Den Ärger wert von RedRidingHoodie ================================================================================ Kapitel 13: Nicht reden ----------------------- „Hast du die Gerüchte gehört?“, fragte ich ganz aufgeregt, während Sasuke wie immer auf meinem Bett lag und las. Dieser Anblick war in den letzten Wochen normal geworden, und doch freute ich mich jedes Mal wieder. Ich genoss ihr Vertrauen, das an dem von mir ausgelösten Konflikt in ihrer Familie nur gewachsen zu sein schien. Sasuke hatte mir erzählt, wie sauer ihr Bruder gewesen war und dass ihr Vater eine Weile nicht mit ihr gesprochen hatte, doch schien sie das nicht mir zum Vorwurf zu machen. Ich machte es mir da nicht ganz so leicht. Penibel achtete ich darauf, dass sie sich abmeldete und pünktlich zu Hause war. Obwohl sie nämlich meiner Meinung nach für ihr Alter eh zu gehorsam war, wollte ich keinen Zwist in ihren sowieso schon angespannten familiären Verhältnissen säen. „Welche?“, fragte Sasuke, denn am Campus gab es immer viele Gerüchte und je nach Fakultät andere. Aber dieses war fächerübergreifend eine Sensation. „Von dem Professor, der wegen Drogenbesitz und –handel verhaftet wurde, natürlich. Alle reden davon!“ „So?“ Sie klang überaus unbeeindruckt von dieser spannenden Entwicklung, von der ich gerade an meinem Laptop gelesen hatte. „Boa, du bist so öde! Hier geht voll der Breaking Bad Scheiß ab und du liest…“ – ich spähte auf ihren Buchrücken und verzog missbilligend das Gesicht– „Ludwig XIV. Dabei könntest du den Professor wirklich kennen, ich glaube, der ist aus deinem Fachbereich. Orochimaru Mitsuki, sagt dir das was?“ „Nicht, dass ich wüsste“, erwiderte Sasuke und gab ihr Lesen auf, indem sie die vergilbten Seiten des alten Buches zuschlug. „Aber an der Uni sind so viele Leute unterwegs, dass man nicht mal ansatzweise alle kennen kann.“ „Schade. Wie cool das gewesen wäre, wie in so einem Mafia-Film“, schmollte ich und bog die Finger zu Pistolen, um auf Sasuke zu schießen. „Ja. Total cool.“ Sie klang sehr sarkastisch und verdrehte die Augen über meine Fingerfeuerwaffen. „Steht da nichts Wichtigeres?“ „Klatsch und Tratsch sind wichtig. Das hält bewiesenermaßen die Gesellschaft zusammen“, klugscheißerte ich, während ich aufstand und zu einem Schrank ging um etwas herauszunehmen. Das kleine Paket, welches ich daraus hervorholte, war schwarz und orange eingepackt („Es ist doch nicht Halloween!“, hatte Tsunade gemosert) und hatte sogar eine mit viel Mühe angebrachte Schleife. Sasuke sah es verblüfft an, als ich es ihr in die Hand drückte, und ich lächelte. „Frohe Weihnachten, Sasuke.“ „Ich… Kann das nicht annehmen“, stammelte sie und wollte mir das Geschenk zurückgeben, doch ich verschränkte die Hände hinter dem Rücken. „Ich habe nichts für dich.“ „Darum geht es doch auch nicht. Los, mach schon auf.“ „Es ist erst der dreiundzwanzigste…“ „Egal. Mach auf.“ Zögerlich tat Sasuke, was ich befahl und entfernte umsichtig das Papier. Man konnte es nochmal verwenden, so vorsichtig war sie, zog ich sie auf, doch dann studierte ich gespannt ihr Gesicht als sie das Geschenk sah. „Du bist ein Idiot“, verkündete sie während sie das Buch aufschlug und durchblätterte. Es war das gesammelte Werk ihrer besten Sprüche, angefangen bei: ´Bist du ein Grabscher?`, bis hin zu ´Ich weiß nicht, ob man so jemanden auf Kinder loslassen sollte` und noch neuere Errungenschaften, alles untermalt von den wenigen Fotos, die Sasuke mir zu machen erlaubt hatte. „Wieso Idiot? Ich hab voll Herzblut da reingesteckt!“, empörte ich mich lachend, und sogar Sasuke konnte sich das Grinsen nicht verkneifen während sie den Sammelband betrachtete. Ich setzte mich neben sie und kommentierte manche Bilder oder Sprüche und gemeinsam amüsierten wir uns köstlich über das Geschenk. „Das hast du aus Scrubs abgeschaut“, stellte Sasuke fest sobald wir fertig waren. „Das Buch, das JD Doktor Cox am Schluss schenkt.“ „Ich wusste, du würdest die Serie mögen“, rief ich triumphierend. Sie hatte nie viel ferngesehen und noch nie das Urgestein der Ärzteserien gesehen, was ich natürlich hatte ändern müssen. Während des Filmmarathons vor ein paar Wochen hatte Sasuke nicht viel gesagt, aber das ihr die Parallele auffiel sagte ja schon alles. „Hm… Jordan und Cox sind ok“, gab sie zu und ich lachte. „War ja klar.“ Ich legte den Arm um ihre Schulter, drückte sie kurz und wollte schon wieder loslassen, als sie nicht wie sonst zurückwich sondern sich leicht an mich lehnte. Austestend behielt ich den Arm, wo er war, und sie beschwerte sich weder, noch bekam sie Angst. Sie schlug nur das Buch wieder auf einer beliebigen Seite auf und kommentierte diese. Später, als ich sie im Auto meines Großvaters heimfuhr, dachte ich nochmal an diesen Moment und als wir in einer Seitenstraße neben ihrem Haus parkten, sah ich Sasuke nachdenklich an. Sie war eindeutig offener geworden, was Berührungen anging, ließ mich ab und zu kurz ihre Hand halten, sich umarmen oder dergleichen. Alles nichts Beeindruckendes, aber mir fiel der Unterschied zum Anfang unserer Freundschaft auf. „Was machst du übermorgen Abend?“, wollte ich wissen. „Es ist Weihnachten. Was werde ich wohl machen?“ Lachend verdrehte ich die Augen. „Ich meinte nach dem Familien-Spießroutenlauf. Ein paar Leute wollen feiern gehen und du hattest doch gesagt, du willst es mal ausprobieren.“ „Na schön“, seufzte sie, als müsse sie eine Darmspiegelung machen. „Wer kommt mit?“ „Die üblichen Verdächtigen, außer Neji. Der Spießer findet, das gehört sich an Weihnachten nicht, aber Hinata kommt ja auch.“ Ich verdrehte die Augen, doch mal wieder schien Sasuke die Meinung des verstockten Jura-Studenten zu teilen. Kein Wunder, das Tenten sich langsam Sorgen wegen der beiden machte. Sie waren sich wirklich ähnlich. „Isobu und Hatsune kommen wegen der Kleinen natürlich nicht mit, und Kyuubi ist auf Mallorca mit seiner Firma.“ Darüber schien Sasuke nicht sehr traurig. Am Anfang hatten meine beiden besten Freunde sich recht gut verstanden, bis vor ein paar Wochen irgendetwas zwischen ihnen vorgefallen war, von dem keiner der beiden mir erzählen wollte. Es war nicht so schlimm dass sie stritten oder sich anschwiegen, aber eine gewisse Anspannung war immer zu spüren, wenn sie sich sahen. Da ich Streit unter meinen Freunden nicht mochte, versuchte ich mal wieder zu intervenieren: „Und du willst mir nicht erzählen, was zwischen euch passiert ist?“ „Zum letzten Mal, Naruto. Es. Ist. Nichts. Passiert“, beharrte Sasuke gereizt, mit einem Blick, der deutlich machte, dass ich das Thema lieber auf sich beruhen lassen sollte. „Schon gut, schon gut“, seufzte ich geschlagen. „Wir sehen uns dann übermorgen. Schöne Weihnachten, Sasuke.“ „Hm…“, machte sie und sah mich dabei so intensiv an, dass mein Lächeln etwas verlegen wurde. Bevor ich aber etwas fragen konnte, beugte sie sich vor und küsste meine Wange. „Dir auch. Bis dann.“ Dann flüchtete sie mal wieder und ließ mich ziemlich verwirrt zurück. Klar, ein Bussi auf die Backe war normalerweise keine große Sache. Normalerweise. Denn ich wusste, dass Sasuke Leute so nicht mal begrüßte, weil sie ziemlich prüde war. Diesen Kuss jetzt als eine Art Weihnachtsgeschenk von ihr zu bekommen, war also durchaus die gute Laune wert, die ich auf dem Heimweg hatte. Am vierundzwanzigsten ging es bei uns – wie vermutlich in jeder Familie – hektisch zu. Mein Großvater hatte die schlechte Angewohnheit, das Geschenk für seine Frau erst am Tag der Bescherung zu kaufen, wofür er sich dann ´heimlich` aus dem Haus schlich. Tsunade und ich nutzten diese Zeit um das Abendessen vorzubereiten, was dieses Jahr dank einiger Kochstunden mit Sasuke besser ging als sonst. Am Nachmittag besuchten meine Großeltern dann Freunde. Früher war ich mitgekommen, aber seit ich mich ein Mal mit dem dargebotenen Glühwein betrunken hatte, war ich wohl nicht mehr erwünscht. War mir nur Recht, obwohl Tsunade mich seither mit dem Hausputz betraute während sie weg waren. So kam es, dass ich gerade staubsaugte, als mein Handy klingelte. Recht verwirrt von dem Anrufer hob ich ab. „Isobu?“ Seit der Geburt seines Sohnes und dem Umzug hatte ich nicht viel von Kyuubis ehemaligem Mitbewohner gehört. „Naruto, du musst mich retten, Alter!“, rief er ohne große Vorrede in den Hörer. Im Hintergrund waren Kinderstimmen zu hören. „Was ist passiert? Wo bist du?“, fragte ich sofort besorgt. „Hatsune ist total am Ausflippen. Sie wollte unbedingt Weihnachten bei uns feiern und alles Mögliche vorbereiten, aber jetzt ist es ihr zu viel mit dem Baby. Ich hab´s ihr ja gesagt… Jedenfalls will sie, dass ich Takeshi abhole, aber ich bin der einzige in der Arbeit und kann nicht weg. Kannst du ihn abholen?“ „Ah…“, machte ich mit einem besorgten Blick auf unseren Haushalt. „Bitte, Alter, sonst bringt Hatsune mich um. Oder noch schlimmer – sie kippt aus den Latschen.“ Man merkte Isobu nicht oft an, wie viel ihm seine Freundin bedeutete, aber gerade war es offensichtlich. „Ich hab schon ihren Schwestern Bescheid gesagt, aber die wohnen weiter weg und brauchen noch eine Weile, bis sie ihr helfen können. Bitte.“ Seufzend räumte ich den Staubsauber wieder weg, den ich gerade erst zur Hand genommen hatte. „Klar. Sag mir die Adresse deiner Arbeit.“ „Du bist ein Engel! Ein Weihnachtsengel!“ Ich rief unterwegs Tsunade an, die nicht erfreut schien, und dann Hatsune um zu fragen, ob ich noch etwas einkaufen sollte. Kurz darauf trat ich in die neue Wohnung ein, aber die junge Mutter, die offensichtlich übernächtigt war, drückte mir nur ihren Säugling in den Arm und schloss die Tür. Ich sah den kleinen Jungen in seinem Körbchen an, der über so viel Stress am Weihnachtstag nur missbilligend die Stirn runzelte. Grinsend packte ich ihn in das Auto meines Großvaters und fuhr zu der von Isobu angegebenen Adresse. Als ich dort war, war ich allerdings verwirrt, denn ich fand keinen mehrstöckigen Bürokomplex, sondern einen Kindergarten direkt neben einer Kirche. Ungläubig sah ich mich um, doch ich war in der richtigen Straße und dort, auf einer großen, selbstgebastelten Sonnenblume, stand die genannte Hausnummer. Nur zögerlich klingelte ich und trat ein, als das Surren verkündete, dass die Tür offen war. Der Eingangsbereich war von einer Garderobe geprägt, die so niedrig war, dass die Kleinsten bequem ihre Jacken an den mit Blumen und Spielzeug bemalten Haken drapieren konnten. Vom zentralen Raum zweigten sechs Türen ab, doch nur ein Zimmer war erleuchtet und belebt. Immer wieder liefen Kinder raus, denen ich zulächelte. „Kann ich Ihnen helfen?“, meldete sich jetzt eine junge Frau zu Wort, die mich wohl reingelassen hatte und skeptisch musterte. „Oh, ja, klar. Ich suche Isobu. Hab ein Päckchen für ihn“, erklärte ich und hob den Korb an, in dem sein Sohn schlief. Das Mädchen konnte nicht älter als sechzehn oder siebzehn sein. Sie hatte ihr strähniges Haar blau gefärbt, ein Piercing in die dünne Lippe gestochen und ging ganz in Schwarz vor mir her, als sie Isobu suchte. Wir fanden ihn umringt von einer Schar Kinder die malte, während er über seine Kaffeetasse hinweg immer wieder fragwürdige Komplimente machte: „Diese Farbkombination habe ich wirklich noch nie gesehen, Tim. Niemand hat kackbraun je so gut getroffen.“, „Deine Mama freut sich bestimmt über das fünfte Haus vom Nikolaus, Kaleesha“, „Sergej, dein Bild wird noch schöner, wenn du den Stift vorher nicht ableckst.“ Mit einer nonchalanten, fast desinteressierten Gelassenheit sorgte Isobu dafür, dass keines der Kinder sich vergiftete, erstickte oder dem Nachbarn den Stift klaute. Er wirkte völlig natürlich in dieser Umgebung, aber ich kam mir trotzdem vor wie im falschen Film. In unserem Freundeskreis war es eine Art Running Gag, Isobus Beruf erraten zu wollen. Wir waren schon auf fast alles gekommen, vom Artischockenbauern bis zum Zirkusdirektor, aber Kindergärtner hatte noch keiner vorgeschlagen. Es war schwer vorstellbar, dass dieser sarkastische Spitzbube einen guten Einfluss auf die Kinder haben sollte. Und doch schenkte ihm ein kleines Mädchen ein Bild und er strich ihr lächelnd durch die Haare, ehe er sich von seinem viel zu kleinen Stuhl hochkämpfte und zu mir kam. „Da bist du ja. Ich dachte schon, Hatsune hätte dich gefressen.“ „Ich war mir nicht sicher, ob ich hier richtig bin“, gestand ich mit einem fragenden Blick auf den Jungen, den Isobu Kekse holen schickte. „War schon klar, dass das keiner von euch glauben würde.“ Er lachte, dann befahl er der Sechzehnjährigen, mir Punsch zu bringen und gleichzeitig den Kekslieferanten zu beaufsichtigen. Sie zog mürrischen Gesichtes ab und Isobu erklärte: „Die Praktikantin. Ich kann sie nicht mit den kleinen Kröten alleine lassen. Du hast mir echt den Arsch gerettet.“ In der Zwischenzeit hatte er mir Takeshi abgenommen, der seelenruhig schlief. Die Praktikantin und der Kekslieferant brachten ihre Ware, ich bedankte mich und setzte mich auf einen der winzigen Stühle als Isobu es mir anbot. Diesem erklärte ich: „Ist doch selbstverständlich. Aber wieso wollte Hatsune das Fest selbst organisieren? Mit dem Baby und allem…“ Schulterzuckend schob er sich einen Keks in den Mund. „Frag mich, was diese Frau will, seit der Kleine da ist. Wir kommen kaum zum Schlafen und eine ruhige Minute hast du auch nie. Sie dachte wohl, das gehöre sich so als frischgebackene Familie. Ein perfektes, harmonisches Weihnachten.“ Ich sah die Sorge in seinen Augen als er auf Geheiß einiger Kinder aufstand um mit ihnen zu spielen. Ich folgte mit der Tasse in der Hand und war kurz darauf mit dem Bau eines Klötzchenhochhauses beschäftigt während ein Mädchen ständig Lob für ihre Bilder wollte und ein Junge sich meinen Schoß für ein Nickerchen ausgesucht hatte. Gutmütig ließ ich alles über mich ergehen, spielte Pferdchen, sobald der Schläfer erwacht war, und tat auch sonst alles, um die Kinder zu bespaßen. „Du bist ja die reinste Sensation“, bemerkte Isobu während die Kleinen nach und nach abgeholt wurden. Die meisten der Mädchen waren sichtlich enttäuscht, den Sohn ihres Kindergärtners zurücklassen zu müssen, in den sich sogar die mürrische Praktikantin ein wenig verliebt zu haben schien. „Wenn dir die großen Kiddies nicht mehr gefallen, bist du hier willkommen.“ Grinsend dachte ich daran, wie Sakura letztens gesagt hatte, ich sei selbst ein Kindskopf und käme deshalb so gut an bei der Jugend. Wahrscheinlich hatte sie Recht. „Ich weiß nicht. Sie sind zwar ganz niedlich, aber ich bevorzuge es, wenn sie schon alleine aufs Klo gehen können.“ „Machst du Witze? Das ist das Beste!“, empörte er sich. „Weißt du, wie viele geile Geschichten so entstehen?“ „Nein – du erzählst ja nie davon“, bemerkte ich, woraufhin er lachte. Wir waren gerade damit beschäftigt aufzuräumen während die Praktikantin schon vor zehn Minuten auf dem Klo verschwunden war. Entweder, sie hatte eine üble Verstopfung oder genug davon, in Legofiguren zu treten. „Ach komm, du kannst dir doch vorstellen, was für blöde Sprüche es die ganze Zeit regnen würde. Darauf kann ich verzichten. Außerdem ist euer kleines Ratespiel doch immer wieder lustig… Aber jetzt wohl vorbei.“ Ich sah ihn wegen des leicht geknickten Tonfalls fragend an. „Wieso? Du hast deine Gründe, es nicht zu sagen, das respektiere ich.“ Ein wenig verdutzt sah Isobu mich an ehe ein Lächeln seine Züge erhellte. „Du bist echt ein Freund, Mann.“ „Ist doch klar. Aber jetzt muss dieser Freund zum Enkelsohn werden und das Feld räumen“, erklärte ich nach einem Blick auf meine Uhr. „Ihr kommt hier klar?“ „Sicher. Sonst räumen wir ja auch ohne dich auf.“ Er brachte mich noch zur Tür nachdem ich der Praktikantin durch die Klotür schöne Weihnachten zugebrüllt hatte, dann wünschten wir uns dasselbe und trennten uns. „Kindergärtner…“, murmelte ich vor mich hin und lachte kopfschüttelnd, als ich ins Auto stieg. Es war nicht so, dass ich diesen Beruf lächerlich fand und gerade hatte ich gesehen, dass Isobu auf eine sehr unorthodoxe Weise dafür geeignet war, aber das hatte ich wirklich so gar nicht erwartet. Irgendwie dachte ich über die Geheimnisse nach, die wir so vor unseren Freunden haben, und erinnerte mich erst an den Spießroutenlauf, der mir jetzt bevorstand, als ich vor dem Haus meiner Großeltern parkte. Zur Bescherung kamen nämlich immer Tsunades Kinder und Enkel und obwohl ich sie Onkel, Tanten, Cousinen und Cousins nannte, machten sie keinen Hehl daraus, dass sie mich nicht leiden konnten. Ich wusste nicht mal wirklich, wieso, vermutete aber, dass es etwas mit Erbschaftsstreits zu tun hatte. Wenn dem so war, wäre das wirklich schade, denn ich hätte jeden Pfenning hergegeben für eine gute Beziehung zum Rest der Familie, der mir noch blieb. Mein Vater war ein Einzelkind gewesen, und die Geschwister meines Großvaters schon tot. Mit deren Kindern hatte Jiraiya, abgesehen von einem Neffen, nicht viel Kontakt und die Familie seiner ersten Frau wollte nichts mehr von meinem Großvater wissen, seit der mit Tsunade zusammen war. Und so blieben mir nur sauertöpfische Verwandte, die keine sein wollten. Der Abend war gewohnt anstrengend und ich war froh, als gegen Mitternacht alle Geschenke ausgepackt, alle Speisen verputzt und alle Gäste gegangen waren. Während des ersten, provisorischen Aufräumens witzelten meine Großeltern und ich, sodass ich trotzdem recht guter Laune war als ich zu Bett ging. Wie so oft wanderten meine Gedanken zu Sasuke und ich fragte mich, wie ihr Abend wohl gewesen war. Dachte ich an ihren Bruder, vermutlich noch schlimmer als meiner, und dann kam noch ihr Vater dazu, von dem sie zwar nicht viel sagte, ich insgesamt aber kein besonders gutes Bild hatte. Ich zögerte kurz – Sasuke mochte es nicht, belagert zu werden, und wir hatten uns am letzten Tag erst gesehen und waren für den nächsten verabredet – aber dann schrieb ich ihr. » Frohe Weihnachten! Wie war dein Abend? « Ich wartete eine Weile, doch es kam keine Antwort, woraus ich schloss, dass sie bereits schlief. Gerade war ich dabei, dasselbe zu tun, als mein Handy doch noch vibrierte. » Es ist nicht mehr Weihnachten. Und es war ok. « » Ok? :O « Wieder brauchte sie etwas um zu antworten. » Vater war gestresst « » Fuck… geht´s dir gut? « » Ja. « Ich biss mir auf die Unterlippe. Sie schrieb genauso wenig wie sie sprach, aber es war offensichtlich, dass etwas nicht stimmte. Kurzerhand rief ich sie an. Es dauerte, bis sie abhob, und sie klang nicht gerade freundlich. „Was?“ „Erzähl mir, was los ist.“ „Nichts. Und es ist mitten in der Nacht, ich geh schlafen.“ „Warte!“, rief ich und tatsächlich legte sie nicht auf. „Du musst mir ja nicht sagen, was los ist… Aber du weißt, dass ich dich aufmuntern kann. Ich hör doch schon dein schallendes Gelächter. Na? Na?“ Sie gab ein leises, amüsiertes Schnauben von sich, aber das genügte mir. „Du hättest Hofnarr werden sollen.“ „Am Hofe von Königin Sasuke, der Humorlosen. Wäre super“, stimmte ich zu und kuschelte mich bequemer in die Kissen. „Hey, weißt du, was ich heute herausgefunden habe?“ Ich erzählte ihr von Isobu, um sie abzulenken, und weil ich wusste, dass sie es nie weitererzählen würde. Sasuke war keine Tratschtante, hörte mir aber geduldig zu. Dann erzählte ich ihr von meiner Familie und wie sehr mich diese angespannte Situation belastete. „Manche wollen einfach nicht. Das musst du hinnehmen“, stellte Sasuke pragmatisch fest, was mir wenig half. „Aber ich will gar kein Geld. Wenn ich von dem Erbe meine Eltern zurückholen könnte, würde ich es sofort tun. Wenn ich von allem Geld von Jiaiya auch nur einen Tag mehr mit ihm oder Tsunade erkaufen könnte, würde ich es tun.“ „Ich weiß.“ Sasukes Stimme klang belegt, als sprächen wir von ihrer Familie, und ich vermutete, dass sie gerade überlegte, ob sie dasselbe über ihren Vater und ihren Bruder sagen könnte. Verdient hätten die beiden es jedenfalls nicht. „Aber du kannst die Leute nicht ändern.“ „Vermutlich nicht.“ Wir schwiegen eine Weile gedankenverloren, in der ich mich zur Seite drehte und feststellte, wie groß und leer mein Bett war. Mir kam ein Gedanke, und bevor ich mich zurückhalten konnte, hatten Wein und Müdigkeit ihn mir über die Zunge gespült. „Ich wünschte, du wärst jetzt hier.“ Diesmal war die Stille am Hörer angespannt. Ich wusste, dass ich das nicht hätte sagen sollen, aber ich war geknickt und nicht gerne alleine in dieser Stimmung. Außerdem war es schön gewesen, neben Sasuke zu schlafen. „Naruto…“, fing sie unbehaglich an. Ich seufzte. „Schon gut… Tut mir leid. Ich wollte dir nicht zu nahe treten. Vermutlich hat Kyuubi recht…“ „Womit?“, wollte sie scharf wissen. „Er meinte, wir verbringen zu viel Zeit miteinander, um nur Freunde zu sein. Du kennst mich ja, ich kleb mich sofort an jeden, und wenn dann was zurückkommt, überinterpretiere ich das… Tut mir leid.“ Wieder schwieg sie kurz. „Nein.“ „Huh?“, machte ich verwirrt. „Er hat nicht zu entscheiden, wie viel Zeit du mit welchem deiner Freunde verbringst. Vermutlich ist er eifersüchtig.“ „Eifersüchtig?“ Ich lachte ungläubig. „Aber ist nicht schwul, er tut nur ein bisschen so vor seinen Kollegen…“ „Man kann auch auf Freunde eifersüchtig sein“, unterbrach sie. „Stimmt schon…“, gab ich zweifelnd zu. Andererseits war Eifersucht nichts Schlimmes, solange man es nicht übertrieb, und Kyuubi hatte nie etwas Schlechtes über Sasuke gesagt, nur, dass ich mir Hoffnungen machte, wo es keine gab, und auf mich aufpassen sollte. Ich beschloss, darüber wann anders nachzudenken. „Das heißt also, du verbringst gerne so viel Zeit mit mir“, kam ich auf einen Teil des Gespräches zurück, der mich sowieso viel mehr interessierte. Es war, als würde ich ihr ein schreckliches Geheimnis entlocken, so sehr sträubte sie sich, es zuzugeben. „Es ist in Ordnung“, war alles, was ich ihr schließlich entlocken konnte, aber das genügte für ein breites Grinsen. Danach unterhielten wir uns über alles Mögliche; Studium, Freunde, Reisen, Bücher, Serien, Politik… Und als ich das nächste Mal auf die Uhr sah, weil ich merkte, wie mir die Augen zufielen, war es nach vier Uhr morgens. „Hey…“, murmelte ich, nachdem wir eine Weile geschwiegen hatten. „Hm?“ Sasuke klang so verschlafen, dass ich lächeln musste. „Wir sollten ins Bett gehen.“ „Bin ich schon.“ „Und schlafen“, explizierte ich lachend. „Es war echt schön, mit dir zu quatschen.“ „Mhm.“ „Ok, jetzt lege ich auf. Schlaf gut, Sasuke.“ „Schlaf gut, Naruto“, murmelte sie, legte aber nicht auf. Ich tat dasselbe, wie einer dieser bescheuerten Teenager wartete ich, dass sie das Gespräch beenden würde. Als sie es nicht tat, grinste ich. „Schlaf nicht ein, bevor du aufgelegt hast“, riet ich, dann tat ich es wirklich selbst. Wie lächerlich verknallt ich in dieses Mädchen war. Kyuubi hatte Recht, ich sollte mich zumindest ein wenig von ihr zurückziehen. Aber das wollte ich absolut nicht. Am nächsten Tag blieb ich so lange im Bett, bis Tsunade mich für den Nachmittagskaffee bei irgendeiner ältlichen Tante aufscheuchte. Ich wurde mit allem Gebäck gemästet, das sie im Haus finden konnte. Auf dem Heimweg piekte meine Oma mich in den Weihnachtsspeck und lachte über den ´moppeligen Sportlehrer` und wir kabbelten uns, bis wir zu Hause ankamen. Meinen Freunden waren die leicht zurückgegangenen Muskeln ebenfalls aufgefallen, und Tenten nannte es ein ´Beziehungsbäuchlein`. Sie war der Meinung, ich und Sasuke führten eben eine sexlose Beziehung, aber das war Quatsch. Sasuke wollte ja nicht mal was von meinen Gefühlen für sie hören, das war ihr unangenehm. Dass sie einfach verlegen sein könnte, bedachte ich nicht mal. Jedenfalls packte ich am Abend mein Bäuchlein in ein weißes Shirt mit buntem Aufdruck, meine Beine in Jeans und machte mich auf den Weg zur Bahn. Die anderen würde ich in der Stadt treffen, wobei diese anderen, abgesehen von Sasuke und Tenten (ohne Freund), aus Kiba, Hinata (gezwungener Maßen), Sakura, Ino, und Lee bestanden. Der Rest war entweder beschäftigt, wollte an Weihnachten nicht ausgehen oder war verreißt, aber es war trotzdem ein lustiges Trüppchen, das nach und nach am Bahnhof eintrudelte. Sakura, Ino und Tenten waren schon da und jammerten, noch nichts gegessen zu haben, also änderten wir den Treffpunkt zum nahegelegenen McDonalds. Während sie aßen, erzählten sie von ihren Feiertagen. Kurz darauf tauchte auch schon unser Pärchen mit Lee auf, und ganz zum Schluss, als ich schon mit einer Absage rechnete, auch noch Sasuke. Wir mussten ein gutes Stück durch den unterirdischen Bahnhof gehen, an dessen Wänden das Klackern der Absätze der Damen laut wiederhallte. Wieder an der Oberfläche, fanden wir uns in einem Viertel voller Bürogebäude wieder, doch dieser Eindruck wurde von einem großen Gelände unterbrochen, auf dem sich zahlreiche Clubs angesiedelt hatten. Darauf befanden sich neben Diskotheken auch Bars und zwei Stripclubs. Sonst war hier an Wochenenden immer die Hölle los, doch scheinbar fühlten sich aber viele junge Leute so besinnlich wie Neji, denn heute ging es ruhig zu. Der Laden, den wir ausgesucht hatten, lag ganz am Ende einer Straße und verkündete mit einem gigantischen ´Q` an der Wand seinen Namen. Durch einen höhlenartigen Eingangsbereich gelangten wir ohne anzustehen (die Damen sogar gratis) in den Vorraum des Clubs. Hier trieben sich dann doch einige Leute herum und an der Garderobe warteten wir kurz, ehe wir unsere Mäntel abgeben konnten. Eigentlich hatte der Q-Club zwei Räume, doch aus Mangel an Gästen war nur einer geöffnet. Das Zimmer war langgezogen und durch Plattformen, auf denen niedrige Sitzbänke standen, unterschiedlich hoch. Eine Treppe führte zu einer Galerie, auf der das DJ-Pult stand. Es gab zwei Bars, eine am Ende des Raums links, eine direkt am Eingang. Diese steuerten wir jetzt an. Auf dem Weg von der Garderobe hatten wir uns irgendwie nach Geschlechtern aufgeteilt und während ich so neben Kiba stand, musterte ich Sasuke, die zwischen meinen anderen Freundinnen in ihren bunten Kleidchen auffiel wie ein Rabe zwischen Paradiesvögeln. Sie trug schwarze Stiefletten, Lederjeans und ein weites, ebenfalls schwarzes Shirt, das ihr über eine Schulter hing, sodass man den Träger ihres Sport-BHs darunter sehen konnte. „Hey, du Gaffer, hörst du eigentlich zu?“, beschwerte Kiba sich lachend. „Ja, klar. Unverschämte Kunden, schlechte Bezahlung, bekloppter Boss, ich habe alles gehört.“ „Ich habe ´meine miesen Freunde` vergessen“, nörgelte er, was ich als Aufforderung sah, ihm ein Bier auszugeben. Wir stießen mit den Mädels an, die zu Cocktails gegriffen hatten, außer natürlich Sasuke, die eine Cola in der Hand hielt. „Oho, so viel Zucker. Nicht, dass du ganz überdreht wirst“, neckte ich sie, worüber sie nur die Augen verdrehte. „An dich käme ich nicht mal mit einer Tonne Zucker ran.“ „Trotzdem würde ich gerne sehen, wie du eine Tonne Zucker verdrückst“, lachte ich und sogar Sasuke schmunzelte, ehe sie mich in den Bauch zwickte. „Daran hast du dich in letzter Zeit geübt, hm?“ Schmollend schob ich ihre Hand weg. „Das war jetzt unter die Gürtellinie.“ „Ach komm.“ „Was denn?“, schaltete Sakura sich ins Gespräch ein und musterte mich eingehend, als ich es jammernd erklärte. Natürlich zog ich dabei den Bauch ein und spannte die Schultern machohaft an. Sakura schüttelte lachend den Kopf und knuffte mich sacht gegen die Schulter. „Du brauchst doch wirklich nicht zu meckern. Sobald die Plätzchen weg sind, ist auch dieses Bäuchlein verschwunden – Wie jedes Jahr.“ „Hörst du das?“, fragte ich Sasuke, indem ich den Arm um Sakura legte. „So hört es sich an, wenn man nett ist. Kennst du dieses Wort überhaupt?“ „Nein. Ich kenne nur ´ehrlich`“, gab sie zurück und wandte sich ab, um den Tanzenden zuzusehen. Die Tanzfläche war doch recht voll und der DJ gut, sodass alle lachend sogar zu Weihnachtsklassikern wie ´All I want for Christmas` abgingen. Unsere Gruppe belegte erstmal eine der Sitzecken, für die man sonst einen Mindestbestellwert hatte, und stieß auf schöne Weihnachten und einen guten Abend an. „Was hast du zu Weihnachten bekommen?“, wollte Sakura wissen, die zwischen Lee und mir saß und an ihrem Drink nippte. „Ein paar Bücher von meinen Tanten“ – Ratgeber für alleinlebende Männer und ein Kochbuch, also lauter dezente Hinweise, auszuziehen, aber das erzählte ich Sakura nicht – „Und einen I-Tunes Gutschein und Konzertkarten von meinen Großeltern.“ Mein Blick fiel auf Sasuke, die sich eine Geschichte von Kiba geduldig anhörte und ich musste unwillkürlich grinsen. „Sasuke hat von mir ein total geniales, selbstgemachtes Buch bekommen.“ „Aha… Was für Konzerttickets denn?“, wechselte Sakura gleich wieder das Thema. „Linkin Park, für den August. Ich freu mich schon total.“ „Kann ich mir vorstellen. Wen nimmst du mit?“ „Hab noch nicht darüber nachgedacht. Sasuke, vielleicht. Aber ich weiß nicht, ob ihr auf Konzerten nicht zu viel los ist.“ „Oh. Hm, das könnte bei ihr natürlich sein“, überlegte Sakura. Gerade stromerte eine andere Gruppe junger Leute heran und belegte die Sitzecke neben unserer. Ich beachtete sie wenig, doch ganz, wie Frauen das eben so tun, musterte meine Freundin die Fremden misstrauisch. Dabei runzelte sie die Stirn und fragte voller entsetzter Abscheu: „Was ist DAS denn?“ Jetzt blickte ich doch auf und musterte die zwei Frauen unter fünf Männern, die gerade mit Shots anstießen und sich lachend schüttelten, als der Schnaps ihre Kehlen hinabrann. Zuerst konnte ich außer ein paar Luftballons, die das Alter eines Geburtstagskindes (das rothaarige Mädchen war wohl 21 geworden) verkündeten, nichts ungebührliches erkennen. Aber das hatte Sakura nicht gemeint. Zwischen den Feiernden saß wie ein weiterer Gast eine aufblasbare Sexpuppe, die immer wieder für obszöne Selfies herhalten musste. Sakura schien das nicht lustig zu finden, doch ich lachte. Als das Geburtstagskind unsere Blicke bemerkte, grinste sie verlegen und ich prostete ihr zu. „Ich wette, das waren die Kerle“, kritisierte meine Freundin neben mir missgünstig. Ich verstand wirklich nicht, wieso so viele Frauen sich gegenseitig hassten. „Ihr Kleid ist viel zu kurz“, „Wie viel Make-Up trägt die denn bitte?“, „Hat sie eigentlich irgendeinen Typ aus dem Studiengang noch nicht gevögelt?“ Scheinbar war es nicht möglich, irgendetwas an anderen weiblichen Wesen unkommentiert zu lassen. Sasuke war nicht so, und plötzlich fand ich das extrem angenehm. „Ach komm, das ist doch nur ein Scherz“, besänftigte ich Sakura. „Schau mal, die Puppe hat sogar auch rote Haare!“ „Wenn ihr das bei mir machen würdet, wäre ich sauer.“ „Es wäre auch schwer, eine Gummipuppe mit rosanen Haaren zu finden“, lachte ich, und obwohl sie mich gegen den Arm knuffte, schmunzelte sie jetzt auch. ´Single Ladies` von Beyoné wurde gespielt, und keine Sekunde später war Tenten aufgesprungen, zerrte die Mädchen auf die Beine und hopste zu Sakura und mir. Etwas zu begeistert für eine vergebene Frau forderte sie meine Sitznachbarin auf und die fünf Damen zogen auf die Tanzfläche. Amüsiert sahen wir Männer zu, wie sich die weiblichen Tanzenden fast Synchron bewegten, während ihre männlichen Pendants etwas verunsichert herumstanden. Die Männer – und Sasuke, die steif zwischen meinen Freundinnen stand und sehnsüchtige Blicke in Richtung der Sitzflächen warf, auf der wir verblieben waren. Ich grinste sie an, als unsere Blicke sich begegneten und machte es mir demonstrativ bequem. „Ich weiß nicht, wie ich es finde, wenn meine Freundin zu ´Single Ladies` tanzt“, scherzte Kiba, der Hinatas schüchterne Bewegungen liebevoll beobachtete. „Sie wurde ja von Tenten gezwungen und hatte keine Chance.“ „Na ja, Ten darf das ja.“ Verwirrt sah ich ihn an. „Wieso?“ „Hat sie dir das gar nicht erzählt?“ Kiba zögerte, als ich den Kopf schüttelte, doch dann berichtete er: „Sie und Neji machen eine Pause.“ „Oh.“ Das fand ich schade, denn die beiden passten gut zusammen. Aber da konnte man wohl nichts machen. „Wir sollten zu den Damen auf die Tanzfläche!“, verkündete Lee, sobald die ersten fremden Männer sich ihnen näherten. Sakura tanzte bereits mit einem Typ im Anzug und Ino flirtete mit seinem Kumpel, während Sasuke den dritten ignorierte. Dieser kam schnell über den Korb hinweg und wandte sich an Tenten. Kiba pirschte sich von hinten an seine Freundin an, umfasste ihre Hüften und zog sie an sich, um ihren Nacken zu küssen. Wie ein erschrockener Hase sprang Hinata weg und stammelte: „I-Ich habe einen Freu… Oh… Oh, Kiba..:!“, beschwerte sie sich mit sanfter Empörung, als sie ihren Freund lachen sah. Dieser zog sie zu sich und diesmal schmiegte sie sich an seine Brust, obwohl ich sie erröten sah, als er die Hände auf ihren Hintern legte. Kurz sah ich den beiden beim Turteln zu, dann wandte ich mich stirnrunzelnd ab. Tenten kehrte gerade mit einem neuen Glas von der Bar zurück und plauderte mit Lee, wobei sie die Hüften bewegte, die in engen Jeans steckten. Unter dem rosanen, bauchfreien Top sah man ihr angedeutetes Sixpack, auf das sie sehr stolz war, aber leider sah ich in ihren Augen auch, wie unglücklich sie war. Ich hoffte sehr, das mit Neji und ihr würde sich wieder einrenken. Ich merkte, wie Sasuke von der Tanzfläche flüchten wollte, schnappte aber nach ihrer Hand und hielt sie zurück. „Ah, ah, ah, du hattest versprochen, mit mir zu feiern, nicht, in einer Ecke zu sitzen“, erinnerte ich sie, indem ich nach ihrer zweiten Hand griff und sie austestend zur Musik vor und zurück bewegte. Erschöpft seufzend entzog sie sich mir und verschränkte die Arme. „Ich hatte gesagt, ich würde kommen. Von tanzen war nicht die Rede.“ „Aber das macht man in einem Club eben“, belehrte ich sie und warf die Hände in die Luft, als irgendein Rapper das verlangte. Sasuke sah mir schmunzelnd beim Tanzen zu, wippte selbst allerdings nicht mal mit dem Fuß. „Dazu brauchst du mich offensichtlich nicht. Tu dir keinen Zwang an.“ Ich näherte mich ihr mit dem Hintern voran und wackelte damit vor ihr herum, obwohl sie zurückwich. Schließlich schubste sie mich mit leisem Lachen von sich und schüttelte den Kopf. „Idiot.“ „So charmant“, seufzte ich, doch gleichzeitig hielt ich Sasuke wieder die Hand hin. „Komm schon. Für mich.“ Zögernd löste sie die Arme, ohne jedoch meine Hand zu nehmen. „Ich kann nicht tanzen.“ „Glatt gelogen“, stellte ich fest und ergriff ihre Finger. Sie kam wieder näher, stand jedoch recht steif da, als ich zu tanzen begann. „Ich weiß, dass du Tanzkurse gemacht hast.“ „Standardtanz“, erklärte sie, als wäre das ein Hinderungsrund. Doch als ich anfing, Foxtrott zu führen, gab sie nach und folgte meiner Bewegung. Ein wenig überrascht sah sie mich an. „Du kannst das?“ Ich zuckte die Schultern. „Gehört in die Sportausbildung. Außerdem hatte ich drei Abschlussbälle, wenn du dich erinnerst; Haupt- und Realschule und Gymnasium, und für jede Schule ein Tanzkurs.“ Besonders gut war ich trotzdem nicht, und Sasuke war ziemlich steif. Wir lachten während wir überlegten, welcher Tanz zu welchem Lied passte und die meisten Leute sahen uns ziemlich schräg an, aber mir war das egal. Meine Freunde, die inzwischen alle einiges an Alkohol intus hatten, stichelten ein wenig, doch dann sah ich, wie Kiba von Hinata Tanzschritte beigebracht bekam und wie Lee Tenten aufforderte. Die beiden redeten schon den ganzen Abend, unterbrochen nur von den Besuchen meiner Kommilitonin an der Bar. Inzwischen war sie ziemlich betrunken und sie stolperte ab und zu und grinste mich viel zu breit an, als sie meinen besorgten Blick bemerkte. Kommentarlos tätschelte sie ihrem Tanzpartner die Schultern und ließ ihn stehen, um zu mir zu kommen. Sasuke löste sich von mir, sodass Tenten die Hand auf meine Brust legen und sich anlehnen konnte. „Naruto~ Hast du Spaß?!“, fragte sie lallend, während sie über mein Shirt strich. „Ja, klar. Du auch, wie ich sehe.“ Sie schlug mir gegen die Brust. „Jetzt spiel nich den Anstandswauwau. Ich darf ja wohl tun und trinken, was ich will. Du bist nicht mein Papa.“ Ich hatte das Gefühl, als sprächen wir nicht von mir, weshalb ich Sasuke einen fragenden Blick zuwarf. Die zuckte aber nur die Schultern und sah weg. „Ähm… Nö, bin ich nicht. Aber Lee ist nicht dein Freund… Und auch nicht dein Trostpflaster“, mahnte ich sanft. Tentens Augen weiteten sich, bevor sie feucht von Tränen wurden. „Das wollte ich gar nich“, jammerte sie plötzlich und schmiegte sich an mich. Lee beobachtete recht skeptisch, wie sie mein Shirt nass weinte. „Weiß ich doch“, beruhigte ich sie und sah erneut zu Sasuke, die ihre Arme verschränkt hatte und mindestens genauso unerfreut wirkte wie Lee. „Komm, ich besorg dir was zu trinken.“ „Tequila“, rief Tenten, plötzlich wieder fröhlich, und lief in Richtung Bar davon. „Wasser!“, korrigierte ich und zuckte die Schultern an Sasuke gewandt, ehe ich der Betrunkenen folgte. Meine Tanzpartnerin nutzte die Gelegenheit, um sich zur Sitzecke zurückzuziehen. Ich besorgte Tenten ein unalkoholisches Getränk für das der Barkeeper so lange brauchte, als hätte ich den exotischsten Cocktail bestellt. Leicht genervt bezahlte ich den Mann und bestellte gleich noch eine Cola als ich sah, wie zusammengesunken Tenten neben mir auf dem Barhocker kauerte. Das konnte ja heiter werden, dachte ich und legte zur Sicherheit die Hand auf ihren Rücken, nicht, dass sie noch vom Stuhl kippte. „Hi, ähm, darf ich mal?“, fragte eine Stimme neben mir und ich machte dem rothaarigen Geburtstagskind von vorhin Platz. Sie lächelte mit Lippen, die in demselben dunklen Bordeaux bemalt waren in dem sie auch ihr Haar gefärbt hatte. „Danke.“ „Kein Problem. Du hast Geburtstag, oder?“ Ich deutete auf das Plastikkrönchen auf ihrem Kopf, das sie grinsend zu Recht schob als sie nickte. „Alles Gute.“ „Danke.“ „Kriegst du immer so niveauvolle Geschenke?“, fragte ich, denn die Gummipuppe geisterte als Tanzpartnerin durch den Club, beliebter als jede Frau aus Fleisch und Blut. Das Geburtstagskind lachte und wollte ihren Cocktail bezahlen, aber ich übernahm das als Geschenk. Sie bedankte sich und antwortete: „Kann man so sagen. Letztes Jahr war es ein Vibrator.“ „Mit dem kannst du wenigstens was anfangen“, stellte ich amüsiert fest, denn der Puppe fehlte da ja die wichtigste Komponente. „Oh, mein letzter Freund war auch nicht abgeneigt.“ Ihre Augen glitzerten frech und sie legte die Hand auf meine.“ „Da bin ich sicher.“ Ich trat einen Schritt näher, doch da schlangen sich zwei Arme um meinen Hals und zogen mich so fest zurück, dass ich kurz keine Luft bekam. Der Barhocker, auf dem Tenten saß, schwankte gefährlich, als sie mich praktisch in ihren Schoß zog. „Nicht flirten, du Idiot. Sasuke wird ganz eifersüchtig“, lallte meine Kommilitonin vorwurfsvoll. Die Rothaarige folgte meinem Blick zu Sasuke, die auf der Couch saß und in ihr Handy stierte. "Deine Freundin?“, fragte sie, wobei sie nicht eifersüchtig wirkte. „Eine Freundin“, korrigierte ich und löste mich von Tenten, die ihre zweite Cola bereits geleert hatte. Ich wollte noch eine bestellen, aber sie jammerte, dass sie eine Zigarette wolle. „Ok… Kommst du mit?“, fragte ich das Geburtstagskind. „Nichtraucher“, sagte sie auf sich deutend, aber sie schien nicht verärgert als sie mir die Hand gab. „Hat mich gefreut…?“ „Naruto.“ „Leyla.“ Wir schüttelten uns die Hand, dann zog sie sich zu ihren Freunden zurück. Ich dagegen folgte Tenten durch den Eingangsbereich nach draußen, wo sie von ein paar Typen Zigaretten schnorrte. In Gedanken war ich eher bei Leyla. Sie war klein, schmal und hatte sich wohl vorgenommen, alle Klischees über Rothaarige zu erfüllen. Ich hatte schon ewig keinen Sex mehr gehabt und zog diesen in Beziehungen vor, aber die Kleine war echt scharf (auf mich) und kennenlernen konnte man sich anschließend ja immer noch. Das Problem war tatsächlich Sasuke. Inzwischen hatte ich zwar die Hoffnung aufgegeben, dass zwischen uns je etwas laufen würde, und ich sah sie als Freundin. Ich glaubte auch nicht wie Tenten, sie wäre eifersüchtig oder dergleichen, würde ich eine andere Frau mit nach Hause nehmen. Aber vor ihr mit einer anderen zu flirten wäre trotzdem ein komisches Gefühl. Ich war so sehr in Gedanken, dass ich erst merkte, dass Tenten sich übergab, als andere Gäste angeekelt von ihr zurückwichen. Zum Glück hatte sie einen Zopf geflochten, sodass nichts in ihren Haaren landete, trotzdem legte ich ihr besorgt die Hand auf die Schulter und stützte sie, als sie sich wieder aufrichtete. „Ach, Scheiße…“, murmelte sie, sich wankend an mich lehnend. „Du sagst es“, lachte ich und streichelte ihr mitfühlend über den Kopf. „Was ist denn los?“ „Neji ist ein Idiot… Und ich vermisse ihn trotzdem. Warum bin ich so blöd, Naruto?“ „Du bist nicht blöd.“ Ich führte sie zu einer Bank auf die sie sich fallen ließ. Während ich die besorgten Mails unserer Freunde beantwortete, die wissen wollten, wo wir waren, zündete Tenten ihre Zigarette an. „Willst du mir sagen, was passiert ist?“ „Er ist mit seinem Job und seinem Studium verheiratet, und immer, wenn ich mehr Zeit für uns will, blockt er ab“, erzählte sie bereitwillig und lehnte sich an meine Schulter, als ich mich neben sie setzte. „Letztens hab ich ihn gefragt, wie er sich das in Zukunft vorstellt, und er konnte nichts dazu sagen. Aber das ist mir zu wenig… Verlange ich zu viel?“, fragte sie verzweifelt. „Na ja… Als Anwalt wird er immer viel zu tun haben. Im Moment arbeitet er bei seinem Onkel, studiert, hat familiäre Pflichten und dich. Außerdem macht er Kendo und ist in der Studentenschaft tätig. Ich bin sicher, er tut sein Bestes, alles unter einen Hut zu bekommen, aber sein Tag hat halt auch nur 24 Stunden“, überlegte ich laut. Ich war kein Fan davon, leere Floskeln um mich zu werfen oder über andere zu lästern, wenn man mich um Hilfe bat. Das half niemanden und wenn man mit Außenstehenden sprach, bekam man manchmal vielleicht eine neue Perspektive auf das Problem. Tenten legte die Arme um sich selbst und den Kopf gegen die Wand hinter uns. Wir saßen in der Nähe des Eingangs zum Club, direkt vor dem großen ´Q`. Die Lichter im Raucherbereich, in dem einige Heizpilze für leidliche Wärme sorgten, waren so hell, dass man die Sterne über den Häusern nicht sehen konnte. „Er könnte aber ruhig ein paar mehr von diesen 24 Stunden für uns aufwenden“, mümmelte Tenten, noch immer unzufrieden, aber lang nicht mehr so aufgelöst wie eben. Ob es an der Zigarette oder meinen Worten lag, konnte ich nicht sagen. „Ich kenne ihn natürlich nicht so gut wie du, aber wenn er das könnte, würde er es glaube ich tun. Neji ist doch niemand, der eine Beziehung führt, nur um eine zu haben. Er wird sich gut überlegt haben, ob er mit dir zusammen sein will.“ Tenten verzog das Gesicht. „Sechs Monate hat er überlegt, ja.“ „Tja, dann würde ich sagen, dass er diese Beziehung auch wirklich will. Also musst du dich entscheiden, ob dir das so reicht oder nicht.“ Sie machte ein unwilliges Geräusch, sagte aber nichts, während sie fertig rauchte. „Ich will ihn sehen“, verkündete sie dann. Ich zog die Brauen hoch. „Sicher?“ „... Ja.“ Nach kurzem Zögern nahm sie ihr Handy und wählte ohne auch nur ein Mal zu Stocken die Nummer ihres Freundes, was bei ihrem Alkoholpegel schon beeindruckend war. Ich tat mein Bestes, das folgende Gespräch nicht anzuhören. Als Tenten fertig war, wirkte sie ein wenig nervös und zupfte an ihrem Top. „Er holt mich.“ Ich lächelte und nickte zum Haus. „Warten wir drinnen?“ Sie hakte sich bei mir unter und flüsterte auf dem Weg in den Club: „Danke…“ Inzwischen knutschte Ino mit ihrer Eroberung während Kiba Lee anfeuerte, der die sichtlich verlegene Hinata über die Tanzfläche wirbelte wie die Typen bei Beyblade ihre Kreisel. Amüsiert sah ich zu, solange Tenten sich an der Bar eine weitere Cola besorgte. Vermutlich wollte sie möglichst nüchtern sein, bis ihr strenger Freund sie abholte. Gemeinsam kehrten wir zurück zu unserer Sitzecke, in der nur noch Sakura und Sasuke saßen. Die jungen Frauen unterhielten sich (Beziehungsweise erzählte die Medizinstudentin, während die angehende Chemikerin zuhörte), verstummten aber, als wir uns näherten. „Was lästert ihr?“, fragte ich und setzte mich neben Sasuke. „Nichts.“ Sakuras Antwort kam zu schnell um glaubwürdig zu sein, aber ich grinste nur. Sie sah mich böse an und wandte sich lieber an Tenten. „Alles ok?“ „Jaa… Neji holt mich. Tschuldigung wegen dem Stress.“ „Kein Problem.“ Scheinbar hatte sich die Nachricht von der Auszeit der beiden schon herumgesprochen, denn Sakura sah Tenten skeptisch an, doch dann versuchte sie nur, die Freundin zum Bleiben zu überreden. Diese war jedoch überzeugt und stand eine Weile später auf, als ihr Taxiservice seine Ankunft mitteilte. „Ich bring dich raus“, beschloss ich und auch Sasuke erhob sich. „Frische Luft“, erklärte sie, als ich sie fragend ansah. Ich grinste. „Die findest du hier nicht. Wir sind in einem Industriegebiet, schon vergessen?“ Trotzdem kam sie mit und hielt mit uns nach Neji Ausschau, der kurze Zeit später am Torhäuschen vorbeikam, das den Lieferantenzugang bewachte. Der Mann darin sah nicht mal auf, als Tenten auf ihren Freund zulief, die Arme um seinen Hals warf und ihn dramatisch küsste. Der Jurastudent runzelte leicht die Stirn als er wieder frei war. „Du hast geraucht“, stellte er missbilligend fest, wobei er jedoch zuließ, dass seine Freundin seine Jacke aufknöpfte und die Arme darunter schob. „Aber nur eine! Sag´s ihm, Naruto“, befahl Tenten. Ihre Ausnüchterungsversuche hatten wohl nicht viel gebracht. Ich nickte zustimmend. „Sie war vorbildlich.“ Das sah Neji wohl nicht so, aber er legte den Arm um seine Lieblingsrebellin. „Ich verstehe. Danke, dass ihr sie rausgebracht habt. Euch weiterhin viel Spaß.“ „Euch auch“, grinste ich und sah zu, wie das Paar in Richtung der Parkplätze davon wankte. Tenten wollte ihren Freund ständig küssen, deshalb brauchten sie eine Ewigkeit, bis sie um die nächste Ecke waren. „Das war ja süß“, stellte ich auf dem Rückweg lachend fest. „Morgen wird ihr das eher peinlich sein“, erwiderte Sasuke gewohnt nüchtern. „Tja, selber schuld. Ich hoffe nur, die beiden können das miteinander klären.“ „Ich glaube, die zwei ´klären` heute noch so einiges“, meinte Sasuke und ich sah sie überrascht an. „Was hast du denn genommen?“, fragte ich, denn sonst machte sie nie versaute Witze. In der Hinsicht war sie ziemlich verklemmt, aber ihr schwarzer Humor wog das auf. Sie zuckte die Schultern und trat zurück in den inzwischen schon fast überfüllten Clubraum. Ich schlug die Richtung der Sitzecke ein, doch meine Begleitung hatte unsere Freunde auf der Tanzfläche entdeckt und ging zu ihnen. Verblüfft tanzte ich ihr hinterher und nickte den anderen zu als wir sie erreichten, doch meine Aufmerksamkeit lag eher auf Sasuke, die sogar ein wenig mit dem Fuß wippte, während sie sich von Sakura zuschwatzen ließ. Mir kam das Glas in den Sinn, das sie vorhin in der Hand gehalten hatte. War es vielleicht nicht nur mit Cola gefüllt gewesen? Denn Sasukes verschränkte Arme sahen zwar nicht gerade locker aus, aber für sie war das gelegentliche Lächeln und das Zucken ihres Fußes wohl das höchste Maß an Entspannung, das ich je gesehen hatte. Ich erklärte Lee, dass Neji Tenten abgeholt hatte. Der sagte zwar, wie gut eine Aussprache den beiden täte, aber ich vermutete, dass er doch enttäuscht war, was ich verstand, so, wie sie ihn angegraben hatte. Sakura nahm meine Hand und zog mich zu sich, um mit mir zu tanzen. Dabei schlang sie die Arme um meinen Hals und sagte: „Du bist echt der einzige Typ, mit dem man richtig tanzen kann!“ Ich grinste und ließ sie eine Drehung machen. Natürlich wusste ich das, denn meine Geschlechtsgenossen neigten zu ähnlich ekstatischen Tanzeinlagen wie Sasuke. Die meisten Mädels standen aber eher auf Selbstbewusstsein, und daran mangelte es mir nicht. Außerdem grabschte ich nicht einfach so an ihre Ärsche, was sicherlich an Tsunades strenger Erziehung lag. „Ich freue mich echt schon auf die Hütte“, rief Sakura mir ins Ohr. „Hm“, machte ich abgelenkt. Mein Blick lag auf Sasuke, die uns beobachtete, aber wie immer nicht erkennen ließ, was sie dachte. Meine Tanzpartnerin bemerkte natürlich meine Abgelenktheit und folgte meinem Blick, obwohl ich schnell wieder zu ihr sah. Sakura presste die Lippen aufeinander, dann schnappte sie sich Ino und verkündete, zur Toilette zu müssen. Kurz sah ich ihnen verwirrt nach, bis sie in der Menge verschwanden, dann ging ich zu Sasuke, die mich stirnrunzelnd ansah. „Schlau bist du wirklich nicht…“, bemerkte sie, schüttelte aber nur den Kopf als ich fragte, wie sie jetzt darauf kam. „Wenn du das nicht selbst merkst, kann man dir nicht helfen.“ Obwohl ich wusste, dass sie sowieso nichts sagen würde, drang ich noch weiter auf sie ein, wobei ich näher zu ihr trat und die Hand in ihre Taille legte. Sie schob sie nicht weg und brachte ihren Kopf nah an meinem, um über den Lärm hinweg mit mir reden zu können. Dabei bemerkte ich, dass ich Recht gehabt hatte; ihr Atem roch nach Alkohol. „Ich dachte, du trinkst nicht?“, kommentierte ich amüsiert. Sasuke trat wieder von mir weg und sah ein paar Mädchen zu, die sich halb tanzend, halb schupsend einen Weg zur Bar bahnten. Das Licht flackerte bunt über ihr Gesicht, als sie die Schultern zuckte. „Sonst erträgt man das hier nicht.“ Lachend kam ich ihr wieder näher, legte die Hände auf ihre Hüfte und bewegte diese sacht hin und her. „Eine andere Möglichkeit wäre tanzen.“ „Etwa so?“, fragte sie und deutete auf Sakura und Ino, die gerade zurückkehrten und Händchen haltend auf und ab hopsten. „Ein bisschen Hüftwackeln reicht schon“, beruhigte ich und machte es ihr vor. Ich war überrascht, dass sie sich tatsächlich meinen Bewegungen anpasste. Nachdem sie überhaupt nicht hatte herkommen wollen, hatte ich eher damit gerechnet, dass sie sich ebenfalls von Neji nach Hause bringen lassen würde, wo sich diese Gelegenheit geboten hatte. Aber stattdessen stand sie eng bei mir und ließ es zu, dass ich sanft die Hände über ihre nackten Arme gleiten ließ und mir diese um den Hals legte. Sogar in diesem stickigen Clubraum war Sasukes Haut kühl und sie war so blass, dass sie jede Farbe der Scheinwerfer anzunehmen schien. „So schlimm ist es hier doch gar nicht, oder?“, fragte ich dicht an ihrem Ohr, nur um etwas zu sagen. Bis dahin hatte sie auf meine Brust gestarrt oder in die Menge, aber jetzt hob sie den Blick und schüttelte langsam den Kopf. Ich schluckte leicht. Gott, ihre Augen hatten noch immer diese hypnotische Wirkung auf mich, und ich spürte ihren schmalen Körper so nah an meinem. Mir war schleierhaft, wie sie nicht wissen konnte, wie begehrenswert sie war – denn das tat sie nicht. Am liebsten hätte ich ihr gesagt, wie perfekt ihr Gesicht war, wie ihr Haar duftete, wie erotisch ihr zerbrechlicher Leib war, den ihr böses Mundwerk so herrlich kontrastierte… Doch bevor ich auch nur eine dieser Dummheiten von mir geben konnte, löste Sasuke den Blick von mir und beobachtete etwas hinter meinem Rücken. Als sie in diese Richtung nickte, sah ich ebenfalls hin und entdeckte Leyla mit den dunkelroten Haaren. Durch eben diese fuhr sie sich mit den Fingern und sah beiläufig zu mir. Als sie meinen Blick bemerkte, lächelte sie und drehte sich beim Tanzen etwas weiter in meine Richtung. „Sie ist extra hierhergekommen. Du solltest mit ihr tanzen“, riet Sasuke und nickte mir zu, als ich sie fragend ansah. Das verwirrte mich doch sehr. Gerade noch hatten wir so einen intensiven Moment, waren uns so nah gewesen, und dann schickte sie mich zu einer anderen Frau? Aber vielleicht hatte ich mir diesen Augenblick ja mal wieder bloß selbst eingebildet. Sasuke hatte schließlich mehr als ein Mal deutlich gemacht, kein romantisches Interesse an mir zu haben. Da war es nicht verwunderlich, wenn sie sich wie ein Freund verhielt und mich zu einer ´Eroberung` beglückwünschte. Also löste ich mich von ihr, grinste ihr noch mal zu und wandte mich an Leyla. Diese lächelte als ich sie begrüßte und hob ihren Cocktail, um anzustoßen, musste aber feststellen, dass ich kein Getränk hatte. Also reichte sie mir ihres und stellte sich auf die Zehenspitzen um zu sagen: „Du hast ja sowieso gezahlt!“ Ich lachte und legte die Hand in ihre Taille. „Das war ein Geschenk. Aber danke!“ „Hast du deine betrunkene Freundin sicher verstaut?“, fragte sie und zog meine Hand so, dass sie am Strohhalm ziehen konnte, während ich das Glas noch hielt. „Ihr Freund hat sie geholt.“ „Das ist ja süß… Und du bist auch süß, dich so um sie zu kümmern“, fügte sie hinzu und lächelte zu mir auf, wobei ihre braunen Augen glitzerten. Danach ging irgendwie alles ganz schnell. Wir teilten uns scherzend und flirtend ihren Drink und gingen zur Bar, um einen neuen zu holen. Dort kamen wir aber nie an, denn Leyla schlang mitten auf der Tanzfläche die Arme um meinen Hals und fing an, sich zu einem Lied zu bewegen. Ihre üppige Oberweite drückte sich an meine Brust als ich ihr die Hand auf die Hüften legte. „Du tanzt echt gut“, rief sie mir ins Ohr, dann drehte sie das Gesicht zur Seite und lächelte mich an. Ihr Blick forderte mich stumm auf, näher zu kommen und Sekunden später öffnete sie die vollen Lippen für meine Zunge. Vielleicht hatte ich Sasuke angelogen als ich sagte, man könne auch eine ´platonische Beziehung` führen, denn das hier fühlte sich verdammt gut an. Meine Hände wanderten über Leylas Körper, der sich sanft im Takt der Musik wiegte. Ihre Bewegungen zeigten deutlich, dass sie es nicht nur beim Tanzen belassen wollte. Von meinem Haar über meine Brust glitten ihre Finger immer weiter nach unten (in dem Moment wünschte ich mir mein Sixpack besonders zurück) und strichen spielerisch über den Bund meiner Jeans. Als ich sie enger an mich drückte, löste sie sich allerdings kichernd von mir und nahm meine beiden Hände. „Wir… wollten was trinken gehen, oder?“ Ich hatte keine Ahnung wie, aber Leyla schaffte es, diesen Satz anzüglich klingen zu lassen. Gemeinsam gingen wir zur Bar, wo ich uns Stamperl und ihr noch einen Cocktail kaufte. Sie setzte sich auf einen Barhocker und zog mich zwischen ihre Beine, wo sie mir dann den Ficken aus ihrem Glas trinken ließ. Ihren eigenen trank sie, ohne den Blick von mir abzuwenden, dann zog sie mich am Shirt zu sich und küsste mich wieder. Der Kirschsaft war noch in ihrem Mund und vermischte sich mit dem Geschmack ihrer Zunge, und als ich mich löste, war mir ein wenig schwindelig von beidem. Ich sah sie ein wenig sprachlos an, was Leyla kichern ließ. „Was denn?“ „Nichts… Du bist nur echt sexy“, gab ich zu und beugte mich vor, um sie wieder zu küssen, aber sie drehte das Gesicht weg, sodass meine Lippen stattdessen ihren Hals trafen, den ich spielerisch biss. „So?“, schnurrte sie, dann lag ihre Hand auf meinem Schritt und rieb sanft auf und ab. Das war jetzt doch direkter als ich erwartet hatte, und ich sah sie perplex an. Bevor ich jedoch etwas sagen konnte, tauchte Ino aus der Menge auf. Ihr Blick lag auf Leylas Hand, die gerade noch mein bestes Stück liebkost hatte und jetzt ganz unschuldig dasselbe mit meinem Arm tat. Allerdings sagte Ino nichts dazu, sondern wandte sich direkt an mich: „Hier bist du. Hast du Sasuke gesehen?“ „Vorhin war sie noch auf der Tanzfläche. Wieso?“, fragte ich, mehr als nur ein wenig abgelenkt. Ich wollte Leylas Hand wieder da, wo sie vor Inos Ankunft gelegen hatte. Das merkte man mir wohl auch an, denn meine Freundin schnaubte ungeduldig. „Na, weil sie verschwunden ist. Sie war mit Sakura, Hinata und Kiba an der Bar, dann wollte sie aufs Klo und seitdem hat sie keiner mehr gesehen.“ Langsam erkämpfte die Blondine sich doch meine Aufmerksamkeit. „Habt ihr sie angerufen?“ „Nein, Naruto, gut, dass du darauf gekommen bist“, fuhr Ino mich sarkastisch an und verdrehte die Augen. Sie kam mir übermäßig gereizt vor dafür, dass sie nicht sonderlich gut mit Sasuke befreundet war. Wäre Sakura verschwunden hätte ich es verstanden, aber Ino und meine beste Freundin hatten nur wenig miteinander zu tun. Jetzt war aber wohl nicht der richtige Moment, sie darauf anzusprechen. „Ok, ok. Sorry. Gehen wir sie suchen.“ Ich löste mich von Leyla, sah sie aber unschlüssig an. „Kommst du mit oder…?“ „Lass mal. Aber gib mir deine Nummer. Wir können ja mal zusammen weggehen oder so.“ Erneut klang sie nicht beleidigt, einfach so stehen gelassen zu werden, sondern versuchte, mit Ino zu plaudern während ich ihre Nummer speicherte. Die Blondine blockte die Konversationsversuche allerdings ab und beobachtete ungeduldig, wie ich Leyla nochmal küsste und versprach, sie anzurufen. Dann begab ich mich mit meiner Freundin zurück zu unserer Clique. Ino und Sakura wechselten seltsame Blicke, doch keiner sagte etwas, als wir uns auf die Suche nach Sasuke machten. „Ist noch irgendwas passiert, während ich weg war?“, fragte ich Hinata, die mich etwas unschlüssig ansah. „Na-Na ja, also… Sakura-san war nicht begeistert, dass du mit diesem Mädchen weg bist…“, gestand sie so leise, dass ich es unter der Musik fast nicht verstand. Erstaunt blinzelnd sah ich sie an. „Sakura-chan? Wieso das?“ „I-ich… Ähm…. Ich glaube, das solltest du sie lieber selber fragen… T-tut mir leid, Naruto-kun…“ „Oh… Nein, schon ok“, lächelte ich, obwohl ich verwirrt war. Was hatte es mit Sakura zu tun, mit wem ich tanzte? Aber jetzt war erst mal wichtiger, Sasuke zu finden, denn obwohl wir den ganzen Club durchsucht und sie mehrmals angerufen hatten, war sie nicht aufzutreiben. Die anderen erzählten, Sasuke habe mit ihnen zusammen an der Bar gestamperlt, sei aber selbst für ihre Verhältnisse schweigsam gewesen. „Sie hat noch mehr getrunken?“, fragte verblüfft, denn ich erinnerte mich noch sehr gut daran wie sie gesagt hatte, sie würde nie trinken. Das wurde ja immer besser; sie war nicht nur verschwunden, sondern wahrscheinlich auch noch betrunken. Ich sah schon vor mir, wie Itachi ausrastete und ihr Vater eine einstweilige Verfügung gegen mich erwirkte, weil ich seine kostbare Tochter verloren hatte. Wenn ich mir die Situation so ansah, wäre das vielleicht sogar besser für Sasuke. Nachdem wir den Clubraum durchsucht hatten, beschlossen Ino und Sakura, nochmal auf den Damentoiletten nachzusehen, und während ich mit Kiba und Hinata den Raucherbereich überprüfte, wollte Lee andere Partygäste nach unserem verlorenen Schaf befragen. Draußen war Sasuke auch nicht, und langsam verzweifelte ich. „Ich ruf sie jetzt noch ein Mal an und wenn sie dann nicht hingeht, benachrichtige ich die Polizei“, erklärte ich meinen Freunden, die sich besorgte Blicke zuwarfen, aber zustimmend nickten. Eigentlich hatte ich schon nicht mehr damit gerechnet, noch eine Antwort zu bekommen, aber endlich hob Sasuke ab. „Ja?“ „Sas! Mein Gott, endlich! Wo bist du? Was machst du? Wir suchen dich schon überall!“, rief ich erleichtert. Auch Hinata und Kiba fiel merklich ein Stein vom Herzen und sie kontaktierten den Rest unserer Clique, dass die Suche beendet war. „Tust du das?“, fragte Sasuke giftig. „Was meinst du? Natürlich suchen wir dich. Die anderen sagen, du wärst einfach verschwunden. Wo bist du?“, wiederholte ich meine Frage, aber sie hörte mich scheinbar nicht. „Die anderen“, äffte sie mich nach. Vielleicht bildete ich es mir nur ein, aber unter ihrem Spott klang sie verletzt. Ich verstand wirklich nicht, was heute mit den Frauen los war, und rieb mir den Nacken. „Sagst du mir jetzt, wo du bist?“ „Nein.“ Und damit legte sie auf. „Was zur Hölle?“, fluchte ich und wählte sofort wieder ihre Nummer. „Mach das nicht nochmal“, zischte ich stinksauer, als Sasuke abhob. Alle machten sich Sorgen um sie, und sie benahm sich wie ein störrisches Kleinkind! „Du hast mir nichts zu sagen“, murrte wie, wobei sie jedoch seltsam kleinlaut klang. Auflegen tat sie jedenfalls nicht mehr. „Was ist denn los?“, wollte ich wissen, da ich einsah, dass es keinen Sinn hatte, mit einer Betrunkenen zu streiten. Außerdem wollte ich das auch gar nicht. Ich wollte sie einfach nach Hause bringen und in Sicherheit wissen. „Ist diese Tussi noch bei dir?“ „Tussi?“, fragte ich verwirrt, bevor mir ein Licht aufging. „Leyla? Die Rothaarige?“ Kurz war es still (Ich vermutetet, dass Sasuke nickte), dann sagte sie leise: „Ja.“ „Nein, die ist weg. Wieso…? Ach, ist jetzt egal. Sag mir, wo du bist, dann hol ich dich.“ „Am Bahnhof.“ „Bist du schon in einer Bahn?“ „Nein.“ „Steig auch nicht ein, ok? Ich bring dich heim. Warte am Fahrkartenautomaten, ich bin in zehn Minuten da. Aber nicht einsteigen.“ „Ich will nicht heim, Naruto“, hauchte sie leise. Mir zog sich das Herz zusammen, als ich daran dachte, wie wütend ihr Bruder gewesen war, als sie zum ersten Mal bei mir übernachtet hatte. Ich sah wieder das Make-up auf ihrem Gesicht, als wir uns das nächste Mal gesehen hatten, und plötzlich fragte ich mich, was sie damit hatte verstecken wollen. ´Nur` ihre Angst vor Itachi oder noch mehr? „Du kannst bei mir schlafen. Warte einfach kurz, ich bin sofort bei dir.“ „Ok“, flüsterte sie so zaghaft, dass ich am liebsten gar nicht aufgelegt hätte. Dann tat ich es doch, um mich bei meinen Freunden zu verabschieden und ihnen die Situation zu erklären. Unser Pärchen wartete auf die anderen, doch ich lief direkt los, nachdem ich meine Jacke geholt hatte. Der Weg führte mich vorbei an anderen Clubs und an dem Torhäuschen, neben dem ich vorhin mit Tenten auf Neji gewartet hatte. Jetzt zog ich etwa auf derselben Höhe das Handy wieder aus der Hosentasche und rief doch Sasuke an. Ihre Stimme hatte mir Angst eingejagt, denn so kannte ich sie nicht. Sie klang schwach, und Sasuke war doch eine Kriegerin. Sie hatte mich auf einen schrecklichen Verdacht gebracht, und vielleicht zum ersten Mal in meinem Leben wollte ich nicht Recht haben. „Naruto?“ „Hey, ich hab mir Sorgen gemacht. Bist du noch am Bahnhof?“, fragte ich, während ich über eine nächtlich leere Straße lief. Sie schnaubte leise. „Ich habe dich vorhin gehört, Naruto…“ „Kann sein, aber du bist betrunken.“ Ich hörte das Rauschen eines Zuges in der Leitung und ein nahes Lachen, also war sie wirklich noch am Bahnhof. „Ich bin nicht betrunken.“ „Warum benimmst du dich dann so?“, fragte ich grinsend. Jetzt betrat ich selbst das Bahnhofsgelände. Dafür lief ich eine Treppe runter und einen langen, schmutzig-weiß gefliesten Flur entlang, von dem aus diverse Treppen zu den Bahnsteigen führten. Ein kurzer Orientierungsblick, dann fand ich Sasukes Gleis und ging nach oben. „Ich bin am Bahnhof. Wo bist du?“, wollte ich wissen, sah mich um und erblickte sie am Rand der Plattform. Viel zu nah am Rand. Sofort lief ich zu ihr, zog sie etwas zurück und musterte besorgt ihr Gesicht. Sie hatte keine Schminke getragen, aber ich sah, dass ihre Augen gerötet waren. „Du hast ja geweint“, stellte ich fest. Entsetzen fraß sich wie eine Säure durch meine Eingeweide, und ich umfasste Sasukes Wangen mit beiden Händen. „Was ist passiert? Hat dich jemand angefasst? Ich bring ihn um, ich schwöre dir…“ „Nein, alles ok“, unterbrach sie meine Hasstirade. „Bring mich einfach nur nach Hause.“ Und sie meinte nicht das Haus ihres Vaters. Ohne darüber nachzudenken, legte ich die Arme um sie und zog sie an mich. Ich spürte, wie sich ihre Muskeln verhärteten, aber sie löste sich nicht von mir. Für mich war das ein weiteres Zeichen dafür, wie schlecht es ihr ging, also drückte ich sie eng an mich. Zögernd hob sie die Hand und legte sie auf meinen Rücken, wo sie sich in meiner Jacke verkrallte. Natürlich machte ich mir Sorgen und wollte wissen, was passiert war, aber in dieser Stimmung würde ich kein Wort aus Sasuke herausbekommen, das wusste ich. Es war schon erstaunlich, dass sie sich in den Arm nehmen und trösten ließ. Sonst verabscheute sie es, Zuspruch zu brauchen; sie hielt das für eine Schwäche. Unsere Bahn fuhr ein und ich strich ihr nochmal durchs Haar, bevor ich mich von ihr löste um einzusteigen. Wir suchten uns einen Platz in der Zug Mitte, Sasuke am Fenster, ich am Gang. Während sie so in die Nacht starrte, überlegte ich, was sie derart aufgewühlt haben könnte. Ich war mir sicher, dass ihre Reaktion vom Alkohol verstärkt worden war, trotzdem konnte ich mir einfach nicht vorstellen, was die selbstsichere, beherrschte Sasuke so reagieren lassen sollte. Ich hatte sie erst ein Mal so gesehen, an dem Morgen, als sie bei mir übernachtet und ihr Bruder angerufen hatte. Ihr Blick traf meinen in der Spiegelung des Fensters und sie lehnte sich zurück, bis ihr Rücken an meiner Seite ruhte. Verblüfft von diesem freiwilligen Körperkontakt legte ich den Arm um ihre Schulter. „Hat dein Vater angerufen?“, versuchte ich erneut, herauszufinden, was passiert war. „Oder Itachi?“ Sasuke schüttelte den Kopf. „Ich will nur heim.“ Ich nickte, hin und her gerissen zwischen der Freude, dass sie mein Haus ihr zu Hause nannte, und der Tatsache, dass sie nichts von sich preisgab. Ich hatte gedacht, inzwischen wäre es besser geworden mit ihrer Geheimniskrämerei, aber wenn wirklich etwas nicht in Ordnung war, fraß sie es nach wie vor lieber in sich hinein. Über die Universität, ihre Arbeit, ihre Hobbys und dergleichen redete sie inzwischen recht bereitwillig, deshalb vergaß ich manchmal, wie wenig ich über die wichtigen Dinge im Leben meiner besten Freundin wusste. Die Hälfte dessen, was ich über ihre Familie wusste, hatte ich mir zusammengereimt, ihre persönlichen Wünsche hielt sie geheim. Ich vermutete sogar, dass sie sich dafür schämte, überhaupt Träume zu haben. Vielleicht war Sasukes Zurückhaltung auch normal und ich es nur nicht gewohnt. Die meisten Menschen fassten sehr schnell Vertrauen zu mir – Und bisher hatte ich noch keinen von ihnen enttäuscht. Das wollte ich auch Sasuke beweisen, aber sie gab mir ja nicht mal die Chance. Andererseits kam sie mit mir nach Hause, weil sie nicht zu ihrer Familie wollte, redete ich mir ein, als ich leise die Haustür aufsperrte. Das musste doch etwas heißen. Ich besorgte Wasser aus der Küche während Sasuke schon nach oben ging. Als ich in mein Zimmer kam war sie nicht zu sehen, aber die Balkontür war nur angelehnt. Draußen fand ich meinen Gast auf der Balustrade sitzend und auf die Straße runter blickend. „Ist dir nicht kalt?“, fragte ich, doch wieder schüttelte sie nur den Kopf. Plötzlich ärgerte mich dieses Schweigen und ich fasste sie an die Schultern, um sie zu mir zu drehen. „Verdammt, Sas, du musst mit mir reden. Du kannst dich nicht einfach hier vor deinen Problemen verstecken und erwarten, dass ich nicht nachfrage. Ich will dir doch nur helfen.“ „Wolltest du dieser… Diesem Mädchen auch ´nur helfen`?“, fragte sie giftig und schob meine Hände von sich. Ihr eigenen waren bereits eiskalt. Ich blinzelte verwirrt. „Mädchen? Ich…“ Als mir endlich aufging, wovon sie redete, stockte ich. „Leyla schon wieder? Was hast du ständig mit ihr?“ Sasuke presste die Lippen aufeinander und sah wieder weg. „Gott, manchmal treibst du mich in den Wahnsinn. Sie passt dir nicht? Ok. Hier ist ihre Nummer.“ Ich hatte mein Handy aus der Hosentasche gezogen und den neuesten Kontakt gesucht, um ihn Sasuke zu zeigen. Schweigend sah sie zu, wie ich die Daten entfernte. „Gelöscht – Zufrieden? Und jetzt tu mir den Gefallen und…“ „Du bist so ein Idiot“, murrte Sasuke. Ein Mal zu viel, denn mir reichte es jetzt. „Hör auf, das ständig zu sagen. Nur, weil du nie etwas von dir preisgibst und ich dich deshalb nicht verstehe, bin ich nicht dumm. Wie wäre es, wenn du stattdessen einfach mal sagst, was du willst?“, fragte ich giftig. „Dich“, blaffte Sasuke zurück, realisierte aber wohl noch im selben Moment, was sie gesagt hatte, und drehte das rote Gesicht weg. „Ich will nicht, dass du mit anderen Frauen flirtest. Ich will, dass du niemanden küsst. Ich will… Ich will dich“, endete sie leise, woraufhin ich sie nur verblüfft ansehen konnte. Damit hatte ich zuletzt gerechnet, immerhin hatte Sasuke doch mehr als deutlich gemacht, kein Interesse an mir zu haben. „Aber du… Wieso so plötzlich? Ich meine…“ „Idiot…“, wiederholte Sasuke leise, dann rutschte sie von der Balustrade und küsste mich einfach. In dem Moment war ich so perplex, dass ich gar nicht reagieren konnte, und schon löste sie sich wieder von mir, den Blick verlegen auf meine Brust gerichtet. „Du… Bist noch ziemlich betrunken, oder?“, fragte ich verdutzt. Sie sah zu mir auf, zuckte die Schultern. „Was würde das ändern?“ „Alles. Du willst das nicht wirklich…“ „Vielleicht bin ich nüchtern nur zu schüchtern?“, entgegnete sie kess. Ich schluckte, denn so falsch es wäre, auf Sasuke einzugehen, so verführerisch war es. Ich konnte mir nicht einreden, sie nicht zu wollen, nicht mal für eine Sekunde. Und, wurde mir ziemlich spät bewusst, sie war eifersüchtig auf Leyla gewesen. Das wäre ja wohl nicht der Fall, hätte sie nur platonische Gefühle für mich. Andererseits wäre es noch schlimmer, diese Empfindungen auszunutzen, obwohl sie nicht Herr ihrer Sinne war… „Seit wann zerdenkst du alles?“, fragte Sasuke bissig, nachdem es eine Weile in mir gearbeitet hatte. „Ich will nur nicht…“ „Naruto…“, unterbrach sie mich und legte die Arme um meinen Hals. „Können wir nicht einfach… Nicht reden?“ Erneut schluckte ich, bevor ich nickte. Wir sahen uns gegenseitig kurz an, beide nicht sicher, was jetzt kommen würde. Mein Herz schlug mir im Hals wie bei meinem ersten Kuss, aber irgendwie schämte ich mich nicht mal dafür. Immerhin… Immerhin war das hier Sasuke. Langsam beugte ich mich vor und küsste sie. Zuerst waren ihre Lippen so eisig wie die Luft um uns, aber sie wärmten schnell auf, genauso, wie sie sich schnell ans Küssen gewöhnte. Meine Hände lagen auf der Balustrade, und vorsichtig wagte ich, sie in Sasukes Taille zu legen. Sie zog sich nicht zurück, das war gut. Liebevoll streichelte ich sie mit dem Daumen, während ich austestend an ihrer Lippe saugte. Überrascht wich sie zurück, bis ihr Rücken an die Brüstung stieß. Sofort zog ich die Hände zurück und hob sie. „Sorry. Zu viel…?“, fragte ich verlegen. Sasuke strich sich eine Strähne aus den Augen. „Nein, ich… Ich war nur überrascht.“ „Du brauchst keine Angst vor mir zu haben, Sas.“ Sie wollte protestieren, verstummte aber, als ich ihr zärtlich über die Wange streichelte. „Ich würde nie etwas tun, das du nicht willst. Ich würde dir nie wehtun.“ Sie schluckte, sah kurz auf meine Brust, ehe sie nickte: „Ich weiß…“ „Warum hast du solche Angst?“, wollte ich wissen, doch sie schüttelte den Kopf und strich mir durchs Haar. „Nicht jetzt. Wollen wir nicht nicht reden?“, erwiderte Sasuke mit Augen, die aus ihrer Schwärze heraus zu leuchten schienen. Trotz aller Sorgen und Bedenken musste ich lachen, sowohl überrascht als auch beeindruckt von dieser Frau, diesem wandelnden Gegenpol zwischen Arroganz und Unsicherheit. Ich wollte etwas sagen, doch als ich die Hand auf Sasukes Wange legte, merkte ich, dass diese eiskalt war. „Wir gehen rein“, beschloss ich und hielt ihr auffordernd die Hand hin. Als sie zögerte, grinste ich schief. „Da können wir so viel ´nicht reden` wie du willst.“ Sie verdrehte die Augen, murmelte: „Idiot“, ergriff aber trotzdem meine Hand. Gemeinsam gingen wir in mein Zimmer, wo ich mich aufs Bett setzte und zu ihr aufsah. „Und jetzt?“, fragte sie leise, noch immer vor mir stehend. Ich küsste ihre Finger und legte sie mir auf die Wange. „Jetzt machen wir, was auch immer du willst.“ Sasuke sagte dazu natürlich nichts. Das überraschte mich nicht, sagte sie doch nie, was sie sich wünschte, sondern nur, was sie eben nicht wollte. Statt sich mit Worten aufzuhalten, ließ sie die Hand von meiner Wange nach vorne gleiten und berührte meine Lippen. Ich küsste ihren Daumen spielerisch. Wie hypnotisiert wanderte ihr Blick von meinen Lippen zu meinen Augen, wobei ihre Brust sich unter schwerem Atem rasch hob und senkte. „Sas…“, murmelte ich und griff nach ihrer Hüfte. Diesmal erschrak sie nicht, ließ sich widerstandslos auf meinen Schoß ziehen. Meine Hände glitten über ihre Hüften, ihre durch mein Haar, und dann fanden unsere Münder zueinander. Mir wurde die Luft knapp, aber ich wollte mehr, alles von ihr, denn ich fürchtete, im nächsten Moment aus diesem Traum aufzuwachen. Irgendwo wusste ich, dass sie betrunken war und ich das nicht hätte tun sollen, dass ich viel mehr Fragen hätte stellen sollen, aber mir fiel keine einzige ein. Alles, woran ich dachte, war die Tatsache, dass Sasuke Uchiha auf meinem Schoß saß und die Finger in mein Haar krallte wie an den letzten Grashalm, den sie zu fassen bekommen konnte. Als wir uns voneinander lösten, waren ihre Wangen gerötet und ihr Atem ging genauso flach wie meiner. „Wer hat dir alten Jungfrau beigebracht, sexy zu sein?“, fragte ich halb belustigt, halb beeindruckt. „Naturgegeben“, erwiderte sie arrogant, wofür ich sie an der Hüfte packte, mich mit ihr umdrehte und ihre Hände mit meinen auf der Matratze fixierte. „Die Angeberei ist dir naturgegeben“, grinste ich, wobei ich mich über sie beugte und spielerisch ihre Nase küsste. Sie krauste diese und zog leicht an ihren ´gefangenen` Händen, als ich mich von ihrer Wange zu ihrem Hals küsste. „Ich mag es, wenn du so prahlst“, gestand ich leise und küsste die Stelle unter ihrem Ohr. Sasuke erschauderte, also küsste ich sie dort nochmal. „Ich mag es, wenn du verlegen wirst.“ Zärtlich knabberte ich an ihrem Ohrläppchen, ehe ich ihre Wange küsste. „Du magst alles an mir.“ Grinsend setzte ich mich auf und tat, als müsste ich darüber nachdenken. Dann fiel mir tatsächlich etwas ein, das ich nicht mochte, und ich runzelte die Stirn. „Deine Geheimniskrämerei mag ich nicht.“ Unbehaglich sah sie zu ihren Händen, die ich noch immer hielt. Ich merkte, dass sie sich so festgepinnt unwohl fühlte, und ließ los. Noch immer kniete ich über ihrem Schoß, und als sie sich aufsetzte, ließ ich mich nach hinten fallen, sodass ich zwischen ihren und sie zwischen meinen Beinen saß. Austestend legte ich die Hände auf ihre Oberschenkel, was Sasuke nicht zu stören schien. Im Gegenteil, sie strich mir über den Arm hoch zur Schulter. „Das mit dem nicht reden ist nicht dein Ding, oder?“, fragte sie. Ich stockte, dann musste ich lachen. Stimmt, da hatten wir ja was ausgemacht… „Tut mir leid. Ich bin nur überrascht – Und glücklich. Du… Du machst mich wahnsinnig glücklich, Sas“, gestand ich und küsste sie wieder. Wenn sie das lieber tat als reden, sollte mir das Recht sein. Als sie sich an mich kuschelte, wusste ich nicht, ob ich vor Glück platzen oder sie fragen sollte, warum sie solche Angst vor Intimität hatte. Dass man nicht von Fremden berührt werden wollte, verstand ich ja. Ich hätte auch verstanden, würde sie Körperlichkeit ganz ablehnen. Aber offensichtlich wollte Sasuke ja Nähe, sonst hätte sie mich wohl kaum geküsst. Andererseits machte es ihr aber offensichtlich Angst. Und es fiel mir schwer, einen Grund für diesen Wiederspruch zu finden. Es sei denn, sie hätte schlechte Erfahrungen gemacht. Sie hatte angedeutet, ein paar Verehrer gehabt zu haben. Was, wenn einer davon sie verletzt hatte? Der Gedanke erfüllte mich mit Hass, und ich drückte Sasuke instinktiv enger an mich. Irgendwann ließ ich mich auf die Matratze zurücksinken und zog Sasuke mit mir. Dafür lösten wir zwar den Kuss, aber ihr Gesicht lag an meinem Hals und ich spürte ihren Atem auf meiner Haut. Entspannt ließ ich die Finger durch ihr Haar gleiten und schloss die Augen. Im Leben hätte ich nicht damit gerechnet, das hier zu erleben, so ein Urvertrauen von Sasuke. Ich fragte mich, ob sie wirklich Gefühle für mich hatte, wie ihre Eifersucht vermuten ließ, oder ob sie nur neugierig gewesen war. Doch ich kannte sie gut genug, nicht zu fragen, zumal sie sowieso gesagt hatte, sie wolle nicht reden. Ich hatte sie zwei Mal gefragt, und so sehr alles in mir wissen wollte, was Sasuke verheimlichte, so sehr wusste ich, dass es nichts bringen würde, weiter auf sie einzudringen. Sie würde nur abblocken und es stand mir auch nicht zu, sie derart zu bedrängen. Wenn sie bereit war, sich mir zu offenbaren, tat sie das, das hatte ich inzwischen gelernt. Alles andere war kontraproduktiv. In dem angenehmen Schweigen, das gerade herrschte, überdachte ich den verrückten Abend, der hinter uns lag. Feiern, Tenten, der Tanz mit Sasuke, Leyla, die Suche, der Kuss – alles wirbelte in meinen Gedanken durcheinander. Am Schluss verstand ich weder diesen Abend, noch die letzten Monate. Sasuke hätte mich jederzeit haben können, was sie gewusst hatte. Stattdessen war sie immer wieder auf Abstand gegangen und hatte die platonische Komponente unserer Beziehung betont, sogar, als unsere Freunde anfingen, mehr in uns zu sehen. Und dann wurde sie eifersüchtig, was mir für sie sehr uncharakteristisch vorkam, kannte ich Sasuke doch als jemanden, der sagte, wenn ihm etwas nicht passte. Andererseits sagte sie sonst nie, was sie wollte, doch heute hatte sie es ausgesprochen. Mich. Sie wollte mich. Mir wurde nicht zum ersten Mal bewusst, wie sehr sie sich in den Monaten unserer Bekanntschaft eigentlich verändert hatte. Von dem Mädchen, das keine Komplimente annehmen konnte und nicht mal ihren Namen sagen wollte, zu einer Frau, die sauer wurde, wenn eine andere ihren Mann küsste und die diesen verführte, um ihn für sich zu haben. Da dieses Verhalten für andere Frauen normal wäre, war mir nicht aufgefallen, wie emotional Sasuke sich heute Abend im Vergleich zu ihrem früheren Verhalten benommen hatte. Es mochte am Alkohol liegen, aber es war nicht das erste Mal, dass sie so reagierte, und es freute mich, sie ´menschlicher` zu erleben. Zugleich warf es jedoch Fragen auf, und so sehr ich mir sagte, lieber den Mund zu halten, so sehr drängten die Worte über meine Lippen. „Sas…?“, fragte ich leise, nicht sicher, ob sie noch wach war. Träge kitzelte ihr Haar meinen Hals, als sie sich rührte. Ich spürte, wie angespannt sie plötzlich dalag. Auch ihre Atmung wurde nicht wieder regelmäßig wie zuvor. Es war, als hätte ich sie aus einem schönen Traum geweckt, in den sie jetzt nicht zurückschlüpfen konnte. „Mhm…?“ Ich stockte, unsicher, was ich sagen sollte. „Das hier… Was hat das zu bedeuten? Du weißt, dass ich dich mag, und…“ „Ich weiß es nicht“, unterbrach Sasuke mich. Ich wusste nicht, an was sie gedacht hatte oder ob die Wirkung des Alkohols verflogen war, aber es war, als bestünden die wenigen Zentimeter zwischen uns aus einer Mauer, obwohl sie mir so nahe war wie nur möglich. Das war nicht, was ich hatte hören wollen, aber es war ehrlich. „Ok.“ Sie hörte meine Enttäuschung, seufzte und rollte sich von mir runter. Von mir abgewandt liegend sagte sie: „Das ist für mich genau so überraschend wie für dich… Ich wollte nicht… So etwas ist für mich… Schwierig. Ich muss… darüber nachdenken.“ „Wenn du jemanden zum Reden brauchst, ich bin für dich da… Unabhängig von allem anderen“, fügte ich leise hinzu. Ich hatte das Gefühl, Sasuke würde sich bereits wieder von mir entfernen, und griff nach ihr, um sie zu halten. Zwar ließ sie sich berühren, aber sie fühlte sich trotzdem fremd an, als sie leise: „Ich weiß“, sagte und sich an meine Brust lehnte. Ihre Stimme klang zärtlich, aber die Mauer blieb bestehen. Mehr kam nicht. Ich wusste, dass irgendetwas nicht mit ihr stimmte, aber nicht, was, und ich hatte weder die Möglichkeit, es herauszufinden, noch, ihr zu helfen. Hier lag ich also, mit Sasuke in meinen Armen, wie ich es mir von Anfang an gewünscht hatte, und trotzdem ließ sie mich nicht an sich heran. Nach all der Zeit, allem, was wir durchgemacht hatten, vertraute sie mir immer noch nicht. Sasuke Die letzte Nacht war eine Achterbahnfahrt gewesen. Das Hochgefühl, als ich auf der Tanzfläche in Narutos Augen gesehen hatte, wie sehr er mich wollte. Der Absturz, als ich so dumm, so unendlich dumm gewesen war, ihn fortzuschicken, zu diesem anderen Mädchen. Nie wieder würde ich so dumm sein und ihn abweisen, hatte ich mir geschworen, als seine Freunde mich mit Alkohol und Zuneigung wieder aufbauten. Gerade weit genug für den freien Fall, als ich sah, wie er sie küsste. Ich war noch nie zuvor eifersüchtig gewesen. Nicht, als sein rothaariger Freund zeigte, wie sehr er Naruto mochte, nicht als er eine halbe Stunde mit Sakura telefoniert hatte, obwohl ich in seinem Bett lag, nicht als er scherzhaft mit Hinata flirtete. Die ganze Zeit über war ich mir seiner Zuneigung hundertprozentig sicher gewesen, aber als ich seine Hände auf ihrem Körper sah, war es, als würde Säure mir durch die Eingeweide rinnen. Ich hasste dieses Gefühl, hasste den schmerzhaften Knoten in meinem Magen, hasste das Mädchen, hasste meine Ohnmächtige Wut, hasste mich am allermeisten, weil ich gedacht hatte, nur ´zusammen zu sein` würde reichen, aber das tat es nicht. Naruto brauchte das, was sie ihm gerade gab, und ich ertappte mich dabei, mich an ihren Platz zu wünschen. Das machte mir Angst, obwohl es nicht das erste Mal war, dass ich darüber nachdachte. Und so war ich weggelaufen. Das war so dumm und mädchenhaft, und alles nur wegen des blöden Alkohols… Ich schämte mich sogar jetzt, da ich in Narutos Bett lag und ihm beim Schlafen zusah, für diese kindische Aktion. Seine Freunde hatten mich mehrmals angerufen, aber erst, als ich seinen Namen auf dem Display meines Handys sah, hatte ich es über mich gebracht, abzuheben. Hätte ich ihn nur genauso ignoriert wie die anderen. Als ich mich aufsetzte, regte Naruto sich, doch er schlief weiter, sodass ich leise meine Kleidung einsammeln konnte. Beim Anblick von Narutos Shirt wurde ich rot und meine Kehle zog sich schmerzhaft zu. Ich hatte das freiwillig getan, diese ekelhaften Dinge, zu denen Itachi mich zwang, seit ich vierzehn war. Ich hatte es gewollt, und ein Teil von mir wollte auch jetzt noch zurück ins Bett klettern. Der weitaus größere Teil aber schämte sich in Grund und Boden und wollte einfach nur weg. Das Atmen fiel mir schwer, während ich einen Block unter einem Stapel von Narutos Büchern hervorzog, die er vermutlich noch nie aufgeschlagen hatte. Dann starrte ich das Blatt an. Wie sollte ich ihm die letzte Nacht erklären? Wie meine Flucht an diesem grauen Morgen? Ich hatte es ja schon in der letzten Nacht nicht geschafft, irgendetwas zu erklären, obwohl seine Hände so sanft über meine Haut gefahren waren… „Kannst du immer noch nicht reden?“ Ich zuckte zusammen, drehte mich nach Naruto um, der sich im Bett aufgerichtet hatte. Sein Haar stand noch wilder vom Kopf ab und das Blau seiner Augen wirkte dunkler als sonst. Müdigkeit oder Enttäuschung? Ich konnte es nicht sagen. Diese verfluchten Augen. Es war, als blickten sie einem direkt in die Seele, und doch verstand er nichts. Nicht, wie schwer es gewesen war, nicht an jemand anderen zu denken, während seine Lippen auf meinen lagen, seine liebevollen Berührungen nicht zu fürchten, nicht vor Ekel zu erschaudern, als ich ihn selbst anfasste. Bei dem Gedanken rebellierte mein Magen und ich verkrampfte die Hand, sodass das Papier darin zerknüllte. Langsam schüttelte ich den Kopf. Naruto verzog das Gesicht, als hätte ich ihn geschlagen. „Kannst du nicht wenigstens ´nein` sagen?“ Normalerweise war Naruto die Geduld in Person. Gott, er hatte über ein halbes Jahr auf die letzte Nacht gewartet. Dass es jetzt scheinbar vorbei war mit dieser Geduld, kam mir gerade Recht, denn es war einfach, beleidigt zu sein, viel einfacher, als alles zu erklären. Außerdem war es gerechtfertigt; er hatte kein Recht auf mich, egal, was passiert war. Diese Grenzen, die ich am letzten Abend überschritten hatte, hatten mich in einem Ödland zurückgelassen, und ich war verwirrt. Wie groß meine Angst wirklich war, wollte ich weder wissen noch zugeben. Ein Uchiha hatte keine Angst. Und ein Uchiha rechtfertigte sich nicht, also schüttelte ich erneut den Kopf und sammelte meine Sachen ein. „Du verstehst das nicht… Ich muss gehen.“ Naruto stand auf und fuhr sich durch das sowieso schon chaotische Haare. „Ich kapier´s wirklich nicht. Erst schickst du mich zu einer anderen Frau, dann küsst du mich, dann läufst du weg… Ich meine, weißt du überhaupt selbst, was du willst?“ Damit traf er den Nagel auf den Kopf und verärgerte mich nur noch mehr. „Wir waren beide betrunken und haben eine Dummheit begangen. Das ist alles. Ich hab dir gesagt, dass Alkohol nichts Gutes bringt.“ Obwohl er mich ansah, als wäre jedes meiner Worte ein Faustschlag, kam er näher und legte zögerlich die Hand auf meine Wange. Ich wünschte mir, nur die Wärme und Zärtlichkeit spüren zu können, die von Narutos Fingern ausging, aber Ekel und Angst schnürten mir die Brust zu und ich schlug seine Hand weg. „Was soll das?“, fuhr ich ihn an. „Ich sagte, das war ein Fehler, und du begrabscht mich einfach. Geht’s noch?“ Lange sah er mich nur an ohne zu antworten, wobei er so traurig aussah, dass ich meine harschen Worte bereute, doch anders kapierte er es ja nicht. „Du hast Recht. Das gestern war ein Fehler, und das wusste ich auch. Du warst betrunken, und ich… Es tut mir leid“, sagte Naruto schließlich aufrichtig. Ich schluckte, doch er war noch nicht fertig. „Du bedeutest mir so viel, Sas… Ich will nur… Ich will nur, dass es dir gut geht. Ich will dich wirklich verstehen, aber wenn du mir nicht sagst, was dir solche Angst macht, kann ich dir nicht helfen… Wer hat dir so wehgetan, Sasuke?“ Ich fuhr zurück, weitete die Augen und schüttelte den Kopf. „Bitte“, drang Naruto weiter auf mich ein. „Nein…“ „Ich will dir nur helfen.“ Nein. Nein, er konnte das nicht wissen, nicht mal ahnen. Ich sperrte mein Familienleben hinter eine Mauer, hinter die niemand blicken konnte, fast, als würd es nie passieren… Fast. Aber in Wirklichkeit passierte es eben doch, und Naruto war mir nah genug gekommen, um nicht nur die Mauer zu bemerken, sondern auch um zu erraten, weshalb es sie überhaupt gab. Er war ein Trottel, aber furchtbar empathisch, und es war leicht, ihm Vertrauen zu schenken. Selbst, wenn man niemals jemandem vertrauen durfte. Ich durfte nicht… Durfte nicht… Meine rasenden Gedanken verloren sich in einem schwarzen Strudel aus Erinnerungen, die nie jemand anderes sehen durfte. Ich konnte kein Ekel und Mitleid in den Augen der Menschen ertragen. Ein Uchiha focht seine Kämpfe selbst aus, egal, wie mächtig seine Dämonen waren – selbst wenn dieser Dämon der eigene Bruder war. Naruto machte mich stark, hatte ich gedacht, und vielleicht war das tatsächlich so. Aber seit wann brauchte ich einen Mann, um stark zu sein? Sechs Jahre hatte ich das sehr gut alleine hinbekommen, und das würde ich auch weiterhin. „Ich brauche aber keine Hilfe. Ich bin keine Jungfrau in Nöten, oder für was auch immer du mich hältst. Gestern… Ich war betrunken und neugierig. Das hättest du nicht ausnutzen dürfen.“ Jetzt waren die Worte keine Schläge mehr, sondern Messer. Seine Augen wurden glasig und ich hätte fast hysterisch gelacht; eine Frau, die erwachsene Männer zum Weinen brachte, verdiente alles, was ihr wiederfuhr. „Ich… Ich weiß, dass du das nicht so meinst“, beharrte Naruto mit brüchiger Stimme und langsam fragte ich mich, wie selbstzerstörerisch dumm ein Mensch in seiner Verlustangst sein konnte. Ich wusste, dass seine Freunde Naruto die Familie ersetzten und er sich an jeden mit ganzem Herzen klammerte, um nicht wieder alleine dazustehen, aber ich war nicht seine Mutter… Und auch nicht seine Frau. „Du hast nicht zu entscheiden, was ich wie meine“, fauchte ich und verließ sein Zimmer. Natürlich folgte er mir, und aus dem Augenwinkel sah ich, wie er sich die Augen rieb, während ich mir die Schuhe anzog. Ich hätte ihn gerne beruhigt, aber ich wusste nicht wie, und meine Worte konnte ich nicht zurücknehmen. Er würde eine Entschuldigung annehmen, aber eine andere Erklärung verlangen, und die konnte ich ihm nicht bieten, also schwieg ich und ging. Mir war nie aufgefallen, wie lang der Weg von seinen Großeltern zur Bahn war, denn Naruto hatte mich immer gefahren. Das hatte jetzt ein Ende, aber das hier war auch das letzte Mal, dass ich diesen Weg zurücklegte. Nachdem Naruto erahnt hatte, dass ich etwas zu verbergen hatte, würde er nicht zu fragen aufhören. Die einzige Möglichkeit, dem zu entgehen, war, ihn nicht mehr zu sehen, was sowieso besser wäre. So konnte so etwas wie in der letzten Nacht nie wieder passieren, ich müsste Naruto nie wieder zurückweisen und nie wieder in seine traurigen, dummen Hundeaugen blicken. Gott, den Ausdruck darin würde ich nie vergessen… Später wusste ich nichts mehr von meinem Heimweg. Ich stolperte durch den Hausflur in mein Zimmer und dann wusste ich auch nicht mehr, woher ich die Kraft zu stehen nehmen sollte. Ich klappte auf dem Bett zusammen und weinte, zum ersten Mal seit mein Vater mich geschlagen hatte, weil ich über den Kleidern meiner toten Mutter getrauert hatte. Jetzt trauerte ich um meine Freundschaft zu Naruto. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)