zog mit routinierter Konzentration durchs Wasser. Suigetsu war inzwischen am Beckenrand angekommen und drehte um. Sasuke und ich erreichten den Rand in genau demselben Moment. Wir sahen uns wortlos an, drehten um und preschten nebeneinander zurück. Die ersten paar Meter lag ich sogar vorne, was aber nur daran lag, dass ich größer war als Sasuke. Schon auf der Hälfte der Stecke hatte sie aufgeholt, dann zog sie an mir vorbei und berührte mit einer halben Körperlänge Vorsprung den Beckenrand. „Sasuke ist zweite!“, rief Karin und klatschte begeistert. „Nicht schlecht“, keuchte ich grinsend, als ich drei Sekunden später ankam. Sasuke stemmte sich aus dem Wasser, sodass jeder Muskel in ihrem Rücken und ihren Armen zu sehen war. Sie sah hochmütig zu mir runter, machte „Hn“, Und schwang sich aus dem Becken. Ich schluckte; so sexy hatte ich sie wohl noch nie gefunden und ich war froh, dass das Wasser so kalt war, sonst hätte ich wohl ein Problem gehabt. Suigetsu reichte dem gerade ankommenden Juugo die Hand und klopfte ihm auf die Schulter, als er dem Hünen überflüssiger Weise aus dem Wasser geholfen hatte. „Das ging schon mal besser, Mann! Du musst doch unserem Neuzugang zeigen, wo der Hammer hängt!“ „Das hast du ja schon gemacht. Du bist ja abgegangen wie Schmitz Katze“, sagte ich auf dem Weg zu unserem Platz beeindruckt. Suigetsu grinste zufrieden. „Klar. Ist halt nicht jeder aus dem Schwimmteam ausgestiegen, nich, Sasuke?“ „Ach, daher kennt ihr euch?“, fragte ich neugierig. „Die drei. Ich studiere wie gesagt Chemie“, erklärte Karin, die Sasuke aus dem Augenwinkel beim Abtrocknen zusah. „Wie auch immer. Nachdem ihr euer Testosteron rausgelassen habt, können wir in die Sauna gehen, oder?“, schlug sie dann vor. „Ich bleibe“, entschied Sasuke, die gerade wieder ihr Buch zur Hand nahm. Juugo folgte ihrem Beispiel und legte sich auf seine Liege. „Mir bekommt die Hitze nicht.“ „Eh? Mit diesem Affen geh ich nicht alleine!“, beschwerte Karin sich, womit sie wohl nur Suigetsu meinte, worüber ich mich aber trotzdem beschwerte. Fasziniert beobachtete ich, wie einer nach dem anderen sich um Sasukes Liege sammelte. Ich hätte es nicht geglaubt, aber sie war, was diese Gruppe zusammenhielt. Sie war ihre Anführerin. Es war interessant, Sasuke in einem Umfeld zu erleben, in dem sie sich zu Hause fühlte, denn dabei kam ihre autoritäre Seite bisweilen ganz schön zum Vorschein. Nicht, dass sie ihre Freunde herumkommandiert hätte, aber scheinbar bremste ihre bloße Anwesenheit Suigetsu und Karin ein wenig ein. Wir verließen das Bad erst am frühen Abend. Ich war gerade dabei, meine Sachen in meine Sporttasche zu räumen, als Suigetsus Kabinentür aufflog und eine – Wie immer – Wütende Karin daraus hervor rauschte. „Ich WEIß genau, dass du ihn hast, Suigetsu!“, keifte sie, wobei sie auf mich zu rauschte. Ein wenig nervös sah ich mich nach einer Ausweichmöglichkeit um, aber da gab es keine, also musste ich mich mit dem roten Teufel auseinandersetzen, der sich mit in die Hüften gestemmten Händen vor mir platzierte. „Oder hast DU meinen Make-Up-Koffer geklaut?!“, fragte sie und bohrte mir den langen Nagel in die Brust. „Was…?“ „Gib zu, dass du ihn hast, Naruto“, meinte Sasuke, die bereits völlig bekleidet aus ihrer Kabine kam. Mit dem Zopf, den sie sich gebunden hatte, sah sie ihrem Bruder noch ähnlicher. „Ich weiß doch, wie gerne du dich schminkst.“ Ich lachte, aber Karin sah nicht amüsiert aus. „Können wir ernst bleiben und suchen? Das Teil war teuer.“ „Warum hast du überhaupt deine ganze Schminke mitgebracht?“, seufzte ich, als ich meine Tasche aus und nochmal einräumte, um zu suchen. „Das ist keine ´Schminke`, sondern Make-up. Und ich habe es natürlich mitgebracht, um mich zu schminken“, erklärte Karin hochnäsig. „Aber ist es dann nicht doch Schminke…?“, murmelte ich Sasuke zu, die gluckste und scheinbar nicht vorhatte, sich an der Suche zu beteiligen. „Boa, ich kann mich hier nicht umziehen!“, bescherte Suigetsu sich gerade. „Man sieht immer meinen Schwanz unter der Tür baumeln.“ Ich bückte mich, um das zu prüfen. „Keine Sorge, man sieht nichts.“ „Alter, da können die Ladies Klimmzüge dran machen!“, protzte er munter weiter, worüber die beiden anwesenden Ladies die Augen verdrehten. „Hm, und trotzdem ist Karin gerade zu mir gekommen, nachdem sie das gesehen hat“, erwiderte ich trocken. Sasuke schmunzelte, Karin sagte mehrmals, sie hätte „GAR NICHTS!“, gesehen oder sehen wollen und Suigetsu beschwerte sich, ließ es aber von da an sein mit den Penis-Sprüchen. „Gehen wir?“, fragte Sasuke leicht genervt, als alle sich wieder ein wenig beruhigt hatten. „Aber ich hab meinen Koffer noch nicht!“, beklagte Karin sich, die bestimmt zum dritten Mal alle Schränke durchsah. „Und Juugo haben wir auch verloren“, fiel mir auf, doch das schien die drei übrigen Freunde nicht sonderlich zu kümmern. Nun, er konnte wohl auf sich selbst aufpassen. Kaum war Suigetsu umgezogen und kam aus der Umkleide, als er auch schon von Karin überfallen wurde, die seinen Schrank und seine Tasche filzte. Mit verschränkten Armen sagte er mürrisch: „Vielleicht wurde das Teil einfach geklaut.“ „Aber ich hatte ihn doch extra in meinem Spind eingesperrt.“, sagte Karin niedergeschlagen, als sie zugeben musste, dass Suigetsu ihr Eigentum nicht bei sich hatte. „Na, na, wir finden deinen Koffer schon, ok?“, versuchte ich, sie aufzumuntern. Ihre Augen waren ganz glasig und ich konnte Mädchen einfach nicht weinen sehen. „Wir fragen bei den Rettungsschwimmern und an der Rezeption, vielleicht hat ihn ja jemand abgegeben. Und wenn nicht, hast du das Teil vielleicht gar nicht mitgenommen?“ Ungläubig schniefte Karin, dann nickte sie langsam. „O-Ok.“ „Na also“, lächelte ich und wuschelte ihr durchs Haar. Sasuke seufzte mit verschränkten Armen. „Na schön. Naruto, Suigetsu, ihr geht zu den Rettungsschwimmern. Karin und ich warten am Ausgang.“ Nach ein bisschen Gemosere stimmte auch Suigetsu diesem Plan zu, sodass wir uns wieder auf den Weg ins Schwimmbad machten. Unterwegs fragte ich: „Und wieso hast du das gemacht? Sie hätte fast geweint“, tadelte ich, sobald wir alleine waren. „Ich weiß nicht, wovon du redest, Alter.“ Ich verdrehte die Augen – Das hatte ich mir wohl von Sasuke abgeschaut. „Sei wenigstens ehrlich, sonst sag ich es ihr.“ „Das würdest du nicht.“ „Lass es darauf ankommen“, lächelte ich, dann starrten wir uns einen Moment austestend an. Schließlich wandte er sich grummelnd ab. „Spielverderber.“ „Also? Warum?“ „Hast du nicht gemerkt, was sie heute für ne Bitch war? Ich wette, das war wegen dir.“ Überrascht blinzelte ich ein paar Mal. „Wegen mir?“ „Na ja, und wegen Sasuke. Karin schwärmt ja ´heimlich` für sie.“ Suigetsu verdrehte die Augen und ich schmunzelte. „Jedenfalls verbringst du Zeit mit Sasuke, sie akzeptiert dich und alles. Das macht Karin wohl Angst. Aber das ist noch lange kein Grund, sich so aufzuführen.“ „Ne, da hast du Recht. Aber jetzt sollten wir den Koffer trotzdem zurückholen.“ „Nicht nötig“, sagte eine Stimme hinter uns, sodass wir uns überrascht umdrehten. Juugo stand vor uns und sah mit einem großen Koffer in der Hand aus wie ein Mafiosi. Er sah Suigetsu an. „Ich habe ihn hinter einer Topfpflanze gefunden… Ich hatte gesagt, du sollst netter zu Karin sein.“ „Haha, das war doch nur ein Scherz! Siehst du, ich wollte ihr Schminkzeug doch schon wieder holen!“, verteidigte sich der sichtlich nervöse Suigetsu. Ich nahm dem Hünen vorsichtig das überdimensionale Schminktäschchen ab. „Jetzt ist es ja wieder da, also gehen wir einfach, ok? Die Mädels warten.“ Zu meiner Überraschung folgten mir beide kommentarlos durch die Duschen zu den Umkleiden. Während Juugo sich umzog, schrieb ich Sasuke, dass wir sowohl ihn als auch den Koffer gefunden hatten. Sie antwortete nicht, aber das war auch nicht nötig, denn kaum zehn Minuten später fanden wir uns am Ausgang wieder. Ich hob triumphierend das Schminkset in die Höhe und grinste. Damit, dass Karin auf mich zukommen und meine Wange küssen würde, hätte ich nicht gerechnet. Auch Juugo bekam ein Bussi und sie strahlte uns beide an. „Danke!“, sagte sie und packte den Koffer in ihre Tasche. „Kein Problem“, grinste ich gut gelaunt zurück. Das hatte sich doch schon mal gelohnt. Nur Suigetsu schmollte. „Hey, und was ist mit mir?“ „Du kannst froh sein, dass du keine Ohrfeige bekommst“, fuhr ihn seine rothaarige Freundin an. „Ich weiß genau, dass du etwas damit zu tun hast.“ „Ach was, das hat irgendein Kind versteckt“, versuchte ich, Karin zu beruhigen. Sie schnaubte nur und Sasuke nutzte die Gesprächspause, um nochmal einzuwerfen, dass sie gehen wollte. Alle stimmten dem Vorschlag zu, sodass wir uns auf den Weg zu den Parkplätzen machten. „Soll ich dich echt nicht mit heim nehmen, Sasuke?“, griff Karin wohl ein Gespräch wieder auf, das die Frauen geführt hatten, als sie alleine waren. „Ich nehme die Bahn“, lehnte Sasuke ab. Karin seufzte enttäuscht. „Na gut… Dann bis Montag… Und wenn du dich nicht benimmst, schmeißt Juugo dich während der Fahrt raus!“, fauchte sie Suigetsu an, der es sich auf dem Rücksitz ihres Wagens bequem gemacht hatte. „Ist ja gut. War nett, dich kennenzulernen, Blondie“, verabschiedete Suigetsu sich bei mir. „Euch auch. Man sieht sich bestimmt bald mal wieder“, lächelte ich und winkte ihnen nach, als sie davon fuhren. „Interessante Leute“, meinte ich an Sasuke gewandt, als wir alleine waren. Sie verdrehte die Augen. „Sag ruhig, dass sie Idioten sind. Wo hat Suigetsu ihren Koffer versteckt?“ Ich blinzelte, weil ich nicht erwartet hatte, dass sie das erraten hatte. Sie hatte so gleichgültig gewirkt… Andererseits kümmerte Sasuke sich selten um die Belange anderer Leute und Make-Up dürfte ihr vollkommen gleichgültig sein. „Im Schwimmbad hinter einer Pflanze. Juugo hat ihn gefunden.“ „Hn.“ „Karin und Suigetsu scheinen sich ja nicht sonderlich zu mögen“, bemerkte ich, während ich die Helme aus dem Topcase meines Motorrads nahm und Sasuke ungefragt einen davon reichte. Sie war mir stillschweigend zu der Maschine gefolgt und ich nahm einfach mal an, dass ich sie nach Hause bringen sollte, obwohl sie natürlich nicht gefragt hatte. Das tat sie nie, dafür war sie viel zu stolz. „Wundert mich, dass sie trotzdem was zusammen unternehmen.“ „Sie will Zeit mit mir verbringen und ihn kenne ich mein ganzes Leben lang. Irgendwann hat Karin wohl eingesehen, dass sie ihn nicht loswerden wird“, erzählte Sasuke schulterzuckend. „Hast du eigentlich auch Freunde, die nicht auf dich stehen?“ Sasuke zog wegen meines Grinsens eine Braue hoch. „Sag du es mir.“ Schmunzelnd fuhr ich mir durch die Haare, ohne ihrem Blick auszuweichen. Diese Erwiderung war wohl zu erwarten gewesen… „Ja. Einen hast du“, log ich, weil das war, was sie hören wollte und obwohl wir es beide besser wussten. „Was machst du heute noch so?“ „Wohl nichts mehr“, ignorierte sie meinen plumpen Themenwechsel. „Hast du Lust, noch mit zu mir zu kommen?“ „Und was machen wir bei dir dann?“ Ich stockte, weil ich vermutete, dass ihre Antwort von meinem Vorschlag abhing. Wenn ich ´nur rumhängen`, sagte, würde sie sicher ablehnen. „Uhm… Es ist schon recht spät. Vielleicht könnten wir was kochen?“ Obwohl ich sie schon oft vor ihrem Haus abgesetzt hatte, hatte sie mich noch nie reingebeten. Ich ging davon aus, dass sie mich von ihrer Familie fernhalten wollte. Bei mir war Sasuke bisher noch nie gewesen, weil wir fast immer etwas draußen machten oder in Kyuubis WG waren. Den Versuch, sie zu mir einzuladen, war es also wohl wert. Und es lohnte sich, denn nach kurzem Zögern nickte sie und ich strahlte. „Cool! Meine Großeltern wollten dich schon lange mal kennenlernen.“ Sasuke nickte erneut und stieg hinter mir auf mein Motorrad, dann machten wir uns auf den dreißigminütigen Weg zu mir nach Hause. Ich war ein bisschen aufgeregt, als ich die Maschine in der Garage abstellte. Es war nicht das erste Mal, dass ich ein Mädchen nach Hause brachte, Tsunade und Jiraiya würden schon zurechtkommen. Viel nervöser machte mich die Frage, was Sasuke von unserem Haus und meiner Familie halten würde. Sie wartete geduldig, bis ich die Tür aufgesperrt hatte, dann sah sie sich in dem großen, offenen Wohnzimmer um, von dem aus man in die Wohnküche blicken konnte. Auch die Türen zum Schlafzimmer meiner Großeltern, zu deren zwei Arbeitszimmern und zum Badezimmer waren zu sehen. Von hier unten sah man nur die Fenster, die aus meinem Zimmer ins Wohnzimmer zeigten. „Ähm, du kannst deine Jacke da aufhängen und dein Zeug einfach irgendwo abstellen“, bot ich aufgeregt an. Mein Gast zog die Brauen hoch, tat aber was ich gesagt hatte, als hätte sie meine Unruhe nicht bemerkt. „Ich bin wieder da!“, rief ich in der Zwischenzeit, da ich meine Familie noch nicht gesehen hatte. „Wo warst du überhaupt?“, fragte Tsunade aus ihrem Büro. „Du hättest das Wochenende ruhig nutzen können, um dich auf das neue Semester vorzubereiten… Oh. Guten Abend“, unterbrach meine Großmutter ihre Belehrungen, als sie aus dem Zimmer kam und bemerkte, dass ich nicht alleine war. „Guten Abend“, erwiderte Sasuke ein wenig steif. „Tsunade, das ist Sasuke Uchiha. Du hast sie glaub ich auf Inos Ladeneröffnungsparty kennengelernt“, stellte ich vor. „Ja, ich erinnere mich.“ Tsunade gab unserem Gast die Hand. „Nett, Sie wieder zu sehen.“ „Ja.“ „Ähm, wir wollten zusammen kochen“, erklärte ich, um die etwas seltsame Stimmung ein wenig abzuschwächen. „Oder gibt es schon Abendessen?“ „Nein, ich bin noch nicht dazu gekommen. Was wollt ihr machen?“ „Uh…“ Ich warf Sasuke einen fragenden Blick zu, die amüsiert die Brauen hochzog. „Du hast das doch vorgeschlagen. Ich dachte, du hättest einen Plan“, stichelte sie, doch dann half sie mir auf die Sprünge. „Spinatlasagne, vielleicht?“ „Oh, das klingt gut“, stimmte ich sofort zu. Ich liebte zwar Junkfood, aber gegen anständige Hausmannskost hatte ich rein gar nichts. „Was brauchen wir?“ Wir hatten zwar nicht alle Produkte, die Sasuke nannte, aber sie kannte das Rezept gut genug, um improvisieren zu können. Ich half vorrangig beim Schneiden, und auch auf diese Arbeit warf meine Küchenchefin immer mal wieder Kontrollblicke, nachdem ich ihr eine geviertelte Knoblauchzehe hatte unterjubeln wollen. „Kochst du dann bei euch zu Hause auch?“, fragte ich später, als die Lasagne im Ofen war. „Mein Vater und Itachi sind meist lange unterwegs und gehen oft in Restaurants“, antwortete Sasuke und nahm einen Schluck von dem Wasser, das ich ihr gereicht hatte. Ich war versucht, sie mehr zu ihrer Familie zu fragen, hielt mich aber zurück. „Hm, dann verpassen sie was. Selbst schuld.“ Sasuke verdrehte nur die Augen. Weiter kamen wir aber auch nicht, denn da gesellte Tsunade sich wieder zu uns, die weiter gearbeitet hatte, während wir kochten. „Alles in Ordnung? Hat er nicht versucht, das Haus abzufackeln?“ „Oma…“ „Nein. Er wollte eher Vampire vertreiben“, erwiderte Sasuke schmunzelnd. „Oh man, das werde ich nicht mehr los, oder?“, stöhnte ich, nachdem ich Tsunade die Geschichte von dem unzureichend zerkleinerten Knoblauch erläutert hatte. „Ich denke nicht, nein“, stimmte meine Großmutter zu. An Sasuke gewandt meinte sie: „Er war schon immer so faul, was das Kochen angeht. Als Teenager hat er eine Zeit lang nur diese Instantnudelsuppe gegessen, wenn ich nicht gekocht habe.“ „Diese Ramen, die er immer noch ständig isst?“ Tsunade sah empört von Sasuke zu mir. „Naruto, du wirst als Sportlehrer Vorbild für die gesunde Lebensweise deiner Schüler sein. Du kannst nicht so einen Müll essen!“ Ich verdrehte die Augen, weil wir diese Diskussion schon tausend Mal geführt hatten. „Jaa, den Kleinen sag ich, sie sollen sich am besten nur von Karottensticks ernähren. Aber ich bin gesund, mit oder ohne Ramen, oder? Du schleifst mich doch regelmäßig zu sämtlichen Routineuntersuchungen.“ „Vorsorge…“ „Ist besser als jede OP; ich weiß, ich weiß. Es ist ja nicht so, als würde ich nur Müll essen. Schau, heute gibt es Gemüselasagne!“ „Ja, weil Sasuke hier ist“, bemerkte Tsunade scharfsinnig. Sie hätte sicher noch einiges dazu zu sagen gehabt, wenn in dem Moment nicht ihr Mann nach Hause gekommen wäre. Jiraiya gesellte sich zu uns und drückte seiner Frau einen Kuss auf die Stirn, dann musterte er neugierig unseren Gast. „Guten Abend. Jiraiya mein Name.“ „Opa, das ist Sasuke. Du hast sie auf Inos Eröffnungsfeier kennengelernt“, erklärte ich seufzend. „Du weißt schon, sie ist etwas später mit ihrem Bruder gekommen.“ „Oh… Oooh!“, machte der Schriftsteller mit etwas zu überraschtem Blick, als ihm klar wurde, wen ich meinte. In ihrem normalen Aufzug hatte er sie gar nicht erkannt, was mich wunderte. So anders sah sie doch gar nicht aus… Oder? Immerhin hatte ich Sasuke in ihrer Abendgarderobe auch erst auf den zweiten Blick erkannt, und ich kannte sie besser als mein Großvater. Ich musste wohl zugeben, dass der Unterschied zwischen ihrer burschikosen Seite, als die sie gerade in der Küche saß, und der eleganten jungen Frau, als die sie auf der Eröffnung aufgetreten war, gewaltig war. „Nun, dann ist es schön, Sie wieder zu sehen“, versuchte Jiraiya die Situation mit einem Lächeln zu retten. „Hn“, machte Sasuke in einem neutralen Ton. Tsunade beschloss, das Thema zu wechseln. „Naruto sagt, Sie würden ´Irgendwas mit Chemie` studieren. Darf ich fragen, was genau?“ Das durfte sie, und die folgende Zeit verbrachten die Damen mit einem Frage-Antwort-Spiel bezüglich Sasukes Studiums und ihren Karriereplänen. Mein Großvater und ich kümmerten uns darum, den Tisch zu decken und Salat anzurichten, denn kurz darauf war die Lasagne fertig. „Hast du dich jetzt eigentlich endlich für alle Kurse angemeldet?“, fragte Tsunade, die uns das Essen auftat. Ich verdrehte die Augen. „Letzte Woche. Das hatte ich doch schon erzählt, oder?“ „Nicht, dass ich wüsste“, rümpfte sie die Nase. „Na ja, jedenfalls ist das erledigt“, ignorierte ich ihre Kritik. „Dieses Semester muss ich Leichtathletik belegen.“ „Sasuke, die bis dato ungefragt gar nichts gesagt hatte, gab ein amüsiertes Schnauben von sich. „Das will ich sehen.“ „Du kannst gerne zur Prüfung vorbei kommen. Die Karte kostet fünfzig Euro“, zwinkerte ich ihr grinsend zu. „Und mit dem Youtube-Video verdiene ich eine Millionen.“, erwiderte sie gelassen. „Hm, dann bist du nicht mehr von der Firma deines Vaters abhängig und könntest tun, was du willst.“ Sasuke funkelte mich wütend an und knurrte kaum hörbar, sodass ich unverbindlich mit der Gabel auf meinen Teller deutete. „Zum Beispiel diese Lasagne verkaufen. Die ist köstlich.“ „Das stimmt“, half Jiraiya mir, der wohl spürte, dass wir uns dünnem gesprächsthematischem Eis näherten. „Ist Kochen ein Hobby von Ihnen?“ „Ja. Ein Hobby“, betonte sie, eindeutig ein meine Richtung. „Du kannst gerne öfter vorbei kommen und unseren Koch-Muffel motivieren“, bot Tsunade an. Sasuke nickte ungerührt, während ich meine Oma erstaunt ansah. Sie war nicht der Typ, ihre Zuneigung offen zu zeigen, aber meine Freundin hatte sie bereits nach fünfzehn Minuten akzeptiert, sonst hätte sie diese nicht von sich aus in ihr Haus eingeladen. Die Mädchen, die ich sonst mitbrachte, nahm Tsunade höflich hin, Sakura schätzte sie auch als angehende Medizinerin, aber eine derartige Offenheit war neu. Meine überraschte Mine wandelte sich in ein breites Grinsen. Als Tsunade das sah, drehte sie demonstrativ den Kopf weg und erinnerte mich damit irgendwie an Sasuke. Diese hatte mein Lächeln entweder nicht bemerkt oder ignorierte es, denn sie nickte nur langsam. „Wenn es sich ergibt, gerne.“ „Sind Sie fertig mit essen, Sasuke?“, wechselte Jiraiya mal wieder das Thema. „Dann würde ich abräumen.“ Ich bot an, das zu übernehmen, aber meine Großeltern sagten, dass sie sich um den Abwasch kümmern wollten, nachdem wir gekocht hatten. „Ok, danke. Willst du dann mein Zimmer sehen?“, fragte ich Sasuke, die nach kurzem Zögern nickte und mir nach oben folgte. Wie gewohnt stapelten sich Wäsche, Bücher und Essensverpackungen auf jeder freien Fläche, sodass ich erst Mal meinen Schreibtischstuhl frei räumen musste, um meinen Gast einen Platz anbieten zu können. Dieser war in der Zwischenzeit vor meiner Fotowand gelandet. „Was ist das denn?“, fragte sie und ich trat näher, um das Foto anzusehen, auf das sie deutete. Darauf waren Kyuubi und ich zu sehen, beide geschminkt, er in Minirock, ich im Kleid. Ich grinste in die Kamera während Tenten versuchte, irgendwas mit Kyuubis Haaren zu machen, was diesem gar nicht zu gefallen schien. „Da waren wir über Neujahr auf einer Selbstversorgerhütte in den Bergen. Die Mädels wollten das unbedingt machen.“ „Hm… Irgendwie sieht es aus, als würde dir das ein bisschen zu viel Spaß machen“, bemerkte sie amüsiert. „Es war auch lustig. Eigentlich könnten wir das mal wieder machen. Und diesmal musst du mitkommen!“ „Ich kenne deine Freunde kaum.“ „Eben. Das wäre die perfekte Gelegenheit, das zu ändern“, beharrte ich, dann ließ ich Sasuke zurück, um den PC anzuschalten. „Ich lauf dir sogar in den Schnee nach, wenn du wieder so einen dramatischen Abgang wie auf Inos Party machen willst.“ „Halt die Klappe“, erwiderte sie würdevoll, wechselte dann aber rasch das Thema, indem sie auf ein anderes Foto deutete, auf denen ich jeweils unterschiedlich alt war und immer einen Anzug trug. „Was ist das?“ „Meine Abschlussbälle. Fuck, schau das von der Hauptschule bloß nicht so genau an. Ich weiß nicht, wieso ich so stolz auf diese drei Barthaare war.“ „Den weißen Anzug vom Abitur finde ich schlimmer“, kommentierte Sasuke und ich lachte. „Warum bist du nicht direkt aufs Gymnasium?“ „Ich schätze, ich hab etwas länger gebraucht, um den Sinn von Schule zu begreifen“, erklärte ich leichthin. Inzwischen lief eine Playlist, sodass ich zu meinem Gast zurückkehren und die Bilder mit ihr ansehen konnte. Wir amüsierten uns über diverse Aufnahmen, bis ich merkte, wie Sasukes Blick immer wieder von dem Foto in der Mitte angezogen wurde. „Das sind meine Eltern“, erwähnte ich wie nebenbei, bevor ich mich abwandte und aufs Bett fallen ließ. „Heute kommen wir ja ständig auf die beiden… So aufdringlich, Mom und Dad!“ Sasuke verließ unbehaglich die Fotowand und ließ sich auf dem frisch freigeräumten Stuhl nieder. Scheinbar wusste sie nicht, was sie sagen sollte, was mich irgendwie traurig machte. Wahrscheinlich musste sie an ihre Mutter denken, wenn wir über meine Eltern sprachen. „Tut mir Leid… Ist dir das unangenehm?“ Sasuke behielt den Blick nach draußen gerichtet, als sie antwortete: „Für dich muss das doch schwer sein.“ Es überraschte mich etwas, dass sie sich solche Gedanken um mich machte, und ich brauchte kurz, bis ich erwiderte: „Eigentlich nicht. Früher war ich sauer auf sie, weil sie mich alleine gelassen haben, und ich habe es meinen Großeltern nicht leicht gemacht.“ „Das habe ich jetzt schon öfter gehört.“ „Jahaa, kann sein…“, lachte ich etwas gequält und setzte mich im Schneidersitz hin, um sie ansehen zu können. Nachdem ich auf Inos Party vermieden hatte, Sasuke alles über meine Jugendsünden zu erzählen, war das Gespräch nie mehr darauf gekommen. Mir gefiel der Gedanke, ihr von meinen schlechten Seiten zu erzählen, immer noch nicht. Sie war so perfekt, und ich war schon in meinem jetzigen Zustand bestenfalls ´normal`. Aber wenn ich es ihr in kleinen Dosen beibrachte, würde sie es vielleicht verstehen. Dass sie bereit war, zuzuhören, hatte sie ja schon durch ihre vorsichtige Formulierung gezeigt. „Als Teenager habe ich echt viel Mist gemacht, auf den ich nicht gerade stolz bin.“ Ich rieb mir den Nacken und sah unsicher zu Sasuke, aber sie wirkte weder überrascht noch sonderlich neugierig. „Kleinere Diebstähle, Schlägereien, Schwänzen, Gras… Ich wurde nie erwischt, und wenn das rauskäme, könnte ich mein Studium an den Nagel hängen.“ „Hm… Ich weiß nicht, ob man so jemanden auf Kinder loslassen sollte.“ Ich lachte, weil ich ihr ansah, dass sie es nicht ernst meinte, aber meine Zweifel waren echt. „Jaha, das hab ich auch schon gedacht…“ Sasuke schwieg eine Weile, bevor sie langsam sagte: „Es kommt nicht darauf an, was man früher getan hat, sondern wer man heute ist. Man hat jeden Tag aufs Neue die Gelegenheit, ein besserer Mensch zu sein.“ „Schon, aber für die Vergangenheit hat man trotzdem Verantwortung.“ „Natürlich. Und die kannst du tragen, indem du andere Kinder von den Fehlern abhältst, die du gemacht hast.“ „Aber…“ „Naruto“, unterbrach sie mich scharf. „Hör auf zu jammern. Das nervt.“ Ich sah sie verdutzt an, dann schlich sich ein sanftes Lächeln auf meine Züge. So in der Art hatte Tsunade auch reagiert. Wenn diese beiden perfektionistischen Frauen glaubten, dass ich meine Fehler wieder gutmachen konnte, sollte ich das wohl auch. Vor allem, weil ich fürchtete, massakriert zu werden, wenn ich wiedersprach. „Oh, schon gut. Ich hör ja schon auf.“ „Dieses Gejammer passt gar nicht zu dir“, schnaubte Sasuke leicht gereizt. „Ist ja furchtbar.“ „Ich sag ja schon gar nichts mehr“, lachte ich ergeben und ließ mich wieder aufs Bett fallen, sodass ich zur Decke blickte. „Ich dachte, ein bisschen Jammern gehört dazu, wenn man über tote Eltern und Jugendkriminalität redet.“ „So viel zu ´Ich sag nichts mehr`“, merkte sie amüsiert an. Ich warf ein Kissen nach ihr, das sie mit Leichtigkeit auffing. „Du bist ein Arsch“, warf ich ihr vor und ging an mein Handy, das gerade zu klingen begonnen hatte. „Wie bitte?“, fragte Sakura säuerlich, die am Telefon wohl noch den letzten Teil meines Satzes gehört hatte. „Nichts, Sasuke ärgert mich, dich hab ich nicht gemeint.“ „Oh, Sasuke-kun ist bei dir.“ Sie klang angespannt und ich setzte mir alarmiert auf. „Alles ok, Sakura-chan?“ „Jaa… Ich wollte nur fragen, ob du Zeit hast, aber wenn du nicht alleine bist…“ „Wir sind bei mir. Komm doch vorbei“, schlug ich vor. Soweit ich wusste, verstanden die Mädchen sich ganz gut, und für mich galt sowieso die Devise: Je mehr, desto besser. „Nein, ich will euch auch nicht stören… Was machst du eigentlich an deinem Geburtstag?“ „Ah, erinner mich doch nicht daran. Ich fühle mich sowieso schon so alt mir euch Kindern“, seufzte ich erschöpft und Sakura lachte. Na also, das klang doch schon besser als die Enttäuschung von eben. „Du bist kindisch, da brauchst du eben junge Freunde“, neckte sie mich. „Also, was ist geplant?“ Ich stand auf, um den auf meinem Schreibtisch liegenden Kalender zu konsultieren. „Na ja, am zehnten geh ich mit meiner Familie essen. Sollen wir am Samstag danach weggehen?“ „Schaffst du das, alter Mann?“ „Nicht so frech, junge Dame“, grinste ich. „Fragst du die anderen?“ „Es ist dein Geburtstag. Kümmer dich selbst darum.“ Ich jammerte so lange, bis Sakura zustimmte, die Party für mich zu organisieren. Während wir diskutierten, wo es hingehen sollte, zog Sasuke ihr Buch aus der Tasche und begann zu lesen. Als ich sie von dem Stuhl verscheuchte, um am PC etwas nachsehen zu können, zögerte sie kurz, ehe sie sich auf meinem Bett niederließ. Schmunzelnd drehte ich mich zum Bildschirm. Dass ich sie doch noch mal ins Bett bekommen würde, hätte ich auch nicht gedacht. „Hast du deinen Stundenplan schon?“, wollte Sakura wissen, nachdem wir uns für Samstag im Gecko verabredet hatten, einem unserer Lieblingsclubs. „Ja, aber ich werde fragen, ob ich ein paar Kurse wechseln kann. Die Zeiten sind teilweise echt blöd.“ Ich hörte praktisch, wie sie die Augen verdrehte. „Darauf kommt es nicht an, Naruto.“ „Ich weiß, ich weiß, man sollte sich nach den besten Dozenten richten… Hör mal, Sakura-chan, wir reden morgen nochmal, ok? Ich muss mich mal wieder um meinen Gast kümmern.“ „Oh… Ja, richtig… Na ja, dann… Ciao?“ „Ciao!“, rief ich fröhlich und drehte mich einmal mit dem Stuhl um mich selbst, nachdem ich aufgelegt hatte. „Hast du nächsten Samstag Zeit?“ Sasuke las einfach weiter. „Nein.“ „Komm schon, es ist für meinen Geburtstag!“, schmollte ich und rollte mit dem Stuhl näher zum Bett. „Wir wollen ins Gecko.“ „Dann erst recht nicht.“ „Boa, du bist so langweilig… Was liest du da eigentlich?“, wechselte ich das Thema, als ich einsah, dass Betteln nichts bringen würde. „Der Tod in Rom von Wolfgang Koeppen.“ „Worum geht es?“ Mit einem Seufzen machte sie deutlich, dass sie mich für einen hoffnungslosen Fall hielt. „Um eine Gruppe von Menschen, die jeweils verschiedene Mentalitäten der Nachkriegszeit repräsentieren“, fasste sie äußerst knapp zusammen. „Und sowas liest du zum Spaß im Schwimmbad?“ Unbefangen zuckte sie die Schultern. „Sonst habe ich nicht viel Zeit dafür.“ „Stimmt du arbeitest echt viel… Dann lass mal hören“, verlangte ich und machte es mir neben ihr im Bett bequem. Kurz sah sie mich verdutzt an, doch als ich auffordernd auf das dünne, gelb gebundene Buch deutete, schlug sie es schicksalsergeben auf und begann zu lesen. Ich schloss die Augen, ihre Stimme genießend. Ohne sich künstlich anzustrengen verlieh Sasuke der komplexen Ausdrucksweise Tiefe und fing den Klang ein. Mal wieder fragte ich mich, ob es auch etwas gab, das sie nicht konnte, denn Vorlesen war es eindeutig nicht. Ich wusste nicht genau, wie lange ich ihr zugehört hatte, als das Klacken der Buchdeckel das Ende unserer Leseinsel ankündigte. Die Geschichte war ziemlich anspruchsvoll und Sasuke hatte sie natürlich nicht ganz vorgelesen, trotzdem dauerte es eine Weile, bis ich wieder im Hier und Jetzt angekommen war. Dann drehte ich mich auf den Bauch, um sie angrinsen zu können. „Spielen wir ´Der Vorlesen`? Aber nicht, dass du mich dann verführst.“ Sasuke verdrehte die Augen. „Das hättest du wohl gerne. Außerdem gehe ich davon aus, dass du lesen kannst.“ Ich verzog das Gesicht und machte eine vage Geste mit der Hand, was sie leise lachen ließ. Scheinbar ohne darüber nachzudenken, lehnte sie sich an das Rückenteil meines Bettes und legte ihr Buch auf das Nachtkästchen. Ich konnte gar nicht sagen, wie sehr mir dieses Bild gefiel. Als wären wir ein Ehepaar mittleren Alters, das vor dem Schlafengehen noch las… Als sie stirnrunzelnd mein Schmunzeln zur Kenntnis nahm, schüttelte ich den Kopf. „Es ist nichts… Aber es ist echt schön, vorgelesen zu bekommen. Danke.“ „Hm“, machte Sasuke zustimmend. „Hat dein Dad euch vorgelesen?“, erkundigte ich mich vorsichtig, worüber sie nur ungnädig lachte. „Mein Vater ist der Meinung, jeder müsse sich selbst nehmen, was er will – Auch ein Buch, wenn er den Inhalt wissen möchte.“ Wie immer bevor sie von sich aus weitere Informationen über sich preisgab, zögerte sie kurz, ehe sie fortfuhr: „Aber Itachi hat mir als Kind manchmal vorgelesen. Er hat es mir auch beigebracht, als ich vier war.“ „Vier? Nicht schlecht“, sagte ich, einerseits beeindruckt, andererseits mal wieder nicht sonderlich angetan von den Erziehungsmethoden im Hause Uchiha. „Ich hab als Kind nie sonderlich gerne gelernt.“ „Das habe ich mir schon gedacht“, kommentierte sie trocken. „Aber jetzt willst du Kinder dazu zwingen, das zu tun?“ Lachend knuffte ich Sasuke gegen die Schulter, was sie mit einem arroganten Schnauben beantwortete. Dann erklärte ich: „Eben nicht. Ich will sie motivieren, damit ihnen Lernen Spaß macht.“ „Ich glaube nicht, dass das bei Teenagern möglich ist.“ „Wahrscheinlich nicht… Aber man braucht ja Ziele“, grinste ich. Sasuke schnaubte erneut, dann herrschte die Art angenehme Stille, die gar keine Worte brauchte. Da ich ein Plappermaul war, war so etwas für mich sehr selten, aber neben Sasuke störte es mich nicht, einfach dazuliegen und der Musik zu lauschen. „Hast du echt ein Lied, in dem es ums zur Ruhe kommen geht?“, fragte sie nach einiger Zeit, als ´Never let me go` von Florence and the Machine lief. Irgendwann in der letzten Stunde hatte sie sich hingelegt. Jetzt beleuchtete der PC als einzige Lichtquelle sie bläulich von hinten und ließ ihr Haar schimmern. „Ich würde eher sagen, dass es ums Ankommen geht“, wiedersprach ich dem durchaus berechtigten Einwand. Ich und Ruhe waren praktisch Gegensätze. „Außerdem… Hab ich´s mir glaub ich nur runtergeladen, weil ich Florences Stimme toll finde. Mit dem Interpretieren hab ich´s nicht so, das weißt du doch.“ Über mein Geständnis verdrehte sie nur die Augen, dann drehte sie sich auf den Rücken. „Es ist jedenfalls sehr schön.“ Ich hätte sie gerne aufgezogen und gefragt, ob sie mein Bett meinte, aber so, wie ich Sasuke kannte, würde sie dann flüchten. Es wunderte mich sowieso, dass sie es sich so bequem gemacht hatte. Am Anfang unserer Bekanntschaft hatte sie mir nicht mal freiwillig ihren Namen gesagt, und jetzt lag sie neben mir und kritisierte meinen Musikgeschmack. Vor ein paar Monaten hätte ich das für unmöglich gehalten, aber inzwischen war sie meine beste Freundin geworden. „Sasuke…?“, fragte ich leise. Sie machte ein schläfriges Geräusch und rollte sich zusammen, ohne zu antworten. Vorsichtig stand ich auf, um den Laptop auszumachen, dann legte ich mich wieder zu ihr. Am liebsten hätte ich ihr Gesicht berührt, ihre Wange gestreichelt. Aber dann wäre sie aufgewacht und sehr wahrscheinlich gegangen. Und ich wollte nicht, dass sie ging und das Urvertrauen mitnahm, das man brauchte, um so seelenruhig neben jemandem einzuschlafen. Am nächsten Morgen weckte mich ein mir unbekanntes Geräusch. Verschlafen setzte ich mich auf und sah mich nach dem seltsamen Brummen um, das inzwischen von einem Rascheln begleitet wurde. Ich entdeckte eine schwarze Tasche, aus der der Laut zu kommen schien, und die mir genauso fremd erschien wie der Ton selbst. Schon wollte ich mich aufsetzen um die Quelle zu inspizieren, als eine Bewegung neben mir mich in die andere Richtung blicken ließ. Was ich da sah, brachte mich trotz der Schläfrigkeit zum Lachen. Sasukes hatte sich aufgesetzt. Ihre Haare sahen schon tagsüber chaotisch aus, doch jetzt schienen sie sich jedweder Regulierung wiedersetzen zu wollen. Wild standen sie in alle Himmelsrichtungen ab, und das Gesicht unter ihnen wirkte zerknautscht, vor allem aber übelgelaunt. Sie sah aus, als würde sie denjenigen, der sie geweckt hatte, am liebsten ein Messer in den Rücken jagen. Da ich im Moment das einzige Ziel für das potentielle Messer wäre, tarnte ich mein Lachen als Husten und nickte zu ihrer Tasche. „Ähm, ich glaube, das ist dein Handy.“ Träge robbte sie zum Rand des Bettes, schwang ihre Beine über den Rand, als würden sie nicht zu ihr gehören, und tapste davon. Ich war immer noch sehr bemüht, nicht zu kichern, was schwierig war, wenn man es sonst mit einer so beherrschten Person zu tun hatte und die sich dann als die Königin der Morgenmuffel herausstellte. „Was?“, blaffte Sasuke in ihr Handy, als sie es nach einigem Herumkruschen gefunden hatte. Was auch immer der Anrufer sagte, es wischte ihr die mürrische Miene aus dem Gesicht. Vollkommen angespannt hockte sie auf ihren Fersen, die Unterarme auf den Knien abgestützt, und lauschte etwas, das wohl eine Standpauke sein musste, so lange, wie der Monolog dauerte. Die befremdliche Szene endete darin, dass Sasuke meine Adresse nannte und auflegte. Inzwischen war ich zum Rand des Bettes gerutscht und musterte meinen Gast besorgt. „Ist alles ok?“ Sie hatte sich über die Augen gerieben, doch jetzt nahm sie die Hand aus dem Gesicht, um mich zornig anfunkeln zu können. „Warum hast du mich nicht geweckt?“ „Was…?“ „Ich habe nie gesagt, dass ich hier schlafen wollen würde, oder?“, schnauzte sie mich weiter an, wobei sie erneut anfing, in ihrer Tasche zu kramen. Diesmal förderte sie eine Bürste zu Tage, mit der sie notdürftig versuchte, ihre Haarpracht zu bändigen. Das funktionierte erstaunlich gut, was wohl der dünnen Struktur ihrer Haare geschuldet war. Im Moment hatte ich aber andere Probleme, als Sasukes Morgenroutine zu analysieren. „Es war schon echt spät und ich wollte dich nicht aufwecken… Außerdem ist doch nichts dabei, oder? Ich meine, du bist volljährig.“ „Dann ist ja alles gut“, schnappte sie sarkastisch, ehe sie aufstand und praktisch aus dem Zimmer stürmte. Ich folgte ihr die Treppe runter und in den Vorgarten, in dem sie, wenn auch sichtlich unbehaglich, stehen geblieben war. „Willst du mir erklären, was los ist, oder…?“ Sie pfefferte die unschuldige Tasche zu Boden und fuhr sich mit beiden Händen durch die Haare, womit sie ihre vorigen Bemühungen zu Nichte machte. „Itachi hat gerade angerufen. Er und Vater sind sehr besorgt… Ich hab nicht mal eine SMS geschickt oder so“, stöhnte sie, offensichtlich genervt von sich selbst. Ich war nach wie vor der Meinung, dass sie übertrieb, obwohl es natürlich suboptimal war, seine Familie nicht in seine Pläne einzuweihen. Viel mehr wunderte mich aber, wie sehr Sasuke sich mir gegenüber aufregen konnte, während sie die Rüge ihres Bruders in stillschweigender Akzeptanz hingenommen hatte. So fügsam kannte ich sie nicht. „Wir erklären es ihnen einfach, dann kriegen sie sich schon wieder ein, hm? Was soll denn Schlimmes passieren? Hausarrest?“ Ich lachte, aber Sasuke warf mir einen giftigen Blick zu, der mir einen erschöpften Seufzer entlockte. „Also schön… Ich nehme an, dass er dich abholt?“ Immerhin hatte sie sicher nicht umsonst meine Adresse weitergegeben. Als sie nickte, hob ich ihre Tasche auf und ging zurück ins Haus. „Dann komm jetzt erstmal wieder rein. Er braucht bestimmt noch eine halbe Stunde, bis er hier ist, und bis dahin können wir zumindest mal frühstücken und uns eine Erklärung ausdenken.“ Ich blieb im Türrahmen stehen und lächelte sie aufmunternd an. „Ok?“ Nur zögerlich folgte sie mir wieder ins Haus, und ich musste sie praktisch dazu zwingen, sich an den Küchentisch zu setzten. Äußerlich wirkte sie zwar wieder ruhig, sie hatte ihre durch die Anspannung erzeugte Wut wieder unter Kontrolle, aber ich traute dem Frieden nicht so recht. Sie wollte auch nichts essen, aber ich zwang sie, zumindest etwas Joghurt mit diesen Hipster-Chia-Samen von meiner Großmutter und ein wenig Obst zu sich zu nehmen. „Puh… Wenn du auf Stress immer mit Nahrungsverweigerung reagierst, wundert mich nichts mehr“, stöhnte ich nach einer viertel Stunde Betteln und ließ mich erschöpft auf einen Stuhl fallen, um ein weitaus üppigeres Mahl zu mir zu nehmen. „Um dein Gewicht sollte dein Vater sich eher mal Sorgen machen.“ „Naruto…“, knurrte sie warnend. „Schon gut, schon gut.“ Ich hob ergeben die Hände und ließ das Thema fallen. „Von mir aus können wir ihm erzählen, dass es meine Schuld war. Ich hatte… Keine Ahnung, Liebeskummer oder so und du bist zum Trösten geblieben.“ „Ja. Weil ich so gut im Trösten bin.“ Wir sahen uns kurz an, dann mussten wir beide irgendwie lachen. Ok, das war wirklich eine blöde Ausrede, aber von ihren Erzählungen her hatte ich irgendwie immer den Eindruck, dass ihre Familie Sasuke überhaupt nicht kannte und man ihnen somit eine solche Lüge leicht auftischen könnte. Da dem aber scheinbar nicht so war, tüftelte ich weiter an Erklärungen, wenn auch mehr, um Sasuke zu amüsieren, als für wirkliche Resultate. Als es später an der Tür klingelte, hatte sie tatsächlich den Joghurt verputzt und die Kaffeetasse gelehrt, und sie schien nicht mehr ganz so aufgelöst, als sie mit ihrer Tasche bewaffnet an die Tür ging. Vor dieser stand natürlich Itachi, und in seiner Wut ähnelte er seiner Schwester mehr denn je; Die attraktiven Gesichtszüge waren zu einer emotionslosen Maske versteinert, aus der nur noch die Augen hervorbrannten. „Ins Auto“, war alles, was er zur Begrüßung zu sagen hatte. Sasuke wollte schon an ihm vorbeischleichen, als ich mir ein Eingreifen doch nicht verkneifen konnte: „Hör mal, sie hat doch nur hier übernachtet. Klar ist es blöd, dass sie nicht Bescheid gesagt hat, aber das ist dir doch sicher auch mal passiert, oder?“ Der Eis-Blick, denn ich schon von Sasuke so gut kannte, wirkte aus einem männlichen Gesicht irgendwie noch imposanter. „Im Gegensatz zu meiner Schwester habe ich mich nie herumgetrieben, sodass meine Familie sich sorgen musste. Und das hat auch sie nicht, bevor sie dich kennengelernt hat.“ „Nun, vielleicht tut ihr das aber mal ganz gut“, murrte ich, da mir sein anklagender Ton überhaupt nicht gefallen wollte. „Inwiefern sollte es einer jungen Frau aus gutem Hause zum Vorteil gereichen, sich des nächtens mit… Gesindel herumzutreiben?“, erwiderte Itachi, wobei sein herablassender Blick über meine gesamte Gestalt wanderte. Ich nahm die Schultern ein wenig zurück und richtete mich auf. „Vielleicht würde es dir ´zum Vorteil gereichen` die Fresse zu halten?“ „Ich hatte nicht vor, mit dir zu sprechen, bevor du mit deiner impertinenten Art diese sinnlose Diskussion begonnen hast.“ „Es ist aber wohl auch offensichtlich, dass in eurer Familie mal eine Diskussion nötig ist, wenn du meinst, du seist im Recht, hier aufzutauchen wie ein durchgeknallter Windbeutel und mich zu beleidigen.“ „Manche vertragen eben die Wahrheit nicht“, entgegnete er kalt. „Schluss jetzt“, knurrte Sasuke, die bis dahin am Gartentor gestanden und auf ihren Bruder gewartet hatte. Auf diesen war auch ihr Blick gerichtet, als sie zischte: „Wir gehen.“ Itachi schien so verblüfft, dass er ihrer Aufforderung direkt nachkam. Ich war versucht gewesen, noch einiges zu sagen, beschränkte mich aber auf ein (Zugegebenermaßen trotzdem provokatives): „Ich ruf dich an“, in Sasukes Richtung. „Das wirst du sicher nicht“, drohte deren Bruder, doch sie verfrachtete ihn mit ein wenig Gewalt ins Auto und die beiden brausten mit einem Affenzahn die Straße hinunter, der einige Nachbarn an die Fenster lockte um zu sehen, was den Lärm am frühen Morgen verursachte. In mir war eine so unglaubliche Wut angestaut, dass ich unwillkürlich und mit einem Zornesschrei gegen die Hauswand trat. Danach tat mir zwar der Fuß weh, aber es ging mir auch besser. Viel schöner wäre es natürlich gewesen, es wäre Itachis Gesicht gewesen. Der letzte Tag war so schön gewesen und Sasuke hatte sich sogar genug entspannt, um bei mir zu übernachten, und dann musste er alles kaputt machen. Jetzt verstand ich endlich, warum sie ihn nicht leiden konnte. Was bildete er sich überhaupt ein, wer er war? Ein Moralapostel? Ihr Wachhund? Noch dazu, wo es überhaupt keine Moral zu bewachen gab, wir hatten ja ganz friedlich nebeneinander geschlafen. Und dann tauchte er hier auf und meinte, mich beleidigen zu müssen. Umgesehen hatte er sich in der Gegend zumindest schon mal nicht, denn dann wäre ihm klar gewesen, dass hier kein ´Gesindel` wohnte. Trotzdem war ich mir ziemlich sicher, dass keiner unserer Nachbarn so ein überhebliches Arschloch war wie dieser Uchiha-Snob. Die Krönung des Ganzen war aber, dass Sasuke jetzt auch noch sauer auf mich war. Ich hatte es ganz genau in ihrem Blick gesehen; Sie nahm es mir übel, dass ich so ausgerastet war, obwohl oder gerade weil ich sie hatte verteidigen wollen. Sie konnte sich auch sicher denken, dass das Ganze noch weiter gegangen wäre, wenn sie uns nicht eingebremst hätte, und ich konnte nicht behaupten, dass nicht genug ´Gesindel` in mir steckte, dass ich Itachi nicht die Fresse poliert hätte. Vor Wut hatte ich noch einige Minuten vor der Tür gestanden, doch jetzt kehrte ich ins Haus zurück. Inzwischen waren auch meine Großeltern wach, und Jiraiya fragte mich: „Hast du gesehen, was da grade für ein Radau war? Und wo ist Sasuke?“ „Ihr Bruder hat sie gerade ´abgeholt`“, schnaubte ich herablassend, eine Tonlage, die ich zuvor wohl noch nie angeschlagen hatte. Meine Vermutung, Sasuke wäre sauer auf mich, bestätigte sich während der nächsten Tage. Ich rief sie mehrfach an und schrieb ihr einige Nachrichten – Darunter auch ein paar Entschuldigungen, obwohl ich mich nach wie vor im Recht sah – Aber sie reagierte nicht. Ich fürchtete schon, einen erneuten Kontaktabbruch heraufbeschworen zu haben, aber nach gut einer Woche trafen wir uns dann doch wieder. Wir machten einen Spaziergang neben dem Fluss, der in weiter Ferne mit dem See zusammenfloss, in dem ich im Sommer mit Tenten gebadet hatte. Jetzt fielen die goldroten Blätter der Kastanien auf den Weg und ein paar Kinder sammelten die Nüsse. Nachdem ich ungefähr fünfzehn Minuten lang versucht hatte, mich zu entschuldigen, gab ich auf. Sie wollte es offensichtlich nicht hören. Erst jetzt musterte ich Sasuke intensiver und stellte fest, dass sie ein wenig Make-Up aufgelegt hatte. Ungewöhnlich für sie, denn zuletzt hatte ich sie auf Inos Ladeneröffnung geschminkt gesehen. Irgendwie fiel mir auf, dass diese Gelegenheit auch etwas mit Itachi zu tun hatte, obwohl ich nicht wirklich einen physischen Zusammenhang zwischen unserem jetzigen Treffen und Sasukes Bruder festmachen konnte. Klar, wir hatten uns wegen ihm eine Weile nicht gesehen, aber ganz offensichtlich wollte sie nicht über ihn oder das Vorgefallene sprechen. Dazu fiel mir auf, dass sie, trotz des klobigen Mantels, dünner aussah. Gerade so, als hätte sie nach der Joghurt-Zwangsernährung nichts mehr zu sich genommen oder wäre krank gewesen. Als ich sie danach fragte, strich sie sich ihre Haare nach vorne über die Wange und zuckte die Schultern. „Die Hosen sind schon ziemlich alt. Da war ich dicker.“ Ich wusste nicht, woher diese Einsicht kam. Aber spätestens seit diesem Moment war mir klar, dass sie mir etwas verheimlichte. Kapitel 12: Herausforderungen ----------------------------- Im Auto herrschte eine so drückende Stimmung, dass die Luft sich fast greifbar anfühlte. Mir war heiß, aber ich wagte es nicht, die Hand auszustrecken und die Klimaanlage einzuschalten. Am liebsten hätte ich nicht mal geatmet. Itachi hatte kein Wort gesprochen, seit wir eingestiegen waren. Sein Blick klebte auf dem Asphalt vor ihm und all die gute Laune, die er sonst ausatmete wie jeder andere Mensch Stickstoff schien verflogen. Andere Leute hatten ihn so noch nie gesehen, nicht mal Vater, aber ich kannte diese Stimmung. Wenn er mal nicht der Klassenbeste gewesen war. Wenn Professoren ihm nicht zu Füßen lagen. Wenn ein Geschäftstermin nicht so verlief, wie er sich das vorstellte. Es passierte nicht oft. Aber ich wusste, was kommen würde, und es schnürte mir die Luft ab. Wie in Trance öffnete ich später die Beifahrertür und wankte über den Kies zur Haustür, die Itachi bereits aufgesperrt hatte. „Ich hab sie.“, rief er durchs Haus, als wäre ich eine entlaufene Katze. Mein Vater kam nicht mal aus der Küche, nein, ich wurde ihm vorgeführt wie dem Haftrichter. Sein Blick war eisig, die Verachtung darin noch deutlicher als sonst. Ich wartete auf die Übelkeit, die meine Unzulänglichkeit mir immer in den Magen pumpte, aber sie kam nicht. In mir war nur Trotz. Vielleicht noch Erleichterung über die Aussicht, jetzt mit Fugaku streiten zu können. Solange er da war, war ich sicher. Bedauern und Reue über meine kleine Übernachtungsparty empfand ich jedenfalls nicht. Natürlich war ich in der Nacht aufgewacht und hätte gehen können. Bei Narutos ohrenbetäubendem Schnarchen wäre das vielleicht sogar logisch gewesen. Aber seltsamerweise war sein Körper, der Wärme ausstrahlte wie ein kaputter Heizstrahler, mir nicht beunruhigend vorgekommen. Obwohl seine muskulösen Schultern über mir aufgeragt waren wie ein Gebirgszug, und obwohl ich ihm im Schlaf vollkommen ausgeliefert gewesen war. All diese Faktoren hätten es logisch gemacht, mich zurückzuziehen, aber nichts davon ließ es mich wollen. Ich war genau dort gewesen, wo ich hatte sein wollen. In einem Anflug von Tollkühnheit hatte ich sogar die Hand nach seinem Gesicht ausgestreckt, es dann aber noch nicht über mich gebracht, ihn zu berühren. Stattdessen hatte ich weitergeschlafen, bis der Zorn meines Bruders mich in die Realität zurückgeholt hatte. Und die bestand im Moment aus einer Standpauke meines Vaters. „Was bildest du dir überhaupt ein, einfach so wegzubleiben? Es hätte sonst was passieren können. Wir hatten schon jede Minute mit einem Erpresserbrief gerechnet.“ Fugaku erhob nicht die Stimme, aber seine Verachtung tat mehr weh als jedes zusätzliche Dezibel es gekonnt hätte. Wenn ich nur wüsste, wieso er mich so hasst, schoss es mir durch den Kopf, doch da sprach er schon weiter: „Wir können nur hoffen, dass das niemand mitbekommen hat. Es wäre ein Desaster für unseren Ruf, wenn herauskäme, dass du dich mit solchen Tunichtguten herumtreibst. Ich hoffe doch sehr, dass du zumindest den letzten Rest deiner Ehre zu bewahren wusstest.“ Ich wurde knallrot und zornig zugleich. Von meiner ´Ehre` war schon lange nichts mehr übrig, und Fugaku hatte nie einen Finger gerührt, um sie zu verteidigen. Ich kannte dieses brennende Gefühl in der Kehle nur zu gut, wenn man nichts mehr anderes tun wollte als schreien wegen der Ungerechtigkeit. Normalerweise schluckte ich es runter, doch heute explodierte es praktisch an meinem Wiederwillen. „Falls du andeuten willst, dass ich ihn gefickt hätte, kann ich dich beruhigen. Das habe ich nicht.“ „Sasuke…“, zischte mein Vater wegen der Wortwahl, aber ich war noch nicht fertig. „Und Naruto ist kein ´Tunichtgut`. Er wird Lehrer, und er kommt aus einer guten Familie.“ Ich wusste nicht, woran es lag, aber ich hatte ihn einfach verteidigen müssen. Nachdem er mir vorhin die Kraft für dieses Gespräch gegeben hatte, hatte er einfach nicht verdient, dass man so über ihn sprach. Naruto hatte mir, heute und in den letzten Monaten, klar gemacht, dass es nicht immer nur um meine Familie, sondern auch mal um mich ging. Dass Wiederstand ok war. Bei ihm erhob ich meine Stimme, die ich sonst immer devot zügelte. Jetzt war es Zeit, sie auch diejenigen hören zu lassen, die sie mir hatten nehmen wollen. „Es ist mir vollkommen gleichgültig, aus welchem Haus der Bursche kommt. Ich gestatte nicht, dass du bei wildfremden Männern schläfst. Das ist gefährlich, Sasuke. Verstehst du nicht, dass ich mir Sorgen um meine Tochter mache.“ „Bitte“, schnaubte ich sarkastisch und wandte mich ab. Als ich dabei Itachis Blick begegnete, zuckte ich zusammen. Während ich auf meinen Vater sauer war, schnürte mir die Angst vor meinem Bruder praktisch die Luft ab. Nur weiter streiten, vielleicht geht er dann ja… „Es geht doch nicht um Sorge. Du willst einfach nur kontrollieren, was ich tue. Wenn du dich wirklich für mich interessieren würdest, wüsstest du nämlich, dass ich Naruto fast ein halbes Jahr kenne und er somit keinesfalls ´wildfremd` ist.“ „Dann haben wir wohl ihm den Verfall der Sitten in dieser Familie zu verdanken“, schnaubte mein Vater eisig. Ich lachte höhnisch auf. „Welche Familie, Fugaku?“ Kurz entglitt ihm seine so perfekt gleichgültige Maske und vielleicht zum ersten Mal in zwanzig Jahren sah er verletzt aus. Der Ausdruck verschwand so schnell wieder, wie er gekommen war, und mein Vater deutete auf die Tür. „Raus. Auf dein Zimmer, sofort.“ Erleichtert verschwand ich aus der Küche, doch noch bevor ich zwei Schritte im Flur gemacht hatte, hörte ich Itachi sagen: „Ich rede mit ihr, Vater.“ Sofort rannte ich los, aber meine Finger zitterten so sehr, dass ich den Schlüssel meiner Tür nicht ins Schloss bekam. Und schon spürte ich den Druck einer fremden Hand an der Klinke. „Mach auf“, befahr Itachi ruhig. „Lass uns reden.“ „Geh weg“, zischte ich und stemmte mich mit meinem ganzen Gewicht gegen die Tür, aber es half nichts. Itachi war zu stark. Schon stand er in meinem Zimmer und schloss die Tür hinter sich. Ich wich in die Raummitte zurück und starrte ihn an, wütend, trotzig und mit dem Gefühl, als würde mein Magen sich gleich umdrehen. Itachi musterte mich kurz, dann wandte er sich mit einem traurigen Seufzen der Tür zu. „Warum tust du das nur immer wieder?“, fragte er leise. Das Schloss rastete klickend ein. „Warum versuchst du, unsere Familie zu zerstören? Es geht dir doch gut. Andere Mädchen können nur von dem Luxus träumen, den du ganz selbstverständlich hinnimmst.“ Er schlenderte an mir vorbei zum Bücherregel und nahm einen dicken Wälzer heraus, um darin zu blättern. „Alleine deine kleine Privatbibliothek hier kostet mehrere Tausende, und du undankbares Gör rennst trotzdem weg. Du brichst unserem Vater das Herz.“ Wie auf ein Stichwort war das Schließen der Haustür zu hören und kurz darauf das Knirschen von Autoreifen auf Kies. Fugaku war gegangen. Wir waren alleine. Meine Starre löste sich und ich sprintete in Richtung Tür. Ein Ruck riss meinen Kopf nach vorne gegen das Holz und ich fiel zusammen mit dem Buch, das Itachi mir an den Kopf gedonnert hatte, zu Boden. Stöhnend, von stechendem Schmerz in meinem Schädel gepeinigt, krümmte ich mich um meine Körpermitte. Bis dahin hatte ich mich gefragt, was Itachi mit seiner Ansprache bezweckt hatte. Jetzt wusste ich, dass er gewartet hatte, bis wir alleine waren, damit er nicht auf den Lärm achten musste. Vor meinem Gesichtsfeld flimmerte alles, sodass ich nur hören konnte, wie langsame Schritte sich mir näherten. Instinktiv kroch ich weiter rückwärts, bis ich mit den Schultern gegen den Türrahmen stieß, dann zog ich die Arme schützend über das Gesicht. „Du bist so erbärmlich, Sasuke.“ Für einen Moment klang Itachis Stimme so hasserfüllt, dass ich nicht sicher war, ob er oder mein Vater über mir stand und meinen Körper mit einem Fuß in seine Richtung drehte. „Nie kannst du zu deinen Vergehen stehen. Das hat mit Mutter angefangen und du kannst einfach nicht aufhören, oder?“ Der Tritt traf mich heftig in die Magengrube, aber ich schluckte den Schrei runter. Ich hatte heute schon zu viel geredet, gerade deswegen musste ich diese Strafe ja ertragen. Es hatte sowieso keinen Sinn, dachte ich, als Itachi mit am Arm zum Bett schleifte. Ich hatte mich gewehrt, und das Resultat war dasselbe wie wenn ich es einfach hinnahm. Ich schloss die Augen gegen den Schmerz. Die blauen Flecken brauchten einige Tage um zu heilen. Sonst hatte er sich besser im Griff, aber diesmal war Itachi so sauer gewesen, dass ich sogar einen Bluterguss am Kiefer hatte. Damit konnte ich natürlich unmöglich außer Haus gehen, und selbst daheim sorgte ich mit Rollkragenpullovern und Schals dafür, nie mein ganzes Gesicht zu zeigen. Das heißt, wenn ich mal das Zimmer verließ. Am selben Tag schmerzte mein Unterleib zu sehr, um das Bett zu verlassen, und auch danach tat jeder Schritt weh. Mein Vater hatte es zwar nicht ausgesprochen, aber ich gab mir selbst Hausarrest. Eigentlich war ich dafür zu alt, aber eigentlich war ich auch zu alt, um hitzige Diskussionen über Übernachtungen bei Freunden zu führen. Zu Debatten kam es jedoch vorerst auch nicht mehr, denn Fugaku weigerte sich kategorisch, auch nur ein Wort mit mir zu wechseln. Mir sollte es Recht sein. Erst eine Woche später war die Schwellung meines Gesichts so weit zurückgegangen, dass ich sie unter Make-Up verstecken konnte. Das erste, was ich nach meiner Entlassung aus der Selbstauferlegten Haft tat, sogar noch vor dem Besuch der Universität, war, mich mit Naruto zu treffen. Schon als er auf mich zukam, spürte ich die ersten Ausläufer einer Panik. Ich wusste, wie Itachi reagieren würde, wenn er von dieser Verabredung erfuhr, und mein geschwollener Kiefer zog bereits unangenehm, wenn ich nur daran dachte. Ich war nur hier, weil ich das Gefühl hatte, Naruto einige Erklärungen zu schulden. Als er jedoch vor mir stand, hatte ich keine Lust mehr, ihm diese zu bieten. Ich kannte ihn. Er hätte nachgefragt. Und ich kannte mich. Irgendwann hätte ich nachgegeben. Ihm alles erzählt. Aber ich wollte nicht erzählen, nicht jammern, und schon gar nicht wollte ich Naruto nochmal so wütend erleben wie vor einer Woche. Wenn er schon auf den strengen Ton meines Bruders derart verteidigend reagierte, wollte ich gar nicht wissen, was geschah, wenn er die Wahrheit herausfände. Man könnte jetzt vielleicht meinen, das wäre eine Möglichkeit gewesen, aus diesem Teufelskreis herauszukommen – Darüber nachgedacht hatte ich selbstverständlich. Aber wenn ich mich Naruto anvertraut und ihn für mich zur Polizei hätte gehen lassen, hätte ich eine Aussage machen müssen. Und alleine die Vorstellung, über all das, die letzten sechs Jahre, zu sprechen, schnürte mir die Kehle zu. Ich konnte es nicht mal laut aussprechen, wenn ich alleine war, wie sollte ich es da vor anderen Menschen in Worte fassen? Wie die meisten meiner Launen akzeptierte er auch meinen Unwillen zu sprechen, kommentieren tat er die Situation aber trotzdem: „Wenigstens weiß ich jetzt, warum du ihn nicht ausstehen kannst.“ „Tust du das?“, schnaubte ich leise. Natürlich hatte Naruto keine Ahnung, was wirklich vorgefallen war, obwohl sein Blick auffällig oft an meinem noch leicht geschwollenen und stark geschminkten Kiefer hängen blieb. Hätte er es gewusst oder auch nur geahnt, hätte er sich hundertprozentig zum Jungfrauenretter aufgeschwungen und wäre zur Polizei gerannt. Aber zu der Tatsache, dass ich nicht darüber reden wollte, kam der Umstand, dass es niemanden etwas anging, was in meiner Familie ablief. Damit musste ich alleine klar kommen, und das tat ich inzwischen mehr als ein Viertel meines Lebens. Unter anderem auch deshalb, weil ich mich durch meine Übernachtung bei Naruto selbst in diese Situation gebracht hatte. Ich hatte nicht gehorcht und musste dafür bestraft werden. Und weil mein Vater dafür zu beschäftigt war, übernahm das eben mein Bruder. So war es schon in unserer Kindheit gewesen; Fugaku straft durch Nichtachtung, Itachi durch Schläge. Und irgendwann waren wir halt keine Kinder mehr gewesen. Wie immer tat ich alles, um nicht an das zu denken, was nach den Schlägen kam. Wenn ich es doch tat, schnürte sich mir die Kehle vor Selbstekel zu. Ich wollte nie wieder in dieses Haus, aber wo hätte ich sonst hingehen sollen? Ich konnte nicht mal zu meiner Großmutter, denn die hätte Erklärungen gewollt. Und dann hätte ich daran denken müssen. An seine Hände, überall, sein Gewicht, viel zu schwer, seinen heißen, raschen Atem… „…ke? Sasuke!“ Ich zuckte zusammen, sah in Narutos besorgte, forschende Augen. „Alles ok? Du bist ganz blass.“ „Das liegt in der Familie“, gab ich mit krächziger Stimme zurück. Er verdrehte die Augen. „Ich kann deine normale Blässe von Übelkeit unterscheiden, danke. Was ist los?“, wollte er wissen und streckte die Hand nach meiner Stirn aus, um die Temperatur zu fühlen. „Nicht“, wich ich zurück. Sofort ließ er mit betroffenem Gesicht die Hand sinken und murmelte eine Entschuldigung. Es tat mir leid, ihn zu verunsichern; Der Kontrast zwischen einer gemeinsam verbrachten Nacht und einem Berührungsverbot war schon gravierend. Aber schon die Vorstellung von seiner Haut auf meiner schien mir (Anders als sonst) unerträglich. Weil ich ihn aber auch nicht beleidigen wollte und wusste, dass seine Sorge ehrlich war, erklärte ich vage: „Bei uns zu Hause gibt es seit… Du weißt schon… Wir haben nur Ärger. Mein Vater will nicht, dass ich dich treffe.“ Seufzend fuhr ich mir durchs Haar und verdrehte die Augen. Ein unsicheres Lächeln teilte Narutos Lippen. Er glaubte mir nicht, wusste aber, dass weiteres Nachbohren mich eher noch abweisender reagieren lassen würde. Es war seltsam, wie schnell er mich einschätzen gelernt hatte. „Du wirst ja doch noch ein kleiner Rebell“, schmunzelte er und blieb stehen, um einige Kastanien aufzulesen, die er dann übers Wasser warf. „Tut mir leid, dass du wegen mir Stress hast.“ Ich zuckte die Schultern und sah ihm mit in den Taschen vergrabenen Händen zu. „Bin ich gewohnt.“ Lächelnd warf er eine Kastanie gegen meine Brust. „Als würde ich nur Ärger machen!“ Neugierig zog ich die Brauen hoch. „Tust du noch anderes?“ „Du kannst so ein Arsch sein“, motzte er noch immer grinsend. „Eigentlich hättest du es jetzt verdient, in den Fluss geworfen zu werden.“ „Versuch es.“ Herausfordernd funkelte ich ihn an, ehe ich mich arrogant abwandte, vollkommen sicher, dass er das sowieso nicht tun würde. Wie erwartet knuffte er mich nur sacht gegen die Schulter, sobald er aufgeholt hatte. „Du würdest nur wegschwimmen, Fischmensch.“ Ein zufriedenes Lächeln erschien auf meinem Gesicht. „Das hat dich überrascht, hm?“ „Eigentlich nicht“, gab Naruto nachdenklich zu und zuckte die Schultern, als ich ihn ansah. „Bisher konntest du alles, was wir zusammen gemacht haben. Außer mit Fremden reden“, fügte er grinsend hinzu. Ich ließ das Thema mit einem Schulterzucken fallen. Wieso sollte ich mit Unbekannten sprechen? Wer etwas von mir wollte, würde schon auf mich zukommen. Eine Weile schlenderten wir in angenehmem Schweigen weiter zwischen den Bäumen entlang. Die kühle Herbstluft tat der Schwellung in meinem Gesicht gut und ich genoss die Bewegung, nachdem ich eine Woche fast ausschließlich in meinem Zimmer verbracht hatte. Im Gegensatz zu Naruto, der irgendwann von seiner Geburtstagsfeier erzählte, als ihm die Stille unangenehm wurde, störte mich die Ruhe nicht. Ich hielt ihn aber auch nicht auf, als er zu reden begann. Am zehnten hatte ich per WhatsApp einen knappen Gruß geschickt, seinen Jahrestag ansonsten aber nicht weiter beachtet. Wie zu erwarten gewesen war, hatte er auch ohne mich Spaß gehabt. „… Und dann hat Sakura ihm einfach den Drink ins Gesicht gekippt.“, beendete Naruto gerade lachend eine Geschichte. „Echt mal, ich war nur drei Minuten weg und dann sowas!“ „Tja, dann hätte der Typ das eben nicht zu ihr sagen dürfen“, erwiderte ich, völlig auf der Seite der anderen Frau. „Das ist ja das Witzige – Er hatte gar nichts gesagt. Kiba hat sich das ausgedacht.“ Offensichtlich fand Naruto diese Aktion saukomisch, denn er kriegte sich gar nicht mehr ein vor Lachen. Ich dagegen seufzte nur angestrengt. Genau solche ´Witze` waren der Grund, aus dem ich Clubs nicht mochte. Das, und die Hitze, die Menschenmassen, der Geruch… Einfach alles. „Wann hast du eigentlich Geburtstag?“, erkundigte Naruto sich, nachdem er sich gebührend über meinen mangelnden Humor beschwert hatte. „Am 23. Juli.“ „Eh…? Da kannten wir uns schon! Warum hast du nichts gesagt?“ Wir hatten einen kleinen Platz mit einem Brunnen in der Mitte erreicht, um den mehrere Bänke aufgestellt waren. Im Moment floss kein Wasser über die Stufen vor der Kriegerfigur, was Naruto als Aufforderung verstand, in das Römerbecken zu klettern. Ich blieb mit verschränkten Armen am Rand stehen und sah zu ihm runter. „Weil ich keinen Aufstand wollte“, erklärte ich, als er einen ebensolchen anzetteln wollte. „Es reicht schon, wenn meine Familie antanzt.“ „Oh man… Du kannst es nicht mal an einem Tag im Jahr ertragen, wenn es um dich geht.“ Nachdenklich die Stirn runzelnd sah er zu mir hoch, nahm Anlauf und sprang die Wand hoch, an der er sich wieder hochzog. Wäre ja auch zu einfach gewesen, die Stufen zu nehmen. Als er wieder neben mir stand, nickte er, als hätte er eine Entscheidung getroffen und irgendwie ahnte ich jetzt schon, dass diese mir nicht gefallen würde. „Wir müssen die Party nachholen.“ „Nein.“ „Nichts ´Nein`! Seinen zwanzigsten feiert man, aus“, beharrte Naruto auf seiner Schnapsidee. Leicht aggressiv rieb ich mir über die Augen. „Ich mag keine Clubs, keinen Alkohol und keine Partys. Ich denke nicht, dass das die beste Idee wäre.“ Der Spazierweg endete an einer breiten Brücke im barocken Stil. Zu unserer rechten stieg die Straße zu einigen Hochhäusern an, während sie zur Linken in Richtung der Fußgängerzone führte. Wir schlugen letzteren Weg ein und beendeten unseren Ausflug in einem China-Restaurant, in dem Naruto sich gleich Vor- und Nachspeise zu seiner großen Portion Nudeln bestellte. „Warst du überhaupt schon mal in ner Disko?“, wollte er wissen, während er auf das Essen und ich auf meinen grünen Tee warteten. Ich ließ den Blick auf der Suche nach etwas, das ihn schweigen lassen würde, durch das kleine Lokal mit den orange gestrichenen Wänden wandern. „Kannst du nicht einfach ein nein akzeptieren?“ „Das heißt, du hast es noch nicht mal versucht?“ „Hast du schon mal versucht, weniger zu essen? Irgendwann rächt sich das“, bemerkte ich, als die Bedienung den ganzen Tisch mit Narutos Mittagessen vollstellte. „Lenk nicht vom Thema ab“, murrte er und ich grinste schief. „Zu offensichtlich?“ Obwohl er nicht lachen wollte, zuckten Narutos Mundwinkel. „Ziemlich.“ Vorwurfsvoll deutete er mit den Essstäbchen auf mich. „Das Problem mit dir ist, dass du nichts Neues ausprobieren willst. Wer weiß? Vielleicht ist das ja voll dein Ding und du wirst noch ein Party Luder.“ Ich zog die Brauen hoch und sein bemüht ernster Blick schwankte, bis er nicht anders konnte als zu lachen. Ich stimmte ein und aß sogar etwas von den Nudeln, die er mir anbot – Vermutlich die erste richtige Nahrung seit einer Woche, abgesehen von etwas Kaffee und ein paar Tomaten. „Na schön“, gab ich schließlich nach, weil er sonst ja doch keine Ruhe geben würde. „Um dir zu beweisen, dass ich kein… Party Luder bin, gehe ich einmal mit dir feiern.“ Er strahlte und nahm kurz meine Hand, ehe er feststellte: „Weiß du… Aus seinem Mund klingt das Wort ´Party Luder` irgendwie noch bescheuerter.“ Lachend verdrehte ich die Augen und lehnte mich entspannt zurück. Während wir in dem Restaurant saßen und plauderten, dachte ich nicht ein einziges Mal an Itachi, was mir erst auffiel, als wir das Lokal verließen, und diese Freiheit gab mir unglaubliche Kraft. Es war einfach, in Narutos Gegenwart nur an ihn zu denken, denn abgesehen davon, dass er unglaublich laut war, versprühte er eine enorme Leichtigkeit, wohin er auch ging. Ich konnte gut verstehen, wieso so viele seiner Freunde (Der schwule Rothaarige, die schüchterne Blauhaarige, sogar Sakura) ein bisschen verknallt waren in ihn. Das interessante an der Sache war nur, dass Naruto selbst überhaupt nicht begriff, wenn jemand für ihn schwärmte. Er nahm es einfach als Freundschaft hin und war verwundert, wenn die Partner dieser Leute eifersüchtig wurden. Diese Naivität war wohl mein Glück. Hätte er auch nur geahnt, dass ich ihn mochte, wäre ich ihn wohl nie wieder losgeworden. Zuerst war Naruto für mich auch wirklich nur der Bruder gewesen, den ich mir als Kind immer gewünscht hatte; immer lustig, immer mit einem liebevollen Auge auf mich. Irgendwann war mir dann aufgefallen, dass ich ihn von mir aus sehen wollte, nicht so wie meine Freunde, deren Einladungen ich mehr hinnahm als selbst initiierte. Ich konnte seine Berührungen in den meisten Fällen nicht nur ertragen, sondern mochte sie sogar. Ich vermisste ihn und ertappte mich in meinem Alltag dabei, an ihn zu denken, wenn ich gerade nichts zu tun hatte. Ja, ich kannte die Symptome, aber ich wollte nichts dagegen tun oder sie befördern. Ich würde einfach warten, bis sie von selbst weggingen. Denn egal, was für Gefühle ich mir zu haben einbildete, mir gefiel unsere Freundschaft, wie sie war. Hätten wir eine Beziehung daraus gemacht, hätte das nur Veränderungen, Verpflichtungen mit sich gebracht und ich war nicht bereit, mich jemandem zu verpflichten. Zumal ich oft, wenn wir uns näher kamen, nur Itachi vor mir sah, woraufhin sich dann mein ganzer Körper nur noch vor Ekel schüttelte. Manchmal ging es. Wenn Itachi mich schon lange nicht mehr angefasst hatte. Oder wenn ich ihn völlig verdrängt hatte, so wie in der Nacht, als ich bei Naruto geschlafen hatte. Natürlich war ich in der Nacht aufgewacht und hätte gehen können. So, wie ich ihn kannte, hätte Naruto mich sogar ohne weitere Erklärung nach Hause gebracht, auch um drei Uhr nachts. Aber ich hatte bleiben wollen. Als ich sein schlafendes Gesicht neben mir sah, hatte ich dort liegen bleiben wollen für den Rest meines Lebens. Nur Naruto und ich. Aber das würde nie sein, war mir schneller klar geworden als mir lieb war. Selbst wenn ich diesen Träumen und Hoffnungen auf Nähe zu einem Mann nachgab, die ich wegen Naruto zum ersten Mal hatte, selbst wenn ich mich von meiner Familie lossagte, würden Itachis Taten mich nie loslassen. Wenn ich in das liebevolle Gesicht eines Mannes blickte, würde ich sein Grinsen sehen. Wenn ich eine Berührung zuließ, würde ich unter seinen Fingern zusammenzucken. Wenn ich mit einem Liebhaber schlief, würde er mir die Luft abschnüren und mich mit noch mehr Schmerz strafen. Nein, dachte ich, als ich mich aus einer ein bisschen zu langen Umarmung mit Naruto löste und mich abwandte. Ich würde nicht zulassen, dass Itachi mir das kaputt machte. Lieber würde ich darauf verzichten. Der Kontrast meiner Empfindungen baute sich in den nächsten Wochen immer weiter auf. Einerseits war da meine zunehmende Zuneigung zu Naruto. Wir verbrachten viel Zeit miteinander, ob mit oder ohne Freunde. Inzwischen kannte ich seine Clique gut, und seine Großeltern hießen mich freundlich willkommen. Andererseits war da die ständige Anspannung, der ich zu Hause ausgesetzt war. Mein Vater hatte es zwar nicht mal mit Hausarrest versucht – Dazu war ich wirklich zu alt – Aber er strafte mich mit Schweigen. An sich wäre das nicht schlimm gewesen, er redete auch sonst wenig mit mir. Aber da er noch dazu ständig außer Haus war, war ich oft alleine mit Itachi. Und der verschwieg seine Wut nicht. Er fasste mich nicht mehr an, was wohl an den blauen Flecken lag, die sein Ausraster bei mir hinterlassen hatte. Aber er terrorisierte mich verbal so oft er mich in die Finger bekam. Ich versuchte, so unauffällig wie möglich zu sein und viel Zeit außer Haus zu verbringen, aber er schaffte es immer wieder, mich abzupassen. An einem Donnerstag Anfang November war es wieder so weit. Es hatte schon frühen Schnee gegeben und ich beeilte mich mit der Zubereitung meines Mittagessens, um rechtzeitig zur Uni aufbrechen zu können. Gerade, als ich die gefüllten Tomaten aus dem Ofen nahm, hörte ich die Haustür schlagen und erstarrte kurzzeitig in der Bewegung. Ich zwang mich, das Gemüse auf einen Teller zu legen, obwohl alle meine Sinne auf die Tür hinter mir ausgerichtet waren. Als Itachi dann die Küche betrat, stellten sich meine Nackenhaare auf und jeder Muskel in meinem Körper war zum Zerreißen gespannt. „Hallo, Sasuke“, begrüßte er mich und legte im Näherkommen die Hände auf meine Hüften. Über meine Schulter hinweg sah er auf den Teller in meiner Hand. „Mhm, sieht ja lecker aus. Hast du…?“ „Hör auf damit“, platzte es urplötzlich aus mir heraus und ich wand mich aus seiner Berührung frei. Seinen verwirrten Blick erwiderte ich trotzig. „Ich möchte das nicht mehr.“ Wir starrten uns eine Weile an, in der Itachis Erstaunen einem feinen, gewinnenden Lächeln wich. „Was genau willst du nicht, Sasuke?“ Ich öffnete den Mund, spürte praktisch schon meine Stimmlippen vibrieren – Aber dann würgte die Scham meine Worte mit einem erstickten Gurgeln ab. Ich konnte nicht, konnte nicht sagen, was für unsagbare Dinge er mir antat, obwohl jede davon auf meinen Wangen brannte und mir die Luft abschnürte. Ich wusste ganz genau, dass es falsch war, was er tat und nicht normal, wie er mir hatte weißmachen wollen als es anfing. Mit vierzehn hatte ich ihm geglaubt, dass alle Geschwister das taten, obwohl ich es schon damals gehasst hatte. Dann hatte ich herausgefunden, dass es sogar verboten war, aber ich konnte ihn nicht damit konfrontieren, geschweige denn, mich an jemand anderen zu wenden. Zu der Zeit hatte Itachi mich schon systematisch von allen isoliert. Mein Vater war nur allzu bereit, zu glauben, das Schwimmteam wäre Schuld am Abrutschen meiner Noten, und er meldete mich auf Anraten meines Bruders ab. Die wenigen Freunde, die ich hatte, trieb ich in meinem Selbstekel immer weiter von mir weg, bis außer Juugo und Suigetsu keiner mehr da war. Mit dieser Reaktion hatte ich natürlich Itachi voll in die Karten gespielt, denn ich war oft alleine zu Hause. Es wurde etwas besser, als ich auf die Uni kam, denn ich war öfter unterwegs. Aber seit dem letzten Sommersemester hatten die Übergriffe wieder zugenommen, und ich wusste auch, warum. Durch Narutos stete Bewunderung und seinen Zuspruch hatte ich ein neues Selbstbewusstsein entwickelt. Zum Beispiel hätte ich Itachi früher nie gesagt, dass er mich nicht anfassen sollte. Ich hatte mich einfach in mein Schicksal gefügt. Jetzt aber gab es einen Umschwung in unserer Beziehungsdynamik, ich entwickelte mich weg von der Abhängigkeit meiner Familie. Und diese Änderung gefiel Itachi nicht, weshalb er Macht demonstrierte. Leider hatte er diese nach wie vor über mich – Deshalb jetzt mein Rückfall ins Schweigen. Das Lächeln meines Bruders bekam eine süffisante Note, als er die Hände ausstreckte und mein Kinn nach oben zwang. Er wollte in meine Augen sehen, wenn er mich quälte. „Wenn du selbst nicht weißt, was du willst, werden das andere für dich entscheiden, Schwesterherz“, schnarrte er, dann ließ er mich ruckartig los. „Du wirst dich bei Vater entschuldigen.“ Verwirrt von dem plötzlichen Themenwechsel ließ ich mich gegen die Küchenzeile sinken. „Was…?“ „Er war seit vorgestern nicht zu Hause… Aber das fällt dir nicht mal auf, oder?“ Das war es tatsächlich nicht, aber mein schlechtes Gewissen hielt sich in Grenzen. Fugaku hatte es ja darauf angelegt, mich zu meiden. „Weißt du, früher war er nicht so. Als Mutter noch lebte“, explizierte er sich und ich zuckte leicht zusammen. „Wir waren glücklich. Bis du kamst und alles kaputt gemacht hast. Seitdem ist Vater nicht mehr derselbe.“ „Ist das alles?“, unterbrach ich Itachi mit frisch zurück erlangter Stimme. „Ich muss noch zu einer Vorlesung.“ Natürlich sah mein Bruder alles andere als begeistert aus. Mein Herz begann zu rasen, so, wie er mich anstarrte, doch schließlich obsiegte sein Wunsch nach einem guten Ruf und er nickte langsam. „Dann bereite dich vor.“ Ohne weiteres verließ Itachi die Küche und ließ mich in meinem Herzrasen zurück. Unglaublich langsam ging ich zum Mülleimer, um mein unberührtes Wegzukippen. Davon würde ich keinen Bissen runterbekommen. Was ich gerade getan hatte, war riskant gewesen; ich hatte in Itachis Augen gesehen, dass es beinahe schiefgegangen wäre. Aber ich war kein Teenager mehr, und würde lernen müssen zu spielen, wenn ich nicht fliehen konnte. Kaum vierzig Minuten später war ich in einem der Labore an der Uni, in dem mein vierstündiger Kurs stattfinden würde. Ich war eine der ersten, die ihren weißen Kittel, die Schutzhandschuhe und die Brille überstreifte und an meinen Platz ging. An der Tafel standen bereits einige Notizen, die ich abschrieb. Dabei traf mein Blick zufällig den des Professors, der sofort lächelte und in meine Richtung schlenderte. Seufzend richtete ich mich auf und verschränkte die Arme. Der hatte mir ja gerade noch gefehlt. „Fräulein Sasuke, immer wieder eine Freude, Sie zu sehen!“, grinste er aus dem breiten Mund in seinem bleichen Gesicht. Das lange, schwarze Haar hatte er aufgrund seiner Arbeit zu einem Pferdeschwanz gebunden, sodass man seinen übergroßen Ohrring noch besser sehen konnte. Ich ignorierte Tuscheln und Kichern meiner Kommilitonen und nickte. „Guten Morgen, Professor Mitsuki.“ „Aber, aber. Ich habe Ihnen doch schon so oft angeboten, mich Orochimaru zu nennen. Wir kennen uns schließlich, seit sie mir gerademal bis zum Knie reichten.“ Und schon damals, als er noch für meinen Vater arbeitete, hatte ich ihn nicht leiden können. Dann hatte es Gerüchte gegeben, Orochimarus Arbeitsmethoden wären unethisch oder gar gefährlich für seine Mitarbeiter, und mein Vater hatte ihn entlassen. Fugaku hatte zwar nichts gegen Experimente, aber die Öffentlichkeit sollte davon nichts erfahren. „Was ist das Thema heute?“, wechselte ich selbiges, woraufhin Orochimaru mir den Versuchsablauf schilderte, was sogar recht interessant war. Langsam trudelte der Rest des Kurses ein und wenige Minuten später konnten wir beginnen. Während der Übung war ich sonst immer hochkonzentriert, aber heute fiel es mir schwer, gedanklich im Labor zu bleiben. Alles hier erinnerte mich an meinen Vater und somit unweigerlich auch an meinen Bruder. Eigentlich wusste ich, dass er all das nur sagte, um mich zu quälen. Aber ich konnte nicht anders als mich zu fragen, ob Fugaku wirklich so anders gewesen war, als seine Frau noch lebte. Ob ich wirklich Schuld an unserer verkorksten Familie hatte, schon von Geburt an. Das würde zumindest erklären, wieso mein Vater mich so hasste. Ich hatte seine Frau getötet, und weil er sich anders nicht rächen konnte, machte er mir jetzt eben das Leben zur Hölle. Wäre ja nur fair, oder? Natürlich nicht, aber wann war das Leben schon fair? Und ich konnte es zumindest nachvollziehen. Mir kamen die Bilder meiner Mutter in den Sinn, die ich zu der einen Gelegenheit gesehen hatte, bei der ich in Fugakus Zimmer gegangen war. Alle sagten, ich wäre Mikoto wie aus dem Gesicht geschnitten, aber ihre entspannte, liebevolle Miene war so hübsch im Gegensatz zu meinen verhärmten Augen. Aber das war mir nur Recht. Ich wollte nicht hübsch aussehen. Andere wollten hübsche Menschen anfassen, und das wollte ich nicht. Ich dachte wieder an den Tag, als ich ins Büro meines Vaters geschlichen war. Dort standen all die Fotos von Mikoto, die im Rest des Hauses fehlten. Sie, als sie so alt war wie ich jetzt und mit Fugaku durch Europa reiste. Sie im Hochzeitskleid, schwanger mit Itachi. Sie, lächelnd an Fugakus Arm. Sie. Alles voll mit Mikoto. Mein Vater gab sich nicht mal die Chance, über seine Frau hinwegzukommen. Und als er mich in diesem kleinen Schrein seiner verlorenen Liebe fand, das Ebenbild seiner Frau, weinend über den Kleidern ebendieser Frau, die ich nicht gekannte hatte, hatte er mich nicht in den Arm genommen. Fugaku hatte sich entschieden, mich nicht als Andenken an Mikoto zu sehen, sondern als ihre Mörderin, und meine blose Anwesenheit in diesem Zimmer beschmutzte seine Gedenkstätte. Es war das einzige Mal, dass mein Vater mich schlug, aber es genügte. Ich betrat das Zimmer nie wieder. „Ha…? Fräulein Uchiha.“ Ich schreckte aus meinen Gedanken hoch und wurde von Orochimarus amüsiertem Blick und dem verhaltenen Kichern meiner Kommilitonen zurück begrüßt. Leicht zerstreut strich ich mir das Haar aus den Augen. „Ja, Professor?“ „Ich würde es, trotz Ihrer ausgezeichneten Noten, begrüßen, wenn Sie meinem Unterricht folgen würden. Vor allem, da sie erst kürzlich zwei Einheiten verpasst haben.“ Natürlich musste er das bei mir extra betonen, obwohl ein Fehlen bei sonst niemandem ein Problem war. Wir waren ja keine Schulpflichtigen Kinder mehr. „Es wird nicht wieder vorkommen“, versprach ich trotzdem und konzentrierte mich den Rest der Stunde tatsächlich hundertprozentig auf die Lektion. Nach dem Seminar waren wie immer alle schnell dabei, das Labor zu verlassen. Eine Kommilitonin fragte, ob ich noch mit allen etwas trinken gehen wollte, aber ich lehnte ab. In letzter Zeit hatte ich mich schon genug herumgetrieben, das würde nur Ärger geben. Vermutlich hatte sie sowieso nur aus Höflichkeit gefragt. So zogen die anderen Studenten sich zurück, bis ich alleine war. Beziehungsweise fast alleine; der Professor schob einen Karren mit Proben hinter einem Regal hervor und lächelte, als er mich sah. „Ah, Fräulein Sasuke. Perfekt, dass Sie noch da sind. Würden Sie mir mit dem Wagen helfen? Eines der Räder klemmt.“ Diesen Defekt konnte ich zwar nicht feststellen, trotzdem half ich selbstverständlich, die Proben zu verräumen. Vor dem Büro lächelte er mich wieder so breit an, dass es mich unwillkürlich erschauderte. „Dann einen schönen Tag noch, Professor.“ „Hätten Sie vielleicht eine Minute, Sasuke?“, unterbrach er mich, als ich schon zur Flucht ansetzte. Am liebsten hätte ich einen Termin vorgeschoben, doch stattdessen folgte ich ihm in seine Arbeitsräume. Es war ein großes, luftiges Büro mit vielen Büchern an den Wänden und gleich zwei Computern auf dem imposanten Schreibtisch, vor dem er mich Platz Zu nehmen bat. Eigentlich wirkte das Zimmer freundlich, nur leicht übersehbare Details stachen hervor. Ein sehr düsteres Bild einer schreienden Frau, das zwischen Zeugnissen und Diplomen an der Wand hing, ein Glas mit einem eingelegten Tier in einer Vitrine und ein oder zwei Bücher über frühe Psychotherapie im Regal. Alles war so klein und so verstreut zwischen den normalen Utensilien eines Professors, dass es gar nicht weiter auffiel, aber mir jagte es einen Schauder über den Rücken. All diese Gegenstände waren wie Orochimarus Lächeln; möglichst strahlend, damit niemand die unterschwellige Grausamkeit sah. Ich wollte hier so schnell wie möglich raus. „Also, Professor?“ „Sie wollen mich wirklich nicht Orochimaru nennen, auch nicht um der alten Zeiten willen, nicht wahr?“, fragte er mit betrübtem Lächeln. Scheinbar erwartete er, dass ich einlenken würde, doch als ich es nicht tat, fuhr er fort. „Na schön. Es ist wohl auch besser, keine allzu enge Beziehung zu einem Lehrenden zu haben. Sie sind wirklich eine intelligente junge Frau geworden. Und so schön wie Ihre Mutter.“ Ich ließ ihn nicht aus den Augen. „Sie kannten meine Mutter?“ „Aber ja. Eine tolle Frau.“ Offensichtlich war er froh, eine Reaktion von mir bekommen zu haben. „Ich habe nie verstanden, wieso sie sich mit dem Leben als Hausfrauchen zufriedengab, das Fugaku ihr aufzwang. Sie hätte überall arbeiten können mit ihren Zeugnissen… Aber vielleicht hat sie das sichere Nest genossen.“ Orochimaru zuckte die Schultern, während ich mich fragte, wie ´sicher` dieses Nest wirklich gewesen war. Sagte Itachi vielleicht doch die Wahrheit? Hatte ich meinen Vater so verbittert…? Ich traute dem Professor zwar nicht, der gerade aufgestanden war, um einen Kaffee aufzusetzen, aber scheinbar wusste er mehr über die Vergangenheit meiner Eltern, und im Gegensatz zu den anderen Leuten, auf die das zutraf, schien er gewillt zu reden. „Kannten Sie… Kanntest du meine Mutter gut, Orochimaru?“ Das Lächeln, das er mir schenkte, war klebrig wie Honig und viel zu gewinnend. Mein Einlenken, was seinen Namen anbelangte, war für ihn wohl wie ein kleiner Sieg. „Von den Firmenfeiern und den Gelegenheiten, zu denen sie deinen Vater bei der Arbeit besuchte. Fugaku hat sie zwar nie bei Entscheidungen mitreden lassen, aber Mikoto wusste immer, was in der Firma vorging. Sie hat die Mitarbeiter motiviert wie sonst keiner. Ich bin mir sicher, deine Eltern haben sich sehr geliebt.“ Ich war nicht sicher, ob man meinen Vater lieben konnte, so, wie er war, doch das bestätigte nur, dass er sich seit dem Tod seiner Frau verändert hatte. So etwas ging an niemandem spurlos vorbei. Also hatte Itachi Recht. Ich war selbst schuld an meiner Situation. „Sasuke?“ Orochimarus Stimmer iss mich aus meinen Gedanken und er lächelte mitfühlend, als ich ihn ansah und er mir die Kaffeetasse hinstellte. „Was ist in letzter Zeit mit dir los? Sonst bist du stets hochkonzentrierst und bringst Bestleistungen, aber seit ein paar Wochen wirkst du ständig abgelenkt. Wenn du Probleme hast, solltest du mit jemandem darüber reden. Wenn du möchtest, könnte ich dieser jemand sein.“ Über dieses Angebot dachte ich nicht mal nach, wohl aber über die zugrundeliegende Behauptung. Man merkte mir an, dass ich gedanklich wo anders war, das war nicht gut. Ich musste mich wieder auf meine Pflichten konzentrieren, denn wenn ich nicht funktionierte, würde mein Vater sauer. Und wenn mein Vater sauer war, würde Itachi mich bestrafen. Die Angst zog mir den Magen zusammen und ich hatte das Gefühl, in dem plötzlich viel zu warmen Büro zu ersticken. Als habe er meine Gedanken gelesen, stand Orochimaru wieder auf und öffnete die Fenster, sodass kalte Novemberluft hereinströmte. „Weißt du, Sasuke, ich kann deine Situation gut verstehen. Du bist etwas Besonderes. Hochbegabt. Das war mir schon klar, als du noch ein Kind warst.“ Misstrauisch sah ich zu, wie er näherkam, doch als er weitersprach, konnte ich sein Gesicht nicht sehen, da er direkt hinter meinem Stuhl stehenblieb. Ich spannte die Schultern an und sah auf seine Tasse, aus der sich im kalten Zug kleine Rauchschwaden emporschlängelten. „Ich weiß, wie es sich anfühlt, ständig besser als alle anderen zu sein. Wie sie dich ansehen, beurteilen. Dich in ihrem Neid ausschließen. Ich weiß, wie ihre Dummheit dich langweilt, aber du bist zu gut erzogen, um das zu zeigen.“ Dieses Gespräch hätte er mit Itachi führen sollen, denn ich hatte mich nie derart überlegen gefühlt. Niemand hatte mir je das Gefühl gegeben, meine Leistungen wären Stolz wert. Orochimaru stand hinter mir wie der personifizierte Schatten meines Bruders, in dem ich lebte. „Menschen wie wir brauchen manchmal Hilfsmittel, um diesem Druck standzuhalten. Das ist nur legitim, immerhin leisten wir auch mehr als andere Menschen. Und der Druck ist immens, nicht wahr, Sasuke?“ „Was willst du von mir?“, fragte ich, die schultern angespannt, um genau diesen Druck tragen zu können, den ich diesem zutiefst suspekten Fremden gegenüber nie eingestehen würde. Er lachte nur und ließ etwas auf meinen Schoß fallen. „Ich will dir nur ein Geschenk machen. Unter alten Freunden, sozusagen.“ Verwirrt nahm ich das kleine Tütchen – Und ließ es gleich wieder in meinen Schoß fallen, als ich erahnte, was das helle Pulver darin war. Ich wusste nicht, was ich sagen oder tun oder denken sollte. Zwar hatte ich Orochimaru für verschroben gehalten, doch nie hätte ich gedacht, dass er seine Position nutzte, um Drogen an seine Studenten zu verticken. Polizei. Ich musste mit diesem Tütchen zur Polizei und dafür sorgen, dass Orochimaru niemanden mehr in seinen Sumpf zog. Ich war so verwirrt, dass meine Glieder beim Aufstehen ganz unbeholfen waren. Das Tütchen in meiner Hand wog nicht mehr als ein, zwei Gramm, aber es fühlte sich bleischwer an, weil ich mir seiner so überdeutlich bewusst war. „Wie viel?“, fragte ich beherrscht, woraufhin er nur lachte und ungefragt meine Tasche öffnete, um das Tütchen darin zu verstauen. Ich schaute wie versteinert zu. „Es ist ein Geschenk, Sasuke.“ Als er die Schlaufe wieder verschloss, lehnte er sich an seinen Schreibtisch und nahm seine Tasse zur Hand, um einen Schluck zu trinken. Alles an ihm wirkte, als habe er mir gerade Übungsblätter für die nächste Prüfung gegeben, keine Drogen. Und wie sicher er sich seiner Sache war. Sein Blick war amüsiert, als könne er in meinen Augen sehen, dass ich zur Polizei gehen wollte, aber er wüsste einfach, dass ich es nicht tun würde. Pah! Gar nichts wusste er von mir! „Komm einfach zu mir, wenn du mehr brauchst“, bot er freundlich an. „Das ist ein sehr großzügiges Geschenk.“ „Ich wusste, du wüsstest es zu schätzen.“ Orochimaru kehrte lächelnd hinter seinen Schreibtisch zurück und sah mich offen an. „Ich bin immer da, um dich zu unterstützen, meine Liebe… Weißt du, wie man damit umgeht?“ Ich nickte, wenn auch nur, weil ich jetzt sicher keine Lehrstunde im Konsum von Kokain wollte. „Danke. Auch für Ihre Zeit.“ „Wir waren beim Du, Sasuke“, erinnerte er mich sanft, doch dann verabschiedete er mich und ich verließ das Büro. Im Bus zur Polizeistation kam es mir vor, als würden alle Fahrgäste mich anstarren. ´Ich bringe das Zeug nur weg!`, wollte ich am liebsten rufen, aber ich starrte nur angespannt aus dem Fenster. Sah ich aus wie ein Junkie? Ich hatte meine Leistungen alle selbst erarbeitet, mal von Kaffee und Traubenzucker abgesehen, und jetzt kam dieser abgehalfterte Wissenschaftler daher und tat ganz nonchalant so, als hätte ich alles Drogen zu verdanken – Wie er, scheinbar. Als ich zwanzig Minuten später aus dem Bus stieg und der kalte Wind mir in den Kragen griff, fragte ich mich, wie er überhaupt darauf kam. Klar, in letzter Zeit hatte ich einige Probleme, aber das war doch nicht die Lösung. Andererseits, sagte eine Stimme in meinem Kopf, die ich bis dahin nicht gekannt hatte, hatte ich es auch noch nie ausprobiert. Und die Vorstellung, diese Gedanken loszuwerden, die mich ständig begleiteten und jetzt sogar im Unterricht aufzufressen drohten, war verlockend. Meine Schritte hatten sich verlangsamt, doch jetzt ging ich wieder energischer. Es war falsch, Punkt. Ich würde dieses Päckchen der Polizei geben, diese würde Orochimarus Büro und seine Wohnung filzen und ihn dann hoffentlich aus dem Verkehr ziehen, denn er war gefährlich. Aber warum eigentlich? Schon in Blickweite der Polizeistation blieb ich stehen und überlegte, dass Orochimaru (Als einziger) gemerkt hatte, dass es mir schlecht ging und nur hatte helfen wollen. Dass seine Mittel dazu falsch waren, machte es ja nicht zu einer schlechten Tat. Und wieso eigentlich ´Falsch`? Er nahm das Zeug doch scheinbar auch, und er war ein erfolgreicher Wissenschaftler und guter Dozent. Unschlüssig stand ich eine ganze Weile auf dem Gehweg, starrte die Wache an, die zwischen Einfamilienhäusern lag, ein Schneidereibedarf auf der anderen Straßenseite. Dann, ganz langsam, wandte ich mich ab. Es konnte nicht falsch sein, vergessen zu wollen. Ich wollte nicht mehr jedes Mal, wenn ich die Augen schloss, an Itachi denken oder an unseren Vater. Es war falsch, dass all mit mir geschah, also wäre es richtig, es, wenn auch nur für ein paar Stunden oder Minuten, auszulöschen. Gänzlich ungeschehen machen konnte ich es ja nicht. Schon auf dem Heimweg schämte ich mich und drehte doch wieder um, doch die Polizeistation betrat ich nie. Alle paar Meter entschied ich mich um, aber am Ende war ich mit meiner vor Schuld tonnenschweren Tasche zu Hause angekommen. Ich wollte das Ding nicht mehr sehen und ließ es in meinem Zimmer, während ich mich um den Haushalt kümmerte und kochte. Während der Arbeit kam ich mir vor, als habe ich ein Stigma auf der Stirn und selbst meinem Vater fiel auf, wie angespannt ich war. Zwar fragte er nicht, was los war, aber er musterte mich immer wieder über den Rand seines Tellers hinweg. In der Nacht schlief ich schlecht. Ich träumte von abgewrackten Drogenhäusern, kaputten Menschen, vom Tod, und dann wieder vom Fliegen und von der Freiheit und von kalter, klarer Luft auf meiner Haut und in meinen Lungen. Immer, wenn ich aufwachte, schien meine Tasche mit ihrem Inhalt näher ans Bett gerückt zu sein, bis ich das kleine Tütchen schließlich in der hintersten Ecke meines Schrankes verbarg. Nur bis zum nächsten Morgen, schwor ich mir, wenn ich es zur Polizei brachte. Aber das tat ich nicht. Ich nahm die Drogen zwar auch nicht, doch sobald meine Paranoia wegen ihnen nachgelassen hatte, war es ein angenehmes Gefühl, sie in der Nähe zu wissen. Als wäre da ein Ausweg, wenn es zu schlimm wurde, endlich, nach all den Jahren. Wie eine kleine Rebellion war dieses ach so leichte Tütchen, denn was wäre mit dem wertvollen Ruf meines Vaters, wenn seine Tochter ein Drogenproblem hätte? Dass ich mich damit kaputtgemacht hätte, war mir egal. Das war ich doch sowieso schon. Das einzig Unangenehme war, dass ich Orochimaru jetzt noch weniger loswurde. Er hielt das wohl für unser ´kleines Geheimnis` und beobachtete mich lauernd, wartete, dass ich ihn um mehr bitten würde. Die Vorstellung, von ihm abhängig zu sein, war einer der Gründe, aus denen ich das Kokain nicht nahm. Alles an ihm war mir zutiefst zuwider, vor allem aber, dass er glaubte, mich zu kennen und kontrollieren zu können. Ich würde noch zur Polizei gehen und ihm das Gegenteil beweisen, schwor ich mir jedes Mal, wenn ich ihn sah. Und tat es dann doch nicht. So ging der November vorbei und ein Dezember begann, der zu kalt war für Schnee. Ich zog den Schal enger um den Hals, als ich über den großen Platz auf das Hochhaus zuschritt, in dem Kyuubis WG lag. Der Anblick war mir inzwischen vertraut, und ich zögerte nicht, als ich aus dem Aufzug stieg und an der Tür klingelte. Einer der Mitbewohner öffnete, ich vergaß immer, wie sie alle hießen. Ein wenig verwirrt ließ er mich rein. „Naruto ist nicht da.“ „So?“, fragte ich und zog mein Handy aus der Tasche meines Mantels, den ich gerade aufgehängt hatte. Darauf hatte ich eine Nachricht meines besten Freundes, in der er eine Verspätung ankündigte und ich seufzte leicht genervt. Wunderbar, jetzt saß ich hier mit diesen neun Freaks – Oder wie viele von ihnen gerade auch da waren. „Dann kümmere ich mich eben um die Lady“, meldete sich eine inzwischen auch schon wohlbekannte Stimme zu Wort und Kyuubi kam aus seinem Zimmer. Wie immer waren seine Klamotten absolut unmöglich; er trug Hosen im Reiterstil, ein weißes Shirt mit Rissen und ein rot-schwarzes Sakko darüber, mit dem er wie ein Zirkusdirektor aussah. Aber irgendwie stand es ihm auch. Seine spitzgefeilten Zähne blitzten in einem Lächeln, als Kyuubi meinen missbilligenden Blick bemerkte. „Gefalle ich der Dame nicht?“ „Seit wann interessiert dich das?“, fragte ich und schüttelte ihm die Hand. „Bei dir schon immer.“ Er zwinkerte, aber inzwischen konnte ich seine Flirtereien als Scherze hinnehmen. Wir setzten uns auf die Couch in der Mitte des Raums, nachdem er mir ein Glas Wasser ausgehändigt hatte. Ich warf erneut einen Blick auf die Uhr: Naruto wusste ganz genau, wie ich zu Unpünktlichkeit stand, und trotzdem war er jetzt schon zehn Minuten zu spät. Gut, dass wir uns rechtzeitig vor der Reservierung in dem Chinarestaurant verabredet hatten, in dem wir uns mit einigen Freunden treffen wollten. „Was gibt´s Neues?“, erkundigte Kyuubi sich in dem recht offensichtlichen Versuch, das Schweigen zu durchbrechen. Wir sahen uns zwar oft, aber nie alleine, deshalb war die momentane Situation ungewohnt. „Nichts“, sagte ich nicht unfreundlich, sondern weil es der Wahrheit entsprach. Er sah mich amüsiert an. „Es ist echt unglaublich, wie viel gesprächiger du bist, wenn Naruto dabei ist.“ Dessen war ich mir bewusst, weshalb ich nur die Schultern zuckte. „Er redet einen in Grund und Boden, wenn man nicht Kontra gibt.“ „Vielleicht versuche ich das auch, wenn du dann mit mir sprichst.“ „Dafür bist du nicht der Typ“, erklärte ich und holte mein Handy aus der Hosentasche, als ´Never let me go` von Florence and the Machine ertönte. Wenn man vom Teufel sprach, dachte ich beim Abheben. „Naruto.“ „Sasuke, können du und Kyuubi mich vom Bahnhof abholen?“, quengelte er in den Hörer, woraufhin ich die Stirn runzelte.“ „Wieso?“ „Tsunade wollte mir nicht erlauben, Motorrad zu fahren. Es würde glatt werden, blabla.“ Ich sah praktisch, wie er die Augen verdrehte. „Also, kommt ihr?“ „Das hättest du früher sagen können“, seufzte ich und stand auf. „Ich musste mich erst noch mit meiner Oma streiten und bin gerade erst in die Bahn gestiegen. Beeilt euch, es ist kalt, und ich will nicht draußen rumstehen.“ „Gleich kannst du laufen“, drohte ich, doch er lachte nur. „Ihr seid die Besten. Bis gleich.“ Ich brummte eine Erwiderung, dann legte ich auf und wandte mich an Kyuubi, der bereits auf dem Weg zur Garderobe war. Er kannte seinen besten Freund eben. „Was hält unseren Chaoten auf?“, wollte er gelassen wissen. „Er steht unter der Fuchtel eines alten Mütterchens“, erklärte ich ebenso unbeeindruckt, während ich meinen Mantel anzog und dem Mitbewohner (Ich vermutete, dass es Son-Goku war) grüßend zunickte. Kyuubi rief den Aufzug, der uns kurz danach nach unten brachte. „Du weißt so gut wie ich, dass Tsunade kein ´altes Muttchen` ist.“ „Schon, aber ich dachte, das klänge lustig.“ Ich zuckte die Schultern und er grinste. „Humor entwickelst du auch noch, das sind ja ganz neue Töne.“ Dazu sagte ich nichts, sodass wir auf dem Weg durch die Tiefgarage des Hochhauses schwiegen. Wie alles in Kyuubis Besitz war auch sein Fiat schwarz, wobei er aus Gründen seines männlichen Stolzes wohl auf rote Akzente verzichtet hatte. Trotzdem vermisste ich das Gefühl von Freiheit, das man auf Narutos Motorrad hatte, als ich in den Wagen stieg. Er hatte mich dazu überredet, im nächsten Sommer selbst den Motorradführerschein zu machen, weshalb ich im Moment mein Gehalt als studentische Hilfskraft sparte. Meinen Vater konnte ich schließlich unmöglich um so etwas bitten, noch dazu, wenn ich mit einem Mann fahren wollte, den er für einen gefährlichen Tunichtgut hielt und Rumtreiber hielt. Obwohl Naruto hauptsächlich fröhliche Musik der unterschiedlichsten Genres hörte, waren ab und zu auch Rock- oder Metall-Lieder dabei gewesen, und durch das, was ich jetzt zu hören bekam, schloss ich darauf, dass Kyuubis Playlist Einfluss auf ihn genommen hatten. „Zu hart?“, fragte mein Fahrer, doch ich schüttelte den Kopf. Schon seltsam: Bevor ich Naruto kennengelernt hatte, wäre mir so etwas nie aufgefallen. Ich hatte Musik nur zum Joggen gehört, oder um lästige Gedanken auszuschließen. Aber seit er behauptet hatte, die Playlist eines Menschen sage viel über diesen aus, ließ ich mir ab und zu Empfehlungen von ihm geben. Natürlich hielt er seinen Geschmack für den besten der Welt. Unwillkürlich dachte ich wieder an unsere Übernachtungsparty und wie schön es gewesen war, seiner Musik zu lauschen bis ich eingeschlafen war. Wenn diese Lieder wirklich etwas über ihn aussagten, war es Lebenslust, Leichtigkeit, die Sehnsucht nach Liebe, der Wunsch, sich zu beweisen, etwas zu erreichen. Es war ekelhaft kitschig und ich würde es nie irgendjemandem gestehen, aber in diesem Moment war es, als erzählten die Sänger von Narutos Gedanken, und ich genoss es, ihnen zu lauschen. „Sasuke?“, riss Kyuubi mich aus meinen Gedanken und ich setzte mich etwas gerader hin. Er warf mir einen Seitenblick zu. „Wir kennen uns jetzt schon eine Weile, deshalb möchte ich ehrlich zu dir sein.“ Verwirrt runzelte ich die Stirn. Was kam denn jetzt? „Naruto hat mir erzählt, wie viel Zeit ihr im Moment miteinander verbringt. Er ist deswegen ganz aus dem Häuschen – Wie du sicher weißt.“ Natürlich wusste ich das, Naruto hatte noch nie einen Hehl aus seinen Gefühlen gemacht. Und dass wir viel Zeit miteinander verbrachten, brauchte er mir auch nicht extra zu erklären, Kyuubi war ja oft genug selbst dabei. „Und?“, fragte ich vorsichtig. „Und ich möchte, dass du dir klar machst, wie sehr du ihn verletzen könntest. Er kann nicht gut damit umgehen, Leute zu verlieren, seit seine Eltern gestorben sind. Als du ihn damals abgesägt hast, war er am Boden zerstört – Und da kanntet ihr euch noch nicht so gut.“ „Ich habe ihn nicht ´abgesägt`“, verteidigte ich mich recht lahm, aber Kyuubi ging gar nicht darauf ein. „Wie auch immer, das ist jetzt ja auch schon eine ganze Weile her. Aber in der Zwischenzeit bedeutest du Naruto eben auch viel mehr. Das solltest du berücksichtigen, wenn du zu ihm läufst, um dich vor deinen Problemen zu verstecken.“ Völlig verblüfft starrte ich den Rothaarigen an, der hier mein Seelenleben offenlegte als könne er geradewegs meine Gedanken hören. Meine Verunsicherung machte mich wütend. „Ich weiß nicht, wovon du redest.“ „Tatsächlich?“, fragte er kühl und warf mir einen mitleidigen Blick zu. „Nun, und ich weiß nicht, was in deinem Leben so los ist, aber es ist offensichtlich, dass irgendetwas nicht stimmt und du dich davor zu Naruto flüchtest. Das ist verständlich. Er tut einem gut, wenn es einem schlecht geht, ich weiß das besser als jeder andere. Aber wenn einem wirklich an ihm liegt, darf man sich von dieser Ader an ihm nicht verleiten lassen, ihn auszunutzen. Ich werde das nicht zulassen. Verstehst du das, Sasuke?“ Er parkte das Auto am Bahnhof, dann sah er mich eindringlich an, die dunkelgrünen Augen eine entfesselte Naturgewalt. In diesem Moment wusste ich, dass er wirklich alles für seinen besten Freund tun und jeden zerstören würde, der ihm schadete. Gleich danach besiegte aber der Trotz meine Ehrfurcht und ich reckte ein wenig das Kinn. „Stehst du auf ihn?“ Kyuubi schüttelte, erneut mitleidvoll, den Kopf. „Nicht jeden, den man liebt, muss man auch ficken wollen. Wenn du Glück hast, lernst du das auch noch“, belehrte er mich herablassend. „Ich will nicht… Du…“, stammelte ich verlegen. Wie schaffte er es nur, dass ich mir so dumm vorkam wie ein kleines Mädchen? „Du bist in ihn verknallt. Das ist doch ok.“ Seine Augen folgten der einfahrenden Bahn, in der wohl auch Naruto sitzen würde. „Er merkt es nicht und ich werde es ihm nicht sagen, also kannst du dein kleines Geheimnis ruhig für dich behalten. Nur möchte ich nicht, dass du ihn mit reinziehst, wenn du dich selbst kaputtmachst.“ Er sah mich wieder an und ich wusste, dass er es wusste. Alles über das kleine, nach wie vor unberührte, aber oft betrachtete Päckchen in meinem Schrank. Darüber, dass ich eigentlich nur auf eine Gelegenheit wartete, es doch noch zu benutzen, weil ich keine Lust mehr auf diesen ständigen Kampf hatte, der mein Leben geworden war. Er wusste, dass Naruto mein Gegenpol zu diesen Wünschen war und ich es ohne ihn schon längst getan hätte. „Woher…?“, fing ich an, doch dann tauchte eine Goldmähne aus der Dunkelheit auf und der winkende Naruto unterbrach unser Gespräch. „Über was redet ihr?“, wollte er wissen, als er sich auf den Rücksitz fallen ließ und die angespannte Stimmung zwischen seinem besten Freund und mir spürte. „Die Vergangenheit“, erwiderte Kyuubi und startete den Motor, ließ dieses Thema weit hinter uns. Kapitel 13: Nicht reden ----------------------- „Hast du die Gerüchte gehört?“, fragte ich ganz aufgeregt, während Sasuke wie immer auf meinem Bett lag und las. Dieser Anblick war in den letzten Wochen normal geworden, und doch freute ich mich jedes Mal wieder. Ich genoss ihr Vertrauen, das an dem von mir ausgelösten Konflikt in ihrer Familie nur gewachsen zu sein schien. Sasuke hatte mir erzählt, wie sauer ihr Bruder gewesen war und dass ihr Vater eine Weile nicht mit ihr gesprochen hatte, doch schien sie das nicht mir zum Vorwurf zu machen. Ich machte es mir da nicht ganz so leicht. Penibel achtete ich darauf, dass sie sich abmeldete und pünktlich zu Hause war. Obwohl sie nämlich meiner Meinung nach für ihr Alter eh zu gehorsam war, wollte ich keinen Zwist in ihren sowieso schon angespannten familiären Verhältnissen säen. „Welche?“, fragte Sasuke, denn am Campus gab es immer viele Gerüchte und je nach Fakultät andere. Aber dieses war fächerübergreifend eine Sensation. „Von dem Professor, der wegen Drogenbesitz und –handel verhaftet wurde, natürlich. Alle reden davon!“ „So?“ Sie klang überaus unbeeindruckt von dieser spannenden Entwicklung, von der ich gerade an meinem Laptop gelesen hatte. „Boa, du bist so öde! Hier geht voll der Breaking Bad Scheiß ab und du liest…“ – ich spähte auf ihren Buchrücken und verzog missbilligend das Gesicht– „Ludwig XIV. Dabei könntest du den Professor wirklich kennen, ich glaube, der ist aus deinem Fachbereich. Orochimaru Mitsuki, sagt dir das was?“ „Nicht, dass ich wüsste“, erwiderte Sasuke und gab ihr Lesen auf, indem sie die vergilbten Seiten des alten Buches zuschlug. „Aber an der Uni sind so viele Leute unterwegs, dass man nicht mal ansatzweise alle kennen kann.“ „Schade. Wie cool das gewesen wäre, wie in so einem Mafia-Film“, schmollte ich und bog die Finger zu Pistolen, um auf Sasuke zu schießen. „Ja. Total cool.“ Sie klang sehr sarkastisch und verdrehte die Augen über meine Fingerfeuerwaffen. „Steht da nichts Wichtigeres?“ „Klatsch und Tratsch sind wichtig. Das hält bewiesenermaßen die Gesellschaft zusammen“, klugscheißerte ich, während ich aufstand und zu einem Schrank ging um etwas herauszunehmen. Das kleine Paket, welches ich daraus hervorholte, war schwarz und orange eingepackt („Es ist doch nicht Halloween!“, hatte Tsunade gemosert) und hatte sogar eine mit viel Mühe angebrachte Schleife. Sasuke sah es verblüfft an, als ich es ihr in die Hand drückte, und ich lächelte. „Frohe Weihnachten, Sasuke.“ „Ich… Kann das nicht annehmen“, stammelte sie und wollte mir das Geschenk zurückgeben, doch ich verschränkte die Hände hinter dem Rücken. „Ich habe nichts für dich.“ „Darum geht es doch auch nicht. Los, mach schon auf.“ „Es ist erst der dreiundzwanzigste…“ „Egal. Mach auf.“ Zögerlich tat Sasuke, was ich befahl und entfernte umsichtig das Papier. Man konnte es nochmal verwenden, so vorsichtig war sie, zog ich sie auf, doch dann studierte ich gespannt ihr Gesicht als sie das Geschenk sah. „Du bist ein Idiot“, verkündete sie während sie das Buch aufschlug und durchblätterte. Es war das gesammelte Werk ihrer besten Sprüche, angefangen bei: ´Bist du ein Grabscher?`, bis hin zu ´Ich weiß nicht, ob man so jemanden auf Kinder loslassen sollte` und noch neuere Errungenschaften, alles untermalt von den wenigen Fotos, die Sasuke mir zu machen erlaubt hatte. „Wieso Idiot? Ich hab voll Herzblut da reingesteckt!“, empörte ich mich lachend, und sogar Sasuke konnte sich das Grinsen nicht verkneifen während sie den Sammelband betrachtete. Ich setzte mich neben sie und kommentierte manche Bilder oder Sprüche und gemeinsam amüsierten wir uns köstlich über das Geschenk. „Das hast du aus Scrubs abgeschaut“, stellte Sasuke fest sobald wir fertig waren. „Das Buch, das JD Doktor Cox am Schluss schenkt.“ „Ich wusste, du würdest die Serie mögen“, rief ich triumphierend. Sie hatte nie viel ferngesehen und noch nie das Urgestein der Ärzteserien gesehen, was ich natürlich hatte ändern müssen. Während des Filmmarathons vor ein paar Wochen hatte Sasuke nicht viel gesagt, aber das ihr die Parallele auffiel sagte ja schon alles. „Hm… Jordan und Cox sind ok“, gab sie zu und ich lachte. „War ja klar.“ Ich legte den Arm um ihre Schulter, drückte sie kurz und wollte schon wieder loslassen, als sie nicht wie sonst zurückwich sondern sich leicht an mich lehnte. Austestend behielt ich den Arm, wo er war, und sie beschwerte sich weder, noch bekam sie Angst. Sie schlug nur das Buch wieder auf einer beliebigen Seite auf und kommentierte diese. Später, als ich sie im Auto meines Großvaters heimfuhr, dachte ich nochmal an diesen Moment und als wir in einer Seitenstraße neben ihrem Haus parkten, sah ich Sasuke nachdenklich an. Sie war eindeutig offener geworden, was Berührungen anging, ließ mich ab und zu kurz ihre Hand halten, sich umarmen oder dergleichen. Alles nichts Beeindruckendes, aber mir fiel der Unterschied zum Anfang unserer Freundschaft auf. „Was machst du übermorgen Abend?“, wollte ich wissen. „Es ist Weihnachten. Was werde ich wohl machen?“ Lachend verdrehte ich die Augen. „Ich meinte nach dem Familien-Spießroutenlauf. Ein paar Leute wollen feiern gehen und du hattest doch gesagt, du willst es mal ausprobieren.“ „Na schön“, seufzte sie, als müsse sie eine Darmspiegelung machen. „Wer kommt mit?“ „Die üblichen Verdächtigen, außer Neji. Der Spießer findet, das gehört sich an Weihnachten nicht, aber Hinata kommt ja auch.“ Ich verdrehte die Augen, doch mal wieder schien Sasuke die Meinung des verstockten Jura-Studenten zu teilen. Kein Wunder, das Tenten sich langsam Sorgen wegen der beiden machte. Sie waren sich wirklich ähnlich. „Isobu und Hatsune kommen wegen der Kleinen natürlich nicht mit, und Kyuubi ist auf Mallorca mit seiner Firma.“ Darüber schien Sasuke nicht sehr traurig. Am Anfang hatten meine beiden besten Freunde sich recht gut verstanden, bis vor ein paar Wochen irgendetwas zwischen ihnen vorgefallen war, von dem keiner der beiden mir erzählen wollte. Es war nicht so schlimm dass sie stritten oder sich anschwiegen, aber eine gewisse Anspannung war immer zu spüren, wenn sie sich sahen. Da ich Streit unter meinen Freunden nicht mochte, versuchte ich mal wieder zu intervenieren: „Und du willst mir nicht erzählen, was zwischen euch passiert ist?“ „Zum letzten Mal, Naruto. Es. Ist. Nichts. Passiert“, beharrte Sasuke gereizt, mit einem Blick, der deutlich machte, dass ich das Thema lieber auf sich beruhen lassen sollte. „Schon gut, schon gut“, seufzte ich geschlagen. „Wir sehen uns dann übermorgen. Schöne Weihnachten, Sasuke.“ „Hm…“, machte sie und sah mich dabei so intensiv an, dass mein Lächeln etwas verlegen wurde. Bevor ich aber etwas fragen konnte, beugte sie sich vor und küsste meine Wange. „Dir auch. Bis dann.“ Dann flüchtete sie mal wieder und ließ mich ziemlich verwirrt zurück. Klar, ein Bussi auf die Backe war normalerweise keine große Sache. Normalerweise. Denn ich wusste, dass Sasuke Leute so nicht mal begrüßte, weil sie ziemlich prüde war. Diesen Kuss jetzt als eine Art Weihnachtsgeschenk von ihr zu bekommen, war also durchaus die gute Laune wert, die ich auf dem Heimweg hatte. Am vierundzwanzigsten ging es bei uns – wie vermutlich in jeder Familie – hektisch zu. Mein Großvater hatte die schlechte Angewohnheit, das Geschenk für seine Frau erst am Tag der Bescherung zu kaufen, wofür er sich dann ´heimlich` aus dem Haus schlich. Tsunade und ich nutzten diese Zeit um das Abendessen vorzubereiten, was dieses Jahr dank einiger Kochstunden mit Sasuke besser ging als sonst. Am Nachmittag besuchten meine Großeltern dann Freunde. Früher war ich mitgekommen, aber seit ich mich ein Mal mit dem dargebotenen Glühwein betrunken hatte, war ich wohl nicht mehr erwünscht. War mir nur Recht, obwohl Tsunade mich seither mit dem Hausputz betraute während sie weg waren. So kam es, dass ich gerade staubsaugte, als mein Handy klingelte. Recht verwirrt von dem Anrufer hob ich ab. „Isobu?“ Seit der Geburt seines Sohnes und dem Umzug hatte ich nicht viel von Kyuubis ehemaligem Mitbewohner gehört. „Naruto, du musst mich retten, Alter!“, rief er ohne große Vorrede in den Hörer. Im Hintergrund waren Kinderstimmen zu hören. „Was ist passiert? Wo bist du?“, fragte ich sofort besorgt. „Hatsune ist total am Ausflippen. Sie wollte unbedingt Weihnachten bei uns feiern und alles Mögliche vorbereiten, aber jetzt ist es ihr zu viel mit dem Baby. Ich hab´s ihr ja gesagt… Jedenfalls will sie, dass ich Takeshi abhole, aber ich bin der einzige in der Arbeit und kann nicht weg. Kannst du ihn abholen?“ „Ah…“, machte ich mit einem besorgten Blick auf unseren Haushalt. „Bitte, Alter, sonst bringt Hatsune mich um. Oder noch schlimmer – sie kippt aus den Latschen.“ Man merkte Isobu nicht oft an, wie viel ihm seine Freundin bedeutete, aber gerade war es offensichtlich. „Ich hab schon ihren Schwestern Bescheid gesagt, aber die wohnen weiter weg und brauchen noch eine Weile, bis sie ihr helfen können. Bitte.“ Seufzend räumte ich den Staubsauber wieder weg, den ich gerade erst zur Hand genommen hatte. „Klar. Sag mir die Adresse deiner Arbeit.“ „Du bist ein Engel! Ein Weihnachtsengel!“ Ich rief unterwegs Tsunade an, die nicht erfreut schien, und dann Hatsune um zu fragen, ob ich noch etwas einkaufen sollte. Kurz darauf trat ich in die neue Wohnung ein, aber die junge Mutter, die offensichtlich übernächtigt war, drückte mir nur ihren Säugling in den Arm und schloss die Tür. Ich sah den kleinen Jungen in seinem Körbchen an, der über so viel Stress am Weihnachtstag nur missbilligend die Stirn runzelte. Grinsend packte ich ihn in das Auto meines Großvaters und fuhr zu der von Isobu angegebenen Adresse. Als ich dort war, war ich allerdings verwirrt, denn ich fand keinen mehrstöckigen Bürokomplex, sondern einen Kindergarten direkt neben einer Kirche. Ungläubig sah ich mich um, doch ich war in der richtigen Straße und dort, auf einer großen, selbstgebastelten Sonnenblume, stand die genannte Hausnummer. Nur zögerlich klingelte ich und trat ein, als das Surren verkündete, dass die Tür offen war. Der Eingangsbereich war von einer Garderobe geprägt, die so niedrig war, dass die Kleinsten bequem ihre Jacken an den mit Blumen und Spielzeug bemalten Haken drapieren konnten. Vom zentralen Raum zweigten sechs Türen ab, doch nur ein Zimmer war erleuchtet und belebt. Immer wieder liefen Kinder raus, denen ich zulächelte. „Kann ich Ihnen helfen?“, meldete sich jetzt eine junge Frau zu Wort, die mich wohl reingelassen hatte und skeptisch musterte. „Oh, ja, klar. Ich suche Isobu. Hab ein Päckchen für ihn“, erklärte ich und hob den Korb an, in dem sein Sohn schlief. Das Mädchen konnte nicht älter als sechzehn oder siebzehn sein. Sie hatte ihr strähniges Haar blau gefärbt, ein Piercing in die dünne Lippe gestochen und ging ganz in Schwarz vor mir her, als sie Isobu suchte. Wir fanden ihn umringt von einer Schar Kinder die malte, während er über seine Kaffeetasse hinweg immer wieder fragwürdige Komplimente machte: „Diese Farbkombination habe ich wirklich noch nie gesehen, Tim. Niemand hat kackbraun je so gut getroffen.“, „Deine Mama freut sich bestimmt über das fünfte Haus vom Nikolaus, Kaleesha“, „Sergej, dein Bild wird noch schöner, wenn du den Stift vorher nicht ableckst.“ Mit einer nonchalanten, fast desinteressierten Gelassenheit sorgte Isobu dafür, dass keines der Kinder sich vergiftete, erstickte oder dem Nachbarn den Stift klaute. Er wirkte völlig natürlich in dieser Umgebung, aber ich kam mir trotzdem vor wie im falschen Film. In unserem Freundeskreis war es eine Art Running Gag, Isobus Beruf erraten zu wollen. Wir waren schon auf fast alles gekommen, vom Artischockenbauern bis zum Zirkusdirektor, aber Kindergärtner hatte noch keiner vorgeschlagen. Es war schwer vorstellbar, dass dieser sarkastische Spitzbube einen guten Einfluss auf die Kinder haben sollte. Und doch schenkte ihm ein kleines Mädchen ein Bild und er strich ihr lächelnd durch die Haare, ehe er sich von seinem viel zu kleinen Stuhl hochkämpfte und zu mir kam. „Da bist du ja. Ich dachte schon, Hatsune hätte dich gefressen.“ „Ich war mir nicht sicher, ob ich hier richtig bin“, gestand ich mit einem fragenden Blick auf den Jungen, den Isobu Kekse holen schickte. „War schon klar, dass das keiner von euch glauben würde.“ Er lachte, dann befahl er der Sechzehnjährigen, mir Punsch zu bringen und gleichzeitig den Kekslieferanten zu beaufsichtigen. Sie zog mürrischen Gesichtes ab und Isobu erklärte: „Die Praktikantin. Ich kann sie nicht mit den kleinen Kröten alleine lassen. Du hast mir echt den Arsch gerettet.“ In der Zwischenzeit hatte er mir Takeshi abgenommen, der seelenruhig schlief. Die Praktikantin und der Kekslieferant brachten ihre Ware, ich bedankte mich und setzte mich auf einen der winzigen Stühle als Isobu es mir anbot. Diesem erklärte ich: „Ist doch selbstverständlich. Aber wieso wollte Hatsune das Fest selbst organisieren? Mit dem Baby und allem…“ Schulterzuckend schob er sich einen Keks in den Mund. „Frag mich, was diese Frau will, seit der Kleine da ist. Wir kommen kaum zum Schlafen und eine ruhige Minute hast du auch nie. Sie dachte wohl, das gehöre sich so als frischgebackene Familie. Ein perfektes, harmonisches Weihnachten.“ Ich sah die Sorge in seinen Augen als er auf Geheiß einiger Kinder aufstand um mit ihnen zu spielen. Ich folgte mit der Tasse in der Hand und war kurz darauf mit dem Bau eines Klötzchenhochhauses beschäftigt während ein Mädchen ständig Lob für ihre Bilder wollte und ein Junge sich meinen Schoß für ein Nickerchen ausgesucht hatte. Gutmütig ließ ich alles über mich ergehen, spielte Pferdchen, sobald der Schläfer erwacht war, und tat auch sonst alles, um die Kinder zu bespaßen. „Du bist ja die reinste Sensation“, bemerkte Isobu während die Kleinen nach und nach abgeholt wurden. Die meisten der Mädchen waren sichtlich enttäuscht, den Sohn ihres Kindergärtners zurücklassen zu müssen, in den sich sogar die mürrische Praktikantin ein wenig verliebt zu haben schien. „Wenn dir die großen Kiddies nicht mehr gefallen, bist du hier willkommen.“ Grinsend dachte ich daran, wie Sakura letztens gesagt hatte, ich sei selbst ein Kindskopf und käme deshalb so gut an bei der Jugend. Wahrscheinlich hatte sie Recht. „Ich weiß nicht. Sie sind zwar ganz niedlich, aber ich bevorzuge es, wenn sie schon alleine aufs Klo gehen können.“ „Machst du Witze? Das ist das Beste!“, empörte er sich. „Weißt du, wie viele geile Geschichten so entstehen?“ „Nein – du erzählst ja nie davon“, bemerkte ich, woraufhin er lachte. Wir waren gerade damit beschäftigt aufzuräumen während die Praktikantin schon vor zehn Minuten auf dem Klo verschwunden war. Entweder, sie hatte eine üble Verstopfung oder genug davon, in Legofiguren zu treten. „Ach komm, du kannst dir doch vorstellen, was für blöde Sprüche es die ganze Zeit regnen würde. Darauf kann ich verzichten. Außerdem ist euer kleines Ratespiel doch immer wieder lustig… Aber jetzt wohl vorbei.“ Ich sah ihn wegen des leicht geknickten Tonfalls fragend an. „Wieso? Du hast deine Gründe, es nicht zu sagen, das respektiere ich.“ Ein wenig verdutzt sah Isobu mich an ehe ein Lächeln seine Züge erhellte. „Du bist echt ein Freund, Mann.“ „Ist doch klar. Aber jetzt muss dieser Freund zum Enkelsohn werden und das Feld räumen“, erklärte ich nach einem Blick auf meine Uhr. „Ihr kommt hier klar?“ „Sicher. Sonst räumen wir ja auch ohne dich auf.“ Er brachte mich noch zur Tür nachdem ich der Praktikantin durch die Klotür schöne Weihnachten zugebrüllt hatte, dann wünschten wir uns dasselbe und trennten uns. „Kindergärtner…“, murmelte ich vor mich hin und lachte kopfschüttelnd, als ich ins Auto stieg. Es war nicht so, dass ich diesen Beruf lächerlich fand und gerade hatte ich gesehen, dass Isobu auf eine sehr unorthodoxe Weise dafür geeignet war, aber das hatte ich wirklich so gar nicht erwartet. Irgendwie dachte ich über die Geheimnisse nach, die wir so vor unseren Freunden haben, und erinnerte mich erst an den Spießroutenlauf, der mir jetzt bevorstand, als ich vor dem Haus meiner Großeltern parkte. Zur Bescherung kamen nämlich immer Tsunades Kinder und Enkel und obwohl ich sie Onkel, Tanten, Cousinen und Cousins nannte, machten sie keinen Hehl daraus, dass sie mich nicht leiden konnten. Ich wusste nicht mal wirklich, wieso, vermutete aber, dass es etwas mit Erbschaftsstreits zu tun hatte. Wenn dem so war, wäre das wirklich schade, denn ich hätte jeden Pfenning hergegeben für eine gute Beziehung zum Rest der Familie, der mir noch blieb. Mein Vater war ein Einzelkind gewesen, und die Geschwister meines Großvaters schon tot. Mit deren Kindern hatte Jiraiya, abgesehen von einem Neffen, nicht viel Kontakt und die Familie seiner ersten Frau wollte nichts mehr von meinem Großvater wissen, seit der mit Tsunade zusammen war. Und so blieben mir nur sauertöpfische Verwandte, die keine sein wollten. Der Abend war gewohnt anstrengend und ich war froh, als gegen Mitternacht alle Geschenke ausgepackt, alle Speisen verputzt und alle Gäste gegangen waren. Während des ersten, provisorischen Aufräumens witzelten meine Großeltern und ich, sodass ich trotzdem recht guter Laune war als ich zu Bett ging. Wie so oft wanderten meine Gedanken zu Sasuke und ich fragte mich, wie ihr Abend wohl gewesen war. Dachte ich an ihren Bruder, vermutlich noch schlimmer als meiner, und dann kam noch ihr Vater dazu, von dem sie zwar nicht viel sagte, ich insgesamt aber kein besonders gutes Bild hatte. Ich zögerte kurz – Sasuke mochte es nicht, belagert zu werden, und wir hatten uns am letzten Tag erst gesehen und waren für den nächsten verabredet – aber dann schrieb ich ihr. » Frohe Weihnachten! Wie war dein Abend? « Ich wartete eine Weile, doch es kam keine Antwort, woraus ich schloss, dass sie bereits schlief. Gerade war ich dabei, dasselbe zu tun, als mein Handy doch noch vibrierte. » Es ist nicht mehr Weihnachten. Und es war ok. « » Ok? :O « Wieder brauchte sie etwas um zu antworten. » Vater war gestresst « » Fuck… geht´s dir gut? « » Ja. « Ich biss mir auf die Unterlippe. Sie schrieb genauso wenig wie sie sprach, aber es war offensichtlich, dass etwas nicht stimmte. Kurzerhand rief ich sie an. Es dauerte, bis sie abhob, und sie klang nicht gerade freundlich. „Was?“ „Erzähl mir, was los ist.“ „Nichts. Und es ist mitten in der Nacht, ich geh schlafen.“ „Warte!“, rief ich und tatsächlich legte sie nicht auf. „Du musst mir ja nicht sagen, was los ist… Aber du weißt, dass ich dich aufmuntern kann. Ich hör doch schon dein schallendes Gelächter. Na? Na?“ Sie gab ein leises, amüsiertes Schnauben von sich, aber das genügte mir. „Du hättest Hofnarr werden sollen.“ „Am Hofe von Königin Sasuke, der Humorlosen. Wäre super“, stimmte ich zu und kuschelte mich bequemer in die Kissen. „Hey, weißt du, was ich heute herausgefunden habe?“ Ich erzählte ihr von Isobu, um sie abzulenken, und weil ich wusste, dass sie es nie weitererzählen würde. Sasuke war keine Tratschtante, hörte mir aber geduldig zu. Dann erzählte ich ihr von meiner Familie und wie sehr mich diese angespannte Situation belastete. „Manche wollen einfach nicht. Das musst du hinnehmen“, stellte Sasuke pragmatisch fest, was mir wenig half. „Aber ich will gar kein Geld. Wenn ich von dem Erbe meine Eltern zurückholen könnte, würde ich es sofort tun. Wenn ich von allem Geld von Jiaiya auch nur einen Tag mehr mit ihm oder Tsunade erkaufen könnte, würde ich es tun.“ „Ich weiß.“ Sasukes Stimme klang belegt, als sprächen wir von ihrer Familie, und ich vermutete, dass sie gerade überlegte, ob sie dasselbe über ihren Vater und ihren Bruder sagen könnte. Verdient hätten die beiden es jedenfalls nicht. „Aber du kannst die Leute nicht ändern.“ „Vermutlich nicht.“ Wir schwiegen eine Weile gedankenverloren, in der ich mich zur Seite drehte und feststellte, wie groß und leer mein Bett war. Mir kam ein Gedanke, und bevor ich mich zurückhalten konnte, hatten Wein und Müdigkeit ihn mir über die Zunge gespült. „Ich wünschte, du wärst jetzt hier.“ Diesmal war die Stille am Hörer angespannt. Ich wusste, dass ich das nicht hätte sagen sollen, aber ich war geknickt und nicht gerne alleine in dieser Stimmung. Außerdem war es schön gewesen, neben Sasuke zu schlafen. „Naruto…“, fing sie unbehaglich an. Ich seufzte. „Schon gut… Tut mir leid. Ich wollte dir nicht zu nahe treten. Vermutlich hat Kyuubi recht…“ „Womit?“, wollte sie scharf wissen. „Er meinte, wir verbringen zu viel Zeit miteinander, um nur Freunde zu sein. Du kennst mich ja, ich kleb mich sofort an jeden, und wenn dann was zurückkommt, überinterpretiere ich das… Tut mir leid.“ Wieder schwieg sie kurz. „Nein.“ „Huh?“, machte ich verwirrt. „Er hat nicht zu entscheiden, wie viel Zeit du mit welchem deiner Freunde verbringst. Vermutlich ist er eifersüchtig.“ „Eifersüchtig?“ Ich lachte ungläubig. „Aber ist nicht schwul, er tut nur ein bisschen so vor seinen Kollegen…“ „Man kann auch auf Freunde eifersüchtig sein“, unterbrach sie. „Stimmt schon…“, gab ich zweifelnd zu. Andererseits war Eifersucht nichts Schlimmes, solange man es nicht übertrieb, und Kyuubi hatte nie etwas Schlechtes über Sasuke gesagt, nur, dass ich mir Hoffnungen machte, wo es keine gab, und auf mich aufpassen sollte. Ich beschloss, darüber wann anders nachzudenken. „Das heißt also, du verbringst gerne so viel Zeit mit mir“, kam ich auf einen Teil des Gespräches zurück, der mich sowieso viel mehr interessierte. Es war, als würde ich ihr ein schreckliches Geheimnis entlocken, so sehr sträubte sie sich, es zuzugeben. „Es ist in Ordnung“, war alles, was ich ihr schließlich entlocken konnte, aber das genügte für ein breites Grinsen. Danach unterhielten wir uns über alles Mögliche; Studium, Freunde, Reisen, Bücher, Serien, Politik… Und als ich das nächste Mal auf die Uhr sah, weil ich merkte, wie mir die Augen zufielen, war es nach vier Uhr morgens. „Hey…“, murmelte ich, nachdem wir eine Weile geschwiegen hatten. „Hm?“ Sasuke klang so verschlafen, dass ich lächeln musste. „Wir sollten ins Bett gehen.“ „Bin ich schon.“ „Und schlafen“, explizierte ich lachend. „Es war echt schön, mit dir zu quatschen.“ „Mhm.“ „Ok, jetzt lege ich auf. Schlaf gut, Sasuke.“ „Schlaf gut, Naruto“, murmelte sie, legte aber nicht auf. Ich tat dasselbe, wie einer dieser bescheuerten Teenager wartete ich, dass sie das Gespräch beenden würde. Als sie es nicht tat, grinste ich. „Schlaf nicht ein, bevor du aufgelegt hast“, riet ich, dann tat ich es wirklich selbst. Wie lächerlich verknallt ich in dieses Mädchen war. Kyuubi hatte Recht, ich sollte mich zumindest ein wenig von ihr zurückziehen. Aber das wollte ich absolut nicht. Am nächsten Tag blieb ich so lange im Bett, bis Tsunade mich für den Nachmittagskaffee bei irgendeiner ältlichen Tante aufscheuchte. Ich wurde mit allem Gebäck gemästet, das sie im Haus finden konnte. Auf dem Heimweg piekte meine Oma mich in den Weihnachtsspeck und lachte über den ´moppeligen Sportlehrer` und wir kabbelten uns, bis wir zu Hause ankamen. Meinen Freunden waren die leicht zurückgegangenen Muskeln ebenfalls aufgefallen, und Tenten nannte es ein ´Beziehungsbäuchlein`. Sie war der Meinung, ich und Sasuke führten eben eine sexlose Beziehung, aber das war Quatsch. Sasuke wollte ja nicht mal was von meinen Gefühlen für sie hören, das war ihr unangenehm. Dass sie einfach verlegen sein könnte, bedachte ich nicht mal. Jedenfalls packte ich am Abend mein Bäuchlein in ein weißes Shirt mit buntem Aufdruck, meine Beine in Jeans und machte mich auf den Weg zur Bahn. Die anderen würde ich in der Stadt treffen, wobei diese anderen, abgesehen von Sasuke und Tenten (ohne Freund), aus Kiba, Hinata (gezwungener Maßen), Sakura, Ino, und Lee bestanden. Der Rest war entweder beschäftigt, wollte an Weihnachten nicht ausgehen oder war verreißt, aber es war trotzdem ein lustiges Trüppchen, das nach und nach am Bahnhof eintrudelte. Sakura, Ino und Tenten waren schon da und jammerten, noch nichts gegessen zu haben, also änderten wir den Treffpunkt zum nahegelegenen McDonalds. Während sie aßen, erzählten sie von ihren Feiertagen. Kurz darauf tauchte auch schon unser Pärchen mit Lee auf, und ganz zum Schluss, als ich schon mit einer Absage rechnete, auch noch Sasuke. Wir mussten ein gutes Stück durch den unterirdischen Bahnhof gehen, an dessen Wänden das Klackern der Absätze der Damen laut wiederhallte. Wieder an der Oberfläche, fanden wir uns in einem Viertel voller Bürogebäude wieder, doch dieser Eindruck wurde von einem großen Gelände unterbrochen, auf dem sich zahlreiche Clubs angesiedelt hatten. Darauf befanden sich neben Diskotheken auch Bars und zwei Stripclubs. Sonst war hier an Wochenenden immer die Hölle los, doch scheinbar fühlten sich aber viele junge Leute so besinnlich wie Neji, denn heute ging es ruhig zu. Der Laden, den wir ausgesucht hatten, lag ganz am Ende einer Straße und verkündete mit einem gigantischen ´Q` an der Wand seinen Namen. Durch einen höhlenartigen Eingangsbereich gelangten wir ohne anzustehen (die Damen sogar gratis) in den Vorraum des Clubs. Hier trieben sich dann doch einige Leute herum und an der Garderobe warteten wir kurz, ehe wir unsere Mäntel abgeben konnten. Eigentlich hatte der Q-Club zwei Räume, doch aus Mangel an Gästen war nur einer geöffnet. Das Zimmer war langgezogen und durch Plattformen, auf denen niedrige Sitzbänke standen, unterschiedlich hoch. Eine Treppe führte zu einer Galerie, auf der das DJ-Pult stand. Es gab zwei Bars, eine am Ende des Raums links, eine direkt am Eingang. Diese steuerten wir jetzt an. Auf dem Weg von der Garderobe hatten wir uns irgendwie nach Geschlechtern aufgeteilt und während ich so neben Kiba stand, musterte ich Sasuke, die zwischen meinen anderen Freundinnen in ihren bunten Kleidchen auffiel wie ein Rabe zwischen Paradiesvögeln. Sie trug schwarze Stiefletten, Lederjeans und ein weites, ebenfalls schwarzes Shirt, das ihr über eine Schulter hing, sodass man den Träger ihres Sport-BHs darunter sehen konnte. „Hey, du Gaffer, hörst du eigentlich zu?“, beschwerte Kiba sich lachend. „Ja, klar. Unverschämte Kunden, schlechte Bezahlung, bekloppter Boss, ich habe alles gehört.“ „Ich habe ´meine miesen Freunde` vergessen“, nörgelte er, was ich als Aufforderung sah, ihm ein Bier auszugeben. Wir stießen mit den Mädels an, die zu Cocktails gegriffen hatten, außer natürlich Sasuke, die eine Cola in der Hand hielt. „Oho, so viel Zucker. Nicht, dass du ganz überdreht wirst“, neckte ich sie, worüber sie nur die Augen verdrehte. „An dich käme ich nicht mal mit einer Tonne Zucker ran.“ „Trotzdem würde ich gerne sehen, wie du eine Tonne Zucker verdrückst“, lachte ich und sogar Sasuke schmunzelte, ehe sie mich in den Bauch zwickte. „Daran hast du dich in letzter Zeit geübt, hm?“ Schmollend schob ich ihre Hand weg. „Das war jetzt unter die Gürtellinie.“ „Ach komm.“ „Was denn?“, schaltete Sakura sich ins Gespräch ein und musterte mich eingehend, als ich es jammernd erklärte. Natürlich zog ich dabei den Bauch ein und spannte die Schultern machohaft an. Sakura schüttelte lachend den Kopf und knuffte mich sacht gegen die Schulter. „Du brauchst doch wirklich nicht zu meckern. Sobald die Plätzchen weg sind, ist auch dieses Bäuchlein verschwunden – Wie jedes Jahr.“ „Hörst du das?“, fragte ich Sasuke, indem ich den Arm um Sakura legte. „So hört es sich an, wenn man nett ist. Kennst du dieses Wort überhaupt?“ „Nein. Ich kenne nur ´ehrlich`“, gab sie zurück und wandte sich ab, um den Tanzenden zuzusehen. Die Tanzfläche war doch recht voll und der DJ gut, sodass alle lachend sogar zu Weihnachtsklassikern wie ´All I want for Christmas` abgingen. Unsere Gruppe belegte erstmal eine der Sitzecken, für die man sonst einen Mindestbestellwert hatte, und stieß auf schöne Weihnachten und einen guten Abend an. „Was hast du zu Weihnachten bekommen?“, wollte Sakura wissen, die zwischen Lee und mir saß und an ihrem Drink nippte. „Ein paar Bücher von meinen Tanten“ – Ratgeber für alleinlebende Männer und ein Kochbuch, also lauter dezente Hinweise, auszuziehen, aber das erzählte ich Sakura nicht – „Und einen I-Tunes Gutschein und Konzertkarten von meinen Großeltern.“ Mein Blick fiel auf Sasuke, die sich eine Geschichte von Kiba geduldig anhörte und ich musste unwillkürlich grinsen. „Sasuke hat von mir ein total geniales, selbstgemachtes Buch bekommen.“ „Aha… Was für Konzerttickets denn?“, wechselte Sakura gleich wieder das Thema. „Linkin Park, für den August. Ich freu mich schon total.“ „Kann ich mir vorstellen. Wen nimmst du mit?“ „Hab noch nicht darüber nachgedacht. Sasuke, vielleicht. Aber ich weiß nicht, ob ihr auf Konzerten nicht zu viel los ist.“ „Oh. Hm, das könnte bei ihr natürlich sein“, überlegte Sakura. Gerade stromerte eine andere Gruppe junger Leute heran und belegte die Sitzecke neben unserer. Ich beachtete sie wenig, doch ganz, wie Frauen das eben so tun, musterte meine Freundin die Fremden misstrauisch. Dabei runzelte sie die Stirn und fragte voller entsetzter Abscheu: „Was ist DAS denn?“ Jetzt blickte ich doch auf und musterte die zwei Frauen unter fünf Männern, die gerade mit Shots anstießen und sich lachend schüttelten, als der Schnaps ihre Kehlen hinabrann. Zuerst konnte ich außer ein paar Luftballons, die das Alter eines Geburtstagskindes (das rothaarige Mädchen war wohl 21 geworden) verkündeten, nichts ungebührliches erkennen. Aber das hatte Sakura nicht gemeint. Zwischen den Feiernden saß wie ein weiterer Gast eine aufblasbare Sexpuppe, die immer wieder für obszöne Selfies herhalten musste. Sakura schien das nicht lustig zu finden, doch ich lachte. Als das Geburtstagskind unsere Blicke bemerkte, grinste sie verlegen und ich prostete ihr zu. „Ich wette, das waren die Kerle“, kritisierte meine Freundin neben mir missgünstig. Ich verstand wirklich nicht, wieso so viele Frauen sich gegenseitig hassten. „Ihr Kleid ist viel zu kurz“, „Wie viel Make-Up trägt die denn bitte?“, „Hat sie eigentlich irgendeinen Typ aus dem Studiengang noch nicht gevögelt?“ Scheinbar war es nicht möglich, irgendetwas an anderen weiblichen Wesen unkommentiert zu lassen. Sasuke war nicht so, und plötzlich fand ich das extrem angenehm. „Ach komm, das ist doch nur ein Scherz“, besänftigte ich Sakura. „Schau mal, die Puppe hat sogar auch rote Haare!“ „Wenn ihr das bei mir machen würdet, wäre ich sauer.“ „Es wäre auch schwer, eine Gummipuppe mit rosanen Haaren zu finden“, lachte ich, und obwohl sie mich gegen den Arm knuffte, schmunzelte sie jetzt auch. ´Single Ladies` von Beyoné wurde gespielt, und keine Sekunde später war Tenten aufgesprungen, zerrte die Mädchen auf die Beine und hopste zu Sakura und mir. Etwas zu begeistert für eine vergebene Frau forderte sie meine Sitznachbarin auf und die fünf Damen zogen auf die Tanzfläche. Amüsiert sahen wir Männer zu, wie sich die weiblichen Tanzenden fast Synchron bewegten, während ihre männlichen Pendants etwas verunsichert herumstanden. Die Männer – und Sasuke, die steif zwischen meinen Freundinnen stand und sehnsüchtige Blicke in Richtung der Sitzflächen warf, auf der wir verblieben waren. Ich grinste sie an, als unsere Blicke sich begegneten und machte es mir demonstrativ bequem. „Ich weiß nicht, wie ich es finde, wenn meine Freundin zu ´Single Ladies` tanzt“, scherzte Kiba, der Hinatas schüchterne Bewegungen liebevoll beobachtete. „Sie wurde ja von Tenten gezwungen und hatte keine Chance.“ „Na ja, Ten darf das ja.“ Verwirrt sah ich ihn an. „Wieso?“ „Hat sie dir das gar nicht erzählt?“ Kiba zögerte, als ich den Kopf schüttelte, doch dann berichtete er: „Sie und Neji machen eine Pause.“ „Oh.“ Das fand ich schade, denn die beiden passten gut zusammen. Aber da konnte man wohl nichts machen. „Wir sollten zu den Damen auf die Tanzfläche!“, verkündete Lee, sobald die ersten fremden Männer sich ihnen näherten. Sakura tanzte bereits mit einem Typ im Anzug und Ino flirtete mit seinem Kumpel, während Sasuke den dritten ignorierte. Dieser kam schnell über den Korb hinweg und wandte sich an Tenten. Kiba pirschte sich von hinten an seine Freundin an, umfasste ihre Hüften und zog sie an sich, um ihren Nacken zu küssen. Wie ein erschrockener Hase sprang Hinata weg und stammelte: „I-Ich habe einen Freu… Oh… Oh, Kiba..:!“, beschwerte sie sich mit sanfter Empörung, als sie ihren Freund lachen sah. Dieser zog sie zu sich und diesmal schmiegte sie sich an seine Brust, obwohl ich sie erröten sah, als er die Hände auf ihren Hintern legte. Kurz sah ich den beiden beim Turteln zu, dann wandte ich mich stirnrunzelnd ab. Tenten kehrte gerade mit einem neuen Glas von der Bar zurück und plauderte mit Lee, wobei sie die Hüften bewegte, die in engen Jeans steckten. Unter dem rosanen, bauchfreien Top sah man ihr angedeutetes Sixpack, auf das sie sehr stolz war, aber leider sah ich in ihren Augen auch, wie unglücklich sie war. Ich hoffte sehr, das mit Neji und ihr würde sich wieder einrenken. Ich merkte, wie Sasuke von der Tanzfläche flüchten wollte, schnappte aber nach ihrer Hand und hielt sie zurück. „Ah, ah, ah, du hattest versprochen, mit mir zu feiern, nicht, in einer Ecke zu sitzen“, erinnerte ich sie, indem ich nach ihrer zweiten Hand griff und sie austestend zur Musik vor und zurück bewegte. Erschöpft seufzend entzog sie sich mir und verschränkte die Arme. „Ich hatte gesagt, ich würde kommen. Von tanzen war nicht die Rede.“ „Aber das macht man in einem Club eben“, belehrte ich sie und warf die Hände in die Luft, als irgendein Rapper das verlangte. Sasuke sah mir schmunzelnd beim Tanzen zu, wippte selbst allerdings nicht mal mit dem Fuß. „Dazu brauchst du mich offensichtlich nicht. Tu dir keinen Zwang an.“ Ich näherte mich ihr mit dem Hintern voran und wackelte damit vor ihr herum, obwohl sie zurückwich. Schließlich schubste sie mich mit leisem Lachen von sich und schüttelte den Kopf. „Idiot.“ „So charmant“, seufzte ich, doch gleichzeitig hielt ich Sasuke wieder die Hand hin. „Komm schon. Für mich.“ Zögernd löste sie die Arme, ohne jedoch meine Hand zu nehmen. „Ich kann nicht tanzen.“ „Glatt gelogen“, stellte ich fest und ergriff ihre Finger. Sie kam wieder näher, stand jedoch recht steif da, als ich zu tanzen begann. „Ich weiß, dass du Tanzkurse gemacht hast.“ „Standardtanz“, erklärte sie, als wäre das ein Hinderungsrund. Doch als ich anfing, Foxtrott zu führen, gab sie nach und folgte meiner Bewegung. Ein wenig überrascht sah sie mich an. „Du kannst das?“ Ich zuckte die Schultern. „Gehört in die Sportausbildung. Außerdem hatte ich drei Abschlussbälle, wenn du dich erinnerst; Haupt- und Realschule und Gymnasium, und für jede Schule ein Tanzkurs.“ Besonders gut war ich trotzdem nicht, und Sasuke war ziemlich steif. Wir lachten während wir überlegten, welcher Tanz zu welchem Lied passte und die meisten Leute sahen uns ziemlich schräg an, aber mir war das egal. Meine Freunde, die inzwischen alle einiges an Alkohol intus hatten, stichelten ein wenig, doch dann sah ich, wie Kiba von Hinata Tanzschritte beigebracht bekam und wie Lee Tenten aufforderte. Die beiden redeten schon den ganzen Abend, unterbrochen nur von den Besuchen meiner Kommilitonin an der Bar. Inzwischen war sie ziemlich betrunken und sie stolperte ab und zu und grinste mich viel zu breit an, als sie meinen besorgten Blick bemerkte. Kommentarlos tätschelte sie ihrem Tanzpartner die Schultern und ließ ihn stehen, um zu mir zu kommen. Sasuke löste sich von mir, sodass Tenten die Hand auf meine Brust legen und sich anlehnen konnte. „Naruto~ Hast du Spaß?!“, fragte sie lallend, während sie über mein Shirt strich. „Ja, klar. Du auch, wie ich sehe.“ Sie schlug mir gegen die Brust. „Jetzt spiel nich den Anstandswauwau. Ich darf ja wohl tun und trinken, was ich will. Du bist nicht mein Papa.“ Ich hatte das Gefühl, als sprächen wir nicht von mir, weshalb ich Sasuke einen fragenden Blick zuwarf. Die zuckte aber nur die Schultern und sah weg. „Ähm… Nö, bin ich nicht. Aber Lee ist nicht dein Freund… Und auch nicht dein Trostpflaster“, mahnte ich sanft. Tentens Augen weiteten sich, bevor sie feucht von Tränen wurden. „Das wollte ich gar nich“, jammerte sie plötzlich und schmiegte sich an mich. Lee beobachtete recht skeptisch, wie sie mein Shirt nass weinte. „Weiß ich doch“, beruhigte ich sie und sah erneut zu Sasuke, die ihre Arme verschränkt hatte und mindestens genauso unerfreut wirkte wie Lee. „Komm, ich besorg dir was zu trinken.“ „Tequila“, rief Tenten, plötzlich wieder fröhlich, und lief in Richtung Bar davon. „Wasser!“, korrigierte ich und zuckte die Schultern an Sasuke gewandt, ehe ich der Betrunkenen folgte. Meine Tanzpartnerin nutzte die Gelegenheit, um sich zur Sitzecke zurückzuziehen. Ich besorgte Tenten ein unalkoholisches Getränk für das der Barkeeper so lange brauchte, als hätte ich den exotischsten Cocktail bestellt. Leicht genervt bezahlte ich den Mann und bestellte gleich noch eine Cola als ich sah, wie zusammengesunken Tenten neben mir auf dem Barhocker kauerte. Das konnte ja heiter werden, dachte ich und legte zur Sicherheit die Hand auf ihren Rücken, nicht, dass sie noch vom Stuhl kippte. „Hi, ähm, darf ich mal?“, fragte eine Stimme neben mir und ich machte dem rothaarigen Geburtstagskind von vorhin Platz. Sie lächelte mit Lippen, die in demselben dunklen Bordeaux bemalt waren in dem sie auch ihr Haar gefärbt hatte. „Danke.“ „Kein Problem. Du hast Geburtstag, oder?“ Ich deutete auf das Plastikkrönchen auf ihrem Kopf, das sie grinsend zu Recht schob als sie nickte. „Alles Gute.“ „Danke.“ „Kriegst du immer so niveauvolle Geschenke?“, fragte ich, denn die Gummipuppe geisterte als Tanzpartnerin durch den Club, beliebter als jede Frau aus Fleisch und Blut. Das Geburtstagskind lachte und wollte ihren Cocktail bezahlen, aber ich übernahm das als Geschenk. Sie bedankte sich und antwortete: „Kann man so sagen. Letztes Jahr war es ein Vibrator.“ „Mit dem kannst du wenigstens was anfangen“, stellte ich amüsiert fest, denn der Puppe fehlte da ja die wichtigste Komponente. „Oh, mein letzter Freund war auch nicht abgeneigt.“ Ihre Augen glitzerten frech und sie legte die Hand auf meine.“ „Da bin ich sicher.“ Ich trat einen Schritt näher, doch da schlangen sich zwei Arme um meinen Hals und zogen mich so fest zurück, dass ich kurz keine Luft bekam. Der Barhocker, auf dem Tenten saß, schwankte gefährlich, als sie mich praktisch in ihren Schoß zog. „Nicht flirten, du Idiot. Sasuke wird ganz eifersüchtig“, lallte meine Kommilitonin vorwurfsvoll. Die Rothaarige folgte meinem Blick zu Sasuke, die auf der Couch saß und in ihr Handy stierte. "Deine Freundin?“, fragte sie, wobei sie nicht eifersüchtig wirkte. „Eine Freundin“, korrigierte ich und löste mich von Tenten, die ihre zweite Cola bereits geleert hatte. Ich wollte noch eine bestellen, aber sie jammerte, dass sie eine Zigarette wolle. „Ok… Kommst du mit?“, fragte ich das Geburtstagskind. „Nichtraucher“, sagte sie auf sich deutend, aber sie schien nicht verärgert als sie mir die Hand gab. „Hat mich gefreut…?“ „Naruto.“ „Leyla.“ Wir schüttelten uns die Hand, dann zog sie sich zu ihren Freunden zurück. Ich dagegen folgte Tenten durch den Eingangsbereich nach draußen, wo sie von ein paar Typen Zigaretten schnorrte. In Gedanken war ich eher bei Leyla. Sie war klein, schmal und hatte sich wohl vorgenommen, alle Klischees über Rothaarige zu erfüllen. Ich hatte schon ewig keinen Sex mehr gehabt und zog diesen in Beziehungen vor, aber die Kleine war echt scharf (auf mich) und kennenlernen konnte man sich anschließend ja immer noch. Das Problem war tatsächlich Sasuke. Inzwischen hatte ich zwar die Hoffnung aufgegeben, dass zwischen uns je etwas laufen würde, und ich sah sie als Freundin. Ich glaubte auch nicht wie Tenten, sie wäre eifersüchtig oder dergleichen, würde ich eine andere Frau mit nach Hause nehmen. Aber vor ihr mit einer anderen zu flirten wäre trotzdem ein komisches Gefühl. Ich war so sehr in Gedanken, dass ich erst merkte, dass Tenten sich übergab, als andere Gäste angeekelt von ihr zurückwichen. Zum Glück hatte sie einen Zopf geflochten, sodass nichts in ihren Haaren landete, trotzdem legte ich ihr besorgt die Hand auf die Schulter und stützte sie, als sie sich wieder aufrichtete. „Ach, Scheiße…“, murmelte sie, sich wankend an mich lehnend. „Du sagst es“, lachte ich und streichelte ihr mitfühlend über den Kopf. „Was ist denn los?“ „Neji ist ein Idiot… Und ich vermisse ihn trotzdem. Warum bin ich so blöd, Naruto?“ „Du bist nicht blöd.“ Ich führte sie zu einer Bank auf die sie sich fallen ließ. Während ich die besorgten Mails unserer Freunde beantwortete, die wissen wollten, wo wir waren, zündete Tenten ihre Zigarette an. „Willst du mir sagen, was passiert ist?“ „Er ist mit seinem Job und seinem Studium verheiratet, und immer, wenn ich mehr Zeit für uns will, blockt er ab“, erzählte sie bereitwillig und lehnte sich an meine Schulter, als ich mich neben sie setzte. „Letztens hab ich ihn gefragt, wie er sich das in Zukunft vorstellt, und er konnte nichts dazu sagen. Aber das ist mir zu wenig… Verlange ich zu viel?“, fragte sie verzweifelt. „Na ja… Als Anwalt wird er immer viel zu tun haben. Im Moment arbeitet er bei seinem Onkel, studiert, hat familiäre Pflichten und dich. Außerdem macht er Kendo und ist in der Studentenschaft tätig. Ich bin sicher, er tut sein Bestes, alles unter einen Hut zu bekommen, aber sein Tag hat halt auch nur 24 Stunden“, überlegte ich laut. Ich war kein Fan davon, leere Floskeln um mich zu werfen oder über andere zu lästern, wenn man mich um Hilfe bat. Das half niemanden und wenn man mit Außenstehenden sprach, bekam man manchmal vielleicht eine neue Perspektive auf das Problem. Tenten legte die Arme um sich selbst und den Kopf gegen die Wand hinter uns. Wir saßen in der Nähe des Eingangs zum Club, direkt vor dem großen ´Q`. Die Lichter im Raucherbereich, in dem einige Heizpilze für leidliche Wärme sorgten, waren so hell, dass man die Sterne über den Häusern nicht sehen konnte. „Er könnte aber ruhig ein paar mehr von diesen 24 Stunden für uns aufwenden“, mümmelte Tenten, noch immer unzufrieden, aber lang nicht mehr so aufgelöst wie eben. Ob es an der Zigarette oder meinen Worten lag, konnte ich nicht sagen. „Ich kenne ihn natürlich nicht so gut wie du, aber wenn er das könnte, würde er es glaube ich tun. Neji ist doch niemand, der eine Beziehung führt, nur um eine zu haben. Er wird sich gut überlegt haben, ob er mit dir zusammen sein will.“ Tenten verzog das Gesicht. „Sechs Monate hat er überlegt, ja.“ „Tja, dann würde ich sagen, dass er diese Beziehung auch wirklich will. Also musst du dich entscheiden, ob dir das so reicht oder nicht.“ Sie machte ein unwilliges Geräusch, sagte aber nichts, während sie fertig rauchte. „Ich will ihn sehen“, verkündete sie dann. Ich zog die Brauen hoch. „Sicher?“ „... Ja.“ Nach kurzem Zögern nahm sie ihr Handy und wählte ohne auch nur ein Mal zu Stocken die Nummer ihres Freundes, was bei ihrem Alkoholpegel schon beeindruckend war. Ich tat mein Bestes, das folgende Gespräch nicht anzuhören. Als Tenten fertig war, wirkte sie ein wenig nervös und zupfte an ihrem Top. „Er holt mich.“ Ich lächelte und nickte zum Haus. „Warten wir drinnen?“ Sie hakte sich bei mir unter und flüsterte auf dem Weg in den Club: „Danke…“ Inzwischen knutschte Ino mit ihrer Eroberung während Kiba Lee anfeuerte, der die sichtlich verlegene Hinata über die Tanzfläche wirbelte wie die Typen bei Beyblade ihre Kreisel. Amüsiert sah ich zu, solange Tenten sich an der Bar eine weitere Cola besorgte. Vermutlich wollte sie möglichst nüchtern sein, bis ihr strenger Freund sie abholte. Gemeinsam kehrten wir zurück zu unserer Sitzecke, in der nur noch Sakura und Sasuke saßen. Die jungen Frauen unterhielten sich (Beziehungsweise erzählte die Medizinstudentin, während die angehende Chemikerin zuhörte), verstummten aber, als wir uns näherten. „Was lästert ihr?“, fragte ich und setzte mich neben Sasuke. „Nichts.“ Sakuras Antwort kam zu schnell um glaubwürdig zu sein, aber ich grinste nur. Sie sah mich böse an und wandte sich lieber an Tenten. „Alles ok?“ „Jaa… Neji holt mich. Tschuldigung wegen dem Stress.“ „Kein Problem.“ Scheinbar hatte sich die Nachricht von der Auszeit der beiden schon herumgesprochen, denn Sakura sah Tenten skeptisch an, doch dann versuchte sie nur, die Freundin zum Bleiben zu überreden. Diese war jedoch überzeugt und stand eine Weile später auf, als ihr Taxiservice seine Ankunft mitteilte. „Ich bring dich raus“, beschloss ich und auch Sasuke erhob sich. „Frische Luft“, erklärte sie, als ich sie fragend ansah. Ich grinste. „Die findest du hier nicht. Wir sind in einem Industriegebiet, schon vergessen?“ Trotzdem kam sie mit und hielt mit uns nach Neji Ausschau, der kurze Zeit später am Torhäuschen vorbeikam, das den Lieferantenzugang bewachte. Der Mann darin sah nicht mal auf, als Tenten auf ihren Freund zulief, die Arme um seinen Hals warf und ihn dramatisch küsste. Der Jurastudent runzelte leicht die Stirn als er wieder frei war. „Du hast geraucht“, stellte er missbilligend fest, wobei er jedoch zuließ, dass seine Freundin seine Jacke aufknöpfte und die Arme darunter schob. „Aber nur eine! Sag´s ihm, Naruto“, befahl Tenten. Ihre Ausnüchterungsversuche hatten wohl nicht viel gebracht. Ich nickte zustimmend. „Sie war vorbildlich.“ Das sah Neji wohl nicht so, aber er legte den Arm um seine Lieblingsrebellin. „Ich verstehe. Danke, dass ihr sie rausgebracht habt. Euch weiterhin viel Spaß.“ „Euch auch“, grinste ich und sah zu, wie das Paar in Richtung der Parkplätze davon wankte. Tenten wollte ihren Freund ständig küssen, deshalb brauchten sie eine Ewigkeit, bis sie um die nächste Ecke waren. „Das war ja süß“, stellte ich auf dem Rückweg lachend fest. „Morgen wird ihr das eher peinlich sein“, erwiderte Sasuke gewohnt nüchtern. „Tja, selber schuld. Ich hoffe nur, die beiden können das miteinander klären.“ „Ich glaube, die zwei ´klären` heute noch so einiges“, meinte Sasuke und ich sah sie überrascht an. „Was hast du denn genommen?“, fragte ich, denn sonst machte sie nie versaute Witze. In der Hinsicht war sie ziemlich verklemmt, aber ihr schwarzer Humor wog das auf. Sie zuckte die Schultern und trat zurück in den inzwischen schon fast überfüllten Clubraum. Ich schlug die Richtung der Sitzecke ein, doch meine Begleitung hatte unsere Freunde auf der Tanzfläche entdeckt und ging zu ihnen. Verblüfft tanzte ich ihr hinterher und nickte den anderen zu als wir sie erreichten, doch meine Aufmerksamkeit lag eher auf Sasuke, die sogar ein wenig mit dem Fuß wippte, während sie sich von Sakura zuschwatzen ließ. Mir kam das Glas in den Sinn, das sie vorhin in der Hand gehalten hatte. War es vielleicht nicht nur mit Cola gefüllt gewesen? Denn Sasukes verschränkte Arme sahen zwar nicht gerade locker aus, aber für sie war das gelegentliche Lächeln und das Zucken ihres Fußes wohl das höchste Maß an Entspannung, das ich je gesehen hatte. Ich erklärte Lee, dass Neji Tenten abgeholt hatte. Der sagte zwar, wie gut eine Aussprache den beiden täte, aber ich vermutete, dass er doch enttäuscht war, was ich verstand, so, wie sie ihn angegraben hatte. Sakura nahm meine Hand und zog mich zu sich, um mit mir zu tanzen. Dabei schlang sie die Arme um meinen Hals und sagte: „Du bist echt der einzige Typ, mit dem man richtig tanzen kann!“ Ich grinste und ließ sie eine Drehung machen. Natürlich wusste ich das, denn meine Geschlechtsgenossen neigten zu ähnlich ekstatischen Tanzeinlagen wie Sasuke. Die meisten Mädels standen aber eher auf Selbstbewusstsein, und daran mangelte es mir nicht. Außerdem grabschte ich nicht einfach so an ihre Ärsche, was sicherlich an Tsunades strenger Erziehung lag. „Ich freue mich echt schon auf die Hütte“, rief Sakura mir ins Ohr. „Hm“, machte ich abgelenkt. Mein Blick lag auf Sasuke, die uns beobachtete, aber wie immer nicht erkennen ließ, was sie dachte. Meine Tanzpartnerin bemerkte natürlich meine Abgelenktheit und folgte meinem Blick, obwohl ich schnell wieder zu ihr sah. Sakura presste die Lippen aufeinander, dann schnappte sie sich Ino und verkündete, zur Toilette zu müssen. Kurz sah ich ihnen verwirrt nach, bis sie in der Menge verschwanden, dann ging ich zu Sasuke, die mich stirnrunzelnd ansah. „Schlau bist du wirklich nicht…“, bemerkte sie, schüttelte aber nur den Kopf als ich fragte, wie sie jetzt darauf kam. „Wenn du das nicht selbst merkst, kann man dir nicht helfen.“ Obwohl ich wusste, dass sie sowieso nichts sagen würde, drang ich noch weiter auf sie ein, wobei ich näher zu ihr trat und die Hand in ihre Taille legte. Sie schob sie nicht weg und brachte ihren Kopf nah an meinem, um über den Lärm hinweg mit mir reden zu können. Dabei bemerkte ich, dass ich Recht gehabt hatte; ihr Atem roch nach Alkohol. „Ich dachte, du trinkst nicht?“, kommentierte ich amüsiert. Sasuke trat wieder von mir weg und sah ein paar Mädchen zu, die sich halb tanzend, halb schupsend einen Weg zur Bar bahnten. Das Licht flackerte bunt über ihr Gesicht, als sie die Schultern zuckte. „Sonst erträgt man das hier nicht.“ Lachend kam ich ihr wieder näher, legte die Hände auf ihre Hüfte und bewegte diese sacht hin und her. „Eine andere Möglichkeit wäre tanzen.“ „Etwa so?“, fragte sie und deutete auf Sakura und Ino, die gerade zurückkehrten und Händchen haltend auf und ab hopsten. „Ein bisschen Hüftwackeln reicht schon“, beruhigte ich und machte es ihr vor. Ich war überrascht, dass sie sich tatsächlich meinen Bewegungen anpasste. Nachdem sie überhaupt nicht hatte herkommen wollen, hatte ich eher damit gerechnet, dass sie sich ebenfalls von Neji nach Hause bringen lassen würde, wo sich diese Gelegenheit geboten hatte. Aber stattdessen stand sie eng bei mir und ließ es zu, dass ich sanft die Hände über ihre nackten Arme gleiten ließ und mir diese um den Hals legte. Sogar in diesem stickigen Clubraum war Sasukes Haut kühl und sie war so blass, dass sie jede Farbe der Scheinwerfer anzunehmen schien. „So schlimm ist es hier doch gar nicht, oder?“, fragte ich dicht an ihrem Ohr, nur um etwas zu sagen. Bis dahin hatte sie auf meine Brust gestarrt oder in die Menge, aber jetzt hob sie den Blick und schüttelte langsam den Kopf. Ich schluckte leicht. Gott, ihre Augen hatten noch immer diese hypnotische Wirkung auf mich, und ich spürte ihren schmalen Körper so nah an meinem. Mir war schleierhaft, wie sie nicht wissen konnte, wie begehrenswert sie war – denn das tat sie nicht. Am liebsten hätte ich ihr gesagt, wie perfekt ihr Gesicht war, wie ihr Haar duftete, wie erotisch ihr zerbrechlicher Leib war, den ihr böses Mundwerk so herrlich kontrastierte… Doch bevor ich auch nur eine dieser Dummheiten von mir geben konnte, löste Sasuke den Blick von mir und beobachtete etwas hinter meinem Rücken. Als sie in diese Richtung nickte, sah ich ebenfalls hin und entdeckte Leyla mit den dunkelroten Haaren. Durch eben diese fuhr sie sich mit den Fingern und sah beiläufig zu mir. Als sie meinen Blick bemerkte, lächelte sie und drehte sich beim Tanzen etwas weiter in meine Richtung. „Sie ist extra hierhergekommen. Du solltest mit ihr tanzen“, riet Sasuke und nickte mir zu, als ich sie fragend ansah. Das verwirrte mich doch sehr. Gerade noch hatten wir so einen intensiven Moment, waren uns so nah gewesen, und dann schickte sie mich zu einer anderen Frau? Aber vielleicht hatte ich mir diesen Augenblick ja mal wieder bloß selbst eingebildet. Sasuke hatte schließlich mehr als ein Mal deutlich gemacht, kein romantisches Interesse an mir zu haben. Da war es nicht verwunderlich, wenn sie sich wie ein Freund verhielt und mich zu einer ´Eroberung` beglückwünschte. Also löste ich mich von ihr, grinste ihr noch mal zu und wandte mich an Leyla. Diese lächelte als ich sie begrüßte und hob ihren Cocktail, um anzustoßen, musste aber feststellen, dass ich kein Getränk hatte. Also reichte sie mir ihres und stellte sich auf die Zehenspitzen um zu sagen: „Du hast ja sowieso gezahlt!“ Ich lachte und legte die Hand in ihre Taille. „Das war ein Geschenk. Aber danke!“ „Hast du deine betrunkene Freundin sicher verstaut?“, fragte sie und zog meine Hand so, dass sie am Strohhalm ziehen konnte, während ich das Glas noch hielt. „Ihr Freund hat sie geholt.“ „Das ist ja süß… Und du bist auch süß, dich so um sie zu kümmern“, fügte sie hinzu und lächelte zu mir auf, wobei ihre braunen Augen glitzerten. Danach ging irgendwie alles ganz schnell. Wir teilten uns scherzend und flirtend ihren Drink und gingen zur Bar, um einen neuen zu holen. Dort kamen wir aber nie an, denn Leyla schlang mitten auf der Tanzfläche die Arme um meinen Hals und fing an, sich zu einem Lied zu bewegen. Ihre üppige Oberweite drückte sich an meine Brust als ich ihr die Hand auf die Hüften legte. „Du tanzt echt gut“, rief sie mir ins Ohr, dann drehte sie das Gesicht zur Seite und lächelte mich an. Ihr Blick forderte mich stumm auf, näher zu kommen und Sekunden später öffnete sie die vollen Lippen für meine Zunge. Vielleicht hatte ich Sasuke angelogen als ich sagte, man könne auch eine ´platonische Beziehung` führen, denn das hier fühlte sich verdammt gut an. Meine Hände wanderten über Leylas Körper, der sich sanft im Takt der Musik wiegte. Ihre Bewegungen zeigten deutlich, dass sie es nicht nur beim Tanzen belassen wollte. Von meinem Haar über meine Brust glitten ihre Finger immer weiter nach unten (in dem Moment wünschte ich mir mein Sixpack besonders zurück) und strichen spielerisch über den Bund meiner Jeans. Als ich sie enger an mich drückte, löste sie sich allerdings kichernd von mir und nahm meine beiden Hände. „Wir… wollten was trinken gehen, oder?“ Ich hatte keine Ahnung wie, aber Leyla schaffte es, diesen Satz anzüglich klingen zu lassen. Gemeinsam gingen wir zur Bar, wo ich uns Stamperl und ihr noch einen Cocktail kaufte. Sie setzte sich auf einen Barhocker und zog mich zwischen ihre Beine, wo sie mir dann den Ficken aus ihrem Glas trinken ließ. Ihren eigenen trank sie, ohne den Blick von mir abzuwenden, dann zog sie mich am Shirt zu sich und küsste mich wieder. Der Kirschsaft war noch in ihrem Mund und vermischte sich mit dem Geschmack ihrer Zunge, und als ich mich löste, war mir ein wenig schwindelig von beidem. Ich sah sie ein wenig sprachlos an, was Leyla kichern ließ. „Was denn?“ „Nichts… Du bist nur echt sexy“, gab ich zu und beugte mich vor, um sie wieder zu küssen, aber sie drehte das Gesicht weg, sodass meine Lippen stattdessen ihren Hals trafen, den ich spielerisch biss. „So?“, schnurrte sie, dann lag ihre Hand auf meinem Schritt und rieb sanft auf und ab. Das war jetzt doch direkter als ich erwartet hatte, und ich sah sie perplex an. Bevor ich jedoch etwas sagen konnte, tauchte Ino aus der Menge auf. Ihr Blick lag auf Leylas Hand, die gerade noch mein bestes Stück liebkost hatte und jetzt ganz unschuldig dasselbe mit meinem Arm tat. Allerdings sagte Ino nichts dazu, sondern wandte sich direkt an mich: „Hier bist du. Hast du Sasuke gesehen?“ „Vorhin war sie noch auf der Tanzfläche. Wieso?“, fragte ich, mehr als nur ein wenig abgelenkt. Ich wollte Leylas Hand wieder da, wo sie vor Inos Ankunft gelegen hatte. Das merkte man mir wohl auch an, denn meine Freundin schnaubte ungeduldig. „Na, weil sie verschwunden ist. Sie war mit Sakura, Hinata und Kiba an der Bar, dann wollte sie aufs Klo und seitdem hat sie keiner mehr gesehen.“ Langsam erkämpfte die Blondine sich doch meine Aufmerksamkeit. „Habt ihr sie angerufen?“ „Nein, Naruto, gut, dass du darauf gekommen bist“, fuhr Ino mich sarkastisch an und verdrehte die Augen. Sie kam mir übermäßig gereizt vor dafür, dass sie nicht sonderlich gut mit Sasuke befreundet war. Wäre Sakura verschwunden hätte ich es verstanden, aber Ino und meine beste Freundin hatten nur wenig miteinander zu tun. Jetzt war aber wohl nicht der richtige Moment, sie darauf anzusprechen. „Ok, ok. Sorry. Gehen wir sie suchen.“ Ich löste mich von Leyla, sah sie aber unschlüssig an. „Kommst du mit oder…?“ „Lass mal. Aber gib mir deine Nummer. Wir können ja mal zusammen weggehen oder so.“ Erneut klang sie nicht beleidigt, einfach so stehen gelassen zu werden, sondern versuchte, mit Ino zu plaudern während ich ihre Nummer speicherte. Die Blondine blockte die Konversationsversuche allerdings ab und beobachtete ungeduldig, wie ich Leyla nochmal küsste und versprach, sie anzurufen. Dann begab ich mich mit meiner Freundin zurück zu unserer Clique. Ino und Sakura wechselten seltsame Blicke, doch keiner sagte etwas, als wir uns auf die Suche nach Sasuke machten. „Ist noch irgendwas passiert, während ich weg war?“, fragte ich Hinata, die mich etwas unschlüssig ansah. „Na-Na ja, also… Sakura-san war nicht begeistert, dass du mit diesem Mädchen weg bist…“, gestand sie so leise, dass ich es unter der Musik fast nicht verstand. Erstaunt blinzelnd sah ich sie an. „Sakura-chan? Wieso das?“ „I-ich… Ähm…. Ich glaube, das solltest du sie lieber selber fragen… T-tut mir leid, Naruto-kun…“ „Oh… Nein, schon ok“, lächelte ich, obwohl ich verwirrt war. Was hatte es mit Sakura zu tun, mit wem ich tanzte? Aber jetzt war erst mal wichtiger, Sasuke zu finden, denn obwohl wir den ganzen Club durchsucht und sie mehrmals angerufen hatten, war sie nicht aufzutreiben. Die anderen erzählten, Sasuke habe mit ihnen zusammen an der Bar gestamperlt, sei aber selbst für ihre Verhältnisse schweigsam gewesen. „Sie hat noch mehr getrunken?“, fragte verblüfft, denn ich erinnerte mich noch sehr gut daran wie sie gesagt hatte, sie würde nie trinken. Das wurde ja immer besser; sie war nicht nur verschwunden, sondern wahrscheinlich auch noch betrunken. Ich sah schon vor mir, wie Itachi ausrastete und ihr Vater eine einstweilige Verfügung gegen mich erwirkte, weil ich seine kostbare Tochter verloren hatte. Wenn ich mir die Situation so ansah, wäre das vielleicht sogar besser für Sasuke. Nachdem wir den Clubraum durchsucht hatten, beschlossen Ino und Sakura, nochmal auf den Damentoiletten nachzusehen, und während ich mit Kiba und Hinata den Raucherbereich überprüfte, wollte Lee andere Partygäste nach unserem verlorenen Schaf befragen. Draußen war Sasuke auch nicht, und langsam verzweifelte ich. „Ich ruf sie jetzt noch ein Mal an und wenn sie dann nicht hingeht, benachrichtige ich die Polizei“, erklärte ich meinen Freunden, die sich besorgte Blicke zuwarfen, aber zustimmend nickten. Eigentlich hatte ich schon nicht mehr damit gerechnet, noch eine Antwort zu bekommen, aber endlich hob Sasuke ab. „Ja?“ „Sas! Mein Gott, endlich! Wo bist du? Was machst du? Wir suchen dich schon überall!“, rief ich erleichtert. Auch Hinata und Kiba fiel merklich ein Stein vom Herzen und sie kontaktierten den Rest unserer Clique, dass die Suche beendet war. „Tust du das?“, fragte Sasuke giftig. „Was meinst du? Natürlich suchen wir dich. Die anderen sagen, du wärst einfach verschwunden. Wo bist du?“, wiederholte ich meine Frage, aber sie hörte mich scheinbar nicht. „Die anderen“, äffte sie mich nach. Vielleicht bildete ich es mir nur ein, aber unter ihrem Spott klang sie verletzt. Ich verstand wirklich nicht, was heute mit den Frauen los war, und rieb mir den Nacken. „Sagst du mir jetzt, wo du bist?“ „Nein.“ Und damit legte sie auf. „Was zur Hölle?“, fluchte ich und wählte sofort wieder ihre Nummer. „Mach das nicht nochmal“, zischte ich stinksauer, als Sasuke abhob. Alle machten sich Sorgen um sie, und sie benahm sich wie ein störrisches Kleinkind! „Du hast mir nichts zu sagen“, murrte wie, wobei sie jedoch seltsam kleinlaut klang. Auflegen tat sie jedenfalls nicht mehr. „Was ist denn los?“, wollte ich wissen, da ich einsah, dass es keinen Sinn hatte, mit einer Betrunkenen zu streiten. Außerdem wollte ich das auch gar nicht. Ich wollte sie einfach nach Hause bringen und in Sicherheit wissen. „Ist diese Tussi noch bei dir?“ „Tussi?“, fragte ich verwirrt, bevor mir ein Licht aufging. „Leyla? Die Rothaarige?“ Kurz war es still (Ich vermutetet, dass Sasuke nickte), dann sagte sie leise: „Ja.“ „Nein, die ist weg. Wieso…? Ach, ist jetzt egal. Sag mir, wo du bist, dann hol ich dich.“ „Am Bahnhof.“ „Bist du schon in einer Bahn?“ „Nein.“ „Steig auch nicht ein, ok? Ich bring dich heim. Warte am Fahrkartenautomaten, ich bin in zehn Minuten da. Aber nicht einsteigen.“ „Ich will nicht heim, Naruto“, hauchte sie leise. Mir zog sich das Herz zusammen, als ich daran dachte, wie wütend ihr Bruder gewesen war, als sie zum ersten Mal bei mir übernachtet hatte. Ich sah wieder das Make-up auf ihrem Gesicht, als wir uns das nächste Mal gesehen hatten, und plötzlich fragte ich mich, was sie damit hatte verstecken wollen. ´Nur` ihre Angst vor Itachi oder noch mehr? „Du kannst bei mir schlafen. Warte einfach kurz, ich bin sofort bei dir.“ „Ok“, flüsterte sie so zaghaft, dass ich am liebsten gar nicht aufgelegt hätte. Dann tat ich es doch, um mich bei meinen Freunden zu verabschieden und ihnen die Situation zu erklären. Unser Pärchen wartete auf die anderen, doch ich lief direkt los, nachdem ich meine Jacke geholt hatte. Der Weg führte mich vorbei an anderen Clubs und an dem Torhäuschen, neben dem ich vorhin mit Tenten auf Neji gewartet hatte. Jetzt zog ich etwa auf derselben Höhe das Handy wieder aus der Hosentasche und rief doch Sasuke an. Ihre Stimme hatte mir Angst eingejagt, denn so kannte ich sie nicht. Sie klang schwach, und Sasuke war doch eine Kriegerin. Sie hatte mich auf einen schrecklichen Verdacht gebracht, und vielleicht zum ersten Mal in meinem Leben wollte ich nicht Recht haben. „Naruto?“ „Hey, ich hab mir Sorgen gemacht. Bist du noch am Bahnhof?“, fragte ich, während ich über eine nächtlich leere Straße lief. Sie schnaubte leise. „Ich habe dich vorhin gehört, Naruto…“ „Kann sein, aber du bist betrunken.“ Ich hörte das Rauschen eines Zuges in der Leitung und ein nahes Lachen, also war sie wirklich noch am Bahnhof. „Ich bin nicht betrunken.“ „Warum benimmst du dich dann so?“, fragte ich grinsend. Jetzt betrat ich selbst das Bahnhofsgelände. Dafür lief ich eine Treppe runter und einen langen, schmutzig-weiß gefliesten Flur entlang, von dem aus diverse Treppen zu den Bahnsteigen führten. Ein kurzer Orientierungsblick, dann fand ich Sasukes Gleis und ging nach oben. „Ich bin am Bahnhof. Wo bist du?“, wollte ich wissen, sah mich um und erblickte sie am Rand der Plattform. Viel zu nah am Rand. Sofort lief ich zu ihr, zog sie etwas zurück und musterte besorgt ihr Gesicht. Sie hatte keine Schminke getragen, aber ich sah, dass ihre Augen gerötet waren. „Du hast ja geweint“, stellte ich fest. Entsetzen fraß sich wie eine Säure durch meine Eingeweide, und ich umfasste Sasukes Wangen mit beiden Händen. „Was ist passiert? Hat dich jemand angefasst? Ich bring ihn um, ich schwöre dir…“ „Nein, alles ok“, unterbrach sie meine Hasstirade. „Bring mich einfach nur nach Hause.“ Und sie meinte nicht das Haus ihres Vaters. Ohne darüber nachzudenken, legte ich die Arme um sie und zog sie an mich. Ich spürte, wie sich ihre Muskeln verhärteten, aber sie löste sich nicht von mir. Für mich war das ein weiteres Zeichen dafür, wie schlecht es ihr ging, also drückte ich sie eng an mich. Zögernd hob sie die Hand und legte sie auf meinen Rücken, wo sie sich in meiner Jacke verkrallte. Natürlich machte ich mir Sorgen und wollte wissen, was passiert war, aber in dieser Stimmung würde ich kein Wort aus Sasuke herausbekommen, das wusste ich. Es war schon erstaunlich, dass sie sich in den Arm nehmen und trösten ließ. Sonst verabscheute sie es, Zuspruch zu brauchen; sie hielt das für eine Schwäche. Unsere Bahn fuhr ein und ich strich ihr nochmal durchs Haar, bevor ich mich von ihr löste um einzusteigen. Wir suchten uns einen Platz in der Zug Mitte, Sasuke am Fenster, ich am Gang. Während sie so in die Nacht starrte, überlegte ich, was sie derart aufgewühlt haben könnte. Ich war mir sicher, dass ihre Reaktion vom Alkohol verstärkt worden war, trotzdem konnte ich mir einfach nicht vorstellen, was die selbstsichere, beherrschte Sasuke so reagieren lassen sollte. Ich hatte sie erst ein Mal so gesehen, an dem Morgen, als sie bei mir übernachtet und ihr Bruder angerufen hatte. Ihr Blick traf meinen in der Spiegelung des Fensters und sie lehnte sich zurück, bis ihr Rücken an meiner Seite ruhte. Verblüfft von diesem freiwilligen Körperkontakt legte ich den Arm um ihre Schulter. „Hat dein Vater angerufen?“, versuchte ich erneut, herauszufinden, was passiert war. „Oder Itachi?“ Sasuke schüttelte den Kopf. „Ich will nur heim.“ Ich nickte, hin und her gerissen zwischen der Freude, dass sie mein Haus ihr zu Hause nannte, und der Tatsache, dass sie nichts von sich preisgab. Ich hatte gedacht, inzwischen wäre es besser geworden mit ihrer Geheimniskrämerei, aber wenn wirklich etwas nicht in Ordnung war, fraß sie es nach wie vor lieber in sich hinein. Über die Universität, ihre Arbeit, ihre Hobbys und dergleichen redete sie inzwischen recht bereitwillig, deshalb vergaß ich manchmal, wie wenig ich über die wichtigen Dinge im Leben meiner besten Freundin wusste. Die Hälfte dessen, was ich über ihre Familie wusste, hatte ich mir zusammengereimt, ihre persönlichen Wünsche hielt sie geheim. Ich vermutete sogar, dass sie sich dafür schämte, überhaupt Träume zu haben. Vielleicht war Sasukes Zurückhaltung auch normal und ich es nur nicht gewohnt. Die meisten Menschen fassten sehr schnell Vertrauen zu mir – Und bisher hatte ich noch keinen von ihnen enttäuscht. Das wollte ich auch Sasuke beweisen, aber sie gab mir ja nicht mal die Chance. Andererseits kam sie mit mir nach Hause, weil sie nicht zu ihrer Familie wollte, redete ich mir ein, als ich leise die Haustür aufsperrte. Das musste doch etwas heißen. Ich besorgte Wasser aus der Küche während Sasuke schon nach oben ging. Als ich in mein Zimmer kam war sie nicht zu sehen, aber die Balkontür war nur angelehnt. Draußen fand ich meinen Gast auf der Balustrade sitzend und auf die Straße runter blickend. „Ist dir nicht kalt?“, fragte ich, doch wieder schüttelte sie nur den Kopf. Plötzlich ärgerte mich dieses Schweigen und ich fasste sie an die Schultern, um sie zu mir zu drehen. „Verdammt, Sas, du musst mit mir reden. Du kannst dich nicht einfach hier vor deinen Problemen verstecken und erwarten, dass ich nicht nachfrage. Ich will dir doch nur helfen.“ „Wolltest du dieser… Diesem Mädchen auch ´nur helfen`?“, fragte sie giftig und schob meine Hände von sich. Ihr eigenen waren bereits eiskalt. Ich blinzelte verwirrt. „Mädchen? Ich…“ Als mir endlich aufging, wovon sie redete, stockte ich. „Leyla schon wieder? Was hast du ständig mit ihr?“ Sasuke presste die Lippen aufeinander und sah wieder weg. „Gott, manchmal treibst du mich in den Wahnsinn. Sie passt dir nicht? Ok. Hier ist ihre Nummer.“ Ich hatte mein Handy aus der Hosentasche gezogen und den neuesten Kontakt gesucht, um ihn Sasuke zu zeigen. Schweigend sah sie zu, wie ich die Daten entfernte. „Gelöscht – Zufrieden? Und jetzt tu mir den Gefallen und…“ „Du bist so ein Idiot“, murrte Sasuke. Ein Mal zu viel, denn mir reichte es jetzt. „Hör auf, das ständig zu sagen. Nur, weil du nie etwas von dir preisgibst und ich dich deshalb nicht verstehe, bin ich nicht dumm. Wie wäre es, wenn du stattdessen einfach mal sagst, was du willst?“, fragte ich giftig. „Dich“, blaffte Sasuke zurück, realisierte aber wohl noch im selben Moment, was sie gesagt hatte, und drehte das rote Gesicht weg. „Ich will nicht, dass du mit anderen Frauen flirtest. Ich will, dass du niemanden küsst. Ich will… Ich will dich“, endete sie leise, woraufhin ich sie nur verblüfft ansehen konnte. Damit hatte ich zuletzt gerechnet, immerhin hatte Sasuke doch mehr als deutlich gemacht, kein Interesse an mir zu haben. „Aber du… Wieso so plötzlich? Ich meine…“ „Idiot…“, wiederholte Sasuke leise, dann rutschte sie von der Balustrade und küsste mich einfach. In dem Moment war ich so perplex, dass ich gar nicht reagieren konnte, und schon löste sie sich wieder von mir, den Blick verlegen auf meine Brust gerichtet. „Du… Bist noch ziemlich betrunken, oder?“, fragte ich verdutzt. Sie sah zu mir auf, zuckte die Schultern. „Was würde das ändern?“ „Alles. Du willst das nicht wirklich…“ „Vielleicht bin ich nüchtern nur zu schüchtern?“, entgegnete sie kess. Ich schluckte, denn so falsch es wäre, auf Sasuke einzugehen, so verführerisch war es. Ich konnte mir nicht einreden, sie nicht zu wollen, nicht mal für eine Sekunde. Und, wurde mir ziemlich spät bewusst, sie war eifersüchtig auf Leyla gewesen. Das wäre ja wohl nicht der Fall, hätte sie nur platonische Gefühle für mich. Andererseits wäre es noch schlimmer, diese Empfindungen auszunutzen, obwohl sie nicht Herr ihrer Sinne war… „Seit wann zerdenkst du alles?“, fragte Sasuke bissig, nachdem es eine Weile in mir gearbeitet hatte. „Ich will nur nicht…“ „Naruto…“, unterbrach sie mich und legte die Arme um meinen Hals. „Können wir nicht einfach… Nicht reden?“ Erneut schluckte ich, bevor ich nickte. Wir sahen uns gegenseitig kurz an, beide nicht sicher, was jetzt kommen würde. Mein Herz schlug mir im Hals wie bei meinem ersten Kuss, aber irgendwie schämte ich mich nicht mal dafür. Immerhin… Immerhin war das hier Sasuke. Langsam beugte ich mich vor und küsste sie. Zuerst waren ihre Lippen so eisig wie die Luft um uns, aber sie wärmten schnell auf, genauso, wie sie sich schnell ans Küssen gewöhnte. Meine Hände lagen auf der Balustrade, und vorsichtig wagte ich, sie in Sasukes Taille zu legen. Sie zog sich nicht zurück, das war gut. Liebevoll streichelte ich sie mit dem Daumen, während ich austestend an ihrer Lippe saugte. Überrascht wich sie zurück, bis ihr Rücken an die Brüstung stieß. Sofort zog ich die Hände zurück und hob sie. „Sorry. Zu viel…?“, fragte ich verlegen. Sasuke strich sich eine Strähne aus den Augen. „Nein, ich… Ich war nur überrascht.“ „Du brauchst keine Angst vor mir zu haben, Sas.“ Sie wollte protestieren, verstummte aber, als ich ihr zärtlich über die Wange streichelte. „Ich würde nie etwas tun, das du nicht willst. Ich würde dir nie wehtun.“ Sie schluckte, sah kurz auf meine Brust, ehe sie nickte: „Ich weiß…“ „Warum hast du solche Angst?“, wollte ich wissen, doch sie schüttelte den Kopf und strich mir durchs Haar. „Nicht jetzt. Wollen wir nicht nicht reden?“, erwiderte Sasuke mit Augen, die aus ihrer Schwärze heraus zu leuchten schienen. Trotz aller Sorgen und Bedenken musste ich lachen, sowohl überrascht als auch beeindruckt von dieser Frau, diesem wandelnden Gegenpol zwischen Arroganz und Unsicherheit. Ich wollte etwas sagen, doch als ich die Hand auf Sasukes Wange legte, merkte ich, dass diese eiskalt war. „Wir gehen rein“, beschloss ich und hielt ihr auffordernd die Hand hin. Als sie zögerte, grinste ich schief. „Da können wir so viel ´nicht reden` wie du willst.“ Sie verdrehte die Augen, murmelte: „Idiot“, ergriff aber trotzdem meine Hand. Gemeinsam gingen wir in mein Zimmer, wo ich mich aufs Bett setzte und zu ihr aufsah. „Und jetzt?“, fragte sie leise, noch immer vor mir stehend. Ich küsste ihre Finger und legte sie mir auf die Wange. „Jetzt machen wir, was auch immer du willst.“ Sasuke sagte dazu natürlich nichts. Das überraschte mich nicht, sagte sie doch nie, was sie sich wünschte, sondern nur, was sie eben nicht wollte. Statt sich mit Worten aufzuhalten, ließ sie die Hand von meiner Wange nach vorne gleiten und berührte meine Lippen. Ich küsste ihren Daumen spielerisch. Wie hypnotisiert wanderte ihr Blick von meinen Lippen zu meinen Augen, wobei ihre Brust sich unter schwerem Atem rasch hob und senkte. „Sas…“, murmelte ich und griff nach ihrer Hüfte. Diesmal erschrak sie nicht, ließ sich widerstandslos auf meinen Schoß ziehen. Meine Hände glitten über ihre Hüften, ihre durch mein Haar, und dann fanden unsere Münder zueinander. Mir wurde die Luft knapp, aber ich wollte mehr, alles von ihr, denn ich fürchtete, im nächsten Moment aus diesem Traum aufzuwachen. Irgendwo wusste ich, dass sie betrunken war und ich das nicht hätte tun sollen, dass ich viel mehr Fragen hätte stellen sollen, aber mir fiel keine einzige ein. Alles, woran ich dachte, war die Tatsache, dass Sasuke Uchiha auf meinem Schoß saß und die Finger in mein Haar krallte wie an den letzten Grashalm, den sie zu fassen bekommen konnte. Als wir uns voneinander lösten, waren ihre Wangen gerötet und ihr Atem ging genauso flach wie meiner. „Wer hat dir alten Jungfrau beigebracht, sexy zu sein?“, fragte ich halb belustigt, halb beeindruckt. „Naturgegeben“, erwiderte sie arrogant, wofür ich sie an der Hüfte packte, mich mit ihr umdrehte und ihre Hände mit meinen auf der Matratze fixierte. „Die Angeberei ist dir naturgegeben“, grinste ich, wobei ich mich über sie beugte und spielerisch ihre Nase küsste. Sie krauste diese und zog leicht an ihren ´gefangenen` Händen, als ich mich von ihrer Wange zu ihrem Hals küsste. „Ich mag es, wenn du so prahlst“, gestand ich leise und küsste die Stelle unter ihrem Ohr. Sasuke erschauderte, also küsste ich sie dort nochmal. „Ich mag es, wenn du verlegen wirst.“ Zärtlich knabberte ich an ihrem Ohrläppchen, ehe ich ihre Wange küsste. „Du magst alles an mir.“ Grinsend setzte ich mich auf und tat, als müsste ich darüber nachdenken. Dann fiel mir tatsächlich etwas ein, das ich nicht mochte, und ich runzelte die Stirn. „Deine Geheimniskrämerei mag ich nicht.“ Unbehaglich sah sie zu ihren Händen, die ich noch immer hielt. Ich merkte, dass sie sich so festgepinnt unwohl fühlte, und ließ los. Noch immer kniete ich über ihrem Schoß, und als sie sich aufsetzte, ließ ich mich nach hinten fallen, sodass ich zwischen ihren und sie zwischen meinen Beinen saß. Austestend legte ich die Hände auf ihre Oberschenkel, was Sasuke nicht zu stören schien. Im Gegenteil, sie strich mir über den Arm hoch zur Schulter. „Das mit dem nicht reden ist nicht dein Ding, oder?“, fragte sie. Ich stockte, dann musste ich lachen. Stimmt, da hatten wir ja was ausgemacht… „Tut mir leid. Ich bin nur überrascht – Und glücklich. Du… Du machst mich wahnsinnig glücklich, Sas“, gestand ich und küsste sie wieder. Wenn sie das lieber tat als reden, sollte mir das Recht sein. Als sie sich an mich kuschelte, wusste ich nicht, ob ich vor Glück platzen oder sie fragen sollte, warum sie solche Angst vor Intimität hatte. Dass man nicht von Fremden berührt werden wollte, verstand ich ja. Ich hätte auch verstanden, würde sie Körperlichkeit ganz ablehnen. Aber offensichtlich wollte Sasuke ja Nähe, sonst hätte sie mich wohl kaum geküsst. Andererseits machte es ihr aber offensichtlich Angst. Und es fiel mir schwer, einen Grund für diesen Wiederspruch zu finden. Es sei denn, sie hätte schlechte Erfahrungen gemacht. Sie hatte angedeutet, ein paar Verehrer gehabt zu haben. Was, wenn einer davon sie verletzt hatte? Der Gedanke erfüllte mich mit Hass, und ich drückte Sasuke instinktiv enger an mich. Irgendwann ließ ich mich auf die Matratze zurücksinken und zog Sasuke mit mir. Dafür lösten wir zwar den Kuss, aber ihr Gesicht lag an meinem Hals und ich spürte ihren Atem auf meiner Haut. Entspannt ließ ich die Finger durch ihr Haar gleiten und schloss die Augen. Im Leben hätte ich nicht damit gerechnet, das hier zu erleben, so ein Urvertrauen von Sasuke. Ich fragte mich, ob sie wirklich Gefühle für mich hatte, wie ihre Eifersucht vermuten ließ, oder ob sie nur neugierig gewesen war. Doch ich kannte sie gut genug, nicht zu fragen, zumal sie sowieso gesagt hatte, sie wolle nicht reden. Ich hatte sie zwei Mal gefragt, und so sehr alles in mir wissen wollte, was Sasuke verheimlichte, so sehr wusste ich, dass es nichts bringen würde, weiter auf sie einzudringen. Sie würde nur abblocken und es stand mir auch nicht zu, sie derart zu bedrängen. Wenn sie bereit war, sich mir zu offenbaren, tat sie das, das hatte ich inzwischen gelernt. Alles andere war kontraproduktiv. In dem angenehmen Schweigen, das gerade herrschte, überdachte ich den verrückten Abend, der hinter uns lag. Feiern, Tenten, der Tanz mit Sasuke, Leyla, die Suche, der Kuss – alles wirbelte in meinen Gedanken durcheinander. Am Schluss verstand ich weder diesen Abend, noch die letzten Monate. Sasuke hätte mich jederzeit haben können, was sie gewusst hatte. Stattdessen war sie immer wieder auf Abstand gegangen und hatte die platonische Komponente unserer Beziehung betont, sogar, als unsere Freunde anfingen, mehr in uns zu sehen. Und dann wurde sie eifersüchtig, was mir für sie sehr uncharakteristisch vorkam, kannte ich Sasuke doch als jemanden, der sagte, wenn ihm etwas nicht passte. Andererseits sagte sie sonst nie, was sie wollte, doch heute hatte sie es ausgesprochen. Mich. Sie wollte mich. Mir wurde nicht zum ersten Mal bewusst, wie sehr sie sich in den Monaten unserer Bekanntschaft eigentlich verändert hatte. Von dem Mädchen, das keine Komplimente annehmen konnte und nicht mal ihren Namen sagen wollte, zu einer Frau, die sauer wurde, wenn eine andere ihren Mann küsste und die diesen verführte, um ihn für sich zu haben. Da dieses Verhalten für andere Frauen normal wäre, war mir nicht aufgefallen, wie emotional Sasuke sich heute Abend im Vergleich zu ihrem früheren Verhalten benommen hatte. Es mochte am Alkohol liegen, aber es war nicht das erste Mal, dass sie so reagierte, und es freute mich, sie ´menschlicher` zu erleben. Zugleich warf es jedoch Fragen auf, und so sehr ich mir sagte, lieber den Mund zu halten, so sehr drängten die Worte über meine Lippen. „Sas…?“, fragte ich leise, nicht sicher, ob sie noch wach war. Träge kitzelte ihr Haar meinen Hals, als sie sich rührte. Ich spürte, wie angespannt sie plötzlich dalag. Auch ihre Atmung wurde nicht wieder regelmäßig wie zuvor. Es war, als hätte ich sie aus einem schönen Traum geweckt, in den sie jetzt nicht zurückschlüpfen konnte. „Mhm…?“ Ich stockte, unsicher, was ich sagen sollte. „Das hier… Was hat das zu bedeuten? Du weißt, dass ich dich mag, und…“ „Ich weiß es nicht“, unterbrach Sasuke mich. Ich wusste nicht, an was sie gedacht hatte oder ob die Wirkung des Alkohols verflogen war, aber es war, als bestünden die wenigen Zentimeter zwischen uns aus einer Mauer, obwohl sie mir so nahe war wie nur möglich. Das war nicht, was ich hatte hören wollen, aber es war ehrlich. „Ok.“ Sie hörte meine Enttäuschung, seufzte und rollte sich von mir runter. Von mir abgewandt liegend sagte sie: „Das ist für mich genau so überraschend wie für dich… Ich wollte nicht… So etwas ist für mich… Schwierig. Ich muss… darüber nachdenken.“ „Wenn du jemanden zum Reden brauchst, ich bin für dich da… Unabhängig von allem anderen“, fügte ich leise hinzu. Ich hatte das Gefühl, Sasuke würde sich bereits wieder von mir entfernen, und griff nach ihr, um sie zu halten. Zwar ließ sie sich berühren, aber sie fühlte sich trotzdem fremd an, als sie leise: „Ich weiß“, sagte und sich an meine Brust lehnte. Ihre Stimme klang zärtlich, aber die Mauer blieb bestehen. Mehr kam nicht. Ich wusste, dass irgendetwas nicht mit ihr stimmte, aber nicht, was, und ich hatte weder die Möglichkeit, es herauszufinden, noch, ihr zu helfen. Hier lag ich also, mit Sasuke in meinen Armen, wie ich es mir von Anfang an gewünscht hatte, und trotzdem ließ sie mich nicht an sich heran. Nach all der Zeit, allem, was wir durchgemacht hatten, vertraute sie mir immer noch nicht. Sasuke Die letzte Nacht war eine Achterbahnfahrt gewesen. Das Hochgefühl, als ich auf der Tanzfläche in Narutos Augen gesehen hatte, wie sehr er mich wollte. Der Absturz, als ich so dumm, so unendlich dumm gewesen war, ihn fortzuschicken, zu diesem anderen Mädchen. Nie wieder würde ich so dumm sein und ihn abweisen, hatte ich mir geschworen, als seine Freunde mich mit Alkohol und Zuneigung wieder aufbauten. Gerade weit genug für den freien Fall, als ich sah, wie er sie küsste. Ich war noch nie zuvor eifersüchtig gewesen. Nicht, als sein rothaariger Freund zeigte, wie sehr er Naruto mochte, nicht als er eine halbe Stunde mit Sakura telefoniert hatte, obwohl ich in seinem Bett lag, nicht als er scherzhaft mit Hinata flirtete. Die ganze Zeit über war ich mir seiner Zuneigung hundertprozentig sicher gewesen, aber als ich seine Hände auf ihrem Körper sah, war es, als würde Säure mir durch die Eingeweide rinnen. Ich hasste dieses Gefühl, hasste den schmerzhaften Knoten in meinem Magen, hasste das Mädchen, hasste meine Ohnmächtige Wut, hasste mich am allermeisten, weil ich gedacht hatte, nur ´zusammen zu sein` würde reichen, aber das tat es nicht. Naruto brauchte das, was sie ihm gerade gab, und ich ertappte mich dabei, mich an ihren Platz zu wünschen. Das machte mir Angst, obwohl es nicht das erste Mal war, dass ich darüber nachdachte. Und so war ich weggelaufen. Das war so dumm und mädchenhaft, und alles nur wegen des blöden Alkohols… Ich schämte mich sogar jetzt, da ich in Narutos Bett lag und ihm beim Schlafen zusah, für diese kindische Aktion. Seine Freunde hatten mich mehrmals angerufen, aber erst, als ich seinen Namen auf dem Display meines Handys sah, hatte ich es über mich gebracht, abzuheben. Hätte ich ihn nur genauso ignoriert wie die anderen. Als ich mich aufsetzte, regte Naruto sich, doch er schlief weiter, sodass ich leise meine Kleidung einsammeln konnte. Beim Anblick von Narutos Shirt wurde ich rot und meine Kehle zog sich schmerzhaft zu. Ich hatte das freiwillig getan, diese ekelhaften Dinge, zu denen Itachi mich zwang, seit ich vierzehn war. Ich hatte es gewollt, und ein Teil von mir wollte auch jetzt noch zurück ins Bett klettern. Der weitaus größere Teil aber schämte sich in Grund und Boden und wollte einfach nur weg. Das Atmen fiel mir schwer, während ich einen Block unter einem Stapel von Narutos Büchern hervorzog, die er vermutlich noch nie aufgeschlagen hatte. Dann starrte ich das Blatt an. Wie sollte ich ihm die letzte Nacht erklären? Wie meine Flucht an diesem grauen Morgen? Ich hatte es ja schon in der letzten Nacht nicht geschafft, irgendetwas zu erklären, obwohl seine Hände so sanft über meine Haut gefahren waren… „Kannst du immer noch nicht reden?“ Ich zuckte zusammen, drehte mich nach Naruto um, der sich im Bett aufgerichtet hatte. Sein Haar stand noch wilder vom Kopf ab und das Blau seiner Augen wirkte dunkler als sonst. Müdigkeit oder Enttäuschung? Ich konnte es nicht sagen. Diese verfluchten Augen. Es war, als blickten sie einem direkt in die Seele, und doch verstand er nichts. Nicht, wie schwer es gewesen war, nicht an jemand anderen zu denken, während seine Lippen auf meinen lagen, seine liebevollen Berührungen nicht zu fürchten, nicht vor Ekel zu erschaudern, als ich ihn selbst anfasste. Bei dem Gedanken rebellierte mein Magen und ich verkrampfte die Hand, sodass das Papier darin zerknüllte. Langsam schüttelte ich den Kopf. Naruto verzog das Gesicht, als hätte ich ihn geschlagen. „Kannst du nicht wenigstens ´nein` sagen?“ Normalerweise war Naruto die Geduld in Person. Gott, er hatte über ein halbes Jahr auf die letzte Nacht gewartet. Dass es jetzt scheinbar vorbei war mit dieser Geduld, kam mir gerade Recht, denn es war einfach, beleidigt zu sein, viel einfacher, als alles zu erklären. Außerdem war es gerechtfertigt; er hatte kein Recht auf mich, egal, was passiert war. Diese Grenzen, die ich am letzten Abend überschritten hatte, hatten mich in einem Ödland zurückgelassen, und ich war verwirrt. Wie groß meine Angst wirklich war, wollte ich weder wissen noch zugeben. Ein Uchiha hatte keine Angst. Und ein Uchiha rechtfertigte sich nicht, also schüttelte ich erneut den Kopf und sammelte meine Sachen ein. „Du verstehst das nicht… Ich muss gehen.“ Naruto stand auf und fuhr sich durch das sowieso schon chaotische Haare. „Ich kapier´s wirklich nicht. Erst schickst du mich zu einer anderen Frau, dann küsst du mich, dann läufst du weg… Ich meine, weißt du überhaupt selbst, was du willst?“ Damit traf er den Nagel auf den Kopf und verärgerte mich nur noch mehr. „Wir waren beide betrunken und haben eine Dummheit begangen. Das ist alles. Ich hab dir gesagt, dass Alkohol nichts Gutes bringt.“ Obwohl er mich ansah, als wäre jedes meiner Worte ein Faustschlag, kam er näher und legte zögerlich die Hand auf meine Wange. Ich wünschte mir, nur die Wärme und Zärtlichkeit spüren zu können, die von Narutos Fingern ausging, aber Ekel und Angst schnürten mir die Brust zu und ich schlug seine Hand weg. „Was soll das?“, fuhr ich ihn an. „Ich sagte, das war ein Fehler, und du begrabscht mich einfach. Geht’s noch?“ Lange sah er mich nur an ohne zu antworten, wobei er so traurig aussah, dass ich meine harschen Worte bereute, doch anders kapierte er es ja nicht. „Du hast Recht. Das gestern war ein Fehler, und das wusste ich auch. Du warst betrunken, und ich… Es tut mir leid“, sagte Naruto schließlich aufrichtig. Ich schluckte, doch er war noch nicht fertig. „Du bedeutest mir so viel, Sas… Ich will nur… Ich will nur, dass es dir gut geht. Ich will dich wirklich verstehen, aber wenn du mir nicht sagst, was dir solche Angst macht, kann ich dir nicht helfen… Wer hat dir so wehgetan, Sasuke?“ Ich fuhr zurück, weitete die Augen und schüttelte den Kopf. „Bitte“, drang Naruto weiter auf mich ein. „Nein…“ „Ich will dir nur helfen.“ Nein. Nein, er konnte das nicht wissen, nicht mal ahnen. Ich sperrte mein Familienleben hinter eine Mauer, hinter die niemand blicken konnte, fast, als würd es nie passieren… Fast. Aber in Wirklichkeit passierte es eben doch, und Naruto war mir nah genug gekommen, um nicht nur die Mauer zu bemerken, sondern auch um zu erraten, weshalb es sie überhaupt gab. Er war ein Trottel, aber furchtbar empathisch, und es war leicht, ihm Vertrauen zu schenken. Selbst, wenn man niemals jemandem vertrauen durfte. Ich durfte nicht… Durfte nicht… Meine rasenden Gedanken verloren sich in einem schwarzen Strudel aus Erinnerungen, die nie jemand anderes sehen durfte. Ich konnte kein Ekel und Mitleid in den Augen der Menschen ertragen. Ein Uchiha focht seine Kämpfe selbst aus, egal, wie mächtig seine Dämonen waren – selbst wenn dieser Dämon der eigene Bruder war. Naruto machte mich stark, hatte ich gedacht, und vielleicht war das tatsächlich so. Aber seit wann brauchte ich einen Mann, um stark zu sein? Sechs Jahre hatte ich das sehr gut alleine hinbekommen, und das würde ich auch weiterhin. „Ich brauche aber keine Hilfe. Ich bin keine Jungfrau in Nöten, oder für was auch immer du mich hältst. Gestern… Ich war betrunken und neugierig. Das hättest du nicht ausnutzen dürfen.“ Jetzt waren die Worte keine Schläge mehr, sondern Messer. Seine Augen wurden glasig und ich hätte fast hysterisch gelacht; eine Frau, die erwachsene Männer zum Weinen brachte, verdiente alles, was ihr wiederfuhr. „Ich… Ich weiß, dass du das nicht so meinst“, beharrte Naruto mit brüchiger Stimme und langsam fragte ich mich, wie selbstzerstörerisch dumm ein Mensch in seiner Verlustangst sein konnte. Ich wusste, dass seine Freunde Naruto die Familie ersetzten und er sich an jeden mit ganzem Herzen klammerte, um nicht wieder alleine dazustehen, aber ich war nicht seine Mutter… Und auch nicht seine Frau. „Du hast nicht zu entscheiden, was ich wie meine“, fauchte ich und verließ sein Zimmer. Natürlich folgte er mir, und aus dem Augenwinkel sah ich, wie er sich die Augen rieb, während ich mir die Schuhe anzog. Ich hätte ihn gerne beruhigt, aber ich wusste nicht wie, und meine Worte konnte ich nicht zurücknehmen. Er würde eine Entschuldigung annehmen, aber eine andere Erklärung verlangen, und die konnte ich ihm nicht bieten, also schwieg ich und ging. Mir war nie aufgefallen, wie lang der Weg von seinen Großeltern zur Bahn war, denn Naruto hatte mich immer gefahren. Das hatte jetzt ein Ende, aber das hier war auch das letzte Mal, dass ich diesen Weg zurücklegte. Nachdem Naruto erahnt hatte, dass ich etwas zu verbergen hatte, würde er nicht zu fragen aufhören. Die einzige Möglichkeit, dem zu entgehen, war, ihn nicht mehr zu sehen, was sowieso besser wäre. So konnte so etwas wie in der letzten Nacht nie wieder passieren, ich müsste Naruto nie wieder zurückweisen und nie wieder in seine traurigen, dummen Hundeaugen blicken. Gott, den Ausdruck darin würde ich nie vergessen… Später wusste ich nichts mehr von meinem Heimweg. Ich stolperte durch den Hausflur in mein Zimmer und dann wusste ich auch nicht mehr, woher ich die Kraft zu stehen nehmen sollte. Ich klappte auf dem Bett zusammen und weinte, zum ersten Mal seit mein Vater mich geschlagen hatte, weil ich über den Kleidern meiner toten Mutter getrauert hatte. Jetzt trauerte ich um meine Freundschaft zu Naruto. Kapitel 14: Aufräumarbeiten --------------------------- Sasuke Naruto hatte gesagt, die Playlist eines Menschen verrate viel über diesen. Ich fragte mich, was für Musik er nach unserem Gespräch hören würde. Vielleicht wären es erleichterte Klänge, die von neu gewonnener Freiheit erzählen. Vielleicht wütende Bässe, die gerechten Zorn ausdrückten. Vielleicht würde er die Musik aus lassen, weil er nicht von fremden Sängern erzählt bekommen wollte, was er sowieso, mit oder ohne sie, fühlte. Das hoffte ich zumindest für ihn, obwohl ich es besser wusste. Er würde seine Lieblingssänger sich die Seele aus dem Leib weinen lassen. Und vermutlich würde er dasselbe tun. Dazu war er nicht zu stolz, er hatte sogar bei der Geburt des Babys seiner Freunde geheult. Ich wünschte, ich könnte ihn auch vor Freude weinen lassen. Ich steckte mir die Kopfhörer in die Ohren, ließ die Lieder zufällig laufen und verließ mit dem Soundtrack meiner eigenen Taten das Haus. Naruto » Samstag um drei im Bücherkaffee.« Tsunade hatte Recht mit ihrer Meinung, dass diese Nachricht eher wie eine Einladung vors Gericht klang denn wie ein Friedensangebot. Doch ich hatte sowieso nie mit einer Entschuldigung von Sasuke gerechnet. Damals, als sie den Kontakt zum ersten Mal abgebrochen hatte, war mir ihre Entscheidung genauso willkürlich vorgekommen wie ihre jetzige, aber ich hatte gelernt, dass sie einen Grund gehabt hatte. Den hatte sie bestimmt auch für die letzten drei Wochen, in denen wir nicht gesprochen hatten. Als ich aufgewacht war und sah, wie sie weglaufen wollte, hatte ich alles auf ein Mal gefühlt; Wut, Angst, Trauer, Verständnislosigkeit, Hoffnung auf eine Erklärung. Und Mitleid. So viel Mitleid wie ein Mensch überhaupt empfinden konnte, Mitleid dafür, dass sie sich nach Zuneigung sehnte und zugleich aus irgendeinem Grund weglief, sobald ihr tatsächlich Liebe zuteilwurde. In der Nacht hatte ich mir zusammengereimt, dass ihr irgendetwas Schlimmes passiert sein musste, und am Morgen schien dieses Bild nur umso klarer. Was immer es war, ich wollte sie davor beschützen, und es frustrierte mich, dass ich es nicht konnte, weil sie es in sich einschloss. Danach hatte ich sie dutzende Male angerufen, ihr hunderte Male geschrieben und ihre Freunde kontaktiert, aber Suigetsu, Karin und Juugo ignorierten mich genauso wie Sasuke selbst. Ich fragte mich, was sie ihnen erzählt hatte. Kyûbi hatte es nicht gut gefunden, dass ich ihr so nachlief und sie derart anbettelte. Irgendetwas war zwischen den beiden vorgefallen, von dem sie mir nicht erzählten. Mein bester Freund sprach zwar trotz allem nicht schlecht über, aber er sagte, sie müsse auf mich zukommen, wenn sie reden wollte, und nachdem sie mich so verarscht hatte, hätte sie nicht mal diese Möglichkeit verdient. Er verstand einfach nicht. Sie hatte nicht mit mir gespielt, sondern wirklich versucht, sich auf mich einzulassen, nur war sie daran gescheitert. Sasuke hatte Angst, das hatte ich bei jeder Berührung gespürt, und es hatte mir das Herz zerrissen. Wenn ich sie jetzt sehen und in die Arme nehmen könnte, wäre das alles, was ich wollte. Ich erwartete gar keine Beziehung oder Versprechungen oder auch nur eine Erklärung. Ich wollte nur für sie da sein. Meine Familie und Freunde kannten Sasuke nicht wie ich, und sie waren in der Nacht nicht dabei gewesen. Daher klang das alles für sie, als habe Sasuke Angst gehabt, meine „Hörigkeit“ zu verlieren, und mich geküsst, um mich bei der Stange zu halten. Als ich angebissen hatte, hatte sie mich fallengelassen, und jetzt ließ sie mich eine Weile schmoren, um sich interessant zu halten. Das hatte ja beim ersten Mal schon so hervorragend geklappt. Es war Sakura gewesen, die diese Theorie entwarf, und wir hatten uns heftig darüber gestritten: Sasuke war nicht so eine, das wusste ich einfach, und ich würde nicht zulassen, dass jemand schlecht über sie sprach. Der Rest meiner Freunde war vorsichtiger in ihrer Wortwahl, aber sie hatten in vorsichtigerer Wortwahl ähnliche Bedenken geäußert. Ich ignorierte sie alle, als ich am Samstag zum Treffpunkt kam. Sasukes Verehrer, der Kellner, war inzwischen wieder solo, sagte mir aber bereitwillig, dass ich seine Lieblingskundin im ersten Stock finden würde. Das war wohl kein gutes Zeichen. Er fragte nach einer Bestellung, doch ich schüttelte den Kopf und ging hoch. Ausnahmsweise saß Sasuke vor dem hohen Milchglasfenster und blickte auf die Schemen, die man von hier von der Außenwelt sehen konnte. Ich sah sie kurz nur an bevor ich mich zu ihr setzte. „Hi“, begrüßte ich sie knapp. Sie nickte noch knapper. Ich lehnte mich zurück und wartete. Dieses Treffen hatte sie anberaumt. Dabei hatte sie sich wohl etwas gedacht, und ich wollte endlich wissen, was das war. Im letzten knappen Monat hatte ich schon genug darüber gerätselt, jetzt wollte ich die richtige Antwort. Irgendwann merkte sie, dass von mir kein Einlenken kommen würde, und sie rutschte unbehaglich auf ihrem Sessel herum. „Was ich gemacht habe…“, fing sie schließlich an, aber ich unterbrach sie. „Was meinst du?“ Wütend presste sie die Lippen aufeinander, sodass diese noch schmaler wirkten. Aber dieses eine Mal spielten wir nach meinen Regeln. „Dass ich… Dich geküsst habe“, explizierte Sasuke wiederwillig. „Das… Hätte nicht passieren sollen.“ „Irgendwie habe ich schon vermutet, dass du so denkst, nachdem du aus meinem Haus geflohen bist“, spöttelte ich, bevor ich wieder ernst wurde. Ernst, und traurig. „Wieso?“ Man merkte ihr an, dass sie dieses Gespräch nicht führen wollte, und ich rechnete es ihr hoch an, dass sie es trotzdem versuchte. „Ich weiß, dass du mich magst…“ „Ein weiterer Beweis für deine Intelligenz.“ “Genug.” Sasuke sah mich kalt an bis ich nickte, und holte dann tief Luft. “Ich bin mir dessen bewusst, und es war nicht meine Absicht, dich zu verletzen.” Ich weiß, dachte ich, aber diesmal hielt ich den Mund. Ich machte es ihr nicht zum Vorwurf, immerhin war sie betrunken gewesen. Außerdem verstand ich viel weniger, warum sie jetzt zurückruderte als den Kuss an sich. Am liebsten hätte ich sie geschüttelt bis sie mir endlich alles erzählte, doch stattdessen hörte ich nur weiter zu. „Es ist nicht so, dass ich… Ich kann das einfach nicht, Naruto“, änderte sie ihre Wortwahl im letzten Moment. „Du stellst dir etwas vor, dass ich dir nicht geben kann, und vielleicht sogar mit jemandem, der ich nicht bin.“ „Willst du damit sagen, ich würde dich nicht kennen?“, fragte ich getroffen. Natürlich kannten wir uns noch nicht so lange wie andere Freunde, aber unsere Beziehung war schnell – Vielleicht zu schnell – Sehr tiefgehend geworden. Mir war bewusst, dass Sasuke mir nicht alles über sich sagte, aber ich bildete mir ein, sie trotzdem zu verstehen und dass sie mir vertraute. Und all das sollte genau das sein; eine Einbildung? „Besser als andere“, lenkte Sasuke ein, doch dann schüttelte sie den Kopf. „Aber darum geht es nicht. Ich kann einfach nicht… Diese Nähe, ich…“ Es tat mir körperlich weh, sie so hilflos zu sehen, aber ich wusste nicht, wie ich ihr helfen sollte, wenn sie mich nicht an sich ranließ. Ich konnte sie nicht vor etwas beschützen, das ich nicht kannte. „Wir müssen uns nicht näher sein als jetzt. Ich verlange nicht von dir, dass wir so weiter machen wie in der Nacht, oder?“, führte ich Sasuke vor Augen, die das wohl erwartet hatte, so überrascht, wie sie mich gerade ansah. Ich legte die Ellbogen auf die Knie, lehnte mich näher zu ihr. „Klar, im ersten Moment hatte ich gehofft… Aber wenn du nicht kannst, ist das ok. Ich will nur, dass du glücklich bist. Wir können nur Freunde sein, wenn es das ist, was du möchtest.“ Ich lächelte, doch Sasukes Gesichtsausdruck wischte das schnell von meinen Lippen. Ich wusste, was sie sagen würde, noch bevor sie den Kopf schüttelte, und mein Magen zog sich schmerzhaft zusammen. „Ich glaube nicht, dass wir das können.“ „Nein…“ „Wir können das nicht so weiter laufen lassen wie bisher.“ “Sasuke, nein.” “Du hast gesagt, du könntest mich nur als Freundin sehen, aber das kannst du nicht, und wenn ich ständig vor dir rumlaufe, wird sich das nicht ändern. Ich… Möchte dich nicht verletzen.“ „Dann sag das jetzt nicht. Bitte…“, bettelte ich, aber es half nichts. Kopfschüttelnd unterbrach sie mich. “Es geht auch nicht nur um dich. Es gibt Dinge, die ich klären muss, bevor ich an etwas anderes denke, sonst fressen sie irgendwann alles auf, wofür ich gearbeitet habe. Du hast Recht. Ich muss mich auf mich und meine Ziele konzentrieren. Alleine.“ Ich konnte nicht fassen, dass sie mir ein Mal Recht gab, nur, um dieses Argument zu nutzen, um mich zu verlassen. In meinem Kopf herrschte Chaos und mir war plötzlich schwindelig. Nein, dachte ich immer wieder, neinneinneinneinnein. „Da-Dann lass mich dir helfen, diese Dinge zu klären. Klingt nach viel Arbeit. Wir können…“ „Kein ´wir`, Naruto. Ich”, beharrte sie, doch dann fuhr sie sich seufzend durch die Haare. „Es liegt wirklich nicht an dir. Du bist…“ Sie sah mich an mit Augen, die mehr an Regenwolken erinnerten denn an Onix. Ich wusste, dass sie etwas anderes sagen wollte, doch erneut änderte sie die Worte in letzter Sekunde. „Du bist nicht schuld.“ „Dann sag mir, was Schuld ist.“ Ich streckte die Hand über den Tisch, gleichzeitig Hilfe suchend und –anbietend. Sie ergriff sie nicht. „Ich kann mich nicht immer auf andere verlassen. Ich weiß, dass du es nur gut meinst, aber ich kann nicht die eine Abhängigkeit für eine andere austauschen.“ „Von wem bist du abhängig?“, fragte ich alarmiert. Mein Arm lag auf dem Tisch zwischen uns wie ein toter Ast. „Was hast du vor, Sasuke?“ Sie sah wieder auf das Milchglasfenster, dann nahm sie ihre Tasche und stand auf. „Ich weiß es noch nicht. Aber du musst mir versprechen, dass du mir diesmal nicht nachläufst. Keine SMS, keine Anfragen bei meinen Freunden, keine ´zufälligen` Begegnungen. Ich möchte, dass du verstehst, dass ich das alleine tun muss.“ „Es wäre einfacher, es zu verstehen, wenn du mir sagen würdest, worum du gehst“, erwiderte ich trotzig. „Du wirst meine Entscheidung akzeptieren, und ich werde mich nicht dafür rechtfertigen. Darauf hast du kein Recht“, stellte sie klar, und damit hatte sie natürlich Recht. Ich hatte einfach nur angenommen, dass sie mich in ihre Pläne einweihen wollte, und dass ich mich in dieser Hinsicht geirrt hatte, schmerzte immens. Sasuke legte jetzt doch die Hand auf meine und ich spürte, wie kalt ihre Haut war. Auch sah sie noch dünner aus als bei unserem letzten Treffen. Und da sollte ich sie einfach ziehen lassen? „Vertrau mir. Du kannst das doch… Vertrauen, meine ich“, verlangte sie leise, woraufhin ich langsam nickte. Ich vertraute ihr, und wenn sie sagte, dass sie was auch immer alleine regeln musste, dann war das so. Kurz drückte Sasuke meine Hand fester, ehe sie losließ. Die Stelle, die sie berührt hatte, blieb kalt. „Also… war´s das jetzt?“ Ich stand auf und wir gingen Richtung Treppe, denn sie hatte alles gesagt und was ich zu sagen hatte, zählte scheinbar nicht. „Wir werden uns nie wieder sehen?“ „Doch“, sagte sie etwas zu schnell, korrigierte sich aber sofort wieder: „Ich weiß nicht…” „Toll“, schnappte ich, als ich ihr die Tür aufhielt. Kurz zögerte ich, dann nahm ich sie fest in den Arm, und zu meiner Verwunderung legte sie ihrerseits die Arme um mich. Zum ersten Mal zuckte sie nicht vor der Berührung weg, und es tat nur umso mehr weh, zu wissen, dass sie mich eigentlich genauso wenig gehen lassen wollte wie ich sie. „Versprich mir, zurück zu kommen.“ Als sie nichts sagte, drückte ich sie fester an mich. „Dann pass wenigstens auf dich auf.“ „Ja.“ „Ich hätte dir bei allem geholfen. Sogar, wenn du eine Leiche zu vergraben hättest oder sowas.“ Sasuke lachte halblaut und grub die Finger in mein Shirt als hoffte ein Teil von ihr, ich würde sie einfach nie wieder loslassen. Ein Teil von mir hätte das gerne getan, aber der größere Teil akzeptierte ihre Entscheidung und Eigenständigkeit, so weh es tat. „Ich weiß…“, flüsterte sie. „Beeil dich mit was auch immer du tust“, bat ich und löste mich von ihr. „Das werde ich. Aber du darfst nicht auf mich warten.“ Als sie den Wiederwillen in meinen Augen sah, seufzte sie. „Bitte. Ich weiß nicht, wie lange ich brauchen werde, und ich möchte… Warte einfach nicht auf mich.” “Du verlangst heute ganz schön viel von mir.” “Sieh es als Abschiedsgeschenk für mich.” „Und was willst du dann als Wiedersehensgeschenk?“, fragte ich spöttisch. „Die Weltherrschaft?“ Sasuke lächelte ihr seltenes Lächeln. „Mindestens… Mach´s gut, Naruto.“ „Bis bald, Sasuke“, erwiderte ich trotzig. Sie wandte sich ab und ich wusste nicht, ob das letzte, das ich von ihr sehen würde, war, wie ihr Haarschopf in der Menge verschwand. Sasuke Naruto war der einzige, den ich mit einem eigenen Bild und Klingelton (´Never let me go` von Florence and the Machine) in meinem Handy eingespeichert hatte. Das Foto hatte er geschossen. Es zeigte uns auf einem Weihnachtsmarkt, auf dem er mir eine dieser bescheuerten Weihnachtsmannmützen aufgesetzt und mich zu einem Selfie gezwungen hatte. Eine Druckversion hing an seiner Fotowand… Zumindest hatte sie das, bevor ich ihn aus meinem Leben gedrängt hatte. Ein bitterer Geschmack lag auf meiner Zunge während mein Finger über der ´Löschen`-Taste schwebte. „Sind Sie sicher, dass Sie diesen Kontakt entfernen wollen?“, fragte mein Handy misstrauisch. War ich das? Bei meinem Gespräch mit Naruto war ich es gewesen, und wie ich erwartet hatte, hatte er es hingenommen, obwohl es ihn verletzte und er es nicht verstand. Das war jetzt fast einen Monat her, und ich hatte noch immer Angst davor, ihn wirklich nie wieder zu sehen und die Sicherheit zu verlieren, die er mir gegeben hatte. Aber ich hatte mir vorgenommen, alleine Ordnung in mein Leben zu bringen. Ich wollte so stark sein, wie Naruto annahm, und zwar ohne ihn. Wenn ich jedoch seine Nummer behielt, hätte ich immer noch ein Sicherheitsnetzt, könnte ihn anrufen, wenn es schwer würde. Und das würde es werden, da war ich mir sicher. Ich wischte mir die Tränen – nicht die ersten – weg und klickte erneut auf ´löschen`. „Sind Sie sicher?“, wiederholte das Telefon ungeduldig. „Ja“, flüsterte ich und klickte den finalen Button. Es folgten der WhatsApp Chatverlauf, die Anrufliste, die E-Mails. Schließlich war ich im Bilderspeicher angelangt, den Naruto durch Fotos gefüllt hatte, die er mir schickte oder mit meinem Handy machte, wenn sein Speicher mal wieder voll war. Er beim Motorradfahren in voller Montur. Gelöscht. Er beim Essen mit seinen Großeltern. Gelöscht. Wir beim Klettern in einer Halle. Gelöscht. Mein wütendes Gesicht und Narutos grabschende Hand, die mich davon abhalten wollte, ihm mein Handy abzunehmen. Gelöscht. Wir. Gelöscht. Ein paar Tränen landeten auf dem schwarzen Handydisplay. Ich fühlte mich genauso leer wie der Bilderordner. Warum musste ich genau mit der einzigen Veränderung anfangen, die ich nicht machen wollte? Ich wollte nicht, dass Naruto aufhörte, mich wie das Wichtigste im Leben anzusehen, wollte nicht, dass er jemand anderem aufgeregt jede banale Kleinigkeit sofort mitteilte, wollte nicht aufhören, ein Teil seiner Welt zu sein. Aber ich wollte, dass meine Welt sich änderte. Deshalb musste ich ihn zurücklassen. Wenn wir uns wiedersahen, würde ich nicht mehr von ihm abhängig sein und musste keine Angst mehr vor Nähe haben. Wenn… Meine Kehle schnürte sich zusammen, aber dieses Risiko musste ich eingehen. Es hatte noch nie jemand gewonnen, ohne ein Risiko einzugehen. Ich legte das Handy weg und wischte die Tränen von den Wangen. Immerhin würde jetzt der schöne Teil meiner Pläne beginnen. Denn es war Zeit, das hinter mir zu lassen, was ich tatsächlich zurücklassen wollte. Naruto „Ich hoffe, diesmal hast du frühzeitig zu lernen angefangen.“ „Klar! Ich habe sogar schon mehr gemacht als einige Kommilitonen“, erzählte ich stolz während ich die Teller in den Schrank räumte, die Tsunade aus dem Geschirrspüler genommen hatte. „Nochmal mach ich mir so einen Stress nicht. Ich hatte schon Horrorvisionen, dass ihr mich auf die Straße setzen würdet, wenn ich durchfalle.“ „Das sollten wir auch tun, aber dein Großvater hat ein viel zu weiches Herz“, stichelte meine Großmutter. Sie beugte sich unnötig tief in die Maschine, damit ich ihr Gesicht nicht sehen konnte. „Als würden wir dich rauswerfen.“ „Ich weiß, aber ich hatte echt Schiss“, gestand ich und kratzte mich am Kopf. „Aber hey, sehen wir es als Lerneffekt. Das passiert mir nicht noch mal.“ “Das will ich hoffen. Du bist zu alt für solche Spielereien.” Ich schmollte. „Kyûbi ist noch älter.“ "Der ist kein Vergleichswert. Er ist nicht der Typ, der irgendwann mal einen festen Beruf hat und damit eine Familie ernährt. Du schon. Also gib dein Bestes.“ “Ist ja gut, ich tue alles, um meine imaginäre Familie nicht im Stich zu lassen”, lachte ich, wofür ich einen mürrischen Blick zugeworfen bekam. „Lass dich einfach nicht von etwas ablenken.“ Es war offensichtlich auf was das abzielte, und ich seufzte. „Ich habe euch doch gesagt, dass ich Sasuke nicht nachlaufen werde. Sie hat gesagt, sie brauche Zeit, und die soll sie haben“, erklärte ich auf dem Weg ins Wohnzimmer, wo ich mich auf die Couch fallen ließ. Tsunade folgte mir und sah mich wachsam an. „Genau das irritiert mich ja. Als sie das erste Mal gegangen ist, hat es dich richtig mitgenommen, und jetzt… Wir dachten, es sei nur noch eine Frage der Zeit, bis ihr verkündet, ein Paar zu sein. Stattdessen wollt ihr euch plötzlich nicht mehr sehen, und du nimmst es einfach so hin? Das passt nicht zu dir, Naruto.“ „Sie hat gesagt, dass sie gewisse Dinge klären muss – alleine. Wer bin ich, diese Entscheidung zu hinterfragen?“ „Naruto. Naruto Uzumaki, der nie irgendjemanden in Ruhe lassen kann. Naruto Uzumaki, der in dieses Mädchen verschossen war, bevor er ihren Namen kannte. Naruto Uzumaki, der hilfsbereiteste, überfürsorglichste Mann, den ich kenne, und der ganz sicher nicht seine Freunde alleine irgendwelche Schwierigkeiten ausstehen lässt.“ Ich lächelte, leicht gequält ob dieser flammenden Rede. Sonst war meine Großmutter nicht der Typ für Gefühlsbekundungen, woran zu erkennen war, wie groß ihre Sorge war. Ich wusste das zu schätzen, wirklich. Aber ich wusste auch, dass sie nicht verstand, genauso wenig wie Kyûbi oder Sakura oder der Rest meiner Freunde. Sie kannten Sasuke nicht so wie ich, und sie hatten nicht gesehen, was für Angst sie während eines einfachen Kusses gehabt hatte. Obwohl ich den Grund für ihre Angst nur erahnen konnte, wäre es mir lieber gewesen, hätte Sasuke mir erlaubt, ihn mit ihr zu beseitigen. Allerdings stand es mir, wie sie selbst betont hatte, nicht zu, ihre Wünsche zu hinterfragen. Wenn sie der Meinung war, das alleine klären zu müssen, hatte sie dafür ihre Gründe. Mich gegen ihren Willen aufzudrängen, hätte sie eher für immer vertrieben. Denn, da war ich mir sicher, sobald sie ihre Angelegenheiten geklärt hatte, würde sie zu mir zurückkommen. Diese Hoffnung war einer der Gründe, aus denen ich so ruhig war. Sasuke hatte gesagt, sie wolle mich wiedersehen. Darauf musste ich vertrauen, sonst würde es mir das Herz zerfressen. Sie hatte mich nicht zurückgelassen, sondern musste nur eine Weile ihren eigenen Weg gehen. Sie würde zurückkommen. Ganz bestimmt. Bestimmt. “Naruto?” “Ja, ich… Ja. Aber Sasuke ist keine Jungfrau in Nöten, die einen Ritter braucht. Sie will und wird sich selbst retten. Wenn sie dann nicht mehr verletzlich ist, wird sie zurückkommen, auf ihrem eigenen Ross…“ Und vielleicht zum ersten Mal ohne Rüstung. „Hm“, machte meine Großmutter, setzte sich neben mich und legte den Arm um meine Schulter, die sie dann etwas unbeholfen tätschelte. „Ich bin stolz auf dich. Es muss dir schwer fallen, das zu akzeptieren.“ Ich lachte traurig und lehnte die Stirn an ihre Schulter. ´Schwer fallen` war gar kein Ausdruck. Ich hasste jede Sekunde. Sasuke Das Gebäude war ein großer Klotz aus Beton und verspiegeltem Glas. An diesem schönen Tag saßen einige Angestellte auf dem Hof davor und genossen die Sonne, die vom Glas zurückgeworfen wurde. Manche lachten zusammen, manche aßen alleine oder in Gruppen und andere hatten Laptops auf dem Schoß und Handys am Ohr und arbeiteten sogar in ihrer freien Zeit weiter. Keiner von ihnen erkannte oder beachtete die Tochter des Chefs, die über die breiten Stufen zum Empfangsbereich hochstieg. Das traf auch auf die Sekretärin an dem eisernen Empfangstresen zu, bis ich mich laut räusperte. Wiederwillig sah sie von ihrem Computerbildschirm auf. „Ja?“ Ich musterte sie kühl. Nun, wahrscheinlich sah ich meiner Mutter doch ähnlicher als meinem Vater, außerdem war ich schon lange nicht mehr hier gewesen. Dennoch hatte mein Erzeuger mich genug geprägt, um diese Inkompetenz zu verachten. “Ich möchte zu Fugaku Uchiha.“ Der Blick der Tipse wanderte über meine Gestalt in dem schlichten, teuren, aber viel zu weiten schwarzen Mantel, den grauen Jeans und dem dunkelblauen, ebenfalls recht unförmigen Pullover, die ich trug. „Haben Sie einen Termin?“ „Brauche ich den bei meinem Vater?“ Jetzt weitete sie die überschminkten Augen. „Sa… Sasuke Uchiha?“ „Hat er noch eine Tochter?“ „Tochter? Ich… Oh“, machte sie dümmlich und starrte mich an wie ein Ufo statt ihren Arbeitgeber anzurufen. Genervt griff ich über die Theke, nahm ihr Telefon und drückte die eins. Die Sekretärin protestierte, während ich unbeeindruckt wartete, dass Fugaku abhob. „Frau Umino“, meldete dieser sich, knapp aber nicht unhöflich. „Ich bin's“, erwiderte ich in derselben Tonlage. „Verzeih den Überfall, aber hast du einen Moment Zeit für mich?“ Ein kurzes Schweigen, in dem er wohl seinen Terminkalender in der Hoffnung prüfte, mich wegschicken zu können, folgte, dann: „In fünfzehn Minuten. Warte vor dem Büro.“ Aus den fünfzehn Minuten wurden fast 30, aber Fugaku wirkte nicht überrascht, mich trotzdem noch wartend vorzufinden. Seine Zermürbungstaktik hatte in den letzten zwanzig Jahren nicht gewirkt, da war eine Viertelstunde gar nichts. „Ich habe nicht viel Zeit“, erklärte er, noch bevor ich den Platz einnehmen konnte, den er mir anbot. „Wie immer“, erwiderte ich kühl und überschlug die Beine. Fugaku verengte kurz die Augen, entschloss sich aber, das keiner Antwort zu würdigen und machte eine auffordernde Geste. „Also?“ Natürlich hatte ich mich lange auf dieses Gespräch vorbereitetet, anders konnte ich mich meinem Vater gegenüber nicht präsentieren. Ich hatte beschlossen, direkt zu sagen was ich wollte und dann zu verhandeln, und das tat ich jetzt. „Ich möchte ausziehen.“ Er lehnte sich zurück. „Ist das so? Und von welchem Geld?” “Ich hatte gehofft, du würdest mich unterstützen. Nur für eine Weile, natürlich.” “Wieso sollte ich? Wir haben ein Haus, in dem du leben kannst. Es gibt keinen Grund für diese zusätzlichen Kosten.“ Außer, dass du mich hasst und dein Sohn mich terrorisiert seit ich das erste Mal meine Periode hatte, dachte ich, doch ich schluckte die Wahrheit runter. Noch war ich nicht stark genug, sie auszusprechen, aber wenn mein heutiges Vorhaben gelang, wäre das ein Schritt in die richtige Richtung. „Ich denke, es ist wichtig, Eigenständigkeit zu lernen.“ „Wozu gehören würde, sich selbst finanzieren zu können“, unterbrach Fugaku mich, doch ich sprach ungerührt weiter. „Außerdem würde ich mir eine Unterkunft in der Nähe der Universität suchen, die günstiger zu meiner Arbeitsstelle gelegen ist. Im Moment verschwende ich viel Zeit mit Pendeln, die für anderes fehlt.“ „Dafür, dich mit deinen sogenannten Freunden zu treffen?“ Mir war klar gewesen, dass dieser Punkt genannt werden würde. Vermutlich war unser nicht geklärter Streit über Naruto der Hauptgrund, aus dem Fugaku sich so sträubte. Wieso sonst sollte er mich unter seinem Dach behalten wollen? Als Putzfrau? Als Boxsack für seinen Sohn? Aber ich hatte es satt, diesen zu spielen. “Nein. Obwohl dieser Streit gezeigt hat, wie unterschiedlich wir vieles sehen. Vielleicht würde eine räumliche Trennung uns wieder näher bringen.“ Fugaku sah mich überrascht an, wenn auch nur für eine Sekunde. „Das ist kein Grund, um Geld zu verschwenden.“ Natürlich war unsere Beziehung keinen Cent wert, das überraschte mich nicht. Aber ich hatte es versuchen müssen. „Ich werde dir alles zurückzahlen.“ Er machte eine abschneidende Geste. “Es geht nicht um Geld.“ „Worum dann?“, unterbrach diesmal ich ihn. „Um familiären Zusammenhalt? Du weißt so gut wie ich, wie es darum bei uns bestellt ist, und wenn wir nichts ändern, wird sich die Situation nicht ändern.” Meine Ehrlichkeit warf Fugaku nicht aus der Bahn, aber er sah mich abschätzend an. So direkte Worte fielen zwischen uns nie – Wenn denn überhaupt irgendwelche Worte fielen. Mein Vater suchte die Veränderung, die mir dieses Gespräch erlaubte, in meinem Gesicht, und fand sie in meinen Augen. Ich war stärker geworden in den letzten Monaten, das spürte ich in diesem Augenblick, und auch mein Gegenüber spürte es. Ich ließ mich in meinen Stuhl zurücksinken und legte die Hände auf die Lehnen. „Wenn nötig, werde ich einen Studentenkredit aufnehmen.“ „Du willst wirklich unbedingt ausziehen.“ „Mein Vater hat mir beigebracht, nichts zu sagen, das ich nicht so meine.“ „Hm.“ Fugaku sah mich kurz an, dann nahm er einen Taschenrechner zur Hand, in den er rasch etwas eintippte. „Du bist jetzt im fünften Semester, das heißt, du hast bis zum Bachelor noch ein Jahr vor dir. Danach wirst du den Master machen, was nochmal zwei Jahre sind. Das heißt, du müsstest einen Kredit aufnehmen, mit dem du drei Jahre lang Miete, Strom, Wasser, Nahrung, Kleidung und alles andere bezahlen könntest.“ „Deshalb habe ich dich darum gebeten.“ „Das ist eine Menge Geld.“ „Das meiste davon würdest du auch zahlen, wenn ich zu Hause bleibe“, erinnerte ich ihn. „Und ich habe vor, mehr zu arbeiten, um möglichst wenig Unterstützung zu brauchen.“ „Was dein Argument, mehr Zeit für dein Studium zu haben, revidiert.“ Natürlich war ihm das aufgefallen. „Stimmt. Aber immerhin wäre ich in einer eigenen Wohnung unabhängig.“ „Solange du Geld von mir brauchst, kann man nicht von Unabhängigkeit sprechen.“ „Ich werde ausziehen“, stellte ich klar. „Die Frage ist nur, ob ich von dir unterstützt werde, oder von einer Bank. Du musst dich natürlich nicht sofort entscheiden, obwohl ich eine zeitnahe Antwort vorziehen würde.“ Ich stand auf, sah meinen Vater zögerlich an, denn das, was ich jetzt sagen würde, war für meinen (und sicherlich auch seinen) Geschmack zu emotional. Trotzdem sprach ich es aus: „Es wäre für unsere Familie besser. Das weißt du auch… Vater.“ So hatte ich ihn seit meiner ersten Übernachtung bei Naruto nicht genannt, und auch davor nicht oft. Natürlich sprang er mir deswegen nicht zu einer innigen Umarmung entgegen. Vermutlich wusste er, dass das reine Manipulation war. Ganz ohne Reaktion blieb es allerdings nicht, denn er sagte: „Ich werde darüber nachdenken“, und einige Tage später, bei einem der seltenen Abendessen in familiärer Idylle, fragte er: „Hast du schon potentielle Wohnungen?“ Ich unterdrückte ein Lächeln und vermied es, zu Itachi zu sehen, als ich nickte. Naruto Alles drehte sich, als ich mich von der Kloschüssel hochkämpfte, und ich musste mich an der Kabinenwand abstützend. Kichernd lehnte ich mich mit dem Rücken dagegen und blieb stehen, bis das Rotieren in meinem Kopf aufgehört hatte, dann tastete ich unbeholfen nach der Türklinke. Ich drückte sie nach unten, aber die Tür öffnete sich nicht. Verwirrt rüttelte ich am Knauf, aber es tat sich immer noch nichts, sodass mein Reißen immer fester wurde. „Was machst du da?“, fragte eine barsche Stimme von draußen. „Die scheiß Tür klemmt“, beschwerte ich mich und rüttelte zum Beweis noch fester daran. „Besoffener Vollidiot…“ „Was hast du gesagt?!“ “Schon gut, ich kümmere mich um ihn”, meldete sich eine weitere Stimme zu Wort, die ich sogar kannte. „Shikamaru, ich bin eingesperrt, Alter!“ Er seufzte genervt. „Du musst die Tür erst aufsperren.“ “Hältst du mich für bescheuert? Ich… Oh“, unterbrach ich mich, als ich sah, dass ich tatsächlich das Schloss nicht umgelegt hatte. Lachend tat ich das und torkelte endlich aus meiner Kabine, vor der Shikamaru neben einem schwarz gekleideten Türsteher stand, auf den er beruhigend einredet. Ich lehnte mich auf die Schulter meines Freundes und lachte ihm ins Ohr. „Ich bin echt so ein Trottel!“ „Bring ihn am besten heim“, befahl der Türsteher mit einem säuerlichen Blick auf mich, dann ließ er uns stehen. „Was hat‘n der?“, fragte ich, während ich, weiterhin auf Shikamaru gestützt, aus dem Klo stolperte. Davor wartete eine Gruppe Mädels, denen ich höflich zunickte, doch sie sahen mich nur angeekelt an und wandten sich ab. Komisches Pack. Shikamaru zuckte die Schultern und führte mich zur Bar, wo ich nach der hübschen dunkelhaarigen Barkeeperin Ausschau hielt, die mit belustigtem Blick zu uns herüber kam. Bevor ich allerdings eine Bestellung aufgeben konnte, sagte Shikamaru: „Zwei Cola.“ „Isch bin nich sooo betrunken“, protestierte ich und wollte mir zum Beweis vom ganz ausgestreckten Arm auf die Nase fassen, wobei ich jedoch auf dem Kinn landete. Kurz blinzelte ich verwirrt, dann lachte ich. „Ok, vielleicht doch.“ Die Barkeeperin hatte meinen Protest sowieso ignoriert und stellte bereits die beiden Colaflaschen vor uns, für die Shikamaru bezahlte. Ich bedanke mich und trank einen Schluck, wobei ich meinen Blick über die Menge wandern ließ. Irgendwo in der Menge erspähte ich Temaris blonden Haarschopf, und die Zöpfe von Hinata und Ino. Neben ihnen hopste Lee mit so viel Begeisterung herum, dass ich plötzlich unbedingt wieder auf die Tanzfläche wollte. „Gehen wir tanzen!“, beschloss ich und nahm Shikamaru am Arm, doch der löste sich und hielt stattdessen mich fest. „Du brauchst frische Luft, und ich ne Zigarette. Komm.“ Zwar schmollte ich und sah enttäuscht zu den anderen, aber ich konnte meinen Kumpel schlecht alleine rauchen gehen lassen, also begleitete ich ihn. Der Raucherbereich war auf einer Terrasse angelegt, die durch durchsichtige Planen vor der Nachtluft geschützt war. An der Hauswand befand sich eine lange Bar und zwei Treppen führten zur Straße runter. Auf einer Seite konnte man raus, auf der anderen Seite befand sich der Eingang, und auf beiden Seiten standen Türsteher. Ich meinte, den von vorhin aus der Toilette zu sehen, und winkte ihm, doch er runzelte nur die Stirn und wandte sich ab. Hinter dem Security-Mann tauchte Temari auf, die sich kurz umblickte, ehe sie ihren Freund und mich erspähte und zu uns herüber kam. Freundschaftlich legte ich ihr den Arm um die Schulter. „Na, schon genug getanzt?“ „Jemand muss auf euch zwei Querköpfe aufpassen“, kommentierte sie nüchtern, wobei sie leicht stirnrunzelnd zu Shikamaru sah. Dieser steckte gerade das Telefon in die Hosentasche. „Kyûbi holt dich“, erklärte er und schob mich weiter in Richtung Ausgang. Ich trat einen Schritt zur Seite, sah ihn verwirrt an. „Ich will aber noch bleiben. Es ist doch erst eins.“ „Und du bist betrunken als wäre es sechs. Jetzt komm”, befahl Temari, die meinen Arm nahm. Sie war niemand, dem man wiedersprach, also ließ ich mich von dem Paar nach draußen bringen. Es war kalt – eine Februarnacht – Und in der eisigen Luft wankte ich so sehr, dass ich es selbst merkte. Kichernd hielt ich mich bei Temari ein, die das mit einem wiederwilligen Blick zuließ. „Ihr zwei seid so ein komisches Paar“, stellte ich lachend fest. „Ich meine, guckt euch mal an! Du bist ein emotionales Genie und du spielst die Eisprinzessin, bis dein Temperament mit dir durchgeht. Ich weiß noch genau, wie du mir diesen Bottich über den Kopf gezogen hast…” „Du stehst kurz davor, diese Erfahrung zu wiederholen“, zischte die Blondine. „Bottich?“, erkundigte ihr Freund sich nach einem kurzen Blick auf sein Handy. Temari seufzte und sah ihn missbilligend an, als er sich eine Zigarette anzündete. Sagen tat sie allerdings nichts. In ihrer Beziehung ließ jeder den anderen sein Ding machen, und manchmal machten sie eben ein gemeinsames Ding. „Das ist schon ewig her. Als Gaara noch in die Jugendtherapie ging, bin ich mal mit auf einen Wochenendausflug gekommen. Die Jungs waren eine richtige kleine Gang, alle 14, dumm wie Stroh und nur mit Unsinn im Kopf. Ein paar von ihnen hielten es für eine gute Idee, die Mädchendusche auszuspitzeln, und unser Blondie hier hat das natürlich sofort getan.“ „Gaara fand das nicht so lustig“, erinnerte ich mich grinsend. Seine Schwester musterte mich stirnrunzelnd, sagte aber nichts dazu. Es war schon komisch, wie das alles gelaufen war. Gaara und ich waren in derselben Therapiegruppe gewesen, wodurch ich seine Geschwister kennengelernt hatte. Nachdem wir beide nicht mehr zum Kinderpsychologen gingen (ich, weil es mir besser ging, er, weil er zu einem Berater für Erwachsene wechselte), sahen wir uns seltener. Erst mit der Beziehung von Temari und Shikamaru kamen wir uns wieder näher. Die beiden hatten sich bei einer Info-Veranstaltung an der Uni kennengelernt, die sie gezwungener Maßen betreut hatten. Gaara und ich verbrachten damals wieder mehr Zeit miteinander, irgendwann zufällig in Kyûbis WG, wo Shukaku anwesend war. Der ruhige Rotschopf und sein cholerischer Freund hatten eine Weile gebraucht, um warm miteinander zu werden, aber inzwischen waren sie seit mehr als zwei Jahren zusammen. Fast so lange war ich single. „Ah, da ist er“, riss Shikamaru mich aus meinen Gedanken. Kyûbi kam über den Vorplatz auf uns zu und ich winkte begeistert. „Hier sind wir! Halloooo!“, rief ich und er kam, offensichtlich amüsiert, herüber. Sofort fasste ich ihn am Arm und deutete quengelig auf den Club. „Komm lieber noch mit rein, wo du schon da bist! Ich bin auch ganz nüchtern. Siehst du?“ Zum Beweis wollte ich mir an die Nase fassen, aber diesmal landete mein Finger fast im Auge. „Das sehe ich“, lachte mein bester Freund. „Aber es ist spät und ich bin müde. Gehen wir.” “Aber…” “Nerv mich nicht, Naruto, sonst rufe ich Tsunade an”, beendete Kyûbi mein Gebettel. Er kannte mich; käme ich ein Mal zu Wort, würde ich keine Ruhe mehr geben. So sah ich ihn nur schockiert an. „Das würdest du nicht machen!“ Aber er nahm schon sein Handy heraus. Mit einem empörten: „Verräter!“, schnappte ich danach, doch es half nichts, am Ende trottete ich neben Kyûbi zu den Parkplätzen. „Spielverderber…“ „Nur, weil du in letzter Zeit zu oft spielst.“ Darauf wusste ich nichts zu sagen. Es stimmte, in den vergangenen Wochen seit Ende des Semesters war ich oft feiern und genauso oft betrunken gewesen. Aber war das nicht normal für Studenten? Brauchte ich jetzt schon einen Anstandswauwau in Form meines besten Freundes? „Du weißt doch selbst, dass sie nicht zurückkommt, nur, weil du dich besäufst, oder?“, fragte Kyûbi, als wir in sein Auto stiegen. Wie immer wusste er genau, was in mir vorging, als säße er in meinem Kopf. „Jaa… Aber sie kommt auch nicht schneller zurück, wenn ich Trübsal blase.“ “Dann vergiss sie.” Trotzig starrte ich in die Nacht. “Sie kommt zurück, auch, wenn ihr das alle nicht glaubt. Wenn sie so weit ist, wird sie kommen.“ „Vielleicht weiß sie, dass du ohne sie besser dran bist.“ Ich wollte lautstark protestieren, aber etwas in Kyûbis Blick ließ mich innehalten. „Was genau ist zwischen euch beiden eigentlich passiert? Ich glaub dir nicht, dass da ´nichts` war.“ Er sah aus dem Augenwinkel zu mir, während die nächtlichen Straßen an uns vorbei zogen. „Das hat ja lang gebraucht.“ „Wieso sollte ich meinen besten Freunden misstrauen?“ Er lächelte matt. „Touché.“ Als ich Kyûbi auffordernd ansah, seufzte er. „Es ist nicht direkt etwas vorgefallen, mehr etwas, das ich über Sasuke erfahren habe.“ „Sherlock Kyûbi.“ Inzwischen waren wir fast bei meinen Großeltern angelangt. Wir fuhren durch den Wald, dessen Bäume sich über uns zu beugen schienen wie um zu lauschen. „Erinnerst du dich an den Drogen Professor, von dem vor einer Weile alle geredet haben?“ Ich runzelte die Stirn, sodass mein bester Freund ausführte. „Kurz vor Weihnachten war groß in den Nachrichten, dass eine Lehrperson der Uni in Drogengeschäfte verwickelt war. Er wurde suspendiert und seither hat ihn niemand gesehen, also ist wahrscheinlich etwas an den Gerüchten dran.“ Kyûbi hielt vor meinem Haus, aber ich blieb nachdenklich sitzen. Es stimmte, von der Geschichte hatte ich schon gehört. Ich erinnerte mich sogar dunkel, mit Sasuke darüber geredet zu haben, aber sie hatte gesagt, sie wüsste nichts davon. „Und du willst mir jetzt sagen, Sasuke war in die ganze Sache verwickelt?“ „Ich fürchte, ja.“ Wiederwillig verschränkte ich die Arme und sah ihn an. „Woher willst du das wissen? Bist du seit Neuestem bei der Polizei?” “Bist du seit neuestem gehässig?“, erwiderte er gelassen. „Wenn du mir sowieso nicht glaubst, erzähle ich es dir eben nicht.“ Wir starrten uns einen Moment nur an, dann nickte ich langsam. Ich wusste, dass er solche Gerüchte nicht erzählen würde, um Sasuke schlecht zu machen. Zumindest er glaubte, dass es stimmte. Ob wirklich etwas dran war, stand auf einem anderen Blatt, immerhin hatte Sasuke behauptet, sie würde den betreffenden Professor gar nicht kennen. Und ich wollte nicht glauben, dass sie mich angelogen hatte. Wieso hätte sie das schließlich tun sollen, wenn nicht, um tatsächlich eine Verwicklung in Drogengeschäfte zu verbergen? „Doch, ich glaube dir. Erzähl, was du weißt.“ “Sasuke hatte den Professor während des Studiums ein paar Mal – sie kennt ihn. Er hatte immer Interesse an ihr. Ihre Kommilitonen glauben, dieser Orochimaru hatte was mit ihrem Vater zu schaffen, aber sie hat nie irgendwas erzählt. Wundert mich immer noch, wie du dich mit ihr anfreunden konntest.“ Im Nachhinein fragte ich mich das selbst. Und jetzt, wo ich Sasuke nicht mehr sah, fragte ich mich, ob sie mich nicht nur hingenommen hatte, weil sie mich nicht mehr losgeworden war. Jetzt hatte sie einen Grund, mich abzuschießen, und den hatte sie genutzt. Vielleicht hatte dieser Grund sogar etwas mit dem zu tun, was Kyûbi mir gerade erzählte… „Und weil ihr Prof einen Nebenjob als Dealer hatte, hängt Sasuke zwangsläufig mit drinnen?“, hakte ich nach, da ich nicht glauben wollte, dass Sasuke in solchen Kreisen verkehrte. Nicht meine pingelige, korrekte Sasuke. „Nicht deswegen, aber es gibt andere Hinweise.“ „Und die hast du woher?“, fragte ich misstrauisch, womit ich wohl eine wunde Stelle erwischte, denn Kyûbi runzelte die Stirn. „Ich kenne Leute, die Leute kennen…“ „Und du kennst mich. Warum hast du mir nicht vorher davon erzählt? Ich habe dir gesagt, dass Sas Probleme hat. Was, wenn sie in einen Drogensumpf gerät? Was, wenn…?“ „Besser sie als du“, fuhr mein bester Freund dazwischen, wobei er mich jedoch nicht ansah. „Ich weiß, wie sehr du dich in sowas reinsteigerst – du fängst schon damit an. Aber wenn Sasuke wirklich Drogen nehmen will, wird sie das tun, und du kannst es nicht verhindern. Genau das würde dich kaputt machen; diese Unvermeidbarkeit.“ „Also lieber nichts tun?“ “Genau das wollte sie doch.” Kyûbi erwiderte meinen wütenden Blick unbeeindruckt. „Was auch immer sie tut, sie wollte es alleine machen… Und du hast Recht; sie könnte Drogen nehmen. Sie könnte einen Entzug machen. Sie könnte ihren eigenen Dealer angezeigt haben. Sie könnte im Gefängnis sein… Alles könnte mit ihr sein, und es geht dich nichts an, weil sie dir gesagt hat, dass du sie in Ruhe lassen sollst.“ „Es geht mich sehr wohl etwas an. Sie ist meine Freundin“, erwiderte ich kühl, woraufhin er seufzte. „Da bin ich mir nicht so sicher… Obwohl sie wohl das Beste für dich wollte, als sie gegangen ist.“ „Glaubst du, ja? Und du hast ihr nicht geraten, dass zu gehen ‚das Beste‘ wäre?“ „Nein. Ich weiß, wie viel sie dir bedeutet hat. Sasuke hat sich selbst gegen eure Freundschaft entschieden, so gern du das jemand anderem in die Schuhe schieben willst.“ „Ich will nicht…“, fing ich an, brach aber ab, als unsere Blicke sich trafen. Er hatte ja Recht. „Tschuldige.“ Mein bester Freund zuckte nur die Schultern. “Versteh schon.” “Und… Was ist mit dir? Woher kennst du Leute, die über sowas Bescheid wissen?”, wollte ich besorgt wissen. Wir saßen noch immer im Auto. Inzwischen war der Motor abgekühlt und Kyûbis Atem hinterließ kleine Wölkchen in der Luft, als er lächelte. Seine dunkelgrünen Augen hatten etwas Undurchdringliches, wirkten fast schwarz im Licht der Straßenlaternen. „Nicht jeder ist so ein braver Junge wie du, Naruto.“ „Nicht beruhigend, Alter. Wenn du Probleme hast...“ „Keine Sorge, ich hab nie was angerührt und es auch nicht vor“, sagte er leichthin. Ich fühlte mich nicht leicht. „Kenne ich diese ‚Leute, die du kennst‘?“ „Nein“, antwortete Kyûbi düster. „Und das ist gut so. Du kannst nicht jeden retten.” Das verstand ich nicht, aber ich vermutete, dass ich nicht mehr aus ihm herausbringen würde. Irgendwie fühlte ich mich jetzt allerdings komisch dabei, ihn gehen zu lassen, also fing ich an: „Kannst du…?“ Noch bevor ich ausgeredet hatte, seufzte Kyûbi und schnallte sich ab, um mit mir ins Haus zu gehen. „Wehe, du kuschelst dich wieder an mich.“ Ich lächelte, stieg aus und ging mit meinem besten Freund nach drinnen. Der Gedanke an Sasuke im Zusammenhang mit Drogen ließ mich natürlich nicht so leicht los, und ich nahm mir vor, an einem anderen Tag mehr dazu zu fragen. Sasuke Es war ein strahlend schöner Tag, an dem nur vereinzelte Wölkchen über den Himmel trieben. Sogar die wirkten träge, weshalb ich verstand, dass Suigetsu wenig Lust hatte, Kisten zu schleppen. Karin sah das anders, denn sie piesackte ihn heute besonders. Ihre Zankereien hallten durchs Treppenhaus, und ich war froh, als die Tür hinter mir zufiel und ihre Stimmen einsperrte. Missbilligend blinzelte ich in den Himmel. Etwas weniger hell hätte es schon sein können, aber es war immerhin Sommer, und das mit der Sonne hatte der Sommer eben so an sich. Unwillkürlich dachte ich an den letzten Sommer, den ich fast ausschließlich mit einem gewissen Blondschopf verbracht hatte. Nicht zu fassen, dass das schon ein Jahr her war – und dass ich ihn so lange nicht gesehen hatte. Über ein halbes Jahr, und noch immer dachte ich an ihn, vermisste ihn. Ich hatte gedacht, diese Gefühle würden irgendwann von selbst weggehen, wie ein Schnupfen, doch das waren sie nicht. Genervt von mir selbst ging ich zum Transporter, in dem meine Möbel verstaut waren. Viel war nicht mehr darin von dem wenigen, das ich aus dem Haus meines Vaters mitgenommen hatte; ein Schrank, Kleidung, meine Couch, Computer, Fernseher und – am wichtigsten – meine Bücher. Suigetsu war nicht müde geworden, sich über meine ´Privatbibliothek` zu beschweren, während wir Kiste um Kiste nach oben geschleppt hatten. Tatsache war, dass sie das einzige war, das mir tatsächlich wichtig war, mal abgesehen von dem neuen Bett, das sich schon in die Ecke meines Schlafzimmers duckte. Vater hatte gesagt, es sei Geldverschwendung, wo mein altes Bett noch gut war, aber ich hatte darauf bestanden. Am Ende hatte meine Großmutter mir die neue Schlafstätte geschenkt, genauso wie einen großen, klobigen Ohrensessel, der jetzt vor der Wand mit den Büchern stand und darauf wartete, bei einem Lesenachmittag eingeweiht zu werden. Aber zuerst musste ich die Wohnung fertig einrichten, deshalb schnappte ich mir eine der letzten Kisten aus dem Van. Vor dem Auto traf ich Karin, die nach dem Karton griff, um mir zu helfen. Ich hätte das Gewicht alleine tragen können, aber für sie wäre eine eigene Kiste zu schwer, also ließ ich sie zugreifen. „Es freut mich, dass du so eine schöne Wohnung gefunden hast. Und es ist wirklich praktisch, wegen der Uni“, plauderte meine Freundin munter drauf los. „Obwohl es mich schon überrascht hat, dass du so plötzlich ausziehen wolltest. Ich meine, euer Haus ist toll, und neben der Uni einen Haushalt zu führen und zu arbeiten, ist stressig.“ „Du schaffst es auch.“ Wir manövrierten an einer engen Stelle im Treppenhaus vorbei. Karin runzelte die Stirn und gab zu bedenken: „Ja, weil ich muss. Meine Eltern wohnen nicht hier, aber ich wollte unbedingt an die hiesige Universität. Aber du hast deine Familie gleich vor Ort und willst trotzdem alleine wohnen.“ Jetzt näherten wir uns dem Kern von Karins kleinen Vortrag; sie hatte angeboten, mit mir zusammenzuziehen, was ich abgelehnt hatte. Ich wollte alleine wohnen, und davon abgesehen, dass Karin mich vermutlich nach ein paar Tagen genervt hätte (es lag nicht an ihr; ich ertrug Menschen generell nur in kleinen Dosen), wäre ich eine schlechte Mitbewohnerin. Ich war pedantisch, was Ordnung anbelangte, empfindlich gegenüber Lärm (und sie war eine laute Person) und reizbar. Ich mochte es, alleine zu sein, während Karin es, wieso auch immer, mochte, in meiner Gesellschaft zu sein. Nein, es wäre nicht gut gegangen, wären wir zusammengezogen. Davon abgesehen, dass ich lernen wollte, alleine zu Recht zu kommen. „Wir hatten familiäre Probleme“, erklärte ich nüchtern, während ich die Wohnungstür mit dem Ellbogen öffnete. Ich wollte weitergehen, wurde aber von Karin aufgehalten, die mich anstarrte wie das achte Weltwunder. Ungeduldig runzelte ich die Stirn. „Was?“ „Nichts, ich… Du hast nur noch nie irgendwas von deiner Familie erzählt, außer, dass du mit deinem Vater und Bruder zusammen wohnst.“ Jetzt war es an mir, überrascht stehenzubleiben. Sie hatte Recht – ich erzählte nicht von meinem zu Hause, aus Sorge, jemand könnte erraten, was dort vorging. Naruto war die Bestätigung für diese Vorsicht, und doch plapperte ich vor mich hin, völlig ohne Grund. Was ging es Karin schließlich an, wie unser Familienleben aussah? Natürlich bemerkte sie meine Stimmung, als wir die Kiste in der Küche abstellten. Mit uns, dem Karton und den Schränken war der Raum fast voll, und wir standen uns unangenehm nah. „Sei nicht böse. Ich bin froh, dass du in den letzten Monaten offener geworden bist“, erklärte Karin, der ich nicht entkommen konnte. Ich ließ mir meine Nervosität nicht anmerken, sah aber zur Tür hinter ihrem roten Haarschopf. „Na dann“, erwiderte ich unzusammenhängend und schob mich an ihr vorbei, sodass ich auf dem Flur stand. Ich atmete tief durch, schloss für einen Moment die Augen, um mich zu fangen. Dann war Karin neben mir, die sich entschuldigte, bis ich sagte: „Wo sind Suigetsu und Juugo?“ Karin war deren Abwesenheit nicht aufgefallen. Sie blinzelte verdutzt, sah sich um, als hätte sie einen Zweimetermann wie Juugo oder einen Schreihals wie Suigetsu in der winzigen Küche übersehen können. „Uhm, unten, schätze ich?“ In dem Moment klingelte es an der Tür. Ein wenig überrascht öffnete ich und sah mich einem Pizzaboten gegenüber. Er lächelte und mein Herzschlag beschleunigte sich drastisch; er hatte azurblaue Augen… „Hi, bin ich richtig bei Uchiha?“, fragte er mit leichtem, undefinierbarem Akzent. „Ja… Aber ich habe nichts bestellt“, antwortete ich, froh, dass man mir meine Gefühle nie an der Stimme anhörte. Er hatte zwar schwarze Haare, aber was sollten diese verwirrenden Augen…? Sein Lächeln schwand, trotzdem blieb er höflich, als er meine Adresse vorlas. „Hm, das ist komisch…“ „Ein schlechter Scherz.“ Ich zuckte die Schultern und strich mir das inzwischen schulterlange Haar aus den Augen. „Wäre es wirklich… Willst du nicht wenigstens eine?“, fragte er und grinste, als ich wissen wollte, ob er sie sonst zahlen müsste. „Nein, aber du siehst aus, als könntest du eine Pizza vertragen… Oder alle vier.“ „Witzig“, erwiderte ich trocken. „Findest du nicht? Schade eigentlich.“ Der Pizzabote wirkte unbeeindruckt von meiner Kritik. Er sah auf die Uhr und wieder zu mir. „Na ja, wenn du sie nicht willst, mach ich eben eine Pause und ess was.“ „Geht das so leicht?“ Er zuckte die Schultern. „Nochmal verkaufen können wir sie nicht, und wegwerfen wäre schade.“ Da hatte er Recht. „Was für Sorten sind es?“, wollte ich in der Hoffnung wissen, eine vegetarische wäre dabei. Die hätte ich ihm ja abnehmen können. „Schinken, Funghi, Regina und vier Jahreszeiten“, antwortete jemand hinter mir. Suigetsu schlenderte mit breitem Grinsen aus dem Wohnzimmer. „Ich war so frei, uns Mittagessen zu bestellen. Du zahlst, Sas.“ „Nenn mich nicht so“, murrte ich und wandte mich wieder dem Lieferanten zu, der Suigetsu musterte und dann (eine Spur erleichtert?) Juugo, der ebenfalls aus dem Nebenraum kam und die Pizzakartons an sich nahm. „Sieht aus, als wäre das doch bestellt“, merkte ich an und ging meinen Geldbeutel aus der Küche holen. „Schade, ich hatte mich schon auf meine Pause gefreut!“, grinste der Pizzabote und zwinkerte mit seinen Azur-Augen. „Hängt dir die Pizza nicht schon zum Halse raus?“ Er zog irritiert die Brauen hoch. „Hallo? Wir reden von Pizza!“ „Wer hat je genug von Pizza?“, stimmte Suigetsu zu, der den Kopf schüttelte, als habe ich die Grundlagen der Welt nicht begriffen. „Hm… Gut für dich“, sagte ich, dann schloss ich die Tür vor dem Lieferanten, um mit meinem Freund ins Wohnzimmer zu gehen. Die anderen hatten es sich auf der Couch bequem gemacht, und ich zog meinen Sessel näher zu ihnen. Das war es dann auch an Sitzgelegenheiten, sodass Suigetsu sich mit dem Boden begnügen musste. Er beschwerte sich lautstark, während er die Pizza verteilte. Irgendwie schaffte er es, den mangelnden Sitzplatz auf Karin zu schieben, woraufhin die beiden ihrer Lieblingsbeschäftigung nachgingen; streiten. Es war alles wie immer, und doch irgendwie neu. So eine Versammlung hatte es in meinem alten zu Hause nie gegeben. Natürlich hatte ich die drei nicht eingeladen, um Pizza zu essen, aber es störte mich nicht, dass sie es taten. „Übrigens… Deine Diskussion mit dem Lieferjungen war zu schießen“, merkte Suigetsu an mich gewandt an, als Karin beleidigt wegschaute. „‘Ich hab das nicht bestellt‘“ – meine Stimme klang in seiner Nachmache lächerlich hoch – „‘Aber ich hab hier den Lieferschein!‘ ‚Aber ich hab es nicht bestellt‘ ‚Ok, ok, wenn du mir deine Möpse zeigst, musst du nicht zahlen.‘“ Er wollte weiterreden, aber Karins Pizzastück klebte urplötzlich in seinem Gesicht und hielt ihn davon ab. „Du bist unmöglich!“, keifte die Rothaarige, die sich ein neues Stück nahm und versuchte, dieses in Suigetsus Gesicht zu werfen. Dieser fing ihre Hände ein und hielt sie fest. „Es war ja wohl offensichtlich, wie sie mit dem geflirtet hat!“, stichelte er weiter, während das erste Pizzastück langsam seine Backe runterrutschte. Ich warf Juugo einen Blick zu, der Karin an der Hüfte packte und sie wieder neben sich auf der Couch drapierte, als wäre sie eine Puppe. „Genug“, sagte er ruhig und ich dachte schon, das Thema wäre erledigt, als er fortfuhr: „Sasuke kann flirten, mit wem sie will.“ Beinahe wäre mir das Wasserglas aus der Hand gefallen. Ich hatte mit niemandem geflirtet! Wie kamen sie überhaupt darauf? Nur, weil der Lieferjunge tiefblaue Augen gehabt und ich mehr als zwei Worte mit ihm geredet hatte… Karin regte sich weiter auf und stritt mit Suigetsu, aber wir redeten auch über allgemeine Themen wie die Wohnung, Uni und Arbeit. Und es war schön, ich fühlte mich wohl. Hätte da nur nicht etwas gefehlt. Naruto Aus der Küche waren Trubel und Gelächter zu hören. Irgendjemand, vermutlich Kiba, beklagte sich laut über untragbare Arbeitsverhältnisse, und jemand anderes, wahrscheinlich Sakura, belehrte ihn ungefragt über die Arbeitsumstände in Entwicklungs- und Schwellenländern. Bei mir ging es ruhiger zu. Ich stand auf dem Balkon und blickte über die Hänge des Berges hinweg aufs Tal. Die Lichter der Stadt sprenkelten die Dunkelheit wie Sterne, während die direkte Umgebung der Hütte in Dunkelheit lag. 50 Meter entfernt verschluckte der Wald das restliche Licht. Es war wunderschön. Die Hütte, in der ein Großteil meiner Freunde Urlaub machte, lag mitten auf dem Hang eines Berges. Es gab einen holprigen Pfad für Autos, aber die meisten von uns waren hochgewandert. Nur Ino und Sai, die seit Neuestem liiert waren, hatten Koffer und Vorräte mit einem Wagen hochgebracht. Das war vor drei Tagen gewesen, und morgen würden sie denselben Weg zurücknehmen. Ich fand es schade, dass der Urlaub schon vorbei war. Die Zeit war wie in einer Art Parallelwelt verlaufen, in der sich jeder gut verstand und man nie alleine war. Besonders letzteres liebte ich an den Bergurlauben mit meinen Freunden. Egal, ob wir wanderten, kochten, spielten oder einfach nur vor dem Kamin redeten, man hatte immer Menschen um sich, die man liebte. Dieses Jahr waren wir zehn; Ino und Sai, Sakura, Neji und Tenten (die wieder zueinandergefunden hatten), Kyûbi, Hinata und Kiba, Shino und natürlich ich. Der Rest hatte zeit- oder geldtechnisch nicht mitgekonnt. Und eine ganz spezielle Person redete jetzt bereits seit Januar nicht mehr mit mir. Der Gedanke an Sasuke war es, der mich in die Einsamkeit des Balkons getrieben hatte. Wir hatten damals über Urlaub in den Bergen geredet und sie hatte angedeutet, mitkommen zu wollen. Stattdessen war sie ich-weiß-nicht-wo und tat ich-weiß-nicht-was. Davon abgesehen, dass ich mir Sorgen um sie machte, vermisste ich sie. Wenn ich andere Pärchen unserer Gruppe sah, wünschte ich mir, Sasukes Hand halten, sie küssen oder bei ihr schlafen zu können. Mit ihr reden hätte für den Anfang gereicht. Ich wollte wissen, ob sie erreicht hatte, was sie wollte, ob es ihr gut ging… Und ob sie mich vermisste. Inzwischen war April und ich hatte nichts von Sasuke gehört. Am liebsten wäre ich zu ihr gefahren und hätte gefragt, was los war. Ob alles ok war, sie Hilfe brauchte. Ob sie mich nie wieder sehen wollte. Warum sie ihr Leben über den Haufen werfen wollte, ausgerechnet, nachdem wir uns geküsst hatten. Aber ich hatte versprochen, ihr Zeit zu geben, und das würde ich tun, so schwer es mir fiel. Die Balkontür öffnete sich und Sakura kam zu mir. „Hey, du könntest ruhig in der Küche helfen!“ „Du drückst dich doch selbst“, grinste ich zurück. Sie zog ihren flauschigen Wollmantel enger um sich und schmunzelte ins Tal. „Ino und Sai sind gerade wieder sehr verliebt…“ „Da wäre ich auch geflüchtet“, stimmte ich zu und wir lachten. Danach schwieg Sakura kurz nachdenklich, ehe sie fragte: „Was hältst du von den beiden als Paar?“ Ein wenig überrascht stieß ich die Luft zwischen den Zähnen aus. „Sie wirken glücklich, oder?“ Sakura verdrehte die Augen. „Sie sind seit drei Wochen zusammen, natürlich sind sie glücklich. Aber meinst du, das wird länger halten?“ Darüber musste ich erst nachdenken. „Na ja, Sai ist ein komischer Vogel, aber das weiß Ino ja… Wieso fragst du? Wolltest du was von ihm?“ „Idiot!“, schimpfte sie und boxte mich gegen den Arm, bevor sie sich das Haar aus den Augen strich und auf die Wiese vor dem Haus blickte, die tagsüber in saftigem Grün erstrahlte. „An Sai bin ich nicht interessiert…“ Ich grinste und knuffte sie gegen den Arm. „Aber an jemand anderem? Erzähl mir alles!“ Sakura wurde rot und funkelte mich böse an. “Du bist wirklich so ein Trottel, Naruto Uzumaki.” Lachend legte ich den Arm um ihre Schulter und küsste ihre Stirn. „Das weißt du doch.“ Sie murrte, löste sich aber nicht von mir, sondern tastete im Gegenteil nach meiner Hand, die ihr locker über die Schulter hing. „Meine Güte, du hast ja eiskalte Finger!“, rief sie und rieb selbige, um sie zu wärmen. „Wie lange stehst du schon hier?“ „Mach dir keinen Kopf, ich werde nie krank“, beschwichtigte ich, wofür ich einen tadelnden Blick kassierte. „Du musst es nicht herausfordern.“ „Ich schätze nicht… Aber das Essen dürfte eh gleich fertig sein.“ „Ist Essen alles, was dich interessiert?“ „Kann sein“, zwinkerte ich und Sakura lachte. Mein Blick schweifte wieder über die nächtliche Landschaft. „Schade, dass wir abreisen. Es ist schön, alle um sich zu haben“, gestand ich leise. „Aber auch anstrengend“, merkte Sakura an, wozu ich die Schultern zuckte. „Wenn ich könnte, würde ich mit allen Freunden und Verwandten eine riesige WG gründen. Man würde immer zusammen kochen, wüsste alles übereinander…“ „Wäre nie alleine“, wiedersprach meine Freundin. „Und ist das so schlecht?“, fragte ich, denn ich war ungern alleine. Die Stille missfiel mir, weshalb mir Musik so wichtig war. Außerdem hatte ich immer das Gefühl, Leute würden nie wieder kommen, wenn sie sich mal verabschiedet hatten. „Ich weiß nicht. Ich bin gerne ab und zu alleine.“ Sakura runzelte die Stirn nachdenklich. „Vor allem, wenn man sich gestritten hat, hat man so einen Rückzugsort.“ „Dann streitet man eben nicht.“ Sie sah zu mir hoch und legte den Arm um meine Mitte, die Stirn an meine Brust gelehnt. „Du hast gerade wieder so eine Phase, in der du dich an jeden klammerst… Aber die, die es wert sind, sich Sorgen zu machen, würden dich nie alleine lassen, Naruto. Jeder, der deine Freundschaft nicht wertschätzt, ist selber schuld.“ „Aber… Ich war nicht für sie da…“, wiedersprach ich leise, denn es war offensichtlich, dass Sakura auf Sasuke anspielte. „Irgendwas hätte sie gebraucht, und ich weiß nicht mal jetzt, was es war.“ Sakura löste sich aus meinem Arm, trat einen Schritt zurück und zog den Mantel enger um sich. „Sie will deine Hilfe nicht. Versteh das doch endlich. Du kannst nicht jeden retten – das musst du auch nicht. Lass… lass es einfach hinter dir. Das wäre besser für dich, als ständig auf sie zu warten.“ „Ich will nicht so leicht aufgeben. Vielleicht…“ „Da gibt es kein ‚vielleicht‘, Naruto, es ist vorbei. Akzeptier das endlich! Du nervst alle mit deinem Gejammer.“ Überrascht und verletzt sah ich sie an, bis Sakura wieder ruhiger wurde. Unbehaglich fuhr sie sich durch die Haare. „Das… Ich… Du verstehst einfach nicht…“ “Ja… Wahrscheinlich bin ich so dumm, wie du immer sagst, Sakura-chan”, lächelte ich traurig und ging zur Tür. Sie fasste nach meinem Arm, hielt mich auf. „So war das nicht gemeint.“ „Doch, war es. Und es stimmt ja, ich lasse viel mit mir machen, verzeihe leicht… Das liegt daran, dass meine Freunde mir die Welt bedeuten und ich keinen von euch verlieren will. Aber versteh das nicht falsch. Nur, weil du über mich sagen darfst, was du willst, heißt das nicht, dass du über andere Freunde von mir schlecht reden kannst.“ „Das wollte ich nicht. Ich mag Sasuke-kun. Nur…” Sie zögerte, sah zu Boden, dann wieder zu mir. „Wir machen uns alle Sorgen. Ich mache mir Sorgen. Das mit ihr ist seit Monaten vorbei und du scheinst einfach nicht darüber hinweg zu kommen. Dabei wart ihr nicht mal zusammen.“ Inzwischen war ich mir nicht mehr sicher, ob wir das nicht doch gewesen waren, aber das sagte ich Sakura im Moment lieber nicht. „Es gibt einfach Dinge, über die man nicht hinweg kommt. Und ich will das auch gar nicht. Sie hat gesagt, sie kommt wieder, also warte ich.“ „Vielleicht. Sie hat gesagt, sie kommt vielleicht wieder. Willst du darauf warten?“ „Ja“, sagte ich fest. Sakuras Gesicht wurde härter und sie wandte sich ab. „Schön. Dann versauer doch in deiner Traumwelt, wenn du die Realität nicht sehen willst“, fauchte sie und stürmte nach drinnen. Das war das letzte Mal, dass ich sie in diesem Urlaub sah. Sasuke Das Haus lag da wie ein Zeitreisender. Dunkles Holz verkleidete das einstöckige Gebäude und kühler Wind wehte durch das akkurat gekürzte Gras. Auf der Terrasse standen die Gartenmöbel. Gegen den Frühlingsregen waren sie von einer Plane geschützt, wodurch das Haus verlassen wirkte. Mein zu hause. Von dem Anblick wurde mir schlecht. Ich schluckte das mulmige Gefühl herunter; ich hatte gesagt, ich würde zu Besuch kommen, also würde ich das tun. Fugaku hatte mir den Hausschlüssel beim Auszug abgenommen, sodass ich klingeln musste. Kurz darauf war das Surren zu hören, mit dem sich die Tür öffnete, und ich drückte gegen den Stahlzaun, um auf den kiesbestreuten Vorplatz zu gelangen. Die Haustür öffnete sich, aber heraus trat weder mein Vater noch mein Bruder, sondern eine kleine, ältere Frau mit großem Busen, die mir zunickte. „Fräulein Uchiha.“ „Guten Abend“, grüßte ich, höflich, obwohl es irritierend war, so direkt von einer Person angesprochen zu werden, die ich noch nie gesehen hatte. Sie musste wohl die Haushälterin sein, die mein Vater eingestellt hatte als ich ausgezogen war. Während die Dame das Grundstück verließ, betrat ich das Haus durch die von ihr offen gelassene Tür. Natürlich wartete meine Familie nicht im Flur, dafür aber flauschige Pantoffeln, in die ich schlüpfte, ehe ich das Haus betrat. „Vater?“ „In der Küche“, kam die Antwort aus selbiger, und als ich zu Fugaku stieß, sah ich, dass die Haushälterin sich um das Abendessen gekümmert hatte. Ein üppiges Mahl aus Vor- und Hauptspeise köchelte auf dem Herd, und auf dem Tisch stand bereits der Salat. Itachi und unser Vater standen in ihren Anzügen in der Küche wie vor einem Geschäftsessen, und ebenso steif reichte Fugaku mir die Hand. „Schön, dass du die Zeit gefunden hast.“ „Vielen Dank für die Einladung.“ „Setzt dich“, befahl er, und ich gehorchte. „Was trinkst du?“ „Wasser, bitte.“ Noch nie war ich mir irgendwo so fremd und fehl am Platze vorgekommen wie in der Küche meiner Familie in diesem Moment. In die Stille hinein hörte ich mein eigenes Schlucken als ich an dem Wasser nippte, welches mein Vater mir hingestellt hatte. „Und, Sasuke“, brach Itachi schließlich das Schweigen, während er allen Salat auftat. „Ist deine Wohnung bisher, wie du es dir vorgestellt hast?“ „Es ist… Sehr ruhig“, antwortete ich, nur einen kurzen Blick zu ihm wagend. Ich hatte nicht gemerkt, wie leicht ums Herz mir in den letzten Wochen, in denen ich meinen Bruder nicht gesehen hatte, gewesen war. Jetzt war es, als drücke ein unsichtbares Gewicht mir die Schultern nach unten. Aber ich wollte das nicht, dachte ich, und richtete mich bewusst wieder auf. Ich würde nicht von Itachis bloßer Präsenz zerstören lassen, was ich so mühsam repariert hatte. Ich war stark genug, seine Anwesenheit zu ertragen, und um mir das zu beweisen war ich hier. „Nächste Woche wird noch ein Schrank geliefert, dann habe ich alles“, fuhr ich fort, um die Stille zu vertreiben. „Itachi wird dir helfen, ihn aufzubauen“, bestimmte mein Vater, und ich wäre fast vom Stuhl gefallen. So viel zu ´stark genug`. „Nein“, japste ich, ich will ihn nicht an meinem Rückzugsort. Als die beiden mich fragend ansahen, saugte ich mir eine Erklärung aus den Fingern. „Ich… Suigetsu und Juugo haben sich schon angeboten. Wir schaffen das.“ „Na gut“, stimmte Fugaku wenig begeistert zu, dann wandte sich das Gespräch anderen Themen, vorrangig der Arbeit, zu. Sobald wir nicht mehr über mich sprachen, wurde mein Vater gesprächiger, überraschte mich sogar, indem er sagte: „Bald solltest du als studentische Hilfskraft in der Firma anfangen. Ich denke, zuerst in den Laboren und dann in den Abteilungen der Büros. Dafür dürften deine Kenntnisse in der BWL mittlerweile genügen, nehme ich an?“ Ein halbes Semester vor dem Bachelor nahm ich das auch an, aber da ich andere Pläne hatte, die ich ihm noch nicht offenbaren wollte, nickte ich nur. „Ja, Vater.“ „Gut. Dann wirst du in den Semesterferien anfangen. Schick deine Bewerbung an die Personalabteilung. Es wird sowieso Zeit, dass man dich in der Firma kennt.“ Damit spielte er wohl auf meinen letzten Besuch an, und ich fragte mich, ob die damalige Sekretärin ihren Job noch hatte. Falls nicht, hielt sich mein Mitleid in Grenzen. „Dann wird die Familie diesen Sommer zusammenarbeiten“, stellte Itachi fest. Er schob sich lächelnd den letzten Bissen in den Mund, kaute gewissenhaft und legte sein Besteck beiseite. „Das wird sicher sehr produktiv.“ Das wäre ein Grund, das Praktikum sofort abzusagen. Mein Vater wirkte gerade so zufrieden, dass ich den Frieden nicht stören wollte – Außerdem war ich es nicht gewohnt, in diesem Haus zu wiedersprechen. Das war der Grund, aus dem ich Fugaku im Büro von meinem Auszug erzählt hatte; dort waren unsere Machtverhältnisse nicht so festgefahren. Aber leider hatte ich für diesen Sommer – und für die künftigen – andere Pläne, weshalb ich mich räusperte. „Was das angeht, Vater… Ich habe bereits eine Arbeit für den Sommer.“ „So?“ Fugaku war scheinbar so überrascht, dass er keine Details erfragte, was mein Glück war. Ich log nicht unbedingt gerne, obwohl ich es gut konnte. „Genau genommen arbeite ich bereits in der Firma. Meine Vorgesetzten sind sehr zufrieden.“ „Natürlich“, erwiderte er; für einen Uchiha gab es keine andere Möglichkeit. Kurz sah er nachdenklich aus, dann nickte er. „Du kümmerst dich um deine Angelegenheiten, das unterstütze ich. Wir werden einen anderen Termin für deine Arbeit in der Firma finden.“ Das bezweifelte ich, doch um des lieben Frieden Willens sagte ich nicht mehr – zumindest fürs erste. Das Gespräch drehte sich weiterhin vorrangig um die Arbeit. Unser Vater plante meine Einführung in das Unternehmen, und für eine Weile glaubte ich, dass mein Auszug tatsächlich dazu geführt hatte, unsere Beziehung zu verbessern. Wenn ich jeden Monat ein Mal herkam und die Stimmung so wie jetzt war, war das alles, worauf ich gehofft hatte. Als jedoch der Nachtisch verspeist war und wir abräumten, merkte Fugaku an: „Es ist spät. Du solltest hier schlafen“, und meine ganze Entspanntheit war dahin. „Es ist nicht weit. Ich werde gehen“, wiedersprach ich möglichst beherrscht. „Wie du meinst. Itachi, begleite deine Schwester“, befahl mein Vater, womit er endgültig Übelkeit in mir hervorrief. Mein Bruder erhob sich, doch plötzlich war ich nicht mehr fähig, mich zu rühren. Ich wollte nicht alleine mit ihm sein, und schon gar nicht wollte ich ihn auch nur in der Nähe meiner Wohnung. Meines wahren zu Hauses. Ich wollte einen Bruch zwischen dem, was hinter mir lag, und meinem neuen Leben, und plötzlich fragte ich mich, wieso ich überhaupt hier war. Diese ´Familie` war giftig, akzeptierte nur, wer funktionierte, was ich nicht tat, weil sie mich kaputtgemacht hatten. Das alles wusste ich, also wieso war ich hier? „Sasuke?“, sprach Fugaku mich irritiert an und meine angespannten Schultern sanken herab. Ach ja. Deshalb war ich hier; ich war abhängig von ihm. „Das ist nicht nötig. Wenn du darauf bestehst, bleibe ich“, gab ich nach, worüber Itachi lachte. „So unentschlossen wie eh und je, mein Schwesterherz. Das habe ich vermisst“, behauptete er und ging zur Tür. „Ich beziehe dein Bett.“ So war ich alleine mit meinem Vater. Man sah ihm sein Unbehagen so wenig an wie mir meines, doch seine Konversationsversuche sprachen Bände. „Deine neue Wohnung gefällt dir?“ „Ja.“ „Deine Nachbarn?“ „Ruhig.“ „In der Universität?“ „Ich bin sicher, die Prüfungen werden gut laufen.“ „Dieser Junge?“ Ich stockte, blinzelte und spannte nervös die Schultern an. „Junge?“ „Dein Freund, nehme ich an, nachdem du bei ihm geschlafen hast.“ Darauf wusste ich nichts zu sagen. Nie im Leben hätte ich damit gerechnet, dass Fugaku dieses Thema von sich aus anschneiden würde, und dann hatte er es so interpretiert. „Ich… Nein. Wir… Sehen uns nicht mehr.“ Aber ich wollte. Mehr als alles andere, besonders in diesem Moment, wollte ich nichts lieber, als bei Naruto zu sein. „Gut.“ Mein Vater lehnte sich zurück und entspannte die Schultern. „Ich denke nicht, dass er für dich geeignet wäre. Du solltest wieder Firmenfeiern besuchen. Dort könntest du…“ „Werde ich aber nicht“, unterbrach ich, giftiger als geplant. Unsere Blicke trafen sich und vielleicht zum ersten Mal wandte ich mich nicht ab. Ich hatte seine Augen; sie waren genauso stark. Schließlich nickte Fugaku knapp. „In dieser Sache werden wir uns nicht einig. Aber das ist hinfällig, wenn ich euch nicht mehr trefft.“ „So ist es.“ „Worüber redet ihr?“, fragte Itachi, der gerade zurückgekehrt war. „Nichts Wichtiges.“ Ich stand auf und räumte mein Glas in die Spülmaschine zum restlichen Geschirr, das mein Bruder zuvor schon aufgeräumt hatte. „Ich bin müde. Ihr entschuldigt mich.“ Sie wünschten mir eine gute Nacht und ich ging, schwer bezweifelnd, ob es eine ´gute Nacht` werden würde, in mein Zimmer. Ich hatte weder den Raum, noch die Erinnerungen, die daran klebten wie Gift, mitnehmen wollen. Bei seinem Anblick kehrte die alte Übelkeit zurück und erneut fragte ich mich, wieso ich hier war. Ich hatte ein neues, richtiges zu Hause. Wieso fühlte ich mich dem alten verpflichtet? Woher kam diese Stimme in mir, die sagte, ich sei selbst schuld daran, dass wir nie eine Familie gewesen waren? Hartnäckig redete sie mir ein, ohne mich seien Itachi und Fugaku und Mikoto glücklich gewesen. Und jetzt war ich gekommen um zu sehen, dass es nicht so war. Denn obwohl auch ich alleine glücklicher war, wollte ich nicht für die letzten zwanzig Jahre verantwortlich sein. Für die Verbitterung meines Vaters. Für den Zorn meines Bruders. Für mein eigenes Leid. Es musste Itachis Schuld sein, sonst könnte ich mich nicht mehr selbst ertragen. Wenn es aber seine Schuld war, wüsste ich nicht, wie er sich ertrug. Wahrscheinlich tat er es, indem er mich verantwortlich machte. Aber was, wenn ich dasselbe tat? Wenn ich wirklich selbst schuld war an allem und es Itachi nur zuschob, um mich nicht damit auseinandersetzen zu müssen? Meine Finger zitterten, als ich mir das Shirt über den Kopf zog. Das hatte ich hinter mir gelassen. Es war vorbei, Itachi hatte keine Macht mehr über mich. Er hatte nicht mal viel gesagt beim Abendessen. Trotzdem sperrte ich die Tür zu, bevor ich mich ins Bett legte, und ich war mir unangenehm bewusst, dass er die Laken angefasst hatte. Ein unerklärliches Jucken hielt mich wach, bis ich mich wie unter Schüttelfrost fühlte. Die Dunkelheit schien mit mir zu reden, aber ich konnte nichts verstehen, weil ich mir einbildete, Schritte auf dem Flur zu hören. War er dort? Bewegte sich nicht die Türklinke? Aber er konnte nicht rein, ich hatte abgesperrt. Muss er denn durch die Tür? Ruckartig setzte ich mich auf und sah mich um, aber da war nichts. Das Haus schlief, und das sollte ich auch tun. Ein Blick auf mein Handy zeigte, dass es bereits nach zwei war. Als das Display ausging, kroch die Dunkelheit zurück ins Zimmer, und mit ihr die Stimme. Glaubst du, er ist weg? Oder wird es je sein? Ich hörte ein kaltes Lachen in meinem Kopf und wusste plötzlich, dass genau das mein Problem war; mein Kopf. Und was bringt dir diese Erkenntnis? Ich bin immer noch da. „Nein.“ Ich stand auf, weil ich auch unsichtbare Feinde nicht liegend im Bett bekämpfte. „Ich bin alleine.“ Aber du hörst mich. Vielleicht werde ich verrückt, dachte ich, und die Stimme lachte. Ein Beweis deines Intellekts, das zu bemerken, während du mit dir selbst redest. Ich öffnete das Fenster, ließ mir das Gesicht von der Luft kühlen, doch das änderte nichts an dem schabenden Geräusch, das ich mir vor der Tür zu hören einbildete, oder an dem imaginären Dreck im Bett, der mich wach hielt. Vielleicht hatte die Stimme Recht. Ich wurde verrückt, wenn ich es nicht schon war. Selbsterkenntnis ist der erste Weg zur Besserung, kicherte die Stimme. Ich verschränkte die Arme gegen die kalte Luft. Ich träumte, das war alles. In Träumen Stimmen zu hören, war nicht weiter schlimm. Deswegen war man nicht verrückt. Es gab sogar ein Fachwort dafür, das mir aber partout nicht einfallen wollte. Durchgeknallt?, schlug die Stimme hilfsbereit vor. Ich weigerte mich, weiter mit mir selbst zu streiten, konnte mich aber nicht dazu bringen, wieder ins Bett zu gehen. Es war, als würde ich gefesselt, sobald ich das Laken nochmal berührte. Und krabbelte da nicht etwas unter der Decke…? Nein, das tat es nicht, rief ich mich zur Ordnung, und riss zum Beweis das Bettzeug herunter. Wie ich da so stand, nackt, mitten in der Nacht, realisierte ich, dass ich geträumt hatte. Ich war nicht verrückt, mein Unterbewusstsein wollte bloß nicht hier sein – aus gutem Grund. Wieso war ich überhaupt noch hier? Ich hatte versprochen, mit der Familie zu essen, das hatte ich getan. Es gab keinen Grund, mich in diesem Zimmer, dieser Gruft meiner Kindheit, weiter aufzuhalten. Erleichtert von dieser Erkenntnis zog ich mich an und sammelte meine Sachen ein. Wenn ich etwas vergaß, würde ich wiederkommen müssen, was ich so lange wie möglich vermeiden wollte. Also sah ich alles drei Mal durch, bevor ich in die Küche ging, um einen Zettel mit Erklärungen da zu lassen. Einen Zettel mit Lügen, meinst du. „Sei still“, zischte ich und schrieb, dass ich Unterlagen von der Universität hatte holen müssen. Außer Lügen kannst du nichts, Sasuke. „Sei still!“, blaffte ich, wandte mich um… Und erstarrte, als ich mich Itachi gegenüber sah. Er zog die Brauen hoch, warf einen Blick auf meinen Zettel, wobei er meinen – für ihn – sinnlosen Kommentar ignorierte. „Was treibt dich so spät aus dem Bett, Schwesterherz?“ „Ich… Zu tun… Unterlagen…“, würgte ich hervor, wobei ich zurückwich, bis die Küchenzeile gegen meinen Rücken stieß. Mir war die Kehle plötzlich unerträglich eng. „Artikuliere dich, Sasuke“, tadelte Itachi und nahm mir den Zettel aus der Hand. Seine Augen leuchteten beim Lesen düster. „Schriftlich kannst du das ja scheinbar.“ Ich hatte nicht mehr die Kraft, mich mit ihm auseinander zu setzen. Ich wollte nur schlafen. Und ich wollte, dass ich nie gekommen wäre. „Lass mich in Ruhe“, flüsterte ich erschöpft. „Wo hast du nur dieses Großmaul her, Schwesterherz?“, fragte mein Bruder, während er langsam näher kam. „Du wusstest doch immer, wo du hingehörst. Das weißt du auch jetzt, sonst wärst du nicht geblieben.“ Die Anrichte drückte fester gegen meinen Rücken und Itachi war mir viel zu nahe. Beinahe greifbar nahe war er vor mir, ein tieferer Schatten in den Schatten. Die Übelkeit schnürte mir die Kehle zu… Aber ich wollte das nicht. Ich würde mich nicht von ihm in alte Muster zwingen lassen. Hektisch tastete ich hinter mir, bis ich die Besteckschublade fand, die ich aufriss. Ich tastete darin herum, schnitt mir alle Finger auf, aber das war mir egal, als ich endlich ein Messer hatte, hinter dem ich mich verstecken konnte. „Lass. Mich. In. Ruhe“, knurrte ich, die Finger zitternd, selbst überrascht, wie kalt meine Stimme klang. Ich war wohl doch ein Uchiha. Itachi war stehen geblieben und hob langsam die Hände. „Sasuke, wir können über alles reden. Du bist verwirrt. Lass mich dir helfen, sonst begehst du eine Straftat. Das willst du Vater nicht antun, oder?“ „Du bist der Straftäter“, fauchte ich, wild mit dem Messer fuchtelnd. „Du bist der Verrückte. Ich rufe die Polizei, wenn du noch einen Schritt näher kommst.“ „Mit einem Messer in der Hand?“ Itachi lachte, zog sich aber zum Küchentisch zurück, von dem aus der mich beobachtete. „Sie würden dich in die Klapse werfen. Wohin du scheinbar auch gehörst… Psycho.“ „Vergewaltiger“, erwiderte ich, Eis in der Stimme. Die Wahrheit machte Itachi sprachlos, und ich nutzte die Gelegenheit, um an ihm vorbei zum Flur zu flüchten. Sekunden später war ich auf dem Weg vor dem Haus. Kies knirschte unter meinen Sohlen und dem Messer, das ich zu Boden fallen ließ, als ich das Anwesen verließ. Ich hatte gehofft, draußen freier atmen zu können, doch stattdessen bekam ich Herzrasen. Ich verfluchte meine irrationale Angst und redete mir ein, sicher zu sein. Helfen tat es nicht. Zu Hause in meiner Wohnung wäre alles besser, versicherte ich mir selbst. Ich erlaubte mir trotzdem nicht, schneller zu laufen, denn dafür gab es keinen Grund. So dämmerte es bereits, als ich am Bahnhof ankam. In der Bahn lehnte ich am Fenster und sah halb schlafend dem rotgoldenen Sonnenaufgang zu, der über den Himmel kroch. Licht war gut. Licht vertrieb die Träume. Wenn ich nur nicht in wenigen Stunden schon in der Uni hätte sein müssen. Irgendwann während der Fahrt war ich eingeschlafen, aber kurz vor meiner Haltestelle schreckte ich hoch. Taumelnd stolperte ich ins Freie, immer nach Hause… Nach Hause… Kam ich da nicht gerade her? In der Wohnung herrschte kühles Halblicht, da die ersten Sonnenstrahlen hereinschlichen. Alles wirkte unwirklich, was daran lag, dass ich hundemüde war. Ich wankte in mein Zimmer und ließ mich mit Klamotten ins Bett fallen. Mich auszuziehen, hätte gerade zu viel Kraft verschlungen. Wie von selbst fielen mir die Augen zu. Und ich hörte ein Lachen. Langsam setzte ich mich auf, sah mich um. Das konnte nicht sein, nicht hier. Ich war zu Hause. Ich war sicher. Ich war… Nicht alleine. Glaubst du, du kannst weglaufen? Nein, ich war zu langsam. Glaubst du, du kannst dich verstecken? Nein. Glaubst du, du kannst mich aussperren? Nein. Ich realisierte es erst jetzt, aber das konnte ich nicht. Ich hatte gedacht, ich hätte es hinter mir gelassen. Ich hatte gedacht, ich wäre stark geworden. Ich hatte mich geirrt. Er war noch da, in meinem Kopf, und er flüsterte mir zu, dass er mich begleiten würde, egal, wohin ich ging. Ich musste mit seinem höhnischen Lachen leben, wenn ich versagte. Ich musste seinen Spott ertragen, wenn mir etwas gelang. Ich musste Kritik an jeder Entscheidung über mich ergehen lassen, selbst hier, in meinen eigenen vier Wänden. Und ich war selbst schuld. Ich hatte meine Vergangenheit mitgebracht. Mit leeren Augen starrte ich an die gegenüberliegende Wand des Zimmers, wünschte mir Naruto her oder Orochimarus kleines Tütchen, das ich so leichtfertig hergegeben hatte, irgendetwas, das mich stark machen würde. Aber ich musste das alleine schaffen. Wenn ich nur nicht so schwach gewesen wäre… Naruto “Es ist jedenfalls schön, dass wir das geklärt haben.” Sakura lächelte mir zu und ich umarmte sie. Leise lachend legte sie die Arme um mich und strich mir durchs Haar. Es tat gut, dass jetzt wieder tun zu können, denn in den letzten beiden Monaten hatte seltsame Stimmung zwischen uns geherrscht. Diese war im Hüttenurlaub entstanden und hatte sich nicht verflüchtigt, wie ich gehofft hatte. Erst, als ich ein Treffen vorschlug und wir heute essen gegangen waren, hatten wir vieles klären können; dass sie sich vernachlässigt gefühlt hatte, dass ich Zeit gebraucht hatte, Sasukes Verlust zu akzeptieren, dass wir die Intimität von früher vermissten und noch einiges mehr. Es hatte gut getan, so reden zu können, und ich hoffte, wir würden uns wieder näher kommen. Im Moment saßen wir im Auto meiner Großeltern. Es war bereits halb drei, da wir noch spazieren gegangen waren, und vor Sakuras Wohnung, wo ich geparkt hatte, lange geredet hatten. „Willst du… Noch mit hochkommen?“, fragte diese, verlegen auf das Armaturenbrett schauend. Dagegen sah ich sie überrascht an. Natürlich war ich schon in ihrer Wohnung gewesen; ich hatte sogar geholfen, sie einzurichten. Aber um diese Zeit noch Besuch zu wollen, war doch ungewöhnlich. Sakura schien meine Verwirrung zu spüren, denn sie räusperte sich. „Du, ähm, könntest bei mir schlafen. Bevor du jetzt extra heimfährst…“ “Ja… Wenn es dich nicht stört, bleibe ich schon.” Lächelnd schnallte sie sich ab und gemeinsam gingen wir vom Parkplatz zum Haus und durchs Treppenhaus nach oben. An der Tür zitterte ihre Hand so, dass sie den Schlüssel erst nicht ins Loch brachte. Ich fragte mich genau so lange, was mit ihr los war, bis sie die Tür hinter mir ins Schloss zog und mich einfach küsste. „Oh“, machte ich, als sie sich löste. Das erklärte vieles. Sakura sah verlegen auf meine Brust, während sie ihr Haar hinters Ohr strich. „Ich… Wollte dir das schon länger sagen, aber es war nie der richtige Moment, und dann haben wir uns gestritten… Naruto, ich mag dich wirklich sehr und du… Du bedeutest mir viel.“ Noch vor einem Jahr hätte ich einen Luftsprung gemacht, hätte ich das gehört. Jetzt war ich nur überrascht. Ich freute mich, klar, immerhin hatte es eine Zeit gegeben, da hätte ich alles für eine Situation wie diese getan; alleine mit Sakura, die meine Hand nahm und sie mit ihrem Daumen streichelte, während sie mich schüchtern anlächelte… Aber das war vor ihr gewesen. Sasuke. Sie stand zwischen uns, obwohl ich sie seit einem halben Jahr nicht gesehen hatte. Sasuke hatte gesagt, sie würde zurückkommen, und ich hatte gesagt, ich würde auf sie warten. Aber selbst wenn wir uns wiedersahen, hatte sie nicht versprochen, mit mir zusammen zu sein. Wie hätte sie auch sicher sein sollen, in unbestimmter Zeit dieselben Gefühle für mich zu haben? Gefühle, derer ich mir nicht mal sicher sein konnte, weil sie sie nicht in Worte gefasst hatte. Zudem war es albern, darüber nachzudenken nach so langer Zeit. In diesen Monaten hatte sie sich nicht ein Mal gemeldet, nie gefragt, wie es mir ging oder was ich tat. Das musste doch heißen, dass sie keinerlei Interesse an meiner Freundschaft hatte – und erst Recht nicht an meiner Liebe. Oder redete ich mir das nur ein, weil ich Sakura wollte – körperlich wollte? Und weil ich sie liebte, wie ich alle meine Freunde liebte? Und weil der Blick, mit dem sie mein länger werdendes Schweigen beantwortete, mir das Herz zerriss? Ich wollte ihr nicht wehtun. Vielleicht war das der falsche Grund, aber ich hob ihre Hand an die Lippen und küsste sanft ihre Finger. Sofort kehrte das Lächeln in ihr Gesicht zurück. Sie kicherte, legte die Arme um meinen Hals und schmiegte sich an mich. „Ich bin so froh“, flüsterte sie. „Ich dachte schon… Wegen Sasuke-kun…“ Ich schluckte leicht, als sie diesen Namen aussprach und damit Recht hatte. In diesem Moment dachte ich daran, wie es gewesen war, als Sasuke mich zum letzten Mal umarmt hatte, viel zu lang und fest für eine Umarmung unter Freunden. Ich erinnerte mich, wie es gewesen war, ihre Lippen auf meinen zu spüren. Wie kühl ihre Haut unter meiner gewesen war. Wie leise ihr Atem, als sie an mich geschmiegt eingeschlafen war… „Nein“, sagte ich rau. Ich war nicht sicher, ob ich es zu dieser Erinnerung an Sasuke sagte oder zu Sakura. „Nein, ich… Ich war… Ich bin nur überrascht. In letzter Zeit hatten wir ja nicht den besten Draht.“ Sie wurde rot, sah auf meine Brust. „Ich war furchtbar zu dir, tut mir Leid… Ich war nur so… eifersüchtig auf Sasuke-kun. Ich meine, sie hat dich einfach zurückgelassen, und du denkst trotzdem ständig an sie…“ Sogar jetzt, dachte ich bitter. Aber vielleicht war es Zeit, damit aufzuhören. Alle sagten seit Monaten, ich solle aufhören zu warten. So Unrecht konnte doch mein ganzer Familien- und Freundeskreis nicht haben. Ich war schlecht darin, loszulassen, und klammerte mich deshalb an etwas, das schon lange vorbei war. Vielleicht würde es leichter, Sasuke gehen zu lassen, wenn ich etwas Neues zuließ. Und Sakura wäre ein wundervoller Neuanfang. „Tut mir leid, dass ich dir Kopfzerbrechen bereitet habe“, sagte ich zu dieser und strich ihr über die Wange. „Das mit Sasuke war irgendwie aus dem Ruder gelaufen, so intensiv, obwohl es keinen Gegenwert hatte. Aber… Das ist jetzt vorbei.“ Skeptisch runzelte Sakura die Stirn. „Sicher?“ Ich lächelte, umfasste ihr Gesicht mit beiden Händen und strich mit den Daumen über ihre Wangen. „Wenn du das willst.“ „Ich will vor allem mit dir zusammen sein. Aber wir… Können es langsam angehen lassen. Ein paar Mal ausgehen und sehen, wie es funktioniert…“ Man sah ihr an, dass sie auf diesen Teil des Gesprächs gerne verzichtet hätte, und ich war ihr dankbar, dass sie mir trotzdem Zeit geben wollte. Das zeigte, wie sehr sie meine Situation mit Sasuke verstand. „Danke“, lächelte ich, bevor ich sie küsste. Sasuke “Hol den Fisch aus der Kühlung!” „Hol ihn selbst.“ Mein Kollege sah mich an, wie ich in aller Ruhe Fleisch briet, sah ein, dass ich nicht gehen würde und verschwand selbst. Na also. An seine Stelle trat ein anderer Mann in weißem Hemd, der mir kritisch zusah. „Du bist hier nur Praktikantin“, erklärte er mir. „Es ist dein Job, für die anderen zu holen, was sie brauchen.“ Ich richtete das Fleisch auf den Teller und stellte diese auf das Heizbrett, wo er auf die Bedienung wartete, die ihn zum Kunden bringen würde. Dann wandte ich mich an meinen Chef. Er war mittelgroß, hatte dafür aber einen übergroßen Bauch. Sein Bart wirkte stets etwas fransig, was ihm trotz seiner weißen Haare das Aussehen eines Jungen verlieh. Dieser Eindruck wurde noch verstärkt, wenn er grinste, was nicht sehr oft vorkam. Kazuma Ando war stets ein wenig bärbeißig, wobei er das selbst ‚konzentriert‘ nannte. „Hattest du schon Pause?“, fragte er und deutete mir an, ihm zu folgen, als ich den Kopf schüttelte. „Dann komm jetzt mit.“ Er wies jemanden an, uns zu vertreten, und ging mit mir hinter das Restaurant, wo eine Sitzgelegenheit für Angestellte aufgestellt worden war. Er bot mir eine Zigarette an, die ich ablehnte, sodass er nur sich selbst eine anzündete. „Du siehst echt aus wie jemand, der rauchen würde“, kommentierte Kazuma nach einem Zug. Ich zuckte die Schultern. „Ist besser für dich… Wie dem auch sei. Wie sieht´s aus? Die Praktikantenzeit ist bald vorbei und ich muss wissen, was du vorhast.” Irritiert runzelte ich die Stirn. “Wir hatten uns bereits geeinigt. Haben Sie den Vertrag noch nicht?” Mit verschränkten Armen lehnte er sich an eine Palette, die in den drei Monaten, die ich jetzt schon in dem Restaurant arbeitete, niemand aufgeräumt hatte. Er musterte mich. „Hätte ja sein können, dass du dich umentschieden hast. Ist ziemlich viel, was du dir da vorgenommen hast.“ Das mochte stimmen, doch ich hatte mich nie gescheut, hart und viel zu arbeiten. Zumal ich mir das hier selbst ausgesucht hatte, und ich ruderte nicht von Entscheidungen zurück, die ich mal getroffen hatte – so hart das auch sein mochte. „Sind Sie unzufrieden mit meiner Arbeit?“, wollte ich wissen, woraufhin Kazuma seufzte. „Ganz im Gegenteil.“ „Dann gibt es kein Problem. Der Vertrag kann abgeschickt werden.“ Er drückte stirnrunzelnd seine Zigarette aus. „Ich frage, weil ich mir um dich Gedanken mache. Es ist nicht gerade üblich, dass Studenten mit deinem Format – Bestnoten, Empfehlungen, Auszeichnungen auf allen Ebenen… Dass Studenten wie du plötzlich eine Lehre anfangen.“ „Ich sagte nie, dass es normal wäre.“ „Du bist echt ein störrisches Kind“, brummte er und rieb sich die schlecht rasierte Wange. „Wenn ich mir deine Noten so anschaue, mache ich mir um das Lernen keine Sorgen – die Berufsschule wird ein Klacks für dich. Aber es wird eine Doppelbelastung, hier zu arbeiten, auch nachts, und dann sowohl für dein Studium als auch für die Ausbildung zu lernen.“ „Ich werde das Studium nicht abbrechen“, schoss ich dazwischen, denn das stand im Bachelor-Semester nicht zur Diskussion. „Das habe ich mir schon gedacht. Aber willst du dann nicht lieber erst deinen Bachelor machen, bevor du etwas neues anfängst? Du bist erst zwanzig. Wieso die Eile?“ Weil ich es nicht erwarten konnte, auf eigenen Füßen zu stehen. Weil ich die Anstandsbesuche bei Fugaku und Itachi hasste. Weil ich wusste, dass ich sowohl Fernstudium als auch Ausbildung schaffen würde. Weil ich meine Ziele so schnell wie möglich erreichen wollte, um eine bestimmte Person wiedersehen zu können. Doch das alles ging Kazuma nichts an, also zuckte ich die Schultern. Wieder runzelte er die Stirn, ehe er nickte. „Na schön… Dann besorge ich die Verträge, und du bist ab September Auszubildende als Köchin.“ Naruto Ich parkte das Motorrad vor der Schule, wartete, bis meine Beifahrerin abgestiegen war, und nahm selbst den Helm ab. Sakura kramte inzwischen in meinem Topcase nach unseren Sporttaschen und reichte mir meine, ehe wir uns auf den Weg machten. Wie immer steuerte ich das abgeschlossene Tor an, doch die Schritte meiner Freundin wurden immer langsamer. Während ich schon fast über die Absperrung geklettert war, blieb sie stehen. „Ist das nicht verboten?“, fragte sie skeptisch. „Wieso? Wir müssen doch sowieso rein.” Grinsend hielt ich ihr die Hand hin. „Komm, ich helf dir.“ Sakura verschränkte mit gerunzelter Stirn die Arme. „Der Zaun ist doch nicht zum Spaß da. Hast du keinen Schlüssel?“ Seufzend kletterte ich zurück und nickte in die andere Richtung. „Da ist ein nicht abgesperrter Durchgang.“ „Warum nimmst du nicht einfach den?“, wollte meine Freundin wissen, als wir losgingen. Ich schob die Hand in ihre und quengelte: „Weil wir ganz außen rum müssen!“ Sakura schüttelte schmunzelnd den Kopf. „Du bist so ein Kindskopf… Und der faulste Sportlehrer, den ich kenne.“ „Zu Ihren Diensten“, verbeugte ich mich, ehe ich sie küsste. Dafür blieben wir vor der Tür der Sporthalle stehen, sodass die Kinder, die reinliefen, uns sahen. Ein paar kicherten, ein paar machten dumme Kommentare, aber ich grinste Sakura nur an, als wir uns wieder lösten. Gemeinsam gingen wir nach drinnen, wo ich meiner Begleitung die Damenumkleide zeigte, bevor ich mich selbst umzog. Wenig später trafen wir uns vor der Sporthalle. Sakura trug schwarze Leggins mit pinken Streifen, ein pinkes Shirt und hatte das kurze Haar zu zwei Zöpfchen gebunden. Ich schlenderte zu ihr, legte von hinten die Hände auf ihre Hüften und küsste ihren Nacken. „Du siehst absolut scharf aus.“ „In Sportsachen?“, fragte sie und kicherte, als ich zustimmend summte. „Du hast einen komischen Geschmack… Nicht vor den Kindern.“, wehrte sie ab, als ich sie erneut küssen wollte. „Oh, keine Sorge. Ich heb mir noch was für später auf“, grinste ich, wofür ich einen Schlag in den Magen kassierte. „Sakura-chan…!“, keuchte ich empört. „Selber schuld… Und jetzt komm, die Kinder warten schon.“ Jammern folgte ich ihr zu der Gruppe von Kindern, die Sakura neugierig musterte. Einer machte Schmatzgeräusche, die wohl uns beim Küssen darstellen sollten, worüber die meisten – mich eingeschlossen – lachten. „Das musst du aber noch lange üben, bevor du es an einem Mädchen ausprobieren kannst“, stellte ich dann kunstkritisch fest und legte den Arm um Sakura. „Das ist Sakura-chan. Ich will sie beeindrucken, also benehmt euch ausnahmsweise.“ “Das hat doch bei der letzten schon nicht geklappt”, warf ein Junge ein. Erneut lachten ziemlich viele, nur ein Mädchen fragte: „Warum kommt Sasuke-san eigentlich nicht mehr?“ Meine Freundin spannte sich neben mir merklich an und ich fuhr mir genervt durch die Haare. Manchmal waren die Plagen zum gegen die Wand klatschen. „Jetzt macht eben Sakura-chan mit. Und sie will anfangen, also legen wir los!“ Damit war Sasuke aus den Köpfen der Kinder verschwunden. Wir hatten in der letzten Woche ausgemacht, einen Parcours aufzubauen und die erste halbe Stunde verbrachten die Kinder damit, alle Geräte aus dem Schuppen zu ziehen und diese in möglichst gefährlichen Konstellationen aufzubauen. Ich verbat die schlimmsten Ideen und legte Matten unter die nicht ganz mörderischen Geräte. Sakura und Tamina verbaten dann diese auch noch, aber am Ende tobten meine Schützlinge über Bänke, Sprossenwände und an Ringen. Nach einer Weile wurde ihnen aber scheinbar langweilig, sodass ein Junge ein Seil hochkletterte und sich weigerte, wieder runterzuklettern, bis ich ihn einsammelte. „Wenn du das nochmal machst, brauchst du nicht mehr hierher zu kommen. Die Gruppe für Kleinkinder trifft sich eine Stunde früher“, warnte ich den Scherzkeks, sobald wir wieder festen Boden unter den Füßen hatten. „Und jetzt setzt du dich an den Rand... Na los.“ Kurz sah er mich ungläubig an, dann trollte er sich, wobei er der Bank, auf die er sich setzte, einen Tritt verpasste. Die anderen sahen mich irritiert an, denn ich hatte noch nie einen von ihnen bestraft. Doch ich lächelte schon wieder. „Der Rest bildet zwei Gruppen und stellt sich am Anfang auf.“ Während die überraschten Kinder das taten, kam Sakura zu mir, legte die Hände auf meinen (Inzwischen wieder durchtrainierten) Bauch und lächelte. „Weißt du, im letzten Jahr bist du echt erwachsen geworden. Ich bin wahnsinnig stolz auf dich.“ Verdutzt sah ich sie an. “Was meinst du?” “Na ja, vor einer Weile hättest du mit dem Jungen da oben gehangen und Blödsinn gemacht, und inzwischen bist du echt ein Vorbild”, erklärte sie und stellte sich für einen Kuss auf die Zehenspitzen. Ich gab ihn ihr und streichelte über ihre Hüfte. „Hm… Jeder wird mal erwachsen. Aber man muss es ja nicht immer sein“, grinste ich, worüber meine Freundin lachte, ehe sie sich von mir löste. „Kindskopf.“ „Dein Kindskopf. Und gegen den musst du jetzt spielen“, kündigte ich an und zog sie zu den inzwischen eingeteilten Teams. „Was? Wir machen mit?“, fragte Sakura leicht irritiert, ehe sie sich seufzend einem Team anschloss. Ich stellte mich neben sie an die Spitze der anderen Gruppe und wandte mich an die Kinder: „Also, ihr lauft so schnell ihr könnt, sobald euer Vorgänger mit dem Hindernis fertig ist. Sobald der letzte wieder da ist, ist das Rennen beendet. Für das Siegerteam habe ich einen kleinen Preis. Sakura-chan und ich starten als erste, damit wir alles beobachten können. Alles klar? Dann geht es auf mein Zeichen los!“ Ich drehte mich zum Parcours und grinste Sakura an, die die Stirn runzelte, aber etwas nervös lächelte, dann zählte ich von drei runter und lief los. Das erste Hindernis war ein Schwebebalken, auf den man mit einem Sprungbrett gelangte. Die Jahre meiner Freundin im Leichtathletik-Kurs machten sich bezahlt; leichtfüßig tänzelte sie über den Schwebebalken und sprang auf der anderen Seite wieder runter. Auf dem nächsten Hindernis – zwei Böcke, die man durch einen Schwung an einem Seil überwinden musste – geriet sie allerdings ins Stocken. Als ich auf der anderen Seite war, wandte ich mich nach Sakura um, die skeptisch das Ziel ihres Sprungs anstarrte. „Sind die Dinger stabil?“, wollte sie wissen, worüber ich lachte. „Dir kann nichts passieren, da sind überall Matten“, beruhigte ich und hielt ihr die Hand hin. „Na komm.“ Noch immer misstrauisch schwang Sakura sich zu mir rüber und ich fing sie auf. Die Turngeräte waren allerdings für Kinder ausgelegt, nicht für zwei Erwachsene, und gerieten ins Schwanken, als wir darauf standen. Erschrocken klammerte meine Freundin sich an mich, während ich versuchte, irgendwie das Gleichgewicht wiederzufinden. Als wir wieder standen, lachte ich und küsste Sakuras Stirn. „Angsthaste“, neckte ich, und bekam dafür wie erwartet einen Schlag in die Magengrube. „Das war nicht witzig“, erklärte sie würdevoll und sprang vom Bock. Mir den Magen reibend sah ich ihr nach, so lange, bis eines der Kinder rief: „Was machst du da, Naruto? Das ist ein Rennen!“ Das hatte ich für eine Sekunde tatsächlich vergessen. Umso schneller sprintete ich jetzt los, kletterte den Stick hoch, sprang über die Sprossenwand und überwand alle anderen Hindernisse. Am Schluss war ich eine halbe Minute vor Sakura im Ziel und kümmerte mich bereits um die Kinder an den Stationen, als meine Freundin keuchend eintrudelte. „Gut gemacht!“, lobte ich. „Lügner“, schnaufte sie, freute sich jedoch merklich über das ernstgemeinte Kompliment. Sakura war auf einem normalen, gesunden Fitnesslevel und dafür hatte sie sich wirklich gut geschlagen. Es konnte ja nicht jeder eine Herausforderung für einen Sportfreak wie mich sein – obwohl es Spaß gemacht hätte, sich ab und zu mit meiner Freundin zu messen. Meine letzte Partnerin beispielsweise war Läuferin gewesen, und die davor Kampfsportlerin. Aber das musste nicht sein, dachte ich, während ich Sakura mit den Kindern beobachtete. Sie war umwerfend, so, wie sie war, und ich war froh, sie zu haben. Da würde ich sie sicher nicht vergleichen. Am Ende der Stunde ging ich zu Masato, dem Jungen, den ich zuvor auf die Bank geschickt hatte. Er sah grummelig mit verschränkten Armen zur Seite, aber ich wuschelte ihm sanft durch die Haare. „Das war lustig. Schade, dass du nicht mitmachen konntest“, verkündete ich, als er nichts sagte, und lachte über seinen bösen Blick. „Du bist nur wegen der da so ein Arsch“, warf er mir vor und nickte zu Sakura, die gerade mit ein paar Mädchen plauderte. Über diese Behauptung musste ich tatsächlich nachdenken. Hätte ich Masato bestraft, wenn meine Freundin nicht dabei gewesen wäre? Sogar sie war überrascht gewesen, wenn auch positiv. Allerdings hatte ich es nicht wegen Sakura getan, zumindest nicht bewusst. Konnte also schon sein, dass sie Recht hatte und ich erwachsener geworden war. „Nicht wirklich“, wiedersprach ich dem Jungen. „Manchmal müssen wir Erwachsenen eben uncool sein. Aber deswegen sind wir trotzdem Freunde, oder?“, fragte ich lächelnd, woraufhin er mich wiederstrebend ansah, ehe er nickte. „Schätze schon.“ „Na also!“ Grinsend nahm ich ihn in den Schwitzkasten und rubbelte ihm durch die Haare, wogegen er sich wehrte. Wir rangelten, bis seine Mutter nach ihm rief und ich sah zu, wie sie ihm einen Kuss auf die Stirn hauchte, er sich beschwerte und in Richtung der Umkleide davonsauste. Die Frau sah ihm nach, erschöpft von ihrem Pubertier, aber auch unglaublich liebevoll. Wie ein heftiger Stich durchfuhr mich der Neid, doch dann schüttelte ich den Kopf, stand auf und ging meine Freundin einsammeln. Dieses Gefühl kannte ich, es kam eben ab und zu auf und ich hatte gelernt, damit umzugehen. Wenig später befanden Sakura und ich uns Hand in Hand auf dem Weg zu m einem Motorrad. „Hattest du Spaß?“, wollte ich von meiner Freundin wissen. „Die Kinder sind süß“, antwortete sie, womit sie meiner Frage auswich, wie ich sehr wohl bemerkte. Sie würde wohl nicht mehr mitkommen, aber das war schon ok. Jeder hatte andere Interessen. „Es ist schön, wie du mit ihnen umgehst”, fuhr Sakura fort. „Hehe… Ist immerhin mein Job.“ „Ja – und den machst du gut“, lobte Sakura, dann küsste sie mich. Mir ging es also wirklich gut. Es hätte absolut nichts geben sollen, das mir fehlte. Sasuke Eine Treppe führte in einen kleinen, durch Stufen unterteilten Eingangsbereich mit klobigen Sesseln und alten Plakaten an den Wänden. Ich zog mit einem Ruck eine Stahltür auf, hinter der noch mehr Stufen in den Barbereich führten. Der Boden war zur Bühne hin abschüssig. Auf dieser stand bereits das Equipment der Band, obwohl im Moment noch die Playlist eines DJs durch die ältlichen Lautsprecher knackte. Ich sah mich kurz um, entdeckte meine Freunde an der Bar und gesellte mich zu ihnen. Neben Suigetsu stand seine neue Freundin, eine hübsche Farbige namens Flora. Sie war eigentlich zu nett für ihn, und Karin wurde nicht müde, ihr das zu sagen, doch inzwischen hielt sie es seit immerhin drei Monaten mit ihm aus. Wegen ihr hielten wir uns in dieser Bar Schrägstrich mini-Konzerthalle auf; einer ihrer Freunde spielte in der Band, die später auftreten würde. Ich begrüßte alle und bestellte mir Wasser bei der Blondine hinter dem Tresen. Sie sah etwas überrascht aus, gab mir aber die Flasche und wandte sich kommentarlos ab. „Was hat dich aufgehalten?“, fragte Suigetsu, der wie alle anderen (außer vielleicht Flora) wusste, dass ich sonst eher überpünktlich war. Ich zuckte die Schultern, nicht wirklich bereit, zuzugeben, dass ich einfach nicht hatte alleine herumstehen wollen. „Es hat noch nicht angefangen.“ „Künstler sind doch immer zu spät“, beschwerte Karin sich, dann erzählte sie, wie sie und Juugo sich auf dem Herweg verlaufen hatten. Suigetsu brüllte vor Lachen, während ich die anderen Gäste beobachtete. Es waren vielleicht 50 Leute da, die Angestellten nicht mitgerechnet, und als der erste Sänger auftrat wusste ich, wieso. Er gab Schnulzen zum Besten, mit einer Inbrunst, als wäre die Besungene selbst anwesend. Suigetsu machte sich natürlich lustig und fing sich einige böse Blicke der Fans ein, als er den Künstler imitierte, aber das war ihm egal; seine Freundin zumindest lachte. „Für was braucht so eine unbekannte Band überhaupt eine Vorgruppe?“, motzte Karin in der Pause. „So unbekannt sind sie gar nicht“, verteidigte Flora ihren Bekannten. „Immerhin machen sie eine Tour durchs ganze Land.“ „Ach so?“, erwiderte die Rothaarige ein wenig schnippisch, was Suigetsu natürlich als Anlass nahm, einen Streit vom Zaun zu brechen. Inzwischen war mein Waser leer, sodass ich eine Ausrede hatte, vor ihrem Gezanke zu flüchten. „Toilette“, erklärte ich knapp und verzog mich, bevor eine der Damen mir Geleitschutz anbieten konnte. Die Musik war nicht schlecht – etwas kitschig vielleicht, für meinen Geschmack – und der Laden nicht zu voll, trotzdem brauchte ich einen Moment Ruhe. Diesen fand ich vor der Tür der Konzerthalle zwischen den Rauchern. Ich suchte mir ein etwas abgelegenes Plätzchen, lehnte mich an die schmutzige Hauswand, atmete tief durch und schloss die Augen. Nach der Arbeit war ich direkt hergekommen, ich hatte nicht mal geduscht (Juugo hatte mir vorhin umsichtig ein wenig Teig aus den Haaren gezogen). Ich war erschöpft, körperlich genauso wie geistig. Die Doppelbelastung zwischen Studium und Ausbildung war wie erwartet nicht groß; das Lernpensum der Berufsschule war ein Witz, und mit den Vorbereitungen meiner Bachelorarbeit kam ich gut voran. Aber durch all das war ich ständig unter Menschen, was mich nach wie vor anstrengte. Doch ich hatte mir vorgenommen, alles auf die Reihe zu bekommen; Uni, Ausbildung und Privatleben. Versagte ich jetzt in einem davon, müsste ich von vorne anfangen. Und ich wollte meinen Weg unbedingt beenden, um zum Anfang zurückzukehren. Ich hatte die Augen geschlossen, hörte den Lärm der Straße und die Gespräche der Raucher in der Nähe, als ein bekanntes, viel zu lautes Lachen mich die Augen öffnen ließ. Ich bildete mir das sicher nur ein, wie schon so oft… Trotzdem wanderte mein Blick über die Anwesenden. Und da war er. Naruto. Er stand bei einigen Leuten, an die ich mich düster erinnerte, vermutlich aus Kyûbis WG. Natürlich rauchte er nicht, aber dafür redete er umso mehr. Und natürlich atmete er Glück aus wie andere Leute Stickstoff. Mein Magen verknotete sich vor Nervosität und mein erster Impuls war es, wegzulaufen. Ich war noch nicht so weit… Aber wieso eigentlich nicht? Ich hatte mir selbst ein funktionierendes Leben aufbauen wollen, in das ich Naruto integrieren konnte, ohne ihn zum Heftpflaster meiner vielen Baustellen zu machen, und das war mir gelungen; ich hatte mich von meiner Familie lösen wollen, und das hatte ich getan. Ich hatte eine Ausbildung anfangen wollen, die mir gefiel, und ich hatte es geschafft. Ich hatte ein stabiles soziales Umfeld, mir ging es gut, auch ohne ihn, genau, wie ich es mir vorgestellt hatte. Also konnte ich ihn doch wiedersehen, oder? Die Entscheidung wurde mir abgenommen (ich wäre nie sowieso hingegangen, dazu war ich viel zu feige), als Naruto den Blick hob und mich sah. Zuerst war seine Stirn gerunzelt – er war wohl irritiert, weil er mein Starren bemerkt hatte. Dann weitete er überrascht die Augen, bevor sein bekanntes, strahlendes Lächeln seine Züge erhellte. Er lächelte. Trotz allem, obwohl ich ihn verlassen, wohlweislich, wie sehr ihn das verletzten würde, obwohl ich ihn schlecht behandelt hatte, lächelte Naruto. Wie immer… Er wandte sich an seine Begleiter – drei von Kyûbis Mitbewohnern – deutete auf mich und sagte etwas. Sie runzelten noch fragend die Stirn, als er sie stehenließ, um zu mir rüber zu kommen. Ich spürte die neugierigen Blicke seiner Begleiter, doch ich sah nur ihn an, obwohl ich am liebsten weggelaufen wäre. Aber dann war er bereits bei mir. „Sasuke! Was für eine Überraschung. Was machst du hier?“, wollte er wissen und klang dabei ehrlich erfreut. „Das Konzert“, brachte ich nervös heraus. Das hier passierte doch nicht wirklich, solche Zufälle gab es nicht… Doch er lachte wirklich und wahrhaftig und kratzte sich an der Nase. „Haha, ja, macht Sinn. Hätte nicht gedacht, dass dir sowas gefällt.“ Ich zuckte die Schultern. „Ein Freund von Suigetsus Freundin ist in der Band.“ „Er hat eine Freundin? Ich dachte immer, er würde irgendwann mit Karin zusammenkommen.“ „Sie ist lesbisch“, erinnerte ich ihn, doch jetzt war es Naruto, der die Schultern zuckte. „Und?“ Ich machte mir nicht die Mühe, ihn über die Definition von Homosexualität aufzuklären (Zumal ich wusste, dass es möglich war, sich unabhängig von der eigentlichen Orientierung zu verlieben) und verschränkte die Arme. „Und du? Alleine hier?“ „Ne, ein paar Freunde sind dabei.“ Er nickte zu den Leuten aus der WG, die mich genauso misstrauisch musterten wie ich sie. “Aber erzähl von dir. Was machst du, außer auf Konzerte gehen?“ „Ich habe eine Ausbildung angefangen.“ Überrascht blinzelte er, dann grinste Naruto breit. „Lass mich raten; als Bäckerin?“ „Fast“, lächelte ich zurück und strich mir durchs Haar. „Rate nochmal.“ „Das ist unfair! Aber ok… Ähm, irgendwas mit Lebensmitteln… puh… Köchin?“ Ich nickte und er strahlte, als wäre das sein persönlicher Verdienst. „Wow, das freut mich! Macht es Spaß?“ „Im Moment bin ich noch Praktikantin. Aber ja, es macht Spaß.“ „Was hat dein Vater dazu gesagt?“, erkundigte er sich vorsichtig, während die anderen Gäste langsam wieder nach drinnen stromerten. Ich zuckte die Schultern, worüber er lachte. „Du hast es ihm gar nicht gesagt? Wusste ich doch, dass du noch eine Rebellin wirst.“ „Das hat nichts mit Rebellion zu tun“, seufzte ich und er knuffte mich gegen den Arm. „Ne, versteh schon. Er wird nicht begeistert sein, wegen dem Studium… Hätte nie gedacht, dass du ein Studium abbrichst.“ „Habe ich auch nicht.“ Bevor er weiter fragen konnte, öffnete sich die Tür neben uns und eine junge Frau trat heraus, die sich an Narutos Seite stellte. Sakura sah stirnrunzelnd zu Naruto auf, als er den Arm um sie legte; mich hatte sie nicht mal bemerkt. „Wo bleibst du? Es geht los.“ „Schau mal, wen ich getroffen habe!“, ignorierte er ihre Frage, und zum ersten Mal wandte Sakura sich mir zu. Ihr Gesichtsausdruck wandelte sich rasant von überrascht zu entsetzt zu einem leicht gezwungenen Lächeln. „Oh… Hallo, Sasuke-kun. So eine Überraschung.“ „Ja, ist das nicht cool?“, freute Naruto sich, was weder ich noch seine Freundin (So, wie sie sich an ihn schmiegte, musste sie das sein), so sahen. Er bemerkte zwar wohl die Stimmung, konnte den Grund aber nicht erkennen, weshalb er nur verwirrt lächelte. Er war also immer noch ein Trottel… Ein vergebener Trottel. Wundervoll. „Hm… Wir sollten wohl echt wieder reingehen, sonst verpassen wir noch alles“, merkte Naruto an und schob die Finger in die Hand seiner Freundin. „Wird bestimmt cool, Suigetsu und die anderen wieder zu sehen…. Er hat jetzt eine Freundin, weißt du das?“, erzählte er seiner Freundin, obwohl Sakura und Suigetsu sich höchstens ein oder zwei Mal gesehen hatten und sie sich vermutlich nicht mal an ihn erinnerte. Entsprechend irritiert sah sie ihn auch an, während sie sich von ihm die Tür aufhalten ließ. „Aha…?“ „Ja, so hab ich auch geschaut… Huh? Sas, kommst du nicht?“, fragte Naruto, als er merkte, dass ich noch immer an der Wand lehnte. Ich war vollkommen perplex von dem, was hier gerade ablief; einerseits war Naruto genauso wie damals, fröhlich und kein bisschen nachtragend oder sauer. Andererseits war es grundlegend falsch, dass er Sakuras Hand hielt. So hatte ich mir das nicht vorgestellt… Und es zerriss mich beinahe, dass ich kein Recht auf die Eifersucht hatte, die ich gerade empfand. Schließlich war ich gegangen. „Sas?“ „Ich werde nicht mitkommen“, erklärte ich und war froh, dass man mir selten Emotionen an der Stimme anhörte. Jetzt brauchte ich nur noch eine Erklärung – obwohl Sakura auch ohne Grund ganz froh über meine Absage schien. „Vorhin hab ich einen Anruf bekommen, dass ich morgen früh arbeiten muss. Deshalb wollte ich gerade gehen, als wir uns gesehen haben.“ Na also, das klang doch sogar recht überzeugend. „Oh, dann hab ich dich aufgehalten, sorry!“, rief Naruto, der mir natürlich sofort glaubte. Er zog die Hand aus der seiner Freundin und kam wieder näher. „Aber wir müssen uns unbedingt mal treffen und quatschen… Das heißt, wenn du willst“, fügte er hinzu, als ihm einfiel, wie unser letztes Treffen geendet hatte. Mein Blick huschte zu Sakura, dann nickte ich. Wenn er mich treffen wollte, konnten wir das, sie hatte das nicht zu bestimmen. Ich gab Naruto meine Nummer, ließ mich kurz umarmen, winkte Sakura zu und ging. Unterwegs fühlte ich mich seltsam taub. Völlig pragmatisch schrieb ich meinen Freunden eine Nachricht mit derselben Ausrede, die ich Naruto aufgetischt hatte, und nahm die Bahn zu meiner Wohnung. Unterwegs hatte ich die Kopfhörer meines I-Pods aufgesetzt und ließ meine Gedanken von der Musik betäuben. Ich wollte nicht daran denken, was gerade passiert war, weigerte mich einfach, es zu verstehen. Meine Füße trugen mich durch die Wohnungstür und in mein Schlafzimmer. Dort setzte ich mich aufs Bett und starrte auf den schwarzen Fernseher auf der Kommode an. Versprochen. Er hatte versprochen, auf mich zu warten. Was machte also diese Frau an seiner Seite? Es war doch wirklich Ironie des Schicksals, dass wir uns aus Zufall über den Weg laufen sollten, so, wie ich das vor einem Jahr angekündigt hatte, und dann war er in Begleitung seiner neuen Freundin. Mir ging es, wie ich gehofft hatte, gut, ich hatte wieder Platz in meinem Leben – aber Naruto nicht mehr in seinem. Vor einem Jahr hatte ich geglaubt, mit so einer Situation umgehen zu können, dass mir eine Freundschaft weiterhin genügen würde. Ich hatte mich geirrt. Ich hatte mich verändert, und jetzt wollte ich nicht mehr alleine nach Hause gehen, jedes Mal, wenn wir uns gesehen hatten. Ich wollte jetzt nicht alleine sein in dem Wissen, dass er bei ihr war. Für mich war es so eine abstrakte Zukunft gewesen, die es ohne Itachi und meinen Vater geben sollte, dass ich mir nicht hatte vorstellen können, welchen Platz andere Menschen darin einnehmen könnten. Inzwischen wusste ich aber, welchen Platz ich Naruto zugeschrieben hatte, und mir wäre nie in den Sinn gekommen, dass dieser Plan nicht aufgehen könnte. Er hatte doch so sicher gewirkt. Er hatte immer nur mich gewollt… Solange ich in seiner Nähe gewesen war. Wie hatte ich so dumm sein können? Hatte ich wirklich geglaubt, Naruto würde warten, ohne zu wissen, ob er mich überhaupt je wiedersah? Und selbst wenn wir uns wiedergesehen hätten, hätte er nach all seinen Erfahrungen mit mir nicht auf eine Beziehung hoffen können. Das hatte er erkannt, und jetzt sah er Sakura so an, wie er früher mich angesehen hatte; wie das wichtigste auf der Welt. Ich wusste plötzlich nicht mehr, wie man sich bewegte, und mein Herz schlug unangenehm schnell und hart in meiner Brust. Meine eigene Naivität und Hilflosigkeit lähmten mich, denn es gab absolut nichts, was ich hätte tun können. Sie hatten glücklich ausgesehen, alle beide. Er war glücklich – ohne mich. Ich fragte mich, wie der Verlust von etwas, das ich vor einem Jahr freiwillig aufgegeben hatte, so wehtun konnte. Vielleicht, weil zum ersten Mal nicht Itachi mir weggenommen hatte, was mir so viel bedeutete. Ich hatte es selbst kaputt gemacht. Kapitel 15: Grenzgänger ----------------------- Vor dem Fenster des Lehrsaals war bereits die Sonne untergegangen. Nur noch eine dünne rote Schliere war hinter dem nächsten Gebäude zu sehen. Ähnlich dünn war die Besetzung der Vorlesung; viele Studenten hatte es nicht zu dem Vortrag über Sprachentwicklungen der Neuzeit gezogen, und auch ich musste zugeben, dass mein Interesse begrenzt war. Aber Sakura hatte noch eine Pflichtveranstaltung, und ich wollte mir ihr nach Hause fahren. Da sie mir nicht erlaubt hatte, ihrem Unterricht beizuwohnen (sie wusste genau, dass ich sie nur abgelenkt hätte), war ich in eine Veranstaltung gegangen, die ich sonst nie besucht hätte, und hier saß ich nun. Gelangweilt scrollte ich durch meine WhatsApp Chats und schrieb dem einen oder anderen Freund. Meine Freundin hatte mich bereits ermahnt, mich zu konzentrieren und sie nicht weiter abzulenken, also schickte ich ihr keine Nachricht mehr. Ziemlich weit unten in der Liste stieß ich auf Gaaras Namen, von dem ich schon lange nichts mehr gehört hatte. Seit er mit Shukaku zusammengezogen war, hatten sie nur wenig Kontakt mit der Clique. Das fand ich schade, sodass ich ihn anschrieb und vorschlug, mal wieder etwas zu unternehmen. Unwillkürlich fiel mir noch jemand ein, von dem ich lange nichts gehört hatte, und ich klickte auf meine Kontakte, um Sasukes Nummer zu suchen. Vor einem Jahr hatte ich sie auswendig gekonnt, jetzt kam ich mir wie ein Stalker vor, als ich auf „Details“ klickte. Nicht, dass da noch viel gestanden hätte. Das Foto, das ich früher unter ihrem Namen gespeichert hatte, hatte ich gelöscht. Kyûbi hatte mir geraten, ihren Kontakt ganz zu entfernen, aber das hatte ich nicht über mich gebracht. Sie hatte doch gesagt, dass wir uns wiedersehen würden. Als wir das dann taten, hatte sie nicht begeistert gewirkt, aber was hätte ich tun sollen? Mich einfach umdrehen und gehen? Aber trotz ihrer Anspannung hatte sie mir ihre Nummer gegeben (ich hatte nicht erwähnt, dass ich sie noch hatte) und zugestimmt, sich mit mir zu treffen. Bisher hatte ich ihr aus Zeitgründen noch nicht geschrieben, und, wenn ich ganz ehrlich war, aus Nervosität. Immerhin hatte sie gut ausgesehen. Gesund. Das letzte Jahr hatte ihr nicht nur zwei, drei dringend nötige zusätzliche Kilos gebracht, sondern eine neue Arbeit und ein neues zu Hause, die ihr gutzutun schienen. Das Haar trug sie inzwischen über schulterlang, was ihr stand, und ihre Kleidung war auf eine subtile Art weiblicher gewesen. Ich freute mich für sie, wirklich. Nur fragte ich mich, warum sie sich nicht bei mir gemeldet hatte, nachdem sie alles erreicht hatte, was sie wollte. Unsicher fing ich an, eine Nachricht zu schreiben, löschte sie wieder, fing von vorne an, und so weiter, bis ich schließlich die banalste aller Mitteilungen der Welt abschickte. » Hey, wie geht´s? War cool, dich letztens zu sehen :D « Ich war nervös und versuchte, mich mit dem Vortrag des Professors abzulenken, bis kurz darauf die Antwort eintrudelte. » Gut, und dir? Ja, war es. « » Ich bin gelangweilt, sitz grad in der Uni und es ist brutal öde D: « Ich schickte ein Foto von mir, wie ich ermattet auf dem Pult lag. Ein paar Leute hinter mir hatten das gemerkt und zogen wahlweise witzige Grimassen oder schauten genervt. Zu meiner Überraschung schickte Sasuke ein Bild zurück, was sie früher nie getan hatte. Es zeigte ihre Beine, auf denen ein Buch lag, und eine Tasse auf der Lehne eines Sessels. » Angeberin «, schoss ich zurück. » Jedem das seine. « » Was liest du? « Daraufhin entwickelte sich so leicht ein Gespräch, als hätte es die letzten neun Monate nie gegeben. Sie erzählte, dass sie gerade an ihrer Bachelorarbeit tüftelte, mit der sie gut vorankam. Sie war etwa so weit wie ihre Kommilitonen, was Anbetracht der Tatsache, dass sie einen Vollzeitjob hatte, eine beachtliche Leistung war. Meine Nervosität legte sich, und ich war einfach froh, wieder von Sasuke zu hören. So sehr, dass ich eine Sekunde lang fast enttäuscht war, als mein Handy vibrierte und ich Sakuras Namen auf dem Display sah statt Sasukes. Ich schob das Gefühl beiseite und antwortete meiner Freundin, die mich vor der Fakultät treffen wollte. Dann las ich Sasukes neuste Nachricht, bei der ich in mich rein grinste. » Ich muss jetzt los, die Stunde ist vorbei und ich treffe mich mit Saku-chan ♥ Wir müssen uns echt treffen und quatschen. Wann hast du Zeit? Bin gespannt, was es bei dir Neues gibt! ;D « Die Antwort ließ auf sich warten, sodass ich bereits mit dem Rucksack auf dem Weg nach draußen war, als mein Handy vibrierte. » Melde dich, wenn du Zeit hast. « Überrascht sah ich die Nachricht an. Sasuke ließ sich so gar nicht bitten. Irgendwie hatte ich erwartet, sie würde sich genauso anstellen wie bei unserer ersten Begegnung. Stattdessen schrieb sie bereitwillig und zeigte Interesse an einem Treffen. Ich war noch verblüfft, als Sakura wenig später zu mir kam, was diese natürlich bemerkte. „Was ist los?“, wollte sie auf dem Weg zur S-Bahn wissen. Um mir Zeit zum Nachdenken zu verschaffen, schob ich die Hand in ihre und küsste ihre Finger. Sie hatte mir erzählt, wie eifersüchtig sie damals auf Sasuke gewesen war, und ich wollte sie nicht beunruhigen. Anlügen wollte ich sie aber genauso wenig, also erklärte ich: „Ich habe gerade mit Sasuke geschrieben. Es… Wundert mich, dass sie nach einem Jahr so… Ich weiß nicht, wie ich es sagen soll. Es wundert mich, dass sie so interessiert ist.“ Sakura murmelte etwas, das nach ´Mich überrascht das nicht`, klang, schüttelte aber nur den Kopf, als ich nachfragte. Wir suchten uns in der Bahn einen Sitzplatz, wo ich den Arm um meine Freundin legte, die sagte: „Ich weiß, du wirst sowieso tun, was du willst… Aber pass auf dich auf, ok? Ich will nicht, dass du verletzt wirst.“ Sie sah mich aufrichtig besorgt an und ich lächelte liebevoll. „Es ist süß, dass du dir Sorgen machst, aber nicht nötig. Ich glaube, wenn sie noch nicht so weit wäre, hätte sie nicht zugestimmt, sich zu treffen.“ „Ihr wollt euch treffen?“, fragte Sakura, woraufhin ich nickte. „Ja, natürlich. Ich will wissen, was im letzten Jahr bei ihr so los war. Oder stört dich das?“ Ich war so irritiert, weil ich nicht verstand, wieso meine Freundin es ablehnen könnte, dass ich mich mit einer alten Bekannten traf. Das lag daran, dass ich Sasuke eben als Freundin sah, nicht mehr. Sakura strich sich das Haar hinters Ohr und sah zu Boden, während sie nachdachte. „Nein… Das ist alles nur sehr plötzlich, oder?“ Ich fand ein Jahr Wartezeit nicht wirklich ´plötzlich`, doch ich verstand, was sie meinte. Zugegebener Maßen hatte nämlich sogar ich bereits die Hoffnung aufgegeben, Sasuke je wieder zu sehen. Ich nahm es ihr, im Gegensatz zu meinen Freunden, nicht übel, dass sie gegangen war. Bloß hatte ich inzwischen angefangen zu glauben, ich wäre ihr gleichgültig. Deshalb war ich verblüfft, sie so kooperativ und ja, interessiert zu erleben. Ich musterte Sakura nachdenklich, während wir aus der Bahn stiegen und uns in Richtung unseres Lieblingsrestaurants aufmachten. Sie erzählte gerade von ihrem Kurs, als ich plötzlich einwarf: „Möchtest du mitkommen?“ „Hm?“ „Wenn ich Sasuke treffe, meine ich“, erklärte ich, da sie mich verwirrt ansah. „Ich meine, du machst dir offenbar Sorgen, und ich will nicht, dass du dir solche Gedanken machst.“ Verlegen strich sie sich das Haar zurück und sah zu Boden. Wir gingen ein paar Schritte schweigend, dann sah sie lächelnd zu mir auf und nahm meine Hand. „Nein, schon ok. Ihr habt euch sicher viel zu sagen… Klärt das erst Mal, und dann können wir etwas zusammen unternehmen, in Ordnung?“ Ich nickte lächelnd, drückte ihre Hand und küsste ihre Stirn. „Danke, Sakura-chan.“ Niemand hielt es für eine gute Idee, dass ich Sasuke wiedersehen wollte. Manche, wie Kyûbi, deuteten dies nur an, andere, wie Tsunade, taten ihren Unmut offen kund. „Ich hatte sie für ein kluges, ruhiges Mädchen gehalten, doch ich habe mich geirrt“, wetterte meine Großmutter, als ich ihr von meinem Treffen mit Sasuke am nächsten Tag erzählte. „Sie ist verlogen und hinterhältig.“ „Dass du mal zugeben würdest, dich geirrt zu haben…“, erwiderte ich, ruhig, denn meine Entscheidung stand fest. Es war nicht nur so, dass ich Sasuke sehen wollte – und das tat ich. Ich wollte wissen, wie das letzte Jahr für sie gewesen war, was sie getan und erlebt hatte. Ich wollt wissen, wie sie inzwischen zu ihrer Familie stand, wie ihr Studium lief, aber auch solche Kleinigkeiten wie ob sie Tomaten immer noch so liebte. Ich wollte alles wissen. Ich wollte Sasuke wieder kennenlernen. Aber das war nicht alles. Ich hatte versprochen, auf sie zu warten, und ich hielt immer mein Wort. Der einzige, der mich zu verstehen schien, war Jiraiya: „Es stand nie außer Frage, dass du wieder mit Sasuke verkehren würdest, sollte sie sich melden“, stellte er fest und ich nickte, doch er fuhr nachdenklich fort: „Aber du solltest auf dich aufpassen… Und Sakura nicht verletzen.“ Irritiert blinzelnd lehnte ich mich in meinem Stuhl zurück. „Ich will nur mit Sasuke befreundet sein.“ „Hm… Und weiß sie das, nachdem du sie während eurer gesamten Freundschaft so angehimmelt hast?“ „Sie hat gesehen, dass ich mit Sakura-chan zusammen bin“, erwiderte ich, trotzig die Arme verschränkend. Mein Großvater lächelte nur mitfühlend. „Das beantwortet nicht die Frage… Ich will dir nicht vorschreiben, was du zu tun hast. Pass einfach auf, die Gefühle der Mädchen nicht zu verletzen… Oder deine eigenen.“ Vermutlich war für Außenstehende schwer zu verstehen, was ich bezüglich Sasukes Rückkehr empfand, dachte ich auf dem Weg zu unserem Treffpunkt. Immerhin war ich vor nicht mal einem Jahr verrückt nach ihr gewesen. Doch die Zeit und der Schmerz, den ich ihretwegen erlitten hatte, hatten das genauso geändert wie meine neue Beziehung. Schließlich war ich nicht aus einer Laune heraus mit Sakura zusammen. Sie lag mir sehr am Herzen, war eine tolle Frau; liebevoll, durchsetzungsstark, intelligent, fürsorglich… Um nur einiges zu nennen. Sie war, was ich brauchte, nachdem Sasuke so ein riesiges Loch in mein Leben gerissen hatte. Aber genau da lag die Krux: Sakura half mir über dieses Loch hinweg – schließen konnte sie es nicht. Sasuke hatte einen immensen Teil meines Lebens eingenommen, der von einem Tag auf den anderen einfach fehlte. Zuerst hatte ich ihn mit der Hoffnung gefüllt, sie wieder zu sehen, doch diese Hoffnung war bald geschrumpft. So stand ich vor einem Abgrund, und ich war ein Mensch, der andere nicht einfach gehen lässt. Immer wieder wälzte ich die Frage hin und her, was ich falsch gemacht hatte, obwohl ich eigentlich wusste, obwohl Sasuke selbst gesagt hatte, es läge nicht an mir. Tatsache blieb, dass sie mich bei was immer sie tat nicht dabei haben wollte. Ich wäre ihr eine Last gewesen. Und so zurückgelassen zu werden, hatte mich fast zerrissen. Das wussten meine Freunde und Familie, deshalb ihre Abneigung gegen Sasuke. Doch ich war ihr nicht böse. Sie hatte es tun müssen, für sich, unabhängig davon, dass ich es nicht verstand. Und jetzt war sie wieder da. Das Bücherkaffee zu betreten stimmte mich nostalgisch. Wie oft wir hier gesessen hatten… Während ich die Wendeltreppe hochstieg, fragte ich mich, ob Sasuke alleine gekommen war. Denn ich hatte es vermieden, das Restaurant aufzusuchen, um ihr nicht zufällig über den Weg zu laufen. Hatte sie es genauso gehalten? Vielleicht insgeheim sogar gehofft, ich würde doch kommen? Aber so war Sasuke nicht. Sie meinte, was sie sagte, und sie hatte damals gesagt, ich solle sie in Ruhe lassen. Ich ging durch die Bücherregale zur hintersten Sitzecke, wo ich Sasuke wie erwartet vorfand. Sie trug schwarze Jeans und einen grauen, figurbetonten Rollkragenpullover. Vermutlich zum dritten Mal sah ich sie in Frauenkleidern; ein Mal bei Inos Ladeneröffnung, ein Mal an dem Abend in der Disco und jetzt. Nur, dass sie heute entspannt und natürlich wirkte und nicht ständig an ihrer Garderobe zupfte wie damals. Außerdem zeichneten sich sanfte Kurven unter dem Stoff ab. Erstmals schien Sasuke ein gesundes Gewicht zu haben. Sie bemerkte mein Starren und ich grinste verlegen, als sie aufblickte. Ach ja, sie mochte es nicht, angegafft zu werden. „Hi! Bin ich zu spät?“, begrüßte ich sie und ließ mich auf den Sessel ihr gegenüber fallen. Statt wie andere Leute abzuwinken, sah sie auf die klobige Männeruhr, die sie schon früher getragen hatte, ehe sie den Kopf schüttelte. „Du bist pünktlich.“ „Gut.“ Ich lächelte breit, sie nickte. Und dann herrschte einen Moment ein sehr unangenehmes Schweigen, bevor ich rasch fragte: „Ähm, und wie ist es dir so ergangen?“ Es war so leicht gewesen, an dem Abend beim Konzert mit ihr zu reden, dass ich ihre Schweigsamkeit fast vergessen hätte. Wahrscheinlich hatte meine Begeisterung, sie wiederzusehen, uns darüber hinweggetragen, dass wir uns ein Jahr nicht gesehen hatten und wir uns in dieser Zeit fremd geworden waren. Doch dann machte Sasuke mir Hoffnung, indem sie fragte: „Was genau willst du wissen?“, Sicher, das wäre bei jedem anderen die normale Reaktion gewesen. Doch sie signalisierte damit Bereitschaft, über sich zu sprechen (was sie nicht gerne tat) und mich über ihr Leben auf den neusten Stand zu bringen. Wir fingen also nicht auf demselben Stand an wie bei unserem ersten Kennenlernen, und diese Geste brachte mich zum Lächeln. „Hm… Erzähl von deiner Ausbildung. In welchem Betrieb arbeitest du?“ Sie erzählte überraschend bereitwillig, sodass ich bald das Wichtigste über ihre Lehre (die ihr erwartungsgemäß leicht fiel), das Studium (das sie bald beenden würde) und auf Nachfrage sogar über ihre Freunde wusste. Von Suigetsus neuer Freundin wusste ich ja bereits – ich hatte sie an besagtem Konzertabend sogar kurz gesehen. Karin konnte nicht mit einer neuen Beziehung aufwarten, hatte im letzten Jahr jedoch einige Modelaufträge bekommen und überlegte, ihr Studium für die Karriere aufzugeben. Ich fand, sie solle es ruhig probieren; es war wichtig, seinen Träumen zu folgen. Sasuke zuckte nur die Schultern; es war ja Karins Sache. Aber die meisten Leute wollten die Rothaarige davon überzeugen, zuerst ihr Studium zu beenden. Von Juugo gab es nicht so viel zu erzählen. Er studierte und arbeitete nach wie vor, wohnte in derselben Wohnung und war vermutlich noch genauso seltsam wie bei unserer letzten Begegnung. „Und was ist mit dir?“, kehrte ich schließlich zum eigentlichen Thema zurück. Da sie nicht gerne Gesprächsgegenstand war, hatte Sasuke – ob bewusst oder unbewusst sei dahingestellt –das Thema gewechselt, doch so leicht kam sie mir nicht davon. „Was gibt’s sonst neues?“ Sie überlegte kurz, dann sagte sie: „Ich bin ausgezogen.“ „Echt?“, lachte ich ungläubig und schüttelte den Kopf, als sie nickte. „Itachi war bestimmt begeistert.“ Sie zuckte die Schultern. „Das war nicht seine Entscheidung.“ „Ne, wohl nicht… Hast du Fotos von der Wohnung?“, wechselte ich das Thema, da ich merkte, dass sie nicht über ihren Bruder sprechen wollte. Sasuke holte ihr Handy hervor und zeigte Bilder von etwas, das nah einer Einweihungsparty aussah, zumindest saßen Suigetsu, Juugo und Sasuke in einer halbfertig eingerichteten Wohnung zwischen Kartons und aßen Pizza. Karin musste die Fotos gemacht und Sasuke geschickt haben. Die Rothaarige selbst war nur auf einem, das sie mit ausgestrecktem Arm von der ganzen Gruppe gemacht hatte. Es fühlte sich seltsam an, nicht dabei gewesen zu sein. Trotzdem lächelte ich, als ich Sasuke das Handy zurückgab. „Sieht schön aus. Verdienst du in der Ausbildung gut, wenn du dir das leisten kannst?“ Sie schnaubte amüsiert. „Fugaku finanziert die Wohnung.“ „Ohne zu wissen, dass du nicht tust, was er will? Böses Mädchen.“ Ihre Augen blitzten, doch sie zuckte nur die Schultern und lehnte sich zurück, die Teetasse vor sich auf dem Unterteller stehend. „Ich beende mein Studium doch, wie er möchte. Danach… Sehen wir weiter.“ „Sag ich doch; böses Mädchen“, grinste ich, und sie verdrehte schmunzelnd die Augen. „Ich freu mich jedenfalls für dich, wirklich… Aber du übernimmst dich nicht mit allem, oder?“ „Nein“, sagte sie sofort, ehe sie zögernd an ihrem Tee nippte. „Ich wollte alles so schnell wie möglich erledigen.“ Ich erinnerte mich, wie wir vor knapp einem Jahr hier gesessen hatten und Sasuke mir eröffnete, sie müsse gewisse Dinge alleine regeln. Damals hätte ich nicht gedacht, dass es so lange dauern würde. Dann hatte ich nicht gedacht, sie je wieder zu sehen. Und jetzt wusste ich nicht, was ich denken sollte. Klar freute ich mich über die positive Entwicklung ihres Lebens und darüber, sie wiederzusehen. Doch wollte ich es ihr so leicht machen, nachdem sie mich hatte sitzen lassen? Zumal Sakura angedeutet hatte, es nicht so toll zu finden, dass ich mich mit Sasuke traf. Sie war immerhin sowas wie meine ´Ex`, obwohl wir nie offiziell zusammen gewesen waren. Aber wir hatten fast unsere ganze Freizeit miteinander verbracht, sie war bei meiner Familie ein und aus gegangen und hatte bei mir geschlafen. Sie hatte mir vertraut, soweit es ihr möglich war. Ich hatte ihr von guten oder schlechten Ereignissen immer zuerst erzählt. Und dann war sie ohne Angabe von Gründen gegangen. Ich wusste nicht, ob ich das Risiko, sowas nochmal zu erleben, eingehen wollte, selbst ohne tiefergehende Gefühle. Das würde ich wohl nach diesem Treffen entscheiden müssen. „Und? Hast du alles erreicht, was du wolltest?“, fragte ich schließlich nach längerem Schweigen ernst. „Das meiste.“ Dabei sah sie mich nachdenklich an, ehe sie eine unverbindliche Geste machte. „Also… Du und Sakura?“ Sofort lächelte ich (Nein, nicht mechanisch). „Ja, seit… ungefähr zwei Monaten.“ „Hm… Ich hätte nicht gedacht, dass sie es doch zugibt“, meinte Sasuke, was mich nicht schlecht staunen ließ. „Du wusstest davon?“ Sie verdrehte die Augen. „Jeder wusste das, Naruto. Nur du verstehst davon nichts.“ „Hey, jetzt sind wir doch zusammen!“ Sie sah aus, als hätte sie etwas zu sagen, schluckte es aber runter. „Sieht so aus.“ Am liebsten wäre ich so naiv gewesen wie vor einem Jahr und hätte nicht verstanden, was Sasuke so störte. Aber ich wusste, dass sie enttäuscht war, allerdings nicht überrascht. Sie hatte damit gerechnet, enttäuscht zu werden. Es tat mir leid, sie zu verletzen, doch ich hatte ihr versprochen zu warten, und das hatte ich getan - zu lange, der Meinung meiner Familie nach - sonst würde ich nicht hier sitzen. Doch ich hatte sie offen begrüßt und sah mich nach wie vor als ihren Freund. Ich hatte ihr keine Beziehung auf Abruf angeboten. Trotzdem musste ich zugeben, dass die Situation nicht einfach war. „Sakura-chan war nicht begeistert von diesem Treffen…“, gab ich leise zu. Sasuke zog eine Braue hoch. „Ach?“ „Nein“, blitzte ich sie wütend an, doch Sasuke legte nur den Kopf schief, sodass ihr das lange Haar über die Schulter nach vorne fiel. „Warum bist du dann hier?“ Weil meine Freundin kein Aufenthaltsbestimmungsrecht über mich hatte. Weil sie mir vertraute, obwohl es ihr nicht passte. Weil ich Sasuke versprochen hatte, zu warten, und meine Versprechen immer hielt. Weil ich sie hatte sehen wollen. Es gab viele Gründe, aber der wichtigste war: „Weil wir Freunde sind, Sasuke.“ Sie lehnte sich zurück, überschlug die Beine und lehnte sich mit verschränkten Armen zurück, ohne den Blick von mir zu wenden. „Trotz allem.“ „Jup.“ „Einfach so.“ „Sieht so aus.“ „… Du bist ein seltsamer Mann, Naruto.“ Ich grinste breit und kratzte mich an der Nase. „Das sagen viele. Ich versteh gar nicht, wieso!“ Augenverdrehend löste sie die Arme, konnte aber selbst ein Lachen nicht verhindern. „Idiot…“ Zuerst lachte ich mit, doch dann schlich sich ein sanftes Lächeln auf meine Züge. Ich hatte es vermisst, mit Sasuke Zeit zu verbringen. Ich hatte sie vermisst, egal, was alle anderen oder die Vernunft sagte. Von da an war es nicht etwa so, als habe es das vergangene Jahr nie gegeben, sondern vielmehr so, dass wir gemeinsam versuchten die verlorene Zeit so gut wie möglich zu rekonstruieren und nachzuholen. Sasuke erzählte, wie sie an ihren Ausbildungsplatz gekommen war – nach einem Essen mit ihrer Großmutter hatte sie den Chef des Restaurants einfach angesprochen – und was sie bisher gelernt hatte. Sie erzählte von der Diskussion mit Fugaku vor ihrem Umzug und wie sie die Wohnung gefunden hatte. Sie erzählte und erzählte, und ich fragte immer noch mehr, und obwohl sie es nicht aussprach, wusste ich, dass ich Sasuke genauso gefehlt hatte wie sie mir. Stunden später – die Sonne war schon vor einer Weile untergegangen – verließen wir das Café. Die Situation erinnerte mich an unser letztes Treffen und ich sah Sasuke ein wenig unsicher an, als es ans Verabschieden ging. „Und jetzt…?“ „Hm?“, machte Sasuke und sah zu mir auf. „Na ja…“ Ich trat nach einem Steinchen, während wir die Straße entlang liefen. Sasuke wohnte in der Nähe, und ich begleitete sie heim. „Wie verbleiben wir jetzt? Willst du… wieder befreundet sein, oder brauchst du noch Zeit oder nerv ich dich oder…?“ Sasuke rieb sich merklich genervt den Nasenrücken. „Glaubst du, ich hätte so lange da mit dir gesessen, wenn du mich genervt hättest?“ Die Sasuke, die ich gekannt hatte, hätte das nicht getan, doch ich ahnte schon, dass sie diese Frau nicht mehr war, deshalb meine Frage. Ich musste erst wieder herausfinden, wie sie reagierte. Also zuckte ich die Schultern und erwiderte: „Sag du es mir.“ „Nein, hätte ich nicht“, antwortete sie ruhig. Dann verschränkte sie die Arme und sah zur Seite, wie immer verlegen darüber, so etwas wie Gefühle gezeigt zu haben. „Gut, dann ist unsere Freundschaft wieder aktiviert!“, strahlte ich und stieß begeistert die Faust in die Luft, worüber Sasuke natürlich nur die Augen verdrehte. Trotzdem ließ sie sich von mir umarmen. Sie murmelte etwas, das nach ´Idiot` klang, schloss aber ebenfalls die Arme um mich. So standen wir eine Weile vor dem Café und genossen, dass der andere wieder da war. Als wir uns lösten, grinste ich Sasuke an. „Ruf mich an, ok?“ „Hm…“ „Ernsthaft! Ich werd mich nich melden!“ Sie sah mich nachdenklich an, wie eigentlich immer, dann schmunzelte sie. „Das hast du schon mal gesagt und nicht durchgehalten… Bis dann.“ „Ciao!“, rief ich und wir trennten uns. Auf dem Heimweg war ich geteilter Stimmung. Einerseits war ich froh, dass wir uns wiedergesehen und getroffen hatten. Andererseits fragte ich mich, ob Sasuke anrufen würde. Es hatte zwar geklungen, als würde sie das, doch bei ihr konnte man nie wissen. Ich hatte sie schon mal zu Eigeninitiative drängen wollen und sie damit nur verscheucht. Aber ich würde es ja sehen. Zu Hause wurde ich empfangen wie nach einer zukunftsentscheidenden Prüfung, zumindest von Tsunade. Ihr Mann war in seinem Büro, wie gefühlt schon seit Tagen; er arbeitete gerade an einem neuen Roman. „Und? Wie war es?“, fragte daher meine Großmutter. Ich zuckte die Schultern und hängte die Jacke an einen Haken. „Gut, wie erwartet. Wir haben ewig gequatscht.“ „Das habe ich gemerkt“, giftete Tsunade, denn ich war bestimmt sechs Stunden unterwegs gewesen. „Hat sie sich entschuldigt? Oder erklärt, was das ganze Drama sollte?“ Bei der Vorstellung, Sasuke hätte sich entschuldigen können, musste ich unwillkürlich lachen. Ihre Sturheit und Rechthaberei hatten schließlich keinen Deut abgenommen. „Nein, hat sie beides nich. Aber sie konnte scheinbar alles regeln. Das ist das Wichtigste.“ Tsunade seufzte tief, sah mich besorgt an. „Irgendwann nutzt jemand deine Gutgläubigkeit noch richtig aus. Und es würde mich nicht wundern, wenn es diese Sasuke Uchiha wäre.“ „Weißt du was? Ich wäre froh, wenn sie das täte“, grinste ich und küsste Tsunade auf die Schläfe, bevor ich mein Zimmer ging. Würde Sasuke mich ausnutzen, hieße das schließlich, dass sie sich auf mich verlassen würde und Hilfe annähme. Aber wenn sie noch war, wie ich sie gekannt hatte, verließ Sasuke Uchiha sich auf niemanden außer Sasuke Uchiha. Später telefonierte ich noch mit Sakura, die genauso neugierig auf mein Treffen war wie meine Großmutter, sich mit bissigen Kommentaren aber zurückhielt. Als ich ins Bett ging, fragte ich mich, wann mein Leben zuletzt so nach Plan verlaufen war wie es das im Moment tat; ich hatte eine tolle Freundin, es war ein strahlender Herbst, und jetzt hatte ich auch noch eine alte Freundschaft wiederbelebt. Ja, ich war wirklich glücklich zu dieser Zeit. In den kommenden Wochen sah ich Sasuke häufig. Diesmal war es nicht sie, die meine Freunde nicht sehen wollte, sondern meine Freunde, die nicht scharf auf ein Treffen waren. Kyûbi war der einzige, der sich ohne Murren zu uns gesellte, obwohl ich ein wenig besorgt war, jetzt, wo ich wusste, woher die Spannung zwischen meinen beiden besten Freunden rührte. Sasuke selbst hatte ich noch nicht darauf angesprochen. Wie auch? ´Hey, sag mal, hast du eigentlich ein Drogenproblem?`, erschien mir nicht gerade vielversprechend. Kyûbi hatte da keine Vorbehalte. „Na, wie ist es dir so ergangen?“, fragte er leichthin, aber eindeutig genug, dass alle Anwesenden wussten, was gemeint war. Sasukes Blick huschte kurz zu mir, fragte sich, wie viel ich wusste, dann zuckte sie die Schultern. „Gut.“ Das konnte man interpretieren, wie man wollte, oder wörtlich nehmen. Sie sah nämlich wirklich gut aus. Das inzwischen über schulterlange Haar stand ihr, genauso wie die drei, vier Kilo, die sie zugenommen hatte. Doch das war nicht alles. Sie gab sich anders, viel entspannter. Eine Plaudertasche war sie nicht und würde sie nie sein, doch sie redete, ab und zu sogar über ihre Probleme. Ich wusste, wann ihre Nachbarn zu laut waren, und das waren sie oft. Ich wusste, wenn etwas in ihrer Arbeit oder der Universität nicht lief, und wenn sie ihre Familie besuchen musste, was sie jedes Mal stresste. Nach einer Weile war es, als hätte es das letzte Jahr nie gegeben, mal von der Tatsache abgesehen, dass ich jetzt mit Sakura liiert war und sie so gut wie immer dabei war, wenn ich mich mit Sasuke traf. Meine Freundin und alle anderen rieten mir, es langsam angehen zu lassen, mich nicht wieder so sehr auf sie einzulassen. Doch das war keine bewusste Entscheidung, die ich traf. Wir trieben einfach aufeinander zu, ganz natürlich. Das war für Außenstehende wohl schwer zu verstehen, vor allem für Sakura. Zuerst hatte sie sich für mich gefreut, dass ich eine Freundin zurückgewonnen hatte, von der sie wusste, wie viel sie mir bedeutete. Wie gesagt, unternahmen wir oft etwas zu dritt, und ich dachte, das wäre ok für meine Freundin. Bis zu einem Abend, als ich ihr erzählte, dass Sasuke spontan mit uns ins Kino kommen würde. „Wow… Überraschend.“ Meine Freundin verdrehte die Augen und wandte sich ab, sodass sie meinen Arm, der über ihrer Schulter gelegen hatte, abwarf. Ich setzte mich irritiert im Bett auf. „Huh? Hast du dich mit Sasuke gestritten?“ „Ich habe nichts gegen Sasuke-kun“, sagte sie giftig und stand auf. Sie war nackt, änderte diesen Umstand aber, indem sie einen Seidenmorgenmantel überstreifte. Ich selbst machte mir nicht die Mühe, mich zu bedecken, während ich meine Freundin verwirrt ansah. Sie kannte mich immerhin (sehr gut) unbekleidet. „Und was ist dann das Problem?“ Sakura verdrehte die Augen. „Nichts.“ „Wir hatten doch gesagt, dass wir diese Ratespielchen, wenn du sauer bist, nicht machen, Schatz. Du weißt, dass ich in sowas nicht gut bin“, lächelte ich zaghaft. Sie erwiderte das Lächeln nicht. „Schön… Ich dachte eben, dass ich mit dir zusammen wäre, nicht mit Sasuke Uchiha. Ob du´s glaubst oder nicht, ich bin nicht an einer Beziehung mit ihr interessiert.“ „Du ´führst eine Beziehung mit ihr`, weil sie ein Mal ins Kino mitkommt? Hätte ich gewusst, dass es so leicht ist, mit dir zusammen zu kommen…“ Ziemlich giftig starrte meine Freundin mich an. „Mal ins Kino, zum Badmiton, zum Einkaufen, beim Kochen, zum Filmeabend… Sie ist immer dabei, ist dir das gar nicht bewusst?“ „Das…!“, fing ich an, geriet jedoch ins Stocken, als mir klar wurde, dass Sakura Recht hatte. Wir waren eigentlich nur alleine, wenn bei ihr waren. Als sie merkte, dass ich das langsam realisierte, lachte sie höhnisch. „Genau. Es wundert mich, dass sie noch nicht dabei ist, wenn wir Sex haben.“ Ich stand auf, meine Nacktheit ein ziemlich guter Beweis dafür, dass wir es durchaus ohne Gesellschaft taten. „Jetzt übertreib nicht…“, murmelte ich, während ich mich anzog. „Ich wusste nicht, dass du das so siehst. Tut mir leid. Ich bin… Nur froh, dass sie wieder da ist, und da habe ich wohl übertrieben. Entschuldige bitte.“ Meine aufrichtige Reue nahm ihr wohl den Wind aus den Segeln, denn sie atmete tief durch, um sich ein wenig zu fassen. „Das verstehe ich doch. Ich verstehe, wie wichtig dir deine Freunde sind, Naruto. Nur… Lass mich nicht mit Sasuke konkurrieren. Das habe ich vor einem Jahr versucht, und ich kann´s nicht.“ Statt der Wut traten Tränen in ihre Augen. „Ich kann´s einfach nicht…“ Bestürzt nahm ich Sakura in den Arm, küsste ihren Scheitel. „Das musst du auch nicht! Du bist meine Freundin, und daran wird nichts etwas ändern, ok?“ Ich hob sacht ihr Kinn, damit sie mich ansah, und wischte ihre Tränen weg. „Es tut mir leid, ich wollte dich nicht verletzen. Nicht weinen, bitte…“ „Ich… Ja. Geht schon wieder…“, schniefte sie und wischte sich über die Augen. „Wahrscheinlich übertreibe ich eh nur…“ „Nein, wenn dich etwas belastet, sag es mir!“, verlangte ich und küsste sie innig. Ich hatte ein schlechtes Gewissen, denn Sakura hatte Recht; ich verbrachte viel mehr Zeit mit Sasuke als ein vergebener Mann sollte. Und weil es so natürlich war, fiel es mir nicht mal auf. Ich hatte mich sogar gefragt, warum alle sich Sorgen machten und mir rieten, es langsam angehen zu lassen mit Sasuke. Aber jetzt wurde mir klar, dass ich sie wieder genau an dieselbe Stelle in meinem Leben setzte, die sie vor ihrem Abgang innegehabt hatte; ins Zentrum. Nur, dass dort eigentlich meine Freundin stehen sollte. Sasuke Seit meinem Wiedersehen mit Naruto waren zwei Monate vergangen, es war November. Es hatte geschneit, und die Besucher der Fußgängerzone hatten Schneematsch auf dem Asphalt hinterlassen, der in jede Ritze von Stiefeln und Hosen sickerte. Ich fragte mich, wieso ich überhaupt zugesagt hatte, mit Tenten, Ino, Hinata, Sakura und Temari shoppen zu gehen. Ich hasste shoppen. Vermutlich lag es daran, dass ich Tentens Versuch, mich in Narutos Freundeskreis zu integrieren, nicht übergehen wollte. Dazu gehörten wohl oder übel Ausflüge nur mit den Frauen. Aus diesem Grund watete ich seit zwei Stunden durch die winterliche Einkaufsmeile von einem Geschäft zum nächsten. Dabei fiel mir sehr wohl auf, wie Ino und Sakura betont Abstand zu mir suchten. Das war mir allerdings egal. Ich hatte nie versucht, ihr den Freund auszuspannen, und dafür, dass Naruto gerne Zeit mit mir verbrachte, konnte ich nichts. Das nächste Geschäft wurde angesteuert, und Sakura beschloss, in die Unterwäscheabteilung zu wollen. Temari und Ino kamen mit und zwangen Hinata, sie zu begleiten. „Das dürfen wir uns nicht entgehen lassen!“, grinste Tenten, die sich wohl für mich verantwortlich fühlte, weil sie mich eingeladen hatte. Ich mochte es nicht, derart bemuttert zu werden, und verschränkte die Arme. „Geh ruhig.“ „Oh… Aber man kann doch nie genug hübsche Wäsche haben. Willst du nicht deinem Freund gefallen?“, fragte sie leichthin, aber mit unübersehbarem Ziel, herauszufinden, ob ich vergeben war. Ich tat ihr nicht den Gefallen zu antworten, sodass sie seufzte. „Na ja, der Laden hat auch schöne Klamotten. Lass uns die ansehen.“ Schicksalsergeben folgte ich ihr durch die Kleiderständer und fand mich eine Weile später vor den Umkleiden wieder. Ein oder zwei Stücke, die mir gefielen, hatte ich sogar gesehen, sodass ich nicht nur auf meine Begleitung wartete. Zuerst zog ich eine weiße, ärmellose Bluse an, dann einen schwarzen Rollkragenpullover aus grobem Strick. Ich musterte mich gerade im Spiegel, als Tenten mich rief und ich aus der Kabine trat. Sie trug ein rotes Kleid mit Wasserfallkragen und begutachtete sich kritisch. „Was meinst du?“ „Steht dir.“ Sie runzelte die Stirn, wollte offensichtlich wiedersprechen, als ihr Blick auf mein Oberteil fiel. Grinsend deutete sie auf die weiten Maschen, unter denen man Haut hervorblitzen sah. „Oho, wen willst du denn verführen?“ Ich zog die Brauen hoch. „In einem Rollkragenpullover?“ „Hey, als ich dich kennengelernt hab, hast du nur weite Männersachen getragen, und jetzt zeigst du deine Wahnsinnsfigur. Das ist eine ziemliche Wandlung… Trotz Rollkragen.“ Sie grinste und ich sah mich selbst im Spiegel an. Es stimmte, vor einem Jahr hätte ich nicht im Traum daran gedacht, so etwas zu tragen, geschweige denn, mit Freundinnen (oder Bekannten oder was sie eben waren) shoppen zu gehen. Obwohl es eigentlich egal war, was ich anzog. „Ich werde ihn nicht nehmen“, verkündete ich und wollte zurück in die Kabine, doch da schlüpfte Tenten mir nach. „Warum nicht? Du siehst toll aus!“, bekräftigte sie und hielt mein Haar etwas hoch, sodass mein Hals freigelegt war. „Ein paar große Ohrringe und fertig ist das Outfit.“ Sie zögerte, ehe sie vorsichtig sagte: „Naruto würde es sicher gefallen.“ Kurz sah ich sie nur an, dann schnippte ich missmutig ihre Hand aus meinem Haar. „Und?“ Tenten verdrehte die Augen. „Du bist so störrisch… Aber zu mir kannst du ehrlich sein. Ich hab damals immer gehofft, ihr würdet zusammen kommen. Du weißt gar nicht, wie er am Anfang von dir vorgeschwärmt hat. Richtig nervig!“ „Ich weiß nicht, wovon du redest.“ Missbilligend schürzte sie die Lippen und zog sich aus meiner Kabine zurück. Ich sah mich erneut im Spiegel an. Würde das Naruto wirklich gefallen? … Und wieso interessierte mich das überhaupt? „Ich glaube, wir müssen mal reden“, beschloss Tenten über den Lärm ihrer Umzieharbeiten hinweg. „Ich kann sowieso einen Kaffee gebrauchen. Sagen wir den anderen Bescheid.“ Wie es aussah, hatte ich kein Mitspracherecht, sodass ich Tenten in die Wäscheabteilung folgte, wo Hinata sich in einem Berg von Reizwäsche in Grund und Boden schämte, während ihre Freundinnen sich köstlich amüsierten. Die Sportstudentin klärte die anderen über ihre Pläne auf, und wenig später waren wir auf dem Weg zum nächsten Starbucks. Die restlichen Frauen würden folgen, sobald sie Hinata genug gequält hatten. Tenten und ich setzten uns mit unserem Kaffee in den oberen Stock des Cafés, direkt ans Fenster. Draußen eilten Menschen durch den wieder einsetzenden Schnee oder suchten Unterschlupf in Geschäften. Drinnen war es angenehm warm, und Gesprächsfetzen anderer Gäste schwebten ab und zu zu uns herüber. „Also“, begann Tenten eine Ansprache, von der ich bereits wusste, dass ich sie nicht mögen würde. „Du und Naruto. Zu mir kannst du wirklich ehrlich sein. Ich fand nie, dass Sakura und er sonderlich gut zusammen passen.“ Wegen meines überraschten Blickes zuckte sie die Schultern. „Ich meine, klar, er war in der Schule verrückt nach ihr, was alle so erzählen, aber wenn du mich fragst, lag das nur daran, dass er sie nicht haben konnte.“ Das gefiel mir nicht, denn ich sah Parallelen zu uns. Hatte Naruto sich nur so auf mich fixiert, weil ich nicht verfügbar gewesen war? Wäre er nicht mehr interessiert gewesen, wenn wir tatsächlich ein Paar geworden wären? Tenten bemerkte mein Unbehagen nicht und fuhr fort: „Die zwei funktionieren nur, weil er sich ihr hundertprozentig anpasst. Ich glaube nicht, dass Naruto das stört – er würde alles für seine Freundin tun, wie du dir vorstellen kannst.“ Sie verdrehte die Augen, geriet aber ins Stocken, als ich nach wie vor nichts sagte. „Gott, das klingt alles so gemein. Ich habe Saku echt lieb, aber ich glaube einfach, wenn sie so angehimmelt wird, läuft sie Gefahr, das auszunutzen. Außerdem kam es mir so vor, dass sie sich erst für Naruto interessiert hat, als er sich in dich verliebt hatte. Ich meine, manchmal braucht man einen Anreiz, um zu erkennen, wie viel einem an jemand anderem liegt, aber… Hm. Und was Naruto angeht, glaube ich, dass er, na ja, jemanden gebraucht hat, nachdem du weg warst. Verstehst du, mir kommt diese ganze Beziehung vor wie eine Zweckgemeinschaft.“ „Und was hat das mit mir zu tun?“, unterbrach ich, da mich ihre Lästereien langsam langweilten. Außerdem wollte ich keine Analyse von Narutos Beziehung. Darüber dachte ich selbst schon genug nach, vielen Dank. Erneut verdrehte Tenten die Augen. „Du bist so eine Geheimniskrämerin. Schlimm!“, beschwerte sie sich und deutete mit dem Löffel auf mich. „Es hat insoweit mit dir zu tun, als dass ich finde, du und Naruto würdet viel besser zusammen passen.“ Verblüfft schwieg ich. Ich wollte zwar mit ihm zusammen sein, aber ob wir zueinander passten hatte ich noch nie überdacht. Ihr Gesichtsausdruck wurde weicher, gerade so, als könne sie meine Unsicherheit sehen. „Er war verrückt nach dir, von Anfang an. Ok, zuerst wahrscheinlich, weil du eine Herausforderung warst und er deine Abwehr knacken wollte. Er ist es nicht gewohnt, dass Leute so reserviert zu ihm sind.“ Das wusste ich, doch es gefiel mir nicht. Er hatte mich also tatsächlich als eine Art Trophäe gesehen, wenn Tenten Recht hatte. „Aber dann hat er dich kennengelernt, und er fand dich nur noch interessanter. Ihr wärt so ein hübsches Paar gewesen…“ „Sind wir aber nicht“, erinnerte ich, und sie unterbrach räuspernd ihr fangirlen. „Leider nicht.“ „Was willst du mir mit all dem sagen?“ Immerhin war er mit Sakura zusammen, und was immer zwischen uns gewesen war, lag ein Jahr zurück. Sollte ich versuchen, ihn seiner Freundin auszuspannen? Der Gedanke war so lächerlich, dass ich amüsiert schnaubte. Ich lief niemandem hinterher. Außerdem wollte ich, dass Naruto glücklich war, was ihm mit Sakura offensichtlich gelang. Mit mir hätte er diese Gewähr nicht; ich war noch nie eine Freundin gewesen und wusste nicht, wie ich mich als solche schlagen würde. Der Gedanke – so unwahrscheinlich er war – machte mich unruhig. Zumal Naruto niemand war, der sich ausspannen ließ. Er liebte seine Freundin abgöttisch und würde sie nie verletzten, zumindest nicht mit Absicht. Etwas verspätet fiel Tenten auf, dass sie mir gerade irgendwie geraten hatte, einer ihrer Freundinnen den Freund abzujagen, und sie hob abwehrend die Hände. „Nichts! Doch… Na ja, dass du mit mir reden kannst, wenn du willst“, erklärte sie schließlich schulterzuckend. „Es ist Scheiße, wenn der Schwarm eine Freundin hat.“ „Er ist nicht mein ´Schwarm`“, stellte ich klar, doch sie verdrehte nur die Augen. „Du bist echt anstrengend, Sas.“ Bevor ich mich über den Kosenamen beschweren konnte, den sie von Naruto übernommen hatte, fuhr sie fort: „Aber wenn du es dir anders überlegst, bin ich deine Frau. Ich lästere sogar mit dir über Sakura, wenn du willst… Sie kann ganz schön anstrengend sein.“ Tenten zwinkerte mir zu, bevor sie anfing, über etwas anderes zu plaudern. Ich fragte mich, was das sollte. Wieso sollte sie plötzlich versuchen, sich mit mir anzufreunden? Vor einem Jahr hatte sie mich eher hingenommen, denn aktiv angesprochen, was mir vollkommen genügt hatte. Vielmehr war es so gewesen, dass sie beunruhigt von meinem guten Verhältnis mit Neji gewesen war. Es war nicht so, dass ich sie nicht mochte und etwas dagegen hätte, mich mit ihr anzufreunden. Nur verstand ich ihre Beweggründe nicht, was mich misstrauisch machte. Vielleicht war sie nur neugierig, denn von da an fragte Tenten mich immer mal wieder wegen Naruto aus, obwohl es da nichts zu erzählen gab. Wir waren eben befreundet, Punkt. Im Zuge dieser „Befreundungsarbeiten“ erfuhr ich mehr über ihre eigene Beziehung, als mich interessierte. Sie hatte Neji kennengelernt, als sie Kendo ausprobierte in einer Unterrichtsstunde, die er gab. Nur wegen ihm hatte sie mit dem Sport angefangen und betrieb ihn noch, um ihren Freund öfter zu sehen. Er hatte höflich-distanziert auf ihre Avancen reagiert, sie jedoch nie außerhalb des Sportclubs getroffen. Irgendwann hatte sie herausgefunden, dass das an seinem vollen Terminkalender lag, was sie sehr erleichterte. Da er aus gutem Hause kam, hatte Tenten schon befürchtet, sie sei uninteressant für ihn. Auf einer Vereinsfeiert hatte sie ihm dann ihre Gefühle gestanden. Neji hatte gesagt, dass es schwierig wäre und er sie nicht enttäuschen wolle, also hatten sie beschlossen, sich zuerst nur zu treffen und zu sehen, wie es lief. Fast ein halbes Jahr war diese ´Probephase` gegangen, bis er Nägel mit Köpfen gemacht hatte. Außerdem erzählte Tenten, dass er Tenten vor einer Weile gebeten hatte, ihn zu heiraten, was sie jedoch noch geheim hielten. Sie wollten warten, bis beide ihr Studium beendet hatten. Sie war so offen mit ihrer Lebensgeschichte und ihren Sorgen, dass ich ihr nach und nach ebenfalls mehr von mir erzählte. Immer nur bröckchenweise, und natürlich nie zu viele Details oder gar alles, doch genug, dass sie mich besser verstand. Was ich nie erklärte, waren meine verworrenen Gefühle für Naruto, doch Tenten ließ sich nicht beirren; sie wusste einfach irgendwie, was ich für ihn empfand, und ließ sich von nichts, das ich sagte oder tat, von etwas anderem überzeugen. Eigentlich war es mir egal, was sie dachte. Es würde nichts an der Situation ändern, und die war nun mal, dass Naruto eine Freundin hatte. Mich dagegen behandelte er nach wie vor wie einen seiner männlichen Kumpels. Ich wusste, dass er mich vor einem Jahr attraktiv gefunden hatte, daraus hatte er nie einen Hehl gemacht. Jetzt war ich nicht mehr sicher, ob er noch wusste, dass ich eine Frau war. „Na ja… Du hast dir alle Mühe gegeben, ihn das vergessen zu lassen“, merkte Tenten an, als ich eines Tages etwas in die Richtung andeutete. Auslöser für diese Offenbarung war, dass Naruto mich auf offener Straße ausgelacht hatte, weil ich anmerkte, dass ein Kind niedlich sei. Er hatte das sicher nicht so gemeint, aber es hatte mich doch beleidigt. Ich war doch nicht aus Eis – Und inzwischen kam mir die Vorstellung, irgendwann mal Kinder zu adoptieren, gar nicht mehr so abwegig vor. Wahrscheinlich hatte Tenten Recht. Ich hatte mich nie sonderlich ´weiblich` aufgeführt, wenn es dafür Normen gab. Es war noch gar nicht so lange her, dass mein ganzer Kleiderschrank aus den Männerabteilungen diverser Internet-Shops entsprungen war. Inzwischen trug ich Frauensachen. Zwar nicht unbedingt rosa, Glitzer oder mit tiefem Ausschnitt, doch man erkannte unter der Kleidung eine Figur, die Tenten nicht zu loben müde wurde. Naruto hatte meine Garderobe nie gestört, vielleicht sollte ich dazu zurückkehren… Aber nein, ich mochte meine Sachen und würde mich für niemanden verbiegen – schon gar nicht in eine vergangene Version von mir. Zumal ich glaubte, dass Naruto Klamotten egal waren. Er interessierte sich für die Menschen. Wenn ich nicht gerade ´Frauengespräche` mit meiner neuen besten Freundin hielt, arbeitete ich an meiner Bachelorarbeit. Ich lag gut in der Zeit und mein Betreuer war zufrieden, doch die Abschlussphase war extrem stressig. Naruto betonte ständig, dass ich mir keine Sorgen um meine Ergebnisse machen brauchte, weil mein Perfektionismus sowieso zu einer Bestnote führen würde. Wahrscheinlich hatte er damit Recht, aber mein Druck wuchs zusätzlich, weil der Zeitpunkt, zu dem ich meinem Vater von meinen Plänen erzählen musste, immer näher rückte. Ein paar Mal hatte ich es bereits anzusprechen versucht, war jedoch immer gescheitert. „Ich glaube nicht, dass es so schlimm wird“, betonte Naruto an einem Nachmittag, an dem wir in meinem Wohnzimmer saßen. „Ich meine, es ist ja nicht so, als würdest du nichts machen.“ „Aber ich mache nicht das, was er will.“ Und das war in Fugakus Augen genauso schlimm. Er runzelte die Stirn. „Selbst, wenn es ihm nicht passt, was soll er groß machen. Es ist deine Entscheidung.“ Mir ging durch den Kopf, dass mein Vater mir die finanzielle Unterstützung versagen konnte, und als hätte er diesen Gedanken gehört, sagte Naruto grinsend: „Und wenn er dir wirklich das Geld kappt, ziehst du eben zu mir!“ Ich verdrehte die Augen. „Klar. Würde deiner Freundin sicher gefallen.“ Naruto zuckte zusammen und ich zog fragend die Brauen hoch. Doch er lächelte sofort wieder. Elender Lügner. „Das wäre ja nur vorübergehend. Außerdem glaube ich einfach nicht, dass dein Dad das machen würde. Ich meine… Er ist dein Dad!“ „Genau“, seufzte ich und lehnte mich mit geschlossenen Augen gegen das Rückenteil der Couch. Naruto kannte Fugaku nicht, er hatte leicht reden. Mir bereitete die Situation schlaflose Nächte. Das war zwar gut für meine Bachelorarbeit, aber meinem Körper gefiel ganz und gar nicht, dass er seit Wochen nur von Kaffee und Zucker betrieben wurde. Mein Kopf fühlte sich wattig an, und ich hätte hier und jetzt einschlafen können, den Kopf an Narutos Schulter gelehnt. Wieder als hätte er meine Gedanken gelesen, legte er den Arm um mich und zog mich an sich. Vor einem Jahr wäre das unmöglich gewesen, doch jetzt lehnte ich mich an ihn und zuckte nicht mal zusammen, als er mir einen Kuss auf den Scheitel drückte. Es könnte alles so einfach sein… War es aber nicht. „Sau geil, ich wollte das schon immer mal ausprobieren!“ „Das sagtest du bereits.“ Suigetsu ließ sich von meiner trockenen Antwort in seiner Begeisterung nicht bremsen. Wir befanden uns in einem Industriegebiet mit den üblichen Drogerie- und Outlet-Märkten, Firmen, Lagerhallen und Restaurants. Unser Weg führte über einen Parkplatz zu einem großen, hell erleuchteten Gebäude, vor dessen Tür einige Leute rauchten. Es handelte sich um eine Anlage, in der Minigolf und Go-Kart-Rennen angeboten wurden, wobei wir an einem der letzteren teilnehmen würden. Wir traten ein, ignorierten die breite Treppe zum ersten Stock und hielten uns rechts, wo ein Anmeldeschalter sowie Tische eines Restaurants standen. Ein kurzer Blick und ich entdeckte unser Ziel; an einem Tisch hatten Narutos Freunde Platz genommen. Er selbst sprang gerade auf und kam winkend auf uns zu. „Da seid ihr ja!“ Ich ließ mich drücken und wartete, bis die Männer sich begrüßt hatten. „Seid ihr schon eingetragen?“ Er begleitete uns zu Computern, in die wir unsere Daten eingeben mussten und die absolut scheußliche Fotos von uns machten. Nach dieser Prozedur zahlten wir an der Kasse und wurden gebeten, uns in den ersten Stock zu begeben, wo das Rennen stattfinden würde. Wir sammelten Narutos Freunde ein, die in verschiedenen Skepsisleveln auf Suigetsu und mich reagierten. Tenten strahlte mich an und ihr Freund nickte mir zu. Shikamaru und Temari begrüßten mich unbeeindruckt, Kyûbi schief grinsend und Sakura… Nun, höflich. Ich hatte das Gefühl, Naruto habe die Gruppe, der er mich hier präsentierte, sorgfältig ausgewählt, um Ärger zu vermeiden. Immerhin war seine Clique verständlicher Weise nicht begeistert davon, dass wir wieder Kontakt hatten. Das war umsichtiger, als ich ihm zugetraut hätte, und nicht das erste Mal, dass er mich mit Umsichtigkeit derart überraschte. Es war sein Vorschlag gewesen, dass ich einen meiner Freunde mitbringen sollte. Naruto hatte sogar von allen gesprochen, doch das wäre mir übertrieben erschienen, sodass ich mich an Suigetsu gehalten hatte. Er war, ob man es glaubte oder nicht, der Umgänglichste meiner Freunde. Gemeinsam stieg die Gruppe eine Treppe hoch, wobei ich zwischen Kyûbi und Naruto landete. „Warst du schon mal Go-Kart fahren?“, fragte der Rothaarige. Ich schüttelte den Kopf, und Naruto warf ein: „Aber lass dich davon nicht täuschen. Bestimmt ist sie voll die Rennsemmel!“ Amüsiert sah ich ihn an, während wir eine zweite, schmalere Treppe hochstiegen. „Rennsemmel?“ „Du weißt genau, was ich meine“, protestierte er, dann waren wir oben. Zu unserer Rechten befand sich ein Tresen, hinter dem ein Glatzkopf mit buschigen Augenbrauen stand, der gerade Tentens und Sakuras Handtaschen verstaute. Temari hatte, wie ich, ihr Geld in eine Hosentasche gesteckt. Auf der linken Seite standen Schränke mit Helmen und Stirnhauben zum Ausleihen. Geradeaus standen Go-Karts in ordentlichen Reihen, die mit Kabeln aufgeladen wurden. Die Fahrbahn verlief über zwei Ebenen, sodass wir auf die Gruppe, die gerade ein Rennen fuhr, hinabblicken konnten. Ab und zu quietschten Reifen, sonst war es recht leise, da es sich um Elektro-Karts handelte, weshalb der Benzingeruch fehlte. „Den Gestank vermisse ich“, fand Suigetsu, der zu uns getreten war, um einen Helm zu nehmen. Auch Kyûbi suchte einen Kopfschutz aus, während er sagte: „Solange die Karts genauso schnell fahren…“ „Hah, du hast doch nur Angst, dass deine Haare nach Benzin riechen!“, gab Suigetsu zurück, immer dabei, sich Freunde zu machen. Zum Glück nahm Kyûbi, dessen rote Mähne im Nacken zu einem Knoten gebunden war, meinen Begleiter nicht für voll. Sakura gesellte sich zu uns und nahm Naruto einen seiner Motorradhelme ab, die er mitgebracht hatte. „Aufgeregt?“, fragte er seine Freundin, die wohl wie ich noch nie ein Rennen gefahren war. Sie nickte und er küsste sie lächelnd. „Das wird schon! Und wenn du Angst hast, einfach immer rechts fahren.“ Wir hatten die ganze Bahn gemietet, sodass uns wenig später der Glatzkopf Funktion der Karts und Regeln des Rennens erklärte. Als er fertig war, stiegen wir in die Vehikel, die uns zugewiesen worden waren, sodass wir ins Qualifiling starten konnten. Die Streckte hatte enge Kurven, die es schwer machten, zu überholen. Bereits in den ersten Runden gab es ein paar Zusammenstöße, weshalb der Bahnhelfer – ein junger, blonder Mann mit langer Nase – sein überdimensionales Riechorgan ein wenig rümpfte, als er uns in die Startpositionen lotste. „Passt besser auf, nicht ineinander zu fahren“, mahnte er, vor allem an Suigetsu gewandt, der durch seine Rambolagen so viel Zeit verloren hatte, dass er nur schneller als Sakura und Tenten ins Ziel gekommen war. Vor ihm standen Neji und ich (sehr zu Suigetsus Ärger), dann Shikamaru, Naruto und Kyûbi. Erste war Temari, die äußerst zufrieden aussah und spielerische Herausforderungen mit den beiden besten Freunden hinter sich austauschte. Naruto wandte sich um und grinste mich an, als er meinem Blick begegnete. „Doch nichts mit Rennsemmel!“, rief er mir zu. Ich zuckte die Schultern. Das Fahren machte Spaß, erforderte aber überraschend viel Technik, die ich noch nicht raushatte. Mal sehen, vielleicht konnte ich im richtigen Rennen einen Platz gut machen. „Fertig?“, rief der Bahnhelfer, als das Licht der Bildschirme vor uns sich erneut rot färbte. „Los!“ Sofort wurden die Monitoren grün, und ich drückte aufs Gas. Shikamaru hatte wohl nicht mit dem plötzlichen Start gerechnet, sodass ich mich an ihm vorbei schieben konnte. Danach ging es um die erste Kurve und über eine Gerade, auf der ich dicht hinter Naruto lag. Die Biegung erwischte er allerdings deutlich besser als ich, sodass er mich rasch abhängte. Im Anschluss lieferte ich mir ein Rennen mit Shikamaru, bei dem mal er, mal ich vorne lag, und in dem immer wieder Neji mitmischte. Tenten und Sakura fuhren so langsam, dass ich sie fast drei Mal überrundet hätte, doch da winkte der Angestellte mit der Glatze uns bereits nach draußen. „Wie geil!“, freute sich Naruto, der schon am Monitor mit den Ergebnissen war, als ich aus dem Kart stieg. Sein Shirt klebte schweißgetränkt an seinem Rücken, wie meines vermutlich auch. Ich trat zu den drei ´Rennsemmeln`- Naruto, Kyûbi und Temari – und sah, dass ersterer gewonnen hatte. Er wandte sich um, strahlte… Und lief geradewegs an mir vorbei, als ich ihn beglückwünschen wollte. Mit eingefrorener Miene sah ich zu, wie er Sakura in den Arm nahm, hochhob und lachend mich sich selbst drehte. Bevor sie sich küssten, wandte ich mich ab. „Wow, für dein erstes Mal hast du dich echt gut geschlagen“, lobte Kyûbi, der seinen zweiten Platz gehalten hatte – nur wegen eines Defekts an ihrem Kart, wie Temari gerade mürrisch ihrem Freund erzählte. „Hn“, machte ich unbeteiligt. Kyûbi zog die Braue hoch und linste in die Richtung, aus der man Narutos Stimme aufgeregt von seinem Sieg berichten hörte. Er seufzte. „Ich hab ihm das zum Geburtstag geschenkt, also verdirb es ihm nicht. Das ist immerhin deine eigene Schuld.“ Ich schoss Kyûbi einen bösen Blick zu. Als wüsste ich das nicht selbst. „Keine Ahnung, was du meinst.“ „Klar“, erwiderte er gelangweilt und wandte sich ab, um mit seinem besten Freund zu reden. Ich blieb alleine zurück, und auch, als wir später noch in eine Bar gingen, änderte sich dieser Eindruck nicht. Alle lachten und waren gut drauf, nur ich fühlte mich isoliert. Früher hatte Naruto immer geschafft, dass ich mich unter seinen Freunden willkommen fühlte, aber jetzt saß er neben Sakura und küsste sie ab und zu, während ich zwischen Suigetsu und Neji schwieg. Was ihm nicht mal auffiel. Waren wir uns wirklich so fremd geworden? Oder war es ihm schlicht egal? Ich war emotional erschöpft, als wir uns schließlich auf dem Parkplatz verabschiedeten, und ich hasste diese Seite von mir. Viel lieber wäre ich rein rational und logisch gewesen, denn dann wäre klar, dass meine Wünsche bezüglich Naruto sich nie erfüllen würden. Doch so einfach war es nicht. Ich wollte ihn sehen, und redete mir dafür sogar ein, dass es ok wäre, nur befreundet zu sein. Obwohl es mich jedes Mal vor Eifersucht kochen ließ, wenn ich Naruto mit Sakura sah. „Sas?“, sprach mein bester Freund mich an, als die anderen ein Stück vorangegangen waren. Ich sah ihn nicht an. „Mhm?“ „Hattest du Spaß?“ Verdirb ihm nicht das Geburtstagsgeschenk. „Ja.“ „Gut. Ich fand´s nämlich schön, dass du da warst!“ Grinsend knuffte er mich gegen die Schulter. So ganz anders, als die stets ein wenig zu langen Umarmungen, mit denen er mich früher verabschiedet hatte. Nicht mal so, wie er vorhin Tenten und Temari Tschüss gesagt hatte. Naruto behandelte mich bedingungslos wieder wie einen Freund – Und zwar wie einen männlichen. „Kommst du, Naruto?“, rief Sakura von ihrem Auto aus und winkte, als sie uns sah. „Bis dann, Sasuke-kun!“ „Bis dann“, murmelte ich tonlos und sah zu, wie die beiden davon fuhren. Jedes Mal kostete es mich mehr Überwindung, das Haus meines Vaters zu betreten. Wie jedes Mal tat ich es letztendlich doch. Weil ich es versprochen hatte oder Fugaku schuldig war oder weiß der Teufel wieso. Fakt war, dass ich im Wohnzimmer saß und (immerhin sehr guten) Kaffee trank, während mein Vater und ich versuchten, uns nicht anzuschweigen. Itachi, der sonst für etwas leichtere Konversation sorgte, war auf Geschäftsreise, was ich sehr begrüßte. Eine Weile hangelten wir uns mühsam an Banalitäten entlang; dem Wetter, die Firma, Itachis Reise. Doch bereits nach einer halben Stunde ging uns der Gesprächsstoff aus. Ich fragte mich, wann ich gehen konnte, ohne unhöflich zu sein. Fugaku dagegen hatte wohl tatsächlich über ein Gesprächsthema nachgedacht und fragte schließlich: „Wie läuft es mit deiner neuen Arbeit?“ Ein wenig überrascht von der Frage zögerte ich. Sonst ging er einfach davon aus, dass ich Bestleistungen zeigte (Was ich tat, wie Lehrer und Ausbilder immer wieder bestätigten), daher irritierte mich dieses Interesse. Zumal, und das war vielleicht der vorrangige Grund, mein Vater nach wie vor nicht wusste, was genau ich arbeitete. Diese plötzliche Neugierde ließ mich Böses ahnen. Und ich sollte Recht behalten. „Gut. Es sind nach wie vor alle zufrieden mit mir.“ „Hm“, machte Fugaku, wodurch er doch die erwartete Mischung aus Desinteresse und automatischer Annahme von Bestleistungen zeigte. „Und was genau sind deine Aufgabenbereiche?“ Ich überlegte hin und her, doch mir fiel auf diese Frage keine ausweichende Antwort ein, sodass ich erschöpft seufzte. Natürlich hätte ich lügen können. Ich hatte bereits diverse mögliche Antworten ausgetüftelt, die sogar bedachten, dass mein Vater viele Leute aus seinem Arbeitsbereich kannte. Aber obwohl es kaum eine schlimmere Möglichkeit hätte geben können, wie mein Vater herausfand, dass ich nicht tat, was er wollte, hatte ich keine Lust mehr, mich zu verstellen. Ich hatte sowieso zu lange gezögert, reinen Tisch zu machen. Hatte ich wirklich erwartet, Fugaku würde zwei Jahre lang – ich konnte dank meiner Noten die Ausbildungszeit verkürzen – nicht erraten, was ich spielte? Anscheinend schon. „Sasuke?“, riss mein Vater mich aus meinen Überlegungen. „Ja… Meine Aufgaben sind Hilfe beim Kochen und Aufräumen. Ich lerne das Lager und die Abläufe bei der Warenbestellung kennen, außerdem die Hygienevorschriften. In der Berufsschule…“ „Berufsschule“, unterbrach Fugaku mich ruhig. „Soll das ein Witz sein?“ Ich holte tief Luft, um sagen zu können: „Nein. Das sind die üblichen Bestandteile einer Ausbildung zum Koch.“ Die Stille zog sich in die Länge und immer enger um mein Herz. Sag etwas. Schrei mich an. Bitte… Doch es kam nichts, und schließlich ergriff ich erneut das Wort. „Wie gesagt, meine Ausbilder sind sehr zufrieden. Ich kann die Ausbildungszeit verkürzen, sodass ich nur zwei Jahre in die Lehre gehe.“ Fugaku nahm seine Kaffeetasse, setzte sie an die Lippen, stellte sie dann aber ab, ohne etwas getrunken zu haben. „Nach allem, was ich in deine schulische Laufbahn investiert habe, machst du eine Ausbildung“, stellte Fugaku ruhig fest. „Und du hältst es nicht für nötig, deswegen mit mir zu sprechen.“ Es störte ihn, dass ich ihn nicht informiert hatte? Fast hätte ich gelacht, doch um die Situation nicht weiter zu verschärfen, schluckte ich es runter. „Ja.“ „Nun, ich sollte nicht überrascht sein. Du hattest immer Tendenzen zu eher… schlichteren Aufgaben. Wahrscheinlich habe ich dich überfordert.“ Ah, da war der beißende Spott, den ich erwartet hatte. Ohne ihn hätte ich daran gezweifelt, mit meinem Vater zu sprechen. „Findest du das lustig?“, fuhr Fugaku mich an, denn mir war unwillkürlich ein selbstironisches Lächeln auf die Lippen geschlichen. Als ich den Kopf schüttelte, starrte er mich an, wie eine Made auf seiner Picknickdecke. Schmeichelhaft. „Schweig nicht wie ein Fisch. Erkläre dich.“ „Ich habe während des Studiums festgestellt, dass Chemie nicht das ist, was ich mein Leben lang machen möchte.“ Eigentlich hatte ich das schon vorher gewusst, aber es brachte nichts, eine Entscheidung von vor drei Jahren zu hinterfragen. Verschwendet hatte ich die Zeit meiner Meinung nach nicht. Ich hatte viel gelernt. „Und da dachtest du, du schmeißt einfach alles hin, ohne andere Meinungen zu hören. Nur, weil du gerade mal nicht zu Recht gekommen bist, deine Zukunft derart in den Sand zu setzen… Ich hätte so ein kindisches Verhalten nicht erwartet.“ Es ging ihm doch nur darum, dass ich ihn nicht um Erlaubnis gebeten und mich somit seiner Kontrolle entzogen hatte. Aus Gründen der Diplomatie behielt ich diese Ansicht jedoch für mich, schließlich brauchte ich ihn noch. Ehrlichkeit war schön und gut, aber Taktik gehörte ebenfalls dazu – vor allem im Umgang mit meinem Geldgeber. Eineinhalb Jahre. Noch eineinhalb Jahre, dann brauchte ich nie wieder vor irgendwem zu katzbuckeln. „Wobei ich mich frage, wieso ich so überrascht bin. Es entspricht ganz deinem Naturell, ohne Bedenken zu tun, was dir gerade in den Sinn kommt“, analysierte mein Vater, noch immer mit einem Blick als wäre ich ein Insekt. „Seine Taten vorher zu überdenken, ist immens wichtig. Eigentlich hättest du es nicht verdient, aber ich werde mich darum kümmern.“ „Was?“, unterbrach ich zum ersten Mal seinen gift-strotzenden Monolog. Fugaku funkelte mich kalt an. „Ich werde deine Exmatrikulation rückgängig machen. Mit Sicherheit lässt sich darüber reden. Ich werde nicht zulassen, dass im Lebenslauf meiner Tochter ein Schandfleck wie ein abgebrochenes Studium steht.“ Völlig verblüfft sah ich ihn an. Säße mir jemand anderes gegenüber, hätte dieses Verhalten als beschützend und fürsorglich angesehen werden können. Vielleicht war es das sogar in gewisser Weise. Doch ich kannte meinen Vater, und ich misstraute ihm. Für mich klangen seine Worte nach Zwang und Kontrolle, denen ich entgehen wollte. Außerdem hatte er sich seit meiner Grundschulzeit nicht mehr um meine Angelegenheiten gekümmert. Klar, er war auf jeden Elternabend gegangen, doch nur, um sich erzählen zu lassen, wie hervorragend ich mich schlug. Die einzige Ausnahme dieser Lobeshymne hatte die achte Klasse gebildet. Meine Noten waren drastisch eingebrochen, sehr zur Besorgnis meiner Lehrer, bis ich mich meiner häuslichen Situation angepasst hatte. Ich funktionierte ab der Neunten wieder, sodass Fugaku zu seiner großen Erleichterung seine Aufmerksamkeit für mich reduzieren konnte. Ein oder zwei Lehrer stellten weiter Fragen, doch irgendwann gaben sie alle auf. Und jetzt spielte Fugaku den besorgten Vater. Dass ich nicht lachte. „Ich habe das Studium nicht abgebrochen“, erklärte ich gelassen. „Ich schreibe meine Bachelorarbeit per Fernstudium, neben der Arbeit. Das einzige, das sich an meinen Plänen geändert hat, ist, dass ich den Master nicht machen werde… Nun, und ich werde nicht in deiner Firma arbeiten.“ „So einfach ist das“, fragte er eisig. Ich nickte schlicht. Wenn er es nicht kompliziert machte, war es einfach. „Nach allem, was ich in deine Ausbildung investiert habe… Du bist sogar ausgezogen, um diesen… Diesen ´Plan` geheim zu halten.“ „Du hättest es nicht verstanden.“ „Ganz recht, das tue ich nicht. Weil es nichts zu verstehen gibt. Das ist nichts als einer deiner dummen, unbedachten, selbstsüchtigen Einfälle.“ „Selbstsüchtig…“, wiederholte ich spöttisch, doch darüber zu diskutieren würde nichts bringen, also konzentrierte ich mich auf das Wesentliche: „Eine Idee kann nicht gleichzeitig hinterhältig und unbedacht sein. Entscheide dich“, forderte ich, aber Sarkasmus würde mich nicht weiter bringen, also holte ich tief Luft. „Ich habe lange darüber nachgedacht und mir die Entscheidung nicht leicht gemacht. Gerade weil du viel Geld und ich viel Zeit in meine bisherige Ausbildung gesteckt haben. Aber ich bin zu dem Schluss gekommen, dass das kein Grund ist, keine neuen Wege zu gehen. Im Gegenteil. Wenn ich jetzt nicht aufgehört hätte, hätten wir nur noch mehr in etwas investiert, das ich so oder so nicht weiter betrieben hätte.“ Erschöpft von dieser untypisch langen Rede schmiegte ich mich in das folgende Schweigen. Dieses ging von meinem Vater aus, der über das Gesagte sowie die gesamte Situation nachdachte. Dabei musterte er mich, als sähe er mich zum ersten Mal. Jetzt, wo alles gesagt war, fühlte ich mich angenehm gleichgültig. Egal, was Fugaku sagte, es würde nichts an meiner Entscheidung ändern. Diese Sicherheit rührte daher, dass ich mein Leben schon vor einer Weile umgestellt hatte und mich daran gewöhnt hatte. Hätte ich dieses Gespräch sechs Monate zuvor geführt, wäre ich wahrscheinlich eingeknickt. So hörte ich mir einfach an, was mein Vater darüber dachte, ohne mich beeinflussen zu lassen. Schade war es nur um unsere in letzter Zeit relativ gutes Verhältnis, dachte ich ein wenig wehmütig, doch dieser Frieden war nur meiner Funktionalität geschuldet gewesen. Ich hätte damit rechnen müssen, dass er nicht von Dauer sein würde. „Wie ich dich kenne, lässt du dich nicht mit Logik umstimmen“, brach mein Vater schließlich das Schweigen. Er gab mir Zeit zu wiedersprachen, was ich nicht tat – seine Logik war nicht mehr meine – also nickte er. „Wie du möchtest. Da Geld offensichtlich alles ist, das du willst, und ich dich schlecht auf die Straße setzen kann, werde ich dich weiter finanziell unterstützen. Dabei kannst du auf deine Anstandsbesuche hier verzichten. Ich will dich nicht mehr sehen.“ Diese Ankündigung hätte wohl wehtun sollen. Tat sie aber nicht. Die Welt meines Vaters funktionierte nach dem Prinzip: ´Entweder du bist für mich oder du bist gegen mich.` Und seinen eigenen Weg zu gehen, hieß entsprechend, gegen ihn zu sein. „Danke“, sagte ich, denn immerhin hätte es einen bürokratischen Spießroutenlauf bedeutet, mich während der Ausbildung selbst zu finanzieren. Es wäre nicht unmöglich; ich hatte mich schon informiert. Doch so war es deutlich bequemer, und ich sah es nicht als selbstverständlich an. Fugaku sagte nichts, sondern stand auf um zu verdeutlichen, dass ich jetzt gehen würde. Ich tat es ihm gleich und zog unter seiner Aufsicht meine Schuhe an. Dann sahen wir uns an und ich fragte mich, wie unsere Beziehung ausgesehen hätte, wäre Mikoto nicht bei meiner Geburt gestorben. Vielleicht hätte er mich genauso geliebt wie Itachi. Vielleicht hätte er mich so verwöhnt wie andere Väter ihre Töchter. Vielleicht hätten wir uns trotzdem nicht verstanden, weil unsere Charakter sich einfach zuwider waren. Aber so war es eben nicht, und jetzt war die Realität, in der ich mich terrorisieren ließ, endgültig zu Ende. Keiner von uns sagte etwas zum Abschied, wir nickten uns nur zu, dann verließ ich das Haus. Im Bus zum Bahnhof konnte ich nicht wirklich denken, denn das Geschehene spielte sich immer wieder vor meinem inneren Auge ab. Hätte ich diese Szene vermeiden können? Hätte ich das gewollt? Denn irgendwann hätte ich Fugaku doch so oder so die Wahrheit sagen müssen. Erschöpft lehnte ich die Stirn gegen die Scheibe der Bahn und starrte nach draußen. Es war ein seltsames Gefühl, dass mein Vater mich gerade verstoßen hatte, so unwirklich. Es machte mich nicht wirklich traurig, hatten wir doch nie eine gute Beziehung gehabt, doch meine Familie hatte zu dem gehört, über das ich mich definierte. Sie war ein Teil von mir, würde es immer sein – aber jetzt war ich kein Teil mehr von ihr. Es war ein schwer zu beschreibendes Gefühl. Ich fragte mich, was mich jetzt noch ausmachte. Ganz klar, meine Ausbildung und mein Studium, die mir wichtig waren, doch was noch? Ich dachte an meine Freunde. Suigetsu, Karin und Juugo. Es war nicht so, dass sie mir gleichgültig waren, aber ich würde nicht wie andere Leute alles für sie tun, was daran lag, dass ich mir ihre Freundschaft nicht so sehr ausgesucht hatte als viel mehr an ihnen hängengeblieben war. Mir war oft schleierhaft, was sie an mir fanden und wieso sie ihren sozialen Kreis so sehr um mich herum aufbauten. Ganz sicher sah ich sie nicht als Ersatz für meine kaputte Familie. Ich hatte die drei im letzten Jahr näher an mich herangelassen, doch da ich keine guten Erfahrungen mit dem sozialen Konstrukt ´Familie` hatte, wäre ich nie auf die Idee oder den Wunsch gekommen, sie als solche zu bezeichnen. Ich kam gut alleine zurecht, brauchte niemanden, um meine Ziele zu erreichen, das hatte ich mir im letzten Jahr eindrucksvoll selbst bewiesen. Nein, ich brauchte keine Familie. Aber wollte ich auch keine? Früher wäre die Antwort ein klares ´Nein` gewesen. Familie bedeutete Scharade. Man war mit dem Blut an Menschen gebunden, mit denen einen sonst nichts verband. Doch inzwischen fragte ich mich, ob ich mir eine Familie nicht genauso erarbeiten konnte wie ich es mit meiner Wunschkarriere getan hatte. Zu meinen Bedingungen, mit einem Menschen, mit dem mich alles verband außer das Blut? Natürlich schwebte mir dabei ein gewisser Blondschopf vor. Den ich jedoch nicht haben konnte, wie ich mich sofort zur Ordnung rief. Aber ich konnte mir nicht helfen; mit Naruto hatte sogar die Vorstellung von Kindern etwas Verlockendes, obwohl ich nie welche gewollt hatte. Tja, wir waren wohl doch alle bis zu einem gewissen Grad der Natur unterworfen. Inzwischen war ich zu Hause und stand im Wohnzimmer. Es kam mir plötzlich schrecklich leer vor, was mich irritierte. Ich mochte es, alleine zu sein. Nur mochte ich es noch lieber, bei ihm zu sein. Meine eigenen Gefühle nervten mich, zum ersten, weil ich ganz genau wusste, dass es unmöglich war, dass diese erwidert wurden – dafür hatte ich selbst gesorgt. Zum anderen, weil es meinem Selbstbild wiedersprach, derart an jemandem zu hängen. Allerdings konnte ich nichts gegen dieses Gefühl tun, Naruto sehen zu wollen, sodass ich ihn schließlich anrief. Dabei ließ ich mich auf dem Sessel nieder, den mir meine Großmutter geschenkt hatte, und sah aus dem Fenster. Es wurde bereits dunkel, und die Blätter der Bäume auf der gegenüberliegenden Straßenseite wurden von Schneeregen zu Boden gerissen. Nach drei Klingeltönen nahm Naruto ab. „Sas! Hi!“ Unwillkürlich strich ich mir das inzwischen über schulterlange Haar hinters Ohr. „Hi.“ „Was gibt´s?“, fragte Naruto, sofort alarmiert, obwohl meine Stimme gelassen klang. Wie machte er das nur? „Nichts.“ „Aww, du wolltest nur meine Stimme hören?“, neckte er, ohne zu ahnen, wie Recht er hatte. „Idiot…“ „Ach, das ist doch kein guter Grund! Was treibst du gerade?“, wechselte er das Thema, bevor ich darauf eingehen konnte. „Eigentlich nichts, deswegen…“ Ich ließ den Rest ungeasgt, aber er verstand sicher, was ich sagen wollte: ´Können wir uns sehen?` „Hm, klingt öde. Wir gehen jetzt dann essen. Magst du mit?“ Wir. Sakura war bei ihm. Natürlich. „Ich will nicht stören.“ „Tust du nicht. Komm doch mit, bevor du alleine zu Hause sitzt.“ Man merkte, dass er das nicht nur aus Höflichkeit sagte, sondern es tatsächlich so meinte, und ich war versucht, nachzugeben, als ich im Hintergrund der Leitung Sakura sagen hörte: „Kommst du? Wir müssen langsam los.“ „Gleich, Süße… Also, Sas? Wir gehen ins…“ „Das würde ihr nicht gefallen. Aber viel Spaß.“ Es gab ein ersticktes Geräusch, das wohl bedeutete, dass Naruto seinen Protest runterschluckte. Vielleicht hatte er doch gemerkt, wie seine Freundin (Verständlicher Weise) empfand und passte sich dem an. Ich verstand es – aber es enttäuschte mich trotzdem. „Na gut“, murmelte Naruto. „Dann sehen wir uns.“ Er zögerte, aufzulegen, also tat ich es. Es war nicht so, dass ich ihm mit seiner Beziehung helfen wollte; wenn Sakura es nicht schaffte, ihn zu halten, war das schließlich nicht meine Schuld. Aber ich würde die beiden auch nicht sabotieren. Zumal er gerade nur aus Beschützerinstinkt zu mir gekommen wäre, und den wollte ich nicht ausnutzen. Ich hatte nicht so hart gearbeitet, um jetzt die Jungfrau in Nöten zu spielen. Das hatte ich nicht nötig. Außerdem ging es mir gut. Dass mein Vater sich von mir losgesagt hatte, war nichts, das mich aus der Bahn warf. Trotzdem fühlte ich mich erschöpft und beschloss, früh zu Bett zu gehen. Es war nicht mal neun, als ich im Bett lag, und keine fünf Minuten später war ich in einen unruhigen Schlaf gesunken. Später wusste ich nicht, was ich geträumt hatte, nur, dass die Türklingel sich in das Geschehen einfügte und ich deshalb erst nicht aufwachte. Als ich es tat, sah ich verwirrt auf meine Handy, welches zeigte, dass ich kaum eine Stunde geschlafen hatte. Stöhnend drehte ich mich wieder um; die Türklingel hatte ich mir doch nur eingebildet… Da läutete mein Handy und zu meiner Überraschung sah ich Narutos Namen auf dem Display. „Was?“, begrüßte ich ihn knapp und er lachte. „Ich hab dich aufgeweckt, oder? Diese muffelige Tonlage kenn ich doch“, stichelte er gutmütig. Ich grummelte etwas Unverständliches. „Haha, schon gut. Lässt du mich rein?“ „Was?“, murmelte ich, mich verschlafen aufsetzend. „Wo bist du…?“ „Na, vor deiner Tür.“ Zum Beweis klingelte er an selbiger. „Mach auf, Schlafmütze.“ Verwirrt stand ich auf und ging zur Haustür, vor der tatsächlich Naruto stand. Seine Garderobe aus einem dicken, grauen Parka, orangem Schal und Mütze zeigte mir die Unzulänglichkeit meiner eigenen Kleidung; ich stand in Boxershorts und einem weiten Shirt vor ihm. Unwillkürlich überkreuzte ich die Arme und Beine. „Hey“, begrüßte mein bester Freund mich strahlend und drückte mich. Wortlos ließ ich ihn in die Wohnung, wo er sich fast genauso neugierig umsah wie bei seinem ersten Besuch. Das war vor ein paar Wochen gewesen. Er hatte selbst eingeladen, und am Schluss waren neben ihm meine Freunde sowie Neji und Tenten aufgetaucht. Ich wusste nicht, wie er das machte, aber wo er war, war Trubel. Deshalb hatte ich bei der Begrüßung misstrauisch ins Treppenhaus geblickt, doch er schien alleine gekommen zu sein. Obwohl Sakura vorhin eindeutig bei ihm gewesen war. „Was machst du hier?“, fragte ich, als mein Gast es sich im Wohnzimmer bequem gemacht hatte. Ich blieb stehen. Naruto sah zu mir auf und zuckte die Schultern. „Du hast geklungen, als könntest du Gesellschaft gebrauchen… Was ist passiert, Sas?“ „Nichts. Du hättest Sakura nicht stehen lassen sollen“, ignorierte ich seine Frage. Er zuckte leicht zusammen und ich wusste, wieso er erst jetzt hier aufgeschlagen war. Zuerst hatte er noch mit seiner Freundin streiten müssen. Das Wissen, dass er sich trotzdem entschieden hatte zu kommen, befriedigte mich ungemein, und ich ließ mich jetzt doch auf meinem Sessel nieder. „Na ja, du wolltest ja nicht zu uns kommen“, erklärte Naruto ziemlich lahm. Plötzlich sah er traurig aus, und mein Hochgefühl verflog. Das war einer der Gründe, aus denen ich nie etwas tun würde, damit er sich von seiner Freundin trennte; es würde ihn wahnsinnig verletzen, sie zu verlieren. „Ich habe dir gesagt, dass ihr nicht passen würde, wenn ich mitkomme“, seufzte ich und verschränkte die Arme. Dabei wurde mir unangenehm bewusst, dass ich keinen BH trug, und am liebsten hätte ich mich umgezogen. „War klar, dass es ihr noch weniger gefällt, dass du herkommst. Mitten in der Nacht“, fügte ich hinzu. „Aber… Ich konnte dich doch nicht alleine lassen!“ Naruto war so ein Trottel. Setzte seine Beziehung aufs Spiel, nur, weil er sich einbildete, irgendjemand würde ihn brauchen… Wobei ich mich fragte, wie er darauf gekommen war. Meine Stimme hatte ruhig geklungen, weil ich eben ruhig war. Es gab keinen Grund, sich darüber aufzuregen, dass mein Vater unsere nicht existente Beziehung aufgekündigt hatte. Ich überschlug die Beine und zwirbelte eine Haarsträhne zwischen den Fingern. „Es gab keinen Grund, herzukommen. Alles ist in Ordnung.“ Naruto verdrehte ungeduldig die Augen. „Lüg doch nicht“, verlangte er, ohne den geringsten Zweifel. „Was ist passiert?“ Als ich schwieg, lehnte er sich näher zu mir und funkelte mich herausfordernd an. „Also hat das letzte Jahr überhaupt nichts gebracht. Du kannst immer noch nicht reden.“ Wütend presste ich die Lippen aufeinander, doch er ließ sich von meinem bösen Blick nicht beirren. Schließlich sah ich weg und machte eine wegwerfende Handbewegung. „Ich war bei meinem Vater und er hat herausgefunden, dass ich eine Lehre mache. Zufrieden?“ Statt auf meinen bösartigen Ton einzugehen, weitete Naruto die Augen. „Fuck… Was hat er gesagt?“ „Er wird mich weiter finanziell unterstützen.“ „Sas…“ Naruto seufzte tief, ehe er erklärte: „Ich meine auf persönlicher Ebene. Du hast ihm immerhin eine riesige Entscheidung vorenthalten, die den Berufsplan betrifft, den er für dich entworfen hatte.“ Das hatte ich natürlich gewusst, aber ich hatte nicht darauf antworten wollen. Wobei mir unklar war, wieso eigentlich. Es war doch nichts schlimmes, wozu Fugaku sich da entschieden hatte. Also holte ich tief Luft und erklärte ruhig: „Er hat gesagt, er will mich nicht mehr sehen.“ Als hätte er das erwartet, stand Naruto sofort auf, kam zu mir und nahm mich in den Arm. „Das hat er bestimmt nicht so gemeint“, beschwichtigte seine betroffene Stimme dicht an meinem Ohr. „Er war nur sauer. Wenn du nochmal mit ihm redest…“ „Er hat es so gemeint“, unterbrach ich tonlos, während ich in seinen Armen hing. Ich wehrte mich nicht, erwiderte die Berühung aber nicht. „Und ich will nicht mit ihm reden. Es ist ok so.“ „Nein, es ist nicht ok, wenn ein Vater sein Kind nicht mehr sehen will, nur, weil das nicht tut, was er will“, erwiderte er fest und löste sich von mir, um mich ansehen zu können. Seine Augen brannten wie blaues Feuer. „Es. Ist. Nicht. Ok. Hör auf, dir das einzureden, Sasuke.“ „Es ist mir egal.“ „Nein.“ „Es ist unwichtig. Lass mich…!“, fauchte ich in dem Versuch, mich von ihm zu lösen, aber Naruto hielt mich nur fester. „Es ist dir nicht egal, und es ist nicht in Ordnung, dass dein Vater dich vernachlässigt hat. Und es ist ok, dass du traurig bist und jemanden brauchst. Ich bin für dich da, Sasuke. Immer.“ Mit weit aufgerissenen Augen starrte ich ihn an, und dann fühlte ich plötzlich etwas Feuchtes an meinen Wangen. Naruto strich mir über die Backe und ich sah Tränen an seinen Fingern glitzern, mit denen ich selbst nicht gerechnet hatte. Ich weinte… Vor einer anderen Person… Diesmal bäumte ich mich so heftig auf, dass Naruto mich losließ, und ich flüchtete in mein Zimmer, wo ich mir entsetzt über die Augen rieb, die immer neue Flüssigkeit absonderten. Nein… Nein, ich war doch stark geworden. Ich konnte doch jetzt nicht vor Naruto losheulen wegen etwas, das mir egal sein sollte. „Sasuke…“ „Geh weg“, schnappte ich mit peinlich tränenerstickter Stimme. „Geh einfach weg.“ „Sicher nicht.“ Naruto war in mein Zimmer gekommen, hielt aber Abstand. Trotzdem sah ich in seinen Augen genau das, was ich nie von irgendjemandem gewollt hatte: Mitleid. Unglaublich erniedrigt konnte ich nicht anders, als das nächstbeste Kissen zu nehmen und nach ihm zu werfen. „Lass mich. Ich will das nicht. Ich will… Ich will…“ „Gar nichts fühlen?“, blaffte Naruto, plötzlich wütend. „Tja, hier sind die Neuigkeiten; das geht nicht! Und das ist gut so. Sonst wären wir keine Menschen, sondern Maschienen. Und jetzt benimm dich ein Mal menschlich und lass dich trösten, du verdammter Dickschädel.“ Ich war so überrascht, dass ich gar nicht mehr auf die Tränen achtete, die mir immer noch übers Gesicht kullerten. Ich konnte nur Naruto anstarren, der mir die Hand hinhielt, um mich selbst entscheiden zu lassen, ob ich auf ihn zukommen würde. Dabei leuchteten seine Augen entschlossen, zogen mich wie Magneten an. Wie von selbst ging ich zu ihm, nahm seine Hand und ließ mich in seine Arme ziehen. Er lehnte den Kopf an meinen und strich mir beruhigend über den Rücken, während ich gegen die Tränen kämpfte. Es war nicht so, dass ich von Heulkrämpfen geschüttelt worden wäre oder markerschütternd schluchzte. Mir liefen einfach immer weiter Tropfen übers Gesicht, um in Narutos Shirt zu sickern. Es fühlte sich an, als würde etwas aus mir abfließen, von dem ich nicht mal gewusst hatte, das es da war. Er zog diese schlechten Gefühle, diese Trauer und Verzweiflung, an und löste sie mit seiner Körperwärme, mit seiner bloßen Anwesenheit auf. Ich fühlte mich nicht besser, nur, weil er da war, aber immerhin war ich nicht alleine, und das war mehr, als ich kannte. Nach einer Ewigkeit waren die letzten Tränen versiegt und ich nuschelte nasal: „Ich hasse das…“ „Niemand hat gesagt, dass du es mögen musst. Aber manchmal müsst ihr Mädels eben heulen“, grinste er, wofür ich ihm in den Bauch boxte, obwohl ich genau wusste, dass er nur Witze machte, um die bedrückte Stimmung aufzulockern. „Idiot“, murmelte ich, mich peinlich berührt abwendend um mein Gesicht zu trocknen. Wundervoll, ich wollte gar nicht wissen, wie ich gerade aussah. „Geht´s dir besser?“, wollte Naruto wissen, worüber ich nachdenken musste. Ich war beschämt, mich so gezeigt zu haben. Mein Gesicht war geschwollen und meine Nase verstopft und mein Stolz lag zu meinen Füßen. Ich war traurig – Ja, ich konnte es jetzt zugeben. Es machte mich traurig, von meinem Vater verstoßen worden zu sein, nicht erst heute, sondern schon mein ganzes Leben. Naruto hatte die Mauer aus falscher Gleichgültigkeit eingerissen, die ich so sorgfältig kultiviert hatte, mit nur wenigen Worten. Das machte mir Angst. Aber trotz allem konnte ich jetzt freier Atmen. Ein Druck auf meiner Brust, den ich nicht mal bemerkt hatte, war weg. Und obwohl ich nicht behaupten konnte, es ginge mir ´gut`, hatte ich das Gefühl, in Zukunft wirklich mit meinem Vater abschließen zu können. „Ich weiß nicht“, gab ich leise zu. Naruto lächelte mich mitfühlend an und sagte recht plakativ: „Das wird schon wieder“, während er mit ausgebreiteten Armen auf mich zukam. „Wir kuscheln einfach, bis es wieder gut wird.“ „Nein… Naruto…“, zischte ich warnend und duckte mich unter seinen grabschenden Händen durch. Natürlich gab er so leicht nicht auf, sondern jagte mich grinsend durchs Zimmer. Am Schluss landeten wir außer Atem in meinem Bett, seine Arme fest um mich geschlungen und sein Lachen dicht an meinem Ohr. Schmunzelnd verdrehte ich die Augen, ehe ich sie schloss. So schlecht war das hier eigentlich gar nicht… „Willst du über deinen Vater reden?“, fragte Naruto leise, als wir uns etwas beruhigt hatten, und er glaubte, wieder ein ernsteres Thema anschlagen zu können, ohne dass ich anfing zu weinen. Wieder zögerte ich, ehe ich: „Ich weiß nicht“, antwortete. „Versuch es.“ Das war keine Bitte, aber statt mich über den Befehlston zu ärgern, tat ich, was er wollte. Naruto tat mir gut, und ich wollte ihm vertrauen. Zwar musste ich mich zu jedem Wort zwingen, das ich über meine Familie sagte, doch es war meine Entscheidung. Am Schluss wusste er als erster Mensch von Fugakus unterschwelligem Hass, seiner Vernachlässigung und Kälte. Er wusste von den diktatorischen Zuständen in unserem Haus, den ständigen Machtkämpften und Vergleichen mit meinem Bruder, denen ich nie standgehalten hatte. Naruto versuchte, mir einzureden, dass ich überdurchschnittlich in jeder Hinsicht war (Was ich wusste), doch Itachi war stets noch besser gewesen. „Aber ich glaube nicht, dass das der Grund ist, aus dem er mich so behandelt“, erklärte ich schließlich. Inzwischen lehnte Naruto am Rückenteil meines Bettes. Ich saß noch immer zwischen seinen Beinen und strich die Decke glatt. „Wäre ich besser als Itachi gewesen, hätte mein… Hätte Fugaku einen anderen Grund gefunden.“ Naruto war ungewöhnlich schweigsam gewesen während ich erzählte, und als ich jetzt zu ihm sah, glänzten seine Augen vor Wut. „Das ist doch unfair! Und unnormal. Man muss doch seine Kinder lieben. Das hat die Natur so vorgesehen!“ Ich zuckte über seine Empörung die Schultern. „Wohl nicht, wenn man die eigene Mutter getötet hat.“ „Was?“, platzte Naruto heraus, also erzählte ich auch noch von Mikotos Tod und meiner Vermutung, Fugaku würde ihn mir vorwerfen. Jetzt war Naruto vollständig entsetzt und zog mich in einer instinktiven, beschützenden Geste enger an sich. „Aber das stimmt einfach nicht! Wie kommt er auf sowas?“ „Es ist nur eine Vermutung“, wiegelte ich ab. Zumal ich es ihm nicht wirklich vorwerfen konnte. Menschen redeten sich in ihrer Trauer alles Mögliche ein, und da meine Geburt so stark mit dem Verlustschmerz verbunden war, war es klar, dass ich für Fugaku immer negativ konnotiert gewesen war. „Hast du eigentlich schon mal mit jemandem darüber geredet? Ich meine, das ist echt harter Tobak“, stellte Naruto fest, dem wohl klar war, dass ich nicht weiter über meinen Vater sprechen wollte. „Nein, und das habe ich nicht vor“, erklärte ich, was ihn natürlich nicht von guten Ratschlägen abhielt. „Aber vielleicht würde es dir helfen! Ich habe als Teenager selbst eine Therapie gemacht, und es hat wirklich gut getan. Das belastet dich alles verständlicher Weise so sehr und…“ „Es belastet mich nicht“, wiedersprach ich. Als er die Brauen hochzog, verdrehte ich die Augen. „Das vorhin war nur, weil es noch so frisch ist. Du brauchst dir jetzt nicht vorstellen, dass ich ständig heule.“ „Tu ich nicht. Nur würde dir genau das vielleicht helfen.“ „Jammern?“, fragte ich herablassend. Er zuckte die Schultern. „Ab und zu tut das gut.“ „Hn.“ Für meinen Geschmack hatte ich gerade schon genug gejammert für den Rest meines Lebens, doch ich glaubte nicht, dass es mir deshalb besser ging. Viel mehr brachte ich es mit Narutos Anwesenheit in Verbindung. Er tat mir gut, nicht das Reden. Davon abgesehen, dass eine Therapie nur dazu geführt hätte, dass ich noch mehr hätte erzählen müssen. Und irgendwann würde das Thema auf Itachi kommen. An den wollte ich aber nicht mal denken, ganz zu schweigen davon, über ihn zu reden. Bisher funktionierten meine Maßnahmen, nicht über ihn nachzudenken, gut. Seit der Nacht, die ich in meinem Elternhaus verbracht hatte, hatte ich keinen so starken Zusammenbruch mehr gehabt, und ich hatte festgestellt, dass es besser wurde, je länger ich Itachi nicht sah. Deshalb hatte ich meine Besuche möglichst immer so gelegt, dass er nicht zu Hause war. Seither träumte ich seltener von ihm, und die Angstzustände hatten abgenommen. Die Ergebnisse dieser Selbsttherapie zu gefährden, indem ich in eine richtige Therapie ging, wollte ich nicht. Schließlich war nicht sicher, ob es mir helfen würde, mit jemandem zu reden. Auf alle Fälle würde mein akuter Zustand jedoch zuerst schlechter werden. Und wegen der unsicheren Möglichkeit einer Besserung würde ich nicht Monate in Angst und auf Tabletten riskieren. Naruto sah mich besorgt an und legte die Hand auf meine. „Du musst wirklich nicht immer stark sein, ok?“ Tief seufzend drehte ich die Hand, sodass ich unsere Finger verschränken konnte. „Ich werde darüber nachdenken… Aber jetzt lass es sein.“ Strahlend drückte er meine Finger. „Ok. Du wirst sehen…!“ „Naruto“, mahnte ich und er lachte. „Schon gut, schon gut, ich bin still.“ Das war er tatsächlich eine Weile, während derer wir uns weiter an den Händen hielten. Ich dachte über eine Therapie nach und redete mich weiter in meinen Wiederwillen hinein. Es ging mir, verglichen mit letztem Jahr, hervorragend. Es war nicht mehr nötig, jemanden derart Privates zu erzählen – nicht, nachdem ich Naruto gerade so viel gesagt hatte. Ich fragte mich, ob meine Offenheit wirklich nur daher resultierte, dass er so stur gewesen war, oder ob es nicht doch aus mir selbst kam. Denn irgendwie wollte ich, dass Naruto diese Dinge über mich wusste. Das war so ein gravierender Unterschied zu meiner sonstigen Ablehnung von überemotionalen Gesprächen, dass es eigentlich nur von meinen Gefühlen für ihn kommen konnte. Das beunruhigte mich, da ich keine Vergleichsmöglichkeit hatte. Ich war noch nie verliebt gewesen. Hatte man in Beziehungen keinerlei Geheimnisse voreinander? Das erschien mir, betrachtete ich mein bisheriges Familienleben, unmöglich. Es gab immer Dinge, die man anderen nicht offenbaren wollte. Unwillkürlich fragte ich mich, ob Naruto Sakura alles erzählte. Wusste sie vom Flugzeugabsturz, bei dem seine Eltern gestorben waren? Von seiner Karriere als kleinkrimineller Teenager? Von seinen Wünschen, als Lehrer Kindern zu helfen, so, wie ihm damals geholfen worden war? Wusste sie, was er für mich empfunden hatte? War das alles, was es zu wissen gab? Wusste ich alles, was es zu wissen gab? Wusste Sakura vielleicht mehr über ihn als ich? Der Gedanke stieß mir sauer auf, aber er war logisch. Die beiden kannten sich wesentlich länger, und sie waren seit vier Monaten ein Paar. Naruto liebte sie… „Hm?“, machte er, als ich die Hand aus seiner zog und von ihm wegrutschte. „Solltest du nicht langsam gehen?“, schlug ich vor und verschränkte die Arme vor der Brust. Ob sie sich schon ´Ich liebe dich`, sagten? „Oh…“ Naruto stand ebenfalls auf und fuhr sich mit verunsichertem Blick durchs Haar. „Du bist wohl ziemlich müde… Sorry.“ „Du solltest eher zu deiner Freundin gehen“, erklärte ich mit abgewandtem Gesicht, damit er wusste, dass ich nichts gegen seine Anwesenheit hatte. Naruto sah mich überrascht an, dann rieb er sich nervös lachend den Nacken. „Ich schätze, die will mich gerade nicht sehen.“ Gegen meinen Willen war ich besorgt um seine Beziehung. „Schlimmer Streit?“, erkundigte ich mich möglichst beiläufig. Scheinbar kaufte er mir die Gleichgültigkeit ab, denn er nickte. „Ich versteh sie ja, aber ich konnte nicht einfach essen gehen, wenn es dir schlecht geht.“ „Hn“, machte ich und setzte mich wieder aufs Bett. Ich verstand Sakura auch, bloß musste man, wenn man mit Naruto zusammen war, damit leben, dass jeder und alles ihm wichtig war. Ich war mir sicher, dass seine Beziehung Priorität für ihn hatte – solange ihn nicht jemand brauchte. Er mochte es, gebraucht zu werden, und würde nie jemanden abweisen. Wenn man das nicht hinnehmen konnte, war man eben nicht als Narutos Partnerin geeignet… Wahrscheinlich war meine diesbezügliche Meinung aber vorbelastet, deshalb versuchte ich, es Sakura nicht vorzuhalten. „Danke für den Rat“, lachte Naruto, worauf ich die Schultern zuckte. „Sie beruhigt sich wieder.“ Und wenn nicht – umso besser für mich. Ich musterte meinen besten Freund, der Sakura zumindest mal eine Nachricht schichte, um zu zeigen, dass er an sie dachte, und seufzte tonlos. Was ich für ihn empfand, war komplex. Es war eine Art Verehrung, die seine positive Grundeinstellung betraf. Es war Dankbarkeit für seine Geduld und Unterstützung. Ich bewunderte seine Energie und beneidete ihn um seine Lust am Neuen. Er forderte mich auf allen Ebenen des Lebens immer genau im richtigen Maß. Er verstand mich, selbst, wenn ich mich nicht in Worte fasste. Und ich fand ihn attraktiv. Diese körperliche Anziehung hatte ich zuerst nicht wahrgenommen oder bewusst ignoriert, doch sie war da. Ich wollte ihm nahe sein, obwohl es mir zuerst Angst gemacht hatte. Doch inzwischen war ich zu dem Schluss gekommen, dass das normal war und keineswegs abstoßend, wie es bei Itachi gewesen war. Ja, ich war nach wie vor in Naruto verliebt. Daran hatte das letzte Jahr nichts geändert. Sicher, am Anfang hatte es sich seltsam angefühlt, ihm wieder gegenüber zu stehen, doch wir waren schnell wieder so vertraut geworden wie früher. Dass meine Gefühle dieselben waren wie vor einem Jahr lag daran, dass ich mir keine Gelegenheit gegeben hatte, über ihn hinwegzukommen. Dazu hatte ich viel zu oft an Naruto gedacht. Er war Teil meiner Pläne und Wünsche, und irgendwie verstand ich meinen Vater inzwischen, der Mikoto nie aufgegeben hatte. Man sagte zwar, nichts hielt für immer, aber manches war eben doch für die Ewigkeit gemacht. Und ich wünschte mir gerade, die heutige Nacht wäre so eine Sache, die für immer dauern würde. „Und, was schreibt sie?“, fragte ich leicht unwillig, als Naruto sein Handy wegsteckte. „Nichts. Sie hat´s nicht mal gelesen…“, erklärte er geknickt, doch dann sah er entschlossen aus. „Aber dann entschuldige ich mich halt morgen nochmal persönlich. Dann muss sie mir verzeihen, oder?“ Und dabei strahlte er mich aus seinen Azuraugen so an, dass ich nur: „Mhm…“ machen konnte. Was sollte ich dieser Naturgewalt schon entgegensetzen? „Es ist aber wirklich schon spät“, erklärte Naruto nach einem Blick auf sein Handy. „Ich geh dann mal.“ „Wenn du willst.“ Kurz sah er mich fragend an, da dieser Satz (beabsichtigt) so klang, als würde ich wollen, dass er blieb, doch dann ging er in Richtung Tür. Als er angezogen war, umarmte er mich und ich schloss kurz die Augen. Meine Naturgewalt… „Danke, Naruto“, murmelte ich so leise in seinen Schaal, dass er es fast nicht hörte. Naruto löste sich gerade so weit von mir, dass er mir über die Wange streichen konnte, und lächelte. „Jederzeit, Sasuke.“ Peinlich berührt wollte ich mich losmachen, doch er drückte mich lachend nochmal fester an sich, bevor er losließ. Dann war er weg, und ich alleine in meiner Wohnung. Ein Blick auf die Uhr zeigte, dass ich in wenigen Stunden würde aufstehen müssen. Ich seufzte erschöpft und ging ins Bett, in dem ich erstaunlich schnell Schlaf fand, dafür, was heute alles passiert war. Die Decke roch nach Naruto. Kapitel 16: Fluchtversuch ------------------------- Kühles Licht schimmerte durch die Fenster und weckte mich. Ich kniff die Augen zusammen. Warum hatten wir die Rollläden nicht geschlossen? Und warum war die Luft an meinem Arm, der über der Decke hing, so kalt? Träge zog ich ihn unter die Decke, wobei ich mit den Fingern über etwas Warmes streifte. Zufrieden schob ich die Hand über den weiblichen Körper, schmuste mich an und küsste ihren Nacken, während ich frech nach ihrer Brust griff. Mit geschlossenen Augen registrierte ich, wie sie sich anschmiegte, sodass ich leise ihren Namen summte. „Sakura-chan… ~♥“ Sofort verhärteten sich ihre Muskeln, und eine überraschend kühle Hand schob meine Finger weg. Verwirrt blinzelnd öffnete ich die Augen… und erstarrte, als ich sah, wie Sasuke sich aufsetzte. „Was soll das…?“, knurrte sie gefährlich leise und zog ihr weites Shirt zurecht. „Ich… Äh…“, machte ich, mich orientierungslos umsehend um herauszufinden, wo ich überhaupt war. Mein Zimmer (oder Sasukes) war es schon mal nicht. Der Raum war weitläufig, aber etwa auf der Hälfte von einem Regal unterbrochen, in dem verschiedene Bücher für leidlichen Sichtschutz sorgten. Die Decke war auf beiden Seiten schräg, sodass das hohe Fenster, welches eine der Seitenwände einnahm, ein dreieckiges Bild der Landschaft zeigte. Diese präsentierte sich als verschneite Hügel, welche zu einem See hin sanft abfielen. Endlich erkannte ich, wo ich war. Das Seehaus meiner Großeltern. Während ich mich aufsetzte, kehrte die Erinnerung an den letzten Tag zurück, und alles machte Sinn. Es hatte angefangen, als ich in Sakuras Wohnzimmer einen Film mit ihr ansah. Sie liebte Disney Filme, welche ich mir zwar notgedrungen mit ihr anschaute, die ich jedoch ständig veralberte. Dasselbe hatte ich gerade mit ´Herkules` getan, weshalb meine Freundin mich in die Seite geboxt hatte. Ich hatte ihre Hand gefangen und angefangen, sie zu kitzeln, sodass sie sich jetzt kichernd unter mir wand. „Flehe um Gnade!“, befahl ich spielerisch und attackierte ihre empfindlichen Seiten, bis sie quietschte vor Lachen. „Gnade!“, japste Sakura außer Atem. „Ist doch schon gut, schon gut!“ Zufrieden setzte ich mich auf, wobei ich jedoch weiterhin über ihrem Schoß kniete. Ich näherte mein Gesicht ihrem und schnurrte: „Und was bekomme ich jetzt für meinen Sieg?“ Sie lehnte sich vor und gab mir ein keusches Bussi. „Zufrieden?“ „Waaas?! Da wäre ja sogar deine Oma unzufrieden!“, protestierte ich, woraufhin sie lachend die Arme um meinen Nacken schlang und mich innig küsste. Wir sanken zurück auf die Couch und Herkules und Meg waren vergessen, als ich die Zunge in ihren Mund gleiten ließ. Sakuras Finger strichen durch mein Haar und zogen liebevoll an den Strähnen. Meine Hose vibrierte begeistert. Kichernd löste meine Freundin sich von mir und funkelte mich frech an. „Da freut sich wohl jemand besonders…“ Lachend hauchte ich einen Kuss auf ihre Schläfe. „Ich freu mich immer, Süße… Sekunde, bin gleich wieder für dich da.“ Ich erwartete einen Anruf meiner Großeltern oder von Kyûbi und war überrascht, einen anderen Namen auf dem Display zu sehen. Sasuke. Es war schon recht spät, was mich an meinen ´Notfallbesuch` von vor ein paar Wochen erinnerte. Deshalb war ich alarmiert, als ich mich mit: „Sas, alles in Ordnung?“, meldete. „Wieso soll etwas nicht in Ordnung sein?“, erwiderte sie recht barsch, was mich zumindest ein wenig beruhigte. Nach der Sache mit ihrem Vater hatte sie am Telefon ungewöhnlich weich geklungen, so gar nicht nach sich selbst. Sakura hatte sich neben mir aufgesetzt und zupfte ihre Kleidung zurecht, während ich weitersprach: „Na ja, um die Zeit… aber was gibt´s?“ „Ich wollte nur fragen, was du machst.“ „Ich sehe gerade mit Sakura-chan einen Film.“ „Ach so. Sakura ist bei dir.“ „Ja, klar.“ Es war Freitagabend, wo sollte ich sein, wenn nicht bei meiner Freundin? Diese spulte jetzt den Film zurück und ließ ihn aber der Stelle laufen, an der wir abgelenkt worden waren. Irritiert wegen dem Lärm während ich telefonierte stand ich auf und ging auf den Balkon. Inzwischen war es Mitte Dezember und entsprechend kalt draußen, sodass ich meinen Pulli enger um mich zog. „So, ich friere mir gerade den Arsch ab, also sag mir, was los ist“, verlangte ich von Sasuke, die leise gluckste. „Was machst du?“ „Ich steh auf dem Balkon, also lenk nicht ab. Es ist schweinekalt.“ „Geh wieder rein…“ „Komm schon Sas“, bohrte ich nach, woraufhin sie nach kurzem Zögern mit der Sprache rausrückte. „Es geht um Itachi“, fing sie an und meine Nackenmuskulatur spannte sich augenblicklich an. Seit jener letzten Begegnung mit Sasukes Bruder vor über einem Jahr hegte ich eine latente Abneigung gegen ihn. Dabei war ich nicht mal sicher wieso, doch ich hatte das Gefühl, er hätte etwas mit dem zu tun, was meine beste Freundin mir nicht sagen wollte. In seiner Gegenwart war sie immer so anders gewesen. Dass sie schweigsamer war, wenn wir unter Leuten waren, wusste ich. Doch ihrem Bruder gegenüber war Sasuke richtiggehend unterwürfig gewesen, und wenn ich eines an ihr nicht kannte, war es der Wille, sich unterzuordnen. „Er war hier und wollte, dass ich mich bei Fugaku entschuldige.“ „Für was denn?“, fuhr ich auf, doch Sasuke ignorierte meinen Zorn. „Seitdem… Nein, es ist nichts, vergiss es. Du solltest zu Sakura.“ „Spuck´s schon aus, du Feigling“, triezte ich Sasuke, um sie aus der Reserve zu locken, denn sie hatte Recht; je länger ich mit ihr redete, desto unangenehmer würde es, zu meiner Freundin zurückzukehren. Zumal es wirklich verdammt kalt war. Und überhaupt, warum ließ sie sich immer so bitten? „Seitdem habe ich das Gefühl, er würde sich öfter in der Gegend aufhalten.“ Alarmiert richtete ich mich von der Wand auf, an der ich bis dahin gelehnt hatte. „Ist er nochmal in deine Wohnung gekommen?“ „Nein. Ich sagte doch, es ist nichts…“ „Es ist sehr wohl etwas. Lass dich auf keinen Fall zu etwas zwingen. Das ist eine Sache zwischen dir und deinem Dad. Wenn ihr das klären wollt, tut ihr es. Dein Bruder hat da nichts zu sagen.“ Ich hatte bereits versucht, Sasuke dahingehend zu beeinflussen, dass sie ein Gespräch mit Fugaku führte. Für mich war es schrecklich, die Möglichkeit zu haben, mit einem Elternteil zu kommunizieren und diese nicht zu nutzen. Aber ich verstand Sasuke. Ihr Vater hatte sie jahrelang vernachlässigt und sie dann verstoßen, als sie aufhörte, nach seiner Pfeife zu tanzen. Jetzt war es an ihm, das gerade zu biegen. Allerdings erinnerte ich mich an die bitteren Tränen, die meine beste Freundin deswegen vergossen hatte, und ich wollte, dass die Angelegenheit sich klärte, damit sie glücklich sein konnte. Sie weigerte sich jedoch, zuzugeben, wie nahe ihr das alles ging, genauso wie sie bestritt, dass ein Psychologe ihr helfen könnte. Wie immer versuchte Sasuke, alles alleine zu klären, und es war völlig unmöglich, sie von etwas anderem zu überzeugen. „Er hat nicht versucht mit mir zu sprechen, nur…“ Sie brach ab, doch es war klar, dass die bloße Anwesenheit ihres Bruders sie beunruhigte. Kein Wunder, denn so vor jemandes Wohnung herumzulungern, klang sehr nach Stalking. „Soll ich vorbeikommen?“, fragte ich. Ich warf einen Blick auf die Displayuhr meines Handys. Halb neun. „Bis viertel nach kann ich da sein, ok?“ Sasuke zögerte, obwohl sie offensichtlich deswegen angerufen hatte. „Was ist mit Sakura?“ Kurz blinzelte ich verwirrt, dann biss ich mir schuldbewusst auf die Lippe. Mist, meine Freundin hatte ich für eine Sekunde vergessen. Ich linste ins Wohnzimmer, doch von meinem Standpunkt aus konnte ich Sakura nicht sehen. „Sie versteht das sicher…“ „Sicher.“ Durchs Telefon hörte ich praktisch, wie Sasuke die Augen verdrehte. „Also?“, ignorierte ich ihren Sarkasmus. „Das ist unnötig. Bis dann.“ „Sas…“, fing ich an, doch da hatte sie schon aufgelegt. Verwirrt sah ich mein Handy an, bevor ich kopfschüttelnd ins Wohnzimmer zurückkehrte. Sakura hatte sich in eine Decke gekuschelt und sah nicht vom Fernseher auf, als ich mich neben ihr niederließ. „Und?“, fragte sie betont beiläufig. „Was gibt´s?“ „Sie hat familiäre Probleme, will es aber nicht zugeben“, erklärte ich, nachdenklich auf meiner Unterlippe kauend. „Mhm“, machte Sakura, dann schwiegen wir eine Weile, bis ich mich aufsetzte und sie frustriert ansah. „Warum fällt es ihr so schwer, um Hilfe zu bitten? Das wär ja nicht mal Hilfe, sondern… Keine Ahnung, nur Gesellschaft.“ „Vielleicht aus dem gleichen Grund, aus dem du sie nicht in Ruhe lassen kannst. Oder sie braucht einfach weder Gesellschaft, noch Hilfe“, schlug meine Freundin vor, die sich fester in ihre Decke wickelte. „Aber wieso hätte sie anrufen sollen, wenn sie nichts braucht?“ „Das machen Freunde eben ab und zu, Naruto. Sie rufen sich an, um zu sehen, ob der andere Zeit hat.“ Überrascht von ihrem gereizten Ton zog ich die Brauen hoch, doch sie starrte weiter auf den Fernseher. „Das ist noch kein Grund, sich als Retter in der Not aufzuspielen oder sonst was.“ „Was soll das heißen?“ „Dass du einen verdammten Beschützerkomplex hast! Schau dir doch mal deine Freunde an. Alles Freaks, die du vor irgendwas ´gerettet` hast. Vaterkomplex, tote Eltern, psychisch gestört… Sasuke ist ein Traum für dich, ich weiß. Aber wie wäre es, wenn du mal zur Abwechslung deine Beziehung retten würdest und nicht Sasuke Uchiha, die das gar nicht will?“ Verblüfft von diesem Ausbruch sank ich auf der Couch in mich zusammen. Bis dahin hatte ich es nicht gemerkt, doch ich hatte auf der Sofakante gesessen, wie zur Flucht bereit. „Ich… Ich wusste nicht, dass es da was zu retten gibt…“ „Umso schlimmer“, fauchte meine Freundin und stand auf, als ertrüge sie plötzlich nicht mehr, neben mir zu sitzen. „Glaubst du, es ist normal, als vergebener Mann nachts Anrufe von irgendwelchen Frauen zu bekommen? Oder ständig mit ihnen zu schreiben? Oder diese Frau auf Dates mitzubringen? Glaubst du im Ernst, dass da…“ – sie machte eine vage Geste, die mich und Sasuke beschreiben sollte – „Wäre normal?“ „Aber sie ist nur eine Freundin“, erwiderte ich hilflos, woraufhin Sakura schnaubend die Hände in die Luft warf. „Sie war nie nur eine Freundin für dich, und das wird sie nie sein.“ Ich wusste, dass sie Recht hatte. Von Anfang an hatte ich etwas in Sasuke gespürt, das ich nicht beschreiben konnte und mich wie magnetisch anzog. Mit ihr zusammen zu sein war eine Achterbahnfahrt, davon abgesehen, dass ich dabei viel über mich selbst und die Welt lernte, weil sie mich zum Nachdenken brachte. Sie akzeptierte mich, wie ich war, und brachte mich trotzdem dazu, ein besserer Mensch sein zu wollen. Vielleicht war es wirklich wie Sakura sagte, und Sasuke war eine Art ´Projekt` für mich. Wie weit konnte ich ihr helfen? Wie sehr konnte ich sie aus sich rausholen? Wie nahe würde sie mich an sich ranlassen? Aber war das so schlimm? Zeigte dieser meine Beharrlichkeit nicht, wie wichtig Sasuke mir war? Wobei das das Problem zu sein schien, denn meine Freundin fand offenbar, dass Sasuke mir zu nahe stand. Nur konnte ich das eben nicht ändern. Die Vernunft hätte spätestens nachdem sie mich zum zweiten Mal abgesägt hatte dafür sorgen müssen, dass ich nichts mehr mit ihr zu tun haben wollte, doch das war nicht der Fall. „Was erwartest du jetzt von mir?“, fragte ich Sakura erschöpft. „Ich kann nicht einfach… Schnippen, damit sie mir egal ist. Das will ich auch gar nicht.“ „Dir ist niemand egal, das weiß ich und das liebe ich an dir.“ Sie stockte kurz, errötete und fuhr mit abgewandtem Gesicht fort. „Nur… Lass mich nicht mit ihr konkurrieren. Das kann ich nicht.“ „Das musst du nicht, wie ich dir schon mal gesagt habe. Ich bin mit dir zusammen, oder?“ „Ja – nachdem sie gegangen ist und ich dich monatelang angebettelt habe“, platzte sie heraus. Ich wusste nicht, was ich dazu sagen sollte. Sie konnte mir doch nicht vorwerfen, dass ich früher Gefühle für andere Frauen gehabt hatte. Ich war doch genauso wenig ihr erster Freund. Andererseits war Sakura mit keinem ihrer Exfreunde noch befreundet, und ich musste zugeben, dass mir das nicht gefallen hätte. Ich hatte zwar noch Kontakt zu allen meinen früheren Partnerinnen, doch zu keiner so eng wie zu Sasuke, und über die anderen hatte meine Freundin sich nie beschwert. Und das, obwohl ich mit Sasuke nie wirklich zusammen gewesen war. Aber das mit ihr war anders. Und deshalb konnte ich jetzt nicht hier sitzen und mit meiner Freundin streiten, während es ihr schlecht ging. Als ich kurzentschlossen aufstand, weitete Sakura, die genau wusste was ich vorhatte, die Augen. „Ist das dein Ernst?“ „Wir… reden morgen darüber, ok?“, sagte ich, schon auf dem Weg zur Tür. „Jetzt sind wir zu aufgebracht um normal zu reden. Ich will nicht mit dir streiten…“ „Wir streiten aber schon!“, kreischte sie in seltsam hoher Stimme, während ich mich anzog. Sakura sah mich tiefverletzt an, als ich die Tür öffnete. „Naruto!“ Ich biss mir auf die Lippe, hin und hergerissen zwischen Sasuke, die ausdrücklich betont hatte, mich nicht sehen zu wollen, und Sakura, die mich praktisch anflehte zu bleiben. Nur wusste ich, dass meine beste Freundin mich brauchte, während meine Freundin nur mit mir zusammen sein wollte. „Ich ruf dich morgen an. Es tut mir Leid“, betonte ich und schlüpfte auf den Flur. Auf der Treppe blieb ich nochmal stehen, doch dann lief ich schneller. Kurz darauf war ich im Auto meines Großvaters und auf der Straße. Sakura musste verstehen, dass ich jemanden der mich brauchte, nicht einfach sitzen lassen konnte. Sie hatte doch selbst betont, diese Seite von mir zu kennen… Und sie hatte gesagt, sie würde sie lieben. Meine Freundin hatte mir gerade zum ersten Mal gesagt, dass sie mich liebte, und ich hatte es kaum bemerkt, weil ich in Gedanken so mit Sasuke beschäftigt gewesen war. Mein Magen zog sich zusammen und meine Finger verkrampften am Lenkrad. Was ich ihr gerade antat, war unverzeihlich… Und doch war der Teil von mir, der umkehren und sich entschuldigen wollte, kleiner als meine Sorge um meine beste Freundin. Vor deren Wohnung stand ich kurz darauf. Es hatte etwas von einem Déjà-vu, wie sie mir die Tür öffnete, obwohl sie jetzt keinen Schlafanzug anhatte. Sasuke sah nicht mal überrascht aus, als sie mich rein ließ. War ich wirklich so berechenbar? Und hatte sie das vielleicht sogar ausgenutzt? „Ich habe dir gesagt, dass du nicht kommen sollst.“ Und Sakura hatte gesagt, dass ich nicht gehen sollte. Ich konnte einfach nicht tun, was die Frauen sich von mir wünschten, wie es aussah. „Und seit wann höre ich auf das, was man mir sagt?“, sprach ich diesen Gedanken aus, lächelnd, obwohl ich mich schrecklich fühlte. Sasuke verengte leicht die Augen, als sie mit einem Wasserglas für mich aus der Küche zurückkam. Sie reichte es mir und ließ sich auf ihrem Lieblingssessel nieder, während ich es mir auf der Couch bequem machte. „Was hast du?“, wollte sie gewohnt direkt wissen. „Was…?“, machte ich verblüfft, ehe ich zu Boden sah. „ Nichts! Wie kommst du darauf? Außerdem bin ich wegen dir hier. Ist alles ok? Hast du Itachi nochmal gesehen? Vielleicht solltest du doch mit deinem Vater reden, dann gibt er zumindest Ruhe. Außerdem vermisst du ihn – versuch gar nicht erst, es zu leugnen, ich weiß es. Ist ja wohl auch normal, ich meine, er ist dein Dad! Ich bin sicher, ihm geht es genauso, und er ist wie du nur zu stolz um nachzugeben. Aber vielleicht könnt ihr…“ „Naruto“, unterbrach Sasuke meinen nervösen Redeschwall ruhig. Ich war ihr dankbar; selbst hätte ich mich wohl nicht mehr bremsen können. „Was ist passiert?“ Ich sah auf meine Hände, die ich fest ineinander verschlungen hatte. „Sakura-chan… Hat mir gerade gesagt, dass sie mich liebt…“ Ich hörte am Knarzen des Sessels, wie Sasuke ihr Gewicht verlagerte. „Und? Liebst du sie auch?“ „Ich… Ja. Ja, natürlich liebe ich sie auch.“ Und doch war ich hier. Falls Sasuke dieser Wiederspruch auffiel, so zog sie es vor, nichts dazu zu sagen. „Dann ist doch alles in Ordnung.“ „Wow… Du bist so hilfreich, Sas“, lachte ich, worüber sie nur die Schultern zuckte. „Was soll ich dazu sagen? Sich zu lieben, ist der Sinn einer Beziehung, nehme ich an.“ „Stimmt“, murmelte ich, dann schwiegen wir. Da saßen wir nun und belogen uns selbst darüber, wie ´in Ordnung` alles doch war. Es war nicht so, als hätte ich mit der Aussage, Sakura zu lieben, gelogen. Nur wusste ich, dass die Liebe, die ich für sie empfand, sich nicht verändert hatte seit wir zusammengekommen waren. Und was ich vorhin, als ich ihr Geständnis als solches verstanden hatte, empfunden hatte, waren Schuldgefühle und Mitleid, und das war eindeutig nicht, was man fühlen sollte, wenn die Freundin einem ihre Liebe erklärte. Das alles realisierte ich nur unterbewusst. Ich verdrängte es, wollte es gar nicht wissen. Für mich stand außer Frage, dass ich nur hier war, um Sasuke zu helfen – obwohl die gerade nicht aussah, als bräuchte sie Hilfe. „Also… Itachi lungert hier ständig herum?“ Wieder rutschte Sasuke auf ihrem Sessel herum. „Nicht ständig… Nur…“ Sie zuckte die Schultern. „Hast du die Polizei informiert?“ Sie lachte humorlos. „Sicher. Weil jemand hier spazieren geht.“ „Aber…“ „Ich weiß es zu schätzen, dass du gekommen bist“, unterbrach sie mich. „Aber ich fürchte, es gibt keinen Grund dafür. Ich war nur müde und überreizt. Es… War ein langer Tag.“ Mein Magen zog sich noch schmerzhafter zusammen. War das ihr Ernst? Ich hatte meine Freundin sitzen gelassen, weil sie ´einen langen Tag` gehabt hatte? Das konnte und wollte ich einfach nicht glauben. Sasuke wollte alles mit sich selbst regeln und wenn sie von sich aus um Hilfe bat, gab es Gründe dafür. Jetzt spielte sie das Ganze nur runter, um nicht bedürftig zu wirken. Das redete ich mir zumindest ein. „Was war los?“, wollte ich wissen. „In der Arbeit ist eine Lieferung nicht angekommen. Alle waren gestresst, sodass einiges schiefgegangen ist“, erklärte sie bereitwilliger als sonst und nippte an ihrem Glas. „Es… War einfach nicht mein Tag. Kein Grund, ein Drama daraus zu machen.“ „Hm… Vielleicht hast du dir doch zu viel zugemutet. Ich meine, eine Vollzeitausbildung und deine Abschlussarbeit, für die nochmal viele Stunden draufgehen“, überlegte ich besorgt. Nach so einem Tag war Itachi dann natürlich das Sahnehäubchen, das verstand ich gut. Sasuke überschlug die Beine und verschränkte die Arme, um zu zeigen, wie wenig ihr diese Idee gefiel. „Ich komme zurecht.“ „Kann sein, aber eine Pause würde dir bestimmt gut tun“, beharrte ich, mich auf der Couch ausstreckend. „Urlaub wäre sowieso mal wieder geil.“ „Mitten im Semester…“ „Es müsste ja nicht lang sein.“ Ich drehte das Gesicht, sodass ich sie ansehen konnte. „Übers Wochenende würde ja schon reichen.“ „Träumer“, sagte Sasuke schmunzelnd. Ich setzte mich wieder auf, plötzlich begeistert von meiner Idee. „Wieso? Wenn wir jetzt losfahren, sind wir Mitternacht beim Seehaus meiner Großeltern. Das wollte ich dir sowieso schon immer zeigen!“ Zuerst schien meine beste Freundin nur amüsiert von dem was sie für eine meiner Spinnereien hielt, doch dann merkte sie, dass ich es ernst meinte, und runzelte die Stirn. „Du willst das jetzt echt machen?“ Ich zuckte die Schultern. „Wieso nicht? Du hast doch dieses Wochenende frei, oder?“ „Aber wir können nicht einfach…“ Ich stand auf, stellte mich vor sie und grinste breit. „Und wieso nicht?“ Perplex öffnete Sasuke den Mund, doch ihr fiel offenbar kein Widerspruch ein. Ungläubig schüttelte sie den Kopf. „Du bist doch verrückt.“ Ich zuckte die Schultern und hielt ihr die Hand hin. „Hattest du das vergessen?“ Sasuke zögerte, dann ließ sie sich von mir auf die Beine ziehen, sodass wir kurz ganz eng beieinander standen. „Das vergesse ich keine Sekunde“, antwortete sie leise und wandte sich ab, wodurch der Moment zerstört wurde. „Also ziehen wir das wirklich durch?“, fragte ich und lachte, als sie nickte. Auf dem Weg zur Tür schnappte Sasuke ihren Geldbeutel und Mantel, dann ließ sie sich von mir in die Nacht entführen. Ich war völlig überdreht, als ich den Motor startete. Solche spontanen Aktionen liebte ich und hatte ich schon viel zu lange nicht mehr gemacht! Besonders weit brachte uns der erste Teil unserer Reise allerdings nicht, denn ich musste tanken. An der Tankstelle kauften wir Zahnbürsten und Zahnpasta (Sasuke hatte die Geistesgegenwart, daran zu denken), und genug Chips, Süßigkeiten und Energy Drinks für zwei Wochen. Das ganze kostete ein Vermögen, aber das war mir angenehm egal, als wir weiter zogen. Zuerst alberten wir herum, lachten und ich sang jedes Lied im Radio mit, doch nach und nach wurden wir ruhiger. Als „Fast Car“ von Tracy Chapman spielte, warf ich Sasuke einen Blick zu. Im zuckenden Licht der Straßenlaternen war ich nicht sicher, ob sie schlief oder die nächtliche Landschaft vorbeiziehen sah. Ich lächelte unwillkürlich und konzentrierte mich wieder auf die Straße. Bevor wir am Ferienhaus ankamen, fuhren wir noch einige Stunden, während derer meine Beifahrerin wohl tatsächlich einschlief. Sie zuckte leicht zusammen, als das Summen des Motors verstummte, und richtete sich verschlafen blinzelnd auf. „Wo sind wir?“, wollte sie wissen, da man außerhalb des Wagens nur schwarze Umrisse erkennen konnte. „Das ist eine Überraschung“, grinste ich zufrieden und stieg aus. Als Sasuke grummelte, lehnte ich mich mit beiden Händen an den Türrahmen und funkelte zu ihr ins Wageninnere. „Komm schon, Schlafmütze.“ Widerwillig bequemte die Dame sich in die Kälte des frühen Morgens – es musste etwa drei sein. Wir stolperten über einen schmalen, von hohen Büschen umgebenen Weg. Ich griff nach Sasukes Hand, doch ihre Schritte waren sicherer als meine, und ein paar Mal hätte ich sie fast mit mir zu Boden gerissen. Ihre beim Aufwachen wie üblich schlechte Stimmung war wohl von der kühlen Luft schnell verscheucht worden. Sie sah sich neugierig um, und kurz darauf erreichten wir eine freie Fläche am Ufer eines Sees, der schwarz gegen das Land schwappte. Mondlicht glitzerte auf den flachen Wellen und eine Brise wisperte in den kahlen Bäumen, die den Strand bestanden. Am anderen Ufer sah man Lichter einer Ortschaft, doch hier war alles friedlich. Lächelnd sah ich zu Sasuke. „Und?“ „Und was machen wir jetzt hier?“, gab sie zurück, ohne mir ihren Eindruck von der Umgebung mitzuteilen. Zur Antwort zog ich die Schuhe aus und grinste über Sasukes entsetzten Blick. „Was man so an einem See macht; schwimmen.“ „Es ist Dezember. Bist du verrückt?“ „Wieso? Das ist gut fürs Immunsystem“, behauptete ich, bereits nur noch in Jeans. Zugegeben, es war arschkalt, und im Wasser würde es kaum besser werden. Aber was brachte es, an einen See zu fahren, und dann nicht rein zu gehen? „Du bist verrückt“, wiederholte meine beste Freundin, die zusah, wie ich, nur in Boxershorts, zum Wasser tapste und austestend den Fuß hinein tippte. Ich fiepte vor Kälte, ehe ich Anlauf nahm und mich mit Kampfgebrüll in die eisigen Fluten stürzte. Im ersten Moment fühlte es sich an, als würde das Wasser mir winzige, glühende Nadeln in den Körper rammen, zur Strafe, weil ich seinen Winterschlaf gestört hatte. Alle Luft wurde mir aus den Lungen gepresst und ich schrie: „Fuck, fuck, fuuuuuck!“ Doch dann machte ich ein paar hektische Züge durchs Wasser, bis mein Körper sich notdürftig an die Temperaturen gewöhnt hatte. Sasuke beobachtete mich skeptisch beim Schwimmen, bis ich rief: „Komm her!“ Eigentlich dachte ich nicht, dass sie es tun würde, doch dann hob sie langsam die Hände zu den Knöpfen ihres Mantels und öffnete ihn. Auf der Stelle rudernd sah ich zu, wie schwarzer Stoff auf dem Boden landete, gefolgt von ihrem Pullover und ihrer Hose. Fasziniert betrachtete ich ihre helle Haut im Mondlicht, während sie (ruhiger als ich) ins Wasser kam. Sie sah dabei aus, als setzte sie sich in eine Badewanne, doch als sie zu mir geschwommen war, verzog sie das Gesicht. „Du spinnst.“ Lachend spritzte ich ihr Wasser ins Gesicht. „Kann sein, aber immerhin werde ich nie krank. Sowas immunisiert.“ „Das Glück ist mit den Dummen“, stichelte Sasuke, wofür ich ihr nochmal ins Gesicht spritzte. Sie rümpfte die Nase, stützte sich auf meine Schultern und drückte mich unter Wasser. Verdattert davon, dass sie das mit ihren höchstens 55 Kilo schaffte, tauchte ich wieder auf. Sasuke war schon weiter geschwommen, und ich beobachtete, wie ihre schlanke Gestalt im Wasser zu leuchten schien. Sie war immer noch sehr dünn, aber auf dem kurzen Weg ins Wasser hatte ich Muskeln an ihr gesehen, die man ihr gar nicht zutraute und die vor einem Jahr noch nicht da gewesen waren. Wahrscheinlich hatte sie Muskeln aufbauen können, nachdem sie angefangen hatte, ausreichend zu essen. Seit wir uns wiedergesehen hatten, hatte ich sie zwar nach wie vor als hübsch empfunden, doch gerade fand ich sie wirklich sexy – und das lag nicht (nur) daran, dass sie halb nackt war. Langsam wurde mir kalt, und nach ein paar Zügen verließ ich, dicht gefolgt von Sasuke, das Wasser. Mit klappernden Zähnen schnappten wir unsere Kleider, in die wir möglichst rasch schlüpften. „S-So schnell ha-habe ich mich auch noch n-nie angezogen“, lachte ich. Sasuke, die gerade ihren Mantel überzog, verdrehte die Augen. „Trottel…“ Grinsend ging ich zu ihr, zog sie an mich und schob ihre Arme unter meine Jacke. Dann rieb ich ihren Rücken, um sie aufzuwärmen. „Das war doch witzig!“ „Es war eine Schnapsidee“, murrte meine beste Freundin, die mich kurz gewähren ließ, bis ihre Zähne nicht mehr klapperten, bevor sie sich löste und zum Feldweg ging, der uns hergebracht hatte. So schnell wie möglich stiegen wir ins Auto, wo ich Sasuke die Notfalldecke gab und die Heizung voll aufdrehte. „Hast du noch eine Idee, wie wir uns den Tod holen können?“, giftete sie, als ich ausparkte. „Ich glaube, einmal am Tag reicht“, gab ich munter zurück. „Ich würde sagen, wir fahren nach Hause.“ Sie brummte etwas Unverständliches, das ich als Zustimmung auslegte. Um zum Haus meiner Großeltern zu gelangen, mussten wir den Hügel, auf dem das Dorf lag, umkreisen und bis zur Kuppe hinauffahren. Die letzte Laterne beleuchtete das zweistöckige Gebäude nur aus einiger Entfernung, sodass Sasuke mit dem Handy Licht machen musste, damit ich aufsperren konnte. Der Eingangsbereich führte zur Tür einer Mietwohnung, und eine Treppe wand sich hoch zu den Räumen meiner Großeltern. Ich legte den Finger an die Lippen, damit Sasuke leise war (im Zwielicht sah ich, wie sie die Augen verdrehte), und wir gingen nach oben. Die Wohnung hier war nicht so modern eingerichtet wie das Haus, in dem ich mit meinen Großeltern lebte. Es gab eine altmodische, aber gemütliche Küche, ein Wohnzimmer mit etwas zu viel Spitze im Dekor, zwei Schlafzimmer aus den Achtzigern und ein Bad mit dunkelgrünen Fliesen. Sasukes erster Kommentar war ein Nieser. „Vielleicht sollten wir erstmal heiß duschen“, schlug ich grinsend vor und zeigte ihr besagtes grünes Bad. Während sie sich aufwärmte, kam mir zum ersten Mal seit wir losgefahren waren wieder Sakura in den Sinn. Schlechtes Gewissen fraß mir am Magen, doch als ich versuchte, sie anzurufen, ging sie nicht ran. Ob das jetzt der Uhrzeit (es war fast vier) oder unserem Streit geschuldet war, würde ich nie herausfinden, denn in dem Moment kam Sasuke ins Wohnzimmer. Sie trug nur ein Handtuch und versuchte sehr, sich deswegen nicht zu schämen. „Die Dusche ist frei…“ „Was…“ Ich musste mich räuspern. Irgendwie hatte ich nicht damit gerechnet, dass sie halbnackt wieder auftauchen würde. Andererseits, was hätte sie sonst tun sollen? In die feuchten Klamotten konnte sie schlecht wieder schlüpfen. „Ähm, was hast du mit deinen Klamotten gemacht? Die sind ja ganz nass… U-Und voller Seewasser.“ „Zum Trocknen aufgehängt.“ „Ah… Sollen wir sie nicht waschen?“ „Hn.“ „Oh, ich, ähm, ich schmeiß sie zusammen mit meinen in die Maschine, ok? Nimm dir ruhig die Decke da, wenn dir kalt ist, und, ähm… Ja.“ Sasuke nickte, ohne mich anzusehen, und ich flüchtete. Verdammt, was war das? Blut pulsierte mir durch den ganzen Körper wie einem Jungen, der zum ersten Mal ein nacktes Mädchen sah. Aber… Gott, wenn ich dieses Handtuch weggeschoben hätte… Und dann musste ich noch ihre Unterwäsche anfassen, um sie in die Waschmaschine zu räumen. Gah. Ich sah so wenig hin wie möglich und zog mich rasch aus, um statt einer warmen doch lieber eine kalte Dusche zu nehmen. Krank wurde ich sowieso nie. Nackt sah ich, was ich schon vorher gespürt hatte. Ich war hart. „Muss das sein?“, fragte ich meinen Penis mürrisch, als ich in die Wanne stieg. „Was, wenn sie das gesehen hätte?“ Und trotzdem konnte ich an nichts denken als daran, dass Sasuke vor ein paar Minuten nackt hier gestanden hatte, wie das Wasser über ihre blasse Haut geronnen war… Ich schluckte hart, die Hand schon auf halbem Weg zu meinem Schritt. So konnte ich ihr schließlich unmöglich wieder gegenübertreten, sie würde sich nur erschrecken. Außerdem, erinnerte ich mich recht spät, gehörte sich das nicht, schließlich hatte ich eine Freundin. Das war meinem Körper jedoch herzlich egal, und schließlich konnte ich nicht anders, als die Hand um meine Erektion zu legen. Ich versuchte, dabei an Sakura zu denken, aber die Fantasiebilder von Sasuke waren stärker. Ich stellte mir vor, wie sie unter der Dusche dasselbe getan hatte wie ich gerade, mit genervtem Blick, der nur ihre Scham verbergen sollte, und der sich langsam in Lust verwandelte. Ich stellte mir vor, wie ich tatsächlich ihr Handtuch beiseiteschob und sie auf der Couch nahm. Vor allem aber stellte ich mir vor, wie unsere Nacht vor einem Jahr hätte weitergehen können. Die Vorstellung der möglichen Realität war so intensiv, dass ich schließlich kam und schwer atmend an der Wand lehnte, als es vorbei war. Hastig vor Scham wusch ich das Sperma von meiner Hand. Gott, was war gerade in mich gefahren? Sasuke war meine beste Freundin, keine Wichsvorlage. Und Sakura… Ich redete mir ein, sie nicht wirklich betrogen zu haben, als ich aus der Dusche stieg und mich in ein Handtuch wickelte. Fast sehnsüchtig sah ich zur Waschmaschine, aber die war natürlich noch nicht fertig. So ging ich ins Schlafzimmer meiner Großeltern, in deren Schränken ich ein paar Klamotten fand, die ich zumindest notdürftig überstreifen konnte. Sasukes und mein Aufbruch vorhin war eindeutig überstürzt gewesen. Mein Gast zog die Brauen hoch, als ich in der zu großen Kleidung meines Großvaters ins Wohnzimmer trat. Sie selbst hatte sich in eine Decke gewickelt, sodass nur ihr Gesicht herausschaute, worum ich sehr dankbar war. „Die Wäsche dauert noch. Willst du in der Zwischenzeit was von meiner Oma anziehen?“, schlug ich vor, unsicher, denn ich wusste, wie ungern Sasuke Klamotten anderer Leute trug. Ich versuchte, nicht daran zu denken, dass sie keine Wäsche trug, sondern ihr zuzuhören, als sie: „Hm… Gut…“, murmelte. Scheinbar war es ihr lieber, Tsunades Kleidung zu tragen, als nackt zu sein, sodass sie sich zurückzog und wenige Minuten später bekleidet zurückkam. Dabei sah sie jedoch so unbehaglich aus, dass ich lachen musste, wofür Sasuke mir einen vernichtenden Blick zuwarf, während sie den Ausschnitt ihres Shirts hochzog. Dieses war, wie meine Großmutter es liebte, tief dekolletiert, was meine beste Freundin jedoch nicht mal ansatzweise ausfüllen konnte. Die Hose war, vor allem an der Hüfte, genauso weit, sodass Sasuke aussah, als bestünde sie eigentlich nur aus Ausschnitt. „Es reicht jetzt“, knurrte sie, als ich mich nach einiger Zeit noch immer nicht beruhigen konnte. „Tut mir leid“, keuchte ich in dem Versuch, mein Lachen zu unterdrücken. „Es ist nur… Du siehst zum Schießen aus!“ Und weiter ging der Lachkrampf. Ich war nicht sicher, wie oft Sasuke: „Idiot“, gezischt hatte, bis ich mich wieder einkriegte. Trotzdem setzte sie sich neben mich und teilte sogar die Decke mit mir. Wir redeten noch ein bisschen, doch bald verplätscherten die Worte unter dem monotonen Rattern der Waschmaschine, und bevor wir uns in eines der Schlafzimmer begeben konnten, waren wir im Reich der Träume. So war es also zur momentanen Situation gekommen. Sasuke murrte etwas vor sich hin und zog das Shirt meiner Großmutter zurecht, wobei ich jedoch flüchtig einen rosanen Nippel aufblitzen sah. Ich sah lieber rasch auf mein Handy, wobei ich feststellte, dass es bereits Mittag war. Wunderte mich allerdings nicht bei unserer Pyjama-Party, die immerhin bis in den frühen Morgen gedauert hatte. In die etwas unangenehme Stille hinein meldete sich mein Magen mit lautem Knurren. Ich lachte und stand auf. „Ich werd dann wohl mal unseren Proviant aus dem Auto holen.“ Sasuke verzog (wie ich schon erwartet hatte) ungnädig das Gesicht. „Das ist kein Frühstück.“ „Na schön… Aber ich glaube nicht, dass es hier Restaurants mit Frühstücksbuffets gibt. Höchstens irgendein Hotel.“ „Einen Supermarkt wird es wohl geben“, brummte sie schlecht gelaunt. Ich grinste in mich rein, weil meine beste Freundin so ein Morgenmuffel war, zog allerdings kommentarlos ab, um Frühstück zu besorgen. Beim Bäcker wurde ich ziemlich schräg angeschaut, weil Jiraijas Klamotten mir nicht passten. Diese hatte ich anbehalten müssen, weil wir unsere Sachen in der Wäschetrommel vergessen hatten, wo sie natürlich nicht getrocknet waren. Allerdings konnte ich das allgemeine Starren ignorieren, wie schon damals nach dem Tod meiner Eltern, als mich in der Schule alle angegafft hatten wie einen Aussätzigen. Als ich bewaffnet mit einer Bäckertüte, Orangensaft, Käse und Obst ins Haus zurückkehrte, trug Sasuke bereits wieder ihre Sachen. Sie hatte den Tisch gedeckt und die Fenster geöffnet, sodass die Luft frisch und kalt roch. Als ich an Sasuke vorbei ging, um unser Essen auf den Tisch zu stellen, bemerkte ich den Duft des Waschmittels meiner Familie, der sich mit dem Geruch ihrer Haut und dem des Kaffees vermischte. Es war ungewohnt, aber ich mochte die Note. Sie roch nach zu Hause. „Und?“, fragte sie, als wir uns zum Essen niederließen. „Was macht man hier jetzt so?“ „Schwimmen?“ Sie verdrehte die Augen und ich grinste, bevor ich ernsthaft darüber nachdachte. „Also, vorrangig wandern, und es gibt ziemlich viele Museen in der Gegend, wenn du Lust auf sowas hast. Oder ich rufe ein paar Freunde an und wir sehen, was sich ergibt.“ Während ich das vorschlug, zog ich bereits mein Handy hervor und zuckte schuldbewusst zusammen, als ich einen ganzen Haufen entgangener Anrufe meiner Großeltern sah. Ich entschuldige mich bei Sasuke und rief zurück. „Naruto, Gott sei Dank. Wo bist du?“, meldete Jiraija sich ohne Umschweife. „Morgen… Wir sind im Seehaus. Tut mir leid, das war so eine spontane Idee gestern Nacht und dann haben wir lange geschlafen…“ „Schon gut, ich bin nur froh, dass alles in Ordnung ist“, erwiderte er, wobei ich aber im Hintergrund seine Frau zetern hörte, die das ganz anders sah. „Wie lange wollt ihr bleiben?“ „Uhm…“ Ich sah zu Sasuke, die in der Küche aufräumte, und zuckte unschlüssig die Schultern. „Wahrscheinlich bis morgen. Wir überlegen gerade, was wir machen wollen.“ „Du solltest Sakura-san unbedingt Schloss Krähenhorst zeigen. Ich glaube, sie haben dort gerade eine Ausstellung regionaler Künstler, das interessiert sie bestimmt.“ „Sakura-chan?“, fragte ich irritiert… Und schluckte, als mir das Gespräch mit meiner Freundin in der letzten Nacht wieder einfiel. Ich hatte sie anrufen wollen, richtig. Jiraija wollte erstaunt wissen: „Ist sie nicht bei dir? Wer denn dann?“ „Musst du das wirklich fragen?“, rief seine Frau im Hintergrund bissig. Ich nuschelte schuldbewusst: „Sasuke…“, und zog mich ins Schlafzimmer zurück, damit meine beste Freundin wirklich nichts hörte, obwohl ich nicht glaubte, dass sie lauschen würde. Mein Großvater seufzte tief. „Ich hoffe, du weißt, was du tust, Naruto…“ „Ich tue gar nichts!“, rief ich, zu defensiv, als dass es hätte ehrlich sein können. In der Leitung entstand eine kurze Diskussion, dann hatte ich Tsunade am Apparat, die meinte: „Nichts, außer mitten in der Nacht von deiner Freundin wegzufahren, um mit einer anderen Frau in den Urlaub zu fahren. Wenn du Sakura verletzt, werde ich…!“ Doch ich sollte nie hören, was sie tun würde, denn in dem Moment erklang die Melodie, die zeigte, dass mein Akku den Geist aufgegeben hatte. Natürlich hatte ich kein Ladekabel dabei, so spontan, wie wir aufgebrochen waren. Hervorragend, das war es also mit meinem Versprechen, Sakura heute anzurufen. Unbehaglich kehrte ich in die Küche zurück, wo Sasuke mich gewohnt gelassen beobachtete. Allerdings bemerkte sie meine Stimmung wohl, denn sie fragte: „Sollen wir heimfahren?“ „Nein“, widersprach ich eine Spur zu schnell. „Ich meine, jetzt sind wir extra hergefahren, das wäre doch Quatsch. Außerdem finde ich es schön, dass wir hier sind… Unser erster gemeinsamer Urlaub, he.“ Sasukes Gesichtsausdruck wurde eine Spur weicher und sie nickte. „Wie du willst… Weißt du inzwischen, was wir unternehmen sollen?“ „Hast du Lust auf ein bisschen Kultur?“ Das hatte sie, sodass wir den Nachmittag auf der Schlossausstellung verbrachten, von der Jiraija gesprochen hatte. Als wir nach dem Essen in einem Restaurant heimkamen, rief ich von Sasukes Telefon aus Sakura an, doch sie ging nicht ran. Erneut fragte meine beste Freundin, die meine geknickte Stimmung bemerkte, ob wir gehen sollten, und erneut schüttelte ich den Kopf. Wenn meine Freundin nicht mit mir reden wollte, würde sie das zu Hause genauso wenig tun. Ich hatte das dumpfe Gefühl, sie würde mit mir sprechen, wenn ich vor ihrer Haustür auftauchte, aber darüber dachte ich nicht weiter nach. Stattdessen startete ich einen Rundruf bei meinen hiesigen Freunden, und wenig später trafen wir uns in einer Dorfkneipe. Unter gewissen Schwierigkeiten überzeugte ich alle davon, dass Sasuke nicht meine feste Freundin war, wobei sich offensichtlich alle fragten, wieso ich dann mit ihr hier war. „Maaaan, kann man nicht als Mann und Frau in den Urlaub fahren, ohne dass da was läuft?“, schmollte ich und nahm einen großen Schluck Bier. Sasuke, die seit dem Vorfall an Weihnachten erst Recht nicht trank, nippte an ihrem Orangensaft und zuckte die Schultern. Satoshi, einer meiner Freunde, grinste: „Kann man schon, aber dann muss man sich halt Witze anhören. Seit wann bist du so eine Spaßbremse, Uzumaki?“ „Man sagt doch, dass man sich umso heftiger verteidigt, je mehr an den Vorwürfen dran ist“, merkte Chise mit amüsiertem Blick an. „Ihr…. Ihr seid alle Idioten!“, platzte ich brüskiert heraus, wobei ich beinahe mein Bier über dem Tisch verschüttet hätte, hätte Sasuke nicht die Hand um mein Handgelenkt gelegt um es ruhig zu halten. „Dann passen sie zu dir“, erwiderte sie gelassen. Ich beschwerte mich lautstark, während alle anderen lachten, und es wurde ein sehr ausgelassener Abend. Am Ende war ich ziemlich angetrunken, sodass Sasuke uns heimfahren musste. „Du übertreibst immer so“, beschwerte sie sich, als sie am Haus parkte und ich zwei Anläufe brauchte, um mich aus dem Auto zu hieven. „Gar nich“, schmollte ich und stolperte ihr hinterher in den Hausflur, wo sie mir bedeutete, leise zu sein. Kichernd legte ich den Finger an die Lippen, nur um dann polternd die Treppe hochzusteigen. Sasuke sperrte leise vor sich hin schimpfend die Tür auf und führte mich in die Küche, wo sie mir ein großes Glas Wasser einschenkte, welches ich folgsam in einem Zug leerte. „Du bist die Beste!“, verkündete ich laut und versuchte, sie zu umarmen. Sie schob mich von sich weg und in Richtung Schlafzimmer. „Und du bist verdammt laut“, seufzte sie, während sie zusah, wie ich mich aus der Hose kämpfte. Als ich ihren Blick bemerkte, tat ich, als würde ich strippen und näherte mich ihr mit spielerisch wippenden Schritten. Sie verdrehte die Augen und verschränkte die Arme, konnte ein Schmunzeln aber nicht unterdrücken. „Idiot…“ „Ich hab dich auch lieb“, konterte ich grinsend und legte kurzerhand die Arme um ihren Kopf, um sie an mich zu drücken. „Heh, du bist echt ´ne gute Stütze!“ „Naruto…“, knurrte Sasuke warnend, in dem Versuch, mein Kinn von ihrer Stirn zu entfernen, aber ich ließ sie nicht los. „Nix da, jetzt hab ich dich. Und ich lass dich nicht wieder los… Sonst kommst du irgendwann nich wieder…“, nuschelte ich, plötzlich von Trauer überkommen. Sie spannte die Schultern an, hörte aber auf, mich von sich zu schieben. „Ich gehe nirgendwo hin, Naruto.“ „Kannst du auch nicht.“ Ich versuchte, meine Laune mit Scherzen zu heben, aber es klappte nicht. In diesem Moment erschien es mir unerträglich, dass Sasuke irgendwann nicht mehr da sein könnte, und ich presste sie umso fester an mich, was sie erstaunlicher Weise zuließ. „Ich hol dich nämlich immer zurück.“ „Ich bin wieder da, oder? Also hör auf zu heulen“, fauchte sie, ungeduldig über mein Gejammer. „Ich weiß, ich weiß, aber was, wenn du noch irgendwas ´klären` musst? Ich weiß ja nicht mal, was deine erste ´Angelegenheit` war.“ Bisher hatte ich nichts von diesen Gedanken erzählt, um Sasuke nicht zu nerven, doch der Alkohol spülte mir die Sorgen geradezu von der Zunge. Sie schwieg, merklich unbehaglich wegen meiner Emotionalität. Dann, zögerlich, legten sich schmale Hände auf meine Seiten, strichen einmal sacht darüber und ruhten dann in meiner Taille. Unwillkürlich schloss ich die Augen. Diese sanfte Berührung tat unglaublich gut. Sie sagte all das, was Sasuke nicht ausdrücken konnte, und beruhigte meine vom Alkohol heraufbeschworene Unsicherheit. Ja, diesmal würde sie bleiben. Ganz sicher. Eine Weile standen wir so eng umschlugen da, dann lachte ich, um die angespannte Stimmung zu verscheuchen. „Tut mir leid, dass ich so jammere… Ich sollte echt nicht so viel saufen, hehe…“ „Schon gut.“ Sasuke löste sich von mir, ohne mich anzusehen. „Wir sollten einfach ins Bett gehen.“ Irgendwie war ich wohl stillschweigend davon ausgegangen, dass wir wieder in einem Bett schlafen würden, weshalb ich nach dem Zähneputzen ins Schlafzimmer meiner Großeltern ging, wo meine beste Freundin es sich bereits bequem gemacht hatte. Erst, als ich Sasuke da liegen sah, wurde mir bewusst, dass es nicht normal war, mit einer platonischen Freundin das Bett zu teilen, zumindest, während man eine feste Freundin hatte, mit der man zudem gerade stritt. Sasuke hatte das Licht bereits gelöscht, doch meine Augen gewöhnten sich rasch an die Dunkelheit, sodass ich sah, wie sie nach kurzem Zögern wortlos die Decke hob. Strahlend folgte ich der stummen Einladung und krabbelte zu ihr ins Bett, wo ich den Arm um sie legte und aus einem spontanen Impuls heraus ihre Stirn küsste. Zu spät realisierte ich, dass man das nicht machte, und nuschelte eine Entschuldigung, welche sie jedoch schweigend überging. So lagen wir still, Arm in Arm und jeder in seinen Gedanken, da. Ich merkte an ihrer Atmung, dass sie nicht schlief, und hielt mich selbst mit Überlegungen wach, was sehr untypisch war für mich. Aber ich fragte mich, wieso mir bei Sasuke solche Gesten wie dieses Küsschen so stark bewusst waren, wo ich doch bei all meinen Freunden körperlich zeigte, wie viel sie mir bedeuteten. Eine Erklärung wäre, dass ich gedacht hatte, Sasuke würde es nicht mögen, berührt zu werden. Sie hatte immer angespannt reagiert, mir ein paar Mal sogar verboten, sie anzufassen, vorrangig, wenn es ihr nicht gut gegangen war. Doch diese Theorie war Quatsch. Sie hatte sich sehr verändert, und auch, wenn sie noch immer nicht selbst Berührungen suchte, so ließ sie diese inzwischen doch zu, ohne zu verkrampfen. Außerdem hatten wir uns geküsst. Das bedeutete ja wohl, dass sie Körperlichkeit nicht völlig ablehnte. „Sas…?“ „Mhm…“ „Wir… Wir sind doch Freunde, oder?“ „Was…?“, fragte sie, sofort genervt von dem persönlichen, emotionalen Thema und merklich unbehaglich in der Umarmung. „ „Ich frage mich nur… Ob das hier normal ist. Ob es normal ist… So befreundet zu sein.“ Ich kam Menschen generell schnell emotional nahe, doch das mit Sasuke war anders. Tiefer. Es war, als würden wir uns schon immer kennen, und etwas würde uns unwiderstehlich zueinander ziehen. Sasuke schwieg lange, ehe sie sagte: „Muss es denn ´normal` sein?“ Verblüfft dachte ich darüber nach. Es stimmte, das mit uns war etwas Besonderes. Wieso sollten wir es banalisieren, nur, damit es anderen Leuten passte? „Du bist ziemlich schlau“, stellte ich fest. „Ich weiß.“ „Und arrogant“, fügte ich der Vollständigkeit halber hinzu, während ich mich an sie kuschelte und die Augen schloss. Nach dieser eigentlich so banalen Erkenntnis konnte ich völlig entspannt schlafen. Wir würden einfach wir selbst sein, ungeachtet aller anderen. Der Gedanke – wir gegen die Welt – hatte etwas jugendlich-romantisches und gefiel mir. Am besten blieben wir einfach im Seehaus. Hier hatte unser Zusammenleben doch so gut funktioniert… Aber am Sonntagabend, nachdem wir den ganzen Tag spazieren gegangen waren (wandern war aufgrund mangelnder Ausrüstung nicht möglich gewesen), mussten wir unsere Parallelwelt wieder verlassen. Auf der Heimfahrt hustete Sasuke ein paar Mal und als wir bei ihrer Wohnung ankamen, hatte sie eine ausgewachsene Rotznase. „Tut mir leid. Ich werde nie krank, deswegen dachte ich, das sei normal!“, rief ich an ihrer Haustür schuldbewusst, wahrscheinlich zum 1396 Mal. Sasuke seufzte nur, obwohl sie angepisst aussah, was ich verstand. Immerhin hatte sie ohne Erkältung schon genug zu tun, und es war meine Schnapsidee gewesen, im Winter in den See zu springen. „Ich hätte nicht mitmachen müssen.“ „Jaa, aber es war mein Vorschlag. Es…“ „Wenn du dich noch ein Mal entschuldigst, ohrfeige ich dich“, warnte Sasuke so ernst, dass ich tatsächlich lieber den Mund hielt. „Ich mache mir Suppe, dann gehe ich schlafen. Morgen ist es sicher schon vorbei.“ „Hm… Hoffentlich.“ Ich sah sie besorgt an, konnte es jetzt allerdings auch nicht mehr ungeschehen machen. „Irgendwie zerstört das den Eindruck des Wochenendes, obwohl es so schön war.“ „Es ist nur ein Schnupfen“, erklärte sie Augen verdrehend. Ich machte ein unwilliges Geräusch, dann sah ich sie nachdenklich an. Mir war klar, dass sie mir die Frage, die mir gerade auf der Zunge brannte, nicht beantworten wollen würde. Allerdings sah ich nicht mehr ein, wieso ich auf jede ihrer Stimmungen Rücksicht nehmen sollte. Sie würde schon nicht daran sterben, ab und zu ihre Gefühle preiszugeben, also fragte ich: „Hat es dir auch gefallen?“ Wie erwartet runzelte Sasuke die Stirn. Ihr Blick huschte sehnsüchtig in ihre Wohnung, vor der wir standen, doch dann erwiderte sie: „Fragen Männer das sonst nicht nach dem Sex…?“ Ich grinste breit, denn wenn es ihr nicht gefallen hätte, hätte sie das sicherlich direkt gesagt. Somit konnte ihre ausweichende, scherzhafte Antwort nur positiv gewertet werden. „Also ich nicht. Ich weiß, dass ich toll war.“ „Hoffentlich wissen das deine Partnerinnen auch.“ Diese Bemerkung erinnerte mich an Sakura und daran, dass ich sie das ganze Wochenende nicht angerufen hatte. Klar, Freitag war sie sauer gewesen und war nicht ans Telefon gegangen, aber Samstag hätte ich bestimmt irgendwo eine Telefonzelle finden können, um sie zu kontaktieren. Und jetzt war es Sonntagabend… „Ich weiß, dass du das Thema wechselst“, schalt ich Sasuke, die unbehaglich die Arme verschränkte. Dabei wollte ich mich eigentlich nur selbst ablenken. „Aber ok, dann geh ich eben einfach davon aus, dass es superkalifragi… Ähm… Dingenskirchen… War.“ Ich lachte und sie verdrehte die Augen. „Ich lass dich jetzt auch mal ins Bett. Muss eh noch Sakura-chan anrufen… Also, bis dann, Sasuke!“ Mit einem letzten Grinsen machte ich mich auf den Weg die Treppe runter, in Gedanken hin und hergerissen zwischen den Erinnerungen an das schöne Wochenende und der unangenehmen Pflicht, mich Sakura zu stellen. Ich beschloss gerade, persönlich bei meiner Freundin vorbeizufahren, am besten mit Blumen, als ich das Wohnhaus verließ. So bemerkte ich nicht, dass jemand mich beobachtete, wie ich ins Auto stieg und selbst ins Haus ging, sobald ich außer Sicht war. Kapitel 17: Risse ----------------- „Ich habe keine Ahnung, wie wir uns eigentlich vertragen haben“, erklärte er, die Decke anstarrend, die Finger über dem Bauch gefaltet. Hätte er auf einer Couch gelegen und nicht in meinem Bett, wäre das Bild einer Klischee-Therapiesitzung komplett. „Sie hat geschrien und mir Vorwürfe gemacht…“ Naruto stockte und es war klar, dass er, genauso wie ich, wusste, dass seine Freundin mit allen Anschuldigungen Recht hatte. Es war nicht ok, einfach so wegzufahren. Es war nicht ok, jemand anderen über sie zu stellen. Es war nicht ok, wie er sie behandelte, und das musste sie sich nicht bieten lassen. Ich wünschte nur, Sakura würde das endlich einsehen. Es tat ihr doch offensichtlich weh. Gequält verzog er das Gesicht und sah mich an. „Sie hat geweint… Wegen mir…“ Ich wusste nur zu gut, dass er keine Tränen sehen konnte, und verschränkte die Arme. Damit war meine Ablehnung wohl zur Genüge ausgedrückt. Schließlich konnte ich mir denken, dass er ihr alles versprochen hatte, was sie hören wollte, damit sie aufhörte zu weinen. Er hatte gelogen, seiner Freundin versprochen, es nie wieder zu tun, obwohl sie beide es besser wussten. Er würde wieder zu mir kommen, wenn er das Gefühl hatte, den Ritter in der Not spielen zu müssen. Bloß änderte das nichts an der Tatsache, dass er mit Sakura zusammen war und diese keinesfalls verlieren wollte, wie sein Gejammer eindrucksvoll bewies. „Und jetzt?“, forderte ich, als Naruto schwieg. „Na ja, danach haben wir die halbe Nacht gestritten und danach hab ich auch nicht wirklich geschlafen…“ Natürlich nicht, er nahm sich so was immer sehr zu Herzen. Allerdings fragte ich mich schon die ganze Zeit, wieso er mir das derart haarklein erzählte. Was erwartete er von mir? Eine Absolution? Guten Rat? Beides konnte ich ihm nicht bieten, ersteres, weil er das mit seinem Gewissen regeln musste, letzteres, weil ich selbst nicht wusste, was ich tun sollte. Es tat mir leid, dass er wegen mir – schon wieder – Ärger mit seiner Freundin hatte, obwohl ich genau das nicht gewollt hatte. Zwar war ich noch immer der Meinung, dass es nicht meine Schuld war, wenn Naruto viel Zeit mit mir verbringen wollte. Doch gerade weil ich Sakuras Reaktion nachvollziehen konnte, fühlte ich mich schuldig. Nachdem ich ihn zurückgelassen hatte, hatte ich kein Recht, das Glück zu zerstören, das er sich ohne mich aufgebaut hatte. „Du bist nicht hilfreich, Sas“, nörgelte Naruto, als ich eine Weile geschwiegen hatte. Seufzend fuhr ich mir durchs Haar. „Willst du mit ihr Schluss machen?“ „Was?!“, keuchte er erschrocken und rutschte an den Rand der Couch. „Nein! Wie kommst du darauf?!“ Diese Annahme war meiner Meinung nach nicht weit hergeholt, so, wie Naruto sich seiner Freundin gegenüber verhielt, doch ich verzichtete darauf es ihm zu erklären. Vermutlich wusste er es selbst und wollte es nur nicht zugeben. „Dann tu, was du immer tust.“ „Was…?“ Ich löste die überschlagenen Beine und lehnte mich näher zu ihm, indem ich die Arme auf die Knie stützte. „Kämpfe um das, was du haben willst.“ Kurz sah er überrascht aus, doch dann trat ein entschlossener Ausdruck in seine Augen. „Du hast Recht.“ „Wie immer.“ „Arrogante Ziege!“, lachte er, ohne sich von seiner Selbstmotivationsrede abhalten zu lassen. „Ich werde mich von jetzt an einfach mehr anstrengen, damit das funktioniert. Wir verbringen mehr Zeit zu zweit. Wenn sie will, können wir uns sogar ihre bescheuerten Schnulzen anschauen. Wir…“ Den Rest seiner Pläne hörte ich mir nicht mehr an. Ich fragte mich, ob Naruto bewusst war, dass ´mehr Zeit zu zweit` mit Sakura bedeutete ´weniger Zeit für ihn und mich`. Aber ich rügte mich gleich für diesen Gedanken. Er war nicht bescheuert, natürlich wusste er das. Für ihn hieß es im Moment, seine Prioritäten zu sortieren – zu einer von denen ich mich wider besseren Wissens selbst gemacht hatte. Ich hatte gewusst, wie Sakura reagieren würde (Ich verstand es sehr gut, es war nicht übertrieben), und trotzdem oder gerade deshalb hatte ich es getan. Obwohl ich mir geschworen hatte, Narutos Beziehung nicht zu sabotieren. Denn dass ich das könnte, war mir bewusst. Ich wusste es und hatte es immer gerade so weit getan, dass ich mich nicht mit meinem Gewissen auseinandersetzen musste. ´Du bist wirklich widerlich.` Ich erstarrte. Diese Stimme hatte ich monatelang nicht gehört und gedacht, sie endgültig hinter mir gelassen zu haben. ´Das wirst du nie.` Mit aufeinander gepressten Lippen konzentrierte ich mich auf Narutos Mund. Wenn ich seinen Worten zuhörte, konnte ich vielleicht die anderen geschnarrten, bösartigen in meinem Kopf ignorieren. Doch ich hörte nichts von dem, was er sagte, nur das Rauschen meines Blutes und diese Stimme, die klang wie eine Mischung aus meiner und Itachis – den beiden Personen, die mich am meisten hassten. Sie sagte, dass ich das Glück anderer nicht ertragen konnte, weil ich es nicht verdient hatte, selbst glücklich zu sein. Sie sagte, dass ich abscheulich war, Naruto so zu verletzten, wie ich es durch mein Weggehen getan hatte, und ihn dann zu wollen, wo er jemand anderen gefunden hatte, jemand, der ihn glücklich machte, was ich nie könnte. Alles, was ich könnte, wäre lügen – gegen andere und mich selbst. ´“Ich würde mich nie in seine Beziehung einmischen“ - Dass ich nicht lache!` Als Naruto sich später an der Tür zum Aufbruch bereit machte, fühlte ich mich leer. Natürlich wusste ich, dass diese Stimme ein Hirngespinst meiner Unsicherheit war, doch alles, was sie sagte, traf zu. Ich war ein furchtbarer Mensch und ich hatte Naruto nicht mal als Freund verdient, von einem Partner ganz zu schweigen. Wieso konnte ich das Glück anderer nicht akzeptieren? Wieso hatte ich nicht schon im Bauch meiner Mutter sterben und allen mein Leben ersparen können? „Sasuke?“ Völlig verwirrt davon, etwas anderes als meine eigenen Gedanken zu hören, blinzelte ich und sah zu Naruto auf, der die Stirn gefurcht und den Kopf schief gelegt hatte. „Alles ok?“ Ich presste fest die Zähne aufeinander und sah weg. Er war so fürsorglich… Wieso kümmerte er sich dermaßen um mich? Ich hatte ihn immer nur verletzt und würde es weiter tun, weil das alles war, was ich konnte. Und er würde immer weiter einstecken, weil er stark genug war, mein Gift zu schlucken. Aber ich wollte ihm das nicht antun. Wenn jemand wegen mir leiden sollte, musste ich es selbst sein. Ich war genauso stark. Ich konnte mein eigenes Gift selbst schlucken. „Was soll sein? Ich bin einfach müde.“ „Ah, sorry! Dann sehen wir uns demnächst, ok?“ Ich nickte und schloss die Tür, als er draußen war. Es war, als schwappte eine Welle aus Selbsthass über mir zusammen, so heftig, dass ich nicht mal mehr wusste, wann ich auf die Knie gesunken war. Ich starrte auf den penibel sauberen Boden, auf dem nur ein paar Klümpchen Erde von Narutos Schuhen lagen. Dreck zu seinen Füßen, so wie ich. Nur, dass er aus irgendeinem Grund dachte, ich wäre Gold. Er war wirklich dumm… Und viel zu gut für die Welt. Das Klingeln der Haustür ließ mich hochschrecken und sofort schämte ich mich für meine Gedanken. Wer war ich, den Staub an irgendjemandes Schuhen anzustarren? Ich stand auf, kämpfte die Panik runter und öffnete die Tür in der Erwartung, Naruto würde zurückkommen. Wahrscheinlich hatte er irgendwas vergessen, das wäre typisch. Ich zog die Wohnungstür auf und wartete, dass schnelle Schritte – er nahm immer zwei Stufen auf einmal – hoch sprinten würden, doch der Gang der sich nähernden Person war ganz ruhig. Vielleicht ein Fremder, der zu jemand anderem wollte?
Um sicher zu gehen, wartete ich – und erstarrte, als kein blonder Haarschopf hinter dem Treppengeländer auftauchte, sondern ein schwarzer. „Hallo, Sasuke“, sagte Itachi gefährlich sanft. Mit einem Ruck wollte ich die Haustür zuwerfen, doch er war bereits bei mir und drückte gegen das Holz. Er war so viel stärker als ich, schon immer gewesen, und meine Hände zitterten und mein Blick verschwamm unter Angsttränen, aber ich gab nicht auf. Mit aller Kraft presste ich mich gegen die Tür, die sich trotz allem Millimeter um Millimeter weiter öffnete und ihn wieder in mein Leben ließ. Naruto In den folgenden Tagen war ich besonders aufmerksam zu meiner Freundin. Wir sahen uns fast täglich und wenn das nicht ging, telefonierten wir. Ich brachte ihr Geschenke und überhäufte sie mit Komplimenten. Zuerst war sie skeptisch; natürlich erkannte Sakura, die als angehende Medizinerin eine psychologische Grundausbildung genossen hatte, Überkompensation wenn sie diese sah. Doch nach und nach gab sie nach, denn in all ihrer Intelligenz war sie eine Prinzessin, die es genoss, umworben zu werden. Ich war mir nicht sicher, ob sie mir wirklich so leicht verzieh, doch langsam wich ihre kühle Art, bis schließlich wieder alles in Ordnung zu sein schien. So kam es, dass wir am Wochenende nach meinem Ausflug mit Sasuke mit Kyûbi in einem Café saßen und entspannt Kuchen aßen. Die beiden unterhielten sich gerade über ein Fotoprojekt meines besten Freundes und ich nutzte die Gelegenheit, um einen Blick auf mein Handy zu werfen, auf dem tatsächlich die Nachricht eingegangen war, auf die ich gehofft hatte. Mit einem Seitenblick auf meine Freundin und schlechtem Gewissen las ich, was Sasuke mir geschrieben hatte. » Ich kann diese Woche nicht. « Schlicht wie immer, doch die Absage verwirrte mich, war sie doch nicht die erste in den letzten Tagen. Hatte ich etwas falsch gemacht? War ihr unser Kurzurlaub zu viel gewesen? Oder hatte sie wirklich, wie sie sagte, einfach keine Zeit? Ich öffnete den Mund, um die anderen etwas zu fragen, schloss ihn aber gleich wieder. Sakura würde nicht begeistert sein, wenn ich mir schon wieder Sorgen um Sasuke machte. Vor allem, da meine beste Freundin eine Erklärung für ihr Verhalten angeboten hatte. Nur kannte ich sie und ihre Geheimniskrämerei, ganz davon abgesehen, dass sie sich schon mehrmals aus fragwürdigen Gründen von mir zurückgezogen hatte. Das fast vergessene Thema des Drogenprofessors, mit dem Sasuke angeblich zu tun gehabt hatte, schob sich wieder in mein Bewusstsein. Hatte es etwas damit zu tun? » Ok… Aber es gibt da was, das ich dich fragen will«, sprach ich diesen Verdacht gleich an. » Dann frag.« Ich verdrehte die Augen. Wäre das so einfach, hätte ich es ja wohl schon getan. » Das ist persönlich.« » Dann frag nicht.« Gegen meinen Willen schlich ein Grinsen auf meine Lippen. Ich mochte ihre trockene Art, wirklich, obwohl es manchmal schon frustrierend sein konnte. „Was grinst du so?“, erkundigte Kyûbi sich und zog die Brauen hoch, als mir vor Schreck fast das Handy aus der Hand gefallen wäre. „Schaust du schon wieder Pornos?“ „Das hab ich nicht nötig… Ugh! Aua, Sakura-chan!“, jammerte ich, weil sie mir den Ellbogen in die Seite gerammt hatte. Fühlte sich an, als würde mein Kuchen gleich wieder das Licht der Welt erblicken, sehr zum Amüsement meines besten Freundes. „Red nicht so einen Mist“, beschwerte sich meine sichtlich verlegene Freundin.
„Was denn, du bist halt verdammt sexy. Das sieht er doch auch so“, verteidigte ich mich, wofür ich gleich noch einen Schlag kassierte. „Maaan, Sakura-chan!“ „S-Sei doch einfach mal still…“ War ich aber nicht. „Du bist immer so brutal. Gib mir wenigstens einen Kuss als Entschuldigung.“ Erst wollte sie nicht, doch ich jammerte so lange, bis sie mir ein Bussi aufdrückte. Zufrieden legte ich den Arm um sie und schmuste das Gesicht an ihre Wange. „Entschuldigt mich, ich muss kotzen“, merkte Kyûbi bei so viel Verliebtheit trocken an. „Nur kein Neid“, rügte meine Freundin scheinbar besänftigt. Sie leerte ihren Kaffee, wobei sie den Rothaarigen musterte, ehe sie nach seinem Haar griff. „Du solltest mal wieder zum Friseur. Du hast Spliss.“
Kyûbis Lächeln versteinerte und er löste ihre Finger aus seinem Haar wie ein Insekt. „Hm“, war alles, was mein sonst so redegewandter bester Freund zu sagen hatte.
Ich hatte die Szene leicht nervös beobachtet. Er schätzte es nicht, wenn man seine Haare anfasste und entsprechend begeistert war er von Friseurbesuchen. Er hatte sogar in Betracht gezogen, selbst Haareschneiden zu lernen, nur, um der Prozedur zu entgehen, aber irgendwann hatte er eingesehen, dass auch Coiffeure sich nicht selbst versorgten. Natürlich hätte eine Glatze das Problem gelöst; ein Mal mit dem Rasierer drüber und fertig. Doch er liebte seine langen Strähnen und tat sich lieber ein bis zwei Mal im Jahr einen Friseurbesuch an wenn es gar nicht mehr anders ging, als sie abzuschneiden. „Nein, im Ernst“, beharrte Sakura, die all das nicht wusste. „Ist doch schade, wenn sie kaputtgehen. Du hast so schöne Haare.“ „Kann sein.“
„Hm, jetzt, wo du es sagst, hätte ich auch ´nen Friseurbesuch nötig.“ Grinsend fuhr ich mir durch die tatsächlich für meine Verhältnisse recht langen Haare. „Gehen wir zusammen? Aber nicht wieder zu diesem überteuerten Laden wo du immer hingehst.“
Kyûbi musterte mich, wobei der Ärger langsam aus seinen Zügen wich. Er wusste, was ich vorhatte – und es funktionierte. „Sicher nicht zu dem drei Euro Friseur der dich immer verhunzt“, schoss es, jetzt wieder gelassen, zurück.
Sakura strich mir durch die wuschelige Mähne. „So schnell, wie deine Haare wachsen, hat eine teure Frisur wirklich keinen Wert. Obwohl ich dich schon gerne mal richtig hergerichtet sehen würde.“
„Verschwörst du dich jetzt gegen mich?“, begehrte ich auf, ihr vorwurfsvoll in den Po kneifend. Sie schlug mir zwar lächelnd, aber doch ziemlich fest auf die Hand und sagte: „Ich verschwöre mich nicht, ich sage dir nur, wie du mir gefallen würdest.“ „Oh, na schön, na schön“, gab ich mich geschlagen, obwohl ich von Anfang an hatte mitkommen wollen. „Wann soll´s denn losgehen?“
„Am besten so schnell wie möglich“, murmelte Kyûbi düster, als spräche er von einem unangenehmen Arztbesuch. Natürlich war Sakura dieses ungewöhnliche Verhalten aufgefallen, und sie sprach mich darauf an, als wir später das Café verließen. „Was hat Kyûbi eigentlich gegen Friseure? Man würde meinen, er säße ständig bei einem, so wie er seine Haare liebt.“ „Er mag es einfach nicht, wenn Leute ihm an den Kopf fassen. Ein Mal waren wir feiern und ein Mädchen hat das gemacht. Sie wollte ihn eigentlich nur anbaggern, aber er wäre ihr fast ins Gesicht gesprungen.“ „Ah, also hab ich mir das nicht eingebildet. Ich dachte vorhin, er haut mir gleich eine runter“, erzählte sie mit gerunzelter Stirn von dem kurzen Moment, als sie seine Strähne in die Hand genommen hatte. „Aber… Wieso? Es muss doch einen Grund dafür geben.“ Ich lächelte unschlüssig, denn sie hatte natürlich Recht. Nur war das eine private Geschichte, die ich niemandem weitererzählen würde, nicht mal meiner Freundin. Oder viel mehr besonders nicht ihr, denn sie würde es Ino erzählen und so sehr ich die Blondine mochte, so sehr wusste ich, was für eine Tratschtante sie war. Oh nein, es blieb lieber zwischen meinem besten Freund und mir, dass seine Mutter ihm in einem psychotischen Schub die Haare geschoren hatte, nachdem er für diese Komplimente bekommen hatte. Mir hatte er diese Kindheitsgeschichte erzählt, als wir Teenager waren und betrunken auf dem Dach unserer Schule unsere beschissenen Lebensgeschichten verglichen hatten. Danach hatte er getan, als wüsste er nichts mehr von seinem Geständnis und ich ließ ihn in Ruhe. Ich konnte ja doch nicht helfen. Aber mir war bewusst geworden, dass ich es eigentlich ganz gut hatte, immerhin hatte ich noch Jiraiya und Tsunade. Kurz darauf hatte ich mich entschieden, Lehrer zu werden und mein Leben begann sich zu ordnen. Irgendwie zog ich Kyûbi damals mit aus seinem Sumpf, obwohl er immer noch so seine Probleme hatte. Ich hatte nicht vergessen, dass er in Junkie-Kreisen verkehren musste, um zu wissen, dass Orochimaru ein Dealer gewesen war. „Keine Ahnung, hab nie gefragt“, erklärte ich Sakura, die ein wenig skeptisch aussah, jedoch nicht weiter auf dem Thema herumritt. „Hören Sie bitte auf zu zappeln, sonst schneide ich Sie noch“, beschwerte sich die Friseurin hinter mir nicht zum ersten Mal. Sie war mittleren Alters, hatte das kurze Haar giftig-rotblond gefärbt und war offensichtlich neidisch auf ihren jungen Kollegen, der sich um Kyûbi kümmerte. Dieser saß nämlich im Gegensatz zu mir steif wie ein Brett auf seinem Stuhl, wenn auch nicht um dem Coiffeur die Arbeit zu erleichtern, sondern weil er sich extrem unwohl fühlte. Das war der Grund für meine Turnübungen; ich wollte meinen besten Freund von seinem Unbehagen ablenken. Mit Erfolg, wie es aussah, denn er linste schmal lächelnd zu mir rüber. Ähnlich war die Fahrt hierher verlaufen. Am Ende hatte ich diesen Termin für uns organisiert und Kyûbi hatte mich abgeholt. Auf dem Weg hatte ich ununterbrochen geredet um ihn abzulenken und während wir warteten, hatte ich ihn davon abgehalten, den Laden zu verlassen. „Du brauchst mich nicht zu babysitten, Naruto“, mahnte Kyûbi gerade von seinem Stuhl, aus dem er wohl bald würde aufstehen dürfen. Sein Haar glänzte seidig und fiel in frischen Stufen über seinen Rücken. „So, wie du schmollst, denke ich das aber schon.“ Halb genervt, halb amüsiert rieb er sich den Nasenrücken. „Du übertreibst…“
„Das würde ich nie!“, rief ich empört, eine Gefühlsregung, die meine Friseurin wohl nachvollziehen konnte, so genervt, wie sie hinter mir seufzte. Nach ein paar Minuten waren wir jedoch endlich fertig. Rote und blonde Strähnen mischten sich unter dem Besen der Auszubildenden, während wir bei Kyûbis Friseur bezahlten. „Du solltest wirklich überlegen, Haarmodel zu werden“, schlug der Mann – nicht zum ersten Mal – vor, während er seinen Lohn in die Kasse legte. „Du hast wundervolles Haar.“ „Ich weiß. Schönen Tag noch.“ Ich verabschiedete mich vom Personal und folgte meinem besten Freund nach draußen. Er hatte sich bereits eine Zigarette angezündet und tat mit geschlossenen Augen einen ersten Zug, als ich zu ihm trat. „Geht´s?“, fragte ich, und er zuckte die Schultern.
„Hm.“ „Du solltest mal eine Therapie machen. Ich helf dir. Ich fass deine Haare jetzt so lange an, bis es dir nichts mehr ausmacht“, verkündete ich und ging auf ihn zu, doch er wich zurück, knurrte sogar leise.
„Verpiss dich.“
„Oho, da fährt er die Krallen aus!“, stichelte ich munter weiter und folgte ihm die Straße entlang, auf der er zu flüchten versuchte.
„Naruto…“
Lachend blieb ich stehen, abwehrend die Hände hebend. „Schon gut, schon gut. Dann keine Therapie.“
Obwohl ihm das bestimmt gut getan hätte, dachte ich auf dem Weg zum Auto. Es war schon verrückt, wie sehr uns Erlebnisse aus der Kindheit prägten. Das mit seiner Mutter war schließlich fast zwanzig Jahre her und seitdem hatte er sie kaum gesehen. Sie befand sich in einer geschlossenen Anstalt. Kyûbi besuchte sie ab und zu, versuchte jedoch weitestgehend nicht an sie zu denken. Trotzdem beeinflusste seine Erfahrungen mit seiner Mutter sein Verhalten, besonders Frauen gegenüber. Wahrscheinlich, war sein Mutterkomplex sogar der Grund, aus dem er auf ältere Frauen stand. Ich dachte darüber nach, wie viele meiner Freunde mindestens ein Elternteil verloren hatten und fragte mich, ob wir uns irgendwie ´anzogen`, weil wir einander verstanden. Bei Gaara war es zumindest so gewesen. Bei Sasuke hatte ich ein ähnliches Gefühl, obwohl wir nie weiter darüber geredet hatten, dafür war sie einfach nicht der Typ. Trotzdem verstand ich nach wie vor nicht, wieso sie nicht mit Fugaku reden wollte. Ich war überzeugt, dass sie ihn hätte umstimmen können, doch sie verzichtete lieber völlig auf das Konzept ´Familie`, was eine mir völlig fremde Ansicht war. Ich liebte es, in eine Gruppe zu gehören und ging in Gesellschaft erst völlig auf. Andererseits war die Situation nicht Sasukes Schuld und es war verständlich, dass erst mal Gras über die Sache wachsen musste. Vielleicht würde sie ihre Meinung in ein paar Jahren ändern. „Soll ich raten, woran du denkst?“, riss Kyûbi mich mit hochgezogenen Brauen aus meinen Überlegungen. "Es fängt mit ´S` an und hört mit ´asuke` auf.“ Ich wurde rot um die Nase. „Wie kommst du darauf?“
„Du hast dann immer so einen verklärten Blick“, meinte er schulterzuckend. Wir stiegen ins Auto, wo er unauffällig in den Spiegel blickte, um seine neue Frisur zu begutachten. Er wirkte zufrieden und sah daher zu mir. „Lass mich teilhaben an deinem Lieblingsprojekt.“
„Sie ist kein Projekt!“ Kyûbi verdrehte die Augen, dann stimmte er mit einem sarkastischen: „Natürlich nicht“, zu und startete den Motor. Kurz starrte ich ihn wütend an, doch dann konnte ich nicht anders: „Na ja, sie trifft sich seit unserem Ausflug nicht mehr mit mir und schreibt nur ganz sporadisch…“
„Oh nein!“ „Du hast doch gefragt, Wichser!“ „Schon gut.“ Missmutig wegen des Ausdrucks warf er mir einen Blick zu. „Wieso gehst du nicht zu ihr?“
„Sie sagt, sie hat nicht so viel Zeit.“
„Mhm… Und du glaubst ihr nicht.“
Das war keine Frage, trotzdem nickte ich. „Sonst hat sie auch geschrieben wenn sie wenig Zeit hatte, und jetzt…“
„Weißt du, nicht alles, was Sasuke tut, muss ein Drama sein. Gib ihr Zeit.“ Trotzig presste ich die Lippen aufeinander. Hatte sie nicht ein Jahr lang Zeit gehabt? Hatte ich ihr noch nicht genug gegeben? Andererseits wusste Kyûbi nicht, was zwischen Sasuke und ihrem Vater vorgefallen war und dass ich mir deshalb solche Sorgen machte. Sie tat zwar, als wäre es ihr egal und ich glaubte sogar, dass es ihr inzwischen besser ging als direkt nach dem Gespräch mit Fugaku. Doch unter ihrer beherrschten Maske war Sasuke ein labiler Mensch, der mit den eigenen Emotionen nicht zurechtkam. Wenn sie irgendetwas aus der Bahn geworfen hatte, wusste ich nicht, wie sie reagieren würde. Zumal ich immer noch im Kopf hatte, dass Itachi letztens vor ihrer Wohnung herumgelungert hatte. Aber das waren Dinge, die Sasuke nicht jeden wissen lassen wollte, also hielt ich die Klappe. „Muss es nicht, stimmt. Ich mach mir zu viele Gedanken… Wo fahren wir überhaupt hin?“, unterbrach ich mich, als ich merkte, dass wir weder auf dem Weg zu mir noch zur WG waren. „Irgendwann gehst du doch sowieso zu ihr.“ „Ihr? Ich…“ Ich stockte, weil wir gerade an einer Kreuzung vorbeifuhren, die ich kannte, sodass ich erriet, wohin wir unterwegs waren. Stirnrunzelnd sah ich Kyûbi an. „Sasuke hat gesagt, sie hat keine Zeit.“ „Ach, du sagst nur kurz hallo“, bestimmte er und parkte schon vor dem Wohnhaus, in dem meine beste Freundin lebte. „Ich? Du kommst nicht mal mit?“ „Du weißt so gut wie ich, dass deine kleine Eisprinzessin ihren Mund nicht aufbekommt, wenn ich dabei bin“, gab er zu bedenken, und ich musste ihm zustimmen. Alleine hatte ich vielleicht eine Chance, dass sie sich nochmal so öffnete, wie schon an dem Abend, als Fugaku sie verstoßen hatte. Trotzdem zögerte ich, ganz untypisch für mich, auszusteigen. „Glaubst du, das ist eine gute Idee?“ „Sonst findest du doch nie deine Ruhe.“
Das war keine Antwort und zeigte ziemlich deutlich, dass Kyûbi sich des Risikos bewusst war, das ein solcher Gesprächsversuch mit sich brachte. Trotzdem hatte er wohl Recht, sodass ich entschlossen nickte und ausstieg, um bei Sasuke zu klingeln. Ich sah noch, wie der Wagen meines besten Freundes davonfuhr, dann meldete sich die Stimme meiner besten Freundin an der Gegensprechanlage, die kühl und höflich, wie immer, wenn sie mit Fremden redete: „Hallo?“, sagte. „Ähm, ja, hi. Ich bin´s“, stotterte ich, nicht sicher, was ich sagen sollte. Das war Kyûbis Idee, wieso hatte ich erlaubt, dass er sich aus dem Staub machte? Doch mein bester Freund war schon längst über alle Berge und lachte sich vermutlich gerade ins Fäustchen.
„Was willst du?“ Jetzt klang Sasuke nicht mehr höflich, sondern gereizt. Ich hatte doch gewusst, dass das hier keine gute Idee war. „Uh… Ich war in der Gegend und dachte, ähm… Ich sag mal kurz hallo“, zitierte ich meinen Begleiter, dem ich in Gedanken die Krätze an den Hals wünschte. Kurz herrschte Stille, dann signalisierte ein Sirren, dass Sasuke mich einließ. Auf dem Weg nach oben schimpfte ich auf Kyûbi, aber dann stand ich vor meiner besten Freundin, die sogar für ihre Verhältnisse schlecht gelaunt und abweisend wirkte. „Also?“, fragte sie, mit verschränkten Armen in der Tür stehend und keine Anstalten machend, mich rein zu bitten. „Was?“ „Ich habe dir gesagt, dass ich keine Zeit habe und du bist trotzdem hier. Erzähl mir nichts von ´nur mal kurz hallo sagen`“, zischte sie ungeduldig. Verlegen grinsend fuhr ich mir durch die Haare. Ich hatte wohl unterschätzt, wie analytisch Sasuke dachte – und wie gut sie mich kannte. Sie wusste, dass ich sie nicht ohne Grund gestört hätte. Gleichzeitig zeigte mir ihr übermäßig gereizter Ton, dass ich Recht hatte und es wirklich ein Problem gab. Ich kannte sie nämlich genauso gut wie sie mich. „Ich hab mir Sorgen gemacht“, erklärte ich schließlich und ignorierte ihr Augenverdrehen als ich fortfuhr: „Du meldest dich kaum.“
Ihre sowieso schon dünnen Lippen verzogen sich vor Ärger zu schmalen Schlitzen. „Weil ich eben keine Zeit habe, wie ich dir mitzuteilen versucht hatte.“ „Und wieso hattest du die nicht?“, bohrte ich nach, denn jetzt war ich schon mal hier und wollte Ergebnisse, da konnte sie mich so böse anstarren, wie sie wollte. „Ich schreibe meine Abschlussarbeit, wie du sehr wohl weißt.“ „Ist das alles?“
Trotzig erwiderte ich den Eis-Blick, mit dem sie: „Ja“, knurrte. Jedoch konnten wir unser kleines Frage-Antwort-Spiel nicht weiter fortsetzen, da eine Stimme aus dem Flur hinter Sasuke deren Namen rief, gefolgt von sich nähernden Schritten. „Ich bin eigentlich nicht hier, um alleine im Wohnzimmer zu… Ah. Das erklärt alles“, unterbrach Itachi sich, als er mich sah.
Ich starrte erst verblüfft den älteren, dann entsetzt die jüngere Uchiha an. Sie hatte ihren Bruder doch partout nicht sehen wollen und jetzt war er in ihrem Wohnzimmer? Sasuke war sich dieses Widerspruchs wohl bewusst, denn sie drehte mit verschränkten Armen das Gesicht weg, um mich nicht mehr ansehen zu müssen. „Ich komme gleich. Er wollte gerade gehen.“
„Das wäre besser für ihn.“
Eigentlich war ich für alles, was meiner besten Freundin ihre Familie zurückgab, doch neben meiner instinktiven Ablehnung gegen ihren Bruder passte mir sein Ton überhaupt nicht, also entgegnete ich: „Vielleicht wäre es besser, wenn du gehst?“ Er verdrehte unbeeindruckt die Augen. „Fängst du jetzt wieder mit dem Testosteronausstoß an? Das wird schnell langweilig.“ Als ich rot wurde, lächelte Itachi herablassend. „Außerdem kann meine Schwester selbst entscheiden wen sie hier haben will, dafür braucht sie dich nicht.“ „Aber sie braucht dich, um für sie zu sprechen, oder wie?“ „Das…“
„Schluss“, unterbrach Sasuke uns – mal wieder. Dabei funkelte sie mich an, als könne ich etwas dafür, dass jeder in ihrer Familie ein selbstverliebtes Arschloch war – was sie übrigens einschloss. „Du geht jetzt.“ „Aber…“
„Ist das dein Ernst?“, unterbrach Itachi mich. Ich hatte angenommen, die Dame unseres netten Stelldicheins hätte mich weggeschickt, doch die Blicke, die sie und ihr Bruder sich grade zuwarfen, machten deutlich, dass ich die Situation falsch eingeschätzt hatte. Sie komplementierte eines ihrer engsten Familienmitglieder aus ihrer Wohnung. Für mich. Als der andere Mann merkte, dass seine Schwester nicht scherzte, lachte er trotzdem herablassend. „Du bist also doch ein typisches Weibchen, Schwesterherz. Sobald einer dir schöne Augen macht, machst du die Beine breit… Wie du meinst“, fuhr Itachi fort und entfernte sich, bevor ich ihn wegen des sexistischen Kommentars anschnauzen konnte. „Scheiß Wichser!“, brüllte ich ihm trotzdem die Treppe runter nach. Dann wurde mir bewusst, vor wem ich stand und ich wandte mich schuldbewusst an Sasuke. „Sorry…“ Sie zuckte die Schultern, offensichtlich derselben Meinung wie ich, dann trat sie beiseite, damit ich in ihre Wohnung konnte. Noch immer wütend über die Szene von eben wanderte ich durch ihr Wohnzimmer, wo sie in ihrem Lieblingssessel saß und mich auf ihren Bruder schimpfen ließ. Irgendwann fiel mir dann doch mal auf, dass sie mir sonst immer den Mund verbat, wenn ich mich so in etwas reinsteigerte und ich blieb vor ihr stehen. Sie hockte dort und schien nicht mal zu bemerken, dass ich sie beobachtete, und der Anblick machte mir Angst. Sie war direkt vor mir und wirkte trotzdem meilenweit entfernt und plötzlich wusste ich, wieso sie aufgehört hatte, sich bei mir zu melden. „Seit wann hast du wieder Kontakt zu Itachi?“ Meine Frage ließ Sasuke aus ihren Gedanken hochfahren und für einen Moment starrte sie mich an wie ein Ufo, bevor ihr Blick abweisend wurde, wie immer, wenn ich etwas sagte, das ihr nicht gefiel. „Er ist mein Bruder. Ich muss mich nicht rechtfertigen, wenn ich mit ihm spreche.“ „Komm schon, Sasuke“, tadelte ich und kniete mich vor ihren Sessel. „Rede mit mir.“ Sie holte tief Luft, vertrieb den aufkeimenden Zorn aus ihren Augen und sah zur Seite, als sie leise zugab: „Er war vor zwei Wochen zuerst hier…“ „Wusste ich es doch!“, rief ich triumphierend, denn damit bestätigte sie, was ich gedacht hatte, denn etwa zu diesem Zeitpunkt hatte sie den Kontakt mit mir abgebrochen. Als sie die Augen verdrehte, merkte ich, wie unpassend meine Freude gerade war und lächelte entschuldigend. „Und? Was wollte er?“ Scheinbar unbeteiligt zuckte sie die Schultern. „Was schon? Reden. Dass ich wieder zu Hause einziehe…“
„Aber das machst du nicht, oder?“ Entsetzt griff ich nach ihrer Hand und drückte diese. „Der Auszug hat dir so gut getan! Wenn du…“
„Ich weiß das, Naruto“, zischte Sasuke und riss die Finger aus meinen. „Du wolltest wissen, was er wollte, und ich hab´s dir gesagt. Jetzt reg dich nicht künstlich darüber auf.“
„´Künstlich`…“ Mürrisch setzte ich mich auf den Boden vor ihrem Sessel und verschränkte die Arme, ohne Sasuke jedoch aus den Augen zu lassen. Dass sie keine Hilfe annehmen wollte, war mir inzwischen klar. Passen tat es mir allerdings immer noch nicht. Ich wollte ja nicht für sie da sein, weil ich sie für hilflos hielt, sondern weil sie mir wichtig war. Ihr das zu sagen, wäre aber müßig, es würde nichts ändern. Und ich war mir ziemlich sicher, dass sie es schon wusste.
„Und du willst immer noch nicht mit deinem Dad reden?“, schlug ich stattdessen mal wieder vor. Zwar fand ich es schrecklich, was Fugaku seiner Tochter angetan hatte, doch Familie war mir so heilig, dass ich alles getan hätte, um sie irgendwie zusammen zu halten. Außerdem hätte es Itachi wohl von Sasuke ferngehalten, wenn sie sich mit ihrem Vater aussöhnte. Ihr Bruder gehörte zwar auch zu ihrer Familie, doch irgendwie gefiel es mir nicht, dass er sich wieder in ihr Leben drängte. Vielleicht, weil er mich dadurch verdrängte. Aber wohl eher, weil er meine beste Freundin behandelte wie ein Objekt, über das er verfügen konnte. Sasuke verschränkte ungeduldig die Arme. „Darüber haben wir bereits gesprochen.“
„Jahaa… Und du hast mir noch nicht nachgegeben!“, grinste ich in dem Versuch, die Stimmung zu lockeren.
Es funktionierte, sie schmunzelte, als sie sagte: „Das werde ich auch nicht.“
„Solltest du aber. Ich hab nämlich immer Recht.“
„Das wäre mal was Neues.“ „Duhu…!“, knurrte ich und kniete mich wieder vor ihren Sessel, beide Hände auf die Lehnen gestützt, sodass sie zwischen meinen Armen gefangen war. „Und jetzt?“, fragte sie herausfordernd, wobei sie nicht versuchte, von mir wegzukommen.
„Jetzt…“, flüsterte ich und legte eine Hand auf ihre Wange, die ich dann mit dem Daumen streichelte. Ihre Lippen waren schmal und trocken und ich wusste noch ganz genau, wie sie geschmeckt hatten, als ihre Besitzerin mich betrunken geküsst hatte. Aber daran zu denken, war jetzt nicht der richtige Moment, sodass ich den Blick von ihnen hob und in Sasukes Augen sah. „Jetzt sagst du mir, warum du mich immer von dir stößt, wenn es dir schlecht geht. Ich will dir doch nur helfen.“ Ihre Mundwinkel hoben sich zu einem winzigen Lächeln, sie legte die Hand auf meine und schmiegte mit geschlossenen Augen das Gesicht an meine Finger. „Das tust du doch, Naruto.“ Ich schluckte und leckte mir die Lippen, unsicher, was ich tun sollte. Mein rasender Herzschlag sprach sehr deutlich davon, ihr Kinn zu heben und sie zu küssen. Gott, ich wollte es so sehr, ich wollte ihre Lippen schmecken, spüren, wie sie ihren schmalen Körper an mich presste… Aber ich hatte Sakura. Ich liebte Sakura, und ich würde ihr um keinen Preis wehtun. Selbst wenn der Preis Sasuke war. Also drückte ich, als ich mich zu ihr herabbeugte, die Lippen lediglich auf ihre Stirn und ihren Körper nur ganz sanft an meinen. Es überraschte mich noch immer jedes Mal, wenn sie sich in den Arm nehmen ließ und gerade war so ein Moment. So saßen wir eine Weile im Wohnzimmer – denn natürlich sagte sie mir nicht, was sie sich dabei dachte, wenn sie mich von sich schob und damit verletzte und verunsicherte - bis sie sich von mir löste. Verlegen strich sie sich eine Strähne aus den Augen, ohne mich anzusehen. „Schon… Ganz schön spät…“
„Mhm.“
„Du solltest gehen“, betonte sie, da ich ihre indirekte Aufforderung ignorierte. „Hm.“ „Zu Sakura.“ Diese Karte funktionierte jedes Mal und Sasuke liebte es, sie auszuspielen. Deshalb starrte ich sie unwillig an, bevor ich mich zu ihrer Garderobe begab. Langsam band ich mir die Schnürsenkel zu und sah zu meiner nicht ganz freiwilligen Gastgeberin auf, die mit verschränkten Armen im Türrahmen lehnte und aussah, als würde sie nur darauf warten, dass ich: „Nein“, sagte und einfach blieb. „Ich weiß immer noch nicht, was du mit Itachi zu schaffen hast – und du musst es mir auch nicht sagen“, fügte ich hinzu, als sie bereits das Gesicht verzog. Das Gespräch war äußerst unbefriedigend ausgegangen, und ich wusste kaum mehr als vorher. Aber da ich Sasukes Geheimniskrämerei kannte und mir jetzt zumindest sicher sein konnte, dass da etwas vor sich ging, nahm ich ihre Hand und sagte: „Pass nur auf dich auf, ok? Ich will dich nicht nochmal verlieren.“ Sie weitete ein wenig die Augen, senkte den Blick – war sie etwa schuldbewusst? – und drückte meine Hand, bevor sie diese losließ. „Du steigerst dich da rein. Es ist alles in Ordnung… Gute Nacht, Naruto.“ Ich war nicht zufrieden, als ich mich ebenfalls verabschiedete, gab mich aber für den Moment geschlagen. Statt weiter auf Sasuke einzudringen, rief ich noch im Hausflur Sakura an. „Hey, was treibst du?“, begrüßte ich sie, als wäre es nicht mitten in der Nacht. „Ich wollte grade ins Bett. Können wir morgen…?“ „Kann ich vorbei kommen?“, unterbrach ich so eindringlich, dass meine Freundin alarmiert aufhorchte. „Was ist passiert?“
„Ich will nicht so gern am Telefon reden. Ich bin in zwanzig Minuten bei dir, ok?“
Ich zog die Haustür auf, wandte mich nach rechts, wo ich mein Motorrad geparkt hatte… Und stockte, als ich mich Itachi gegenübersah. Dieser zog die Brauen hoch, sah das Haus empor zu Sasukes Wohnung und wieder zu mir. Instinktiv trat ich einen Schritt zurück, vor die Haustür. „Was machst du noch hier?“, fragte ich angriffslustig. Er schob betont lässig die Hände in die Hosentaschen. „Das geht dich zwar nichts an, aber ich wollte noch mal mit meiner Schwester reden.“
„Sie hatte für heute genug von dir, also hau ab.“
„Und das entscheidest du?“, entgegnete er höhnisch und ich zuckte etwas zurück. War ich wirklich genauso herrisch wie er? „Naruto?“, meldete Sakura sich am Hörer zu Wort. „Mit wem redest du? Was ist los?“
„Nichts, ich… Ich ruf dich später an, ok?“
„Kommst du jetzt doch nicht vorbei? Naruto… Naruto!“, rief sie, doch ich legte auf und schob mir das Handy in die Hosentasche. Inzwischen war Itachi nähergekommen und machte eine Geste, die mich von der Tür verscheuchen sollte. „Wenn du so gut wärst.“ „Nein, ich bin nicht so gut“, fuhr ich ihn an und schlug seine Hand weg, die er nach dem Türknauf ausgestreckt hatte. „Lass Sasuke endlich in Ruhe. Wenn sie mit eurem Vater reden will, wird sie das schon ohne dich tun.“ Er legte den Kopf ein wenig schief, sodass ihm einige Strähnen, die sich aus seinem Zopf gelöst hatten, in die Augen fielen, eine Geste, die ich von Sasuke kannte und die ich bei ihr extrem attraktiv fand. Bei ihrem Bruder wirkte sie einfach arrogant. „Sie erzählt dir von derart privaten Dingen? Ich hätte gedacht, sie wüsste es besser… Darüber werde ich mit ihr reden. Und jetzt hör auf mit deinen Spielen und geh zur Seite.“ „Natürlich redet sie mit mir darüber, ich bin ihr bester Freund“, ignorierte ich die Aufforderung des Älteren, genauso wie mein Handy, das in meiner Hosentasche wütend vor sich hin bimmelte. „Und ich weiß, dass sie mit dir nicht reden will, also zieh ab.“
„Und woher weißt du das? Hat sie dir das auch gesagt? Nein?“, bohrte Itachi nach, als ich ertappt errötete. Er machte eine wegwischende Handbewegung, als wäre ich ein lästiges Insekt. „Du spielst dich gerne als Messias auf, ich habe es verstanden. Und irgendetwas gefällt meiner Schwester wohl daran, also sage ich nichts dagegen. Aber wenn du dich und deine Hirngespinste jetzt nicht von dieser Tür wegbewegst, werde ich ungemütlich.“ Ich machte einen langsamen Schritt auf ihn zu und sah ihm fest in die Augen. Erst aus der Nähe sah man, dass sie nicht dieselbe Farbe hatten wie die von Sasuke. Zwar wirkten beide schwarz, aber die Schwester hatte dunkelblaue Augen, während die ihres Bruders dunkelbraun waren. Einzig der harte, abweisende Blick darin war gleich, doch er beeindruckte mich bei keinem der beiden. „Da hab ich aber Angst“, spottete ich, das Kinn leicht gereckt und die Schultern angespannt. „Das solltest du auch. Du hast keine Ahnung, mit wem du dich anlegst.“
„Hm, lass mich überlegen… Mit einem Großkotz, der seine kleine Schwester einschüchtert, weil er sich von ihr bedroht fühlt?“ Ich schubste ihn an der Brust weg. „Mit einem verwöhnten Riesenbaby, das meint, das Recht mit dem Löffel gefressen zu haben, weil sein Papi ihn immer bevorzugt hat?“ Sein Gesicht war tatsächlich noch ausdrucksloser als das von Sasuke, wenn sie wütend war, allerdings meinte ich, Zorn darin aufflackern zu sehen, als ich ihn noch einen Schritt zurückstieß. „Du wirst sie nicht nochmal anfassen.“
Meine eigenen Worte ließen mich den Zusammenhang erst sehen. Sasuke hatte sich nie mit mir treffen wollen, wenn sie Streit mit ihrem Bruder hatte. Wenn sie es dann doch tat, hatte sie Make-Up getragen und war jedes Mal zusammengezuckt, wenn ich sie berührt hatte, was sie sonst nie tat. Seit sie ausgezogen war, war das nicht mehr vorgekommen – bis jetzt. Und gerade stand der Auslöser für all das direkt vor mir.
Ich war wohl selbst fast so überrascht wie Itachi, als ich urplötzlich auf ihn sprang und ihn zu Boden riss. Dabei schaffte ich es, ihm ein Mal ins Gesicht zu schlagen, bevor er mich von sich runter warf. Keuchend rappelten wir uns wieder auf und er wischte sich völlig perplex das Blut von der aufgeplatzten Lippe, während ich versuchte, meine eigenen Gedanken und Reaktionen irgendwie zu ordnen. In dem Moment, in dem ich ihn schlug, hatte alles Sinn ergeben, doch bereits jetzt merkte ich, wie verrückt es war, jemanden einfach so, ohne irgendeine Vorwarnung niederzuwerfen. „Spinnst du jetzt vollkommen?“, fragte Itachi entsprechend entsetzt, doch als ich die rote Flüssigkeit an seinen Fingern sah, dachte ich daran, dass er Sasuke dasselbe angetan hatte und mein spontaner Anflug von Reue schwand so schnell, wie er gekommen war. „So fühlt sich das an, wenn man geschlagen wird“, knurrte ich, mich wieder zwischen ihn und die Haustür schiebend. „Aber du wirst Sasuke das nie wieder antun, dafür sorge ich. Halt dich und eure verkorkste Familie von ihr fern, du…“
Diesmal war es Itachi, der mich mit einem Kinnhaken überraschte. Schmerz schoss mir durch Gesicht und ich taumelte, doch er packte mich am Kragen und rammte mir mit voller Wucht die Faust in den Magen, sodass mir die Knie einknickten. Stöhnend sackte ich zu seinen Füßen zusammen, krümmte mich um meine schmerzende Mitte und linste zu ihm empor, in seine hasserfüllten Augen. „Wage es nicht, jemals wieder über meine Familie zu sprechen.“
„Familie…? Hah…!“, lachte ich, trotz des Schmerzes, den meine geschundenen Innereien dafür ausschütteten und spuckte neben mir aus. Blitzschnell war Itachi über mir, doch diesmal war ich vorbereitet. Ich riss ihn zu mir auf den Boden, wo wir beide Schläge einsteckten und verteilten. Unsere Umgebung völlig ignorierend, schlugen wir aufeinander ein. Ich wusste nicht, wer wann die Oberhand hatte, aber es war mir egal. Ich wollte ihm einfach wehtun. Irgendwo zwischen einer Faust, die ich zurückhielt, einem Tritt, den ich einsteckte, und meinem Versuch, einen schwingenden Zopf zu fassen zu bekommen, war eine Stimme zu hören, die ich jedoch nicht verstand. Viel zu fixiert war ich auf das hassverzerrte Gesicht über mir. Itachi packte mich am Kragen und riss mich zur Seite. Wir kugelten über den Asphalt, über die Bordsteinkante, über die Straße, aber es war nicht genug. Ich wollte… Ich wollte… „STOP!“, schrie die Stimme von zuvor, gefolgt von einem grässlichen Quietschen. Endlich erwachte ich aus meinem Blutrausch und erbleichte, als ich die Situation erfasste. Mitten auf der Straße kniete ich über Itachi, die Faust zum Schlag erhoben, für alle entsetzt dreinblickenden Passanten gut beleuchtet von Scheinwerfern eines Autos kaum drei Meter von uns entfernt. Und vor diesem Auto stand, die Hand ausgestreckt und die flache Brust sich heftig hebend und senkend, Sasuke. Mein Herz setzte einen Schlag aus. Sasuke. Ich ließ Itachi los und kam taumelnd auf die Beine. „Sasuke…“, sagte ich, aber ich hörte mich selbst nicht, genauso wenig wie die Stimmen der Umstehenden oder das Blaulicht der Polizei, das ich nur aus dem Augenwinkel wahrnahm. Ich sah nur Sasuke, die sich gerade vor ein fahrendes Auto geworfen hatte, damit dieses ihren Bruder und mich nicht überrollte. Sie drehte sich nach mir um, die Augen schreckgeweitet, dann gaben ihr die Knie nach. Gerade noch konnte ich sie fangen, doch meine eigenen Muskeln fühlten sich an wie Wackelpudding, sodass ich mich niederkniete, Sasukes Kopf auf meinem Schoß. „Was machst du nur…?“, flüsterte ich panisch und strich ihr über die Wange. „Sas… Sasuke…“ „Das… War wie von selbst. Ich konnte nicht anders“, wisperte sie zurück. Sie legte die Hand auf meine, schmiegte ihr Gesicht daran und schloss die Augen. Ein warmes Gefühl breitete sich trotz des Schocks in mir aus, das ich jedoch nicht lange genießen konnte. Jemand riss mir Sasuke aus den Armen und schrie etwas, das ich nicht verstand. Völlig verwirrt sah ich zu, wie man meine beste Freundin davontrug, zu einem Krankenwagen. Gut. Sie stand unter Schock, erklärte mir mein träges Hirn, das wohl selbst nicht ganz mitkam. Doch als ich ihr folgen wollte, schlossen sich Arme um meine und hielten mich zurück. „Lassen Sie mich. Ich muss zu ihr“, erklärte ich dem Polizisten hinter mir. „Du wirst sie schön in Ruhe lassen und mit aufs Präsidium kommen, Junge“, erwiderte der Beamte kalt und zog mich trotz meines gestammelten Protestes mit sich. Ich wurde auf den Rücksitz eines Polizeiwagens verfrachtet, wo ich völlig in mich zusammensackte. Sasuke… Sasuke wäre fast verletzt worden, weil ich mich wie ein dummer Teenager mit ihrem Bruder geprügelt hatte. Wo der abgeblieben war, wusste ich nicht, und ich war zu träge um zu fragen. Völlig apathisch wurde ich in die Polizeiwache geschleppt, wo man mich in ein Vorzimmer brachte, welches kurz darauf zwei Männer betraten. „Dann erzählen Sie uns mal, was da passiert ist“, verlangte der Weißhaarige streng, ohne sich oder seinen Kollegen vorzustellen. Sie hatten beide ziemlich ausgefallene Frisuren für Polizisten, fiel mir auf. „Tobirama, er steht unter Schock“, tadelte der andere, brünette, in einem Ton, der deutlich machte, dass er die Barschheit des anderen schon gewöhnt war. „Na los, hol ihm ein Glas Wasser.“
Der Erste zog grummelnd ab, wobei er so etwas wie: „Bin ich ein verdammter Kellner…?“, murmelte. Hätte ich nicht so neben mir gestanden, hätte ich wohl gelacht. Spielten die zwei eine extreme Form von ´guter Bulle, böser Bulle`, oder was sollte das werden? „Also…“, fing der zweite an, als wir alleine waren, und er sich gesetzt hatte. „Ich nehme an, Sie wurden bereits ärztlich versorgt? ... Sehr gut“, fuhr er fort, als ich nickte, dann nahm er meine Personalien auf, bis er schließlich die Aufforderung seines Kollegen wiederholte: „Erzählen Sie mir bitte, was vorhin passiert ist.“ „Ich… Weiß es nicht“, gab ich lahm zurück und fasste mir an den Kopf. „Er war da und… Wir haben uns gestritten, aber…“ „Mit ´er` meinen Sie Itachi Uchiha?“, präzisierte mein Gegenüber und ich nickte. „Er sagte, Sie hätten verhindern wollen, dass er seine Schwester besucht.“ Ich zuckte zusammen, als ich mich erinnerte, wie Sasuke die Beine nachgegeben hatten und sie in den Krankenwagen getragen worden war. „Geht… Geht es ihr gut…?“, fragte ich mit einer riesigen Kröte im Hals. „Das soll jetzt nicht Ihre Sorge sein“, meldete sich der zweite Polizist zurück, der mein Wasser vor mir auf den Tisch stellte. Mit verschränkten Armen blieb er neben dem Tisch stehen und starrte mich beim Trinken düster an. „Sie wollten erzählen, was passiert ist“, ignorierte der Brünette die Rückkehr seines Kollegen. „Ja, ich… er hat mich provoziert und da…“ Ich zuckte die Schultern. Im Nachhinein war ich mir nicht sicher, wie das hatte passieren können. Es war vollkommen übertrieben, jemanden wegen eines unreflektierten Verdachts zu schlagen, das war mir jetzt natürlich vollkommen klar, aber alleine die Vorstellung, dass er Sasuke wehgetan haben könnte, hatte bei mir alle Sicherungen durchbrennen lassen. „Wir haben mehrere Zeugen, die aussagen, dass Sie Herrn Uchiha geschubst und dann geschlagen haben. Er hätte sich lediglich verteidigt.“ Zuerst war ich völlig verwirrt von diesen Anschuldigungen. Itachi hatte doch angefangen…! Doch dann erinnerte ich mich, dass tatsächlich ich zuerst handgreiflich geworden war und senkte den Blick. „Aber doch nur, weil er Sasuke nicht gut tut…“ „Wie meinen Sie das?“ „Na ja…“ Ich biss mir auf die Lippe, denn was mir vorhin so offensichtlich erschienen war, war letztlich nichts als eine haltlose Anschuldigung. Ich wusste nicht, ob Itachi Sasuke wirklich schlug. Ich wusste gar nichts über das Familienleben der Uchiha. Als er meine Unsicherheit sah, lächelte der brünette Polizist aufmunternd. „Wenn Sie Befürchtungen haben, können Sie uns diese gerne mitteilen, Herr Uzumaki. Wir möchten zunächst nur den Tathergang rekonstruieren.“ „Ich… Ich glaube, dass er Sasuke schlägt.“
Die Beamten warfen sich skeptische Blicke zu, was ich irgendwie verstand. Normalerweise waren doch Brüder diejenigen, die ihre Schwestern vor zudringlichen Männern beschützten und nicht die Täter. „So? Und haben Sie Beweise dafür?“, fragte Tobirama ungnädig. 
Ich verzog das Gesicht. „Sie wollten doch, dass ich es sage!“ „Und wir werden mit Frau Uchiha darüber sprechen“, versprach Hashirama, bevor sein Kollege noch etwas sagen konnte. „Sie erzählen uns jetzt erst mal zu Ende, was zu der Schlägerei geführt hat.“
Also machte ich meine Aussage so gewissenhaft wie möglich, wobei ich erwähnte, dass Itachi scheinbar öfter vor Sasukes Wohnung herumgelungert hatte. Danach durfte ich telefonieren und rief Sakura an, da Tsunade mir vermutlich den Kopf abgerissen hätte. Bei meiner Freundin war zwar dasselbe Temperament zu erwarten, doch sie wirkte eher fassungslos, als ich erzählte, dass ich auf dem Polizeirevier war, versprach jedoch, mich abzuholen. „Und… Was passiert jetzt?“, fragte ich unsicher, als Hashirama, der während meines Gesprächs diskret rausgegangen war, zurückkehrte. „Ich habe gerade mit meinen Kollegen geredet. Herr Uchiha wird Sie nicht anzeigen und ich würde Ihnen davon abraten, Ihrerseits eine Klage zu versuchen. Die Beweise sind auf seiner Seite.“
Mir war gar nicht in den Sinn gekommen, dass Itachi mich wegen Körperverletzung anzeigen könnte, und ich schluckte hart an der Erkenntnis. Ein Eintrag in mein polizeiliches Führungszeugnis und meine Karriere wäre Geschichte. Allerdings konnte ich mir keinen Grund vorstellen, aus dem Itachi von einer Anzeige hätte absehen sollen, außer, dass er die Polizei aus seinen Angelegenheiten raushalten wollte. Also hatte er hundertprozentig etwas zu verbergen. Blieb nur die Frage, was. Ich würde auf jeden Fall mit Sasuke über meine spontane Erkenntnis reden müssen. Alleine der Gedanke, dass jemand, allen voran ihr eigener Bruder, sie verletzen könnte, ließ heiße Wut in mir aufsteigen. Gleichzeitig machte ich mir jedoch Sorgen um meine beste Freundin, sodass ich fragte: „Wie geht es Sasuke? Haben Sie etwas von ihr gehört?“ Der Polizist runzelte die Stirn. „Es geht ihr den Umständen entsprechend gut. Sie wurde ja zum Glück nicht wirklich angefahren. Aber sie hat wohl einen Schock erlitten und muss sich jetzt ausruhen. Daher würde ich Ihnen raten, sie vorerst in Ruhe zu lassen.“
„Aber was ist mit Itachi? Was, wenn er sie wieder schlägt?“, rief ich in meiner Sorge um Sasuke aufgebracht. „Wie schon gesagt, wir werden Fräulein Uchiha diesbezüglich vernehmen, sobald es ihr besser geht.“
„Aber…!“ „Es ist nicht Ihre Aufgabe, das Mädchen zu schützen, Herr Uzumaki“, unterbrach Tobirama mich, nicht unfreundlich, aber doch sehr bestimmt. „Wir werden uns darum kümmern.“ Mürrisch presste ich die Lippen aufeinander, doch bevor ich weiter protestieren konnte, klopfte es an der Tür und eine Frau mit langem, weißem Zopf und dicken, kurzen Augenbrauen trat ein. „Uzumaki wird abgeholt“, verkündete sie hoheitsvoll, scheinbar genervt davon, solch niedere Arbeit wie einen Botengang verrichten zu müssen. „Vielen Dank, Kaguya-sama“, verneigte Hashirama sich respektvoll, dann verließen wir gemeinsam den Verhörraum, durchquerten einige Flure und erreichten schließlich eine Art Warteraum mit Stühlen. Ein paar Leute saßen, doch ihre Aufmerksamkeit lag offensichtlich auf der jungen Frau in der Zimmermitte, die lautstark auf einen Polizisten einredete. „… Sich um ein Missverständnis handeln! Er ist der liebste Mensch auf der Welt!“, verkündete Sakura mit in die Hüfte gestützten Händen. „Das sagten Sie bereits…“, erklärte der sichtlich erschöpfte Beamte. „Dann hören Sie mir eben nicht richtig zu!“
„Sakura-chan!“, rief ich, bevor die Diskussion noch weiter ausarten konnte und lief auf beide zu. Der Polizist sah erleichtert aus, als Sakura in meine ausgebreiteten Arme lief und zog sich möglichst schnell zurück. Ich dagegen umarmte meine sichtlich aufgewühlte Freundin und küsste ihre Stirn. „Naruto, was ist passiert?“, fragte sie mit den Händen auf meiner Brust. Trotz ihrer Besorgnis klang sie streng. „Ich… Lass uns erst mal gehen, in Ordnung?“, erwiderte ich mit unbehaglichem Blick auf die Polizisten, die mich verhört hatten und uns jetzt beobachteten.
Sakura nickte verunsichert, aber bevor wir das Revier verlassen konnten, rief Hashirama mich nochmal. „Uzumaki.“ Als ich mich nach ihm umdrehte, sah ich sein besorgtes Stirnrunzeln. „Halten Sie sich aus Ärger raus, ja?“
„Ich tu mein Bestes“, murmelte ich und legte meiner Freundin die Hand auf den Rücken, um sie nach draußen zu schieben. Vor der Tür atmete ich erst mal tief durch und versuchte zu verstehen, wie es zu dieser Situation hatte kommen können. So war ich doch sonst nicht. Ich hasste Gewalt und ein prügelnder Teenager war ich lang genug gewesen. Was war es also an Itachi, das mich so reagieren ließ? Und wie war ich darauf gekommen, dass er Sasuke schlagen könnte? Letzteres konnte ich partout nicht mehr nachvollziehen, doch ich war nach wie vor sicher, dass ich Recht hatte. Fast hoffte ich, meine beste Freundin wäre noch im Krankenhaus, damit sie sicher vor ihrem Bruder war. Am liebsten hätte ich sie angerufen um sicherzugehen, doch inzwischen saß ich in Sakuras Auto und sie wollte Antworten. „Also?“, verlangte sie, sobald wir auf der Straße waren. Ich rieb mir übers Gesicht, völlig unsicher, wie ich das erklären sollte. „Tut mir leid, dass ich dich da mit reingezogen habe“, begann ich deshalb ziemlich lahm, bevor ich erzählte, wie es zu der Schlägerei gekommen war. Als ich endete, waren Sakuras Hände um das Lenkrad verkrampft und sie starrte auf die Straße, als würde dort ihr schlimmster Feind vorbeischlendern. „Also war das alles schon wieder wegen Sasuke… Warum wundert mich das nicht?“
„Sie kann nichts dafür“, verteidigte ich meine beste Freundin sofort. „Natürlich nicht, aber du hast es wegen ihr gemacht“, fuhr meine feste Freundin mich scharf an und ich zuckte zusammen. Sakura holte tief Luft und hob abwehrend die Hand. „Na schön, du glaubst also, dass ihr Bruder ihr etwas antut… Hat sie das irgendwie mal angedeutet?“
„Nein, aber…“
„Und wie kommst du dann darauf?“ „Du kennst sie doch“, erwiderte ich genauso ungeduldig wie sie. „Sie will immer alles alleine regeln.“
„Dann lass sie doch.“ Mein Blick wurde kühler und ich verschränkte die Arme. „Wenn du glaubst, das könnte ich, kennst du mich schlecht.“
„Also soll ich einfach hinnehmen, dass du über eine andere Frau phantasierst, weil du ´nicht anders kannst`?“, fauchte Sakura laut. „Ich phantasierte nicht, ich mache mir Sorgen um sie“, stöhnte ich genervt „Ich dachte, das liebst du an mir.“
„Schade nur, dass du nicht dasselbe für mich empfindest.“
Sakura sagte das mit so einer bitteren Sicherheit, dass sich alles in mir verkrampfte. Ich wusste für eine Sekunde nicht, was ich sagen sollte – Genau die Sekunde, die sie als Bestätigung brauchte. Schnaubend setzte meine Freundin den Blinker und hielt am Straßenrand.
„Sakura-chan…“
„Raus.“
„Können wir nicht darüber reden?“
Sie schaltete den Motor ab und wandte sich mir mit verschränkten Armen zu. „Worüber willst du reden, Naruto? Darüber, dass du jedes Mal alles stehen und liegen lässt, wenn es ihr nicht gut geht? Darüber, dass du ständig über sie redest? Und wenn du nicht über sie redest, denkst du scheinbar über sie nach, sonst würdest du dir kaum solche Sachen wie das mit Itachi zusammenspinnen – was ich übrigens nicht glaube, dazu wirkt er viel zu anständig. Willst du darüber reden, dass du ernsthaft glaubst, ich merke das alles nicht? Sollen wir darüber reden, dass ich es nicht mehr ertrage, dass mein Freund in eine andere verliebt ist?“ Endlich stockte sie um Luft zu holen, doch mir fehlte der Atem, um zu antworten. Wir hatten uns schon ein paar Mal wegen Sasuke gestritten, doch ich hatte nicht gewusst, dass Sakura so dachte. Oder ich hatte es nicht wissen wollen, denn nach meiner Vorgeschichte mit meiner besten Freundin war dieser Gedanke nicht sonderlich weit hergeholt. Trotzdem war er falsch. Ich war nicht in Sasuke verliebt. Ich mochte sie, weil sie stark und klug und eigenständig und stur war und verletzlicher, als sie zugeben wollte. Ich mochte es, dass sie mich ohne viele Worte runter bringen konnte und dass wir uns streiten konnten, bis die Fetzen flogen, ohne dass ich Angst haben musste, ihr Gefühle zu verletzten. Ich wusste es zu schätzen, dass sie sich auf mich einließ, obwohl ich ihr oft zu viel war und dass sie es nicht verlachte, wenn ich ihr mal die ernste Seite hinter dem Sonnenschein zeigte, den alle in mir sahen. Sie nahm diesen Teil von mir ganz natürlich hin und wusste instinktiv, wie sie mich aus so einem Loch holen konnte. Wobei dafür eigentlich nie viel nötig war. Ihre bloße Anwesenheit genügte. Aber das waren Dinge, die ich an Sasuke als Freundin mochte, nicht so, wie Sakura sich das vorstellte. „Ich… Es tut mir leid, wenn das so rüber kommt“, fing ich nach viel zu langem Schweigen unsicher an. „Ich will dich nicht verletzen.“
„Das weiß ich, Naruto.“ Traurig lächelnd blickte Sakura auf ihr Lenkrad, über welches sie die Finger gleiten ließ. „Aber ich kann das einfach nicht mehr. Dazu bist du mir zu wichtig.“ „Was kannst du nicht?“
„Dich teilen… Und wissen, dass ich dich früher oder später verliere.“
Ich öffnete den Mund um zu widersprechen, aber irgendwas in ihrem Blick ließ mich verstummen. Obwohl ich nicht vorhatte, mich ´teilen` zu lassen, wusste irgendetwas in mir, dass sie Recht hatte. Ich konnte das Sakura nicht länger antun, denn dafür war wiederum sie mir zu wichtig. „Und… Und was heißt das jetzt?“, fragte ich mit brüchiger Stimme. Was für ein Tag…
Sakura schluckte und sah nach draußen, wobei sie immer noch das Lenkrad umklammerte, als wäre es ihr Rettungsanker. „Genau das, wonach es sich anhört, fürchte ich.“ Ich streckte die Hand nach ihr aus, legte sie auf ihre Wange und sie schmiegte sich in die Berührung. Es war fast ironisch, wie ruhig wir gerade waren, nachdem wir im letzten Monat nur noch gestritten hatten. „Du weißt, dass wir das nicht tun müssen“, beschwor ich Sakura eindringlich. „Wir können darum kämpfen. Ich…“
„Du wusstest noch nie, wann es Zeit ist, aufzugeben. Aber ich kann das wirklich nicht mehr. Ich kann dir nicht weiter zusehen, wie du dich für Sasuke entscheidest, jeden Tag ein bisschen mehr.“ „Ich entscheide mich für gar nichts“, protestierte ich, doch sie ließ mich gar nicht wirklich zu Wort kommen. „Wahrscheinlich tust du das nicht mal und ihr seid einfach füreinander bestimmt.“ Sie lächelte so traurig, dass es mir das Herz brach, und fuhr fort: „Ich wünsche dir wirklich, dass du glücklich wirst… Euch beiden. Ihr habt es verdient.“ „Du doch auch“, erwiderte ich, woraufhin sie nur leise lachte und damit alles sagte. „Also ist es… Vorbei?“ Sie biss sich auf die Lippe und sah zu Boden, dann holte sie tief Luft und nickte entschlossen. „Ich fürchte, ja.“ Sie beugte sich vor, legte die Hand auf meine Wange und drückte die Lippen sanft auf meine. Die Berührung war zärtlich und dauerte nur wenige Sekunden, bevor sie die Stirn an meine lehnte. So schwiegen wir eine Weile, bis ich mit kratziger Stimme fragte: „Aber wir bleiben Freunde, oder?“
„Ja. Ja, natürlich.“ Sich von mir lösend, wischte sie sich verstohlen über die Augen. Als hätte ich ihre Tränen nicht vorher schon auf meinem Gesicht gespürt. „Aber gib mir ein bisschen Zeit, ok?“ Ich nickte, und fragte leise: „Und jetzt?“ „Ich weiß nicht… Soll ich dich heimbringen?“ „Nein, schon ok, ich fahre Bahn.“ Ich lächelte automatisch doch das erstarb, als mir die Situation wieder klar wurde. Wir hatten gerade Schluss gemacht… „Wir… Können ja morgen nochmal reden?“
„Hm.“
Dieser kleine Laut sagte mehr als genug und sie weigerte sich, mich anzusehen, sodass ich die Autotür öffnete. „Ok… Ich ruf dich an.“ Ich stieg aus, zögerte aber, die Tür zu schließen und sah sie nochmal traurig an. „Sakura-chan… Es tut mir wirklich leid, dass ich dir dieses Gefühl gegeben habe. Aber zwischen Sasuke und mir war wirklich nie etwas.“ „Das weiß ich, Naruto. Gute Nacht.“ „Gute Nacht.“
Damit schloss ich die Tür und Sakura fädelte sich in den Verkehr, der sie bald darauf verschluckte. Eine Weile stand ich nur am Straßenrand und starrte auf die Stelle, an der ich sie zuletzt gesehen hatte. Ich hatte absolut keine Ahnung, wie ich an diesen Punkt gelangt war. Heute Morgen war doch noch alles in Ordnung gewesen und jetzt saß ich am frühen Morgen sonst wo, meine Freundin hatte mich verlassen, meine beste Freundin war vermutlich im Krankenhaus und ich hatte mich mit ihrem Bruder geprügelt wie ein hormongesteuerter Teenager. Noch schlimmer ging es kaum. Trotzdem überwog die Sorge um Sasuke, sobald ich wieder an sie dachte, also rief ich sie an. Nach dreimaligem Klingeln ging die Mailbox hin. Ich versuchte es erneut, mit demselben Ergebnis. Diesmal hinterließ ich eine Nachricht und schrieb ihr, dass sie sich melden sollte, dann wählte ich Kyûbis Nummer. Er wirkte verwirrt, holte mich aber wenige Minuten später ab und nahm mich ohne Fragen mit zu sich, als ich sagte, dass ich nicht nach Hause wollte. Auf der Fahrt und im Aufzug schwiegen wir und im WG-Wohnzimmer machten sich gerade einige Mitbewohner für die Arbeit bereit. So gingen wir erst in sein Zimmer, wo er sich mit verschränkten Armen vor mir aufstellte und mich fordernd ansah. „Also?“ Ich lehnte mich zurück und erzählte ihm alles, was eine Weile dauerte. Als ich fertig war, saß Kyûbi am Schreibtisch und trommelte nachdenklich auf die Lehne seines Stuhls. „Und du glaubst, er tut ihr was?“ Unschlüssig zuckte ich die Schultern. Nachdem die Polizisten und Sakura so skeptisch auf meinen Verdacht reagiert hatten, war ich mir ganz und gar nicht mehr sicher. Zumal dieser einfach meiner Abneigung gegen Itachi entsprungen sein konnte, wer wusste das schon. Mein bester Freund zog seinen Zopf über die Schulter nach vorne und inspizierte die Spitzen nach Spliss. Natürlich fand er keinen, immerhin waren wir erst am letzten Tag beim Friseur gewesen, obwohl mir das inzwischen Jahre her zu sein schien. „Solange du das nicht beweisen kannst, solltest du nicht herumlaufen und so was erzählen.“
„Wie soll ich das denn beweisen?“, brauste ich auf, doch er zuckte nur die Schultern. „Kannst du nicht. Aber du könntest mit Sasuke reden, statt ihre Verwandten anzugreifen.“
Ich wurde rot und rieb mir über die Augen. „Maaan, das war… Keine Ahnung. Eine Übergangshandlung oder so.“
Kyûbi ließ die Strähne fallen und zog die Brauen hoch. „Diesen ´Übergang` hab ich bei dir seit Jahren nicht gesehen. Kein Wunder, dass es Sakura nicht gefällt.“
Daran hatte ich gar nicht mehr gedacht und ich drückte mir stöhnend die Hände auf die Augen. „Was soll ich machen, Mann?“ „Nächstes Mal nicht zweigleisig fahren?“
Ruckartig setzte ich mich auf und funkelte ihn an. „Halt die Fresse.“
„Wieso? Schlägst du mich sonst auch?“, fragte er gelangweilt und brachte mich damit zum Schweigen. „Beruhige dich erst mal und dann rede mit den Mädchen. Das mit Sakura kannst du sicher klären und für Sasuke kannst du nichts tun, solang du nicht mehr weißt.“ Damit hatte er natürlich Recht, doch es war schwer, einfach stillzusitzen, wenn ich das Gefühl hatte, etwas so Gravierendes würde vor sich gehen. Trotzdem blieb mir für den Moment nichts anders übrig, als auf Kyûbis Rat zu hören und mich im Abwarten und Teetrinken zu üben. Kapitel 18: Sollbruchstelle --------------------------- Unter enormer Willensanstrengung hatte ich Kyûbis Rat befolgt und bis zum Morgen gewartet, bevor ich Sasuke anrief. Mein Gastgeber hatte sein Zimmer verlassen, in dem ich übernachtet hatte, und ich lief unruhig auf und ab, während ich unerträglich viele Freizeichen anhörte, bevor meine beste Freundin endlich abnahm. „Naruto.“ „Endlich! Geht’s dir gut? Wo bist du?!“ „Zu Hause.“ „Ok, das ist gut… Warst du lange im Krankenhaus?“ „Was willst du, Naruto?“, ignorierte Sasuke meine Frage. Ich erstarrte, denn mit dieser Reaktion hatte ich nicht gerechnet. „Ich wollte einfach wissen, ob es dir gut geht. Was…?“ „Ich weiß nicht, wie du darauf kommst, das würde dich etwas angehen, nach dem, was du gestern abgezogen hast.“ Ungläubig wusste ich nicht, was ich sagen sollte. Ich hatte sie doch nur verteidigt! Aber wenn sie so reagierte, hieß das dann, dass ich wirklich ohne Grund ihren Bruder geschlagen hatte? Ich schluckte schwer an dieser Möglichkeit, aber irgendwie glaubte ich nicht daran. Sasuke hatte nie eine gute Beziehung zu Itachi gehabt, wieso sollte sie jetzt so protektiv wegen ihm sein? Viel mehr sah das für mich nach ihrer typischen Abwehrreaktion aus, wenn sie nicht zugeben wollte, wie schlecht es ihr ging. „Willst du mir nicht sagen, was los ist, Sas?“, bat ich daher ruhiger, als ich mich fühlte. „Vielleicht können wir zusammen etwas tun…“ „Können ´wir` nicht, weil es dich nichts angeht“, unterbrach sie mich mit einer Stimme, die fast ein Fauchen war. „Wie kannst du es wagen, der Polizei so einen haarsträubenden Unsinn über Itachi zu erzählen? Misch dich nicht immer ein.“ „Ich mische mich aber sehr wohl ein, wenn meine beste Freundin misshandelt wird.“ Sasuke zog die Luft so scharf ein, dass es klang wie das Reißen von Papier, dann schwieg sie kurz. „Was?“, fragte sie schließlich, zu betont kühl, als dass ich ihr geglaubt hätte. „Du hast mich schon verstanden.“ „Ja, aber ich dachte, du würdest noch etwas Sinnvolles dazusagen.“ Langsam genervt von ihren Spielchen rieb ich mir über die Augen. „Lass mich dir doch einfach helfen, Herrgott. Dieses eine Mal… Bitte, Sasuke.“ Wieder schwieg sie einen kurzen Moment, und ich hoffte schon, sie würde es über sich bringen, sich mir nochmal so zu öffnen wie in der Sache mit ihrem Vater. Aber alles, was über ihre Lippen kam, war ein herablassendes Schnauben. „Keine Ahnung, wovon du redest. Aber halt deine Halluzinationen von meiner Familie fern.“ „Soll ich mich auch von dir fernhalten?“, fragte ich traurig, weil ich es von ihr kannte, dass sie sich zurückzog, wenn ihr eine Situation Angst machte. „Nein“, erwiderte sie hastig, bereute es jedoch scheinbar sofort, denn sie fügte rasch hinzu: „Gib mir… Ein bisschen Zeit, über alles nachzudenken.“ Die Schritte, die mich durch Kyûbis Zimmer trugen, wurden etwas langsamer. Immerhin versuchte sie nicht wieder, mich loszuwerden, das war doch schon mal was. „Warum sagen das zur Zeit alle Frauen zu mir?“, seufzte ich voller Galgenhumor und fuhr mir durchs Haar. Sasuke horchte auf. „Wie meinst du das?“ Eigentlich wollte ich sie nicht damit belästigen, schließlich hatte sie gerade genug eigene Probleme. Aber sie war immerhin meine beste Freundin, egal, ob wir gerade Streit hatten, und sie hatte selbst nachgefragt, also erklärte ich: „Sakura-chan hat gestern schlussgemacht.“ „Hm… War wohl nicht dein Tag.“ „Das kannst du laut sagen“, lachte ich humorlos. Sasuke lachte gar nicht. „Und was hast du jetzt vor?“ Normalerweise hätte ich alles getan, um Sakura wieder für mich zu gewinnen. Ich hatte es bisher immer geschafft, meine Freundinnen mindestens einmal davon zu überzeugen, mich nicht zu verlassen (Ich selbst hatte noch nie schlussgemacht). Dass ich so um sie gekämpft hatte, war wohl der Grund, aus dem ich mit allen dreien noch befreundet war. Doch irgendwie hatte ich nicht das Gefühl, das bei Sakura tun zu müssen, oder dass es etwas bringen würde. Nicht, weil sie mir egal war oder ich nicht mehr mit ihr befreundet sein wollte – obwohl ich sie in letzter Zeit nicht so behandelt hatte. Vielleicht waren die letzten sechs Wochen nach meinem Ausflug mit Sasuke schon unser ´Versuch` gewesen. Vielleicht war ich seit meiner letzten Beziehung erwachsener geworden und konnte eher akzeptieren, wenn es vorbei war. Ich konnte es wirklich nicht sagen. „Ich weiß nicht“, erklärte ich Sasuke daher wahrheitsgemäß. Dabei stellte ich meine Wanderung durch Kyûbis Zimmer ein und setzte mich erschöpft aufs Bett. „Und du? Willst du mir nicht…?“ „Ich ruf dich in ein paar Tagen an“, unterbrach sie meinen neuerlichen Vorstoß sofort. Sie nahm mein widerwilliges Grummeln als Zustimmung und verabschiedete sich, zögerte jedoch, aufzulegen. „Mach dir keine Gedanken. Sakura… Ist nicht die Richtige“, verkündete sie dann, und bevor ich noch etwas dazu sagen konnte, ertönte das Freizeichen. Seufzend ließ ich mich auf die Matratze zurücksinken. Jetzt hatte ich neben meiner Freundin noch meine beste Freundin verloren, zumindest zeitweise. Es war wirklich nicht meine Woche… Und ich wusste immer noch nicht, ob ich Recht hatte, was Itachi anbelangte, oder wie ich die Wahrheit aus Sasuke herausbekommen sollte. Sie war so verschlossen, was ihre Familie anging. Es würde schwer werden, ihr Details zu entlocken. Aber das würde mich nicht abhalten, beschloss ich, und stand auf, um Kyûbi zu suchen. Ich würde herausfinden, was los war, und ihr helfen, ob sie wollte oder nicht. Im Moment lief bei mir wirklich alles schief, was schieflaufen konnte. Zuerst trennte meine Freundin sich von mir, dann wurde ich verhaftet, wovon meine Familie erfuhr, sodass zu Hause dicke Luft herrschte. Tsunade war außer sich gewesen – verständlicher Weise – und hatte versucht, mir Hausarrest zu geben. Als ich argumentierte, ich sei zu alt für so etwas, hatte sie erwidert, dass ich ebenso zu alt für Prügeleien auf offener Straße wäre. Und sie hatte Recht. Sie hatte Recht, wenn sie sagte, ich hätte mich wie ein zügelloser Junge verhalten. Sie hatte Recht, als sie mir vorwarf, ich habe meine Karriere gefährdet. Sie hatte Recht damit, dass ich Sakura verletzt hatte. Sie hatte Recht. Ich wusste das. Nur konnte ich nichts daran ändern, doch als ich meiner Großmutter das sagte, wurde sie noch wütender und nach einem lautstarken Streit strafte sie mich mit Schwiegen. Jiraija war eher enttäuscht von mir, und so herrschte bei uns zu Hause drückende Stimmung, der ich oft in Kyûbis WG entkam. Ich hätte mich ja zu Sasuke geflüchtet, doch die redete nach wie vor nicht wirklich mit mir. Auf Nachrichten antwortete sie einsilbig, Anrufe hielt sie kurz und treffen wollte sie mich nicht. Sie bräuchte Zeit, sagte sie, doch der Vorfall zwischen Itachi und mir war jetzt fast zwei Wochen her. „Es ist unfair, dass sie so nachtragend ist, obwohl ich es ihr nicht mal vorwerfe, dass sie neun Monate einfach so verschwunden war. Neun Monate!“, beschwerte ich mich beim Joggen bei Kyûbi, der es wohl schon nicht mehr hören konnte. „Dann lass es bleiben“, meinte er genervt und zuckte die Schultern, als ich ihn entsetzt anstarrte. „Wenn dich ihr Verhalten so stört, hör auf, ihr nachzulaufen. Sasuke wird sich nämlich nicht ändern, auch nicht für dich, sie ist eine Egoistin.“ Wir liefen durch einen Park in der Nähe der WG, in dem sich bereits die ersten Zeichen des Frühlings zeigten. Ich mustere die Maiglöckchen, während ich Kyûbis Worte sacken ließ. Es stimmte, Sasuke dachte immer zuerst an sich. Doch das hatte sie lernen müssen, um in ihrer Familie zu überleben. Wenn sie es sich nicht genommen hätte, hätte sie gar nichts bekommen und so verhielt sie sich ihren Freunden gegenüber eben auch. Das war es, was viele an ihrem Charakter abstieß, doch ich verstand diese Seite an ihr. Es störte mich nicht, wenn sie mich ´benutzte`, im Gegenteil wollte ich sogar, dass sie sich auf mich verließ. Kyûbi schien mir meine Gedanken mal wieder an der Nasenspitze abzulesen, denn er seufzte und fuhr sich durchs Haar. „Du und dieses Mädchen… Ich glaube, sie könnte versuchen dich umzubringen, die Stadt verlassen und als Gangster leben und du würdest noch versuchen, sie zurückzuholen.“ „Sie hätte bestimmt ihre Gründe.“ Wir sahen uns an, dann fingen wir an zu lachen und er schüttelte den Kopf. „Du bist echt zu gut für diese Welt… Aber ich würde ihr an deiner Stelle wirklich noch etwas Zeit geben. Wenn es um ihre Familie geht, hat sie doch schon immer seltsam reagiert.“ Nachdenklich stimmte ich zu, als wir das Hochhaus erreichten und die WG betraten. Isobus Zimmer war inzwischen neu belegt von einer Rin Nohara. Sie saß gerade auf der Couch und las, sodass wir uns in die Küchenteile zurückzogen, um nach dem Training etwas zu essen. Sasuke Die Stimmung bei Tisch war eisig. Niemand sagte ein Wort, und ich starrte seit fünf Minuten auf meine Finger, die verkrampft um meinen Oberschenkel ruhten. Dabei spürte ich überdeutlich die Präsenz meines Vaters, der mit verschränkten Armen auf der anderen Seite des Tisches saß, und, noch viel schlimmer, die Anwesenheit meines Bruders direkt neben mir. Mir war so schlecht wie schon lange nicht mehr, und mein leerer Magen rebellierte. Wann hatte ich eigentlich zuletzt etwas gegessen? „Also, Sasuke“, ließ Itachis Stimme mich zusammenfahren. Sie klang so ekelhaft sanft, ganz anders als vorgestern, bei seinem ersten Besuch in meiner Wohnung, nachdem ich ihn wegen Naruto weggeschickt hatte. Alleine der Gedanke an seinen Zorn ließ mich erschauern und ich konzentrierte mich lieber wieder auf die momentane Situation. Die war zwar unangenehm, doch immerhin war ich sicher. „Du wolltest unserem Vater etwas sagen.“ „Ich…“ „Sieh ihn an, wenn du mit ihm sprichst“, unterbrach Itachi gelassen. Ich hatte Angst, mich übergeben zu müssen, wenn ich den Mund aufmachte, hob aber folgsam den Blick. Die Konsequenzen, hätte ich es nicht getan, wären unerträglich. Mit Sicherheit sah Fugaku die dunklen Ringe unter meinen Augen und die eingefallenen Wangenknochen und das struppige Haar, doch ich erkannte weder Mitleid noch Sorge auf seinem Gesicht, nur Abscheu. Er wollte mich nicht hier haben, ich wollte nicht hier sein, und doch würde ich vor ihm zu Kreuze kriechen, weil das Monster neben mir es befahl. „Es tut mir leid, was ich getan habe, Vater.“ Die Lüge ließ meinen Blick zurück auf meine Hände sinken, doch ich zwang mich, ihn zu heben und die Schultern zu straffen. Egal, wie hilflos ich mich fühlte, anmerken würde man mir meine Schwäche nie. „Ich habe mit… Mit Itachi geredet und sehe jetzt ein, wie kindisch ich war. Ich will… Bitte akzeptiere mich wieder als deine Tochter“, endete ich und senkte unterwürfig den Kopf, als jetzt der richtige Moment dafür gekommen war. Schweigen verätzte die Luft der Küche, bis sie kaum noch atembar war. Am liebsten hätte ich das Fenster aufgerissen… Nein, am liebsten wäre ich nicht hier gewesen. Ich wollte nach Hause, mir wie ein Kind die Decke über den Kopf ziehen. Unwillkürlich zuckte meine Hand zum Handy in meiner Hosentasche wie zu einem Rettungsanker. Noch lieber als in mein Bett wollte ich in das meines besten Freundes, damit er die Decke für mich spielte. Oder eben das Pflaster – Die Rolle, in der ich ihn keinesfalls mehr hatte sehen wollen. Das war der Grund, aus dem ich seit Itachis erstem ´Besuch` in meiner Wohnung Abstand zu Naruto gehalten hatte. Es war nicht sein Fehler, dass ich zu schwach war, meine Vergangenheit im Zaum zu halten. Und ich hatte nicht neun Monate gearbeitet, um an demselben Punkt anzusetzen wie vorher. Davon abgesehen – und das war der gewichtigste Grund – dass er erraten hätte, was los war. Naruto vermutete sowieso schon, was zwischen Itachi und mir abging, und hätte ich ihn gesehen, wüsste er es ganz sicher. Er kannte mich zu gut, und nach der Schlägerei mit meinem Bruder war er nur misstrauischer geworden. Seither hatte die Situation mit Itachi sich verschlimmert, doch damit hatte ich bereits gerechnet, als ich ihn weggeschickt hatte. Ich hatte mir das Gespräch damals mit Naruto zu dem Preis gekauft, mich dem Zorn meiner Familie auszuliefern, und diesen bezahlte ich im Moment. Dass die Nebenkosten waren, meinen besten Freund nicht mehr sehen zu können, weil es mir zu schlecht ging und er lästige Fragen gestellt hätte, hatte ich zugegebenermaßen nicht gerechnet. „Was willst du diesmal?“, fragte Fugaku schließlich in die Stille, und ich blickte auf. „Mehr Geld? Eine größere Wohnung?“ Rot vor Wut lehnte ich mich zurück. „Ich wollte nur…“ „Es ist mir egal, was du dir für eine Lüge ausgedacht hast“, unterbrach mein Vater kalt. „Ich habe dir bereits gesagt, dass ich keine Tochter mehr habe. Ich unterstütze dich, weil es meine Pflicht ist, nicht mehr. Dass du es geschafft hast, deinen Bruder um den Finger zu wickeln, ändert daran nichts.“ Zuerst weitete ich die Augen, doch dann brach ein kurzes, höhnisches Lachen aus mir hervor. So viel zu Itachis kleiner Familienzusammenführung. Gegen den Sturkopf meines Vaters konnten nicht mal seine Intrigen etwas ausrichten. Trotzdem genügte ein Blick von ihm mit gerunzelter Stirn, um mich zum Schweigen zu bringen. „Sasuke hat mich zu nichts überredet, Vater. Wir…“ „Umso schlimmer“, zischte Fugaku, was einem Streit zwischen den beiden näher kam, als ich je erlebt hatte. Vorsichtig linste ich von einem zum anderen. Sie waren beide Anführer mit hohem Aggressionspotential, und wenn ich sie jetzt beobachtete, fragte ich mich, wie ihr Zusammenleben ohne mich als Katalysator abgelaufen war. Natürlich waren beide nur selten zu Hause, doch das war ich auch nicht gewesen, und es war trotzdem immer wieder zu Streits gekommen. Ob die Allianz der Uchiha-Männer gelitten hatte, seit sie nur noch einander hatten, auf denen sie herumhacken konnten? „Wir haben geredet und sind der Meinung, die Familie ist wichtiger als irgendwelche Streitereien. Letztlich haben wir doch nur einander.“ Wie immer wählte Itachie seine Worte klug, indem er Mikoto zwar anklingen ließ, ohne sie direkt zu erwähnen. Manchmal fragte ich mich, wie er so sprachgewandt sein konnte, während ich mir mit alltäglicher Kommunikation schwertat. Es war nicht so, als würde ich stottern oder dergleichen, doch so natürlich zu verbalisieren, was ich wollte, und gleichzeitig anderen einzureden, dass sie dasselbe wünschten, hatte ich noch nie gekonnt. Das war wohl eine Sache des Selbstvertrauens. Fugaku schien nicht bereit, sich zu fassen, denn er erwiderte: „Die Familie, die sie hintergangen hat, um ihre selbstsüchtigen, albernen Ziele zu verwirklichen? Köchin? Eine Uchiha? Ich bitte dich.“ „Ich sage nicht, dass es die beste Idee war“, gab Itachi zu. Ich kannte diese Tonlage, die er gerade anschlug. Sie bedeutete nichts Gutes. „Aber du sagst doch immer, dass man seinen Weg wählen und bis zum Ende gehen muss.“ „Aber nicht so einen Weg. Nicht meine Tochter.“ Bis dahin hatte Fugaku seinen Sohn angestarrt, doch jetzt trafen sich unsere Blicke, und ich verstand wohl zum ersten Mal, wie hintergangen er sich fühlte. Aus seiner Perspektive hatte er immer alles getan, um meine Zukunft zu sichern, und statt ihm zu sagen, dass ich andere Pläne hatte und ihm somit die Möglichkeit zu geben, mich darin zu unterstützten, hatte ich ihn ausgenutzt. Natürlich konnte ich nicht sagen, ob er mir geholfen hätte, wenn ich von Anfang an mit offenen Karten gespielt hätte, doch so hatte ich ihm diese Option gar nicht erst gelassen. Wahrscheinlich war ich wirklich so dumm, wie Itachi immer behauptete. „Dieser Weg ist aber genau das, was deine Tochter sich ausgesucht hat. Und ich werde alles tun, das in meiner Macht steht, um ihn zu beenden.“ Itachi legte die Hand auf meine Schulter, um mich zum Schweigen zu bringen, doch ich schüttelte sie ab. Mit den Konsequenzen würde ich später klarkommen müssen. Jetzt lag mein Blick unverwandt auf Fugaku, aus dessen Augen langsam die Abscheu wich, um Resignation Platz zu machen. Vielleicht verstand er endlich, dass ich nie sein würde, wie er mich wollte, und vielleicht würde er es irgendwann hinnehmen. Doch heute war noch nicht dieser Tag, denn er erhob sich. „Genug davon. Du wirst jetzt gehen“, betonte er, und ich folgte ihm ohne Protest zur Haustür. Wie in einem Déjà-vu zog ich mir unter Fugakus strengem Blick die Schuhe an, nur, dass mich diesmal zudem Itachi mit verschränkten Armen von der Küche aus beobachtete. Ich vermied es, ihn anzusehen. Wen er für den Gesprächsverlauf verantwortlich machte, war eindeutig. Ich war nur froh, hier wegzukommen, denn was er mir zur Strafe angetan hätte, wollte ich lieber nicht wissen. So war ich recht gut gelaunt auf dem Heimweg. Es war nicht so, dass ich unbedingt wieder Kontakt zu Fugaku wollte. Dafür war in der Vergangenheit einfach zu viel passiert. Aber sollten wir uns irgendwann wieder annähern, würde ich mich nicht dagegen sträuben. Beinahe war ich versucht, Naruto anzurufen und ihm davon zu erzählen, aber dann drückte ich seine Nummer wieder weg. Er würde nur wieder ausflippen, wenn er erfuhr, wozu Itachi mich gedrängt hatte – und das zu Recht. Aber er sollte nicht wissen, dass seine Vermutung stimmte, sonst würde er nur etwas dagegen tun wollen. Und dass es sinnlos war, sich zu wehren, zeigte schon die Tatsache, dass Itachi wieder in meinem Leben war. Also würde ich Abstand zu meinem besten Freund halten müssen, so schwer es mir fiel, vor allem, da er sich scheinbar von Sakura getrennt hatte. Dazu hatte Naruto nichts Genaues gesagt, doch ich vermutete stark, dass ich der Trennungsgrund war. Er gab sich diesbezüglich sicher insgeheim die Schuld, doch die hatte er nicht. Ich hatte meine Bedürfnisse über sein Glück gestellt, und ich verdiente ihn gar nicht. Und mit dieser Erkenntnis verflüchtigte meine zuvor so gute Laune sich direkt wieder. Müde legte ich mich hin, aber schlafen konnte ich nicht. Stundenlang, so kam es mir vor, wälzte ich meine ´Männerprobleme` - Naruto, Itachi, Fugaku, mein Chef, der Professor, bei dem ich meine Bachelorarbeit abgegeben hatte – hin und her, ohne zu Ergebnissen zu kommen. Ich wollte Naruto, konnte ihn aber nicht haben. Ich hasste Itachi, konnte ihn aber nicht loswerden. Dieser Kontrollverlust machte mich verrückt und schlug sich in unrealistischen Träumen nieder, an die ich mich nicht erinnerte, als ich um halb vier von meinem Handy aus dem Schlaf gerissen wurde. Ich nuschelte etwas Unverständliches in den Hörer, auf das der Anrufer jedoch gar nicht einging. „Mach die Tür auf.“ Dem Befehlston instinktiv gehorchend, setzte ich mich auf. „Was…?“, fragte ich dann erst verwirrt, da ich endlich erkannte, wer mich da angerufen hatte. Itachi. „Mach die Tür auf, Sasuke.“ Ich war aufgestanden, bevor ich wirklich merkte, was ich tat. Irgendetwas in mir gehorchte meinem Bruder wohl in der Hoffnung, so Schmerz zu vermeiden, obwohl das noch nie etwas gebracht hatte. Wenn er mir wehtun wollte, fand er Gründe dafür. Und bei meinem Gespräch vorhin mit ihm und Fugaku hatte ich gewusst, was kommen würde. Andererseits hatte sich das Spielfeld geändert. Ich war sicher und brauchte nur die freundlichen Polizisten anzurufen, die mir ihre Hilfe nach dem Zwischenfall zwischen Itachi und Naruto angeboten hatten. Ich musste ihn nicht in mein Leben lassen. Ein Anruf, ein paar ehrliche Worte, und er würde für immer verschwunden sein. Es war so einfach… Schon auf halbem Wege zur Haustür blieb ich stehen. „Geh weg“, bat ich müde. Ich wollte doch eigentlich nur schlafen. „Wie bitte?“ Erst jetzt, wo ich langsam wacher wurde, merkte ich, wie schwer Itachis Zunge klang. War er auch müde? Oder betrunken? „Ich sagte, geh weg.“ „Wag es nicht, so mit mir zu reden, kleine Schwester“, zischte er, von einer auf die andere Sekunde so hasserfüllt, dass ich zusammenzuckte. „Nicht, nachdem du mal wieder alles zerstört hast.“ „Ich habe nicht…“ „Widersprich mir nicht“, fuhr er mir über den Mund. Ich hörte sowohl am Telefon, als auch in echt, wie er an der Tür rüttelte. „Du konntest noch nie ertragen, dass ich ein gutes Verhältnis zu Vater habe und du es nicht schaffst, normale menschliche Beziehungen zu führen. Aber du schaffst es nicht, uns auseinander zu bringen. Du schaffst es nicht.“ Wie versteinert stand ich mitten im Flur, barfuß und zitternd, und trotz aller Argumente, trotz all meiner Optionen schaffte Itachi es, mit wenigen Worten den Selbsthass in mir zu beflügeln, denn er hatte Recht. Ich war schon immer neidisch auf die Beziehung der Männer gewesen. Ich hatte mir gewünscht, mein Vater würde mich so lieben wie meinen Bruder, aber alles, was ich versucht hatte, hatte seine Abscheu nur weiter geschürt. ´Weil du Abschaum bist. Ich machte einen Schritt auf die Tür zu, bevor ich wieder stehenblieb, als Itachi an der Klinke rüttelte. Ich war hier drinnen sicher, er konnte mir nichts tun. Ich müsste nur auflegen, dann hätte ich seine giftigen Worte nicht mehr hören müssen. Wenn ich mich wieder hinlegte und weiterschlief, würde er schon irgendwann gehen. Es wäre so einfach. „Mach auf. Was meinst du, was die Leute denken, wenn ich hier im Flur stehe? Willst du dem Ansehen der Familie noch mehr schaden? Das hast du schon, indem du die Firma verraten hast. Was meinst du, wie Vaters Angestellten und Geschäftskollegen über ihn reden, wenn seine eigene Tochter lieber Köchin wird, als eine leitende Position im Familienbetrieb einzunehmen? Du kochst gerne, wie ein Hausfrauchen? Vater findet bestimmt einen Mann, für den du das den lieben langen Tag tun kannst. Dann bist du den Namen Uchiha endlich los und musst ihn nicht weiter besudeln. Du bist ihn sowieso nicht wert.“ Inzwischen war ich sicher, dass er betrunken war, doch alles, was er sagte, traf zu. Ich gab mich emanzipiert, aber wenn ich die Wahl hatte, tat ich das Weibischste überhaupt und kochte. Ein Uchiha tat so etwas nicht. Sie leiteten Firmen, trieben die Forschung voran, errangen sportliche Erfolge. Sie kochten nicht. Aber ich war keine von ihnen. Ich war nie gut genug gewesen für diesen Namen. ´Du bist erbärmlich.` Ohne es wirklich zu bemerken, war ich bis in den Flur gegangen, doch jetzt hielt ich erneut inne. Ich musste das nicht tun, nichts von dem, was er sagte. Ich hatte mich davon freigemacht. „Dann bleib doch da drinnen und versauere alleine. Was glaubst du, sind deine Optionen, ohne Familie? Wir sind die einzigen Menschen, die dich akzeptieren, egal, was für Abschaum du bist.“ Plötzlich war mir die leere Wohnung überdeutlich bewusst, und ich näherte mich der Haustür noch weiter. Ich war schon immer alleine gewesen, und hatte es nie anders gewollt… Oder hatte ich mir das nur eingeredet, weil sowieso niemand etwas mit mir zu tun haben wollte? „Oder glaubst du, dieser Junge wäre ernsthaft an dir interessiert?“, spottete Itachi weiter, als ich bereits direkt vor der Tür stand. „Ich bitte dich, sieh dich an. Kein Mann könnte dich je anziehend finden. Er ist wie ein Kind, das das Interesse an einem Spielzeug verliert, sobald es ein neues findet… So ist es doch, oder, kleine Schwester?“ Vermutlich hatte Itachi keine Ahnung, was für einer Angst meinerseits er da auf den Zahn fühlte – oder er wusste es haargenau, denn er war Sadist, und er kannte meine Schwächen in- und auswendig. Er wusste, wie viel Naruto mir bedeutete, weil ich ihn sonst nie so nahe an mich herangelassen hätte und er wusste, dass ich mich für nicht gut genug für ihn hielt. Wie könnte ich auch? Naruto war ehrlich (manchmal zu sehr), offen, lebensfroh, fürsorglich, hilfsbereit, loyal, liebevoll, mutig, ehrgeizig… Ich dagegen war zynisch, verschlossen, misstrauisch und arrogant, weil ich mir einredete, besser als alle anderen zu sein, obwohl ich nur nicht wusste, wie ich an sie herankommen sollte. Inzwischen stand ich direkt vor der Tür und wie von selbst legte ich die Hand auf die Klinke. Denn hatte ich es nicht verdient, bestraft zu werden? Hatte ich Narutos Beziehungsglück nicht wissentlich sabotiert, weil ich ihn für mich wollte? Zeigte das nicht, dass Itachi Recht hatte und ich ein schlechter Mensch war? Ich hatte mir eingeredet, ohne ihn besser sein zu können, doch das stimmte nicht. Als ich noch zu Hause lebte, war ich alleine gewesen und hatte meine Abartigkeit nur selbst ertragen. Jetzt ließ ich sie auf andere Leute, vor allem Naruto, übergreifen und zerstörte ihr Glück wissentlich mit meinem Unglück. Ich legte die Hand auf die Klinke, drückte runter und wurde von Itachi, der gegen die Tür presste, so wuchtig zurückgeschubst, dass ich taumelte und fiel. Ich rappelte mich gerade auf, als er schon in der Wohnung stand. In meinem sicheren Rückzugsort. Und alles, was es dazu gebraucht hatte, waren seine giftigen Worte. „Du willst es nicht anders, Sasuke“, sagte er süßlich, als er auf mich zukam, und ich ließ es einfach geschehen, weil er Recht hatte. Naruto Ich starrte auf mein Handydisplay, doch die grünen Blasen des WhatsApp Chats blieben mir die Antwort schuldig, wieso Sasuke seit Tagen nicht mehr auf meine Nachrichten reagierte. Ok, mein letzter Text war ziemlich patzig, doch davor hatte ich ganz normal kommuniziert. ´Wie geht’s dir?`, ´Was machst du?` und dergleichen. Ich verstand es nicht, und es machte mir Angst. Was, wenn sie sich wieder von mir abschottete und es mir diesmal nicht mal sagte? Obwohl sie mir in unserem Kurzurlaub explizit versprochen hatte, bei mir zu bleiben? Genau genommen fühlte ich mich wegen Sasukes Kontaktabbruch einsamer als wegen meiner Trennung von Sakura, und ich hasste mich dafür. Ich weigerte mich, mir einzugestehen, dass ich Sakura zu einem Lückenbüßer gemacht hatte, denn das hatte ich nie gewollt. Außerdem hätte es bedeutet, dass ich nach wie vor Gefühle für meine beste Freundin hatte, dass ich nie aufgehört hatte, sie zu haben. Und das konnte ich Sakura nicht antun – obwohl sie es wohl besser verstand als ich, denn das war der Grund, aus dem sie schlussgemacht hatte. Aus Rücksicht auf Sakura weigerte ich mich also nach wie vor, mir meine Gefühle für Sasuke einzugestehen, obwohl ich jetzt Single war. Das änderte allerdings nichts daran, dass ich mir Sorgen um meine beste Freundin machte und sie vermisste. Gerne hätte ich mit jemandem darüber geredet, doch das war nicht so leicht. Kyûbi konnte es – nach eigener Aussage – nicht mehr hören. Meine Großeltern (besonders Tsunade) waren nach wie vor wegen Sakura nicht gut auf mich zu sprechen. Und meine anderen Freunde würden es als Beweis sehen, dass Sasuke keine zweite Chance wert gewesen war und mich schon wieder ausgenutzt hatte. Aber das wollte ich nicht glauben. Irgendetwas stimmte nicht bei ihr und ich war mir ziemlich sicher, dass Itachi die Finger im Spiel hatte. Als ich das Gefühl hatte, platzen zu müssen, wenn ich mich nicht jemandem mitteilte, rief ich die wahrscheinlich unpassendste Person an, die es gab. Aber weil sie eben die einzige war, die es gab, kam sie trotzdem auf meine Bitte hin. „Ich hoffe, du weißt, dass Ino und jede Feministin mich lynchen würde, wenn sie hiervon erfahren würde“, betonte Sakura, mit der Kuchengabel auf mich deutend, als wir im Gartenbereich eines Cafés in der Sonne saßen. „Jaha, tut mir leid. Aber du warst wirklich die einzige, mit der ich reden kann…“ „Selber schuld“, schmollte sie, und ich lächelte reumütig, denn sie hatte Recht. „Es tut mir wirklich leid, Sakura-chan. Und ich bin dir dankbar, dass du überhaupt mit mir redest.“ Ich hatte ihr über den Tisch hinweg die Hand hingeschoben, die sie lange ansah, bevor sie ihre Finger darum legte. „Das weiß ich. Und ich möchte weiterhin mit dir befreundet sein. Deshalb… Erzähl mir, was los ist.“ Dankbar lächelnd drehte ich die Hand, um ihre zu drücken, doch das ließ sie nur kurz zu, bevor sie sich zurückzog und mir auffordernd zunickte. Zielstrebig wie immer durchschaute sie sofort meine Verzögerungstaktik. „Also… es geht um Sasuke.“ „Sag bloß?!“, rief sie sarkastisch, hob aber entschuldigend die Hände, als ich sie mürrisch ansah. „Schon gut, schon gut… Geht es um die Sache mit ihrem Bruder?“ „Ja. Ich meine, sie hat wieder Kontakt zu ihm – und wohl irgendwie auch zu ihrem Dad. Und dafür hört sie auf, mit mir zu reden… Das ist doch nicht normal, oder?“ „Na ja, du hast bei ihrem Vater keinen guten Stand, soweit ich weiß“, überlegte Sakura nachdenklich. „Sie hat sich wegen dir mit ihm gestritten und sich verändert, seit sie dich kennt. Außerdem hast du dich mit Itachi geprügelt. Würdest du wollen, dass deine Tochter mit so jemandem Kontakt hat?“ Wie sie das sagte, klang es zwar einleuchtend, doch ebenso sehr nach Zwang, dem Sasuke ja hatte entkommen wollen. Zumal das alles darauf hinauslaufen würde, dass sie sich zwischen ihrer Familie und mir entscheiden musste – und dass sie, so, wie es momentan aussah, Itachi und Fugaku gewählt hatte. Das hätte ich dann akzeptieren müssen. Familie ging über alles, und sicherlich über die egoistischen Interessen irgendeines Freundes, den man seit kaum zwei Jahren kannte (zumindest glaubte ich, dass Sasuke mich für einen Freund, vielleicht sogar ihren besten, hielt). „Aber das muss ja noch nicht heißen, dass Sasuke so denkt“, entgegnete ich, obwohl mir bewusst war, dass Sakura sich nicht Unrecht hatte, weil mir ihre Interpretation nicht gefiel. „Aber es würde erklären, wieso sie sich plötzlich von dir zurückzieht, oder?“, fragte sie listig nach. Als ich nichts zu sagen wusste, nahm sie lächelnd einen Bissen ihres Kuchens. Allerdings schwand ihr Schmunzeln recht schnell, und sie ließ die Gabel sinken. „Weißt du… Irgendwie hatte ich gehofft, das hier würde nicht eines dieser… Sasuke-Gespräche werden.“ „Sasuke Gespräch?“, wiederholte ich verwirrt, doch als sie die Brauen hochzog, war mir schnell klar, dass sie gehofft hatte, über unsere Beziehung und eine mögliche Neuauflage zu sprechen. Aber sie hatte doch Schluss gemacht, und wenn ich ganz ehrlich war, konnte ich gerade nicht darüber nachdenken, ob ich wieder mit Sakura zusammen sein wollte, weil ich mit Sasuke beschäftigt war. Daher sah ich mein Gegenüber traurig an und murmelte unschlüssig: „Sakura-chan…“ „Schon gut. Lass uns bei Sasuke bleiben.“ Sie zwang sich zu einem Lächeln, weil sie wusste, dass anders keine Freundschaft zwischen uns möglich war, und es zerriss mir das Herz. Ich hätte mich nicht mit ihr treffen sollen. Es war doch klar, dass sie unglücklich werden würde. „Wir können auch über was anderes reden“, schlug ich vor, doch sie schüttelte den Kopf. „Du brauchst gerade jemanden… Und Sasuke auch. Ich glaube nicht, dass du dich irrst.“ „Nicht?“ Sakura nickte. „Ich frage mich schon, was mit ihr los ist, seit wir sie kennengelernt haben. Sie ist so in sich gekehrt und abweisend, das ist doch nicht normal, selbst bei ruhigen Leuten. Außerdem vermute ich, dass ihre Arroganz, zumindest zum Teil, Fassade ist, um Unsicherheit zu verbergen. Wie ist sie so geworden, obwohl sie aus gutem Hause kommt und hochbegabt ist? Dass sie häuslicher Gewalt ausgesetzt ist, wäre eine Erklärung.“ „Also glaubst du mir?“ Zögerlich zuckte sie die Schultern. „Es ist möglich.“ Meine aufwallende Freude, mit meinem Verdacht nicht mehr alleine dazustehen, ebbte ab, sobald mir klar wurde, was das für Sasuke bedeutete. „Und was meinst du, soll ich jetzt machen?“ „Schwer zu sagen, vor allem, weil Sasuke-kun so verschlossen ist. Am besten wäre es, wenn du dir bei der Polizei oder im Frauenhaus Tipps holst, wie man so etwas am sichersten anspricht. Wenn Itachi ihr wirklich etwas antut, könnte es schlimmer werden, wenn wir nicht vorsichtig sind.“ „Wir?“, fragte ich aufhorchend. „Glaubst du, ich lasse dich das alleine regeln? Du vermasselst es nur.“ Trotz ihres harschen Tons lächelte ich Sakura liebevoll und dankbar an. Seltsamerweise trat daraufhin ein schmerzlicher Ausdruck in ihre Augen, bevor sie wegsah. „Also, wie wollen wir es angehen? Die Polizei fällt bei dir ja raus“, konnte sie sich nicht zu bemerken verkneifen. „Das hatte ich nicht so geplant!“, brauste ich auf. „Außerdem hab ich denen schon gesagt, dass ich glaube, irgendwas stimmte da nicht, aber scheinbar hat Sasuke felsenfest behauptet, alles sei ok.“ Sakura runzelte die Stirn. „Wenn sie das sagt, stimmt es vielleicht, meinst du nicht?“ „Oder sie hat Angst.“ Es war seltsam, sich vorzustellen, dass Sasuke, meine Amazone, Angst vor etwas haben sollte, doch nachdem sie mit Fugaku gebrochen hatte, wusste ich, dass es nicht unmöglich war. Meine Ex-Freundin war derselben Meinung, sodass wir einen Plan zurechtlegten, wie wir meine beste Freundin ansprechen sollten. Eine Weile später verließ ich mit einem wesentlich besseren Gefühl das Café. Nicht nur stand fest, dass ich etwas für Sasuke tun konnte, sondern zusätzlich redete Sakura wieder mit mir. „Ich hoffe wirklich, das funktioniert“, sagte diese beim Abschied mit besorgt gerunzelter Stirn. Ich drückte sie fest an mich. „Bestimmt! Mit deiner Hilfe funktioniert immer alles.“ Schmunzelnd schob sie mich von sich, drückte aber nochmal sanft meine Hand. „Pass auf dich auf, ok?“ Natürlich versprach ich ihr das, obwohl ich noch nicht wusste, wie nötig es schon bald sein würde. Ich hatte alles getan, was Sakura mir geraten hatte und war bestens informiert über den richtigen Umgang mit Opfern häuslicher Gewalt, als ich Sasuke anrief, um ein Treffen zu vereinbaren. Was mir niemand gesagt hatte, war, was zu tun war, wenn die Hilfsbedürftige nicht an ihr Handy ging - und das seit Stunden. In mir mischten sich Frustration und Angst. Ich fragte mich, ob sie mich auf die lange Bank schob, wie meine Freunde behaupteten, oder ob sie wirklich Hilfe brauchte und das wie immer verheimlichen wollte. War Itachi bei ihr, oder war sie nur unterwegs und ich reagierte über? Und wenn er bei ihr war – was hieß das? Er war ihr Bruder, unabhängig von meiner Abneigung gegen ihn. Es konnte gar nicht schlecht für sie sein, Kontakt zu ihm zu haben. Aber ich würde nie herausfinden, was los war, wenn ich nicht mit Sasuke redete, sodass ich einige Zeit später vor ihrem Haus parkte. Auf dem Weg die Treppe hoch schlug mir das Herz im Hals und beim Klingeln zitterte mir die Hand, aber das das Leuten ertönte, gab es kein Zurück mehr. Von drinnen waren Schritte zu hören, die mir seltsam fremd erschienen. Ich wusste, dass nicht Sasuke mir öffnen wurde. Trotzdem starrte ich ihn perplex an, als Itachi in der Tür erschien. „Was willst du denn hier?“, entkam es mir unwillkürlich. Unbeeindruckt zog er die Brauen hoch. „Dasselbe könnte ich dich fragen. Man sollte meinen, der letzte Ausflug zur Polizei wäre dir eine Lehre gewesen…“ Errötend wich ich einen Schritt zurück. „Das… Ach, halt die Klappe. Ich bin wegen Sasuke hier. Wo ist sie?“ Er seufzte, als habe ich einen offensichtlichen Zusammenhang nicht kapiert. „Ich hätte gedacht, inzwischen müsstest es sogar du verstanden haben…Ich habe wohl zu viel erwartet.“ „Was soll das heißen?“, knurrte ich, genervt von seinem Tonfall, einen Wutanfall nur mühsam zurückhaltend. „Sie will dich nicht sehen“, erklärte er, und ich meinte, in seinen Augen etwas wie Genugtuung aufblitzen zu sehen, als ich zusammenzuckte. „Ich weiß nicht, wie du es nicht verstehen kannst, aber dann sage ich es dir eben ganz direkt, wenn meine Schwester zu höflich ist: Du nervst sie. Von Anfang an bist du ihr nachgelaufen wie ein kleiner Hund und hast es nicht mal gut sein lassen können, als sie sich von dir zurückgezogen hat. Du bist nichts als eine Last für Sasuke, aber zu dumm, es zu verstehen. Sie braucht und will dich nicht in ihrem Leben. Also verschwinde endlich.“ Jedes Wort sprach genau die Ängste an, die mich bezüglich seiner Schwester plagten, und sie zerfetzten mir skalpellgenau das Herz. Ich konnte weder antworten, noch denken, nur einen unbeholfenen Schritt zurückweichen. Itachis Augen waren kalt, wie die aller Uchiha, doch zudem wirkte er unglaublich selbstgefällig. Er wusste genau, wie sehr seine Worte mich trafen und er genoss es, wie ein kleiner Junge, der aus Spaß mit der Lupe eine Ameise anzündete. Aber ich war nicht sein Spielzeug, und ich schluckte Schmerz und Verunsicherung runter, als ich knurrte: „Das kann sie mir auch selbst sagen.“ Itachi schien ein wenig verblüfft von meinen Wiederworten, fing sich aber schnell. „Das könnte sie auch vor Gericht.“ Wir starrten uns in die Augen, schwarz gegen blau, bis ich völlig unvermittelt, dafür umso lauter, brüllte: „SASUKE!“ „Bist du jetzt völlig übergeschnappt?“, zischte deren Bruder, als er seinen kurzen Schreck überwunden hatte. „Zieh endlich Leine!“ „Nicht, bevor ich mit ihr geredet habe… SAS! SASUKE, SAG MIR GEFÄLLIGST INS GESICHT, WENN ICH DICH ECHT SO NERVE!“ „Was ist denn da los?!“, schloss sich ein wütender Nachbar meinem Geschrei an, und schon bald herrschte im ganzen Haus eine Heidenaufregung, vor allem, weil natürlich jeder wusste, was zwischen Itachi und mir vorgefallen war. Dass also die Polizei hier auftauchte, war nur eine Frage der Zeit. In dem Moment war mir das allerdings egal, denn da tauchte Sasuke im Flur auf, ganz hinten beim Wohnzimmer. Ihr gesenkter Blick ließ mein instinktiv auf ihren Anblick folgendes Lächeln erblassen. Irgendwas stimmte nicht – und vielleicht war es, dass sie mich nicht sehen wollte, wie ihr Bruder gesagt hatte. „Sasuke…“ „Geh“, erwiderte sie, bevor ich überhaupt wusste, was ich sagen wollte. „Aber…“ „Du bekommst nur Ärger, wenn die Polizei dich hier wegen Ruhestörung erwischt.“ Sasuke verschränkte die Arme – es sah aus, als würde sie sich selbst umarmen - und blickte auf mit einem so falschen Lächeln, dass es mir ins Herz schnitt. Gleichzeitig bestätigte es alles, was ich vermutet hatte. „Na los. Geh.“ „Ganz sicher nicht.“ „Das ist ja furchtbar romantisch, wird aber schnell langweilig“, unterbrach Itachi unsere ziellose Konversation. „Kürzen wir das ab; du verschwindest, oder du hast eine Klage wegen Hausfriedensbruch und Körperverletzung am Hals. Wie glaubst du macht sich sowas im Lebenslauf eines Lehrers?“ „Drohst du mir?“ „Du bist ja ein ganz schlauer.“ „Naruto“, ließ Sasukes Stimme mich aufblicken, bevor ich auf ihren Bruder losgehen konnte. Sie sah müde aus, und so ausgemergelt, als hätte sie in den letzten Wochen kaum gegessen. „Bitte.“ Ich nickte, ohne richtig darüber nachzudenken. Aber sie hatte mal wieder Recht. Es brachte nichts, sich hier zu streiten, höchstens Ärger, den ich mir nicht leisten konnte. Also murmelte ich: „Pass auf dich auf“, und suchte das Weite. Wobei ´Weite` relativ war; ich konnte mich nicht dazu bringen, dem Haus ganz den Rücken zu kehren, sondern saß lange in meinem Auto und dachte nach. Dass das etwas von einem Stalker hatte, wurde mir erst bewusst, als die Haustür sich öffnete und Sasuke mit Itachi heraustrat. Sofort duckte ich mich hinter das Lenkrad, aber die zwei schienen mich nicht zu bemerken. Ihr Bruder zog meine beste Freundin am Arm mit sich, die das scheinbar apathisch zuließ. Aus der Entfernung konnte ich nicht sicher sein, aber es sah aus, als liefe ihr Blut über die Stirn. Sofort war ich hellwach. Hatte er sie geschlagen? Oder sah ich nur, was ich sehen wollte? Jedenfalls bugsierte er sie in seinen Wagen und fuhr davon. Ich zögerte, dann folgte ich dem protzigen BMW in einiger Entfernung. Wenn er Sasuke ins Krankenhaus brachte, hatte ich Halluzinationen. Wenn nicht… Wusste ich nicht so recht, was ich tun sollte, aber ich konnte sie unmöglich den Fängen dieses Verrückten ausliefern. Schon kurze Zeit später wurde mein Verdacht bestätigt, denn wir waren nicht unterwegs zum Hospital, sondern verließen die Stadt. Auf der fast verlassenen Landstraße war es schwer, unbemerkt zu folgen und ein paar Mal verlor ich den BMW fast aus den Augen. Mein Glück war wohl, dass Itachi das Auto meines Großvaters nicht kannte. Eine Weile folgten wir der Straße, die ich vor Ewigkeiten mit Tenten entlanggefahren war, und ich dachte schon, der See wäre unser Ziel. Doch dann bogen die Uchiha in den Wald ab. Ich zögerte. Das hier war doch verrückt, wie mir mein rasendes Herz deutlich zu sagen versuchte. Aber es war genauso verrückt, mitten in der Nacht in einen Forst zu fahren. Was hatte Itachi dort vor? Kurzentschlossen schaltete ich die Scheinwerfer aus und bog ebenfalls zwischen die Bäume ab, um ihnen unbemerkt folgen zu können. Dabei fuhr ich noch dazu zu schnell, und hatte unverschämtes Glück, dass mir niemand entgegenkam. Zumindest dachte ich so, bis ich das unvermittelte Ende des Waldweges an einem Maschendrahtzaun erreichte. Dahinter war scheinbar nichts – außer Itachis Wagen und einem schwachen Licht in der Ferne zwischen den hohen Fichten. Irritiert starrte ich ins Dunkel, bis ich eine Hütte erkannte, eigentlich mehr einen Verschlag im Wald. Ein Schauder lief mir den Rücken runter. Das sah aus wie ein Mordhaus. Ich parkte ein Stück vom Weg entfernt und näherte mich dem Zaun. Direkt am Weg versperrte ein breites Tor den Zugang. Das Schloss daran war rostig, was darauf schließen ließ, dass nur selten jemand hierherkam. Viel interessanter fand ich allerdings das Wappen unter dem Schild, auf dem ´Privatgrundstück – Betreten verboten`, stand: Es war der rot-weiße Fächer, den ich schon am Haus von Sasukes Vater gesehen hatte, das Zeichen der Uchiha. Dieses gruselige Gelände gehörte ihrer Familie. Als ich bei einem Rundblick niemanden sehen konnte, machte ich mich daran, den Zaun zu ersteigen. Dieser war zwar hoch, hatte aber glücklicherweise keinen Stacheldraht an der Spitze. Was immer auf dem Waldstück war, war also nicht übermäßig schützenswert. Natürlich schaffte ich es trotzdem, mir ein Loch ins Shirt zu reißen, was mir jedoch ziemlich egal war, während ich in der Finsternis zwischen den Bäumen dahinschlich. Ich sah zunächst wirklich gar nichts, außer dem Lichtschein der Hütte, dann gewöhnten meine Augen sich an die Dunkelheit und ich stolperte seltener. Das Herz schlug mir bis zum Hals. Jedes Geräusch ließ mich zusammenfahren. Was zur Hölle war das hier, fragte ich mich, doch da war ich endlich bei der Hütte. Durch ein kleines, dreckiges Fenster linste ich hinter einer Fichte hervor ins Innere. Itachi lief unruhig auf und ab, immer an einem Stuhl vorbei, auf dem seine Schwester saß. Oder besser hing, denn sie war fast von der Sitzfläche gerutscht und ihr Kopf hing träge gegen die Lehne. Ein Impuls ließ mich vorwärtslaufen, doch als der ältere Uchiha wieder umdrehte, duckte ich mich hinter den nächsten Baum. Er hatte ein Messer! Ich musste Sasuke da rausholen, koste es, was es wolle. Jetzt wäre die Zeit für einen Plan, und zwar einen guten. Nur war so etwas leider noch nie meine Stärke gewesen. Sasuke Das Dröhnen in meinem Schädel ließ Itachis unruhige Schritte auf den groben Holzdielen seltsam dumpf klingen. Auf einem Auge sah ich nur noch verschwommen, seit er mir den Kopf gegen die Wand gedonnert hatte, und mir war übel. Womöglich hatte ich eine Gehirnerschütterung, überlegte ich teilnahmslos. Jetzt war sowieso bald alles vorbei. Nachdem Naruto gegangen war, hatte mein Bruder seinen Zorn an mir ausgelassen. Etwas an der bestialischen Wut, mit der er auf mich eindrosch, sagte mir, dass er jetzt völlig übergeschnappt war. Die Tatsache, dass mein bester Freund scheinbar erraten hatte, was er mir antat, trieb ihn noch weiter in die Enge, nachdem er bereits von der Polizei angesprochen worden war und sich sogar mit unserem Vater gestritten hatte. Seit ich ausgezogen war, brach sein Königreich langsam zusammen, und das hier war ein letzter, verzweifelter Versuch, die Oberhand zurückzugewinnen. Wenn es sein musste auch, indem er den Widerstand in Blut ersäufte, wie das Küchenmesser in seiner Hand eindrucksvoll bewies. Schon eine ganze Weile lief Itachi damit vor mir auf und ab, vermutlich ersann er einen Plan. Es mochte daran liegen, wie geschwächt ich war, doch mir war das alles herrlich gleichgültig. So wäre es wenigstens bald vorbei und immerhin hatte ich Naruto da raushalten können… Naruto… Wie er mich angesehen hatte, als er vor meiner Tür stand und ich ihn einfach weggeschickt hatte. Dieser Mann hatte meinetwegen wirklich schon zu viel ertragen, er hatte Ruhe verdient, ebenso wie ich. Ich hatte mir zwar anderes für uns erhofft, doch vielleicht war es besser so. Dann wäre er wenigstens frei. Ich gab mich angenehmen Tagträumen über unsere gemeinsame Zukunft hin, als die plötzliche Stille mich die schweren Lieder heben ließ. Direkt vor mir stand Itachi, in dessen Augen fiebriger Wahnsinn glänzte. Ich hoffte wirklich, er würde es schnell hinter sich bringen. „Du zwingst mich dazu, Sasuke“, sagte er, und hätte sich mir nicht alles gedreht, hätte ich wohl gelacht. Wie oft er mir das schon gesagt hatte, so oft, um genau zu sein, dass der größte Teil meines Selbst es glaubte. Immerhin war ich an Mikotos Tod Schuld, und ich hätte einfach tun können, was mein Vater von mir verlangte und ich hätte mich nicht gegen meinen Bruder auflehnen müssen, oder ich hätte zumindest ein Junge sein können. „Du lässt mir keine andere Wahl“, erklärte Itachi, dessen Atem nur stoßweise kam. Jetzt beschleunigte sich mein Herzschlag doch, und mein Blick huschte zu dem Messer in seiner Hand, als er langsam näher kam. Ich richtete mich auf meinem Stuhl auf - halb liegend vor Schwäche würde ich jedenfalls nicht sterben – als Itachi plötzlich vor mir auf die Knie sank. Das Messer drückte gegen den Jeansstoff an meinem Oberschenkel, schnitt mich aber nicht. Völlig perplex starrte ich auf seine Schultern und sein dunkles Haar herab, das sich aus dem Zopf gelöst hatte und mir über die Schenkel floss. Mein Körper reagierte auf die Nähe instinktiv mit Ekel und ich versuchte, mich von ihm loszumachen, was ihn jedoch nur dazu brachte, fester zuzupacken. Dabei presste er, wahrscheinlich unbeabsichtigt, die Klinge in mein Bein, was mich schmerzlich zischen ließ. Wir rangelten etwas, doch ich fühlte mich immer noch schwindelig und stürzte vom Stuhl. Bevor ich wegkriechen konnte, packte Itachi mein Bein – ich keuchte vor Schmerz – und zerrte mich zu sich. In Erwartung eines Stichs in den Rücken, krallte ich die Finger in die Bodenlatten, doch der Schmerz blieb aus. Als ich stattdessen die Arme meines Bruders um meine Körpermitte und sein Gesicht auf meinem Rücken spürte, riss ich die zusammengekniffenen Augen auf. „Ich will das doch nicht, Mutter“, hörte ich ihn murmeln und starrte ungläubig über die Schulter zu ihm. „Sie hat dich umgebracht… Sie… Sie…“ Entsetzen und Abscheu krochen mir die Kehle hoch. Ich hatte gedacht, Fugaku würde mir den Tod seiner Frau vorwerfen, doch in Wahrheit tat Itachi genau dasselbe. All die Jahre hatte er seinen Ödipuskomplex an mir ausgelebt, der jetzt darin gipfelte, dass er das Abbild seiner Mutter, welches er in mir sah, selbst umbringen wollte. Vielleicht hatte dieser Moment unausweichlich kommen müssen. Ich hatte jedenfalls keine Lust mehr, ihn länger vor mir herzuschieben. „Bring es hinter dich“, verlangte ich mit rauer Stimme. „Es ist vorbei… Also tu es.“ Kurz blieb er reglos, dann richtete er sich steif auf. Bei unserem Sturz war ihm das Messer aus der Hand geglitten und über den Boden in die Ecke der Hütte geschlittert. Itachi ging, um es zu holen. Ich hätte einen Fluchtversuch unternehmen können – mein Blick huschte zum Fenster – doch ich war so müde und es so leid, wegzulaufen. Resignation erfüllte mich, und ich richtete mich auf die schmerzenden, zitternden Beine, um dem Tod stehend ins Auge zu blicken… Ein ohrenbetäubendes Scheppern zerriss die nächtliche Stille, zuerst in der Ferne, doch es kam schnell näher. „Was zur…?“, keuchte Itachi noch, dann brach scheinbar der Wald in die kleine Hütte ein. Ich war gestürzt und als ich es wagte, die Arme vom Kopf zu nehmen, sah ich entsetzt die zerbeulte Kühlerhaube eines Wagens in die Wand ragen. Die Frontscheibe war zerbrochen und ein Teil des Gatters, welches das Gelände umzäunte, hing auf dem Autodach. Im Haus selbst herrschte heilloses Chaos. Überall lagen Holz- und Glassplitter und das Regal an der Wand war herabgestürzt. Darunter sah ich Beine in Anzughosen hervorblitzen, doch diese verloren meine Aufmerksamkeit, als die verbeulte Fahrertür sich schwerfällig öffnete. Fast so verbeult wie sein fahrbarer Untersatz keuchte Naruto und sah sich in der Verwüstung um, die er angerichtet hatte. Dann entdeckte er mich und stürzte auf mich zu. „Sas! Sasuke, alles in Ordnung? Sasuke!“ Doch ich war zu fassungslos, um zu antworten. Woher wusste er, wo wir waren? Wieso hatte er die Wand eingerissen, und, wie mir langsam klar wurde, meinen Bruder über den Haufen gefahren? Dieser regte sich unter seinem Schutthaufen, also hatte Naruto ihn zumindest nicht umgebracht. Zuerst sah Itachi verwirrt um sich, doch als er meinen besten Freund vor mir knien sah, wich seine vorige Unsicherheit blankem Hass. Mit überraschender Wucht schleuderte er das morsche Regalbrett in unsere Richtung. Naruto versuchte, das Wurfgeschoss abzuwehren, wurde am Kopf getroffen und zu Boden geworfen. Während ich mich panisch über ihn beugte, sah mein Bruder sich fiebrig um, vermutlich nach dem Messer, das irgendwo unter den Trümmern begraben lag. Unsanft tätschelte ich dem Ohnmächtigen die Wange, um ihn zu wecken. „Naruto…. Komm zu dir… Bitte…“ Belämmert öffnete er die Augen und richtete sich unter meinem Drängen viel zu langsam auf. Was hatte er sich auch vor mich werfen müssen, dachte ich, nach meinem Bruder schielend, der noch immer den Schutt durchwühlte. Ich hatte das Messer inzwischen entdeckt – es lag zwischen den Vorderreifen des Wagens – hielt mich aber nicht damit auf, als Naruto endlich auf den Beinen war. „Komm“, befahl ich, er packte meine Hand und rannte auf die halb eingestürzte Hauswand zu – eine Tür gab es nicht mehr. Mein Bein schmerzte kaum, vermutlich unterdrückte Adrenalin diese Empfindung. Natürlich ließ unser Fluchtversuch Itachi aufblicken, wobei er das Messer entdeckte. Während er es aufsammelte, sprangen wir bereits vom Wagendach ins Freie. Drei Meter von der Hütte entfernt herrschte absolute Finsternis, in die wir stürmten, wobei wir fast gegen die eine oder andere der weit auseinanderstehenden Fichten gerannt wären. Danach machten wir etwas langsamer, immerhin würde es uns nichts bringen, uns den Hals zu brechen. „Was machst du hier?“, zischte ich leise, aber aufgebracht, als ich etwas zu Atem und zur Besinnung gekommen war. „Ist das dein Ernst?!“, polterte Naruto zurück. „Ich hab dir grad das Leben gerettet!“ „Ich hatte nicht darum gebeten“, motzte ich, aber nur, weil der Trottel sich dadurch selbst in Gefahr gebracht hatte. „Also?“ Ein wenig verlegen murmelte er: „Hab mir Sorgen gemacht und bin euch gefolgt…“, womit er bestätigte, was ich schon vermutet hatte. „Ich wollte die Polizei rufen, aber zwischen den Bäumen gibt´s kein Netz und da… War etwas drastisch, aber mir ist nichts Besseres eingefallen…“ ´Etwas drastisch` war stark untertrieben für die Idee, mit voller Wucht ein Auto in eine Holzhütte zu rammen. Allerdings war ich im Moment dankbar für sein Stalking, denn jetzt, aufgeputscht vom Adrenalin, erschien mir der Gedanke des Todes nicht mehr erlösend. Ich wollte leben. Ich hatte das Recht, zu leben. Naruto wollte noch etwas sagen, doch ich bedeutete ihm, zu schweigen. Man hörte zwar nichts von einer Verfolgung, doch ich konnte mir nicht vorstellen, dass Itachi so leicht aufgeben würde. Er hatte nichts mehr zu verlieren und wir waren Zeugen seiner mörderischen Tendenzen. Entweder, er holte uns, oder er konnte gleich ins Gefängnis. Der Gedanke, dass Itachi, mit einem Messer bewaffnet, nur wenige Meter hinter uns sein könnte, machte mir das Atmen schwer. Mein ganzer Körper war gespannt wir eine Feder. Ich wollte rennen, mich verstecken, aber es wäre gefährlich, schneller zu laufen und außerdem lauter. „Wohin gehen wir?“, flüsterte Naruto nach einer Weile kaum hörbar. Absolute Finsternis und rasende Angst hatten mir jedes Zeitgefühl genommen. Wir konnten schon seit Stunden durch diesen Wald stolpern, oder erst seit fünf Minuten, ich konnte es nicht sagen. „Zum Rand des Grundstücks. Außerhalb des Waldes sehen wir was, und da müsste dein Handy wieder Empfang haben.“ Die Dunkelheit schien meine Worte schneller zu schlucken als normale Luft. Normalerweise hatte ich keine Angst vor der Nacht, immerhin versteckten sich darin meist keine Monster. Ganz anders heute, wo ich den Atem meines persönlichen Dämonen im Nacken zu spüren glaubte. Naruto ging es wohl ähnlich, so fest, wie er meine Hand umklammerte. Endlich erreichten wir den Rand des Grundstücks. Naruto wäre fast gegen den Zaun gerannt, doch er schaffte es auch so, bei seinen Kletterversuchen einen Riesenlärm zu veranstalten. Mit den Fingern in den Drahtmaschen spähte ich zurück in die Finsternis. Wenn Itachi das nicht gehört hatte, war er spontan ertaubt. „Beeil dich“, drängelte mein Mit-Flüchtling und ergriff meine Hand, um mich nach oben zu ziehen. Genau in dem Moment flammten im Wald Scheinwerfer auf. Vor Schreck wäre Naruto fast vom Zaun gekippt, und ich konnte ihn gerade noch am Kragen packen, obwohl natürlich auch mir das Herz bis zum Halse schlug. Polternd kam das sichtlich mitgenommene Auto meines Bruders durch die weit auseinanderstehenden Bäume auf uns zu. Er würde uns überfahren, daran gab es keinen Zweifel… „Spring!“, brüllte Naruto, und wie in Trance tat ich, was er sagte. Keuchend landeten wir auf dem Boden, ließen uns jedoch keine Zeit zum Ausruhen, sondern rannten weiter. Hier war das Unterholz dichter, und wir kamen langsamer voran. Schon hörten wir, wie der BMW gegen den Drahtzaun krachte. Dieser hielt zwar ächzend stand, würde einen zweiten oder dritten Angriff aber unmöglich überleben, immerhin war auch Naruto so auf das Grundstück gelangt. Doch ich wusste, dass es von hier aus nicht mehr weit zur Straße war und in einem unbegründeten Hoffnungsschimmer betete ich, dass Itachi uns auf offener Straße nicht überfahren würde. Dass es mitten in der Nacht keine Zeugen gäbe und er nichts mehr zu verlieren hatte, versuchte ich dabei zu verdrängen. Vor uns war gerade Licht zwischen den Bäumen zu sehen, als hinter uns ein lautes Krachen das unvermeidbare Reißen des Zaunes ankündigte. Durch das Gestrüpp kam der BMW ebenfalls langsamer voran, doch Naruto und mir gingen inzwischen die Kräfte aus. Mein Bein schmerzte wieder, und der Schwindel hatte sich, begleitet von Übelkeit, zurückgemeldet. Der Gedanke, sich einfach hier hinzulegen und zu sterben, gewann an Verführungskraft. Wenn ich Naruto losließ, könnte zumindest er sich retten, immerhin war er nicht verletzt… Doch kaum hatte ich seine Hand losgelassen, schnappte er mein Handgelenk und starrte mich aus glühenden Augen an. „Wag es nicht, irgendwas davon zu sagen, dass ich dich hierlassen soll“, bellte er, noch bevor ich den Mund aufmachen konnte. Und kaum das ich es mich versah, hatte er mich auf den Rücken genommen und stolperte mit mir als Last weiter durch das Gestrüpp, gut beleuchtet von den Scheinwerfern, die wieder auf uns gerichtet waren. „Lass mich runter“, knurrte ich, wagte es jedoch nicht, mich zu wehren, um ihn nicht in seiner Flucht zu verlangsamen. „Das ist doch verrückt.“ „Die ganze verdammte Situation ist verrückt, Sasuke, also halt einfach die Klappe.“ Das entbehrte nicht einer gewissen Logik und obwohl weder sein Ton noch seine Aussage mir gefielen, presste ich die Lippen aufeinander und sah über die Schulter zurück. Die Bäume standen jetzt so dicht, dass Itachi nicht mehr weiterkam und mir sank das Herz in die Hose, als ich seinen Schatten erkannte, der uns im Licht der Scheinwerfer durch das Gebüsch nacheilte. „Lass mich wenigstens selbst laufen“, verlangte ich, doch Naruto schien mich gar nicht zu hören. Der Waldrand kam immer näher und kurz darauf brachen wir durch die Bäume auf die Landstraße. Natürlich kam nicht gerade zufällig ein Auto vorbei und wir mussten weiter fliehen. Wir waren noch nicht weit gekommen, als hinter uns Itachi aus dem Wald polterte. Im Mondlicht glitzerte das Messer in seiner Hand wie Eis. Naruto, der sich den Hals verrenkte, um unseren Verfolger zu sehen, geriet ins Stolpern und fiel mitsamt mir auf den Bauch. Ich war sofort wieder auf den Beinen und zog an seinem Handgelenk – „Komm schon, du Riesentrottel!“ – aber die Verzögerung hatte gereicht. Ich hörte Itachis Schritte neben uns und drehte mich um, sodass ich über Naruto kniete und funkelte meinen Bruder an, der jetzt unverschämt lässig auf uns zuschlenderte, obwohl seine Brust sich vom schnellen Laufen rasch hob und senkte. „Es ist vorbei, Itachi“, sagte ich, selbst erstaunt davon, wie ruhig meine Stimme klang. „Alle haben gehört, wie du vorhin mit Naruto gestritten hast und wenn wir jetzt verschwinden, wissen sie, dass du es warst. Mach es nicht noch schlimmer.“ Mein Bruder blieb tatsächlich stehen und ein kaltes, höhnisches Lächeln huschte über sein Gesicht, als Naruto versuchte, mich am Arm hinter sich zu ziehen, was ich mit einem Schulterzucken verhinderte. Ich war keine Prinzessin, die er beschützen musste, und ich würde mich nicht verstecken, während er für mich starb. Denn dass meine Argumentation sinnlos war, sah ich in Itachis Augen; er hatte völlig den Verstand verloren. „Ich sage einfach, ihr seid miteinander durchgebrannt… Oder noch besser: Er war es. Ist ausgerastet, als du ihm einen Korb gegeben hast oder dergleichen…“ Gleichgültig über die Lüge zuckte er die Schultern, dann flackerte wieder blanker Hass über sein Gesicht. „Aber eigentlich ist es egal… Die Welt ist ein besserer Ort ohne dich… Du weißt es, Sasuke. Du weißt ganz genau, was für ein Abschaum du bist…“ „Halt dein dreckiges Maul!“, fauchte Naruto, der den Arm schützend um mich schlang, als er mich nicht hinter sich ziehen durfte. „Das einzig abscheuliche ist es, seiner Schwester so etwas einzureden!“ „Dass du Phantast die Wahrheit abscheulich findest, war mir klar… Du brauchst nicht wegzulaufen, das hat sowieso keinen Sinn“, fügte er hinzu, als Naruto mit mir im Arm langsam zurückwich. Ich legte die Hand auf Narutos Arm an meiner Brust, fieberhaft nach einem Ausweg suchend, doch mir wollte keiner einfallen. Mit meinem Bein wäre ich zu langsam, und mein bester Freund könnte mit mir auf dem Rücken ebenfalls nicht schnell genug laufen. Er hätte zwar entkommen können, doch das wollte er ja nicht, wie er bereits gesagt hatte. Und somit würde ich schuld sein an seinem Tod, genauso wie an dem meiner Mutter. Itachi hatte Recht, in meiner Gegenwart konnte nichts Gutes gedeihen, ich verdarb alles… Als hätte er meinen Gedanken gehört, presste Naruto mich fester an sich. Dann packte er meine Hand und rannte. Als würde es irgendetwas bringen, dachte ich, und mein Blick ruhte auf ihm zu meiner linken, wie er entschlossen dreinblickte, und auf die Bäume hinter ihm. Warum hatte ich ihn da reinziehen müssen? Ihn, das Beste in meinem Leben? Tränen ließen den Wald hinter ihm glitzern und ich blinzelte. Doch das Glitzern verschwand nicht und plötzlich realisierte ich, wo wir waren. Der See! Ohne groß nachzudenken, riss ich Narutos herum und sprang mit ihm den Hang hinunter, an dessen Fuß das Wasser plätscherte, in dem Naruto und ich vor Ewigkeiten geschwommen waren. Wir kugelten die Steigung hinab und mein Bein protestierte fast so empört wie der erschrockene Naruto. Ich ignorierte beide und rannte weiter, immer auf den Schimmer des Wassers zwischen den Stämmen zu. Die Bäume endeten abrupt am steilen Ufer, doch wir konnten nicht mehr bremsen und landeten platschend im See. Ich spürte die Ruderbewegungen von Naruto dicht neben mir und zog weiter durch die eisige Schwärze. Wenn wir Glück hatten, war Itachi so überrascht, dass er noch oben am Hang stand. Dann konnten wir uns ans gegenüberliegende Ufer retten, wo er uns unmöglich finden könnte. Dann wären wir sicher. Der Gedanke ließ Ruhe in mir ausströmen, warmen, heilsamen Seelenfrieden. Naruto war nicht mehr in Gefahr, würde nicht wegen mir sterben. Ich musste nicht mehr um sein Leben rennen – denn das war es doch, was ich getan hatte. Wegen meines besten Freundes – nein; wegen des Mannes, den ich liebte, war ich geflohen, nicht wegen mir, und ich hatte wegen ihm leben wollen. In diesem Bewusstsein machte es mir keine Angst, dass meine überlasteten Muskeln sich nur noch widerstrebend bewegen ließen. Die Kraft floss im selben Maße aus mir wie die Angst, und schon spürte ich, wie meine Kleider mich in die Tiefe des Sees zogen. Hoch über mir sah ich das silberne Glänzen des Mondes auf den Wellen und ruderte noch ein letztes, verzweifeltes Mal mit den Armen, dann gab ich auf. Mein Mund schnappte reflexartig nach Luft und stieß den letzten Sauerstoff in Form dicker, schimmernder Blasen zur Oberfläche. Zumindest war das letzte, was ich sah, wunderschön, dachte ich und gab der Schwärze nach, die an meinem Bewusstsein nagte… Naruto Die Kälte traf mich wie eine Wand. Ich japste, was ein Fehler war, denn so drang mir Wasser in den Mund und in Panik strampelte ich wild mit den Armen und Beinen. Es war wohl ein Glück, dass mein Herumgefuchtel nicht Sasuke traf, doch die konnte ich nirgends sehen, als ich prustend an die Oberfläche kam. Panisch drehte ich mich im Kreis, sah zum Ufer, doch dort war nichts. Wobei ´nichts` zu viel gesagt war; hoch oben am Hang, etwa dort, wo wir den Hang hinuntergestürzt waren, sah ich Lichter flackern und fragte mich panisch, ob Itachi umgedreht war und das Auto geholt hatte. Ich hatte keine Ahnung, was er damit hätte tun sollen, doch in meiner Panik glaubte ich für einen Moment, der Uchiha besäße bestimmt ein Amphibienfahrzeug. Die Idee verwarf ich allerdings sofort wieder, denn ich hatte nur einen Gedanken: Flucht. Ich musste Sasuke hier weg bringen… Aber dafür hätte ich Sasuke erst mal finden müssen. Wieder ruderte ich im Kreis, konnte sie aber immer noch nicht sehen, und inzwischen war sie fast eine Minute unter Wasser. Ich wusste, dass sie länger tauchen konnte als die meisten Menschen, doch warum sollte sie gerade jetzt Atemübungen machen? „Sasuke!“, rief ich laut, auch auf die Gefahr hin, ihren Bruder auf unsere Fährte zu locken und obwohl sie mich kaum hören konnte, wenn sie unter Wasser war. „Sasuke, wo bist du?!“ Dann sah ich Luftblasen aufsteigen und ich kümmerte mich nicht mehr um die wütende Stimme, die hinter mir: „Uzumaki!“, bellte, sondern tauchte ab. Wie oft hatte ich Sasuke wegen ihrer blassen Haut veralbert, und wie froh war ich jetzt darum? Sie leuchtete in der Tiefe wie ein Geist, die Hand nach oben ausgestreckt, obwohl ihre Augen geschlossen und sie offensichtlich ohnmächtig war. Panisch schwamm ich fast senkrecht nach unten, doch Sasuke war noch fast zwei Meter unter mir, als mir die Luft knapp wurde. Wie besessen strampelte ich mit den Beinen, nur um zu ihr zu gelangen. Ich würde jetzt nicht aufgeben, sie würde nicht ertrinken, nicht jetzt, wo sie frei sein konnte von ihrem Bruder, nicht jetzt, wo ich endlich wusste, wovor sie solche Angst hatte und sie beschützen konnte. Ich würde sie beschützen, und wenn es das letzte war, was ich tat. Als mir schwindelig wurde, realisierte ich, wie wahr diese Floskel – das letzte, was ich tat – gerade sein könnte, doch das war egal, denn da erwischte ich endlich ihre Hand. Meine Lungen rebellierten, als ich mit aller noch verbleibender Kraft nach oben paddelte, aber die Kälte raubte mir viel Kraft und unsere Kleider hatten sich mit Wasser vollgesogen. Gerade als ich glaubte, es nicht mehr an die Oberfläche zu schaffen, wurde diese von einer dunklen Gestalt zerrissen. Also hatte Itachi uns doch noch gefunden… Meine Abneigung gegen ihn gab mir neue Kräfte und ich schwamm in die andere Richtung, aber natürlich war ich mit Sasuke wesentlich langsamer, und schon hatte der andere mich an der Schulter gepackt und zog mich mit nach oben. Wir durchbrachen die Oberfläche, wo ich hustend Luft holte und Sasuke so schnell wie möglich zu mir nach oben zog. Sie rührte sich noch immer nicht, und Panik schnürte mir die Kehle zu. Doch dann erinnerte ich mich an ihren Bruder und riss mich von der Person los, die uns aus dem See gefischt hatte… Nur, dass es sich dabei nicht um Itachi handelte. Völlig verwirrt starrte ich in die zornigen Augen der Polizistin mit den langen weißen Haaren, die mich aus dem Verhörraum geholt hatte, als Sakura mich abholte. Sie ignorierte mein gestammeltes: „Was…?“, packte Sasuke am Arm und schwamm mit kräftigen Zügen in Richtung Ufer. Noch immer hustend, entkräftet und verständnislos folgte ich ihr und wurde von kräftigen Armen an Land gezogen, die mich in eine Wärmedecke wickelten. Der ganze Wald schien wie ein Bienenstock voller Beamter, und jetzt erkannte ich das Licht oben an der Böschung: Es gehörte zu einem Polizeiwagen. Ein Sanitäter wuselte um mich herum, bis er – sichtlich enttäuscht – feststellte, dass mir absolut nichts fehlte, außer der vom Husten krächzigen Stimme, mit der ich fragte: „Wo ist Sasuke?“ Sorge huschte über sein Gesicht und er nickte in Richtung einer freien Fläche, wo einige seiner Kollegen sich drängten. Ich wollte gerade aufstehen, als mein Helfer mir die Hand auf die Schulter legte und den Kopf schüttelte. „Lass sie ihre Arbeit machen. Du kannst nichts tun.“ „Aber…“, fing ich an, sah dann jedoch ein, dass ich nur im Weg stehen würde. Der kleine Trupp von Sanitätern hob eine Trage hoch und schleppte sie den Hügel hinauf. Dabei erhaschte ich einen Blick auf Sasukes fahles Gesicht. In der Dunkelheit konnte ich nicht erkennen, ob ihre Augen geöffnet waren, und dann wurde ich bereits ebenfalls zur Straße geleitet. Da meine beste Freundin schon im Krankenwagen davongefahren war, bugsierte man mich mitsamt der Notfalldecke in einen Polizeiwagen, wo ich erschöpft gegen das Fenster sank und in die Nacht starrte. Alles, was in den letzten Stunden passiert war, flackerte mir immer wieder vor Augen, doch ich war zu geschwächt, um Fragen zu stellen. Das wichtige war doch erst mal, dass Sasuke in Sicherheit war. Alles andere würde sich geben, dachte ich noch, bevor ich vor Erschöpfung einschlief. Epilog: Nachbeben ----------------- Von der Fahrt ins Hospital bekam ich nichts mit, doch weckte mich der Versuch einiger Arzthelfer, mich auf eine Trage zu verfrachten. Unter einiger Anstrengung schaffte ich es, sie davon zu überzeugen, dass ich selbst laufen konnte. Die Ärzte, die das überprüfen sollten, schienen fast ein wenig enttäuscht, dass ich Recht hatte. Auf meine Fragen über Sasuke reagierten sie jedoch einhellig mit besorgten Blicken und Schweigen. Daraufhin versuchte ich, aus den Krankenschwestern Details herauszubekommen, die ganz aufgeregt wirkten, da sie bei der Ankunft meiner besten Freundin einen Teil der Geschehnisse gehört hatten, aber sie konnten mir nur sagen, dass Sasuke am Leben war. „Ihrer Freundin geht es bestimmt bald besser“, beschwichtigte eine Arzthelferin sanft und ich machte mir nicht die Mühe, sie zu korrigieren, dafür war ich nach wie vor zu erschöpft. Nach einem halben Untersuchungs-Marathon wurde ich in ein Einzelzimmer gebracht, wo ich mich ausruhen sollte. Ich hatte jedoch das Gefühl, mich gerade erst ins Krankenhausbett gelegt zu haben, als bereits meine Großeltern ins Zimmer gestürmt kamen. Sobald Tsunade sicher war, dass es mir gut ging, schimpfte sie mich aus, wie ich so etwas Dummes hatte tun können, und jetzt, wo ich langsam zur Ruhe kam, wurde mir klar, wie Recht sie hatte. Nur durch ein Wunder war Sasuke nur so leicht verletzt worden. Sie hätte bei so vielen Gelegenheiten sterben können… Wie leblos sie ausgesehen hatte, als sie auf der Trage davon gebracht worden war… Und trotz allem wollte mir niemand sagen, was bei ihr los war. Meine Großeltern wollten bei mir bleiben, doch ich versicherte ihnen, dass alles in Ordnung war, sodass sie gegen drei Uhr wieder nach Hause gingen, völlig schockiert von allem, was ich ihnen erzählte. Ich dagegen versuchte so lange, mehr Informationen aus einer armen Schwester herauszukitzeln, bis diese mir Beruhigungsmittel verabreichte und ich gezwungenermaßen einschlief. Als ich daraufhin am nächsten Morgen aufwachte, fühlte ich mich tatsächlich klarer, und ich war der Dame dankbar. Die Erinnerung an die letzte Nacht schien so schrecklich, dass sie mir unwirklich vorkam. Hätte ich nicht im Krankenhaus gelegen, hätte ich das alles für einen Albtraum gehalten. Keine Schwester brachte mir Frühstück, sondern ein jüngerer Arzthelfer. Diesen fragte ich sofort: „Dürfte ich Sas… Ähm, Frau Uchiha sehen?“ Er runzelte die Stirn. „Ich weiß nicht… Essen Sie erst mal, ich werde nachfragen.“ Doch sobald er aus dem Zimmer war, stand ich auf und fragte im Eingangsbereich nach meiner besten Freundin. Inspiriert von der Schwester am letzten Abend erzählte ich der misstrauischen Empfangsdame, ich sei Sasukes Freund, damit sie mir deren Aufenthaltsort verriet. Zum Glück war sie nicht mehr auf der Intensivstation, das erleichterte mich enorm. Trotzdem erbleichte ich ein wenig, als ich sie später im Krankenhausbett sah. Ihre Haut wirkte gräulich und sie sah erschöpft aus, richtete sich aber auf, als sie mich sah. „Was machst du denn hier…?“, krächzte sie mit angestrengter Stimme. „Dir auch einen guten Morgen“, schoss ich zurück und setzte mich auf den Rand des Bettes, wo ich ihre Hand nahm. „Geht’s dir gut? Was ist gestern Nacht passiert? Weißt du, was sie mit Itachi gemacht haben? Ich hab alle gefragt, aber keiner wollte mir was sagen. Ich dachte schon…“ Mit einem leichten Druck ihrer Finger unterbrach Sasuke meinen Redeschwall. „Ich weiß nicht mehr als du, Naruto.“ „Heißt das, du bist gerade erst aufgewacht?“, fragte ich alarmiert, doch sie verdrehte nur die Augen. „Ich wäre fast ertrunken. Was hast du erwartet?“ Als sie das so nüchtern aussprach, zog meine Brust sich schmerzlich zusammen und bevor ich darüber nachdachte, hatte ich die Arme um sie geschlungen und presste sie fest an mich. „Ich dachte, ich hätte dich verloren, Sasuke. Diesmal endgültig. Ich dachte… Ich dachte…“ Überraschend zärtlich legte sie die Hand auf meinen Hinterkopf und ließ die Finger durch mein Haar gleiten. „Ist doch gut…“, murmelte sie mit belegter Stimme. So kalt, wie sie tat, ließ sie das Ganze nicht, und ich drückte sie eng an mich, um zu zeigen, dass ich für sie da war. Noch immer verstand ich nicht wirklich, was überhaupt passiert war, aber wichtig war nur, dass sie noch lebte. Es tat so gut, sie zu halten, und ich wollte sie am liebsten nie wieder loslassen. In dem Moment ging die Tür auf und wir lösten uns widerwillig voneinander. Einer der Polizisten, die ich bereits kannte, trat ein: Es war der brünette, langhaarige aus der Nacht meiner Verhaftung. Als er uns Hand in Hand sah, lächelte er nachsichtig. „Fräulein Uchiha, wie schön, Sie wach zu sehen. Wie geht es Ihnen?“ Als Sasuke nickte, wandte er sich mir zu und setzte eine strenge Miene auf. „Herr Uzumaki, hatte ich Ihnen nicht gesagt, Sie sollen sich aus Ärger raushalten? Das halbe Krankenhauspersonal ist in Aufruhr, weil Sie verschwunden sind!“ Ich grinste verlegen, was er mit einem Lächeln erwiderte, dann verließ er nochmal kurz das Zimmer, um den Krankenschwestern meinen Aufenthaltsort mitzuteilen. Es klang, als wäre das empörte Krankenhauspersonal erpicht darauf, mich zurück in mein Bett zu verfrachten, doch Hashirama überzeugte sie irgendwie davon, mich noch eine Weile bleiben zu lassen, bevor er zu uns zurückkehrte. „Nun, da Sie beide wieder bei sich zu sein scheinen, würde ich gerne rekonstruieren, was gestern passiert ist“, erklärte der Polizist, der zwischen uns hin und her sah. Sofort verspannte Sasuke sich und wandte den Blick ab. Ich drückte aufmunternd ihre Hand und nickte ihr zu, als sie mich ansah. Sie nickte ebenfalls, holte tief Luft und begann zu erzählen, wie ihr Bruder sie geschlagen hatte, nachdem er sich mit mir gestritten hatte. „Das war nicht das erste Mal, nehme ich an?“, unterbrach Hashirama vorsichtig. Als sie mit gesenktem Blick nickte, fing ich an: „Warum hast du mir nicht…?“, doch der Polizist bedeutete mir zu schweigen, sodass meine beste Freundin fortfahren konnte. „Es… Es war schlimmer geworden in letzter Zeit“, sagte sie tonlos. „Ich glaube, er hat angefangen zu trinken, nachdem er sich mit unserem Vater in die Haare bekommen hatte. Als er dann wegen der Schlägerei verhört wurde, hat es endgültig bei ihm ausgesetzt. Er hat die Kontrolle über die Situation verloren, und das mit Gewalt kompensiert.“ Sasukes Hand zuckte zu ihrer geschwollenen Wange, und nach wie vor schaffte sie es nicht, einen von uns anzusehen. „Nach dem Streit mit Naruto hat er mich zu dem Waldhaus gebracht…“ „Was war das eigentlich für ein Grundstück?“, warf ich ein, bevor Hashirama mich unterbrechen konnte. „Eigentlich sollte dort ein Forschungszentrum entstehen, aber mein… Fugaku hat die Baugenehmigung nicht bekommen. Ich weiß nicht, warum er es danach nie verkauft hat“, erklärte Sasuke. „Und Sie?“, erkundigte sich der Polizist jetzt an mich gewandt. „Was hatten Sie dort zu suchen?“ Ich wurde ein wenig rot. „Wenn ich ihnen nicht gefolgt wäre, wäre Sasuke jetzt tot! Ihr Bruder wollte sie mit einem Messer in dieser komischen Waldhütte erstechen, ich hab´s genau gesehen!“, erklärte ich, beinahe ohne Luft zu holen. Erst dann bemerkte ich Hashiramas nachsichtiges Lächeln. „Wir haben Herrn Uchiha bereits gefasst, sorgen Sie sich nicht. Er ist inzwischen in Untersuchungshaft.“ Erneut fing mein Herz an zu rasen, als ich realisierte, wie knapp das alles gewesen war. Wären die Polizisten nicht da gewesen, wären wir beide im See ertrunken… Aber wieso waren sie überhaupt da gewesen? Als hätte er mir die Frage an der Nasenspitze abgelesen, erklärte Hashirama: „Nun, ich muss zugeben, dass wir ursprünglich Ihretwegen dort waren.“ „Was?“, fragte ich empört. „Wieso?“ „Nun, Sie haben sich vor kurzem mit jemandem geprügelt. Einigen von uns schien die ganze Situation verdächtig, und wir wollten Sie im Auge behalten.“ „Oh.“ Ich fuhr mir durchs Haar und warf Sasuke einen peinlich berührten Seitenblick zu. Diese schien jedoch kaum zuzuhören und ich vermutete, dass sie verdauen musste, dass ihr Bruder gefasst worden war und sie nie wieder belästigen würde. Außerdem sah sie noch immer sehr erschöpft aus, sodass ich nur ihre Hand drückte und mich wieder dem Polizisten zuwandte. „Ich schätze, ich sollte Ihnen dankbar für Ihre Kontrolle sein.“ Hashirama lachte ein wenig schuldbewusst. „Vor allem Kaguya-sama. Sie hat Sie beobachtet und ist Ihnen nachgefahren, als Sie die Uchiha verfolgten. Dabei hat sie einen Einsatz einberufen. Allerdings war sie ziemlich perplex, als Sie diesen Zaun umgefahren haben.“ „Ich wusste nicht, was ich machen sollte!“, rief ich aufgebracht. „Dieser Irre war da mit seinem Messer, und ich hatte keinerlei Waffe und mein Handy ging nicht, um die Polizei zu rufen… Und bis Sie eingetroffen wären, wäre es sowieso zu spät gewesen!“ „Ist schon gut, das war wirklich ein Notfall“, beschwichtigte der Beamte, bevor er wieder ernst wurde. „Jedenfalls waren Sie beide wohl schon auf der Flucht, als die Verstärkung eingetroffen ist. Kaguya ist Ihnen gefolgt, aber als sie aus dem Wald kam, waren Sie und Frau Uchiha schon verschwunden und nur noch Herr Uchiha stand auf der Straße. Er wollte Ihnen folgen, aber Kaguya konnte ihn überwältigen und dann ist der Rest von uns aufgetaucht. Wir dachten eigentlich, dass Sie ans andere Ufer kommen würden – dort haben die meisten Kollegen auf Sie gewartet. Aber Kaguya hatte so ein Gefühl und wollte direkt zum Wasser... Ich glaube, sie wollte Sie im Auge behalten – es hat irgendwie den Anschein, als würden Sie beide sie an ihre Söhne erinnern, obwohl sie das natürlich bestreitet… Aber es war Ihr Glück, wie sich herausgestellt hat“, beendete er seinen Bericht mit gerunzelter Stirn. „Sagen Sie ihr danke von uns.“ „Oh, das können Sie selbst tun. Sie werden noch offiziell über den Tathergang befragt – ich wollte Sie nur vorab informieren, was überhaupt passiert ist… Und ich nehme an, Sie wollen Anzeige erstatten.“ Dabei sah er Sasuke an, die kalkweiß war und mit der freien Hand das Bettlacken umklammerte. Ich wollte fragen, was los war – immerhin war sie endlich frei! – schluckte meine Neugierde aber herunter. Sie hatte schon wirklich viel erzählt und sie war erschöpft. Wir würden uns an einem anderen Tag weiter unterhalten und vielleicht würde sie mir irgendwann alles erzählen wollen, was wirklich zwischen ihr und Itachi vorgefallen war. Denn ich hatte den starken Verdacht, dass ich noch lange nicht alles wusste, was im Hause Uchiha so vor sich gegangen war. Hashirama erhob sich und sah uns mitfühlend an. „Ich denke, ich habe Sie vorerst genug belastet. Wir sprechen erneut miteinander, wenn Sie sich ein wenig erholt haben.“ Damit verabschiedete er sich und verließ das Zimmer. Während wir das Erfahrene verdauten, herrschte Stille im Krankenzimmer, dann war es überraschend Sasuke, die das Wort ergriff: „Die Schwester haben erzählt, du hättest mich aus dem See gefischt…“ „Na ja, ich hab´s versucht, aber dein Mantel ist ganz schön schwer… Im Sommer kaufen wir dir lieber einen anderen Bikini!“, grinste ich, mich verlegen am Kopf kratzend, doch sie sah ernst aus. „Das war gefährlich und dumm. Wenn die Polizisten nicht da gewesen wären, wären wir beide ertrunken, obwohl sie… obwohl sie Itachi gefasst hatten. Das hätte niemandem etwas gebracht.“ Ich verzog das Gesicht. „Du kannst auch nie einfach nur ´Danke` sagen, oder?!“, beschwerte ich mich laut, doch bevor ich es mich versehen hatte, hatte sie sich aufgerichtet, die Arme um meinen Hals geschlungen und mich fest an sich gedrückt. Kurz war ich völlig verwirrt – das schaffte sie echt immer wieder – dann schloss ich die Augen und genoss die vertraute Berührung. Als sie sich löste, lächelte sie schwach und hauchte: „Danke, Naruto. Für alles.“ „Ich glaube nicht, dass das als Dankeschön reicht“, erwiderte ich schmunzelnd, doch bevor ich etwas anderes tun konnte, klopfte es erneut an der Tür und eine missbilligend aussehende Krankenschwester trat ein. „Sie haben noch weiteren Besuch, Frau Uchiha. Fühlen Sie sich bereit, ihn zu empfangen?“ „Wer ist es?“, fragte Sasuke und richtete sich auf. Die Arzthelferin schob die Tür auf und dahinter tauchte ein Mann mittleren Alters mit dunkelbraunem Haar, kantigem Gesicht und grimmigen Augen auf, den ich noch nie gesehen hatte. Er trug einen Anzug und nickte der Dame, die ihn gebracht hatte, höflich zu, dann musterte er mich, meine Hand auf Sasukes Bein und schließlich sie. „Wie geht es dir?“, fragte er, recht barsch dafür, dass die Angesprochene in einem Krankenbett lag. Die Krankenschwester zog sich zurück. „Bestens.“ Verwirrt sah ich zu Sasuke, doch diese hatte ihren abweisenden, verwirrten Blick auf den Neuankömmling geheftet. Mich schien sie völlig vergessen zu haben. Erneut sah ich zwischen den beiden hin und her und langsam dämmerte mir, um wen es sich bei dem Mann handelte, der jetzt nähertrat. „Man hat mir erzählt, was passiert ist…“ Die Stimme von Sasukes Vater verlor sich und er schluckte. Kurz flackerte Entsetzen über seine Züge, doch dann kehrte der Ausdruck würdevoller Abscheu zurück. Allerdings hatte ich nicht das Gefühl, das dieser Widerwillen gegen Sasuke gerichtet war. „Es ist… Schwer zu glauben. Ich hatte keine Ahnung.“ „Ja.“ „Hören Sie mal, Sie können doch nicht behaupten, dass Sie nie irgendwelche blauen Flecke bemerkt haben, oder dass Sasuke Angst vor ihrem eigenen Bruder hat! Sie sind doch nicht blind!“, fuhr ich auf, doch bevor ich aufspringen konnte, nahm Sasuke meine Hand und hielt mich zurück. „Schon gut“, sagte sie leise, beschwichtigend. „Ich…“ Sie holte tief Luft und nickte sich selbst Mut zu. „Ich will mit ihm reden.“ „Bist du dir sicher?“, fragte ich, besorgt die Hand auf ihre Wange legend, die sich noch immer ganz kalt anfühlte. Sasuke legte ihre Finger auf meine und lächelte mich müde an. „Ja.“ Irgendwas in ihrem Gesichtsausdruck ließ mich nachgeben, doch ich warf Fugaku einen warnenden Blick zu, als ich aufstand. „Na gut… Aber wir reden noch, in Ordnung?“ „Ja.“ „Ehrlich. Über alles.“ Wir sahen uns an und sie rang merklich mit sich, nickte dann aber doch. „Ja.“ „Na gut, dann… Dann sehen wir uns später.“ Ich lächelte unsicher und ging. Auf meinem Weg nach draußen nickte Herr Uchiha mir steif zu, was wohl so etwas wie: ´Danke, dass du meine Tochter gerettet hast`, heißen sollte, und ich nickte zurück. Was immer in Zukunft kommen sollte, ich konnte mir nicht vorstellen, nochmal richtig warm mit Fugaku zu werden. An der Tür jedoch wagte ich einen kleinen Blick zurück und sah, wie der Vater sich auf einen Stuhl am Bett seiner Tochter setzte, und ein Hoffnungsschimmer flackerte in mir auf. Vielleicht könnten sie es schaffen, ihre Beziehung ein wenig zu kitten, jetzt, wo er die Wahrheit über das Monster kannte, das sein Sohn war. Allerdings machte ich mir keine Illusionen: Das hier war noch nicht vorbei, nicht für Fugaku oder mich und am wenigsten für Sasuke, obwohl diese sich gerade stark und hoffnungsvoll gab. Aber wenn sie das mal nicht mehr konnte, dachte ich, hatte sie immer noch mich. Egal, was kommen würde. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)